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Frauen in die Technik? Mit der Initiative "Finde deinen eigenen Weg" sollen Mädchen motiviert werden, sich auch für nicht-traditionelle Berufe zu interessieren.

Frauen in die Technik?

Schwerpunkt

Durch zahlreiche Initiativen sollen Frauen und junge Mädchen ihre technischen Talente entdecken und sich für nicht-traditionelle Berufe begeistern.

Noch immer sind Frauen in den technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen deutlich unterrepräsentiert. Obwohl diese Studien oft die besten Berufs-, Einkommens- und Karrierechancen bieten. Mit zahlreichen Förderprogrammen sollen Mädchen schon ab dem Schulalter motiviert werden, MINT-Fächer zu studieren. Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, so weiß man im 21. Jahrhundert, sind ebenso wenig ausschließlich männlich wie Kochen, Pflegen und Erziehen weiblich sind. So unterstützt etwa die Arbeiterkammer das von der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Johannes-Kepler-Universität Linz initiierte Projekt FIT – Frauen in die Technik.
Ziele von FIT sind die Erhöhung des Frauenanteils bei den Studierenden technisch-naturwissenschaftlicher Fächer und die Förderung von weiblichen Technikkarrieren. Information, Beratung und spezielle Unterstützungsangebote für Schülerinnen dienen dabei dem Abbau von Berührungsängsten.

Resistentes Vorurteil

Laut einer im Auftrag des Kompetenzzentrums FEMtech erstellten Studie „Frauen in Forschung und Technologie: Argumente und wie die Fakten dazu aussehen“ erweist sich das Vorurteil, dass Frauen nichts von Technik verstünden, als erstaunlich resistent. Trotz der steigenden Zahl von Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen, die das Gegenteil beweisen. Der Frauenanteil am gesamtwissenschaftlichen Personal im Sektor Forschung und Entwicklung ist zwischen 1998 und 2009 von rund 14 auf 22 Prozent gestiegen. Doch technologie- und forschungsintensive Berufsfelder sind nach wie vor männlich dominiert. Überdurchschnittlich häufig sind dieser Studie zufolge Frauen in Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen tätig, während sie in Vollzeit deutlich unterrepräsentiert sind.
Die Aufstiegschancen für Frauen in der außeruniversitären naturwissenschaftlichen Forschung sind laut der Kurzstudie von FEMtech „Chancengleichheit in F&E – Aktuelle Daten auf einen Blick“ vergleichsweise schlecht. Dies zeige sich nicht allein am sogenannten Glass-Ceiling-Index, der die relative Chance von Frauen misst, in Führungsetagen aufzusteigen, sondern auch am geringen Anteil von Frauen in der Geschäftsführungsebene.

Ob Mann, ob Frau ist gleich

Für den Physiker Josef Greiner lenkt der Ruf nach „mehr Frauen in die Technik“ vom Wesentlichen ab. Vielmehr sei die oftmals zerstörerisch eingesetzte Technik selbst zu hinterfragen. Gemeinsam mit der Pädagogin Eleonore Fischer betreibt er seit 1988 die Experimentierwerkstatt Wien/EWW mit deren interaktiven Exponaten Kindern und Erwachsenen physikalische Phänomene spielerisch nähergebracht werden. Ausgehend von der Physik werden interdisziplinäre Brücken geschlagen, vor allem zu Kunst, Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte. Ihnen geht es nicht um eine Naturwissenschaft und Technik, „deren Wirkungsgrad möglichst hochgeschraubt wird, um auch den letzten Tropfen herauszuholen“, sondern um eine Form von Beziehungswis-senschaft, um möglichst ganzheitlich mit der Natur in Verbindung zu treten.
„Die gängigen Versuche, die Menschen für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern“, so Greiner, „reflektieren kaum, dass sie Teil einer geschichtlichen Entwicklung sind, die an einem sehr kritischen Punkt angelangt ist. Für mich liegt die Hoffnung darin, dass sich mehr Frauen damit auseinandersetzen, die Anwendungen und Arten der Technik zu verändern.“

Gender-Studies

Ein Schritt in diese Richtung wurde 2005 mit „Gender in die Lehre“ (GiL) gesetzt, dem ersten Projekt Österreichs, das sich konkret mit dem Zusammenhang des sozialen Geschlechts (Gender) und zwei ausgewählten Studienrichtungen (Elektrotechnik und Technische Physik) an einer technischen Universität auseinandersetzte. Erste Diskussionen fanden um die Frage statt, inwiefern auch der Technik ein Geschlecht zu eigen ist.
Schon allein die quantitativen Verhältnisse an den Universitäten deuten auf Geschlechtsspezifika hin. Und: Technik ist in unserer Gesellschaft nicht geschlechtsneutral, sondern eingelassen in ein gesellschaftliches System der geschlechterspezifischen Zuschreibungen und Klischeevorstellungen in Bezug auf Technikkompetenz. „Die gängigen Alltagstheorien über Technik und Geschlecht setzen eine grundsätzliche Differenz zwischen Frauen und Männern voraus und bringen zusätzlich die einzelnen Mitglieder der Gruppe in ein hierarchisches Verhältnis zueinander“, heißt es im Endbericht von GiL. Die gängige Alltagstheorie ließe sich verknappen auf: Buben sind in Bezug auf Technik kompetent und bleiben es bis zum Beweis des Gegenteils. Mädchen sind, ebenfalls bis zum gegenteiligen Beweis, in Bezug auf Technik inkompetent.
Das Vorurteil „Mädchen wollen nicht in die Technik“ ließe sich schon im Kindesalter sehr gut beseitigen, spricht Eleonore Fischer, die bei Ausstellungen der Experimentierwerkstatt Wien die jungen und alten BesucherInnen betreut, aus langjähriger Erfahrung. In gemischten Gruppen stürzen sich die Buben auf das Energiefahrrad, die Mädchen befassen sich konzentriert mit dem Harmonographen, durch dessen Schwingungen auf Papier Figuren entstehen. Sind die Mädchen unter sich, ist auch das Fahrrad beliebt. „Im technischen Bereich wollen Mädchen gerne unter sich sein“, meint die Pädagogin, „weil die Buben ihnen viel Platz wegnehmen. Mädchen lassen sich oft das Werkzeug aus der Hand nehmen.“

Role-Models

Die Liste der aktuellen und der historischen Rollenmodelle ist lang: 1903 erfand die Amerikanerin Mary Anderson den ersten funktionierenden Scheibenwischer, 1921 patentierte die Luftschifferin Käthe Paulus den von ihr entwickelten Paketfallschirm; und es gibt viele andere mehr. 2013 stammen nur fünf Prozent der österreichischen Patente am Europäischen Patentamt von Frauen. Erklärungen für den geringen Forschungsanteil von Frauen sind laut Studie des Austrian Institute of Technologie in den Strukturen zu finden. Die überwiegende Zahl der Patente stammt von Unternehmen. Frauen machen rund 40 Prozent des Forschungspersonals an Hochschulen aus, aber nur 16,5 Prozent des E&F-Personals in Betrieben. Das Gros der Patente wird in technischen Wissenschaften eingereicht, in denen Frauen unterrepräsentiert sind.

Neue Wege

Doch muss es nicht gleich die Forschung und Wissenschaft sein.
Technische Berufe eröffnen Frauen neue Chancen. „Mädchen, die clever entscheiden und einen sogenannten Männerberuf wählen, beweisen, wie viel Spaß das machen kann“, lautet die Devise des Bundesministeriums für Frauen und öffentlichen Dienst. Mit der Initiative „Finde deinen eigenen Weg“ sollen Mädchen motiviert werden, sich auch für nicht-traditionelle Berufe zu interessieren. Denn: Von Anfang an verdient man in einem typischen Frauenberuf wie FriseurIn, VerkäuferIn oder SekretärIn deutlich weniger als etwa ein/e MechanikerIn.
Christine Marschnig entdeckte ihr Talent für Technik mit 47, als sie nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes auf Jobsuche war. Die Berufsorientierung beim Arbeitsmarktservice eröffnete ihr neue Wege. Mit dem FiT-Programm des AMS machte sie binnen einem Jahr die Qualifizierung als Dreherin für die metallverarbeitende Industrie mit Lehrabschlussprüfung. Seit April 2012 ist sie bei einer steirischen Firma angestellt und bedient unter anderem Computerprogramme für die Metallverarbeitung. Besonders stolz ist die Technikerin heute auf ihren Abschluss mit Auszeichnung. Christine Marschnig: „Ich kann Frauen nur empfehlen, ihr Interesse für Handwerk und Technik zu entdecken. Es gibt so viele spannende Berufe.“

Experimentierwerkstatt Wien:
www.experimentier.com
FEMtech – Frauen in Forschung und Technologie:
www.femtech.at
Frauen in die Technik OÖ:
www.fit.jku.at
FiT-Erfolgsgeschichten:
www.ams.at/sfa/17591.html
Führung „Patente Frauen“:
www.technischesmuseum.at/fuehrung/patente-frauen-erwachsene
Infografik zu Frauen und Technik:
www.mbaonline.com/women-in-tech/

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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