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Mit Kleinarbeit durch die Krise Die Krise ist keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Verteilungskrise. Darauf hat der ÖGB mit seinem Schwerpunkt FAIR TEILEN aufmerksam gemacht.

Mit Kleinarbeit durch die Krise

Schwerpunkt

Die Finanzkrise hat die Jahre seit dem ÖGB-Bundeskongress 2009 dominiert. Sozialpolitische Maßnahmen konnten ihre Auswirkungen erträglicher machen.

Auch wenn viele das Gerede von der Krise schon nicht mehr hören können: Ein Rückblick über die vergangenen vier Jahre seit dem vorigen ÖGB-Bundeskongress kann ohne Wirtschafts-, Finanz- und Eurokrise schlecht auskommen. Hier soll die Sache aber einmal anders angegangen werden: nicht Wiederholung von Schreckenszahlen über explodierende Jugendarbeitslosigkeit, steigende Staatsverschuldung und teure Bankenrettung, sondern Darstellung der Maßnahmen, mit denen die Folgen der Krise für die Menschen erträglicher gemacht wurden.

Österreich besser durch die Krise

Österreich ist dank Sozialstaat und Sozialpartnerschaft sicher besser durch die Krise gekommen als andere Länder – hier ist die Arbeitslosigkeit nicht einmal halb so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Soziale Absicherung, etwa durch das Arbeitslosengeld, hat die Auswirkungen der Krise abgefedert. Durch Maßnahmen wie die Kurzarbeit mussten Beschäftigte angeschlagener Unternehmen nicht gekündigt werden.
Die betroffenen ArbeitnehmerInnen sind finanziell wesentlich besser ausgestiegen als zum Beispiel bei der deutschen Kurzarbeitsregelung. Kaufkraft wurde erhalten, und die Unternehmen konnten bei Auftragssteigerungen schnell auf die vorhandenen Fachkräfte zurückgreifen, ohne Zeitverlust durch Personalsuche.
Der Zustrom auf den heimischen Arbeitsmarkt wurde durch das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping kontrollierbar gemacht. Seit Mai 2011 dürfen ArbeitnehmerInnen aus acht zusätzlichen EU-Ländern legal in Österreich arbeiten. Der ÖGB hat erfolgreich Druck dafür gemacht, dass die Einhaltung des Arbeitsrechts und österreichischer Kollektivverträge kontrolliert werden kann. Firmen müssen nun der Krankenkasse und der Finanzpolizei schwarz auf weiß nachweisen, dass sie nicht unterhalb des gültigen Kollektivvertrags bezahlen. „Unterentlohnung ist erstmals ein Straftatbestand“, unterstrich ÖGB-Präsident Erich Foglar bei einer der Konferenzen, mit denen der ÖGB 900 Betriebsrätinnen und Betriebsräte in ganz Österreich über die neuen Regelungen informiert hat.

Sparen, aber richtig

Die Krise ist nicht durch die Staatsverschuldung entstanden, sondern umgekehrt. Was nicht heißt, dass der ÖGB explodierenden Schulden das Wort reden würde. Im Gegenteil, das Bekenntnis zur Budgetkonsolidierung war immer da, und mehr als 400 Betriebsrätinnen und Betriebsräte haben bei einer ÖGB-AK-Konferenz im Jänner 2012 auch detailliert durchgerechnete Forderungen zum Defizitabbau aufgestellt und an die Bundesregierung weitergeleitet. „Ja zum Schuldenabbau, aber ohne dass Wachstum und Beschäftigung gefährdet werden“, fasste Foglar zusammen. Wesentlicher Punkt war, dass die Sanierung nicht nur durch Ausgaben-, sprich Sozialstaatskürzungen, wie das viele gefordert hatten, sondern auch durch neue Einnahmen erfolgen sollte. Bei den Einnahmen konnte der ÖGB schließlich durchsetzen, dass es zu keinen einseitig die ArbeitnehmerInnen belastenden Erhöhungen von Massensteuern wie Mehrwert- und Mineralölsteuer kam.

Schwerpunkt FAIR TEILEN

Die Krise ist keine Staatsschuldenkrise, sondern eine Verteilungskrise. Darauf hat der ÖGB mit seinem Schwerpunkt FAIR TEILEN aufmerksam gemacht. Es ging um Verteilung im weitesten Sinn: Bildungsverteilung, Verteilung zwischen Frauen und Männern, zwischen Gesunden und Kranken und so weiter. Aber natürlich auch um die Verteilung von Armut und Reichtum. Hier ist die Schieflage besonders groß, denn allein die reichsten fünf Prozent der Haushalte verfügen über 45 Prozent der Vermögen in Österreich.
Die logische Konsequenz, nämlich die vom ÖGB geforderten Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern, gibt es zwar noch immer nicht – trotzdem war FAIR TEILEN ein Erfolg. Denn war der ÖGB vor Start des Schwerpunkts noch ziemlich allein mit dieser Forderung, so stand die SPÖ danach voll hinter der Idee der Reichensteuern, und auch in der ÖVP gibt es immer wieder zarte Anzeichen eines Umdenkens, man erinnere sich nur an ÖAAB-Chefin Johanna Mikl-Leitner und ihren Ruf: „Her mit dem Zaster, her mit der Marie!“
Handfeste Erfolge gab es bei der Verschiebung der Steuerlast weg von der Arbeit, hin zu den Vermögen. Außerdem gibt es in Österreich mittlerweile eine Bankenabgabe, eine Aktien-KeSt, Änderungen bei der Stiftungsbesteuerung und eine Vermögenszuwachssteuer. Auf europäischer Ebene hat die Gewerkschaftsbewegung Druck für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer (FTT) gemacht – die wird jetzt in vorerst einmal elf EU-Ländern Wirklichkeit. Damit müssen die Krisenverursacher endlich auch etwas zu den Krisenbewältigungskosten beitragen; Spekulation wird eingedämmt.
Vor allem aber hat der ÖGB immer davor gewarnt, das Budget mit dem Abbau sozialer Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungssystem, in der Kinderbetreuung, bei Gesundheit und Pflege zu sanieren. Solche Einsparungen hätten nicht nur jene am stärksten getroffen, die für die Krise am wenigsten können, nämlich die sozial am schlechtesten Gestellten, sondern auch die Volkswirtschaft negativ beeinflusst. Jede gesparte Milliarde im Sozialbereich bedeutet 20.000 Arbeitsplätze weniger.

Sozialstaat fairbessern

Auf die immense Bedeutung des Sozialstaats hat der ÖGB mit dem Schwerpunkt aufmerksam gemacht, der auf FAIR TEILEN gefolgt ist: Sozialstaat fairbessern. Auch dazu gab es Veranstaltungen in ganz Österreich, um die Menschen darauf hinzuweisen, was alles zum Sozialstaat gehört – um klarzustellen: Der Sozialstaat ist für alle da, und jede und jeder Einzelne nimmt ihn einmal in Anspruch, sei es im Spital bei der Geburt, in Form von Kinderbeihilfe, im Bildungssystem, als Versicherungsleistung … In der konkreten Ausgestaltung des Sozialstaats konnte der ÖGB seit dem Bundeskongress 2009 einige Verbesserungen erreichen. Viele davon wirken auf den ersten Blick nicht spektakulär oder klingen sehr technisch – für die Betroffenen aber sind sie wichtig. Zum Beispiel wurde mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung die Sozialhilfe österreichweit vereinheitlicht, und bei der Pflegefreistellung wurden Verbesserungen erreicht: Die ÖGB-Forderung, wonach auch nicht bei ihrem Kind lebende Mütter und Väter sowie Patchwork-Eltern (im selben Haushalt lebende/r Lebensgefährtin/-gefährte des Vaters/der Mutter) künftig das Recht auf Pflegefreistellung haben müssen, wurde umgesetzt.
Sowohl die Pflege als auch das Gesundheitssystem wurden auf neue finanzielle Beine gestellt: Bei der Pflege hat sich das Bekenntnis zur Finanzierung aus Steuergeldern durchgesetzt, und die Gesundheitsreform regelt die Verteilung zwischen Krankenkassen und Ländern neu. Die sozialpartnerschaftliche Selbstverwaltung der Sozialversicherungen hat außerdem die Krankenkassen saniert – ohne dass Leistungen für die Patientinnen und Patienten gekürzt wurden.
Bei den Pensionen war die ÖGB-Linie klar: Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters – nein. Anhebung des faktischen Antrittsalters – ja! Um das zu erreichen, haben die Sozialpartner beim Bad Ischler Dialog im Oktober 2011 der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket übergeben, mit dem innerhalb von zehn Jahren erreicht werden soll, dass die Menschen um zwei Jahre später in Pension gehen. Entscheidende Punkte daraus wurden umgesetzt, zum Beispiel berufliche und gesundheitliche Rehabilitation anstatt befristeter Invaliditätspensionen. Um mehr Transparenz über die zu erwartende Pensionshöhe zu erreichen, wurde die Einführung des Pensionskontos auf Anfang 2014 vorgezogen – dadurch sollen ArbeitnehmerInnen motiviert werden länger zu arbeiten, weil sie dann mehr Pension bekommen. Noch offen ist zum Beispiel das vom ÖGB vehement geforderte Malus-System: Unternehmen, die weniger ältere Menschen beschäftigen als branchenüblich, sollen zahlen.

Verbesserungen sind Kleinarbeit

Die Einkommensunterschiede zwischen Mänern und Frauen konnten nicht beseitigt werden, mit den verpflichtenden Einkommensberichten und Gehaltsangaben in Stelleninseraten wurden aber Werkzeuge geschaffen, um die Einkommensschere ein Stück weit zu schließen.
Das alles sind Punkte, die in den vergangenen vier Jahren umgesetzt wurden. Dass damit bei Weitem nicht alle Ziele erreicht sind – eh klar. Aber Verbesserungen kommen nur selten als Revolution daher, viel öfter aber als Ergebnis von Kleinarbeit.

Mehr Infos unter:
www.oegb.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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