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Wir verdienen mehr! Wenn man die Wahl hat zwischen heimfahren und Bettwäsche waschen, weil das Kind Brechdurchfall hat, oder im Büro bleiben und Überstunden machen ...
Buchtipp

Wir verdienen mehr!

Schwerpunkt

Gleichberechtigung und faire Einkommen für Frauen und was strukturelle Benachteiligung damit zu tun hat.

Jahr für Jahr dieselbe alte Leier: Der Rechnungshof stellt nach akribischer Analyse der Einkommensdaten aller ÖsterreicherInnen fest, dass Frauen in diesem Land rund ein Drittel weniger verdienen als Männer. Und so wie der Rechnungshof niemals müde wird, auf diese himmelschreiende Ungerechtigkeit hinzuweisen, werden auch FeministInnen und VerantwortungsträgerInnen aus Politik und Wirtschaft nicht müde, Forderungen zu formulieren und auf Verbesserungen zu drängen. Dennoch wiederholt sich dieses Spiel jedes Jahr aufs Neue und es werden kaum tatsächliche Verbesserungen erzielt. Wie kann das eigentlich sein? Noch dazu wenn man bedenkt, dass es hier niemanden gibt, der dagegen ist, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden? Die Antwort darauf lautet: „strukturelle Benachteiligung“.  Sie ist derartig fest in unsere Gesellschaft und in unser alltägliches Leben eingeschrieben, dass es mit großen gesellschaftlichen Umwälzungen verbunden wäre, diese zu ändern. Ansätze, wie es dennoch gelingen könnte, die Einkommensschere Schritt für Schritt zu verkleinern, werden dieser Beitrag sowie das Buch „Wir verdienen mehr! Gleichberechtigung und faire Einkommen für Frauen“ aufzeigen.

Frauensache Teilzeitarbeit

Einkommensunterschiede von Frauen und Männern werden gerne mit den Faktor Arbeitszeit „wegerklärt“. Es wird behauptet, diese Unterschiede entstünden einfach nur dadurch, dass mehr Frauen als Männer Teilzeit arbeiten. Das stimmt insofern, als dass vier von zehn Frauen Teilzeit arbeiten, während dies gerade einmal für jeden zehnten Mann zutrifft. Dennoch zeigt sich, dass auch bei ganzjährig Vollzeitbeschäftigten die Differenz beim Einkommen stolze 19 Prozent beträgt. Das sind weit mehr als nur vernachlässigbare Rundungsdifferenzen! Auch die Tatsache, dass Teilzeitarbeit zum überwiegenden Teil von Frauen gewählt wird, hat strukturelle Gründe. Kinderbetreuung, Pflege und Hausarbeit gehören im 21. Jahrhundert immer noch zum größten Teil in den Zuständigkeitsbereich von Frauen. Anders ausgedrückt: Männer und Frauen arbeiten statistisch gleich viel. Die Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria beziffert die wöchentliche Arbeitszeit bei Männern auf 64,3 Stunden und bei Frauen auf 66 Stunden. Allerdings bekommen Männer den Großteil dieser Arbeitsleistung bezahlt und erwerben Ansprüche in der Sozialversicherung, während Frauen einen großen Teil ihrer Arbeit unbezahlt im Privatbereich leisten und im Hinblick auf ihre soziale Absicherung (im Alter!) von Partnern und/oder der Gesellschaft abhängig sind.

Wer macht hier halbe-halbe?

Die damals sehr umstrittene Kampagne „Echte Männer machen halbe-halbe“ von SPÖ-Frauenministerin Helga Konrad ist mittlerweile stolze 17 Jahre her, dennoch gab es in der Zwischenzeit kaum dramatische Umwälzungen in der privaten Arbeitsverteilung von Herr und Frau Österreicher. Bei (jungen) Paaren ohne Kinder klappt es noch einigermaßen: Beide arbeiten in der Regel Vollzeit und teilen sich Hausarbeit und Beziehungsarbeit. Doch mit dem ersten Kind beginnen die schleichenden Veränderungen: Zuerst übernehmen die Frauen den größten Teil der Karenzzeit und Männer – wenn überhaupt – einen geringen Teil. Da die Frauen eh schon zu Hause sind, ist es meist auch logisch, nun den Löwenanteil beim Putzen, Waschen und Einkaufen zu übernehmen, und nach der Karenz wird (Eltern-)Teilzeit gearbeitet – wegen der besseren Vereinbarkeit. Während sich also die Frauen täglich in der Quadratur des Kreises versuchen, haben die Männer – nun von der Last der halben Haushaltsarbeit befreit – den Rücken frei, um die nächste Stufe auf der Karriereleiter zu erklimmen. Schließlich tragen sie nun die hauptsächliche finanzielle Verantwortung für eine Familie, weil die Partnerin Teilzeit arbeitet. Und mal ehrlich: Wenn man die Wahl hat zwischen heimfahren und Bettwäsche waschen, weil das Kind Brechdurchfall hat, oder im Büro bleiben und Überstunden machen, für die es Lob, Anerkennung und vielleicht sogar eine Prämie gibt – so schlecht kann der Kaffee im Büro gar nicht sein! Spätestens beim zweiten Kind wiederholen Paare jene familiäre Arbeitsteilung, die sie selber aus ihrer Kindheit kennen. Nur gelegentlich fragen sie sich, wie es eigentlich so weit kommen konnte, dass sie genauso geworden sind wie ihre Eltern, obwohl sie sich fest versprochen hatten, alles ganz anders zu machen.

Vom Regen in die Traufe ...

Sind die Kinder dann groß genug, um keinen der ganztägigen, pädagogisch wertvollen Kinderbetreuungsplätze – die seit Jahrzehnten gefordert werden, aber kaum irgendwo tatsächlich in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen – zu benötigen, dann können Frauen wieder Vollzeit in den Beruf einsteigen. Karrierechancen hat frau dann eigentlich keine mehr, weil die Konkurrenz meistens 20 Jahre jünger und kinderlos ist. Der Vorteil, über ausreichend Lebenserfahrung zu verfügen und nachweislich viel Erfahrung beim Organisieren und Planen zu haben, lässt sich nur selten in Firmenwagen und Filialleitung übersetzen. Dazu kommt in dieser Lebensphase langsam die Gefahr, dass (Schwieger-)Eltern, Tanten und Onkel Pflege und Betreuung brauchen. Diese Arbeit landet auch wiederum gerne bei den Frauen. Zu diesem Zeitpunkt muss man außerdem kaum mehr Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen, wenn es darum geht, wer zu Hause bleibt, um sich um Onkel Hansi zu kümmern: Die Einkommen von Frauen, die lange in Karenz waren und/oder Teilzeit gearbeitet haben, können selten mit jenen von Männern verglichen werden, die durch das Senioritätsprinzip im Laufe der Jahre kontinuierlich angestiegen sind. Die Nichtanrechnung von Karenzzeiten in vielen Kollektivverträgen führt zu großen Verlusten im Lebenseinkommen und bei der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Darüber hinaus ist Pflege und Betreuung von älteren Angehörigen in unserer Gesellschaft immer noch ganz eng mit der Vorstellung von Weiblichkeit verknüpft: Frauen sorgen, pflegen und sind für Beziehungsarbeit zuständig. Das war immer schon so, warum sollte man daran rütteln, wenn es bisher so gut funktioniert hat?
Tatsächlich sind traditionelle Bilder von Weiblichkeit für unsere Gesellschaft sehr hilfreich, erlauben sie es doch, Tätigkeiten und Berufe, die eng mit diesen Vorstellungen verbunden sind, vergleichsweise gering zu entlohnen. Der Gesundheits- und Sozialbereich ist dafür ein klassisches Beispiel: Angeblich handelt es sich bei sozialer Kompetenz im Umgang mit Patientinnen und Patienten um eine Fähigkeit, die Frauen „von Natur aus“ haben. Aus diesem Grund muss man sie auch nicht extra bezahlen und kann einen Bereich, der für unsere Gesellschaft vollkommen existenziell ist, als Niedriglohnbranche erhalten. Im Gegensatz dazu werden Fähigkeiten, die traditionell Männern zugeschrieben werden, wie zum Beispiel körperliche Kraft, sehr wohl extra honoriert. Es ist also kein „Naturgesetz“, dass Tätigkeiten in Bereichen, in denen viele Frauen arbeiten, grundsätzlich schlechter entlohnt werden als solche in traditionellen Männerbranchen. Der Hinweis an junge Frauen, doch zum Beispiel einen technischen Beruf zu ergreifen, ist sicherlich hilfreich, wenn es darum geht, für jeden und jede einen Beruf zu finden, der den eigenen Fähigkeiten und Talenten am besten entspricht. Dennoch kann dies nicht die Lösung sein, da wir aus der Vergangenheit wissen, dass in Brachen, in denen der Frauenanteil ansteigt, das Lohn- und Gehaltsniveau sinkt. Diese „Feminisierung“ von Branchen lässt sich auf der ganzen Welt immer wieder beobachten. Letztlich ist es eine Frage von Bewertung und davon, welcher Stellenwert der Frauenarbeit, besonders jener, die eng mit gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen von Weiblichkeit verknüpft ist, zugestanden wird.

Nicht jammern, handeln

Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männer sind ein sehr komplexes Phänomen. Arbeitszeit, unbezahlte Arbeit, Frauenbranchen, gewerkschaftlicher Organisationsgrad, Rollenstereotype und viele andere Faktoren spielen eine große Rolle und verstärken sich teilweise gegenseitig. Auf der anderen Seite bietet genau diese Vielfalt eine große Anzahl von Ansatzpunkten für Verbesserungen, sei es auf gesetzlicher, kollektivvertraglicher oder betrieblicher Ebene. Einen Überblick über entsprechende Lösungsansätze vermittelt das Buch „Wir verdienen mehr! Gleichberechtigung und faire Einkommen für Frauen“ von Barbara Lavaud, Barbara Marx und Eva Scherz.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin barbara.marx@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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