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Symbolbild zum Bericht "Wenn ich mir was wünschen darf ..." Lediglich 48 Prozent der Befragten geben an, dass sie angesichts ihrer Arbeit und ihres Gesundheitszustands ihren Beruf auch noch mit 65 Jahren ausüben können.

Wenn ich mir was wünschen darf ...

Schwerpunkt

Bald wählen die ÖsterreicherInnen ein neues Parlament. Die ArbeitnehmerInnen haben Forderungen an die kommende Regierung.

Am 28. September wird gewählt, seit Monaten rühren die politischen Parteien kräftig die Werbetrommel. Komplexe Zusammenhänge bleiben dabei leider oft auf der Strecke. Klar und deutlich formulieren jedenfalls die Vertretungen der ArbeitnehmerInnen ihre Forderungen – und die „Wunschliste“ ist lang ...
Einen Schwerpunkt macht naturgemäß der Arbeitsmarkt aus. In Österreich ist die Zahl der Arbeitsuchenden im August gegenüber dem Vorjahr um 11,7 Prozent auf 323.111 Personen angestiegen. Wobei eine Entspannung nicht in Sicht ist: „Alle Wirtschaftsprognosen deuten darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit eher zunehmen oder zumindest auf hohem Niveau verharren wird“, urteilt Josef Wallner, Arbeitsmarktexperte der AK Wien. Laut Wallner finden vor allem ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Menschen kaum Chancen am Arbeitsmarkt vor. Er fordert daher ein „griffiges“ Bonus-Malus-System. Derzeit fallen bei Betrieben nur Strafzahlungen an, wenn ältere Personen entlassen werden. Das stellt für Unternehmen sogar einen Anreiz dar, Ältere erst gar nicht einzustellen. Firmen, die hingegen vielen älteren Menschen eine Chance geben, werden benachteiligt, wenn Entlassungen ausgesprochen werden. Der AK-Experte spricht sich deshalb für ein Bonus-Malus-Modell aus, das bereits greift, wenn Betriebe unterdurchschnittlich viele ältere Menschen beschäftigen. Weiters wünscht sich Wallner mehr Investitionen in den Bereich der gesundheitlichen Prävention und Rehabilitation: „Hier müssen sowohl Krankenkassen als auch die Unternehmen selbst ihren Beitrag leisten.“

„Hackln“ bis zum Umfallen

Im aktuellen Wahlkampf fordert die ÖVP eine „Entfesselung der Wirtschaft“ und spricht sich im Rahmen neuer Durchrechnungsmodelle für die Möglichkeit eines Zwölf-Stunden-Arbeitstages aus. Ein Vorschlag, der bei AK und Gewerkschaften auf vehemente Ablehnung stößt: „Eine solche weitere massive Flexibilisierung der Arbeitszeit im Interesse der Wirtschaft würde direkt zu Lohnkürzungen für die ArbeitnehmerInnen führen. Außerdem würde ein Zwölf-Stunden-Arbeitstag mehr gesundheitliche Beschwerden, mehr krankheitsbedingte Erwerbsausfälle und letztendlich auch mehr Invaliditätspensionen verursachen“, heißt es seitens der AK.
Zudem wird in Österreich den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bereits jetzt eine sehr hohe „Flexibilität“ abverlangt. So liegt der Anteil der Beschäftigten, die in einem im Wesentlichen gleichbleibenden Stundenausmaß – pro Woche oder pro Tag – arbeiten, deutlich niedriger als im europäischen Durchschnitt (vgl. Eurofound 2010).
Weiters ist die Anzahl der Überstunden in Österreich enorm: Im vergangenen Jahr waren es in etwa 300 Mio., rund 70 Mio. davon wurden nicht abgegolten – weder in Form von Zeitausgleich noch von Einkommen. Damit entgeht den Beschäftigten die stattliche Summe von circa 1,5 Mrd. Euro an zusätzlichem Bruttoeinkommen pro Jahr.
Aufschlussreich sind auch die Ergebnisse des Arbeitsklima-Index der AK OÖ (2011). Demnach geben lediglich 48 Prozent der Befragten an, dass sie angesichts ihrer Arbeit und ihres Gesundheitszustands ihren Beruf auch noch mit 65 Jahren ausüben können. Eine Untersuchung der Statistik Austria belegt weiters, dass bereits jetzt mehr als 300.000 Beschäftigte aufgrund langer Arbeitszeiten gesundheitliche Probleme aufweisen. Bei drei Viertel der Personen führt die zeitliche Überbelastung zu körperlichen Problemen, ein Viertel klagt über Erschöpfungszustände und andere seelische Leiden.

Immer mehr All-in-Verträge

Hochproblematisch ist dabei, dass immer mehr Beschäftigte mit All-in-Verträgen „abgespeist“ werden; bereits jede/r fünfte Vollzeitbeschäftigte (530.000 Personen) arbeitet im Rahmen einer solchen Vereinbarung. All-in bedeutet, dass mit dem regulären Gehalt der zeitliche Mehraufwand pauschal abgegolten wird. Wenn damit die korrekte Verrechnung von Überstunden ausgehebelt wird und Mehrleistungsverpflichtungen jenseits der gesetzlich zulässigen Grenzen abverlangt werden, bleiben die ArbeitnehmerInnen auf der Strecke.
So leiden also einerseits manche ArbeitnehmerInnen unter Überbelastung und wollen weniger Zeit für den Beruf aufwenden. Andererseits sehen wir eine Vielzahl von Personen in Teilzeit-Jobs, die mehr arbeiten möchten, aber keine Möglichkeit dazu finden. Zusätzlich scharren Menschen in den Startlöchern, denen der Weg zum Arbeitsmarkt überhaupt versperrt ist. Eine paradoxe Situation. Die AK zielt daher prinzipiell auf eine Verkürzung der Arbeitszeit ohne Minderung der Kaufkraft ab.

Wir brauchen Sanktionssysteme

AK-Expertinnen und -Experten fordern im Zuge dessen eine Neuregelung bei All-in-Klauseln. Hier soll der Grundlohn für die Leistung der Normalarbeitszeit zwingend im Vertrag ausgewiesen sein. So könnten sich ArbeitnehmerInnen ausrechnen, wie viel sie für die Leistung ihrer Überstunden erhalten, und ungerechter Entlohnung entgegenwirken.
Gleichzeitig bedarf es wirksamer Sanktionssysteme und Kontrollen zur Sicherstellung der Einhaltung des Arbeitszeitrechts (verstärkte Kontrollen der korrekten Arbeitszeitaufzeichnungen) und einer Verdoppelung der Ansprüche der ArbeitnehmerInnen bei mutwilliger Vorenthaltung von Überstundenentgelt. „Wenn es gelingt, die Überstunden nur um 20 Prozent zu reduzieren, könnten auf diesem Weg bis zu 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen um zumindest 10.000 reduziert werden. Der Staat könnte sich zudem jährlich 200 Mio. Euro an Kosten von Arbeitslosigkeit ersparen“, rechnet die AK vor.
Auch eine Verteuerung der Überstunden in Form einer Arbeitgeberabgabe in der Höhe von einem Euro pro geleisteter Überstunde halten die Expertinnen und Experten für sinnvoll. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Bildung. Alexander Prischl, Leiter des Referates für Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik im ÖGB, spricht sich etwa dafür aus, bei der betrieblichen Lehrlingsausbildung noch mehr in die Qualitätssicherung zu investieren: „Es geht hier nicht nur darum, dass von staatlicher Seite Geld fließt. Auch die Betriebe müssen dazu gebracht werden, mehr für die Ausbildung zu tun.“ Prischl fordert daher, dass Unternehmen ein Prozent ihrer jährlichen Bruttolohnsumme in einen „Topf“ einzahlen sollen. Mit diesem Kapital könnten Betriebe gezielt gefördert werden, die sich im Ausbildungsbereich besonders anstrengen. „Im gegenwärtigen System profitieren auch Firmen, die sich wenig um Ausbildung kümmern, das ist ungerecht“, so der Experte.
Wobei Bildung in frühester Jugend beginnt, bei den Kindern. Sabine Oberhauser, Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende des ÖGB, spricht deshalb lieber von Kinderbildungs- als von Kinderbetreuungsplätzen: „Betreuung klingt nach ,Abgeben‘ von Kindern. In Wirklichkeit ist aber zum Beispiel die Förderung des Spracherwerbs und -aufbaus im Vorschulalter von enormer Bedeutung. Wir fordern daher flächendeckende Kinderausbildungsplätze und gute Arbeitsbedingungen für Pädagoginnen und Pädagogen.“ Sauer aufgestoßen ist Oberhauser die in der ÖVP entfachte Diskussion, das Frauenministerium abzuschaffen. Frei nach dem Motto: Ein Familienministerium wäre ausreichend. „Frauen sind nicht nur Ehefrauen, Mütter oder Krankenschwestern. Frauen dürfen nicht nur im privaten Kontext gesehen werden. Deshalb brauchen wir zur Vertretung ein eigenes Frauenministerium – natürlich mit einer Frau an der Spitze“, stellt die ÖGB-Expertin klar.

Wunschzettel und Wahlurne

Eine Zusammenfassung der Forderungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern liefert AK-OÖ-Präsident Johann Kalliauer: „Arbeitslosigkeit und Schieflage im Steuersystem bekämpfen, Kaufkraft stärken, Sozialsystem sichern, Bildungschancen ausbauen.“ Deshalb sei nicht zuletzt die Umstrukturierung des Steuersystems das Gebot der Stunde. Die AK fordert die Entlastung der LohnsteuerzahlerInnen durch Senkung des Eingangssteuersatzes und eine jährliche Anpassung der Progressionsstufen an die Inflation. Zur Gegenfinanzierung sei die Einführung einer Millionärssteuer auf Netto-Privatvermögen ab einer Mio. Euro sinnvoll. Seien wir gespannt, welche Wünsche nach dem Wahlgang tatsächlich in Erfüllung gehen werden.

Mehr Infos unter:
www.arbeiterkammer.com
www.oegb.at

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