topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Symbolbild zum Bericht "Helfen wollen" Das Bedürfnis zu helfen, ist ein uraltes Merkmal von Kultur und Zivilisation. Ob aus der Sicht der klassischen Antike oder der des Christentums, der individuelle Beitrag zum Allgemeinwohl gehörte immer schon unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben.
Buchtipp

Helfen wollen

Schwerpunkt

Was bedeutet es, sich freiwillig zu engagieren? Welche Motivation führt dazu? Und worauf ist bei der Führung von Freiwilligen-Teams besonders zu achten?

5.770 BesucherInnen fanden sich auf der diesjährigen Freiwilligenmesse im MAK Wien ein. Bundesministerin Johanna Mikl-Leitner, Bundesminister Rudolf Hundstorfer, Barbara Stöckl u. v. a. eröffneten am 12. Oktober 2013 feierlich die zweitägige Messe. Unter dem Motto „Ja, ich will! freiwillig werden“ erfuhr das freiwillige Engagement besondere öffentliche Aufmerksamkeit. Die bereits zweite Ausgabe dieser Messe war, wie nach der ersten dieser Art im Jahr 2012 zu erwarten war, ein voller Erfolg. Mehr als siebzig Einrichtungen bewarben ihre Angebote, sich im Rahmen ihrer Organisation freiwillig zu engagieren.

Helfen als uralte Tradition

Das Bedürfnis zu helfen ist ein uraltes Merkmal von Kultur und Zivilisation. Ob aus der Sicht der klassischen Antike oder der des Christentums, der individuelle Beitrag zum Allgemeinwohl gehörte immer schon unverzichtbar zu einem sinnerfüllten Leben. Hilfe im Alltag darf jedoch nicht mit freiwilligem Engagement verwechselt werden. Im Unterschied zur am weitest verbreiteten und wohl alltäglichsten Form des prosozialen Handelns, der Nachbarschaftshilfe, findet freiwilliges Engagement nicht im privaten Umfeld statt. Es wird definiert als ein freiwilliges, nicht auf Entlohnung ausgerichtetes Tun für eine bestimmte Dauer, außerhalb des eigenen Haushalts und des Familien- bzw. Bekanntenkreises. Freiwillige Mitarbeit findet im Rahmen von Institutionen, Organisationen oder Vereinen statt. Im Zentrum der Tätigkeit steht weder der Wunsch nach Bezahlung noch sind es gesellschaftliche Normen der Bindung oder Verpflichtung, die dazu führen, dass sich jemand freiwillig engagiert. Die wesentlich ältere Bezeichnung Ehrenamt rührt hingegen aus anderer Richtung: Sie entstammt dem frühen 19. Jahrhundert, als BürgerInnen des preußischen Staates aufgrund von Zahlungsunfähigkeiten, entstanden durch Napoleonische Kriege, dazu verpflichtet wurden, Staatsaufgaben unentgeltlich zu erledigen. Die Wurzeln des Ehrenamts liegen historisch daher eher in administrativen bzw. politisch oder karitativ besetzen Bereichen. Tatsächlich ließ sich einst durch Dienste am Gemeinwesen Ehre erlangen. Nicht ganz zu Unrecht wurde dieser althergebrachte Begriff heutzutage weitgehend ersetzt. Man möchte sich „freiwillig engagieren“.

Nach jeweiliger Tradition wird freiwilliges Engagement primär mit Nächstenliebe, Altruismus oder Solidarität in Zusammenhang gebracht und ist jedenfalls nichts, was von vornherein zu erwarten ist. Nicht nur Freiwilligkeit steht begrifflich im Mittelpunkt, auch der positiv besetzte Begriff des Engagements lässt auf hehre, ethisch höherwertige Ziele schließen. Unter dem Aspekt, dass freiwilliges Engagement demzufolge als Pendant zur unfreiwillig geleisteten Erwerbsarbeit interpretiert werden kann, scheint diese Bezeichnung nicht ganz unproblematisch zu sein. Dennoch kann man wohl berechtigterweise sagen, dass der Grad an Freiwilligkeit bei der gängigen Erwerbsarbeit ein geringerer sein dürfte als beim freiwilligen Engagement. Anders als bei entlohnter Arbeit lässt sich die Frage nach der Motivation im Einzelfall nicht ganz so einfach beantworten. Die Motivationen, die dazu führen, dass sich jemand freiwillig engagiert, sind vielfältig. Freiwillige möchten helfen, Menschen treffen, Freunde gewinnen, persönliche Fähigkeiten und Talente einbringen, Neues lernen und einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Monetärer Gegenwert scheidet als Anreiz aus – was die Annahme zulässt, dass man es sich auch leisten können muss, in irgendeiner Form freiwillig tätig zu sein.

Wer profitiert?

Nach Zahlen des BMASK engagieren sich insgesamt rund 3,3 Mio. ÖsterreicherInnen ab 15 Jahren freiwillig. Seit dem Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 wurde Freiwilligenpolitik zu einem wichtigen politischen Feld. Nachdem das Europäische Parlament 2008 Freiwilligentätigkeit als „Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ anerkannt hat, wurde das Jahr 2011 zum „Jahr der Freiwilligentätigkeit“ erklärt. In Österreich hat sich der seit 2012 beim BMASK eingerichtete Freiwilligenrat zum Ziel gesetzt, Freiwilligentätigkeit als tragende Säule des Gemeinwesens aufrecht zu erhalten, anzuerkennen und aufzuwerten.

Arbeitsleistung, nicht Hobby

In Abgrenzung zu konsumtiven Freizeitaktivitäten, also Hobbys, wird freiwilliges Engagement nämlich eindeutig als Arbeitsleistung bewertet. Was das zeitliche Ausmaß anbelangt, werden in der Regel vier Wochenstunden pro Person geleistet. Empfohlen wird, zwei Halbtage pro Woche nicht zu überschreiten. Natürlich schließt der produktive Charakter Eigennutzen für Freiwillige aber nicht aus: Der Zugewinn von Kompetenzen, die auch dem beruflichen Fortkommen dienen und Einstiegschancen im Arbeitsmarkt verbessern, ist ein durchwegs gängiges Ziel. Es gilt anzunehmen, dass sich freiwilliges Engagement aber auch für Organisationen lohnt. Einer deutschen Studie zufolge liegt das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei 1 : 7. Als übliche Kosten werden nicht nur Versicherung, Spesenersatz und Zeichen der Anerkennung beurteilt. Da Freiwilligentätigkeit als Beitrag zur wirtschaftlichen Wertschöpfung verstanden werden muss – zumal Dienstleistungen, Produkte und Ergebnisse mit ökonomischem Wert erzeugt werden – sind bestimmte, mit Kosten verbundene Qualitätskriterien zunehmend unabdingbar. Das „Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement“ (Freiwilligengesetz) ist mit Juni 2012 in Kraft getreten und schafft die gesetzliche Grundlage für Strukturen zur Förderung von Freiwilligentätigkeit. Auch die Notwendigkeit für standardisierte Bildungsmaßnahmen, die laufende professionelle Betreuung der Freiwilligen durch eigens geschulte FreiwilligenkoordinatorInnen zum Ziel haben, wurde erkannt. So wurden spezielle Lehrgänge entwickelt, um hauptamtliche MitarbeiterInnen zu FreiwilligenkoordinatorInnen auszubilden. Immerhin müssen Freiwillige gewonnen, geschult, intensiv betreut und geführt werden. Zu den Aufgaben zählen die persönliche Begleitung vom Eintritt bis zur Beendigung sowie der Aufbau der nötigen Rahmenbedingungen in den Institutionen. Arbeitseinsätze von Freiwilligen bedürfen gezielter Planung, Koordination und Anleitung, wodurch der Ressourcenbedarf an hauptamtlichem Leitungspersonal steigt. Sollen Freiwillige professionelle Arbeit leisten, bedarf es ferner einem entsprechenden Arbeitsumfeld. Gelebte Anerkennungskultur und ausgewählte Fortbildungsmaßnahmen für Freiwillige runden eine gute Einbindung ab.

Besonderheiten im Führungsstil

Klassische Führungsstrategien greifen, nicht zuletzt aufgrund der nicht monetären Motivation, nur bedingt – denn Freiwillige sind zu nichts verpflichtet. Zur Förderung und Anerkennung bedarf es folglich Instrumente der etwas anderen Art: Freiwillige möchten nicht nur das Ziel ihrer Tätigkeit selbst bestimmen, sondern auch Arbeitsweise und Zeitausmaß selbst festlegen, auch wenn diese Wünsche mitunter im Widerspruch zu den Anforderungen der Einrichtung stehen. Probleme können sich auch in der Zusammenarbeit mit Festangestellten ergeben, da Freiwillige Freiheiten genießen, die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verwehrt sind. Auch haben Freiwillige häufig ein stärkeres Kontaktbedürfnis und erwarten Unterstützung durch Festangestellte, die vielfach ohnehin zeitlich unter Druck stehen. Gegenseitige Erwartungshaltungen bergen häufig Konfliktpotential, welches es durch professionelle Leitung zu beseitigen gilt. Sollen Freiwillige in eine Organisation eingebunden werden, reicht die bewusste Entscheidung dafür nicht aus. Es gilt, eine Vielzahl besonderer Herausforderungen zu meistern. Klare Rahmenbedingungen, Zeitressourcen und Strukturen sind zweifellos erforderliche Voraussetzungen, um dieses so wertvolle Sozialkapital so zu gestalten, dass es für alle Seiten als Bereicherung wahrgenommen werden kann.

Freiwilligenmesse:
www.freiwilligenmesse.at

Alle Infos zur Freiwilligenarbeit:
www.freiwilligenweb.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin nina.ehrensberger@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum