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Symbolbild zum Bericht Wer Einsparungen in der Verwaltung fordert, fordert in der Realität weniger Personal in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung. Diese bilden aber das Herz des Sozialstaates.
Buchtipp

Vermögen für Sozialstaat

Schwerpunkt

Die Erhöhung vermögensbezogener Steuern und die Senkung der Lohnsteuer bilden zwei Seiten der gleichen Medaille.

Von ungewohnter Seite bekommt die „Lohnsteuer runter!“-Kampagne von ÖGB und AK derzeit Unterstützung: Zahlreiche konservative Wirtschaftsprofessoren, wie der Direktor des Instituts für Höhere Studien Christian Keuschnigg, sprechen sich öffentlich für eine deutliche Senkung des Steuertarifs aus. Bei Wortmeldungen von dieser Seite ist stets Skepsis angebracht, so auch in diesem Fall. Denn die Unterstützung bezieht sich lediglich auf Teil eins der gewerkschaftlichen Forderungen, jene nach einer Steuerentlastung.

Soziales, Bildung und Gesundheit
Bei Teil zwei, der Finanzierung der Steuersenkung, ist es mit den Gemeinsamkeiten schon wieder vorbei. Das konservative Konzept sieht eine massive Senkung des Steuerniveaus vor. Das soll durch umfangreiche Einsparungen bei den Staatsausgaben finanziert werden. Genau das wurde bereits in den 1980er-Jahren von der konservativen Premierministerin Großbritanniens Margaret Thatcher praktiziert: Sie senkte zunächst die Steuern und wurde dabei von einer breiten Mehrheit politisch unterstützt. Ein untragbar hohes Budgetdefizit war die Folge. Das bildete die ideale Basis für das eigentliche ideologische Anliegen Thatchers: die Zerstörung des einst vorbildlichen britischen Sozialstaates. Meist wird die Forderung nach Senkung der Staatsausgaben zur Finanzierung von steuerlichen Entlastungen mit dem hohen Volumen möglicher Einsparungen „in der Verwaltung“ verkauft. Das klingt zunächst gut.

Verwaltung ist Personal
Doch worin bestehen Verwaltungsausgaben? Primär aus Personalkosten. Diese betragen im österreichischen Staatshaushalt insgesamt 29 Milliarden Euro. Bei einer Gegenfinanzierung des 5,9 Milliarden Euro schweren „Lohnsteuer runter!“-Pakets müsste somit ein Fünftel aller Personalausgaben gekürzt werden. Bestimmt findet sich die eine oder andere Verwaltungstätigkeit, die besser organisiert werden kann. Zum Beispiel, wenn jene vier Verwaltungsebenen reformiert werden, die heute für landwirtschaftliche Förderungen zuständig sind: Europäische Union, Bund, Bundesländer und Gemeinden. Doch Einsparungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro sind damit nicht erzielbar. In der Realität bedeutet die Senkung der Personalkosten deshalb weniger LehrerInnen und KindergärtnerInnen, weniger Krankenhauspersonal und Pflegekräfte.
70 Prozent aller Staatsausgaben entfallen in Österreich auf drei Bereiche: Soziales, Gesundheit und Bildung. Sie bilden das Herz des Sozialstaates. Sie eröffnen allen Menschen den Zugang zu einer guten sozialen Versorgung und den für das Leben essenziellen Bildungsmöglichkeiten, unabhängig von sozialer Herkunft und Einkommen. Genau darauf zielt die konservative Kampagne ab: Wird die Lohnsteuersenkung durch Ausgabenkürzungen finanziert, dann bedeutet das in der Realität massive Leistungskürzungen bei Pensionen, Gesundheitsversorgung und Bildung. Die konservativen Ökonomen sprechen das auch ganz offen aus. Professor Keuschnigg forderte am 19.11.2014 in der Tageszeitung „Der Standard“ eine „Begrenzung der Sozialleistungen auf die Bedürftigen“. Das würde das Ende des österreichischen Sozialstaates und den Übergang zu einer reinen Armenfürsorge bedeuten.

Weltweit an der Spitze
Viele andere Länder finden mit einem niedrigeren Niveau des Sozialstaates das Auslangen. Doch wollen wir das Pensionsniveau Deutschlands mit seiner absehbaren Altersarmut vor allem bei Frauen? Wollen wir das Bildungssystem Großbritanniens mit seiner Klassengesellschaft von reichen Zöglingen der Eliteschulen auf der einen und einer schlecht ausgebildeten Masse an Arbeitskräften auf der anderen Seite? Wollen wir das Gesundheitssystem der USA, das Millionen Menschen von einer elementaren Versorgung ausschließt? Nein. Österreichs Sozialstaat steht weltweit an der Spitze. Er hat den Anspruch, Menschen aus allen sozialen Schichten eine gute soziale Absicherung zu garantieren. Er ist vor allem auf die Bedürfnisse jener Menschen ausgerichtet, die ihr Leben aus Arbeitseinkommen finanzieren. Damit ist er der Sozialstaat der breiten Masse der Bevölkerung. Das ist sozial und wirtschaftlich sinnvoll. Der Sozialstaat verteilt von den Gesunden zu den Kranken um, von den Kinderlosen zu den Familien, von den Erwerbstätigen zu den PensionistInnen und Arbeitslosen. Im Laufe ihres Lebens profitieren somit alle Bevölkerungsgruppen. In manchen Lebensphasen, wenn man noch jung, gesund, ohne Kinder ist und gerade zu arbeiten begonnen hat, wird man NettozahlerIn sein, die Einzahlungen ins System überwiegen die Auszahlungen. Wird man älter, bekommt Kinder, wird manchmal krank oder arbeitslos oder geht dann in Pension, so ist man NettoempfängerIn. Die gleichen sozialen Leistungen kommen gemessen am Einkommen in besonderem Ausmaß der breiten Mittelschicht und der von Armut bedrohten Bevölkerung zugute. Sie könnten sich viele Leistungen privat finanziert nicht leisten, während dies für die SpitzenverdienerInnen und Vermögende kein Problem wäre.

Wirtschaftlich an der Spitze
Die jüngste Finanzkrise hat einmal mehr bewiesen, dass jene Länder auch wirtschaftlich an der Spitze stehen, die das höchste soziale Niveau aufweisen: Die skandinavischen Länder und Österreich bilden nicht nur die Ländergruppe mit gutem Sozialstaat und relativ gerechter Verteilung des Einkommens, sondern auch mit dem höchsten wirtschaftlichen Wohlstand, hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit und niedrigerer Arbeitslosigkeit als in den Krisenländern. Sozialstaat und wirtschaftlicher Erfolg bedingen einander. Das Vertrauen in eine gute soziale Absicherung ist die Basis für Weltoffenheit und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolge ermöglichen wiederum die Finanzierung der sozialstaatlichen Leistungen.
In vielen Bereichen muss der Sozialstaat weiter verbessert werden. Ein besseres System von Heimhilfen und Pflegeplätzen ist notwendig, um allen Menschen eine gute Pflegeversorgung im Alter zu ermöglichen. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen hoher Qualität muss für alle Menschen gesichert werden. Im Bildungssystem darf kein Kind zurückgelassen werden. Diese und viele andere Herausforderungen erfordern einen sparsamen Umgang mit den öffentlichen Mitteln: Der Ankauf teurer Großgeräte in Krankenhäusern muss besser koordiniert werden, die Medikamentenkosten müssen im Zaum gehalten werden, der Verwaltungsaufwand in Relation zu den Leistungen muss so klein wie möglich sein. Eine hohe Qualität des Sozialstaates und ein ausreichendes Angebot an sozialen Dienstleistungen haben eine grundlegende Voraussetzung: eine sichere finanzielle Basis. Diese ist nur mit einem hohen Niveau an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen möglich. Mit dem Steuerniveau der USA, Lettlands oder Großbritanniens ist das Niveau der sozialstaatlichen Versorgung Österreichs nicht leistbar. Wer einen guten Sozialstaat will, muss auch bereit sein, dafür zu bezahlen. Deshalb sind AK und ÖGB gegen allgemeine Steuersenkungen. Wir wollen ein insgesamt hohes Abgabenniveau, weil wir gute öffentliche Leistungen wollen.

Entlastung von Leistung
Wir fordern aber auch eine Reform des Steuersystems. Die Entlastung der Leistungseinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit soll durch eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern finanziert werden. Eine Vermögenssteuer für Millionäre, die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und die konsequente Bekämpfung des Steuerbetruges sind untrennbarer Teil des „Lohnsteuer runter!“-Konzepts.
Sie sind notwendig, weil die Reichen und vom Schicksal Begünstigten heute zu wenig zur Finanzierung des Sozialstaates beitragen, weil große Ungleichheit zwischen der Spitze und dem Rest der Verteilung wirtschaftlichen Schaden mit sich bringt, weil die Konzentration des Reichtums bei einigen wenigen die demokratische Gesellschaft gefährdet. Niedrigere Steuern auf Arbeit und höhere auf Vermögen bilden zwei Seiten der gleichen Medaille unseres Konzepts. Auch wenn es den konservativen Professoren nicht passt.

Webtipp:
Das Konzept von AK und ÖGB für „Lohnsteuer runter!“
www.lohnsteuer-runter.at/modell.php

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor markus.marterbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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