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Symbolbild zum Bericht Der Begriff "Steuerflucht" unterstellt, dass eine verfolgte Person flieht, nicht aber, dass Geschäftsleute das System unfair ausnutzen.
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Steueroasen am Ende?

Schwerpunkt

Anlagen in Steueroasen wachsen seit den 1970er-Jahren - geduldet von Politik und BürgerInnen. Was ist von Ankündigungen zu halten, die Steuerflucht zu beenden?

Im November 2014 veröffentlichte die OECD einen Bericht an die G20 über Fortschritte bei der Einführung von Transparenz und der Bekämpfung von Steuerflucht. Dem Bericht nach haben verschiedene Steueroasen noch keine Gesetzgebung eingeführt, die den Austausch von Informationen ermöglicht, und zwar Brunei, die Marshallinseln, Mikronesien, Guatemala, der Libanon, Liberia, Nauru, Panama, die Schweiz, Trinidad und Tobago sowie Vanuatu. Weitere Staaten haben zwar Gesetze zum Informationsaustausch beschlossen, diese jedoch noch nicht umgesetzt: die Britischen Jungferninseln, Zypern, Luxemburg und die Seychellen. Zu den Staaten, die Absprachen nur teilweise umgesetzt haben, gehört Österreich – neben Andorra, Anguilla, Antigua und Barbuda, Barbados, Indonesien, Israel, Saint Lucia und der Türkei. Eine Übersicht über die Verfügbarkeit, den Zugang und den Austausch von Informationen aufgeschlüsselt nach Ländern zeigt, dass es nach wie vor eine Vielzahl von Steuerlücken im internationalen System gibt.

Informationsaustausch
Die jüngste Regulierung zielt schwerpunktmäßig auf automatischen Informationsaustausch und die Abschaffung des Bankgeheimnisses ab. Weniger im Fokus stehen Briefkastenfirmen – Unternehmen, Stiftungen, Treuhandschaften und Trusts –, die offiziell von VerwalterInnen geführt werden und deren Begünstigte anonym bleiben. Die Konstruktionen benutzten das ursprünglich im angelsächsischen Kulturraum verankerte Berufsgeheimnis für AnwältInnen. Die zunächst von Jersey und der Schweiz genutzte Rechtsform wurde seit den 1960er-Jahren in anderen Jurisdiktionen eingeführt und wird heute besonders auf Jersey, den Cayman Islands und den Britischen Jungferninseln genutzt. Anders als häufig angenommen, beschränken sich anonyme Unternehmenskonstruktionen keinesfalls auf den angelsächsischen Rechtsraum. In Österreich können Geldflüsse über Treuhandschaften, Privatstiftungen und Aktiengesellschaften anonym bleiben. Zur Regulierung sollen öffentlich einsehbare Register eingeführt werden, in denen u. a. Daten über die Ausübung von Kontrolle und Besitz und Begünstigte online abzurufen sind. Öffentlich einsehbare Register werden bislang von verschiedenen Staaten der EU blockiert.
Eine weitere wichtige Baustelle ist die Steuerflucht und -vermeidung von Konzernen. Eine Arbeitsgruppe der OECD analysiert im Rahmen der 2013 begonnenen BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting, deutsch: Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage und Gewinnverschiebung) zunächst Probleme und arbeitet Regulierungsvorschläge aus. Die Initiative ist ein Fortschritt, weil bislang wenig Material zum Thema vorliegt. Ob Maßnahmen folgen, ist allerdings unklar. Versuche, die Konzernbesteuerung in der EU über die Einführung einer „gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage“ zu reformieren, sind bislang gescheitert, weil RegierungsvertreterInnen Nachteile für nationale Unternehmen befürchteten. Steueroasen spielen auf Zeit und versuchen, Regulierungen hinauszuzögern: Der Zeitplan zur Implementierung des automatischen Informationsaustausches sieht Übergangsfristen vor, für Österreich beispielsweise bis 2018. Bis dahin können Steueroasen weiter genutzt werden. Die Steuerflucht-Dienstleistungsbranche gewinnt Zeit, um nach neuen Geschäftsmodellen und etwaigen Lücken in der Gesetzgebung zu suchen oder die Umsetzung der Maßnahmen über Lobbyarbeit zu behindern.

Hinter den Möglichkeiten
Häufig werden fehlende Maßnahmen mit technischen Schwierigkeiten erklärt. Wenngleich die Regulierung aufgrund der Komplexität internationaler Steuer- und Finanzsysteme kein Pappenstiel ist, bleibt die Politik hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Einführung des automatischen Informationsaustausches und öffentlich einsehbarer Register für Unternehmen und Stiftungen sollte schneller erfolgen. Unternehmen sollten nach Ländern getrennt bilanzieren, womit Tricksereien eher auffallen würden. Der Informationsaustausch sollte auf Drittstaaten, insbesondere Steueroasen, ausgeweitet werden. Transaktionen mit nichtkooperativen Steueroasen sollten über Quellensteuern oder Nachbesteuerung erfasst werden. Finanz- und Wirtschaftspolitik im Rahmen der EU sollten nicht auf Austerität basieren, sondern auf der Einführung von Mindeststandards und umfassender Regulierung von Finanzakteuren. Dazu gehören Mindeststeuersätze für Unternehmen. Bezogen auf Österreich steht neben Transparenz im Sektor der Treuhandschaften und Unternehmen die geplante Aufhebung des Bankgeheimnisses auch für InländerInnen an. Bis 2018 soll es nur für AusländerInnen fallen. Dabei nutzt es nur Eliten und schadet ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen, die höher belastet werden. Im Übrigen greift eine Vermögens- und/oder Erbschaftssteuer effektiv nur, wenn das Bankgeheimnis für Steuerbehörden eingeschränkt wird, wie es in den meisten Staaten und bei Arbeitseinkommen sowieso schon üblich ist.

Kavaliersdelikt
Die Wirksamkeit jüngster Initiativen zur Abschaffung von Steueroasen kann nicht ausschließlich unter technischen Aspekten beurteilt werden. Aus gesellschaftlicher Perspektive muss gefragt werden, warum Steueroasen überhaupt lange akzeptiert wurden. Ulrike Herrmann erklärt dies mit dem Verhalten der Mittelschicht, sich nach oben hin zu identifizieren und nach unten hin abzugrenzen. Nach dem Motto „Wenn ich reich werde, tue ich das auch“ wurde Steuerflucht als Kavaliersdelikt wahrgenommen. Ein weiterer Grund ist das negative, über neoliberale Ideologie transportierte Image von Staat und Steuern. Nach Friedrich Hayek infantilisieren steuerfinanzierte Sozialausgaben die Bevölkerung. Milton Friedman behauptet, der Staat gebe generell so viel Geld wie möglich aus, vor allem zur Aufrechterhaltung von Parteien und eines Heeres von LobbyistInnen – Aussagen, die in dieser Einseitigkeit empirisch falsch sind. Große Anteile der Steuereinnahmen kommen unteren Bevölkerungsschichten zugute. In verschiedenen Fällen wurde nachgewiesen, dass Interessengruppen gezielt Fehlinformationen in den Diskurs einführen, beispielsweise unzutreffende Aussagen über Omas Sparbuch oder den „gläsernen Bürger“. Besonders suggestiv wirken bildliche Begriffe. Der Begriff „Steueroase“ verweist auf einen fruchtbaren Ort in der Wüste, nicht aber auf intransparente Konten und Briefkastenfirmen. „Steuerflucht“ unterstellt, dass eine verfolgte Person flieht, nicht aber, dass Geschäftsleute das System unfair ausnutzen.
Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass Steueroasen ein Zweiklassenrechtssystem sind; die Politik steht unter Erwartungsdruck. Die Beharrungskräfte der Steuerflucht sind jedoch stark. Berufsgruppen wie JuristInnen und BankerInnen verdienen an Dienstleistungen für die Steuerflucht oder -vermeidung, ebenso Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die ein doppeltes Geschäft machen, wenn sie klamme Regierungen bei Privatisierungen beraten. Mit dem Argument des Standortwettbewerbs werden neue, für Konzerne vorteilhafte Regulierungen geschaffen, beispielsweise Patentboxen für Konzerne. Vorschnell wird behauptet, dass, was den Unternehmen nützt, auch der Bevölkerung dient. De facto bringen steuerminimierende Unternehmen der Bevölkerung genauso wenig wie Banken mit Anlagen von Steuersäumigen. Die Bevölkerung muss die Steuern für die von Unternehmen genutzte Infrastruktur aufbringen und finanziert außerdem die Bildung von qualifiziertem Personal, Gesundheitssysteme und weitere Leistungen, die für ein funktionierendes System notwendig sind. Steuerfluchtgelder werden nicht zwangsläufig vor Ort angelegt, sondern an internationalen Finanzmärkten. Verglichen mit dem produzierenden Sektor schafft die Finanzbranche im Verhältnis zu ihren Gewinnen wenige Arbeitsplätze. Es ist kein Zufall, dass europäische Steueroasen wie Zypern oder Irland mit laxen Regulierungen oder Griechenland mit maroden Steuersystemen besonders stark von der Finanzkrise betroffen waren und sind. Kurz: Wachsamkeit anstatt vorschneller Euphorie ist geboten.
 
Webtipp:
Momentum Quarterly – Zeitschrift für sozialen Fortschritt:
tinyurl.com/nvjodbd

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin silke.oetsch@uibk.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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