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Symbolbild zum Bericht: EU-Verbraucherschutzpolitik: Blick nach vorn Das Vertrauen der VerbraucherInnen in Lebensmittel, insbesondere in Fleisch, ist derzeit sehr niedrig. Im Laufe der nächsten fünf Jahre sollte das Europäische Parlament konkrete Schritte dagegen unternehmen.

EU-Verbraucherschutzpolitik: Blick nach vorn

Schwerpunkt

Geht nach beinahe 40 Jahren die Erfolgsstory weiter?

In den vergangenen beinahe 40 Jahren hat sich die EU-Verbraucherschutzpolitik zu einer klaren „Erfolgsstory“ entwickelt und wirkt sich – in der Überzahl der Maßnahmen – positiv auf das tagtägliche Leben der BürgerInnen aus. 

Auch in Österreich: Denken wir nur an die Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre durch die 1999 erlassene EU-Richtlinie, an die Neueinführung der EU-Fluggastrechte 2004, an die Verbraucherkreditrichtlinie, um nur einige Beispiele zu nennen.  

Europäische Verbraucherorganisation

Im Mai dieses Jahres wählen die EuropäerInnen ein neues Parlament. Aus Sicht der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC kann sich die Bilanz des EU-Parlamentes für den Verbraucherschutz durchaus sehen lassen. BEUC agiert in Brüssel als Stimme der europäischen VerbraucherInnen. Der 1962 gegründete Verband umfasst heute 41 Mitgliedsorganisationen, die wichtigsten Verbraucherschutzorganisationen aus jedem EU-Mitgliedsland sowie aus Norwegen, Island, der Schweiz und Mazedonien. In Österreich sind der Verein für Konsumenteninformation VKI und die Arbeiterkammer BEUC-Mitglieder. 

BEUC vertritt die Interessen der VerbraucherInnen gegenüber allen EU-Institutionen, konzentriert sich aber auf das EU-Parlament, das ja die Interessen der BürgerInnen vertritt und daher dem Verbraucherschutz besonders offen gegenübersteht – oder wenigstens stehen sollte.

Auch in der Legislaturperiode von Juni 2009 bis Mai 2014 sind viele Richtlinien und Verordnungen verabschiedet worden, die die VerbraucherInneninteressen stark betreffen. Einige dieser Gesetze kann man als Meilensteine der EU-Verbraucherpolitik bezeichnen. Andere Initiativen blieben hinter den Erwartungen zurück und werden wohl kaum die von den Verbraucherorganisationen erhofften Resultate erbringen.

Zu den wesentlichsten Leistungen des EU-Parlaments für europäische VerbraucherInnen zählen zum Beispiel:

  • Die „Verbraucherrechterichtlinie“: Durch das Europäische Parlament wurde der ursprünglich unzulängliche Gesetzesentwurf der Europäischen Kommission doch noch in ein nützliches Instrument zum Schutz für VerbraucherInnen beim Online-Einkauf umgewandelt.
  • Bei der Hypothekarkreditrichtlinie wurden die vorvertraglichen Informationspflichten verbessert und ein allgemeines Recht auf die Rückzahlung von Krediten vor dem Fälligkeitsdatum eingeführt.
  • Das Europäische Parlament führte strengere Maßnahmen zur Verbesserung der Marktaufsicht für Arzneimittel ein. So wird die Sicherheit von Arzneimitteln erhöht und die Verbraucherinformationen über die Vorteile und Risiken von Arzneimitteln werden verbessert.
  • Die neue, vom Europäischen Parlament wesentlich verbesserte Energieeffizienzrichtlinie hilft VerbraucherInnen, mehr über ihren eigenen Energieverbrauch zu erfahren. So können sie diesen reduzieren, das bringt langfristig deutliche finanzielle Einsparungen mit sich.
  • Die Maßnahmen zur Einführung von nationalen außergerichtlichen Streitbeilegungszentren in allen EU-Ländern und eine EU-Online-Plattform zur Vernetzung solcher Stellen optimiert den Zugang zum Recht für VerbraucherInnen, besonders bei grenzüberschreitenden Beschwerden.
  • Im Lebensmittelbereich ist nur teilweise eine Erfolgsbilanz zu ziehen. So ist zwar die Kennzeichnung bestimmter Nahrungsmittelinformationen verpflichtend eingeführt und es sind klarere Bestimmungen über die Lesbarkeit solcher Informationen geschaffen worden. Leider aber hat das Parlament eine verbindliche Nahrungskennzeichnung durch das sogenannte Ampelsystem, für das BEUC sich eingesetzt hatte, auf der Vorderseite der Verpackung abgelehnt. 

Auf der negativen Seite dieser Bilanz muss doch angeführt werden, dass das Europäische Parlament einer „optionalen“ Regelung von Verbraucherrechten zugestimmt hat – im sogenannten Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht. BEUC lehnt dies ab, da den Unternehmerinnen und Unternehmern die Wahl überlassen würde, welche Verbraucherschutzstandards (nationale oder europäische) sie beim Online-Verkauf respektieren müssen.

Prioritäten des BEUC

Gerade auch im Hinblick auf den derzeit weitverbreiteten EU-Skeptizismus könnte und sollte die EU-Verbraucherpolitik eindeutige positive Antworten liefern. BEUC fordert die zukünftigen EU-Parlamentarier auf, unter anderem in den folgenden Bereichen für besseren Verbraucherschutz zu sorgen:

Lebensmittel und Ernährung: Das Vertrauen der VerbraucherInnen in Lebensmittel, insbesondere in Fleisch, ist derzeit sehr niedrig. Im Laufe der nächsten fünf Jahre sollte das Europäische Parlament konkrete Schritte dagegen unternehmen. Dazu gehören eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei der Verwendung von Fleisch als Zutat in verarbeiteten Nahrungsmitteln sowie ein Verbot von Nahrungsmitteln aus geklonten Tieren, falls nicht durchführbar, eine klare Kennzeichnung. Zudem sollte ein Verbot der Nutzung von Antibiotika, welche in der Humanmedizin als essenziell gelten, bei Tieren erlassen werden.

Die Gewährleistungsrechte der VerbraucherInnen, die Austausch, Reparatur oder Rückerstattung des Kaufpreises bei einem mangelhaften Produkt garantieren, bestehen allzu oft nur auf dem Papier. Hier müssen bessere Regelungen geschaffen werden, die es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter machen, zu ihrem Recht zu kommen, so z. B. durch eine längere Umkehr der Beweislast. Darüber hinaus haben VerbraucherInnen in den meisten EU-Ländern bereits zwei Jahre nach Kauf des Produktes keinen Gewährleistungsanspruch mehr. Das ist besonders bei langlebigen Produkten (wie Haushalts- und Kommunikationsgeräten) nicht zufriedenstellend und steht der Förderung eines nachhaltigeren Lebensstils entgegen. Das Parlament sollte die Kommission auffordern, Vorschläge zur Verbesserung gesetzlicher Gewährleistung und der Haltbarkeit von Produkten auszuarbeiten.

Um die Vorteile der digitalen Ära nutzen zu können, muss der Zugang zu Telekomnetzen und Dienstleistungen gewährleistet werden. VerbraucherInnen werden sowohl beim Zugang zu digitalen Inhalten (viele Online-Shops sind nur in einem Land zugänglich) als auch im Hinblick auf deren Nutzung (Verbot der Übertragung legal erworbenen Inhalts eines digitalen Produktes auf ein anderes Gerät) schlechtergestellt als in der „Offline“-Umgebung. Die Modernisierung der EU-Gesetze zu Urheberrecht und Datenschutz ist das zentrale Thema des nächsten Parlamentes. Die Finanzkrise hat deutlich gezeigt, was dem Finanzsektor fehlt: ein Angebot an Produkten und Dienstleistungen, die VerbraucherInnen wirklich benötigen. Die Menschen haben ernsthafte Bedenken im Hinblick auf die Zukunftssicherheit ihrer Darlehen, Ersparnisse und Pensionen. Mehr Kontrolle durch Aufsichtsbehörden, ein breites Angebot unabhängiger Beratung für VerbraucherInnen und EU-Maßnahmen gegen Überschuldung und gegen aggressive Verkaufspraktiken der Banken sollten geschaffen werden.

Nachhaltigkeit

Die Wirtschaftskrise ist auch eine Chance für dringend notwendige Veränderungen in Richtung nachhaltigerer Produktions- und Konsumaktivitäten. BEUC fordert, dass „grüne“ Einkaufsentscheidungen nicht das Vorrecht der Wohlhabenden und Gebildeten sein sollten, sondern dass solche Produkte generell einfach zugänglicher und erschwinglich werden sollten.
Innerhalb von fünf Jahren können bedeutende Maßnahmen zur Veränderung des Alltages der VerbraucherInnen erzielt werden. Bis 2019 haben die EU-ParlamentarierInnen Zeit, diese von uns vorgeschlagenen Initiativen umzusetzen.

INFO & NEWS
Transatlantisches Freihandelsabkommen
Während der nächsten Legislaturperiode wird das Europäische Parlament auch das „Transatlantische Freihandelsabkommen“ (TTIP) mit den USA ratifizieren. Falls das Abkommen schlussendlich zu einer Verminderung von europäischem Verbraucherschutz und/oder Umweltschutz führen könnte, könnte das Parlament von seinem Vetorecht gegen ein solches Abkommen Gebrauch machen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin ursula.pachl@beuc.eu  oder die Redaktion aw@oegb.at

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