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Symbolbild zum Bericht: Wirtschaftskrise und Qualität der Arbeit? Die gestiegene Autonomie am Arbeitsplatz dürfte aber ihren Grund im überdurchschnittlichen Abbau von Arbeitsplätzen mit wenig Autonomie haben (z. B. am Bau).

Wirtschaftskrise und Qualität der Arbeit?

Schwerpunkt

Zu Jahresbeginn waren in der EU 26 Mio. Menschen ohne Arbeit.

Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist seit der Europäischen Beschäftigungsstrategie 1997 ein immer wieder als wichtig formuliertes Ziel europäischer Politik. Es wurde im Jahr 2000 in der „Lissabon-Strategie“ auf die berühmte Formel „mehr und bessere Arbeitsplätze“ gebracht. Bis 2007 waren in Europa Beschäftigungszuwächse zu verzeichnen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist davon nicht viel geblieben, denn sie hatte folgenschwere Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte: eine rückläufige Entwicklung der Beschäftigung und einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Laut EUROSTAT lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote Ende 2013 im Euroraum (ER-18) bei 12 Prozent, in Griechenland bei 28 Prozent, in Spanien bei knapp 26 Prozent und in Kroatien bei knapp 19 Prozent. Besonders dramatisch gestiegen ist die Jugendarbeitslosigkeit (unter 25-Jährige), die in Griechenland 59 Prozent, in Spanien knapp 55 Prozent, in Kroatien knapp 50 Prozent und in Italien 42 Prozent erreichte. Insgesamt waren im Jänner 2014 in der EU-28 über 26 Mio. Menschen ohne Erwerbsarbeit.

Vor diesem Hintergrund veranstaltete die AK Wien im Mai 2013 eine Fachtagung, in der die Frage im Zentrum stand, wie es angesichts dieser Entwicklungen um die Qualität der Arbeit steht. Dabei wurden Ergebnisse aus drei Forschungsprojekten präsentiert.

„Job Quality Index“

Der vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI/ETUI) entwickelte „Job Quality Index“1 erlaubt einen differenzierten Blick auf die Frage nach der Qualität der Arbeit in den EU-Ländern. Er analysiert die Arbeitsqualität in sechs Dimensionen: dem Niveau und der Verteilung von Löhnen und Gehältern, dem Ausmaß unfreiwilliger befristeter Beschäftigung und Teilzeitarbeit, den Arbeitszeitregelungen in Verbindung mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den Arbeitsbedingungen, den individuellen Chancen, sich beruflich weiterzuentwickeln und den Möglichkeiten kollektiven Handelns auf betrieblicher Ebene.

Die Analysen des Job Quality Index stützen sich auf Daten des Zeitraums von 2005 bis 2010. Darin sind auch die Krisenjahre enthalten. In den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise herrschte in manchen EU-Ländern ein Wirtschaftsboom. Dessen ungeachtet zeigen die Ergebnisse, dass insgesamt die Qualität der Arbeit in der EU-27 – wenn auch bisher leicht – gesunken ist. Im Detail wird sichtbar, dass ein Kaufkraftverlust bei den Durchschnittslöhnen und eine ungleichere Verteilung der Löhne eingetreten sind. Noch deutlicher fallen der Anstieg atypischer Beschäftigung und der Anzahl jener Menschen aus, die unfreiwillig diesen Beschäftigungen nachgehen müssen. Hier ist der klarste krisenbedingte Zusammenhang erkennbar. Auch die Zahl der Beschäftigten, die fürchten ihren Arbeitsplatz zu verlieren, hat sich signifikant erhöht. Dem gegenüber steht eine partielle Verbesserung der Arbeitsqualität, weil überlange Arbeitszeiten reduziert wurden und sich in einigen Bereichen die Arbeitsintensität verbessert hat. Diese gestiegene Autonomie am Arbeitsplatz dürfte aber ihren Grund im überdurchschnittlichen Abbau von Arbeitsplätzen mit wenig Autonomie haben (z. B. am Bau). Das Ausmaß der Krise und die allgemeine Entwicklung der Arbeitsqualität in Europa zeigen im Rahmen des Job Quality Index einen statistischen Zusammenhang, der jedoch nicht sehr ausgeprägt ist. Grundsätzlich ist das Niveau der Arbeitsplatzqualität europaweit nach wie vor extrem unterschiedlich. Da die jüngste Untersuchung im Rahmen des Job Quality Index auf Daten aus dem Jahr 2010 beruht, ist davon auszugehen, dass viele Folgen der Krise für die Arbeitsplatzqualität ihren Niederschlag noch nicht in den statistischen Daten gefunden haben. Umso wichtiger ist es daher, die Qualität von Arbeitsplätzen auch in Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren.

Bericht der EU-Kommission

Wie brisant die Frage nach der Qualität der Arbeit tatsächlich ist, belegt der aktuelle Bericht der EU-Kommission „Beschäftigung und soziale Entwicklungen in Europa 2013“2. Darin wird als gravierendste Folgewirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise der starke Anstieg der Armut(sgefährdung) in der EU ausgewiesen. Dieser ist zum einen auf die hohe Erwerbslosigkeit zurückzuführen. Zum anderen sichert aber selbst ein Arbeitsplatz kein Entrinnen aus der Armut: Wie die EU-Kommission in ihrer Analyse betont, ist ein neuer Arbeitsplatz nur für die Hälfte der Betroffenen auch ein Weg aus der Armut. Dies ist u. a. auf prekäre Arbeitsbedingungen in Form von geringen Löhnen/Gehältern, unfreiwilliger Teilzeitarbeit und befristeter Arbeit zurückzuführen. Letzteres Problem betrifft insbesondere junge Menschen.3

Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe

Obwohl Österreich im Hinblick auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt deutlich günstiger abschneidet als andere EU-Länder, besteht auch hier kein Anlass zum Jubeln: Einerseits erreicht die Arbeitslosigkeit traurige Rekordhöhen – Ende Februar 2014 waren in Österreich knapp 440.800 Menschen arbeitslos gemeldet (356.700) oder in Schulung (84.100) –, dem standen gleichzeitig knapp 24.600 gemeldete offene Stellen gegenüber.4/5 Andererseits hat der österreichische Arbeitsmarkt – und das zeigt der von der AK Wien in Kooperation mit dem WIFO entwickelte Arbeitsmarktmonitor eindrücklich – ungeachtet der vergleichsweise günstigen Gesamtentwicklung hartnäckige Schwächen. Dazu zählen neben der relativ schlechten Beschäftigungsintegration von über 55-Jährigen und den deutlich geringeren Beschäftigungsquoten von Frauen auch die großen Unterschiede im Hinblick auf die Einkommen von Frauen und Männern sowie das mangelhafte Angebot an institutionalisierter Kinderbetreuung, v. a. für Kinder unter drei Jahren.

Folglich besteht auch in Österreich ein weitreichender Handlungsbedarf: Er reicht von der Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze über Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zur Beseitigung struktureller Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu zählen aber auch Maßnahmen zur Verkürzung überlanger Arbeitszeiten und zur Eindämmung des gesundheitlichen Verschleißes am Arbeitsplatz.

„Gute Arbeit“ schaffen

Den Handlungsbedarf zur Schaffung von „guter Arbeit“ sowohl auf Ebene der EU wie auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat das von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt6 (FORBA) zwischen 2009 und 2012 durchgeführte Forschungsprojekt „walqing“7 gezeigt. Untersuchungsgegenstand des Projekts waren Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in wachsenden Branchen im Niedriglohn- und Niedrigqualifikationsbereich in der EU. Dabei sind Fallbeispiele in fünf Branchen (Reinigungsgewerbe, Abfallwirtschaft, Bauwirtschaft, mobile Altenpflege und Catering) in elf europäischen Ländern8 untersucht worden. Die Arbeit in diesen Branchen ist häufig geprägt von intensivem Kostenwettbewerb, der sich unmittelbar u. a. in erhöhtem Arbeitsdruck und prekären Arbeitsverhältnissen niederschlägt. Das bedeutet oft geringe Entlohnung, schwere körperliche Arbeit, niedrige oder nicht anerkannte Qualifikationen, geringe berufliche Perspektiven und geringe Möglichkeiten der Interessenvertretung – und dies ungeachtet dessen, dass die Arbeit in diesen Branchen von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung ist.

Das heißt nicht, dass es keinen Spielraum für eine positive Ausgestaltung von Lohn, Arbeitsqualität und Qualifikation in diesen Branchen gäbe. Es erfordert allerdings ein gebündeltes Handeln unterschiedlicher Akteure auf Ebene der Politik, der Sozialpartnerschaft und der Betriebe.

1 Link:tinyurl.com/ozsykdk
2 Link:tinyurl.com/ofz9n6t
3 Press points – Employment and Social Developments in Europe 2013; Download: tinyurl.com/nkxqdse
4 Quelle: AMS-Daten, Monatsfolder Arbeitsmarkt aktuell:tinyurl.com/nnn543b; Download: 12.3.2014
5  In: Ertl/Filipicˇ (Hg.), Die Qualität der Arbeit auf dem Prüfstand: Der Einfluss der Arbeitsmarktlage auf die Arbeitsqualität (= Schriftenreihe Sozialpolitik in Diskussion, Band 15), S. 4; Download: tinyurl.com/oocj2te; 12.3.2014
6www.forba.at
7 Link: www.walqing.eu
8 Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Spanien, Deutschland, Ungarn, Italien, Litauen, Norwegen und Großbritannien

Die Dokumentation der Tagung ist in der Schriftenreihe „Sozialpolitik in Diskussion“, Band 15, „Die Qualität der Arbeit auf dem Prüfstand“ erschienen: tinyurl.com/oocj2te

Die Print-Ausgabe kann für einen Druckkostenbeitrag von zehn Euro beim ÖGB-Verlag bestellt werden: fachbuchhandlung@oegbverlag.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen sonja.ertl@akwien.at  ursula.filipic@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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