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Symbolbild Der Ausverkauf von Vermögenswerten löst Abwärtsdruck auf das allgemeine Preisniveau aus.
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Wirtschaftliche Folgen des Sparens

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Simultanes Sparen von Staaten, privaten Haushalten und Unternehmen funktioniert nicht: Die Eurozone spart sich ärmer.

Die Staatsschulden stiegen in der Eurozone zwischen 2008 und 2013 von 70,1 Prozent auf 95,5 Prozent des BIP. Umfangreiche Budgetkonsolidierungsmaßnahmen der Mitgliedsstaaten seien notwendig, um die Staatsverschuldung nachhaltig zu reduzieren – so lautet angesichts dieses Problems der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte die Vorgabe der verantwortlichen EU-Politik. Tatsächlich stiegen die Staatsschulden in den letzten Jahren jedoch immer weiter an – am stärksten in jenen Ländern, welche die schärfste Sparpolitik durchsetzten. Dass Konsolidierungsmaßnahmen die Staatsschuldendynamik verschlimmern, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Eine Beschäftigung mit den makroökonomischen Folgen der staatlichen Sparanstrengungen, die noch dazu gleichzeitig mit dem Schuldenabbau von privaten Haushalten und Unternehmen erfolgen, erklärt jedoch das Phänomen. Die eingeschlagene Sparpolitik in der Eurozone ist zum Scheitern verurteilt.

Krisenursache Verschuldung?

Immer noch greift die falsche Behauptung um sich, die öffentliche Verschuldung sei bereits in den Jahren vor der Krise 2008/2009 untragbar hoch gewesen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Staatsschulden gingen zwischen 2004 und 2007 in der Eurozone von 69,7 Prozent auf 66,4 Prozent zurück. Im selben Zeitraum fiel die Staatsverschuldung im späteren Krisenland Spanien von 46,3 Prozent auf 36,3 Prozent des BIP. Auch in Österreich war die Schuldenquote von 64,7 Prozent auf 60,2 Prozent rückläufig. In Irland betrug die Staatsschuldenquote 2007 gerade einmal 24,9 Prozent. Die einzigen späteren Krisenländer der Eurozone, die tatsächlich bereits vor der Krise steigende Staatsschulden verzeichneten, sind Portugal und Griechenland. Der starke Anstieg der Schuldenquoten ab dem Jahr 2008 ist eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise: Die hohen Kosten der Bankenrettung, der starke Rückgang der Steuereinnahmen und der wirtschaftliche Einbruch ließen die Staatsschulden quer durch die Eurozone, aber besonders stark in Krisenländern wie Griechenland, Irland oder Spanien, sprunghaft ansteigen.

Die Darstellung der Staatsschulden als Krisenursache ist nicht nur falsch, sie ignoriert auch die eigentliche Verschuldungsproblematik der Vorkrisenjahre – nämlich den dramatischen Anstieg der Privatverschuldung. Die Verschuldung des Privatsektors, bestehend aus privaten Haushalten und Unternehmen, stieg in Spanien beispielsweise zwischen 2004 und 2007 von 224 Prozent auf 285 Prozent des BIP an. Auch in Irland und Portugal war die Privatverschuldung vor der Krise beinahe dreimal so hoch wie die Wirtschaftsleistung.

Was sich ab 2008 in weiten Teilen der Eurozone abspielte, kann – wenn man dem japanischen Ökonomen Richard Koo folgt – nur vor dem Hintergrund des akuten Problems der Überschuldung des Privatsektors in einigen Mitgliedsländern verstanden werden. Als in Spanien und Irland die Immobilienblasen platzten, kam es zu einem dramatischen Verfall der Immobilienpreise. Koo beschreibt eine solche Situation mit dem Konzept der „Bilanzrezession“: Die Bilanzen des Privatsektors stehen nach dem Platzen einer Vermögensblase aufgrund der Überschuldung unter Wasser, da die Vermögenswerte stark fallen, während die Verbindlichkeiten weiter bedient werden müssen. Dies führt dazu, dass Unternehmen und Haushalte angestrengt sparen, um ihre Bilanzen zu sanieren. Solange der Schuldenabbau andauert, führt dies zu Nachfragerückgängen, die sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken.

Schuldendeflation und Sparparadoxon

Einsichten in die volkswirtschaftlichen Probleme, die durch den Abbau der privaten Verschuldung in den letzten Jahren im Euroraum entstanden, liefert der amerikanische Ökonom Irving Fisher. Dieser formulierte bereits 1933, geprägt durch die Erfahrungen der Großen Depression, seine Theorie einer Schuldendeflationsspirale. Aufgrund von Überschuldung müssen Haushalte und Unternehmen Vermögenswerte abstoßen. Der Ausverkauf von Vermögenswerten löst Abwärtsdruck auf das allgemeine Preisniveau aus. Aufgrund der sinkenden Preise verschlechtert sich die Nettovermögensposition der Unternehmen; die Profite gehen zurück, Produktion und Beschäftigung fallen.

Deflationsdruck steigt

Überschuldung verursacht demnach deflationären Druck, der sich wiederum auf die Verschuldung auswirkt: Sinkende Preise erhöhen die reale Schuldenlast, weil die nominal fixierten Schulden mit steigendem realen Eurowert bedient werden müssen. Wenn die Preise schneller fallen als der Schuldenabbau voranschreiten kann, dann sind die Entschuldungsbemühungen sogar ein Schuss ins eigene Knie: Je mehr die SchuldnerInnen den Schuldenabbau forcieren, desto höher wird aufgrund des entstehenden Deflationsdrucks die Schuldenlast. In der Eurozone lag die Inflation zuletzt durchschnittlich nur noch bei 0,5 Prozent. Spanien und Portugal rutschten in ein Deflationsterrain ab, wo Griechenland bereits seit Längerem vorzufinden ist; Italien könnte bald folgen. Damit sind die von Fisher eindringlich beschriebenen Probleme des erschwerten Schuldenabbaus verbunden.

Dass verstärkte Sparanstrengungen der privaten Haushalte maßgeblich zur Vertiefung von Wirtschaftskrisen beitragen können, hatte auch der britische Ökonom John Maynard Keynes erkannt. Die Einsicht, dass sich eine Volkswirtschaft selbst ärmer sparen kann, ergibt sich aus dem Sparparadoxon: Gleichzeitiges Sparen einer größeren Gruppe privater Haushalte verringert die Konsumausgaben. Die Unternehmen können weniger Güter und Dienstleistungen absetzen, die Einkommen sinken. Bei niedrigeren Einkommen geht jedoch auch das Sparaufkommen zurück; dadurch kann der ursprüngliche Anstieg der Ersparnisse mehr als zunichtegemacht werden. Abhängig ist dies von den Investitionen, die immer gleich den Ersparnissen sind: Sinken die Investitionen, etwa wegen ungünstiger Absatzerwartungen der Unternehmen, dann wird das Sparparadoxon schlagend: Die erhöhte gleichzeitige Sparanstrengung der privaten Haushalte führt zu sinkenden Ersparnissen – jedoch bei niedrigerer Wirtschaftsleistung und geringerer Beschäftigung.

Auch die Staaten sparen

Nicht nur private Haushalte sparten in den letzten Jahren. Auch Mitgliedsstaaten der Eurozone kürzten ihre Ausgaben und erhöhten Steuern – und zwar nicht nur krisengeschüttelte Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien. Selbst Deutschland, Österreich oder die Niederlande setzten – wenngleich in geringerem Ausmaß – Budgetkonsolidierungsmaßnahmen durch. Eine Stabilisierung der Staatsschulden durch simultane Sparpolitik ist jedoch kaum zu bewerkstelligen: Die Konsolidierungsmaßnahmen haben negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten im Euroraum, die insbesondere durch enge Handelsbeziehungen gegeben sind, wird es für jedes einzelne Land immer schwieriger, die eigene Staatsverschuldung zu stabilisieren, wenn die anderen Länder ebenfalls sparen und dadurch auch ihre Nachfrage nach Produkten aus anderen Mitgliedsländern reduzieren. Am Ende des gleichzeitigen Sparens stehen aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs höhere Staatsschuldenquoten als zu Beginn, wobei jene Länder mit den größten Sparanstrengungen die stärkste Verschlechterung der Verschuldungsdynamik verzeichnen. Das Problem ließe sich dadurch entschärfen, dass Länder wie Deutschland und Österreich ihre Binnennachfrage stärken. Denn solange private Haushalte und Unternehmen den Schuldenabbau nicht abgeschlossen haben, ist es umso wichtiger, dass jene Staaten, die dazu in der Lage sind, zusätzlich Nachfrage schaffen. Solange jedoch der verfehlte Glaube vorherrscht, eine simultane Austeritätspolitik in der Eurozone würde zu einer Stabilisierung der Staatsschuldenquoten führen, spart sich die Eurozone ärmer.

Mehr Info unter: social-europe.eu

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor philipp.heimberger@chello.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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