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Erich Foglar und Rudi Kaske Österreich ist ein Steuerparadies für die wirklich Reichen. Das muss sich ändern, und zwar rasch, fordern die Präsidenten Foglar und Kaske.

"Fair und machbar"

Kampagne

Lohnsteuern auf Rekordniveau: Die Präsidenten Erich Foglar und Rudi Kaske im Interview über das Modell von AK und ÖGB zur Entlastung der ArbeitnehmerInnen.

Arbeit & Wirtschaft: Schon länger machen AK und Gewerkschaften Druck für die Einführung von Vermögenssteuern. Warum dann eine Lohnsteuerkampagne?

AK-Präsident Rudi Kaske: In Österreich gibt es eine extreme Schieflage bei den Steuern. Der Faktor Arbeit ist hoch besteuert, Vermögen kaum. Das sagen nicht nur wir, das zeigen auch Studien und Berechnungen der EU-Kommission und der OECD. Österreich zählt zudem auch europaweit zu den Ländern mit der höchsten Steuerbelastung auf Arbeit. Damit muss nun endlich Schluss sein. Deshalb braucht es eine Steuerreform, die eine spürbare Erleichterung für die arbeitende Bevölkerung in diesem Land bringt. Es geht uns um mehr Gerechtigkeit und nicht darum, das Steueraufkommen für den Staat zu kürzen. Denn schließlich sind Steuern notwendig und sinnvoll, weil mit ihnen wichtige Sozialleistungen finanziert werden. Ich sage nur einige Stichwörter wie Kinderbetreuung, sozialer Wohnbau, Pflege. Am Ende muss den arbeitenden Menschen in diesem Land mehr Netto von ihrem Einkommen im Börsel bleiben. Und unser Entlastungsmodell bringt genau das.

Warum gerade jetzt eine solche Kampagne? Die Forderung nach einer Entlastung des Faktors Arbeit ist ja nicht neu.

ÖGB-Präsident Erich Foglar: Ja, Sie haben recht, das Thema ist nicht neu. Auf Drängen der Gewerkschaften gab es bereits 2009 eine Lohnsteuerreform, die die ArbeitnehmerInnen entlastete und die Kaufkraft unterstützte. Jedoch wurden damals an der Struktur nur geringe Korrekturen vorgenommen.
Nun ist die Situation wieder an einem Punkt, an dem wir seitens der Gewerkschaft einen Ausgleich für die kalte Progression und eine Kurskorrektur verlangen. Trotz der guten Lohn- und Gehaltserhöhungen, die die Gewerkschaften Jahr für Jahr erkämpfen, bleibt den Beschäftigten netto viel zu wenig übrig. Die hohen Steuern und Lebenshaltungskosten in Verbindung mit der kalten Progression fressen die Lohnerhöhungen auf, oft wird nicht einmal die Inflation abgedeckt, woraus ein Netto-Reallohnverlust resultiert.
Viele ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen können sich neben den steigenden Preisen – von der Miete bis zum täglichen Einkauf – immer weniger leisten. Aus diesem Grund haben wir Anfang Juli die Kampagne „Lohnsteuer runter!“ gestartet, und mehr als eine halbe Million UnterstützerInnen in den ersten zwei Monaten bestätigen, dass den Menschen in Österreich die hohe Belastung unter den Nägeln brennt.

Welche Erwartungen setzen Sie in den neuen Finanzminister: Wird es nun leichter oder noch schwerer, mit Ihrem Anliegen durchzukommen?

AK-Präsident Rudi Kaske: Ich hoffe sehr, dass er ein offenes Ohr für die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat. Schließlich sind es genau diese, die mit ihren Steuern den Staatshaushalt stützen. Österreich hat sich ja mittlerweile zum Lohnsteuerland entwickelt. Im heurigen Jahr überholen die Einnahmen aus der Lohnsteuer zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Auch im Vergleich zur Körperschaftsteuer steigen die Einnahmen aus der Lohnsteuer rasant an.
Die Politik ist gefordert, etwas gegen diese ungerechte Verteilung des Steueraufkommens zu tun. Wir haben jetzt ein entsprechendes Modell präsentiert. Der neue Finanzminister kann also gleich unter Beweis stellen, dass er für die hart arbeitende Bevölkerung in diesem Land etwas tut. Wir werden ihn – so wie jeden anderen Politiker auch – an seinen Taten und nicht an seinen Worten messen.

Die ÖVP wehrt sich schon lange mit Händen und Füßen gegen Vermögenssteuern. Warum sollte sie nun einlenken?

ÖGB-Präsident Erich Foglar: In Österreich gibt es 297 Haushalte, die ein Vermögen von jeweils mehr als 82 Millionen Euro haben – das entspricht mehr als 100 Millionen Dollar. Insgesamt besitzen diese Haushalte 450 Milliarden Euro in Form von Wertpapieren, Immobilien, Firmenbeteiligungen usw. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade diese Vermögenswerte durch die Krisenrettungsinstrumente vom Staat und also von den SteuerzahlerInnen mit gesichert wurden. Es ist also höchste Zeit für einen fairen Steuerbeitrag der reichsten Haushalte – von denen übrigens viele sogar bereit wären, über Steuern einen Anteil zuzuführen. Hinzu kommt, dass das Jahr 2014 ein historisches Jahr ist – allerdings im negativen Sinn.
Wie bereits AK-Präsident Rudi Kaske erwähnt hat, erreicht die Lohnsteuer einen neuen Rekordwert und wird zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs dem Staat mehr Geld einbringen als die Mehrwertsteuer. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Pensionistinnen und Pensionisten den größten Teil der Staatseinnahmen bezahlen. Diese Schieflage ist nicht nur unfair, sondern schadet auch der Wirtschaft: Wenn den Menschen immer weniger Geld für ihre Ausgaben bleibt, wenn ihre Kaufkraft geschwächt wird, dann gibt es auch zu wenig Wachstum für die Wirtschaft und auch immer mehr Arbeitslose.

Wie soll das angesichts leerer Kassen finanziert werden?

AK-Präsident Rudi Kaske: Eine finanzielle Entlastung der arbeitenden Menschen in diesem Land ist ohne Gegenfinanzierung nicht möglich. Diese muss aber ausgewogen sein und darf weder das Wirtschaftswachstum gefährden noch das Budgetdefizit erhöhen.
Wofür wir sicher nicht zu haben sind, ist, dass sich die Menschen die Entlastung am Ende des Tages selbst finanzieren. In unserem Modell bleiben Steuerbegünstigungen wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld unangetastet. Zu einem Teil finanziert sich die Lohnsteuersenkung selbst, da durch die Erhöhung der verfügbaren Einkommen der Konsum steigt. Im unteren Einkommensdrittel wird fast der gesamte Einkommenszuwachs wieder ausgegeben. Der Rest muss über wirksame Maßnahmen gegen den Steuerbetrug, über Reformen, etwa die Beseitigung von Ausnahmen im Steuersystem, oder durch Effizienzsteigerungen hereinkommen. Und ein großer Teil wird durch mehr Verteilungsgerechtigkeit finanziert. Hier spreche ich von der Einführung von vermögensbezogenen Steuern wie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer und eine Millionärssteuer mit entsprechenden Freibeträgen.
Zur Erbschafts- und Schenkungssteuer möchte ich sagen: Wer erbt oder etwas geschenkt bekommt, hat dafür keine eigene Leistung erbracht. Erbschaftssteuern sind ein bewährtes Mittel, um die Startchancen für alle Menschen in einer Gesellschaft anzugleichen. Und bei unserem Vorschlag einer Millionärssteuer sind nur fünf Prozent der Haushalte in Österreich betroffen. Damit kann von der Belastung des Mittelstandes – wie es Kritiker immer wieder gerne formulieren – nun wahrlich keine Rede sein.

Ein beliebtes Argument gegen Vermögenssteuern lautet, dass Leistung doppelt belastet werde. Was sagen Sie dazu?

ÖGB-Präsident Erich Foglar: Wenn von einer Doppelbelastung die Rede ist, dann muss auch erwähnt werden, dass das auf alle österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Pensionistinnen und Pensionisten zutrifft – nicht nur auf Vermögende. Für jeden Euro, der beim Einkauf ausgegeben wird, wurde zum Beispiel bereits Lohnsteuer bezahlt. Trotzdem muss auch beim Konsumieren die Umsatzsteuer bezahlt werden, an der Tankstelle kommt für den Treibstoff noch die Mineralölsteuer vor der Umsatzsteuer hinzu. Das schmerzt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigeren und mittleren Einkommen mehr als Top-VerdienerInnen.
Ich möchte noch einmal betonen, dass wir keinen Klassenkampf führen. Aber die Schieflage im österreichischen Steuersystem muss endlich beseitigt werden, dafür braucht es höhere vermögensbezogene Steuern – zumindest ein Anheben auf internationales Niveau. Jenen, die niedrige Einkommen haben, mehr Geld in die Hand zu geben, ist die beste Möglichkeit, um das Wirtschaftswachstum zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Denn diese Einkommensgruppe gibt den größten Teil ihres Einkommens für die alltäglichen Ausgaben sofort wieder aus. Und jeder Euro, der mehr ausgegeben wird, fließt unmittelbar wieder in die Realwirtschaft zurück.

Ein ebenso beliebtes Argument insbesondere gegen Erbschaftssteuern heißt: Die Eltern haben etwas für ihre Kinder erwirtschaftet, warum sollte man ihnen davon wieder etwas abziehen?

AK-Präsident Rudi Kaske: Nochmals: Belohnt werden soll in Österreich die Leistung. Wer arbeitet, bringt Leistung. Und diese soll und muss entlastet werden. Denn der Faktor Arbeit ist in Österreich hoch besteuert. Wer etwas vererbt oder geschenkt bekommt, hat dafür nicht arbeiten müssen, also keine Leistung erbracht. Und dafür wird er auch noch belohnt, indem er keine Steuern dafür zahlt. Ich frage Sie: Ist das gerecht? Nein! Denn Kinder mit wohlhabenden Eltern haben sowieso von Haus aus einen Startvorteil. Hier müssen wir dringend für mehr Chancengleichheit sorgen. Und Österreich würde damit bei Weitem nicht alleine dastehen beziehungsweise geht das Argument, Österreich würde hier vorpreschen, ins Leere. Denn wir haben in insgesamt 18 Ländern Europas Erbschaftssteuern, darunter Staaten wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien.

Abgesehen von dem „Mehr im Geldbörsel“ für die ArbeitnehmerInnen: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der Lohnsteuersenkung?

ÖGB-Präsident Erich Foglar: Seit Beginn der Krise kommt die Wirtschaft trotz diverser Entlastungen und Förderprogramme nur schwer in Gang – und das weltweit. Wir wollen, dass sich die Menschen wieder mehr leisten können. Das schafft mehr Kaufkraft, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Würde gleichzeitig Steuerbetrug verschärft bekämpft und würden vermögensbezogene Steuern auf internationales Niveau angepasst, hätte Österreich die besten Chancen auf eine positive Entwicklung.

Mit welcher Entlastung können ArbeitnehmerInnen rechnen?

AK-Präsident Rudi Kaske: Das AK/ÖGB-Entlastungsmodell ist fair und gerecht und bringt eine spürbare Entlastung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch jene Menschen, die – etwa aufgrund von Teilzeit – so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, sollen mittels einer Erhöhung der Negativsteuer von 110 auf 450 Euro entlastet werden. Und eine solche Negativsteuer in Höhe von 110 Euro wollen wir erstmals auch für Pensionistinnen und Pensionisten als Ausgleich für die Teuerung. Unser Modell sieht auch wirksame Maßnahmen gegen die kalte Progression vor. Die Entlastungsmaßnahmen sehen einen von 36,5 auf 25 Prozent gesenkten Eingangssteuersatz vor. Um einen harmonisch gerechteren Tarifverlauf zu erreichen, soll die Zahl der Steuerstufen von bisher drei auf sechs erhöht werden. Die Grenze für den Spitzensteuersatz wird von bisher 60.000 auf 80.000 Euro erhöht. Gleichzeitig bleibt der Höchststeuersatz in unserem Modell unangetastet. Zusammengefasst bringt unser Entlastungsmodell eine spürbare Erleichterung für alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Und durch den dadurch erhöhten Konsum wird auch die Konjunktur angekurbelt – und unser Steuersystem würde ein großes Stück gerechter gemacht.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

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