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Symbolbild zum Bericht Bis jetzt hat der Emissionszertifikate-Handel die Erwartung nicht erfüllt, dass damit die externen Kosten der Unternehmen internalisiert werden.

Energiewende in den Kinderschuhen

Schwerpunkt

Der gute Wille ist da, doch in der Praxis braucht es noch viel, um der Energiewende zum Erfolg zu führen. Über reformbedürftige Beihilfen und nötige Investitionen.

Die Energieversorgung ist für die Europäische Union eine der größten Herausforderungen. Rasant steigende Energiepreise und erhöhte Abhängigkeit von Energieeinfuhren bedrohen die Energieversorgung und damit die gesamte Wirtschaft. Zur Senkung der CO-Emissionen und Bekämpfung des Klimawandels sind große Investitionen erforderlich, um einerseits erneuerbare Energien möglichst rasch an die Marktreife heranzuführen und andererseits die europäische Energieinfrastruktur an die neuen Herausforderungen anzupassen.
Für EU-BürgerInnen ist es schwer, sich ein klares Bild von der Energiewende zu machen: Die einen warnen vor De-Industrialisierung und einer Kostenlawine, um die Förderung von fossiler und Atomenergie zu rechtfertigen, die anderen preisen den dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien und das damit verbundene Jobwunder.

Paradoxe Wende
Bisher ist die Energiewende durch paradoxe Phänomene gekennzeichnet: Je größer der Anteil der erneuerbaren Energien wird, desto stärker fallen die Großhandelspreise an der Strombörse. Gleichzeitig steigen die Strompreise für Privathaushalte. Während Braunkohlekraftwerke rund um die Uhr laufen und Milliardeninvestitionen in Atomkraftwerke geplant sind, werden hocheffiziente Gaskraftwerke abgeschaltet. 
Bei zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien stößt das bisherige überwiegend fossil-nukleare Stromsystem an seine Grenzen. Das neue System ist gekennzeichnet durch den liberalisierten Energiebinnenmarkt einerseits und stark fluktuierende Energiequellen (vor allem Solar- und Windstrom) andererseits sowie von einer Vielfalt von meist kleinen Erzeugungsanlangen, die keine Versorgungssicherheit bieten können. Eine zentrale Aufgabe zur Stabilisierung des Stromnetzes ist es daher, Stromangebot und -nachfrage zu synchronisieren.
In den nächsten zehn Jahren sind enorme Investitionen in die Energienetze erforderlich. Notwendig ist dies vor allem deshalb, weil die Übertragungs- und Verteilernetze ursprünglich konzipiert wurden, um von Großkraftwerken in nahe gelegene Verbrauchszentren zu liefern. Heute muss nicht nur zusätzlich der Strom aus den vielen kleinen Erzeugungsanlagen ins Stromnetz integriert werden. Ein immer höherer Anteil dieses Stroms wird zudem unregelmäßig produziert und befindet sich weit entfernt von den Verbrauchszentren – wie zum Beispiel die Offshore-Windkraftanlagen in der deutschen Nord- und Ostsee.
Der Ausbau von erneuerbaren Anlagen führt zu einem höheren fluktuierenden Anteil der Energieversorgung, der durch Reservehaltung und Back-up-Erzeugung durch konventionelle Kraftwerke teuer gesichert werden muss. Hier ist ein flexibles Lastmanagement erforderlich, um Erzeugung und Verbrauch anzupassen. Dies setzt ein neues Marktdesign voraus, das die Bereitstellung von klimaverträglichem Strom entsprechend der Nachfrage fördert. Die unreflektierte Förderung sämtlicher erneuerbarer Energien hat zwar eine spektakuläre Zunahme der Produktionskapazitäten bewirkt, gleichzeitig aber zu einer Fehlallokation der Ressourcen geführt. Um die Energiewende zum Erfolg zu führen, ist es daher notwendig, die Kosten des Ausbaus zu begrenzen, ohne die Dynamik der technischen Innovation zu bremsen. Das heißt, die ProduzentInnen von Grünstrom müssen zunehmend Verantwortung und Risiko für dessen Vermarktung übernehmen. Ein System, das über 15 Jahre und mehr feste Erträge garantiert, ohne Verantwortung für die Vermarktung zu übertragen, ist ökonomisch nicht sinnvoll und bei anhaltender Staatsschuldenkrise auch nicht leistbar.
Die beihilfenpolitische Herausforderung ist es daher, den Übergang zu einem flexiblen, kosteneffizienten Strommarkt mit ausreichenden Netzen, Speichern, effizienten Lastmanagementsystemen, regenerativen-Kraftwerken und hocheffizienten Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen (KWK) zu organisieren und gleichzeitig die Subventionierung von fossilen Energieträgern und Atomkraft zu verbieten. Es besteht dringender Reformbedarf, um Investitionen in die richtigen Kanäle zu lenken. Dies ist nur auf EU-Ebene möglich.
Die EU-Politik bietet ein zerrissenes Bild, das sich in den neuen Leitlinien zur Förderung von Umweltschutzbeihilfen und Energie1 2014 wiederfindet. Diese stellen ein Menü an Subventionsmaßnahmen für beinahe alle Energieformen zur Verfügung. Außerdem beinhalten sie eine Liste von Ausnahmen für eine Vielzahl von Industriesektoren – von der Herstellung von Lederwaren über Haushalts- und sanitäre Waren bis hin zur Bürsten- und Musikinstrumentenproduktion, die von der Abnahmepflicht für erneuerbare Energien befreit werden können. Das bedeutet: Einerseits müssen in Zukunft die HaushaltskundInnen und ein Teil der kleinen und mittleren Unternehmen weitgehend allein die erneuerbaren Energien finanzieren, während Großverbraucher weiterhin auf fossile Energien setzen können. Andererseits ist ein Subventionswettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten zu erwarten.

Keine Ambition
Die neuen Leitlinien bieten auch sonst keine ambitionierte Ergänzung zur Energiewende. Statt sich so weit wie möglich von wirtschaftlich schädlichen Betriebsbeihilfen zu verabschieden, sind diese weiterhin in großem Umfang zulässig. Dadurch werden auch in Zukunft falsche Marktanreize gesetzt, die zu Fehlinvestitionen führen. Die Zukunft einer kosteneffizienten Förderung erneuerbarer Energien kann nur in einer Anstoßfinanzierung liegen.
Die Bereithaltung von Reserveleistungen wiederum sollte nur in genau definierten Ausnahmefällen und zeitlich beschränkt subventioniert werden. Österreich hat ebenso wie die anderen EU-Mitgliedsstaaten ausreichende Kapazitäten zur Verfügung. Die Preise für Ausgleichsenergie sind 2013 auf 170 Millionen Euro gestiegen – im Vergleich zu 75 Millionen Euro im Jahr 2010. Angesichts dieser Preisstruktur erscheinen Beihilfen nicht gerechtfertigt, hier sind auch ordnungsrechtliche Vorschriften zu überlegen.

Der falsche Weg
Auch die Einbeziehung von Energie-Infrastrukturmaßnahmen – Verteilernetze, grenzüberschreitende Netzzusammenschlüsse etc. – in die neuen Leitlinien ist nicht der richtige Weg. Damit werden die privaten Strom- und Gasunternehmen im weitesten Sinn (Produzenten, Netzbetreiber) aus ihrer Verantwortung für die Schaffung und Aufrechterhaltung geeigneter Infrastrukturen für ihren Geschäftsbetrieb entlassen. Die Kosten hierfür sollen offensichtlich sozialisiert werden, während die Gewinne den Unternehmen zukommen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden die EU-weiten Investitionskosten für die Netzerweiterung auf bis zu 104 Milliarden Euro geschätzt. Die Finanzierung dieser Netzwerke (Strom und Gas) zum Nutzen der Stromunternehmen muss daher auch von diesen oder über den Finanzmarkt aufgebracht werden. Nur nebenbei sei bemerkt, dass die Kosten für den Netzausbau ohnehin einem regulatorischen Regime unterliegen und daher über die Netzentgelte abgegolten werden. Auch wäre wichtig gewesen, dass bei der Bewertung der ökonomisch-technischen Machbarkeit von Investitionen in Erneuerbare-Energie-Anlagen der verpflichtende Nachweis eingefordert wird, dass die notwendige Infrastruktur vorhanden ist, um die Einspeisung der gewonnenen erneuerbaren Energie sicherzustellen.
Schließlich hat auch der Emissionszertifikate-Handel bis jetzt die Erwartung nicht erfüllt, dass damit die externen Kosten der Unternehmen internalisiert werden. Im Gegenteil, das System wurde für betrügerische Machenschaften missbraucht und erwies sich als zu komplex, um geeignete Kontrollmechanismen zu etablieren. Darüber hinaus bleiben die Börsenpreise für diese Zertifikate auf derart niedrigem Niveau, dass kein Anreizeffekt von ihnen ausgeht. Skepsis ist daher angebracht, dass andere derartige Zertifikatehandelsregimes geeigneter sind, ordnungspolitische Maßnahmen zu ersetzen, um die Reduktion von CO2-Zertifikaten und das damit verbundene Ziel der CO2-Reduktion der zu erreichen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwar der gute Wille vorhanden ist, die Erneuerbare-Energie-Revolution voranzutreiben. Diese steckt jedoch nach mehr als einem Förderjahrzehnt immer noch in ihren Kinderschuhen. Zu groß sind die Begehrlichkeiten der Vermarkter konventioneller Energien, zu bequem ist die Beibehaltung des derzeitigen Systems der Dauersubventionierung für die ProduzentInnen von Ökostrom.

1tinyurl.com/pgdbukn

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin susanne.wixforth@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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