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Symbolbild zum Bericht #sbsm versteht sich als praktischer Wegweiser durch das Web 2.0 und geht dabei auch auf die Nutzung von Social Media durch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen ein.
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ArbeiterInnen aller Länder: Geht online!

Schwerpunkt

Das Internet und soziale Medien bieten für Gewerkschaften mehr Chancen als Risiken.

Die Online-Welt dreht sich schnell: 5.700 „Tweets“ – also digitale Kurznachrichten – entstehen weltweit pro Sekunde. Über 1,3 Milliarden NutzerInnen zählt das global größte soziale Netzwerk Facebook heute – gestartet war Gründer Mark Zuckerberg 2004 mit bescheidenen 650 UserInnen. Dabei sollten wir besser von kommerziellen Netzwerken sprechen, immerhin erzielte Facebook 2013 einen Umsatz von 7,8 Milliarden US-Dollar. Auf den weiteren Plätzen folgen Groupon mit 2,5 Milliarden, LinkedIn mit 1,5 Milliarden und Twitter mit 665 Millionen Dollar.

Fressen und Gefressenwerden

Das alte Spiel vom „Fressen und Gefressenwerden“ setzt sich also in der neuen Sphäre des Web 2.0 nahtlos fort. Aber nicht immer müssen dabei die „Kleinen“ auf der Verliererseite stehen. Gewerkschaften nutzen zunehmend die Möglichkeiten des Internets und von Social Media im Sinne der ArbeitnehmerInnen-Interessen – obwohl der Start noch etwas holprig verlief, wie etwa im Handbuch „Soziale Bewegungen und Social Media“ (#sbsm) festgehalten wird. #sbsm versteht sich als praktischer Wegweiser durch das Web 2.0 und geht dabei auch auf die Nutzung von Social Media durch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen ein. Das wesentliche Merkmal dieser sozialen Medien besteht darin, dass sie den NutzerInnen die Möglichkeit bieten, sich untereinander auszutauschen und gemeinsam oder individuell Inhalte zu erstellen. Interaktivität soll passiven Medienkonsum ersetzen, RezipientInnen können gleichzeitig zu ProduzentInnen werden, so die Idee des Web 2.0 – die Praxis sieht freilich bisweilen anders aus.

Auch die heimische Gewerkschaftsbewegung orientiert sich verstärkt in diese Richtung: Zu den großen Homepages gesellen sich flexiblere themen- oder zielgruppenspezifische Webauftritte, die interaktiver, partizipativer und offener werden. „Was Social Media betrifft, sind Gewerkschaften mittlerweile selbstverständlich auf Facebook präsent, es gibt Blogs und YouTube-Kanäle. Die Plattformen werden heute nicht mehr von einzelnen, zentralistischen Auftritten dominiert, sondern auch von mehreren, diversen Unterorganisationen mit eigenen Seiten und Kanälen bevölkert“, heißt es im #sbsm-Handbuch. Das breite Spektrum reicht von regionalen Gruppen über lokale Branchenverbände und thematische Netzwerke bis hin zu eigenen Seiten, die sich beispielsweise der Organisation eines Kongresses widmen.

Im gewerkschaftlichen Bereich spielen logischerweise die BetriebsrätInnen eine wesentliche Rolle innerhalb dieses bunten Mosaiks. Zu den zentralen Aufgaben des Betriebsrates zählt laut österreichischem Arbeitsverfassungsgesetz neben Friedens-, Verschwiegenheits-, Kooperations- und Interessenwahrnehmungspflicht nicht zuletzt die Informationspflicht gegenüber der Belegschaft. Spätestens beim letztgenannten Punkt kommen moderne soziale Medien ins Spiel. Abgesehen von den zumindest halbjährlich gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsversammlungen erfolgte der Informationstransfer früher vor allem durch klassische Medien wie MitarbeiterInnen-Zeitungen, diverse Info-Blätter und andere Aussendungen sowie Aushänge am „Schwarzen Brett“. Durch die rasanten Umbrüche in der Arbeitswelt (mehr Flexibilität, Teilzeitjobs, zunehmende räumliche Distanzen als Folge der Aufnahme von externen MitarbeiterInnen und Ausbau von Filialnetzen sowie Teleworking) stoßen diese „alten Medien“ allerdings an ihre Grenzen.

Newsletter statt „Schwarzes Brett“

Im 21. Jahrhundert ergeben sich zum Glück andere Möglichkeiten, in die Christian Penn, stellvertretender Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der Diözese Linz, Einblick gewährt: „Das klassische Schwarze Brett beispielsweise ist prinzipiell eine gute Einrichtung, macht aber wenig Sinn, wenn die ArbeitnehmerInnen geografisch weit verstreut sind. Unsere rund 320 MitarbeiterInnen sind über die gesamte Diözese, sprich praktisch über das ganze Bundesland Oberösterreich, verteilt.“ Lange Zeit versuchte man die MitarbeiterInnen durch eine Betriebsratszeitung zu erreichen. Die erschien aber nur einmal im Jahr, was bedeutet, dass auf Neuerungen nur sehr begrenzt eingegangen werden konnte. Auch war die Produktion relativ kosten-, aber vor allem zeitintensiv. Deshalb entschied sich die Diözese Linz für einen Newsletter: „Dieser ist einfacher zu produzieren als eine Zeitung, Kosten für den Druck fallen weg und wir können Informationen laufend aktualisieren und rasch an unsere Mitarbeiter transportieren“, führt Penn weiter aus.

Blog ersetzt Zeitung

Die gedruckte Zeitung wurde von einem Betriebsrats-Blog abgelöst. Darauf werden Interna, gesellschaftspolitische Themen oder überregionale gewerkschaftliche Aktionen wie etwa die Kampagne „Lohnsteuer runter!“ behandelt. Im Zeitalter der Vernetzung durfte im Newsletter der Link auf den Blog nicht fehlen. Penn verrät, dass zu Beginn der Schritt ins World Wide Web im Betriebsrat durchaus kontroversiell diskutiert worden ist. „Es bestand die Sorge, dass die Zeit für Social-Media-Arbeit an anderer Stelle fehlen könnte. Diese Zweifel haben sich aber schnell als unbegründet erwiesen und das Konzept stößt heute auf breite Zustimmung. Wir erhalten auch von unseren MitarbeiterInnen regelmäßig positive Rückmeldungen“, so Penn. Neben dem Austausch zu internen und betriebsexternen Fragen schätzt Penn aber auch ganz einfach die praktische Seite der intermedialen Welt: „So kann zum Beispiel der Weg zur nächsten Betriebsversammlung via Google-Maps beschrieben werden. In Zukunft hoffe ich nur, mehr KollegInnen für die Mitarbeit am Blog motivieren zu können.“ Facebook nützt Penn privat und steht hier auch im Austausch mit KollegInnen, eine geschlossene, arbeitsspezifische Gruppe wurde aber nicht gegründet.

Ist somit das Zusammenspiel zwischen sozialen Medien und der ArbeitnehmerInnenvertretung eine Erfolgsstory par excellence? Hier ist Vorsicht geboten. Denn das Netz ist bekanntlich ein offenes Buch. Es besteht die Gefahr, dass Gewerkschaftsmitglieder, BetriebsrätInnen und ArbeitnehmerInnen allzu offen ihr Herz ausschütten. Das könnte wiederum den mitlesenden ArbeitgeberInnen in die falsche Kehle rutschen, mit möglicherweise nicht gerade angenehmen Konsequenzen für die Poster. Einen schmalen Grat betreten hier gerade BetriebsrätInnen, sie unterliegen ja immerhin der Verschwiegenheitspflicht. Deshalb wird in #sbsm den BetriebsrätInnen empfohlen: „Der Betriebsrats-Blog ist kein Ort, sich mit dem Gegenüber im Management zu duellieren oder Rechnungen zu begleichen. Dokumentiere Medienberichte zum Unternehmen und zur Branche, aber erkläre nicht selbst, wie es um das Unternehmen steht. Stelle nichts Vertrauliches online, sondern behandle Themen allgemein. Sprich also beispielsweise keinen konkreten Mobbingfall an, sondern stelle stattdessen Informationen und Links zum Thema online.“ Das dürfe keinesfalls als medialer Maulkorberlass missverstanden werden. Thomas Kreiml von der GPA-djp schreibt dazu: „Im Sinne einer gewerkschaftlichen Politik der Befreiung aus Abhängigkeits- und Machtverhältnissen im Interessenkonflikt zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen müsste individuelles Auftreten in der Netzöffentlichkeit durch kollektiv organisierte Solidarität unter ArbeitnehmerInnen gegen Unternehmensinteressen verteidigt werden ...“ (tinyurl.com/nefna5w)

Potenzial für Mitbestimmung

Ein naheliegendes („Minimal-“)Ziel bestünde demnach im Schutz von ArbeitnehmerInnen vor Konsequenzen am Arbeitsplatz aufgrund von Publikationen in sozialen Medien, den es gewerkschaftlich zu formulieren und zu vertreten gelte. Kreiml, der einer der beiden Herausgeber des #sbsm-Handbuchs ist, weist im Gespräch mit „Arbeit&Wirtschaft“ aber explizit auf die positiven Seiten von Social Media hin: „ArbeitnehmerInnen und deren Vertretungen können auch kommerzielle Medien wie Facebook gut nutzen, um ihre Zielgruppe zu erreichen und breite Öffentlichwirksamkeit zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Lohnsteuerkampagne. Social Media weisen ein erhebliches Potenzial auf, um für mehr gesellschaftliche Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen zu sorgen.“

Mehr Infos im Internet unter:
www.betriebsratsblog.at
www.betriebsraete.at
www.lohnsteuer-runter.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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