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Symbolfoto zum Bericht Zum ersten umfassenden KV-Abschluss kam es im Jahr 1896 für die Buchdrucker. Mittlerweile gibt es in Österreich über 800 Kollektivverträge, jährlich werden über 450 von den Gewerkschaften verhandelt.

Auf Dauer angelegt

Schwerpunkt

Kollektivverträge, die Gewerkschaften Jahr für Jahr ausverhandeln, sind die wichtigste Form der Mitbestimmung.

In der Vergangenheit saßen bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller immer alle Fachverbände der Metallindustrie gemeinsam an einem Tisch. Seit 2012 ist das nicht mehr der Fall, denn den Gewerkschaften wurde eine neue Verhandlungskultur aufgezwungen: Sie führen nun Einzelverhandlungen mit jedem Fachverband. „Solche Verhandlungen kosten viel Zeit und Kraft, die wir deutlich sinnvoller hätten investieren können, zum Beispiel in die dringend notwendige Diskussion zum Thema Arbeitszeit“, sagt Rainer Wimmer, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE.

Einheitlicher Kollektivvertrag

Als ein Signal in die richtige Richtung deutet der Gewerkschafter die Tatsache, dass alle Fachverbände bei der diesjährigen Forderungsübergabe anwesend waren. Dem Wunsch nach gemeinsamen Verhandlungen wurde zwar auch dieses Jahr nicht entsprochen, dennoch konnten die Gewerkschaften Anfang November ihr Ziel eines einheitlichen Kollektivvertrages (KV) erreichen. Nach insgesamt 14 Verhandlungsrunden einigten sich die Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) mit den sechs Fachverbänden der Metallindustrie auf einen einheitlichen Kollektivvertrag und einen einheitlichen Lohn- und Gehaltsabschluss für alle 180.000 Beschäftigten der Branche. Die Ist-Löhne und Ist-Gehälter sowie die kollektivvertraglichen Mindestlöhne und Mindestgrundgehälter steigen um 2,1 Prozent. Zudem wurde die Anwendung der Freizeitoption vereinbart. Für die ArbeitnehmerInnen bedeutet das, dass die Ist-Erhöhung in zusätzliche Freizeit umgewandelt werden kann. Soweit eine Betriebsvereinbarung vorhanden ist, können die Beschäftigten selbst bestimmen, ob sie die vereinbarte Option in Anspruch nehmen oder nicht.

Kollektivverträge sind die wichtigste Form der Mitbestimmung in Unternehmen. Vertreten durch die Gewerkschaften stehen ArbeitnehmerInnen dem Arbeitgeber gleichberechtigt gegenüber. Wie die Verhandlungen der Metallindustrie zeigen, sind Kollektivverträge einerseits Vereinbarungen zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, die zur Regelung von Entlohnung und Arbeitsbedingungen abgeschlossen werden. Andererseits haben sie viele zusätzliche Funktionen zu erfüllen, wie etwa gleiche Konkurrenzverhältnisse auf der Arbeitgeberseite herbeizuführen. Das wird erreicht, indem ein System von Lohn- und Arbeitsbedingungen im Bereich größerer Wirtschaftsgruppen festgelegt wird, das die Bedingungen der jeweiligen Gruppe vereinheitlicht. Nicht zuletzt haben KVs auch eine wichtige Ordnungsfunktion, da durch sie viele Auseinandersetzungen auf Betriebsebene vermieden werden.

98 Prozent durch KV geschützt

In Österreich fallen fast alle unselbstständigen ArbeitnehmerInnen unter einen Kollektivvertrag. Zum ersten umfassenden KV-Abschluss kam es im Jahr 1896. Damals profitierten die Buchdrucker von den Vorteilen eines KVs. Mittlerweile gibt es hierzulande über 800, jährlich werden über 450 von den Gewerkschaften verhandelt.

Eine Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) zur Tarifbindung von ArbeitnehmerInnen bescheinigt Österreich eine Spitzenposition im internationalen Vergleich. Knapp 98 Prozent aller österreichischen ArbeitnehmerInnen sind durch KVs geschützt. Im Vergleich dazu sind zum Beispiel nur 62 Prozent der deutschen und nur 14 Prozent der Beschäftigten in den USA abgesichert. Kollektivverträge verhelfen ArbeitnehmerInnen zu vielen Rechten und Ansprüchen, die nicht gesetzlich geregelt sind, wie etwa das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die jährlichen Lohnerhöhungen.

Auch hinsichtlich der Arbeitszeit gibt das Gesetz nur den Rahmen vor, die Gewerkschaften verhandeln hier für jede Branche faire Arbeitsbedingungen aus. KVs regeln außerdem die Zuschläge für Schichtarbeit, Feiertagsarbeit, Überstunden und Mehrstunden – und auch Freizeitansprüche bei Übersiedlung oder Heirat. Außerdem gelten in Österreich Kollektivverträge für alle ArbeitnehmerInnen, auch wenn sie keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Im Fachjargon wird das „Außenseiterwirkung“ genannt. Nichtsdestotrotz ist es überaus wichtig, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
Mehr Mitglieder bedeuten, dass mehr Druck ausgeübt werden kann, um bessere Ergebnisse und mehr Mitbestimmung für Beschäftigte bei den Verhandlungen erzielen zu können. 

Trotz Beendigung wirkt der KV nach

Anders als in anderen Ländern nimmt der KV hierzulande eine sehr hohe Stellung ein und steht in der Arbeitsrechtsordnung auf Platz zwei, direkt nach dem zwingenden Recht laut Gesetz. Dahinter reihen sich Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, dispositives Gesetzesrecht und Weisungen.
Welche Vorteile ein Kollektivvertrag und dessen richtige Anwendung haben, zeigt deutlich das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Fall der AUA (Austrian Airlines). Mitte 2012 beschloss die AUA, ihren Flugbetrieb in Form eines Betriebsüberganges in die Tochtergesellschaft Tyrolean einzubringen. Damit sollten auch die Arbeitsbedingungen des Tyrolean-KVs für die Beschäftigten gelten, da der bestehende Kollektivvertrag auch aufgekündigt wurde. Für das Bordpersonal bedeutete das 20 bis 25 Prozent weniger Gehalt.

Der Betriebsrat und das Bordpersonal wehrten sich und bekamen vor kurzem durch den EuGH Recht. Das Urteil besagt, dass ein alter Kollektivvertrag auch bei einem Betriebsübergang nachwirkt. Mit seinem Urteil legt der Gerichtshof die Vorschrift dahin aus, dass „in einem KV vereinbarte Arbeitsbedingungen im Sinn dieser Bestimmung auch solche mit einem Kollektivvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen sind, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats trotz Kündigung dieses Vertrags weiter auf Arbeitsverhältnisse, die unmittelbar vor seinem Erlöschen durch ihn erfasst waren, nachwirken, solange für diese Arbeitsverhältnisse nicht ein neuer KV wirksam oder mit den betroffenen Arbeitnehmern nicht eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird“.

Ein Kollektivvertrag ist ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis und muss entweder durch einen neuen ersetzt oder gekündigt werden. Für die Beendigung kommen die einvernehmliche Lösung, die vorzeitige Lösung aus einem wichtigen Grund und der Zeitablauf bei Vereinbarung einer Befristungs- oder Bedingungsklausel in Betracht. Befristete und unbefristete Kollektivverträge entfalten nach Beendigung jedoch eine sogenannte „Nachwirkung“. Das bedeutet, dass der erloschene Kollektivvertrag für seinerzeit von ihm erfasste Arbeitsverhältnisse weiterhin anwendbar bleibt, bis ein neuer Kollektivvertrag oder eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Für die ArbeitnehmerInnen bedeutet das, dass sie in einem kollektivvertragslosen Zeitraum ihr Gehalt bzw. ihren Lohn erhalten.

Online informieren

Jene zwei Prozent, die noch keinen KV haben, sind zumeist Branchen, die nicht der WKÖ angehören. Dazu gehören Freizeit- und Vergnügungsbetriebe, aber auch zum Beispiel Fachhochschulen. Die Arbeiterkammer rät Beschäftigten, die unter keinen Kollektivvertrag oder Mindestlohntarif fallen, die vereinbarte Lohnhöhe mit dem Arbeitgeber schriftlich festzuhalten, zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder auf dem Dienstzettel.
Sollte es keine Vereinbarung geben, steht der Lohn zu, der für den Beruf „angemessen und üblich ist“. Wenn kein Kollektivvertrag oder Mindestlohntarif zur Anwendung kommt, hat man auch nur dann Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsgeld, wenn es vereinbart wurde.

Rasche Übersicht

Die Informationsplattform www.kollektivvertrag.at bietet allen Interessierten eine rasche Übersicht und enthält die aktuellsten und wichtigsten Informationen rund um Kollektivverträge, erstmals stehen mehr als 500 Kollektivverträge öffentlich für alle ArbeitnehmerInnen im Internet zur Verfügung. Gewerkschaftsmitglieder und BetriebsrätInnen profitieren nach dem Log-in von zusätzlichen Funktionen, zum Beispiel dem Drucken von Kollektivverträgen.

Linktipps:
Die KV-Informationsplattform von ÖGB und Gewerkschaften:
www.kollektivvertrag.at

Weitere Infos finden Sie auch unter:
www.kvsystem.at
www.arbeiterkammer.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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