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Streiklokal der Stückmeister der Wiener Herrenkonfektion 1903 Im Streiklokal der Stückmeister der Wiener Herrenkonfektion 1903. Damals wie 2015 war sich die Gewerkschaft darüber im Klaren, dass die formale Selbstständigkeit nichts über die reale Situation von Abhängigkeit im Wirtschaftssystem aussagt.

Selbstständig abhängig

Historie

Die "Stückmeister" der ersten Konfektionsindustrie waren abhängig Arbeitende. Als sie dies erkannten, gründeten sie eine Gewerkschaft.

Die Massenproduktion von Kleidung als Konfektionsware begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie erfolgte im „Verlag“, das heißt, die Produktion wurde an eine große Zahl von KleinstunternehmerInnen, die „Zwischenmeister“ oder „Stückmeister“, ausgelagert. Sie arbeiteten entweder in einem Hinterzimmer mit ein paar GehilfInnen oder vergaben die Produktion wieder im „Verlag“ an einzelne HeimarbeiterInnen. Die als „Konfektionäre“ bezeichneten Großunternehmer behielten sich nur die Organisation und den profitablen Vertrieb vor. 1879 berichteten die Delegierten am ersten Allgemeinen österreichischen Schneidertag, wie dieses System funktionierte:
In Wien arbeiten in der Herrenschneiderei etwa 4.000 Gehilfen, davon kaum mehr als 700 bei Kundenmeistern. Alle anderen stehen im Dienst der Konfektion. ... Die Arbeit wurde schließlich geteilt und an Stückmeister außer Haus gegeben. … In Prag gibt es noch weniger Stückmeister als in Wien, aber es gibt doch schon 100 Meister dort, die aufgehört haben, Handwerksmeister zu sein, keine Werkstätte mehr halten und alle Arbeit den „Sitzgesellen“ nach Hause geben, die wieder Knaben für ihre Stückarbeit zu Hilfe nehmen.

Die Großunternehmer konnten durch das Verlagssystem die Produktionskosten sehr niedrig halten und die ohnehin wenigen Arbeiterschutzbestimmungen für „fabrikmäßige Betriebe“ umgehen:
Die Stückmeister sind nur das Werkzeug, um die Arbeiter recht ordentlich ausbeuten zu können. Sie … sind wirtschaftlich schwach, so dass sie den Lohndrückereien der Konfektionäre keinen namhaften Widerstand leisten können. So wurden denn die Löhne immer mehr herabgedrückt, so dass sie gegenwärtig einen Stand erreicht haben, der Stückmeister wie Arbeiter mit völligem Ruin bedroht.

Aus dem Plan der Gewerkschaft wurde zunächst (fast) nichts. Die überwiegende Mehrheit der StückmeisterInnen wollte gerade wegen des eigenen sozialen Abstiegs den Abstand zu den GehilfInnen gewahrt wissen und die eigenständige Stellung am Arbeitsmarkt betonen. Zu einer gemeinsamen großen Aktion kam es erst 1903 beim Streik in der Wiener Herrenkonfektion, als 3.000 Arbeiter und 1.500 Stückmeister dreieinhalb Wochen in den Ausstand traten und einen annehmbaren Kollektivvertrag durchsetzten. Danach organisierte sich eine Gruppe von Stückmeistern der Herrenkonfektion erstmals in einer Gewerkschaft, aber nach wie vor nicht gemeinsam mit ihren Arbeitern, wie es 1895 erhofft worden war.

Zusammengestellt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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