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AK-Beratung Ob ausstehende Lohnansprüche, ungerechtfertigte Kündigungen, Mobbing, unbezahlte Überstunden, strittige Arbeitsverhältnisse: Die AK-JuristInnen sind um keinen Rat verlegen.
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Guter Rat lohnt sich

Schwerpunkt

Von Mythen und Rechtsstreitigkeiten. Ein Streifzug durch den Beratungsalltag von AK und ÖGB.

Drei Wochen, teilte der Arzt Herrn P. mit, würde er nach der Operation Ruhe brauchen. Drei Wochen nicht in der Arbeit sind eine lange Zeit und zur Sorge um die Gesundheit gesellte sich die um den Arbeitsplatz: Sein Arbeitgeber schlug ihm vor, selbst zu kündigen. Herr P. weigerte sich, der Chef lockte nun mit einer einvernehmlichen Lösung des Dienstverhältnisses, plus einem Monatsgehalt. Auch das kam für den pharmazeutischen Assistenten nicht in Frage. Kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus meldete ihn sein Chef bei der Sozialversicherung ab. Begründung: Das Arbeitsverhältnis sei zeitlich befristet gewesen. Herr P. wehrte sich mithilfe der Arbeiterkammer. Erfolgreich, denn der Arbeitgeber konnte weder die Befristung beweisen, noch hatte er sich an die Kündigungsfrist gehalten. Herr P. erhielt eine Kündigungsentschädigung von fast 3.700 Euro. 

Streitwert: 370 Millionen
Österreichweit hat die AK im Jahr 2013 mehr als zwei Millionen Beratungen durchgeführt und für ihre Mitglieder über 370 Millionen Euro vor Gericht und außergerichtlich zurückgeholt. Der Großteil der Beratungen findet zu den Themen Arbeits- und Sozialrecht statt. Aber auch in Konsumenten- und Steuerrechtsfragen helfen die AK-BeraterInnen weiter.
Knapp 200.000 Anrufe verzeichnete allein die Rechtsabteilung der AK Wien im Vorjahr. Sie führte rund 44.000 persönliche Beratungsgespräche durch und beantwortete fast 9.000 Anfragen, die per E-Mail eingegangen waren, Tendenz steigend. Die Themenbereiche der Beratungen sind so umfassend wie der Arbeitsalltag selbst, berichtet Irene Holzbauer, Leiterin der AK-Rechtsabteilung Wien. Die meisten Ratsuchenden sprechen im Zuge oder rund um die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vor. „Sehr viele Streitfälle werden nicht im laufenden Arbeitsverhältnis, sondern erst nach Beendigung aufgegriffen. Die Angst um den Arbeitsplatz ist in Zeiten wie diesen sehr groß.“ Ob ausstehende Lohnansprüche, ungerechtfertigte Kündigungen, Mobbing, unbezahlte Überstunden, strittige Arbeitsverhältnisse: Die Juristen und Juristinnen der AK-Rechtsberatung sind um keinen Rat verlegen. Sie haben das Gerichtsjahr absolviert und verfügen über umfassende rechtliche Kenntnisse, die in permanenten Schulungen aktualisiert werden. „Die Basis ist das rechtliche Wissen“, sagt Holzbauer, „denn bei einer falschen Auskunft haften wir.“ Mit Menschen umzugehen, die unter großem Druck stehen, ist nicht einfach. So werden die MitarbeiterInnen auch in „Soft Skills“, Kommunikationstechniken und Konfliktfähigkeit, unterrichtet.

Ein Grundsatz der Beratung ist die Hilfe zur Selbsthilfe, etwa durch ein Gespräch mit dem Arbeitgeber oder dem Betriebsrat. Erst wenn keine Lösung auf dieser Ebene in Sicht ist, schreitet die Arbeiterkammer ein. Häufig kommt es dann zu Vergleichsverhandlungen oder zu außergerichtlichen Lösungen. Im Vorjahr konnten rund 52 Prozent der Akten bereits in der Abteilung für Arbeitsrecht erledigt werden, berichtet Irene Holzbauer. „Das heißt: Die Unternehmen können davon ausgehen, dass sie sich auf unser Know-how verlassen können.“ Wer einen Anspruch einklagt, muss ihn auch begründen können. Selbst die Bezahlung von 300 Überstunden kann ohne Aufzeichnungen nicht erfolgreich bei Gericht eingefordert werden. „Das Spannungsverhältnis zwischen recht haben und recht bekommen besteht immer“, sagt Holzbauer. „Gerechtigkeit heißt auch nicht immer, recht zu bekommen.“ Hier mit den unterschiedlichen Gefühlen der Ratsuchenden zurechtzukommen erfordert Fingerspitzengefühl. Es gilt, keine allzu hohen Erwartungen zu wecken, wenn die Beweislage dürftig ist. Die häufigsten Fehler der ArbeitnehmerInnen? „Es werden leichtfertig Erklärungen abgegeben. Etwa, dass der Lohn zufriedenstellend ausbezahlt wurde.“ Häufig werden – unter Umgehung der Kündigungsfristen – einvernehmliche Lösungen unterzeichnet, der/die ArbeitnehmerIn verliert die Ansprüche. Es gilt also: nichts leichtfertig unterschreiben, denn (fast) jede Unterschrift zählt.
Die Sachlage: Die Verkäuferin einer Palmers-Filiale hatte sich einer Knieoperation unterzogen und war danach wieder zur Arbeit gegangen. Danach fiel sie auf ihr operiertes Knie und ließ sich von ihrer Ärztin krankschreiben. Die Firma schickte ihr einen Detektiv auf die Fersen, der sie in einem Café beobachtete. Die Folge war die fristlose Entlassung. Mithilfe der AK zog die Arbeitnehmerin vor das Arbeits- und Sozialgericht. Dieses entschied, dass die Entlassung ungerechtfertigt war. Die Ärztin hatte bestätigt, dass keineswegs Bettruhe bestand und die Patientin oft entgegen ihrem Rat zur Arbeit gegangen war. Der Arbeitgeber musste der Verkäuferin 15.000 Euro bezahlen.

Erfolge für alle
Erfolge, so meint die Expertin Holzbauer, sind allerdings relativ zu sehen. „Wenn eine Reinigungsfrau mit einem Monatslohn von 800 Euro ihre Mehrstunden nicht bezahlt bekommt und sie erhält schließlich 300 Euro Nachzahlung, so ist das ebenfalls ein großer Erfolg. Am schönsten aber ist es, wenn wir durch einen Einzelfall Missstände im Betrieb für alle Arbeitnehmer abstellen können.“ So wurde die AK im Vorjahr auf einen Betrieb aufmerksam, der das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht korrekt abrechnete. Für den Betroffenen bedeutete die Korrektur des Fehlers ein paar Hundert Euro. „Aber hier haben wir für alle etwas erreicht, selbst für die, die noch nicht in der Firma arbeiten.“

Wie wichtig Beratung ist, zeigen auch die zahlreichen Irrtümer in Bezug auf das Arbeitsrecht, denen ArbeitnehmerInnen unterliegen. Hartnäckig hält sich der Mythos, im Krankenstand nicht gekündigt werden zu können. Das kann fatale Folgen haben. Dabei genügt ein Anruf bei der Firma, am besten bei Arbeitsbeginn oder davor. Anschließend sollte man sofort den Arzt aufsuchen und sich krankschreiben lassen. Denn eine Kündigung ist auch im Krankenstand möglich, wobei der Arbeitgeber Fristen und Termine einhalten muss. Verbreitet ist des Weiteren die Annahme, dass immer schriftlich gekündigt werden muss. Aber: Meist gilt auch die mündliche Kündigung, selbst wenn sie von einem Dritten überbracht wird. Im Rahmen ihrer Rechtsschutztätigkeit verhilft die GPA-djp jährlich Tausenden ihrer Mitglieder durch Rechtsberatung, Intervention beim Arbeitgeber, Vertretung bei Gericht oder Sozialplanverhandlungen zu ihrem Recht. Im Jahr 2014 konnte die GPA-djp über 165 Millionen Euro „erstreiten“.
Birgit Ivancsics, Regionalsekretärin der GPA-djp: „Sehr stark merkbar ist der steigende Arbeitsdruck, den man allerdings schwer messen kann. Wir weisen darauf hin, sich die Arbeitsaufzeichnungen anzuschauen, da gibt es oft sehr viele unbezahlte Überstunden.“ Häufig mehren sich in ihrer Beratung auch Fragen, die im Zuge von Umstrukturierungen des Betriebes entstehen. „Als Beraterin versuche ich in erster Linie auf betrieblicher Ebene zu verhandeln. Erst wenn alles ausgeschöpft ist, wenden wir uns an das Gericht.“ Vor allem am Telefon ist die Sprache sehr wichtig, meint Ivancsics: „Hier ist die Herausforderung, den rechtlichen Aspekt herauszufiltern, bei dem man ansetzen und strategisch vorgehen kann.“
„Ein Spezifikum von uns als Produktionsgewerkschaft ist das Thema Arbeitszeit“, berichtet die Juristin der PRO-GE-Rechtsabteilung, Susanne Haslinger: „Wir haben viele Industrie- und Schichtbetriebe mit speziellen einschlägigen Regelungen. Die sind alles andere als leicht verständlich.“ Viele Anfragen betreffen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Fragen rund um das Entgelt. Einen größeren Anteil als die Beratung nehmen bisweilen Kündigungsanfechtungen ein. „Fast immer enden diese Verfahren mit einem Vergleich und mit einer freiwilligen Abfertigung.“ Ein großer Erfolg wurde unlängst auch im Burgenland erzielt. Rumänische Erntehelfer hatten vor Gericht ihr volles Entgelt eingeklagt und recht bekommen. Ein Verfahren wegen Menschenhandels gegen den Arbeitgeber ist noch anhängig.

Keinerlei Unrechtsbewusstsein
Sehr viele Anfragen erhält die Rechtsabteilung der PRO-GE im Bereich Arbeitskräfteüberlassung, in dem es meist keine Betriebsräte gibt. „Oft wird eine einvernehmliche Lösung zum Unterschreiben vorgelegt. Manche glauben, sie können sich nachher zur Wehr setzen.“ Als skurril empfindet die Juristin, wenn ein Arbeitgeber „keinerlei Unrechtsbewusstsein zeigt, etwa wenn er nur den halben Stundenlohn abrechnet und mich dann fragt, was ich eigentlich will“.

Webtipp:
Arbeitsrecht ABC: tinyurl.com/nx9jukh

Buchtipp:
www.arbeit-recht-soziales.at/arbeitsrecht4

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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