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Eine Jugenddelegation auf dem Weg ins Bundeskanzleramt. Der Forderungskatalog an die Regierung enthielt unter anderem die Erhöhung von Lebensmittelrationen für Jugendliche, den 4-Wochen-Urlaub oder die 40-Stunden-Woche. Eine Jugenddelegation auf dem Weg ins Bundeskanzleramt. Der Forderungskatalog an die Regierung enthielt unter anderem die Erhöhung von Lebensmittelrationen für Jugendliche, den 4-Wochen-Urlaub oder die 40-Stunden-Woche.

Das Gscher um die Lehr’

Schwerpunkt

In 70 Jahren erkämpfte sich die Gewerkschaftsjugend viele Rechte, doch manche Gemeinheit kommt in abgewandelter Form immer wieder.

Schon Ende der 1940er-Jahre war es ein Anliegen der Gewerkschaftsjugend, die Mitbestimmung junger ArbeitnehmerInnen an ihrem Arbeitsplatz gesetzlich zu verankern. Doch damit stieß sie jahrzehntelang auf Widerstand. „Jugendvertrauensmänner“ konnten nur gewählt werden, wenn der Betrieb die Einwilligung gab. Das war dementsprechend selten der Fall, denn besonders in den Nachkriegsjahren war die österreichische Gesellschaft autoritär strukturiert – das elterliche Züchtigungsrecht etwa wurde erst Mitte der 1970er-Jahre abgeschafft.
Autoritäre Verhältnisse gab es auch an Arbeitsstätten. Die „g’sunde Watschn“ wurde schon einmal vom „Lehrherrn“ ausgeteilt, die MitarbeiterInnen häufig einem militärischen Drill ausgesetzt. Lehrlinge im Wiener Hotel Imperial mussten jeden Tag zur Sauberkeitskontrolle antreten und ihre hoffentlich reinen Fingernägel und Hände präsentieren. Allgemein herrschte die Einstellung: „Der Lehrling ist zur Arbeitsamkeit, Ordnung, Ehrlichkeit und zum anständigen Betragen anzuhalten und hat sich der betrieblichen Ordnung zu fügen.“

Mitbestimmung endlich im Gesetz

Die Zeiten änderten sich nur langsam, erst mit der absoluten Mehrheit der SPÖ (1971) war für die Lehrlinge endlich mehr möglich. 1971/72 wurde die „Aktion M wie Mitbestimmung“ von der ÖGJ ins Leben gerufen. Mehr als 50.000 Unterschriften wurden in Betrieben, aber auch auf der Straße für dieses Recht auf Mitbestimmung gesammelt – mit Erfolg: Das Jugendvertrauensrätegesetz wurde schließlich im Parlament verabschiedet und trat mit 1. Jänner 1973 in Kraft.
Ab nun sollte ein guter Jugendvertrauensrat oder eine gute Jugendvertrauensrätin Lehrlinge und alle anderen jugendlichen ArbeitnehmerInnen vertreten. Er/Sie kümmert sich um die Arbeitsbedingungen im Betrieb, unterstützt bei Freizeitangeboten. Oder wie es das Gesetz ausdrückt: „Der Jugendvertrauensrat ist berufen, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der jugendlichen ArbeitnehmerInnen des Betriebes wahrzunehmen.“ Die „Aktion M wie Mitbestimmung“ diente auch bei späteren Kampagnen als Vorbild. Mit der Online-Kampagne „The Big Jay“ wurde etwa 30 Jahre später versucht, Jugendliche für die Position des Jugendvertrauensrats zu begeistern.

Ausweitung der Rechte

Auch das Gesetz wurde regelmäßig adaptiert, vor Kurzem durch die Erweiterung des Begriffs „jugendliche ArbeitnehmerInnen“: Vor 2011 galt dies für ArbeitnehmerInnen bis zum 18. Lebensjahr, nun gehören auch alle Lehrlinge bis zum 21. Lebensjahr dazu. Sie können jetzt auch den JVR wählen. Das passive Wahlalter erhöhte sich sogar auf die Vollendung des 23. Lebensjahres. Inzwischen ist es üblich, dass relativ viele Menschen nach der Matura oder nach dem Abbruch einer weiterführenden Schule in die Lehre einsteigen. Seit Kurzem können auch in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen JugendvertrauensrätInnen gewählt werden.
Überbetriebliche Einrichtungen wie „Jugend am Werk“ oder das bfi bilden immer mehr Lehrlinge aus, denn die Zahl der Unternehmen, die Lehrstellen anbieten, ist gering. Einerseits ist dieses Faktum durch den Wandel der Wirtschaftsstruktur begründet. Andererseits sind viele Firmen nicht mehr bereit, die Kosten für die Ausbildung eines jungen Menschen zu tragen, was sie aber „offiziell“ selten zugeben. Vielmehr wird gemosert, dass es keine geeigneten und qualifizierten Jugendlichen für die Lehrlingsausbildung gibt – sie könnten nicht schreiben, nicht lesen und würden nur mit ihrem Handy spielen.

Weniger Ausbildungsplätze als früher

Fakt ist: Früher wurden weit mehr Lehrlinge in Betrieben ausgebildet. Im Jahr 1980 war die Zahl der betrieblichen Lehrstellen in Österreich um 70.000 höher als heute. Die ÖGJ macht seit Jahren auf diese Lücke aufmerksam. „Es müssen wieder mehr Unternehmen Lehrlinge von Anfang an selbst ausbilden. Sonst wird den Jugendlichen ihre Zukunft geraubt“, fordert Sascha Ernszt, Vorsitzender der ÖGJ. Auf den „Ausbildungsverweigerern“ muss größerer Druck lasten. Ernszt hat dafür auch Vorschläge parat: „Man könnte öffentliche Aufträge und Förderungen nur mehr an Firmen vergeben, die Lehrlinge ausbilden.“ Ziel ist es, eine seit Jahren bestehende ÖGJ-Forderung endlich umzusetzen. Die sogenannte Fachkräftemilliarde soll die Ausbildungsfinanzierung auf eine gerechtere Grundlage stellen. Alle Unternehmen, die in der Lage wären, Lehrlinge auszubilden, müssten in einen Topf einzahlen. Von dem gesammelten Geld würden jene Firmen, die tatsächlich Lehrlinge ausbilden, gefördert werden.

Qualität der Lehre

Die Qualität der Lehre ist seit jeher ein Kernthema der Gewerkschaftsjugend. Denn manche Unternehmen sehen Lehrlinge als billige Arbeitskräfte. Schon zu Beginn der 1980er-Jahre gab es die Aktion „ÖGJ deckt auf“. Dabei wurden extreme Fälle offengelegt, etwa Lehrlinge, die 70 Stunden in der Woche arbeiteten, oder Kellner, die regelmäßig in der Arbeit Holz hacken mussten. Oder Jugendliche, denen ihr Chef befahl, nur im Jänner auf Urlaub zu gehen. „Dem Hund geht’s besser als uns. Wenn die Chefleute auf Urlaub fahren, geben sie ihn in ein Heim und zahlen viel Geld dafür. Wir müssen in der Nacht arbeiten und kriegen nicht einmal was dafür“, zitierte die „Hallo“ anno 1980 einen Betroffenen.
Auch heute gibt es Firmen, de nicht adäquat ausbilden. Viele Jugendliche lernen die in ihrem Beruf benötigten Fertigkeiten gar nicht erst kennen. Mit dem Ergebnis, dass die Lehrabschlussprüfung für einige zum unüberwindbaren Hindernis wird. In manchen Berufen gab es Jahrgänge mit einer Durchfallsquote von 30 Prozent. Hier fordert die ÖGJ Änderungen. Sascha Ernszt: „Die Qualität der Ausbildung in den einzelnen Betrieben muss laufend überprüft werden. Derzeit kontrollieren sich die AusbildnerInnen im Wesentlichen selbst, und das ist uns zu wenig.“
Eine ihrer zentralen Aufgaben sieht die ÖGJ in ihrer Aufklärungsarbeit gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Faschismus. Bereits 1966 erschien die Broschüre „Was geht uns Mauthausen an“. Sie brachte jungen Menschen den Hintergrund der Nazi-Tötungsmaschinerie in Oberösterreich nahe. Gerade damals wollten die Menschen von diesem Thema nichts mehr hören. Seit Jahren findet auch das ÖGJ-Antifaschismus-Seminar in Mauthausen statt und eine jährliche Ge-denkreise nach Auschwitz. Eine Woche lang setzen sich die TeilnehmerInnen dabei intensiv mit dem Thema Holocaust und Zweiter Weltkrieg auseinander. Verschiedene Städte und Schauplätze des Geschehens werden auf dieser Reise besucht.

Symbole, Runen, Zahlencodes

Faschismus ist allerdings nicht nur ein historisches Thema, denn auch die Rechten gehen mit der Zeit. Vor allem in der Jugendbewegung versuchen Rechtsradikale immer wieder Fuß zu fassen. Für viele Junge, die von zu Hause nicht sensibilisiert sind, lässt sich nicht unterscheiden, was mit Symbolen, Runen oder Zahlencodes verbunden ist. Rechte treten durchaus geschickt in Designerkleidung auf, die nur für KennerInnen sofort zu dechiffrieren sind. Verwirrend ist, dass sie immer wieder auch Symbole der Linken, etwa die geballte Faust oder Che Guevara, zitieren. Die Österreichische Gewerkschaftsjugend klärt mit Referaten in Berufsschulen und in Betrieben auf.

Frauenförderung

Unter den Nägeln brennt aber auch, dass Mädchen von etwa 200 möglichen Lehrberufen in der Regel nur drei Berufe wählen: Friseurin, Sekretärin oder Verkäuferin. Die ÖGJ will Personalverantwortliche für dieses Thema sensibilisieren und junge Mädchen über ihre Berufsmöglichkeiten besser aufklären.
Andererseits erzählen Mädchen, die in die Technik gehen wollen, dass sie aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt wurden. Etwa ein Kfz-Mechanikermeister, der meint, dass Mädchen zu schwach für den Job sind und sich nicht schmutzig machen wollen. Frauen werden schon in der Lehre benachteiligt. Ihr Anteil an der überbetrieblichen Lehrausbildung ist deutlich höher als in der Lehrlingsausbildung insgesamt. Freilich, die ÖGJ selbst ist bisher auch vermehrt männlich geprägt. In ihrer Geschichte gab es weder ein Mädchen als Jugendvorsitzende noch als Jugendsekretärin.

Internet:
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.oegj.at

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