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Am 9. Februar 1973 fand in Brüssel die Gründungsversammlung des Europäischen Gewerkschaftsbundes statt. Am 9. Februar 1973 fand in Brüssel die Gründungsversammlung des Europäischen Gewerkschaftsbundes statt.

EGB - quo vadis?

Schwerpunkt

1973 wurde der Europäische Gewerkschaftsbund gegründet, seither hat sich Europa massiv verändert. Der EGB muss dringend seine zukünftige politische Rolle finden.

Als der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) im Jahr 1973 aus der Taufe gehoben wurde, entsprachen die politischen Rahmenbedingungen in Europa nicht ansatzweise den heutigen. Das Ziel war damals, die (westeuropäischen) Gewerkschaftsbünde aus der Europäischen Gemeinschaft und der EFTA unter einem Dach zu vereinen, um die Interessen der ArbeitnehmerInnen in beiden Wirtschaftsräumen koordinierter zu vertreten. Am Ende waren es 17 Gewerkschaftsbünde aus 15 Staaten, die sich am 8. und 9. Februar 1973 bei der Gründungsversammlung in Brüssel zum EGB zusammengeschlossen hatten, darunter von Beginn an der ÖGB. Erstmals konnte im EGB auch die Spaltung in verschiedene Richtungsgewerkschaften überwunden werden – eine Errungenschaft, die sich bis heute gehalten hat. So ist der EGB die einheitliche Dachorganisation, in der sich alle demokratischen Gewerkschaftsbünde Europas sammeln, von christlich orientierten bis zu linkssozialistischen.

ÖGB stark vertreten

Seit 1984 ist der ÖGB stets mit zwei Mitgliedern im Vorstand des EGB vertreten, zunächst durch seinen Leitenden Sekretär Alfred Ströer und den Internationalen Sekretär Karl-Heinz Nachtnebel. Ab 1987 saßen für den ÖGB der damalige Präsident Fritz Verzetnitsch und Karl-Heinz Nachtnebel im EGB-Vorstand, wobei Verzetnitsch zunächst Vizepräsident (1988–1993) wurde und anschließend von 1993 bis 2003 als Präsident des EGB amtierte. Bis heute spielt der ÖGB eine wichtige Rolle im EGB und ist seit 2008 durch seinen Präsidenten Erich Foglar ununterbrochen im EGB-Präsidium vertreten, dem engsten Führungsgremium des EGB.

Gewerkschaftlichen Einfluss sichern

Heute ist der EGB eine ganz andere Organisation als 1973 und vertritt weit über 50 Millionen ArbeitnehmerInnen aus ganz Europa. Ihm gehören inzwischen 90 Mitgliedsbünde aus 39 Ländern sowie 10 europäische Branchengewerkschaftsbünde an.
Spätestens mit dem EU-Beitritt hat sich auch die Rolle des ÖGB im EGB deutlich gewandelt. Weichenstellungen für die Wirtschafts- und Sozialpolitik erfolgen zunehmend in Brüssel, auch der europäische Soziale Dialog gab einige Jahre wichtige Impulse. Damit war aber klar, dass sich die Mitarbeit im EGB nicht länger in der Verabschiedung von Resolutionen erschöpfen kann. Vielmehr müssen Positionen und Strategien erarbeitet werden, mit denen der EGB sich gegenüber Kommission, EU-Parlament und Rat einbringt, damit die Interessen der ArbeitnehmerInnen im Binnenmarkt nicht gänzlich untergehen.
Was aber ebenso wichtig ist: Viele Gewerkschaftsbünde und auch der EGB selbst schauen immer wieder mit großem Respekt auf den 70 Jahre alten ÖGB. Immerhin ist er bis heute eine schlagkräftige und geeinte Gewerkschaftsbewegung, die – gemeinsam mit der Arbeiterkammer – über einen politischen Einfluss verfügt wie kaum eine Gewerkschaft in einem anderen Land. Die erfolgreiche Kampagne für eine Steuerreform hat dies wieder einmal bewiesen. Von diesem Einfluss können die ArbeitnehmerInnen in vielen Ländern nur träumen, wo sich die Gewerkschaften seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise häufig gegen zunehmende Angriffe auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen wehren müssen. Und schließlich ist es der EGB selbst, der derzeit seine Rolle in einer EU sucht, die durch konservativ-liberale Regierungen geprägt ist und in der Entscheidungen häufig an den Sozialpartnern vorbei getroffen werden.

EGB sucht seine Rolle

Der EGB wird vom 29. September bis 2. Oktober seinen 13. Kongress in Paris abhalten. Neuer Generalsekretär soll der Italiener Luca Visentini werden, der seit 2011 dem EGB-Sekretariat als politischer Sekretär angehört. In einer Teamlösung soll Visentini den EGB gemeinsam mit seinen StellvertreterInnen Peter Scherrer (Deutschland) und Veronica Nilsson (Schweden) führen. Ebenso intensiv wird derzeit über die künftige Rolle des EGB diskutiert. Soll er weiter den Anspruch erheben, sich mit möglichst allen Themen zu befassen, die für ArbeitnehmerInnen relevant sind? Oder soll er sich schwerpunktmäßig auf einige Kernthemen konzentrieren, die gemeinsam auf europäischer Ebene vertreten werden können? Welche Instrumente soll der EGB nutzen: Demonstrationen und europaweite Aktionstage, Kampagnen? Oder soll er sich auf die Interessenvertretung (das „Lobbying“) gegenüber den Institutionen beschränken?
Aus Sicht des ÖGB wäre es jedenfalls wünschenswert, dass der EGB gegenüber den EU-Institutionen zu einem größeren Machtfaktor wird, an dem man nicht einfach „vorbeiregieren“ kann. Dazu wäre aber eine Stärkung des EGB notwendig, die nur durch seine Mitgliedsbünde erfolgen kann. Der EGB sollte auch durch Gewerkschaftsvorsitzende aus den Mitgliedstaaten repräsentiert werden, die gegenüber der Kommission oder dem Parlament auftreten. Das Ziel muss eine echte europäische Sozialpartnerschaft sein, in der die europäischen Sozialpartner eng in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Leider sind wir von diesem Ziel noch weit entfernt: Obwohl die neue Kommission kürzlich einen „Neustart“ für den Sozialen Dialog angekündigt hat, lässt die Praxis häufig zu wünschen übrig.

Zunehmende soziale Unterschiede

Eine weitere Hürde für gemeinsame politische Ziele, für die der EGB in der EU kämpfen könnte, sind die zunehmenden wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Gemeinsame „soziale Mindeststandards“ galten einst als bestes Instrument gegen einen Wettlauf um die niedrigsten Standards im Binnenmarkt. Sie sind aber immer schwerer auf einem ambitionierten Niveau durchsetzbar in einer EU, die von Bulgarien bis Schweden reicht – noch dazu in einer EU, deren nationaler Mindestlohn von kaum mehr als 1(!) Euro pro Stunde in Bulgarien bis über 11 Euro in Luxemburg reicht. Niemand sollte deshalb erwarten, dass der EGB mit seinen begrenzten Ressourcen in absehbarer Zeit eine Art gemeinsame Sozialunion durchsetzen kann. Die wichtigste Aufgabe des EGB bleibt weiterhin, ein einheitliches und solidarisches Handeln der europäischen Gewerkschaften zu gewährleisten, gerade in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit und sozialen Verwerfungen in einigen Mitgliedstaaten. Die 1973 erreichte Geschlossenheit der europäischen Gewerkschaftsbewegung innerhalb des EGB muss weiter gesichert werden.

Gleicher Stellenwert für Soziales

Politisch sollte der EGB sich in den nächsten Jahren auf einige wichtige Kernthemen und Ziele konzentrieren, die national nicht zu erreichen sind. Hierzu gehört an allererster Stelle der Kampf gegen grenzüberschreitendes Lohn- und Sozialdumping.
Gerade Österreich zeigt, dass flächendeckende Kollektivverträge und ein Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping viel bewirken können, aber häufig an den nationalen Grenzen haltmachen müssen. Hier ist die EU gefordert, damit nationale soziale Standards endlich auch gegenüber ausländischen Unternehmen durchgesetzt werden können. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ darf nicht länger nur auf dem Papier stehen, sondern muss auch in der Praxis garantiert werden, zum Beispiel durch eine Verschärfung der Entsenderichtlinie.

Sozialprotokoll durchsetzen

Mittelfristig geht an einer Änderung der EU-Verträge kein Weg vorbei: In einem Sozialprotokoll muss festgeschrieben werden, dass die sozialen Grundrechte den wirtschaftlichen Marktfreiheiten im Binnenmarkt nicht länger untergeordnet werden dürfen.
Erst kürzlich haben ÖGB, DGB und der schwedische Gewerkschaftsbund LO eine gemeinsame Initiative mit den sozialdemokratischen Parteien ihrer Länder gestartet, um konkrete Schritte auf diesem Weg zu vereinbaren. Auch diese Initiative wird aber am Ende nur dann erfolgreich sein, wenn sie vom EGB und allen europäischen Gewerkschaften gemeinsam getragen wird.

Internet:
ÖGB Europabüro:
www.oegb-eu.at
Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB):
www.etuc.org

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