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Der "Architekt" der Steuerpolitik des "Roten Wien" war Finanzstadtrat Hugo Breitner, einer der Gründer der Freien Gewerkschaft der Bankangestellten. Die Opposition machte ihn zu ihrer bevorzugten Zielscheibe, antisemitische Untergriffe inklusive. Der "Architekt" der Steuerpolitik des "Roten Wien" war Finanzstadtrat Hugo Breitner, einer der Gründer der Freien Gewerkschaft der Bankangestellten. Die Opposition machte ihn zu ihrer bevorzugten Zielscheibe, antisemitische Untergriffe inklusive.

Das Kontrastprogramm

Historie

Die Steuerpolitik des "Roten Wien" stellte der Sparpolitik der Bundesregierungen das Konzept einer "sozialen Demokratie" entgegen.

Nach 1920 schrammte die junge österreichische Republik knapp an einem Staatsbankrott vorbei. Er konnte durch die Garantie des Vereinigten Königreichs, Frankreichs, Italiens und der Tschechoslowakei für eine österreichische Anleihe abgewendet werden, aber der Preis war hoch. Österreich musste innerhalb von zwei Jahren ein ausgeglichenes Budget erreichen, und zwar ausschließlich durch Kürzung der Staatsausgaben, und rechtskonservative Regierungen spielten kritiklos mit. Das Ergebnis war ein Nulldefizit bei weiterem Anstieg der Arbeitslosigkeit und eine Verarmung auch des Mittelstands.

Wien wurde ab 1920 ein eigenes Bundesland. Seine sozialdemokratische Stadtverwaltung nutzte die Chance, durch eine eigene Steuergesetzgebung ein funktionierendes Gegenmodell zur Austeritätspolitik der Bundesregierungen aufzubauen. Um die leeren Kassen der Stadt aufzufüllen und wieder handlungsfähig zu werden, benötigte man zusätzliche Steuereinnahmen und entschied sich dafür, diese hauptsächlich von den Besitzenden zu holen. Angesichts der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten gab es dazu auch keine Alternative, sollte eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit möglich werden, getragen von dem Grundsatz:

Die Gesellschaft ist gegebenenfalls auch ohne gesetzliche Vorschriften verpflichtet, allen Hilfsbedürftigen umfassende Hilfe zu gewähren.

Als stärkste Einnahmequelle erwies sich die von den Arbeitgebern gemäß der Lohnsumme eingehobene Fürsorgeabgabe und unter den Luxussteuern brachte zunächst die Luxuswarenabgabe am meisten ein, die allerdings mit Einführung der gesamtstaatlichen Warenumsatzsteuer 1923 wieder aufgegeben werde musste. Besondere Symbole für die Umverteilungspolitik von „oben“ nach „unten“ waren die Hauspersonalabgabe ab zwei HausgehilfInnen und die Abgabe auf in Luxuslokalen konsumierte Speisen und Getränke, auch wenn die daraus erzielten Einnahmen vergleichsweise geringer ausfielen. Dieses Maßnahmenpaket bewirkte, dass Wien bereits für die zweite Hälfte des Jahres 1921 einen Budgetüberschuss vorweisen konnte, und ab 1922 wurden über die Hälfte der Steuereinnahmen aus Gemeindeabgaben gedeckt. 1923 kam die Wohnbausteuer dazu, die bei allen MieterInnen – unter Rücksichtnahme auf deren finanzielle Lage – eingehoben wurde und ausschließlich der Durchführung des sozialen Wohnbauprogramms diente. 1927 folgte als Landesbeitrag zu den Notstandsaushilfen für (Langzeit-)Arbeitslose noch eine „Bierabgabe“. Wien kassierte außerdem bis 1930 überdurchschnittlich Mittel aus dem Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern.

Gezielte Destabilisierungsmaßnahmen seitens der immer mehr in Richtung „autoritärer Kurs“ marschierenden Regierungen zogen dann der Wiener Steuerpolitik den Boden unter den Füßen weg, sie konnte so ihr Gegenkonzept in der großen Wirtschaftskrise nicht mehr weiterführen und musste auch bei den Sozialausgaben den Sparstift ansetzen. Robert Danneberg, der letzte demokratisch eingesetzte Finanzstadtrat Wiens vor der Ära des Faschismus, kommentierte dazu trocken:

Der Kapitalismus kann nicht von den Rathäusern aus beseitigt werden.

Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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