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Mehr als 882.000 Unterschriften der ArbeitnehmerInnen haben sie möglich gemacht: die größte Steuerreform der Zweiten Republik. Mehr als 882.000 Unterschriften der ArbeitnehmerInnen haben sie möglich gemacht: die größte Steuerreform der Zweiten Republik.

Erfolgreich Druck gemacht

Schwerpunkt

Die Lohnsteuer-Entlastung erfolgt vor allem über den Steuertarif. Wer 2.000 Euro im Monat verdient, zahlt künftig um fast ein Drittel weniger Steuer.

Wir haben es so satt. Wir verhandeln Lohnerhöhungen nicht mehr nur für den Finanzminister.“ Mit diesen Worten ließ ÖGB-Präsident Erich Foglar Anfang April 2014 im Interview mit dem „Kurier“ aufhorchen. Ein Jahr später hat die Regierung dem Druck von Gewerkschaften und Arbeiterkammer nachgegeben und die größte Steuerreform der Zweiten Republik beschlossen. 84 Prozent des von ÖGB und AK geforderten Entlastungsvolumens werden umgesetzt und sollen ab 2016 in Kraft treten.

„Wir haben es satt“

Aber zunächst noch einmal zurück in den Frühling vor einem Jahr und zum Auslöser von Foglars Empörung: Trotz guter Kollektivvertragsabschlüsse waren die Nettolöhne laut WIFO gesunken. Einer der Gründe dafür war, dass viele ArbeitnehmerInnen durch die Lohnerhöhung in die nächsthöhere Steuerstufe gerutscht waren („kalte Progression“). Österreich war auf dem Weg in den Lohnsteuerstaat, erstmals wurde prognostiziert, dass das Einkommensteueraufkommen höher sein würde als die Einnahmen durch die Umsatzsteuer. BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen berichteten von der schlechten Stimmung in ihren Betrieben. „Wir haben es satt“: Das war der Startschuss für die „Lohnsteuer runter!“-Kampagne des ÖGB. Die AK folgte mit „Lohnsteuer senken“, über 882.000 Menschen sprachen sich schließlich per Unterschrift für eine spürbare Entlastung aus. Das konnte die Politik nicht mehr ignorieren: Hieß es zuerst lange, eine Lohnsteuer-Senkung könne man sich prinzipiell nicht leisten, und erst recht nicht jetzt, so übernahm nun die SPÖ die mittlerweile detailliert ausgearbeiteten Entlastungsforderungen von ÖGB und AK, und schließlich schwenkte auch der Regierungspartner ÖVP auf Entlastungskurs um.
Natürlich wurden die ÖGB/AK-Vorschläge nicht eins zu eins umgesetzt, aber die wesentlichen Eckpunkte hat der Ministerrat am 17. März beschlossen. Von den geforderten 5,9 Milliarden Euro, die AK und ÖGB wollten, werden mit 5 Milliarden Euro immerhin 84 Prozent der Forderung erfüllt. „Damit wird Arbeit endlich entlastet, den Menschen bleibt mehr Geld im Börsel“, freut sich AK-Präsident Rudi Kaske. „Das ist ein Erfolg der Gewerkschaftsbewegung, und darauf können wir zu Recht stolz sein.“

Tarif als Kernstück

Kernstück der Reform ist der Tarif: Niedrigere Steuersätze werden die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen (sowie auch die Selbstständigen, denn für sie gelten dieselben Steuersätze) entlasten. Unverändert bleibt, dass die ersten 11.000 Euro Jahreseinkommen steuerfrei sind. Für den darüber liegenden Teil des Lohns gilt derzeit der Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent. ÖGB und AK haben die Absenkung auf 25 Prozent gefordert, und so soll es nun auch kommen. Das bedeutet eine Entlastung niedriger Einkommen und ist außerdem ein Anreiz, von Teilzeit- zu Vollzeitarbeit zu wechseln, weil dann vom Mehrverdienst drei Viertel überbleiben statt nicht einmal zwei Drittel.
Derzeit gibt es nur drei Steuerstufen: 36,5 Prozent, 43,2 Prozent, 50 Prozent. Künftig werden es, wie von ÖGB und AK gefordert, sechs Stufen sein. „Das macht den Verlauf gleichmäßiger und gerechter“, sagt Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, „und es mildert die Auswirkungen der kalten Progression etwas ab.“

Gerechtere Steuersätze

Die Steuersätze gelten nicht für das gesamte Einkommen, sondern immer nur für bestimmte Einkommensteile. Künftig wird Einkommen zwischen 11.000 und 18.000 Euro mit 25 Prozent besteuert, für den Einkommensteil zwischen 18.000 und 31.000 Euro gelten 35 Prozent, bis 60.000 Euro 42 Prozent, bis 90.000 Euro 48 Prozent. Der bisherige Höchststeuersatz gilt nur für Einkommensbestandteile über 90.000 Euro. Zusätzlich wird befristet ein neuer Steuersatz von 55 Prozent für Menschen mit mehr als einer Million Euro Jahreseinkommen eingeführt.
Falls diese jetzt zu jammern beginnen sollten, dass ihnen das Finanzamt mehr als die Hälfte ihres Einkommens abknöpft: Das ist schlicht falsch, denn die 55 Prozent gelten nur für den Teil des Einkommens, der über der Millionengrenze liegt. Für die ersten 11.000 Euro, die sie im Jahr verdienen, zahlen auch sie keine Lohnsteuer.
90 Prozent des Entlastungsvolumens kommt Menschen mit niedrigeren und mittleren Einkommen zugute, also denjenigen, die bis zur Höchstbeitragsgrundlage verdienen. Diese liegt im Jahr 2015 bei 4.650 Euro im Monat. Wer 2.100 Euro verdient, dem oder der bleiben pro Jahr 900 Euro mehr, die Lohnsteuer sinkt um fast ein Drittel. Die relative Entlastung, also gerechnet in Prozent des Einkommens, ist bei den mittleren Einkommen am höchsten. In absoluten Beträgen steigt die Entlastung aber mit dem Einkommen. Bei den niedrigen Einkommen ist die prozentuelle Senkung der zu bezahlenden Lohnsteuer am höchsten. Wer zu wenig verdient, um lohnsteuerpflichtig zu sein, profitiert von der sogenannten Negativsteuer, die von 110 auf bis zu 400 Euro erhöht wird. Sie soll künftig automatisch ausgezahlt werden. Bisher musste sie über die ArbeitnehmerInnenveranlagung beantragt werden, was sehr viele nicht gemacht haben. Auch PensionistInnen erhalten erstmals eine Negativsteuer in der Höhe von 110 Euro. Noch offen ist und wird von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzestextes abhängen: inwieweit Lehrlinge von der Negativsteuer profitieren.

Entlastung der Familien

Weitere Verbesserungen gibt es für Familien, denn der steuerliche Kinderfreibetrag wird von 220 auf 440 Euro pro Jahr erhöht, und für PendlerInnen mit niedrigen Einkommen (der Pendlerzuschlag wurde erhöht).
Nun versuchen manche, die Entlastung schlechtzureden, indem sie sagen, dass sich die Menschen ihre Entlastung selbst bezahlen müssen. Als Beispiel führen sie an, dass die Mehrwertsteuer ja nun steigen wird. Tatsache ist aber, dass der allgemeine Mehrwertsteuersatz unverändert bei 20 Prozent bleibt, und auch der ermäßigte Satz von zehn Prozent auf Lebensmittel, Mieten und Medikamente bleibt, wie er ist. Nur auf einige Produkte wie Tierfutter, Kinokarten und Hotelübernachtungen werden künftig 13 statt zehn Prozent fällig. Die Mehrkosten, die das für durchschnittliche ArbeitnehmerInnen verursacht, werden bei Weitem nicht die Lohnsteuer-Entlastung wieder auffressen. Ein Beispiel: Einer Angestellten, die im Monat 1.900 Euro brutto verdient, bleibt durch die Lohnsteuerreform eine jährliche Ersparnis von 867 Euro. Bei Hundefutter wird es pro Jahr und Hund zu Mehrkosten von 12,27 Euro kommen.

Finanzierung nicht aus eigener Tasche

Auch die geplante Höherbesteuerung von privat genutzten Firmenautos gilt nur bei großem CO2-Ausstoß – die in Branchen wie der Heimpflege üblichen Wägen wie Golf oder Skoda Octavia sind nicht betroffen. Bei der reformierten Grunderwerbsteuer, die sich nach dem Verkehrs- statt dem Einheitswert richten wird, werden zwar manche mehr zahlen müssen, andere aber deutlich weniger. Letzteres gilt vor allem für Menschen, die Häuser oder Grundstücke in „schlechterer“ Lage mit niedrigen Grundstückspreisen erben. Achitz: „Bei der Gegenfinanzierung hat der ÖGB vor allem eines gefordert: dass sich die ArbeitnehmerInnen ihre Entlastung nicht selbst zahlen werden. Das hat die Regierung auch entsprechend beschlossen. Wir werden aber natürlich bei der Umsetzung im Parlament genau beobachten, dass es dabei bleibt.“
Natürlich hätten sich AK und ÖGB gewünscht, dass ein größerer Teil der Gegenfinanzierung über Beiträge der Millionäre hereingeholt wird. Zwar hat die Regierung vorgesehen, dass Spekulanten über höhere Dividenden- und Immobilienspekulationssteuern zur Kasse gebeten werden und dass Steuersünder besser verfolgt werden können, Stichwort Registrierkassenpflicht und Bankgeheimnis. Um eine echte Besteuerung von Millionenvermögen sowie großen Erbschaften und Schenkungen macht die Regierung aber einen großen Bogen.
„Diese Forderungen sind damit aber sicher nicht vom Tisch. Die Lohnsteuer-Entlastung ist offensichtlich auch ohne Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer finanzierbar. Aber wir werden sie trotzdem brauchen, um den Sozialstaat künftig abzusichern“, hält Achitz fest: „Der ÖGB fordert zum Beispiel, dass die Pflege und Betreuung über Erbschaftssteuern finanziert werden soll.“ Aus Gerechtigkeitsgründen sind diese Steuern sowieso notwendig.

Internet:
Weitere Infos finden Sie unter:
www.oegb.at/lohnsteuerrunter
www.arbeiterkammer.at/lohnsteuersenken

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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