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Symbolbild zum Bericht Weniger Ungleichheit führt zu mehr Wohlstand. Eine breite gesellschaftliche Mitte, wie sie in der Vorstellung der Gesellschaft als Zwiebel formuliert wird, hat vielfach gute Seiten und sie rechnet sich auch.

Kein Wohlstand ohne Mitte

Schwerpunkt

Geht’s uns allen gut, geht’s der Wirtschaft gut! Warum Wohlstand einer breiten gesellschaftlichen Mitte bedarf.

In den entwickelten Industriestaaten waren die Einkommensunterschiede in den letzten 30 Jahren nie höher als heute. Das besagt die jüngst erschienene OECD-Studie „In It Together“ über die Entwicklung der Einkommensverteilung in den westlichen Industriestaaten. Dabei darf nicht vergessen werden, dass Jahre einer tief greifenden Finanz- und Wirtschaftskrise hinter vielen Wirtschaftsnationen liegen, deren Folgen eigentlich so dargestellt wurden: Viel finanzieller Reichtum wurde an den Börsen vernichtet und die Bonus-Systeme der Manager begrenzt.

Keine Krise bei den Reichsten

Von Krise aber kann bei den reichsten zehn Prozent nicht unbedingt die Rede sein: Sie verdienen aktuell jährlich fast zehnmal so viel wie die ärmsten zehn Prozent. Anfang der 1980er-Jahre lag das Verhältnis laut OECD noch bei sieben zu eins. An oberster Stelle der Entwicklung steht die Entlohnung der Manager der USA. Ein Manager-Einkommen ist dort rund 300-mal so hoch wie ein durchschnittliches Unselbstständigen-Einkommen, wie das gewerkschaftsnahe Economic Policy Institute (EPI) festgestellt hat. Der Abstand hat sich seit Ende der 1970er-Jahre verzehnfacht. Für Österreich stellt die AK ein Verhältnis von 47:1 zwischen einem Vorstand eines im ATX notierten Unternehmens und einem österreichischen Durchschnittseinkommen fest. Das Niveau der Manager-Einkommen wurde durch die Krise kaum beeinflusst.

In der Mitte angelangt

Dass die Schere weiter aufgegangen ist, hat nicht nur damit zu tun, dass die Top-Einkommen und Vermögen weiter ansteigen. Vielmehr nimmt die Spaltung in der Gesellschaft insgesamt zu. Vor allem die untersten 40 Prozent in der Verteilung, also mehr als ein Drittel, sind laut OECD in den letzten Jahren zurückgefallen, was zunehmend soziale und politische Fragen aufwirft. Denn damit sind es nicht nur „ soziale Randgruppen“, die nicht mehr am Zuwachs des ökonomischen Wohlstands teilnehmen. Vielmehr ist dieses Phänomen bereits in der Mitte der Gesellschaft angelangt.
Wem nützt denn diese Entwicklung? Nicht einmal der Volkswirtschaft selbst, meint die OECD-Studie „In It Together“. Solche sozialen Schieflagen sind selbst für die Ökonomie nachteilig, wie der Bericht vorrechnet. Es ist bemerkenswert, wenn die OECD, eine Organisation, die gegründet wurde, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, zunehmende Ungleichheit kritisiert. Denn eine Lesart von zunehmender Ungleichheit ist, dass es einen sogenannten „Trickle-down-Effekt“ gebe. Wie beim Duschen werden die Menschen damit von oben bis unten nass – bzw. wohlhabender. Tatsache ist aber, dass sich der Zuwachs des Wohlstandes bei den obersten Einkommen und Vermögen konzentriert hat und wenig nach unten gesickert ist. Daraus resultiert eine starke Spaltung der Gesellschaft. Die OECD geht davon aus, dass der Anstieg tief in den ökonomischen Strukturen verhaftet ist und es deshalb auch schwer sein wird, den Trend umzukehren. Denn mehr als die Hälfte der in den westlichen Industrienationen geschaffenen Arbeitsplätze seit 1995 sind atypische Beschäftigungsverhältnisse. Dieser Trend hat sich mit der Krise verschärft. Seit 2007 sind in den OECD-Staaten insgesamt die Standardarbeitsverhältnisse gesunken, einen kleinen Beschäftigungszuwachs gab es in Summe bei den Atypischen.

Mehr Nachteile statt Flexibilität

Welche Charakteristika haben nun diese Arbeitsverhältnisse? Die gute Nachricht: Sie sind nicht zwangsläufig schlechte Jobs. Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse sind manchmal durchaus gewünschte Arbeitsformen, um die Work-Life-Balance zu verbessern. Die schlechte Nachricht: Diese Beschäftigungsformen sind in der Regel in einigen Aspekten gegenüber den durchgängigen Normalarbeitsverhältnissen schlechtergestellt. So verdienen gerade bei den schlecht bezahlten Jobs eben die Atypischen noch 20 Prozent weniger als bei vergleichbaren Standardjobs. Sie sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eines Jobverlusts konfrontiert, bekommen weniger Weiterbildung und leiden unter signifikant höherem Arbeitsdruck.
Die gewünschte Flexibilität am Arbeitsmarkt, die als Anforderung für ein erfolgreiches Wirtschaften gilt, bedeutet oft Prekarisierung und nicht ökonomische Sicherheit. Die atypischen, nicht stabilen Beschäftigungsverhältnisse befördern ein Auseinandergehen der Einkommensschere. Und es zeigt sich auch, dass sich die Hoffnung, dass atypische Verträge schlussendlich zu stabileren und damit besser bezahlten Anstellungen führen, nur in ganz bestimmten Fällen bewahrheitet. Hier hängt es vor allem von der Art der Arbeit, von den Qualifikationen und anderen sozialen Merkmalen des Arbeitssuchenden und den Arbeitsmarktinstitutionen ab, ob das gelingen kann. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die Einkommensstatistiken zeigen: Gerade den Jungen gelingt es immer schwerer, solche stabilen Jobs zu erlangen.

Gesamtwirtschaftlicher Schaden

Wenn sich die Gesellschaft gerade auseinanderdividiert, warum behauptet dann die Studie, wir säßen alle in einem Boot? Die Zunahme der Ungleichheit hat der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geschadet, konstatiert die OECD. Denn der Anstieg der Ungleichheit im OECD-Raum seit den 1980er-Jahren war langfristig mit einem Verlust von fast fünf Prozentpunkten BIP-Wachstum verbunden. Das Wachstum wäre also in vielen Staaten höher, wenn die Ungleichheit nicht gestiegen wäre. Der berechnete Effekt ist das Resultat des Einkommensverlustes der unteren 40 Prozent, wohlgemerkt.
Die OECD zieht daraus die Konsequenz: Weniger Ungleichheit führt zu mehr Wohlstand. Eine breite gesellschaftliche Mitte hat vielfach gute Seiten. Aber sie rechnet sich auch. Frei nach dem Motto: Geht’s uns allen gut, geht’s der Wirtschaft gut!

Trend zu Ungleichheit stoppen

Deshalb braucht es dringend eine Reihe von Maßnahmen, die dazu beitragen, den Trend zu mehr Ungleichheit zu stoppen. So bremsen eine höhere Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und die Verringerung von Lohnunterschieden den Trend zu mehr Ungleichheit. Dazu ist es auch wichtig, dass sich die bezahlten Arbeitsstunden von Frauen erhöhen, um eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen zu ermöglichen.
Die Förderung von Beschäftigungsmöglichkeiten und die Verbesserung der Arbeitsplatzqualität – Maßnahmen für mehr und bessere Jobs – sind notwendig, um die Einkommenschancen, speziell der einkommensschwachen Gruppen, zu verbessern. Investitionen in Aus- und Weiterbildung schaffen das Potenzial für eine langfristig positive Entwicklung einer Volkswirtschaft. Bereits in den ersten Lebensjahren wird ein Grundstein dafür gelegt.
Und last, but not least: Die Verbesserung bestehender Steuer-Transfer-Systeme und eine effiziente Umverteilung helfen die sozialen Risiken abzufedern, denen sich Menschen in der Krise zunehmend gegenübersehen. Zugleich verlangen sie denjenigen einen Beitrag ab, die von immer noch steigendem Wohlstand stärker profitieren als andere. Bisher verteilen die Wohlfahrtsstaaten hauptsächlich über die Ausgabenseite, über Sozialleistungen, öffentliche Infrastruktur und eine allgemeine Absicherung gegen Krankheit und im Alter um. Die Staatseinnahmenseite hingegen hat kaum umverteilende Wirkung. Vermögensbezogene Steuern helfen, die Chancengleichheit in der Gesellschaft zu erhöhen, und bilden deshalb einen wichtigen Baustein. Ein zentraler Schlüssel zu mehr Steuergerechtigkeit ist aber auch, die Steuervorteile und Steuerschlupflöcher von großen Unternehmen und Reichen im In- und Ausland abzustellen. Steuern sollen dort gezahlt werden, wo Gewinne erwirtschaftet werden, Privilegien abgeschafft werden. Dies ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Prinzip.

Kein Rechenstift nötig

Weniger Ungleichheit hilft gesamtgesellschaftlich und wirtschaftlich schlussendlich allen. Es braucht keinen Rechenstift, um das zu wissen. Aber man kann es auch rechnen, um zu zeigen, dass damit auch die Rechnung für den ganz überwiegenden Teil stimmt.

Internet:
OECD-Studie „In It Together: Why Less Inequality Benefits All“:
tinyurl.com/ppovctc

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