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Neues aus der SOZAK
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Die gläsernen MitarbeiterInnen

Neues aus der SOZAK

Digitale Überwachung in Unternehmen führt oft zu Datenmissbrauch. BetriebsrätInnen können dagegen vorgehen.

Die amerikanische Bank JP Morgan versucht seine Angestellten in Schach zu halten, indem ein bestimmter Algorithmus ein Fehlverhalten der Banker vorzeitig erkennen und somit Fehlspekulationen und Manipulationen verhindern soll.
Ein Mitarbeiter der Firma Sports Direct wurde nicht nur von einem Detektiv verfolgt, an seinem Auto wurde ein GPS-Sender angebracht. Nach seinem Krankenstand wurde er fristlos entlassen.
Lidl löste im Jahr 2008 einen großen Skandal aus, als bekannt wurde, dass das Unternehmen seine MitarbeiterInnen mit Überwachungskameras kontrolliert. Lidl ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das seine Angestellten bespitzelt – Kameras in Geschäften und Supermärkten sind oft nicht ausschließlich auf die KundInnen gerichtet. In Zeiten, in denen die Menschen selbst (zu) viel von sich im Internet preisgeben und zugleich die Überwachung im öffentlichen Raum kontinuierlich steigt, stellt sich die Frage, wie viel der Arbeitgeber in die Privatsphäre seiner MitarbeiterInnen eingreifen darf. Bei einer Protokollierung und Speicherung von Daten kann unsachgemäßer Umgang oder Missbrauch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellen. Mit dem extrem schnellen Fortschritt der Technik bieten sich auch immer vielfältigere Möglichkeiten, Angestellte zu kontrollieren.

Vertrauen oder Kontrolle
Obwohl es heißt: „Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten“, agieren Unternehmen eher nach „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Daher sind die BetriebsrätInnen ganz besonders gefragt, die ArbeitnehmerInnen zu schützen. Mit diesem sensiblen Thema haben sich im Rahmen ihrer SOZAK-Abschlussarbeit die Belegschaftsvertreter Mario Ferrari, Erol Holawatsch, Georg Steinbock sowie Sean Patrick Stanton beschäftigt. Bei ihrer Arbeit handelt es sich um ein Kooperationsprojekt der gewerkschaftspolitischen Lehrgänge der Europäischen Akademie der Arbeit (EAdA) in Frankfurt am Main und der österreichischen Sozialakademie. Das Ergebnis der Kooperation ist eine Broschüre, die als Gemeinschaftswerk herausgegeben wurde. Die Broschüre ist weniger eine wissenschaftliche Studie als der Versuch einer Sensibilisierung der LeserInnen für die Bedeutung des Einsatzes technischer Überwachungsmittel in der Arbeitswelt und deren Missbrauchsmöglichkeiten. Es ist auch ein Leitfaden von BetriebsrätInnen für BetriebsrätInnen in Österreich und Deutschland, der nicht nur über die rechtlichen Rahmenbedingungen aufklärt, sondern auch Hintergrundinformationen und Unterstützungsmöglichkeiten bietet.

Es gibt viele Gründe, warum Unternehmen auf Zutrittskontrollen, Videoüberwachung und Softwareüberprüfung setzen, der Überwachungsgedanke steht dabei allerdings nicht immer im Fokus. Der Hauptgrund für die Installation von digitalen Überwachungsinstrumenten ist die Bewahrung des Unternehmens und des sich darin befindlichen Eigentums – angefangen von Werkzeug und Maschine bis hin zu unternehmensinternen Informationen und Zahlen – vor fremdem Zutritt, Wirtschaftsspionage und Diebstahl, aber auch die Sicherheit der MitarbeiterInnen. Eine Videokamera auf Verkaufsflächen in Geschäften ist ohnehin fast schon Usus, um vor Diebstahl abzuschrecken oder diesen rechtzeitig zu erkennen. Viele Unternehmen, wie die Großbank JP Morgan, verwenden auch IT-Software, um firmeneigene Hardware und Programme vor fremden Zugriffen zu schützen. Diese Methoden bieten allerdings auch die Möglichkeit, die MitarbeiterInnen in Echtzeit zu kontrollieren und auf ihre Laufwerke und Mails zuzugreifen.
Oft werden Qualitätssicherung und Prozessoptimierung als Gründe genannt, um digitale Überwachung im Betrieb einzusetzen. Beides ist gerechtfertigt, jedoch müssen natürlich die Motive hinterfragt werden und die Begründungen nachvollziehbar sein. Bei einer Prozessoptimierung kann es sich einerseits um MitarbeiterInnenabbau handeln. Andererseits kann es tatsächlich darum gehen, bestimmte Prozesse zu optimieren, um Ressourcen anderweitig einzusetzen.

Vorsicht, Überwachung!
Vorsicht für BetriebsrätInnen ist bei einer versprochenen „Bedienungserleichterung“ geboten. Bei der Einführung von neuen technischen Systemen, sei es bei Handys, PCs oder anderen elektronischen Geräten, sollte immer ein Fachmann oder eine Fachfrau zurate gezogen werden, der/die Informationen im Hinblick auf potenzielle Überwachungsmöglichkeiten geben kann. Auch wenn die neuesten und innovativsten Geräte angeschafft werden – MitarbeiterInnen schätzen es, wenn sie mit der aktuellsten Technik ausgestattet werden –, sollten die BetriebsrätInnen überprüfen, in welchem Maß diese neuen Arbeitsmittel die Grenzen zur Privatsphäre der ArbeitnehmerInnen überschreiten könnten. So sind die meisten Smartphones mit einem GPS (Global Positioning System) ausgestattet, das eine Lokalisierung der Person ermöglicht sowie die Kontrolle ihrer Bewegungen. Meist vorgeschobene Gründe für die Installation von Videokameras und Überwachungssoftware sind Aussagen wie „Der Markt zwingt uns dazu“ und dass dies die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs steigern würde. Hier gilt es besonders, die Motive zu hinterfragen, ob die Anschaffung von digitalen Überwachungsgeräten tatsächlich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verbessern würde.

Betriebs-„Leaks“
Die am häufigsten genutzte – und von den ArbeitnehmerInnen am meisten tolerierte – Überwachsungstechnik ist Audio- bzw. Videoüberwachung, um den Betrieb gegen Diebstahl oder bestimmte Räume zu schützen. Trotz allem werden hier oft Grenzen überschritten und beispielsweise durch Installation von Videoüberwachung in den Sozialräumen oder Toiletten die persönlichen Rechte oder gar die Menschenwürde verletzt. Häufig wird dabei auch die Arbeitstätigkeit einzelner Angestellter überwacht, um damit einen späteren Personalabbau zu rechtfertigen.
Auf Chipkarten, die MitarbeiterInnen beispielsweise zur Türöffnung verwenden, werden Daten zentral gespeichert, wodurch die einzelnen Bewegungen der Angestellten beobachtet werden können. Kommunikationssoftware kann – je nach Konfiguration – alle Chatverläufe und Bewegungen speichern. Auch Arbeitsbeginn und -ende können über den Server ermittelt werden, E-Mails, Eingaben in Suchmaschinen, sogar ganze Einkäufe bei Amazon können ebenfalls aufgezeichnet, protokolliert und überwacht werden. Obwohl viele Unternehmen die private Nutzung von Dienstlaptops und -handys erlauben, sollten MitarbeiterInnen sich bewusst sein, dass auch diese überwacht werden und der Arbeitgeber die abgerufenen Homepages und getätigten Anrufe überprüfen kann.

Die größte Datenschutzfalle stellt jedoch das Personalverrechnungssystem dar, in dem alle relevanten Daten der MitarbeiterInnen, angefangen von Name und Geburtstag bis hin zur Bankverbindung und der Höhe des Gehalts, gespeichert werden. Das meistgenutzte Personalverrechnungssystem, vom Unternehmen SAP entwickelt, ermöglicht AdministratorInnen und UserInnen mit entsprechender Zugangsberechtigung Zugriff auf alle Informationen der Belegschaft.
Die gesetzliche Verpflichtung zu einer Betriebsvereinbarung in der Arbeitsverfassung ArbVG §§ 96 u. 96a bzw. BVG § 87 ist das wichtigste Instrument zum Datenschutz in Unternehmen. Jeder Betrieb hat seine Besonderheiten, Eigenheiten und unterschiedlichste Richtlinien. Daher wird eine möglichst präzise und genau definierte Betriebsvereinbarung empfohlen, um Datenschutz auf höchster Ebene zu garantieren und damit nicht nur das Unternehmen, sondern auch die MitarbeiterInnen zu schützen. Die Herausforderung für BetriebsrätInnen ist eben, diese unternehmenseigenen Besonderheiten zu berücksichtigen. Ohne eine solche Betriebsvereinbarung ist die Verwendung solcher Systeme wie Kommunikationssoftware etc. untersagt. Trotzdem ist nicht garantiert, dass es Fälle von Datenmissbrauch in Betrieben nicht immer wieder vor die Gerichte und als Schlagzeilen in die Medien schaffen.

Linktipp:
Die Broschüren zum Download
tinyurl.com/ouayyjs

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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