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Plakat aus dem Jahr 1953 Dieses Plakat aus dem Jahr 1953 informiert über die Bedeutung der Gewerkschaften beim Durchsetzen des Rechts auf Urlaub. Auslandsaufenthalte sind Zukunftsmusik, aber die Familie kann gemeinsam "in der Wiese liegen und die Seele baumeln lassen".

Die Licht- und Lufthungrigen

Historie

Vor 60 Jahren begannen die Gewerkschaften, gesunde Freizeit als Medizin gegen den zunehmenden Stress in der Produktion zu propagieren.

Diktatur, Faschismus und Krieg hatten die zuvor erkämpften Arbeitszeitregelungen außer Kraft gesetzt. Im Jahr 1945 galt der Elfstundentag, der Achtstundentag musste von den Gewerkschaften wieder neu erkämpft werden. 1950 war das Ziel erreicht: Der Achtstundentag war wieder in den Kollektivverträgen verankert, allerdings noch nicht im Gesetz. Ab 1946 gab es wieder einen gesetzlichen Urlaubsanspruch für ArbeiterInnen, ohne die gewerkschaftlichen KV-Verhandlungen hätte er aber vielfach nur auf dem Papier gestanden. Das war die Situation, die das Fachblatt „Der Lebensmittelarbeiter“ 1955 in einem Beitrag über das Freizeitverhalten einen „bescheidenen Platz an der Sonne“ nannte. Dieser Beitrag ist, abgesehen von der witzigen Schleichwerbung für die Fleischerbranche, noch aus einem anderen Grund spannend: Er verweist auf die zunehmende Anforderung an Konzentration und Aufmerksamkeit durch die Industrialisierung der Produktion und die damit verbundene Zunahme von Stress. Deshalb fordert die Gewerkschaft für die ArbeiterInnen das Recht auf „entschleunigte Stunden“ ein – anders als für die „Begüterten“ war es für sie keine Option, zur Entspannung mit einem Auto durch die Landschaft zu rasen.

In dem Ausmaß, in dem sich die Arbeiter einen vorläufig noch bescheidenen Platz an der Sonne erkämpft haben, sind ihre Lebensgewohnheiten anders geworden. Die Freizeit wird nicht mehr wie früher in rauschgeschwängerten Kneipen verbracht, sondern der Großteil der licht- und lufthungrigen, die ganze Woche angestrengt schaffenden Arbeiter strömt hinaus in die freie Natur. Ausflüge, Wanderungen oder Campingfahrten sind zur Selbstverständlichkeit geworden. Neben anderen Problemen, die dabei zu lösen sind, spielt der Proviant eine wichtige Rolle, muss er doch, je nach Jahreszeit, Hitze oder Kälte gut überstehen und trotzdem schmackhaft sein.

Die Fleischerbetriebe haben … ihre Produktion entsprechend eingestellt. Viele Arten von Dauerwürsten … werden in erstklassiger Qualität angeboten … Die Herstellung solcher Dauerwaren erfordert besondere Gewissenhaftigkeit, Genauigkeit und Sorgfalt … Da Dauerwurst vielfach einen Reifeprozess durchmachen muss, ist ständiges Überprüfen und Beobachten notwendig, das an das Fachwissen der damit betrauten Fleischarbeiter genauso hohe Anforderungen stellt wie an jene, die bei der Vorbereitung oder an den Maschinen beschäftigt sind.

Neben Firmen, die sich ausschließlich mit der Erzeugung von Dauerwaren befassen, haben auch viele andere Fleischerbetriebe diese Produktion aufgenommen. Der gut organisierte Vertrieb ermöglicht es den Ausflüglern, sich in jedem beliebigen Lebensmittelgeschäft mit Reise- und Ausflugsproviant einzudecken.

So tragen auch unsere Fleischarbeiter dazu bei, dass die Freude an Luft, Licht und Sonne, an Wald und Flur nicht nur ein Privileg der in Autos dahinrasenden und in teuren Restaurants speisenden Begüterten ist, sondern auch die Werte schaffenden Arbeiter daran teilhaben können.
Bleibt nur zu wünschen, dass auch die Fleischarbeiter Verständnis finden, wenn sie sich gegen jene Gruppe von Meistern wehren, die sie … daran hindern, sich ebenfalls der freien Natur zu erfreuen.
 

Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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