topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Symbolbild zum Bericht: Liebling zwischen Schein und Sein Die Lehre gilt als Erfolgsmodell. Fragt man die Lehrlinge selbst, fällt das Urteil eher mäßig aus.

Liebling zwischen Schein und Sein

Schwerpunkt

International avanciert das heimische Ausbildungsmodell zum Exportschlager, während hierzulande immer weniger Junge eine Lehre anstreben. Was ist da los?

Etwa 40 Prozent der Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren absolvieren in Österreich eine Lehre und tragen damit wesentlich zur Deckung des Fachkräftebedarfs bei. Das Ausbildungssystem steht jedoch zunehmend strukturellen Herausforderungen gegenüber. Die demografische Entwicklung und die massiven Qualitätsunterschiede der Lehrlingsausbildung auf Branchen- und Betriebsebene machen es immer schwerer, die Lehre als attraktive Ausbildungsform zu vermitteln. Angesichts des schlechten Images der Lehre und der teils mangelhaften Rahmenbedingungen entscheiden sich immer mehr Jugendliche lieber für vollschulische Ausbildungswege.
Doch neben dem Image der Lehre und der Qualitätsdimension spielt auch die quantitative Verfügbarkeit attraktiver Ausbildungsplätze eine wichtige Rolle. So hat sich die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe deutlich verringert. Die Zahl der Lehrstellen in den Betrieben geht trotz Förderungen zurück. Waren es Anfang der 1980er-Jahre noch über 190.000 Lehrlinge, die in den Betrieben ausgebildet wurden, so sind es derzeit nur mehr rund 105.000.

Sinkende Zahlen

Vor allem seit Einsetzen der Krise im Jahr 2008 ist die Zahl der betrieblichen Lehrstellen rückläufig. Allein zwischen den Jahren 2009 und 2014 ging die Anzahl der Lehrlinge in den Betrieben um knapp 20.000 zurück, statt einst 124.256 gab es im Vorjahr nur noch 105.861 betriebliche Ausbildungsplätze. Das erschwert es Jugendlichen zusätzlich, einen Ausbildungsplatz in ihrem Wunschberuf zu finden.

Die duale Ausbildung – im internationalen Vergleich von der Politik gerne als Vorzeigemodell zur Vermeidung der Jugendarbeitslosigkeit und zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses gehandelt und als großer gesellschaftlicher Beitrag der Wirtschaft gefeiert – gerät im eigenen Land zunehmend ins Hintertreffen. Das Qualifikationsniveau zukünftiger FacharbeiterInnen wird jedoch mit darüber entscheiden, wie Österreich die Herausforderungen des wirtschaftlichen Strukturwandels und des globalen Wettbewerbs meistern kann. Trotzdem gibt es nach wie vor kein System zur Sicherung der Ausbildungsqualität, wie es für andere Lernorte (z. B. Schulen) bereits existiert.

Hohe Anerkennung

Die duale Ausbildung genießt in Österreich eine hohe gesellschaftliche Anerkennung. Es herrscht ein breiter politischer Konsens darüber, dass das heimische Ausbildungsmodell mit seinem starken Fokus auf die betriebliche Praxis eine Reihe von Vorteilen mit sich bringt.
Zu den häufigsten Argumenten zählen die Integration in die Arbeitswelt, das praktische Lernen am Arbeitsplatz, der finanzielle Vorteil durch die Lehrlingsentschädigung oder der Erwerb von Beitragszeiten zur Pensionsversicherung. Vor allem von Wirtschaftsseite werden auch gerne die Verdienste der heimischen Betriebe um die FacharbeiterInnen-Ausbildung hervorgehoben. Ein wichtiges Prestigeprojekt bilden dabei etwa die internationalen Berufsweltmeisterschaften für Lehrlinge (World-Skills), die alle zwei Jahre stattfinden. Im Rahmen dieser Wettbewerbe können junge FacharbeiterInnen ihre Fähigkeiten und Talente unter Beweis stellen und sich mit BerufskollegInnen aus aller Welt messen. Auch bei den heurigen WorldSkills erzielte Österreichs Team wieder tolle Ergebnisse.

Internationale Erfolge

Diese internationalen Erfolge sind zweifelsohne bemerkenswert und eine Auszeichnung für die teilnehmenden Lehrbetriebe und FacharbeiterInnen. Sie zeigen, dass engagierte Lehrbetriebe ihre Lehrlinge dank hoher Ausbildungsqualität zu großen Leistungen führen können und wie sehr die Facharbeit von aufgeschlossenen jungen Menschen mit Einsatzfreude und Talenten profitiert.
Dennoch bleibt ein Wermutstropfen: Die WorldSkills geben Auskunft darüber, wie gut einzelne „gute Lehrbetriebe“ sind. Sie können jedoch kein flächendeckendes breites Bild vermitteln, wie es um die österreichische Ausbildungslandschaft insgesamt bestellt ist. Denn auch die Erfolge können nicht darüber hinwegtäuschen, dass rund ein Viertel aller österreichischen Lehrlinge die Lehrausbildung nicht erfolgreich abschließt, sei es, weil sie die Lehrabschlussprüfung nicht erfolgreich absolvieren, sei es, dass sie gar nicht erst antreten. Die Wirtschaft und vor allem die ausbildenden Betriebe müssen sich daher die Frage gefallen lassen, welche Anstrengungen sie unternehmen, um die Qualität der Ausbildung zu verbessern. Wer übernimmt die Verantwortung für jenes Viertel der Lehrlinge, das die Lehrabschlussprüfung nicht positiv ablegt oder trotz absolvierter Lehrzeit gar nicht erst antritt?

Qualität messen, Qualität sichern

Fragt man bei den Lehrlingen selbst nach, ergibt sich ein durchwachsenes Bild. Geht es nämlich nach den Jugendlichen, scheinen wir – trotz des Engagements vieler Betriebe – von einer flächendeckenden Ausbildungsqualität weit entfernt.
Die jüngste Lehrlingsbefragung der AK („Was tut sich bei dir im Job?“, 2014) zeigt: Weniger als die Hälfte der Lehrlinge findet, dass die Ausbildung „Freude macht und sinnvoll“ ist und dass ihre Arbeit „interessant“ ist und „Spaß macht“ (44 Prozent). Nicht einmal jede/r zweite Jugendliche hat das Gefühl, im Betrieb ernst genommen zu werden. Auffallend ist zudem, dass nur ein Viertel der Lehrlinge angibt, dass bei der Arbeit auf ihre Neigungen und Interessen eingegangen wird.
Arbeitszufriedenheit ist jedoch ein wichtiger Indikator für hohe Arbeitsmotivation. Jugendliche, die sich in ihrem Ausbildungsverhältnis wohlfühlen, schließen ihre Ausbildung weitaus erfolgreicher ab und finden sich damit auch am Arbeitsmarkt besser zurecht als LehrabbrecherInnen – und wenig überraschend: sie bringen sich auch weitaus engagierter im Betrieb ein als Jugendliche, die ihre Lehre unter mangelhaften Rahmenbedingungen absolvieren müssen.
Besonders effektiv funktioniert die intrinsische Motivation, also jene Motivationsform, die ein Individuum aus einer Tätigkeit selbst ziehen kann. Sie kann einerseits dem Lehrling zu mehr Ausbildungszufriedenheit verhelfen, andererseits bildet Motivation auch die Basis für wichtige Kompetenzen wie etwa Kreativität, Einsatzbereitschaft, Eigenverantwortung und Zuverlässigkeit.
Das ist umso wichtiger, als es sich bei den meisten Lehrlingen um Jugendliche handelt, die im Rahmen der Lehrausbildung nicht nur ihre berufliche Sozialisation erfahren. Vielmehr erhalten sie auch wichtige Impulse für ihre persönliche Entwicklung bzw. müssen gerade in der Zeit der Ausbildung die unterschiedlichsten Probleme der Adoleszenz bewältigen.

Motivation steigern

Der Einsatz motivationssteigernder Instrumente in der Lehrlingsausbildung kann also maßgeblich dazu beitragen, dass Jugendliche ihre menschlichen und fachlichen Potenziale optimal entfalten können. Motivationsfördernde Aspekte sind vor diesem Hintergrund ein Kernstück der Ausbildungsqualität.
Als Fazit bleibt einmal mehr der Hinweis auf die Notwendigkeit eines gesetzlich verankerten Qualitätsmanagements in der betrieblichen Ausbildung. Nur eine verlässlich hohe Ausbildungsqualität, die sich nach transparenten und bindenden Qualitätsindikatoren ausrichtet, kann den Lehrlingen optimal jene fachlichen und persönlichen Kompetenzen vermitteln, die sie erfolgreich durch die Lehrabschlussprüfung und in eine qualifizierte Berufstätigkeit führen.

Jugendarbeitslosigkeit vorbeugen

Ziel muss es daher sein, die Ausbildungsqualität messbar zu machen und weiter zu steigern, um die Potenziale des hiesigen Ausbildungssystems vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen und zukünftiger Standortsicherung bestmöglich zu nutzen.
Jede Anstrengung für ein Berufsausbildungssystem, das möglichst keine/n Jugendliche/n zurück lässt, ist letztlich weit mehr als eine Maßnahme zur Stabilisierung der Betroffenen. Vielmehr ist es Präventivarbeit, um systemischen Problemen wie der verfestigten Jugendarbeitslosigkeit und all ihren unerwünschten Folgen vorzubeugen
.

Blogtipps

Maßnahmen für mehr Lehrabschlüsse:
tinyurl.com/py2jtrz
Erfolgsmodell überbetriebliche Ausbildung:
tinyurl.com/lpvcc67
Qualitätssicherung in der Lehrausbildung:
tinyurl.com/nez73ny
Mythos Fachkräftemangel:
tinyurl.com/na572us

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin lisa.sinowatz@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum