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Symbolbild zum Bericht: Geld oder Leben? Beides natürlich! Jeder und jede einzelne Beschäftigte hat es selbst in der Hand, eine bessere Durchsetzung seiner/ihrer Interessen bei den KV-Verhandlungen zu erreichen: als Gewerkschaftsmitglied!
Buchtipp

Geld oder Leben? Beides natürlich!

Schwerpunkt: Ein guter Grund

In den jährlichen Kollektivvertragsverhandlungen geht’s um viel mehr als um Lohn- und Gehaltserhöhungen.

Wie lange dauern Verhandlungen? Was gab es zu essen? Wie „hart“ wurde verhandelt? Fragen wie diese werden GewerkschafterInnen rund um die Kollektivverhandlungen leider allzu oft gestellt. Dabei geht es bei diesen Verhandlungen um etwas sehr Handfestes, nämlich um fundamentale Fragen der Verteilung von Geld und Zeit. Unsere Arbeitszeit ist Lebenszeit. Sie ist somit Eigentum und wichtigstes Tauschmittel der Beschäftigten, das sie gegen Lohn oder Gehalt hergeben. Genau das ist jedes Jahr aufs Neue Thema der Kollektivvertragsverhandlungen.

Gerechte Verteilung der Ernte

Gewerkschaften versuchen in diesen Verhandlungen mehrere Interessen der ArbeitnehmerInnen durchzusetzen. Dazu gehört etwa der Inflationsausgleich: Die Beschäftigten sollen sich mit den von ihnen erarbeiteten Löhnen und Gehältern nicht weniger leisten können, nur weil die Lebenshaltungskosten steigen. Ein weiteres Thema ist die gerechte Verteilung der Produktivitätssteigerungen, sodass diese nicht nur Arbeitgebern zugutekommen, sondern auch die ArbeitnehmerInnen für ihre Mehrleistung entsprechend mehr Geld oder bezahlte Freizeit erhalten. So wurde etwa im Kollektivvertrag der Metaller erreicht, dass der 31. Dezember nun bei Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei ist. Eine innovative Möglichkeit trägt den Titel „Freizeitoption“. Das bedeutet, dass Beschäftigte in zahlreichen Kollektivverträgen ihre Ist-Lohn-Erhöhung in freie Tage tauschen können. Das ist uns deshalb wichtig, weil in Österreich pro Jahr über 270 Millionen Überstunden geleistet werden. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt dabei bei rund 42 Stunden. Damit gehört Österreich zu den Ländern mit den längsten Arbeitszeiten in Europa. Während viele Beschäftigte unter langen Arbeitszeiten leiden, steigt gleichzeitig die Arbeitslosigkeit auf neue Rekordhöhen. Deshalb setzen wir uns für kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitszeitkontrolle ein. In Sachen Gleichstellung der Geschlechter wiederum haben wir erreicht, dass in vielen Kollektivverträgen die Vordienstzeiten angerechnet werden. Dies bringt für Frauen in Verbindung mit Kinderbetreuungszeiten Vorteile. Ein anderer wichtiger Schritt in Richtung Gleichstellung war die Einführung eines Mindestgehalts von 1.700 Euro.
Wie kämpferisch laufen Kollektivvertragsverhandlungen nun eigentlich ab? Meistens lässt sich die Atmosphäre mit „höflich im Ton, aber in der Sache hart“ charakterisieren. Bei Respektlosigkeiten wie etwa im Jahr 2010, als bei den Kollektivvertragsverhandlungen Metall die Arbeitgeber vom erhöhten Podium aus den GewerkschafterInnen (weiter unten sitzend) die „Wirtschaftswelt“ erklären wollten, stehen wir auch gelegentlich einmal auf. Verhandelt wird auf Augenhöhe!
Während wir mit unseren Sozialpartnern an der fairen Entlohnung der ArbeitnehmerInnen und an fairen Arbeitsbedingungen arbeiten, versuchen „WirtschaftsversteherInnen“ aus Politik und einschlägigen Institutionen, Gewerkschaften öffentlich unter Druck zu setzen. Eines der beliebtesten Schlagworte dabei ist die Wettbewerbsfähigkeit. Sie scheint für Unternehmen und die EU-Kommission eine fundamentale Glaubensfrage zu sein, der sich alles und alle unterzuordnen haben. Für die Beschäftigten allerdings bedeutet es oft den Verkauf der eigenen Lebens- bzw. Arbeitszeit um nahezu jeden Preis – ohne garantierte Gegenleistung.
Das Thema „Wettbewerbsfähigkeit“ wird GewerkschafterInnen gerne bei Verhandlungen als Argument „aufgetischt“. Da sind wir gerne dabei, wenn es um „fairen Mitbewerb“ geht, der nachhaltig ist und nicht auf Kosten von Beschäftigten und Umwelt geht. Hingegen haben wir kein Verständnis für die Unzahl an UnternehmensberaterInnen und WirtschaftsanwältInnen, die sich meist auf Kosten der Beschäftigten eine „goldene Nase“ verdienen und Unternehmen zu Outsourcing, Verlagerungen oder Umstrukturierungen raten. Fragt man einige Jahre später nach den Ergebnissen, wird man selten fündig. Ein Schelm, wer dahinter Böses vermutet! BetriebsrätInnen und GewerkschaftssekretärInnen könnten allein mit Geschichten über absurde Folgen von Verlagerungen ganze Bücher füllen. So wurde beispielsweise Beschäftigten angeboten, nach China zu übersiedeln, um die KollegInnen in China bei der – ausgelagerten – Arbeit zu unterstützen. 

Fragwürdige Druckmittel

Auch mit „Standortrankings“ wird versucht, Forderungen der ArbeitnehmerInnen in die Schranken zu weisen. Das WEF (World Economic Forum) erstellt jedes Jahr einen Bericht, der vorgibt, die Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Staaten zu analysieren und zu reihen (Global Competitiveness Report). Ende September 2015 wurde das neue Standortranking veröffentlicht, bei dem sich Österreichs Position um zwei Plätze auf den 23. Platz verschlechtert hat. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen all jener, die seit Jahren neoliberale Reformen predigen und in diesen den Ausweg aus der wirtschaftlichen Stagnation sehen. Dabei basieren Rankings auf willkürlichen Annahmen, einer intransparenten Auswahl sowie Gewichtung der Maßzahlen und auf einer mangelhaften statistischen Methodologie. So besteht das Ranking beispielsweise zu 60 Prozent aus Befragungen von ManagerInnen.
In seinem aktuellen Ranking bewertet das WEF das System der Lohnverhandlungen (Kollektivvertrag) selbst als negativ – und zwar nicht, weil das erwiesenermaßen zu einer schlechteren wirtschaftlichen Performance führen würde, sondern weil es vorab als negatives Kriterium konstruiert wurde. Dies wird in den Medien leider nicht hinterfragt, sondern es wird nur über ein Aufholen oder Zurückfallen in der Rangliste berichtet. Die mitgelieferte Ideologie wird oft unhinterfragt übernommen, womit zumindest unbewusst, wenn nicht gar absichtlich neoliberale Stimmungsmache gemacht wird. Fazit: Wenn das Ranking den Umsetzungsgrad neoliberaler Politik ausdrückt, dann sollte einem/einer ein Spitzenplatz nicht wirklich ein Anliegen sein. Nicht nur private Institutionen wie das WEF haben die Wettbewerbsfähigkeit ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Die EU-Kommission etwa will „Wettbewerbsfähigkeitsräte“ einsetzen. Die brauchen wir so sehr wie Zahnschmerzen, denn diese Räte sollen auch gleich die Entwicklung der Lohnpolitik (z. B. in Verbindung mit Kollektivvertragsverhandlungen) überwachen. Wichtiger wären da etwa „Räte für soziale Sicherheit und Verteilungsgerechtigkeit“ – als Korrektiv für neoliberale Auswüchse in Politik und Wirtschaft.

Flexible Arbeit?

„Arbeit, wenn Arbeit da ist!“, meinen VertreterInnen der Wirtschaft und versuchen damit, Stimmung für eine weitere Flexibilisierung der Arbeit zu machen. Klingt gut, gäbe es da nicht dieses kleine Detail: Für die Arbeitsbeschaffung sind nicht die Beschäftigten, sondern die Unternehmen verantwortlich. Und: Arbeitszeitflexibilisierung ist keine Einbahnstraße. Wer in Kollektivverträgen dazu Regelungen will, muss mit uns als Gewerkschaften einen fairen Interessenausgleich für die Beschäftigten schaffen. Denn die Beschäftigten „haben nichts zu verschenken“.
Kollektivvertragsverhandlungen folgen im Übrigen sehr einfachen Regeln: Je mehr Mitglieder Gewerkschaften haben, desto mehr können sie die Interessen ihrer Mitglieder durchsetzen. Jede/r einzelne Beschäftigte hat es daher selbst in der Hand, „ihre/seine“ Gewerkschaft bei Kollektivvertragsverhandlungen zu unterstützen: als Gewerkschaftsmitglied!
 
Info&news
Kollektivverträge sind überbetriebliche schriftliche Vereinbarungen, die in der Regel zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden abgeschlossen werden. Regelungen in Kollektivverträgen dürfen durch Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge nicht verschlechtert werden.
Im KV sind alle wichtigen wechselseitigen Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis geregelt. Es geht vor allem um Entlohnung (Mindestgehälter bzw. Mindestlöhne), Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) und Arbeitszeit.
Der Zweck des Kollektivvertrags ist, für eine möglichst große Anzahl von ArbeitnehmerInnen sowie für alle Branchen und Regionen sachgerechte Lohn- und Arbeitsbedingungen festzulegen.


Linktipps:
FALTER Ökonomie:
tinyurl.com/hykezql
Kollektivvertrags-Plattform:
www.kollektivvertrag.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor rudolf.wagner@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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