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Symbolbild zum Bericht: Von der Basis bis ins Hohe Haus Nicht wenige der in den vergangenen zwei Jahren beschlossenen Maßnahmen hat der ÖGB im Jahr 2013 als Forderung an die neue Koalition übergeben.
Buchtipp

Von der Basis bis ins Hohe Haus

Schwerpunkt: Ein guter Grund

Ausbildungsgarantie, Einkommenstransparenz oder Steuerreform: Was Gewerkschaften durch konsequente Interessenvertretung bewirken.

Mehr als 150.000 Menschen demonstrierten am 13. Mai 2003 bei strömendem Regen gegen die geplante Pensionsreform der schwarz-blauen Koalitionsregierung. Rund eine Million ArbeitnehmerInnen folgte am 3. Juni 2003 dem Streikaufruf des ÖGB und legte die Arbeit nieder. „Ein Streikbeschluss im Österreichischen Gewerkschaftsbund. Selbst für ‚alte Hasen‘ eine ungewohnte Situation. Alte, längst verstaubte und fast schon vergessene Streikhandbücher und Streikkoffer werden aus der Versenkung geholt“, beschreibt Carmen Janko, Pressereferentin des ÖGB Oberösterreich, in „Streiknachlese“ die Situation. 2003 wurde zum größten Streikjahr in der Geschichte der Zweiten Republik – mit einer Beteiligung, die in Relation das Ausmaß eines französischen Generalstreiks deutlich übertroffen hat. Auch wenn die schwarz-blaue Pensionsreform schon kurz danach tatsächlich beschlossen und 2004 dann „harmonisiert“ wurde: Damals wurde eindeutig bewiesen, dass die Menschen durch die österreichische Konsensdemokratie keineswegs so konfliktscheu geworden waren, wie oft kolportiert, und dass der ÖGB den Kontakt zur Basis nicht verloren hat.

Mehr Geld im Börsel

Die Basis war auch vor rund zwei Jahren wieder stark engagiert, als der ÖGB die Kampagne „Lohnsteuer runter!“ ausrief. Im Mai 2014 beschloss der ÖGB-Vorstand diesen Schwerpunkt zur Entlastung der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. An der anschließenden Blitzumfrage nahmen 11.000 BelegschaftsvertreterInnen teil, fast 99 Prozent waren auch zur aktiven Mitarbeit bereit.
Der offizielle Startschuss erfolgte am 3. Juli, danach ging es Schlag auf Schlag:

  • Schon am nächsten Tag startet die Insertions- und Plakatwelle. Fünf Wochen später haben bereits 270.000 Menschen für eine Lohnsteuersenkung unterschrieben.
  • 18. September: Präsentation des konkreten Entlastungsmodells im Rahmen einer Konferenz mit mehr als 5.000 BetriebsrätInnen und JugendvertrauensrätInnen. 24./25. September: Regierungsklausur in Schladming; Bundeskanzler Faymann hat schon einige Tage zuvor erklärt hat, das ÖGB/AK-Modell zu übernehmen. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und ÖGB-Chef Erich Foglar sind als Gäste vor Ort. Die Regierung einigt sich schließlich auf das Volumen der Steuerreform (fünf Milliarden) und den Zeitplan.
  • 22. Oktober: bundesweiter Aktionstag – Hunderte GewerkschafterInnen sind unterwegs, um auf das Thema „Lohnsteuer runter!“ aufmerksam zu machen. Letztendlich haben insgesamt 882.184 Menschen unterzeichnet.
  • 18. November: ÖGB-Präsident Erich Foglar und AK-Präsident Rudi Kaske übergeben die Unterschriftenlisten der Regierung.
  • 17. März 2015: Die Regierung einigt sich auf die Steuerreform.
  • 7. Juli: Beschluss im Nationalrat; 84 Prozent des von ÖGB und AK geforderten Entlastungsvolumens wurden umgesetzt und sind seit Jänner 2016 in Kraft: Erweiterung von drei auf sechs Steuerstufen, niedrigerer Eingangssteuersatz, Erhöhung des ArbeitnehmerInnen- und Verkehrsabsetzbetrages auf 400 Euro (ÖGB/AK-Modell 450 Euro), Anhebung der Negativsteuer für NiedrigverdienerInnen von 110 auf 450 Euro, Negativsteuer auch für PensionistInnen etc.

Zur Gegenfinanzierung wurde unter anderem ein Paket zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -betrug (z. B. Registrierkassen- und Belegpflicht) beschlossen sowie eine höhere Kapitalertragsteuer auf Dividenden und die Neugestaltung der Grunderwerbssteuer („Erbschaftssteuer light“).
Bei der Steuerreform hatte Kanzler Faymann das ÖGB/AK-Modell zur Chefsache erklärt, während ÖGB und AK etwa beim Arbeitsrechtspaket, das ebenfalls mit 1. Jänner 2016 in Kraft getreten ist, bis zum Schluss direkt beteiligt waren. Nach langen Sozialpartner-Verhandlungen wurden beim Arbeitsmarktgipfel Ende Oktober 2015 mehrere Verbesserungen im Arbeitsrecht beschlossen, z. B. mehr Transparenz bei All-in-Verträgen (gegen den Widerstand der Industriellenvereinigung) oder Einschränkungen bei Konkurrenzverboten. Außerdem kam es endlich zu einer Einigung auf ein Bonus-Malus-System für die Beschäftigung Älterer, das von den VertreterInnen der Wirtschaft lang blockiert worden war. Insgesamt sollen durch die Maßnahmen in den kommenden Jahren mehr als 55.000 zusätzliche Jobs entstehen.

Viel umgesetzt

Nicht wenige der in den vergangenen zwei Jahren beschlossenen Maßnahmen (Bonus-Malus, niedrigerer Eingangssteuersatz etc.) finden sich unter den ÖGB-Forderungen anlässlich des Regierungsantritts 2013. „Wir haben das auch bei der Regierungsbildung 2008 gemacht, und viele unserer Forderungen wurden auch umgesetzt“, erinnert Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB. „In Zeiten, in denen andere Länder Sozialleistungen gekürzt haben, wurde in Österreich die Mindestsicherung neu eingeführt. Egal ob in der Regierung gerade gestritten oder gekuschelt wird – der ÖGB ist in der Lage mitzubestimmen. Er hat sich mit den anderen Sozialpartnern auf viele wichtige Lösungen geeinigt, von denen die Politik einen großen Teil auch umgesetzt hat.“
Mehr (soziale) Gerechtigkeit bedeutet nach wie vor auch, für die Gleichstellung von Frauen zu kämpfen. Aktuell wurden beispielsweise mit den im Dezember 2015 beschlossenen Novellen zum Mutterschutz- und Väterkarenzgesetz (Vereinbarkeitspaket) langjährige Forderungen von AK und ÖGB umgesetzt: Kündigungsschutz nach einer Fehlgeburt, Karenzanspruch für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht, Informationsrecht für Teilzeitbeschäftigte über im Unternehmen angebotene Vollzeit-Arbeitsplätze.
„Gibt’s jetzt nichts Wichtigeres?“, lauten nicht selten die Kommentare, wenn Frauenthemen auf der Agenda stehen. Für Ingrid Moritz, Leiterin der AK-Abteilung Frauen und Familie, sind Solidarität und Zusammenarbeit zwischen den Frauen enorm wichtig. „Egal ob bei eigenen Ideen und Forderungen oder bei Gesetzesstellungnahmen, dieser kontinuierliche Austausch stärkt Frauen und ihre Anliegen. So ziehen wir gemeinsam an einem Strang, können Frauenthemen nach außen und nach innen gemeinsam vertreten.“ Und die Arbeit ist noch keineswegs zu Ende, sobald Forderungen tatsächlich Realität geworden sind. Denn, so Moritz, die Gesetze und Verordnungen müssen schließlich „mit Leben erfüllt werden“. Das bedeutet beispielsweise bei den Einkommensberichten, konkrete Umsetzungspläne in den Betrieben auszuarbeiten, Informations- und Austauschveranstaltungen mit BelegschaftsvertreterInnen etc. Im direkten Austausch können auch eventuelle Schwachstellen und Verbesserungsbedarf festgestellt werden.
Parallel dazu beschäftigen sich ÖGB- und AK-Frauen derzeit auch mit den Dauerthemen Steuer- und Pensionsreform. „Die Gegenfinanzierung der Steuerreform darf nicht über das Pensionssystem erfolgen. Und ein früheres gesetzliches Pensionsantrittsalter für Frauen bringt niemandem etwas. Denn die Jobchancen für ältere Frauen sind jetzt schon schlecht.“

Gegen jegliche Kürzung

Mit Blick auf den Pensionsgipfel der Bundesregierung am 29. Februar spricht sich auch PRO-GE-Bundesvorsitzender Rainer Wimmer gegen jegliche Pensionskürzungen aus. Von den Verschärfungen in den vergangenen Jahren wären ASVG-Versicherte überproportional betroffen gewesen. „Statt die Menschen mit Debatten rund um das Pensionsantrittsalter zu verunsichern, wäre es wichtiger, arbeitsmarktpolitische Impulse zu setzen, um das Pensionssystem langfristig abzusichern. So gehen derzeit rund 17 Prozent aus der Arbeitslosigkeit in die Alterspension.“ Die PRO-GE fordert daher unter anderem eine Verschärfung des Bonus-Malus-Systems mit höheren Strafzahlungen.
 
Nachlese:
Die Österreichische Sozialpartnerschaft:
www.sozialpartner.at

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