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Symbolbild zum Bericht: Unterstützung im Ehrenamt Das vielfältige Bildungsangebot der Gewerkschaft ist für BetriebsrätInnen eine wertvolle Unterstützung. Als Gewerkschaftsmitglied kann man diese kostenlos besuchen.

Unterstützung im Ehrenamt

Schwerpunkt: Ein guter Grund

Das Leben als Betriebsratsmitglied ist ohne Gewerkschaft nicht denkbar. Ein Bericht aus eigener Erfahrung.

Da stand ich also. Frisch gewählt und mit jeder Menge Tatendrang. Und leider auch ohne allzu viel Ahnung von der Materie. „Jetzt machst du einmal den Grundkurs“, sagte mir mein Betriebsratsvorsitzender und erledigte für mich die Anmeldung bei unserem betreuenden Gewerkschaftssekretär. „Mitglied ist der Kollege eh?“, fragte der Sekretär mehr rhetorisch. Natürlich war ich zu diesem Zeitpunkt Gewerkschaftsmitglied. Ich war es schon lange zuvor geworden. Schon während meiner Lehrzeit. Damals kam ein Vertreter der Gewerkschaftsjugend zu uns in die Berufsschule und erklärte, wie wichtig es für uns junge Menschen ist, in die Gewerkschaft einzutreten. Es brauchte nicht viel, um mich zu überzeugen. Und nun hatte ich auch einen unmittelbaren Vorteil aus meiner Mitgliedschaft: Ich konnte den Grundkurs für Betriebsratsmitglieder besuchen.

Praxisnah

Eine Woche lang wurden mir dort die wichtigsten Grundlagen der Betriebsratstätigkeit nähergebracht, gemeinsam mit einer Gruppe anderer Betriebsratsmitglieder aus den verschiedensten Bereichen. Die meisten waren erst wenige Wochen oder Monate im Amt. Genauso wie ich. Wir lernten, dass es ein Arbeitsverfassungsgesetz gibt und welche Rechte uns daraus zustehen. Wir lernten, dass wir als Betriebsratsmitglieder die nötige Zeit für unsere Tätigkeit frei bekommen müssen. Wir lernten, dass wir einen Anspruch auf Bildungsfreistellung haben.
Und diesen Anspruch auf Bildungsfreistellung habe ich auch ausgiebig genützt. Zum Beispiel, um meine Kenntnisse im Arbeitsrecht weiter zu vertiefen. Ich absolvierte zu diesem Zweck den Aufbaukurs für Betriebsratsmitglieder meiner Fachgewerkschaft. Wieder durfte ich mich eine Woche lang fortbilden – und wurde dabei auch noch verköstigt und beherbergt. Gar nicht auszudenken, was mich das gekostet hätte, wenn ich kein Gewerkschaftsmitglied gewesen wäre und die Kosten für Kurs und Aufenthalt selbst hätte tragen müssen. Jetzt einmal ganz abgesehen davon, dass außer den Gewerkschaften niemand derartige Kurse anbietet. Und selbst wenn, hätte ich dann wohl nicht in den Genuss kommen können, dass ich von Kolleginnen und Kollegen aus der Praxis unterrichtet worden wäre. Denn es waren betriebsbetreuende SekretärInnen, die den Grund- und Aufbaukurs gestaltet haben. Es gab keine Frage, auf die sie nicht eine Antwort gehabt hätten. Und alle Antworten hatten Praxisbezug. Wir haben in den Kursen das bekommen, was wir dringend gebraucht haben: die Grundlagen für unsere Tätigkeit als Betriebsratsmitglieder, verständlich erklärt und aufbereitet.

Geänderte Anliegen

Nach einigen Jahren als Betriebsratsmitglied wurde ich Vorsitzender des Gremiums. Nun änderten sich auch meine Anliegen an die Gewerkschaft. Es tauchten immer wieder Fragen auf, zu deren Beantwortung ich kompetente Unterstützung brauchte. Auch hier bekam ich Hilfe von meiner betreuenden Sekretärin. Die Problemlagen waren dabei durchaus vielfältig. Es waren im seltensten Fall reine Rechtsfragen, die wir zu klären hatten. Zumeist ging es mehr um die Frage, wie wir das Recht durchsetzen können und wie wir für die betroffenen KollegInnen das Beste herausholen. Ich glaube, ich hätte wohl lange suchen müssen, um eine Rechtsanwaltskanzlei zu finden, die mich so umfassend hätte beraten und betreuen können, wie es meine Fachgewerkschaft für mich getan hat. Die Kosten für eine derartige Betreuung und Unterstützung wage ich gar nicht erst zu schätzen.

Mehr Bildungsbedarf

Dann kamen auch noch verschiedene Verhandlungen mit der Geschäftsführung und die damit in Zusammenhang stehenden Fragen: Worüber können wir Vereinbarungen abschließen? Welche Wirkung hat welche Vereinbarung? Und manchmal als wichtigster Punkt: Wie kommen wir aus einer verfahrenen Verhandlungssituation wieder heraus? In all diesen Fragen bekam ich Unterstützung von den Kolleginnen und Kollegen aus der Fachgewerkschaft und dem ÖGB.
Nachdem meine Aufgaben immer mehr und vielfältiger wurden, wurde auch mein Bildungsbedarf größer. Da bot sich mir die Möglichkeit, die Betriebsräteakademie des ÖGB und der AK (BRAK) zu besuchen. Drei Monate lang durfte ich mich ganztägig meiner Bildung widmen. Auf dem Programm standen nicht nur Arbeitsrecht, sondern auch Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, Sozialpolitik und viele andere Themen, die für den betrieblichen und gewerkschaftlichen Alltag relevant sind.

Vernetzung

Eines der nachhaltigsten Ergebnisse unseres BRAK-Lehrgangs ist die Betriebsräte-Vernetzung der Jugendarbeit in Wien geblieben. Auch das ist ein Vorteil der gewerkschaftlichen Organisierung: Wir hatten die Gewerkschaft als Plattform für unseren Austausch und gleichzeitig die Möglichkeit, unsere Anliegen in die Organisation zu tragen. Somit bleiben die Themen nicht in den Betrieben. Durch die Vernetzung, auch in den Gremien der Fachgewerkschaften, kommen die Aufgabestellungen von den Belegschaften der Betriebe in die Gewerkschaften, von den Mitgliedern in die Organisation. Es sind also die Mitglieder selbst, die die Themen in die Gewerkschaften tragen.
Ich möchte auch nicht verschweigen, dass meine Aufgaben als Betriebsratsmitglied nicht immer nur erfreulich und lustig waren. Im Gegenteil, kam ich doch öfters in die Situation, Kolleginnen und Kollegen in schwierigen Situationen zu begleiten. Das konnten Wechsel innerhalb des Unternehmens sein, egal ob vom Kollegen oder der Kollegin gewünscht oder vom Arbeitgeber gewollt. Es konnte auch vorkommen, dass der Arbeitgeber das Dienstverhältnis beenden wollte und ich den Kollegen oder die Kollegin dabei begleitet habe, eine einvernehmliche Lösung zu verhandeln. Diese Fälle konnten schon schwierig und belastend sein. Wirklich schlaflose Nächte bereiteten mir aber jene Situationen, in denen ich keine Handlungsoptionen mehr gesehen habe, in denen jedes Handeln meinerseits die Situation der betroffenen Kolleginnen und Kollegen nur mehr hätte verschlechtern können. Ich war zur Untätigkeit gezwungen. Damit selbst klarzukommen und dies auch den Betroffenen zu erklären, war sehr belastend für mich und für die anderen Mitglieder meines Betriebsrats. Es waren die Kolleginnen und Kollegen aus der Gewerkschaft, die mir in solchen Situationen geholfen haben. Sie haben mir zugehört, haben mir Rückhalt gegeben. Und der Austausch mit Betriebsratsmitgliedern anderer Unternehmen hat mir dabei geholfen, zu akzeptieren, dass es eben auch Situationen geben kann, in denen auch der Betriebsrat oder die Betriebsrätin nichts mehr tun kann. 

Mehr als Service

In den Jahren meiner Tätigkeit als Betriebsratsmitglied bin ich auch oft mit KollegInnen konfrontiert gewesen, die meinten, dass es toll sei, was ich mache. Nicht minder schätzten sie die Unterstützung, die mir die Gewerkschaft dabei gebe. Aber es reiche dabei ja, wenn ich Mitglied sei. Sie selbst hätten doch nicht unmittelbar etwas davon. Ich habe die Kollegin oder den Kollegen dann immer ersucht, er oder sie möge sich einmal vorstellen, dass alle bei uns im Betrieb so dächten und von den 300 Beschäftigten nur die Betriebsratsmitglieder bei der Gewerkschaft wären. Und was, wenn nicht nur unsere Belegschaft so dächte, sondern alle Beschäftigten? Dann wäre es schnell vorbei mit den Gewerkschaften. Und damit wäre es auch vorbei mit den Kollektivverträgen, mit den Bildungsangeboten, mit der politischen Vertretung unserer Interessen – kurz mit allem, was Gewerkschaft alles ausmacht. Es ist für ein Betriebsratsmitglied also nicht nur wichtig, selbst Gewerkschaftsmitglied zu sein. Es ist genauso wichtig, die Kolleginnen und Kollegen in der Belegschaft von der Bedeutung der Mitgliedschaft zu überzeugen. Gewerkschaft ist eben mehr als eine Serviceeinrichtung, mehr als eine Bildungsorganisation, mehr als Rechtsberatung. Wir sind betriebliche, überbetriebliche und politische Interessenvertretung. Wir sind das alles für und durch unsere Mitglieder. Und wir sind das auch für all jene Kolleginnen und Kollegen, die noch nicht Mitglied sind.
Mit der Zeit rückten jüngere Kolleginnen und Kollegen als Mitglieder in den Betriebsrat nach. Da sagte ich dann immer: „Jetzt machst du einmal den Grundkurs“ – und nun war es auf einmal ich, der mehr rhetorisch fragte: „Gewerkschaftsmitglied bist du eh?“

Links:
www.voegb.at
www.betriebsraete.at

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