topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Symbolbild zum Bericht: Hürdenlauf zum Arbeitsmarkt Bis heute vergeht zu viel Zeit, bis Flüchtlingen Deutschkurse angeboten werden, bis man ihre Fähigkeiten und den Bildungsstatus kennt und bis sie in ihren Berufen arbeiten oder eine Ausbildung beginnen können.

Hürdenlauf zum Arbeitsmarkt

Schwerpunkt

Kompetenzchecks, mehr Deutschkurse und raschere Anerkennungsverfahren sollen Flüchtlingen den Zugang zur heimischen Berufswelt erleichtern.

Selbst wer wild entschlossen ist, sich möglichst rasch in Österreich zu integrieren, also Deutsch zu lernen, Werte, Sitten und Gebräuche wie Händeschütteln oder Pünktlichkeit anzunehmen: Er oder sie wird am Integrationskriterium „Arbeitsplatz“ erst einmal scheitern. Denn nicht nur die Asylverfahren dauern zum Teil viele Monate, sondern meist auch die Berufsanerkennungen. Die Probleme sind allen Beteiligten bekannt: Bis heute vergeht zu viel Zeit, bis (anerkannte) Flüchtlinge Deutsch lernen können, bis man ihre Fähigkeiten und den Bildungsstatus kennt und bis sie in ihren Berufen arbeiten oder eine Ausbildung beginnen können.

Eingeschränkter Zugang
An sich sind AsylwerberInnen nicht gänzlich zur Untätigkeit verurteilt. Sie dürfen Arbeiten in Zusammenhang mit der Unterbringung sowie Hilfstätigkeiten für Bund, Land oder Gemeinde (jeweils gegen Anerkennungsbeiträge) durchführen. Ebenso möglich sind kurzfristige Beschäftigungsbewilligungen für Saison- oder Erntearbeiten. Drei Monate nach Zulassung zum Asylverfahren dürfen AsylwerberInnen in einem freien Beruf selbstständig tätig werden. Jugendliche unter 25 können in Bereichen mit Lehrlingsmangel mit Bewilligung des AMS eine Lehre beginnen.
Für das Gros der Flüchtlinge heißt es allerdings warten. Derzeit setzen die meisten Maßnahmen zur Integration nämlich erst mit dem offiziellen Status als anerkannter Flüchtling ein. Deutschkurse für AsylwerberInnen gibt es zwar, doch zu wenige. Und tatsächlich kommt es nicht selten vor, dass auch Asylberechtigte lange Zeit auf Kurse warten müssen.

Fehlende Papiere
Prinzipiell gibt es für Angehörige von Nicht-EU-Ländern drei Möglichkeiten der Berufsanerkennung:

  • Anerkennung von Lehrabschlüssen: In den meisten Ländern gibt es für HandwerkerInnen keine formalisierten Ausbildungen. Daher werden Kenntnisse und Fertigkeiten unter anderem durch Praxistests festgestellt. Diese Tests finden vorwiegend in Betrieben statt, seit Kurzem auch im Rahmen der Kompetenzchecks. Sebastian Paulick, Sprecher des AMS Wien: „Für Menschen mit Berufsausbildung bemühen wir uns sehr stark um einen österreichischen Bildungsabschluss, das wird wohl vor allem ein Lehrabschluss sein. Dafür müssen in der Regel noch Prüfungen abgelegt werden, das kann Monate bis wenige Jahre dauern. Aber die Jobchancen sind dann natürlich wesentlich größer als nur mit Pflichtschule.“
  • Nostrifikation von Schul- und Reifezeugnissen: Falls einzelne Gegenstände oder Inhalte nicht ausreichend nachgewiesen werden können, sind entsprechende Zusatzprüfungen erforderlich.
  • Nostrifizierung akademischer Abschlüsse: Für die Anerkennung eines ausländischen Studienabschlusses wird zuerst geprüft, ob dieser der österreichischen Ausbildung gleichzusetzen ist. Das größte Problem ist, dass Flüchtlinge die erforderlichen Papiere nur selten mit sich führen. Es ist eher die Ausnahme, wenn Unterlagen in Folie geschweißt heil bis hierher gebracht werden. Wann immer möglich, werden Dokumente von FreundInnen und Verwandten aus der Heimat nachgeschickt. In jedem Fall wird dann gemeinsam mit der Universität und der Anerkennungsstelle (AST) geklärt, ob die Nostrifizierung sinnvoll und möglich ist oder ob die Ausbildung eher einem österreichischen Lehrabschluss etwa im technischen Bereich entspricht. Danach erfolgt die entsprechende Weichenstellung. Zu ergänzende Ausbildungsteile können Betroffene als außerordentliche StudentInnen nachholen. Während des Nostrifizierungsverfahrens dürfen beispielsweise MedizinerInnen ihren Beruf nicht ausüben. Dabei wären diese ÄrztInnen zur Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen optimal geeignet.

Zu wenig Brückenangebote
Es gibt auch zahlreiche nicht geregelte Berufe, für die keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben ist wie etwa Büroassistenz, VerkäuferIn oder JournalistIn. Hier sind meist mangelnde Sprachkenntnisse das Problem. „Allgemein gibt es zu wenig Fach-Deutschkurse“, weiß Milica Tomic vom Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen. „Die meisten werden in Wien und hauptsächlich für den Pflege- und Medizinbereich angeboten.“
Auch „Brückenangebote“, also fachspezifische Weiterbildungen, die den Anschluss an den hiesigen Arbeitsmarkt ermöglichen, fehlen weitgehend. Denn in sehr vielen Berufen muss man nicht nur die hierzulande üblichen Geräte, sondern auch Standards und (Sicherheits-)Vorschriften kennen, um tatsächlich arbeiten zu können.
Im Jahr 2015 waren rund 17.300 Asylberechtigte arbeitssuchend gemeldet (aktuell: 22.140), davon konnten 6.200 vermittelt werden. Um die beruflichen, aber auch die nicht formal erworbenen Fähigkeiten von Asylberechtigten ohne bzw. mit unklaren formalen Abschlüssen einschätzen zu können, führt das AMS seit Kurzem österreichweit Kompetenzchecks durch. Man rechnet mit rund 13.500 Checks bis Jahresende. Das Verfahren wurde in einem Pilotprojekt in Wien mit rund 900 Asylberechtigten getestet.

Betreuung weiter ausbauen
Dabei hat sich unter anderem herausgestellt, dass der Check für weibliche Flüchtlinge von fünf Wochen (à 10 Stunden) auf sieben verlängert werden muss. „Viele dieser Frauen hatten in ihrem Heimatland überhaupt nicht vor, einen Beruf zu ergreifen“, erklärt AMS-Sprecher Paulick. „Sie machen sich hier in Österreich erstmals darüber Gedanken, wo ihre Talente und Interessen liegen oder welche Ausbildung sie anstreben könnten.“
Bald soll in Wien eine neue Beratungs- und Betreuungseinrichtung die Menschen unterstützen, mit den Erkenntnissen aus dem Kompetenzcheck ihren Weg weiterzugehen. Die Einrichtung werde in allen Belangen des Arbeitsmarkts oder der Ausbildung bis zur Kinderbetreuung helfen, aber auch als Anlaufstruktur für Freiwillige und MentorInnenen dienen, kündigte Petra Draxl, Chefin des AMS Wien, im Jänner an.
Kompetenzchecks, 30.000 Deutschkursplätze im Jahr 2016, Förderungen für Ausbildungen, Weiterqualifizierungen sowie für Nostrifikationen und Nostrifizierungen, Eingliederungsbeihilfen für Unternehmen usw. – das AMS bietet vieles an, doch die Ressourcen sind zu knapp. KritikerInnen wie Josef Wallner, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration in der AK Wien, bemängeln grundsätzlich, dass Integrationsmaßnahmen zu spät ansetzen: „Schon für AsylwerberInnen sollte ein Integrationspfad definiert werden: Was ist zu tun, was fehlt noch, damit die betreffende Person arbeiten kann? Dementsprechend sind Sprachkurse auch schon im Asylstatus nötig. In Deutschland kommen Delegationen der Bundesagentur für Arbeit schon in die AsylwerberInnen-Unterkünfte, um mit der Integration möglichst früh zu beginnen. Dafür wurde das Personal um 3.600 Beschäftigte aufgestockt. In Österreich würde das AMS also rund 400 zusätzliche MitarbeiterInnen brauchen.“

Langwierige Verfahren
Anerkennungsverfahren in Österreich sind selbst mit ausreichenden Sprachkenntnissen kompliziert und zeitaufwendig. Je nach Ausbildungsart und -ort sind unterschiedliche Universitäten, Ministerien oder die Länder zuständig. Trotz der 2013 entstandenen interaktiven Plattform
www.berufsanerkennung.at und speziellen Anlaufstellen für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen gibt es noch reichlich Verbesserungsbedarf.

Unübersichtlichkeit
Tatsächlich ist eine Novelle des 2012 entstandenen Anerkennungsgesetzes geplant. Die entsprechenden Änderungen gehen allerdings nicht weit genug, kritisiert AK-Experte Wallner: „Wir begrüßen zwar die geplanten Verbesserungen wie spezialisierte Beratungsstellen und eine Plattform, über die Anträge zur Anerkennung und Bewertung mitgebrachter Qualifikationen elektronisch eingebracht werden können. Aber die Unübersichtlichkeit bezüglich Zuständigkeiten und Verfahren bleibt in diesem Entwurf weiter bestehen. Sinnvoll wäre außerdem die Angleichung der Verfahren für EWR- und Drittstaatsausbildungen, wie es auch im deutschen Anerkennungsgesetz vorgesehen ist.“

Linktipps:
Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen:
www.migrant.at
Anlaufstelle für Personen mit im Ausland erworbenen Qualifikationen:
www.anlaufstelle-anerkennung.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum