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Titelbild des "Jugendlichen Arbeiters" vom September 1905 Titelbild des "Jugendlichen Arbeiters" vom September 1905

Für den anderen Feierabend

Historie

Als die Angestelltenpension geplant wurde, forderten die organisierten Lehrlinge und jungen Fabrikarbeiter auch eine Arbeiterpension.

Und wenn ich Jahr für Jahr entbehrt,/Gefroren und mich schlecht ernährt, um jeden zu bezahlen?/ Was hab’ ich, wenn ich schwach und alt,/Gebeugt zur traurigsten Gestalt,/Alsdann von allen Qualen?
Dann wank’ ich still von Haus zu Haus/und bitt’ mir eine Gabe aus,/Bis dass mich greift, den Alten./Bin ich dann schimpflich arretiert/ Und ins Gefängnis abgeführt,/Dann, dann wird’ ich erhalten.

Das sind die letzten zwei Strophen des von einem Unbekannten verfassten Gedichts „Abendgedanken eines Arbeiters“. Es wurde im Leitartikel „Feierabend“ der Septembernummer 1905 der Zeitschrift „Der Jugendliche Arbeiter“ zitiert, wo der Kampf für menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Freizeit als Voraussetzung für Lebenschancen das Thema war. Eigene gewerkschaftliche Jugendorganisationen gab es damals noch nicht, diese bildeten sich erst in den 1920er-Jahren, aber innerhalb der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung organisierten sich die männlichen Jugendlichen eigenständig, unabhängig von Partei und Gewerkschaft – „Der Jugendliche Arbeiter“ war ihr Medium.

Der Leitartikel „Feierabend“ erschien nicht umsonst 1905. Damals ging es um eine große Novelle zur Gewerbeordnung, einschließlich der Arbeitszeitbestimmungen für Jugendliche und der Bestimmungen zur Lehrlingsausbildung mit dem verpflichtenden Besuch der Gewerbeschule nach dem harten Arbeitstag. Gleichzeitig stand die Einführung der Angestelltenpension zur Debatte, nicht aber eine Alterspension für ArbeiterInnen. Vor diesem Hintergrund verknüpften die Jugendorganisationen ihre Forderung nach Arbeitszeitverkürzung und Tagesunterricht an der Gewerbeschule mit der Forderung, auch den ArbeiterInnen den „anderen Feierabend“ im Alter zuzugestehen:

Und heiliger Kampfeszorn wird wach in jedem Proletarierherzen, das alle Bitternisse des heutigen elenden Feierabends überdenkt. Hat es ja doch schon das Kind empfunden, dass ihm der Vater und nur zu oft überdies die Mutter bei Lebzeiten schon zu lange geraubt und endlich allzu früh durch den Tod entrissen wurde, weil der Feierabend zu kurz, die vorausgegangene Anstrengung aber zu groß war.
Wenn aber der Jugend Arbeitszeit herankommt, dann merken die Gequälten bald, dass ihre Arbeitszeit oft nach der Gehilfen Feierabend noch lange nicht zu Ende ist. Und selbst, wenn sie zu Ende wäre, nehmen die Gewerbeschulen Zeit und Kraft des jugendlichen Arbeiters in Anspruch.
So lernt schon die Jugend in der bitteren Schule des ausgebeuteten Lebens, wie ein wichtiges Ziel des großen Proletarierkampfes eine kürzere Arbeitszeit ist. …
Und noch einem anderen Feierabend gilt unser Kampf, dem Feierabend des Lebens! – An den eigenen alten Eltern oder doch an den alten Arbeitern seines Berufes kann der jugendliche Arbeiter sehen, was ihm selbst im Alter blüht. Und doch dienten diese alten Proletarier und Arbeiterinvaliden der Gesellschaft und dem Staate mit Einsatz ihrer Gesundheit und Lebenskraft; und sie wären doch einer Altersversorgung mindestens ebenso wert wie andere Pensionisten.

Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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