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Im Zeichen der Teuerung

Schwerpunkt Großstadt

Wachsende Städte, steigende Wohnpreise: Die Wohnbaupolitik in Österreich steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen.

Leistbares Wohnen wird für immer mehr Menschen in Österreich ein schwer zu erreichender Faktor des Lebensstandards. Die Preise am heimischen Immobilienmarkt steigen von Jahr zu Jahr. Laut einer Studie des Immobilienmaklers REMAX vom Jänner wird heuer die Nachfrage für den Kauf und die Miete von Immobilien um 4,1 Prozent steigen, gleichzeitig werde das Angebot aber um nur 2,6 Prozent größer.

Massiver Anstieg bei günstigen Mieten

Diese Diskrepanz wird sich auf die Immobilienpreise in Österreich auswirken: Durchschnittlich 3,9 Prozent mehr wird man heuer für die Miete oder den Kauf einer Immobilie zahlen müssen. Dramatisch wird es insbesondere im unteren Preissegment, in dem die Nachfrage ungebrochen hoch ist: Dort werden dieses Jahr die Preise im Durchschnitt sogar um 5,1 Prozent wachsen.
In Wien als Österreichs größter Stadt mit einem stetigen Bevölkerungszuwachs spürt man die Preissteigerungen besonders intensiv: Sogar in jenen Wiener Bezirken, die bisher als nicht besonders attraktiv galten, kam es 2016 zu deutlichen Preissteigerungen. So wuchsen beispielsweise die Wohnpreise in Rudolfsheim-Fünfhaus um satte 9,8 Prozent, in Favoriten waren es 8,4 und in Floridsdorf 7,5 Prozent. Ein Rezept gegen den anhaltenden Teuerungstrend im Wohnbereich könnte gerade in einem Aspekt der Wohnpolitik liegen, in dem Österreich international im Spitzenfeld liegt: im geförderten Wohnbau. „Die Preisentwicklung auf dem österreichischen und insbesondere auf dem Wiener Markt wird in erster Linie davon abhängen, wie viel in Zukunft gefördert gebaut wird“, erklärt uns Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik der Arbeiterkammer Wien. Rund 60 Prozent aller Wienerinnen und Wiener wohnen derzeit im geförderten Wohnbau: entweder in einer Gemeinde- oder in einer Genossenschaftswohnung.
Österreichweit sind es etwa 25 Prozent. Die Attraktivität dieser Angebote nimmt jedoch von Jahr zu Jahr zu, die Wartezeiten für eine Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung werden länger. In den letzten Jahren wartete man laut Informationen aus dem Büro des Wiener Wohnbaustadtrates etwa 1,5 Jahre auf eine Wohnung der Stadt Wien. Längere Wartezeiten im geförderten Wohnbau und steigende Preise im Privatsektor könnten in Zukunft eine durchaus explosive Mischung für die Entwicklung des Wohnungsmarkts in Österreich sein.

Viel Nachholbedarf in Wien

„Die Lage auf dem Markt wird davon abhängen, wie viele bezahlbare Wohnungen es in Zukunft geben wird“, sagt Thomas Ritt und kritisiert gleichzeitig, dass es insbesondere in Wien noch viel Nachholbedarf gibt: „Unser jährlicher Bedarf liegt bei ca. 9.000 Wohnungen, gebaut werden aber rund 5.000 bis 6.000 Wohnungen im Jahr.“ Gleichzeitig sind gemeinnützige Wohnbauträger bemüht, ihre Bauaktivität zu steigern: „Wir befinden uns derzeit in einer sehr aktiven Bauphase und bringen im Moment ca. 600 Wohneinheiten in Wien und ca. 90 Wohnungen in Schwechat auf den Markt“, sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV GPA).

Grundstückspreise extrem gestiegen

Doch die Rahmenbedingungen für den geförderten Wohnbau sind trotz entsprechender Wohnbauinitiativen, etwa in Wien, äußerst ungünstig: „Die Grundstückspreise sind in den letzten Jahren exorbitant gestiegen. Auf dem freien Markt sind derzeit keine Grundstücke erhältlich, die es ermöglichen, gefördert zu bauen, was aktuell zu einer zu geringen Bauleistung an geförderten Wohnungen führt“, beklagt Gehbauer die momentane Situation in diesem Wohnbausegment. Gemeinnützigen Bauträgern bleibe momentan nur die Option, durch Umwidmungen neue Grundstücke für den geförderten Wohnbau zur Verfügung zu stellen.
Ähnlich wie Wien kämpfen auch die westösterreichischen Städte Salzburg, Innsbruck und Bregenz mit hohen Grundstückspreisen. Das Resultat: kaum mehr neue Wohnungen für den tatsächlichen Bedarf der Bevölkerung. „Der gesamte Wohnungszuwachs der letzten fünf bis sechs Jahre entfiel beispielsweise in der Stadt Salzburg auf Vorsorge-, Anleger- und Zweitwohnungen“, sagt Christof Schremmer vom Österreichischen Institut für Raumplanung. Eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt in den nächsten Jahren sieht er nicht und appelliert für einen Ausbau des geförderten Wohnbaus: „Wesentliche Instrumente dabei sind Mietrecht, Bodenpolitik und Förderkriterien.“ Auch für Michael Gehbauer liegt der Schlüssel des künftigen Wohnbaus in der Bodenpolitik: „Es müssen neue und wirksame Instrumente in der Bodenpolitik entwickelt werden. Die Mehrzahl der Wohnungssuchenden benötigt leistbaren Wohnraum, dieser kann frei finanziert nicht angeboten werden, auch wenn das immer wieder behauptet wird“, ist der WBV-GPA-Chef kategorisch. Außerdem seien geförderte Wohnungen besonders qualitativ hochwertig.

Gentrifizierung: Warum nicht?

Der Preis und die Bauqualität einer Wohnung sind zweifelsohne die ausschlaggebenden Faktoren, wenn es um die Wohnzufriedenheit geht. Aber nicht die einzigen. „Eine Wohnung gilt als qualitativ hochwertig, wenn man sie unterschiedlichen Lebenssituationen, z. B. einer körperlichen Beeinträchtigung, anpassen kann. Dazu kommen noch weitere Faktoren wie die Infrastruktur, der Grünraum oder Kinderspielplätze. In diesem Zusammenhang können wir sagen, dass wir in Österreich im internationalen Vergleich gut liegen“, erklärt Thomas Ritt. Während in anderen Großstädten wie New York oder London eine voranschreitende Gentrifizierung die soziale Struktur ganzer Stadtteile grundlegend ändert, bringe sie in Wien etwa positive Effekte: „Gerade hier haben wir erlebt, dass es erst durch die Gentrifizierung mancher Grätzl wie dem Karmelitermarkt oder dem Volkertmarkt zu einer richtigen sozialen Durchmischung dieser Gegenden gekommen ist“, betont Ritt.   
Ein wesentlicher Faktor dieser sogenannten „sanften“ Gentrifizierung in der österreichischen Hauptstadt ist ein funktionierender MieterInnenschutz, bei dem sich MieterInnen ganz einfach gegen einen Auszug aus ihren Wohnungen wehren können. Die aktuelle Wohnbaupolitik in Österreich wirke sich laut Christof Schremmer auf die soziale Durchmischung in den Städten positiv aus, etwa durch einen Mix zwischen geförderten und frei finanzierten Wohnungen in Neubauprojekten. Jedoch hat dieses Modell auch seine Nachteile. „Der Mix aus Mietern und Eigentümern in einem Objekt ist rechtlich und verwaltungsorganisatorisch sehr problematisch“, warnt er. Ein ausreichend sozial durchmischtes Grätzl ist gleichzeitig ein gutes Signal gegen die Bildung von städtischen Ghettos.

Besser als ihr Ruf

Gab es solche Tendenzen in Wien in den 1980er- und 1990er-Jahren etwa entlang des Gürtels, wo Mietshäuser fast ausschließlich von ZuwanderInnen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder aus der Türkei bewohnt waren, bemerkt man seit der Öffnung der Gemeindewohnungen für nicht österreichische StaatsbürgerInnen sogar rückläufige Tendenzen. „Auch Favoriten, das oft in Medien als Ghetto gebrandmarkt wird, ist keines: Es ist ein bunt durchmischter Bezirk, sowohl sozial als auch ethnisch“, unterstreicht Thomas Ritt.
Dass die Wohnrealität einer Wohnsiedlung oft anders als ihr Ruf ist, zeigt etwa der Wohnpark Alt-Erlaa in Wien. Obwohl sie von Außenstehenden aufgrund ihrer Größe oft als Plattenbau mit niedriger Wohnqualität wahrgenommen wird, ist diese Siedlung im Süden Wiens eigentlich das Gegenteil: „Wie gut man in großen Sozialbauten mit mehr als 10.000 Einwohnern lebt, hängt in erster Linie vom Bau, von der Verwaltung und der sozialen Organisation ab. In Alt-Erlaa sind diese Fragen gut gelöst und führen dementsprechend zur höchsten Wohnzufriedenheit“, meint Christof Schremmer und betont, dass nicht die Größe einer Siedlung, sondern vor allem ein gutes Infrastruktur- und Arbeitsplatzumfeld, eine ausreichende Begrünung und ein Zugang zu Freizeiträumen essenziell für die Wohnqualität sind.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor nedad.memic@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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