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Foto von H.C. Strache: Kein Geld mehr für unsere Leute?
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Kein Geld mehr für unsere Leute?

Schwerpunkt Populismus

Das neue freiheitliche Wirtschaftsprogramm sieht massive Sozialkürzungen vor. Was ist aus der "sozialen Heimatpartei" geworden?

„Unser Geld für unsere Leute“, „Sichere Pensionen statt Asylmillionen“, „Arbeitsstellen statt Zuwandererwellen“: So lauteten die FPÖ-Slogans über viele Jahre. Die Freiheitlichen haben ihr Image als „soziale Heimatpartei“ lange über eine zentrale Botschaft bestimmt, nämlich das „Nein zur Migration“. Durch totalen Zuwanderungsstopp, Rückführungsaktionen und umfassende Diskriminierung von Nicht-ÖsterreicherInnen im Sozialrecht würde demnach die Arbeitslosigkeit beseitigt und der Sozialstaat gesichert werden.
Nun räumt die FPÖ plötzlich ein, dass es „noch unklar ist, wie sich Flüchtlingsmigration auf den Arbeitsmarkt auswirken wird“. An anderer Stelle schreiben die Freiheitlichen in ihrem neuen Programm sogar davon, dass „gezielte und qualitative Zuwanderung“ auch zu den Voraussetzungen einer künftigen „Pole-Position“ Österreichs gehöre. Im Vordergrund stehen für die FPÖ die Stärkung von Eigentum, Vermögen und der Wettbewerbsfähigkeit. Geschehen soll das durch die Senkung von Unternehmenssteuern und Lohnnebenkosten. Lobende Töne – bzw. Plagiatsvorwürfe – gab es dafür umgehend von Teilen der ÖVP, aber auch aus den Reihen der Neos.

Neoliberales Angebot
Die Kernbotschaft der FPÖ 2017 lautet ganz unpatriotisch: Österreich ist „abgesandelt“ und muss von der wirtschaftlichen Kriech- auf die Überholspur. Wirtschaftswachstum – und nicht mehr vorrangig Migrationsbekämpfung – ist hierbei das neue Zauberwort. Nur „Reformen“ des Steuer- und Sozialsystems können laut FPÖ dieses Wachstum befeuern. Alle sozialen Probleme wie Arbeitslosigkeit, stagnierende Reallöhne, selbst steigende Mieten und Armutsgefährdung lösen sich dabei magisch durch die „unsichtbare Hand“ eines entfesselten Marktes. Alternativ dazu drohe das Szenario eines „Alpen-Hellas“, also einer wirtschaftlichen und sozialen Lage wie in Griechenland.
Im Zentrum des FPÖ-Angebots steht die massive „Verschlankung“ des Sozialstaates zugunsten von Steuer- und Abgabensenkungen. Das ist freilich genau jener Ansatz, der Griechenland in die soziale Katastrophe geführt hat. Weitere Schmankerln des Programms reichen von der Forderung nach Lockerung der Bankenregulierung über die volle steuerliche Absetzbarkeit von Geschäftsessen bis zu einem unbedingten Bekenntnis zum Gymnasium und gegen die Gesamtschule.
Demgegenüber beklagen die Freiheitlichen vor allem die Entwicklung der Sozialausgaben und sehen hier ein Sparpotenzial von „fast 20 Milliarden pro Jahr“ (!). Das ist das eigentliche Kernstück der FP-Reformvorschläge: Unmittelbar soll daher um 3,8 Milliarden Euro pro Jahr, plus eine Milliarde im Gesundheitswesen, gekürzt werden. Des Weiteren wendet sich die FPÖ mehr oder weniger direkt gegen Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen und den Einfluss ihrer Interessenvertretungen. Gleich zu Beginn wird das „schlechte“ Ranking des Landes in Bezug auf die mangelnde Flexibilität bei Anstellung und Kündigung bzw. bei der Lohnfestsetzung angeprangert. Für das Arbeitsinspektorat fordert man die „Reduktion der Kompetenzen“, für die AK die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft und die Halbierung der Kammerumlage. Als Quellen dieser Erkenntnisse werden übrigens u. a. Unternehmensberatungsagenturen, der IWF, die Industriellenvereinigung und die neoliberale Agenda Austria angegeben.

Zweierlei Ideologiestränge …
Trotz dieser Verschiebung in der Akzentsetzung handelt es sich aber nicht um eine totale ideologische Kehrtwende der FPÖ. Im Wirtschaftsprogramm weiterhin enthalten ist die brachiale Forderung nach „Nullzuwanderung“ ins österreichische Sozialsystem. Die FPÖ beklagt populistisch ausschließlich die Belastungen, die durch das Asylwesen entstehen. Das ist mitnichten ein Widerspruch zu ihren neoliberalen Thesen. Erstens sind und waren beide Ideologiestränge – also marktradikale und extrem rechte Positionen – in der FPÖ stets gut verankert. Zweitens haben umgekehrt auch einige neoliberale „Forscher“ und Politiker keine Berührungsängste gegenüber rechten Inhalten und fordern seit Jahren die nationale Abschottung des Sozialstaates, um ihn angeblich zu retten.
Das Gesamtbild ist und bleibt hier freilich widersprüchlich. Bemerkenswerterweise wird nämlich beim „Kurier“-Faktencheck zum FPÖ-Wirtschaftsprogramm ausgerechnet die neoliberale Agenda Austria zitiert, die meint, dass bei Sozialleistungen für AusländerInnen „keine Ersparnisse in Milliardenhöhe zu holen sind“. Es liegt auf der Hand: Flotte Sprüche gegen Flüchtende und MigrantInnen sind die eine Sache. Wer aber die Steuer- und Abgabenquote wirklich massiv senken und nicht von oben nach unten umverteilen will, der muss massiv bei Pensionen, Gesundheit und allgemeinen sozialen Leistungen kürzen – laut FPÖ eben bis zu 20 Milliarden Euro pro Jahr. Darüber im Detail zu reden ist dann freilich zunächst doch (zu) unpopulär.

… zweierlei Populismus
In der populistischen Vermarktung neoliberaler Positionen wandelt die FPÖ ebenfalls nicht auf völlig neuen Spuren. Noch bevor die Haider-FPÖ MigrantInnen als zentrales Thema entdeckte, schrieb sie sich die Verteidigung der „Fleißigen und Tüchtigen“ auf die Fahnen. Niemand anders als Andreas Khol (ÖVP) beklagte deshalb damals, dass man die neokonservative Wende den Freiheitlichen überlassen habe. Die oft durchaus harmlos klingenden Schlagworte des von der Haider-FPÖ – zumindest für Österreich – erfundenen neoliberalen Populismus finden sich auch im aktuellen FPÖ-Wirtschaftsprogramm wieder. Sie lauten etwa: „Sinnlose Vorschriften“, „überbordende Bürokratisierung“, „Streichung von Steuern“ oder „branchentaugliches Arbeitszeitrecht“.
Dass sich der neoliberale Populismus hier in Bezug auf die Tonlage bzw. Griffigkeit, aber auch die Konkretheit der angegriffenen Gruppen unterscheidet, ist unmittelbar mit den Stimmungslagen in der Gesellschaft verknüpft. Bereits vor Jahren hat eine Studie europaweit erhoben, dass das Verständnis, welche Sozialleistungen wem zustehen, sehr unterschiedlich ausgeprägt ist: SeniorInnen stehen an der Spitze, gefolgt von kranken bzw. behinderten Menschen, danach – mit deutlichem Abstand – Arbeitslose und am Schluss MigrantInnen. Es ist also zu erwarten, dass bei Bedarf weiter Parolen gegen Flüchtende oder den Islam aus dem Köcher gezogen werden, wenn es in Wirklichkeit um bzw. gegen das gesamte Pensions- oder Gesundheitssystem geht. Die Hetze gegen die Mindestsicherung ist dafür ein Beispiel. Ausgetragen wurde sie zwar über das Thema Flucht und Migration. Im Resultat kam es in einigen Bundesländern – wie Niederösterreich – sehr wohl zu allgemeinen Kürzungen.
Möglichkeiten für Gegenstrategien deutete demgegenüber bereits vor einiger Zeit ausgerechnet die konservative „Presse“ an. Sie erwähnte hier den Ökonomen David Rueda, der darauf hinweist, dass der Wunsch nach Umverteilung in Zeiten starker Zuwanderung zwar abnehmen kann. Die Abnahme der Solidarität fällt aber bei Vermögenden wesentlich dramatischer aus als bei Menschen mit niedrigen Einkommen und damit auch bei der Mehrheit der Bevölkerung. ÖGB und AK haben somit durchaus die Möglichkeit, den beiden (!) genannten Populismen entgegenzuwirken.

Mehrheit für Vermögenssteuern
So zeigt z. B. das Sozialbarometer der Volkshilfe nicht nur, dass eine überwiegende Mehrheit von 83 Prozent der Meinung ist, dass es gerade in der Verantwortung des Staates liegt, die Kluft zwischen Arm und Reich zu reduzieren.
Ebenso spricht sich laut Volkshilfe weiter eine deutliche Mehrheit für die Einführung von Vermögenssteuern aus. Diese klare Stimmungslage in der Bevölkerung widerspricht wiederum diametral dem FPÖ-Programm. Hier wendet sich die „soziale Heimatpartei“ nämlich explizit gegen die Erbschaftssteuer, Schenkungssteuer und Vermögenssteuer, als „Klassenkampf-Wünsche“, von denen man nichts halte.

„Kurier“-Faktencheck:
tinyurl.com/ydxoasbp
„Die Presse“: „Unser Geld für unsere Leute?“:
tinyurl.com/ya22fdra
Sozialbarometer der Volkshilfe:
tinyurl.com/yapgasvn
Nachlese: Etappensieg gegen neoliberales Dauerfeuer:
tinyurl.com/yb5n7nll

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor john.evers@vhs.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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