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Hannes Krauscher, Winzer in Großhöflein Hannes Krauscher war 25 Jahre lang mit Leidenschaft Einkäufer und Winzer und pendelte zwischen Großhöflein und Wien.
Hannes Krauscher, Winzer in Großhöflein Nun kehrt der gelernte Weinbauer zu seinen Wurzeln zurück.
Josef Pfeiffer ist Fachschulleher und hat nebenbei einen landwirtschaftlichen Betrieb Josef Pfeiffer ist Lehrer an der Fachschule Güssing und hat nebenbei einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Eltendorf im südlichen Burgenland.

Coverstory: Nebenbei rund um die Uhr

Schwerpunkt Landwirtschaft

Die Mehrheit der LandwirtInnen in Österreich bewirtschaftet ihren Betrieb inzwischen im Nebenerwerb. Manche haben wie Josef Pfeiffer das Glück, dass sich ihr zweiter Beruf perfekt mit der Landwirtschaft verbinden lässt. Für andere Beschäftigte wie Hannes und Elke Krauscher bedeutet es viel Arbeit, anstrengendes Pendeln und Stress. Und doch machen sie ihre Berufe mit Leidenschaft. Zwei Nebenerwerbs-Familien im Porträt.

Schon wenn man sich der Sporthalle in Hartberg nähert, sieht man, dass an diesem Tag Anfang November etwas Besonderes los ist. Es ist Mittagszeit und der Parkplatz ist voll, Kinder und Jugendliche strömen auf den Eingang zu, in der Halle selbst wuselt es nur so von jungen Menschen. In mehreren Reihen sind Stände aufgebaut, an denen verschiedene Schulen Werbung für sich machen.
Etwas weiter hinten im Raum ist der Stand der Landwirtschaftlichen Fachschule Güssing. Dort spricht Josef Pfeiffer gerade mit mehreren Mädchen, die sich für den Schulzweig Pferdewirtschaft interessieren. Gut gelaunt steht er ihnen Rede und Antwort, verteilt Informationsmaterial und Gebäck. Pfeiffer ist Lehrer an der Schule, nebenbei hat er einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Eltendorf im südlichen Burgenland.
Pfeiffer weiß viel zu erzählen, denn schon seit 34 Jahren bestreitet er mit seinem Lehrergehalt und den Erträgen aus der Landwirtschaft seinen Lebensunterhalt. Wie man diese zwei Berufe unter einen Hut bringt, darauf hat er eine klare Antwort: „Man braucht ein sehr konsequentes Zeitmanagement, egal ob das in der Schule oder in einem anderen Beruf ist. Man muss einfach einen strikten Zeitplan haben.“
Dabei kommen ihm die Stundenpläne und Urlaubsregeln in der Schule entgegen, wie er gesteht: „Da tut man sich natürlich leichter.“ Der große Vorteil im Vergleich zu vielen anderen Nebenerwerbsbauern ist freilich auch, dass sich seine Aufgabe in der Schule und seine Tätigkeit als Bauer perfekt ergänzen. „Als Landwirt in der landwirtschaftlichen Schule zu unterrichten: Es gibt nichts Besseres!“, sagt er begeistert.
Nicht bei allen Nebenerwerbsbäuerinnen und -bauern lassen sich die beiden Berufe so gut vereinbaren wie bei Josef Pfeiffer. Zum Alltag gehört eine solche Doppelbelastung inzwischen für die knappe Mehrheit (53 Prozent) der österreichischen BäuerInnen, die ihre Landwirtschaft als Nebenerwerb betreiben. Der Hauptgrund: Die Landwirtschaft allein bringt nicht genug Geld, um davon den Lebensunterhalt bestreiten zu können.
In vielen Fällen aber müssen BäuerInnen die Landwirtschaft noch neben einem völlig anderen Beruf unterbringen, wie es etwa bei einigen MitarbeiterInnen der voestalpine der Fall ist, denen bisweilen der Volksmund die Mitverantwortung für lange Staus im Berufsverkehr nach Linz gibt.

PendlerInnen-Alltag
Eine solche Situation kennen Hannes und Elke Krauscher nur zu gut. Das Ehepaar betreibt in der direkt an die burgenländische Hauptstadt Eisenstadt angrenzenden Ortschaft Großhöflein ein Weingut. Fast 25 Jahre lang musste Hannes Krauscher den Weinanbau mit seinem anderen Job als Einkäufer bei der Pharmafirma Shire unter einen Hut bringen.
Die Firma hat ihren Sitz in Wien. Täglich pendelte er mit dem Auto in die Hauptstadt, seit elf Jahren gemeinsam mit seiner Frau Elke, deren Arbeitgeber nicht unweit der Pharmafirma residiert. „Ich mache Personalverrechnung in Wien. Und das halt auch nebenbei“, erzählt sie. „Nebenbei rund um die Uhr“, hakt ihr Mann ein.
Krauschers ganzer Stolz ist ein Süßwein namens „Otto“: ein Muskat Ottonel, der aber mit weniger Alkohol auskommt als andere Süßweine. Ansonsten produziert er einen Rosé Sankt Laurent und hat mehrere Rot-, Weiß- und Schaumweine auf der Weinkarte. Es ist kaum übersehbar, mit welcher Leidenschaft er am Werk ist.
Dass der gelernte Weinbauer in der Pharmaindustrie gelandet ist, ist eine Kombination aus Pech und Zufall. Denn an sich hat Krauscher die Höhere Schule für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg absolviert.
Doch dann kam das große Pech. „Ich habe einen super Start in die Berufslaufbahn gehabt“, sagt er mit zynischem Unterton und doch lachend. „Ich habe Anfang Juni 1985 maturiert und Mitte Juni ist der Weinskandal, die Bombe, geplatzt. Da denkst du dir: super Berufswahl!“
Der Traum von einer Laufbahn im Weinbau mit späterer Übernahme des familieneigenen Betriebs war also vorerst geplatzt. Nach ein paar Jahren im Burgenländischen Winzerverband machte er einen kurzen Ausflug in die Versicherungswirtschaft, als er eines Tages von einem Bekannten angesprochen wurde, dass bei Immuno, einer der Vorgängerfirmen von Shire, ein Einkäufer gesucht werde. Kaum hatte er vorgesprochen, war er auch schon engagiert, erzählt Krauscher und lacht. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er Gefallen an seinem Job.

Schmerzhafte Entscheidungen
Zu Beginn seiner Berufslaufbahn war das Weingut noch hauptsächlich in den Händen der Eltern. 2003 übernahm er dann von ihnen – und musste gleich eine wichtige wie schmerzhafte Entscheidung treffen, um seine beiden Jobs unter einen Hut bringen zu können. „Wir haben da 13,5 Hektar gehabt. Das ist irre nebenbei“, sagt er rückblickend. Also verkleinerte er die Anbauflächen zunächst auf 9,5 und dann auf 7,68 Hektar.
„Der Plan war: Wir fahren das Weingut von der Größe her so runter, dass es schnuckelig handelbar ist. Weil das Problem, das wir eigentlich über viele Jahre mitgeschleppt haben, war: Wir waren für nebenbei zu groß“, erzählt er. „Vor zwei Jahren haben wir das geändert, weil wir gesagt haben: Es ist immer noch zu viel. Wenn du 20.000 Liter in der Flasche nicht an einen Kunden bringst, weil du die Zeit für den Verkauf nicht hast – weil das ist das Um und Auf –, dann funkt es nicht.“
Seine Frau Elke Krauscher bestätigt: „Es war schon schwierig, die Weine an den Mann oder die Frau zu bringen, weil der Hannes in den letzten Jahren so wenig Zeit gehabt hat.“ Also verkleinerten sie noch einmal, seither hat ihr Weinbaubetrieb eine Größe von 5,5 Hektar.

Neuer Lebensabschnitt
Für das Ehepaar Krauscher beginnt nun ein neuer Lebensabschnitt. Denn von der letzten Kündigungswelle bei Shire, die rund 500 MitarbeiterInnen in Österreich den Job kostete, war auch Hannes Krauscher betroffen. Momentan muss er sich noch an die neue Situation gewöhnen, seit August ist er freigestellt: „Jetzt geht das noch bis Ende Jänner und ich genieße mein neues Leben jeden Tag ein bisschen mehr.“
An der Größe des Betriebs wollen die beiden derweil nichts ändern: „Das ist eine superschnuckelige Größe, mit der wir ein schönes Leben haben können.“ Elke Krauscher arbeitet derweil weiter in Wien, was bei ihrem Mann durchaus Mitleid hervorruft: „Jetzt kommt der Winter und die Arme muss pendeln.“ Sie selbst sieht es pragmatisch: Man müsse schauen, wie sich der Betrieb nun weiterentwickelt. „Wenn wir mehr Möglichkeiten haben zu verkaufen, werde ich sicher auch daheimbleiben, weil die Arbeit mehr wird“, meint sie.
Aber wohl nicht nur deshalb, denn wenn sie über die Landwirtschaft spricht, kommt sie ins Schwärmen. Es sei eine sehr lohnende Tätigkeit: „Man ist viel in der freien Natur, hat viel mit Menschen zu tun und bekommt noch dazu so oft positives Feedback, wenn ein Wein schmeckt.“

Arbeitsintensive Tierwirtschaft
Auch die Geschichte des Betriebs von Fachschullehrer Pfeiffer zeigt, dass es nicht immer einfach ist mit der Doppelbelastung. Denn solange seine Eltern noch am Hof mitarbeiteten, wurden im Familienbetrieb auch Schweine gezüchtet. Damit war Schluss, als Pfeiffer den Betrieb übernahm. „Bei den Tieren ist man festgebunden“, erklärt er. Heute baut er auf einem Hektar Uhudler an, auf weiteren 15 Hektar Land betreibt er Ackerbau.
Aus seiner Gemeinde berichtet er von zwei weiteren Bauern, die ebenfalls doppelgleisig fahren mit Ackerbau nebenbei. „Das ist alles total mechanisiert, das geht“, sagt Pfeiffer. Zudem hat er viel ausgelagert, unter anderem die Ernte oder den Pflanzenschutz, im Weinbau hat er einen geringfügig Beschäftigten eingestellt.
„Die anspruchsvollen Tätigkeiten wie den Anbau selbst und die Verarbeitung übernehme ich“, erzählt Pfeiffer. Die Vermarktung liege großteils in den Händen seiner Frau. Warum tut man sich die Doppelbelastung überhaupt an? „Liebe und Leidenschaft“ lassen die ArbeiterInnen oder Angestellten an der Landwirtschaft zumindest nebenbei festhalten, wie es der Uhudler-Bauer ausdrückt.
Auch bei der Berufsmesse in Hartberg kann man aus den Wortmeldungen der Jugendlichen heraushören, dass die Familientradition die Berufswahl stark beeinflusst: „Meine Großeltern haben einen Bauernhof. Da arbeite ich auch schon mit, das macht Spaß“, erklärt ein Bursche. Ein anderer Bursche, der ebenfalls bei Josef Pfeiffer um Informationen über die Schule gefragt hat, erklärt: „Mein Vater ist Jäger. Das will ich auch werden.“ Der Vater eines Mädchens, das ganz rote Backen bekommt, als es hört, wie oft Reiten auf dem Stundenplan der Schule steht, besitzt einen Reiterhof.
An 96 Standorten österreichweit gibt es land- und forstwirtschaftliche Fachschulen wie jene, an der Pfeiffer unterrichtet. Zudem können Jugendliche an Berufsschulen oder Höheren land- und forstwirtschaftlichen Schulen eine Ausbildung als LandwirtInnen absolvieren.

Digitalisierung
„Beruf mit Zukunft“ steht auf den Foldern der drei Güssinger Schulzweige. Ein Blick in die Statistik lässt allerdings Zweifel aufkommen, vor allem was die sinkende Bedeutung der Agrarwirtschaft in Österreich betrifft (siehe auch „Die Kleinen als Feigenblatt“). Was hat sich während seiner 35-jährigen beruflichen Laufbahn in Landwirtschaft und Ausbildung verändert? „Es ist sehr viel Technik dabei, modernste Technik wie GPS-Systeme, Pflanzenschutz- und Düngegeräte, Melkmaschinen, alles computergesteuert“, erzählt Pfeiffer. Mit der steigenden Digitalisierung nahm die Bedeutung der EDV-Ausbildung seiner SchülerInnen noch deutlich zu.

ProfessionistInnen
Das Bild von LandwirtInnen, die in Familienbetrieben wirtschaften und deshalb mit Bürokratie und Buchhaltung zu sehr belastet werden dürften, entspricht jedenfalls nicht mehr der Realität. „Heute sind die Jungbauern Professionisten“, hält Pfeiffer fest. Auch hätten bei Weitem nicht alle einen Familienbetrieb im Hintergrund: „Das Verhältnis ist 50:50“, sagt er. Sie seien sehr gefragte FacharbeiterInnen etwa im Maschinenring oder in Lohnunternehmen der Landwirtschaft.
„Sie haben auch eine technische Ausbildung in der Landtechnik, deshalb sind sie im Landmaschinensektor sehr gefragt“, weiß Pfeiffer. „Die Betriebe reißen uns die Absolventen aus der Hand oder werben sie sogar schon in der Schule ab.“
Immer wieder wendet sich Josef Pfeiffer zwischendurch interessierten SchülerInnen zu. „Bitte, kann ich helfen? Was interessiert euch?“, fragt er, stellt den Anfragen entsprechend die Infomaterialien zusammen und plaudert entspannt mit den Jugendlichen.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sonja.fercher@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Infobox: Land- und forstwirtschaftlicher Nachwuchs
Im Schuljahr 2015/16 besuchten 17.435 SchülerInnen eine land- und forstwirtschaftliche Schule. Das Geschlechterverhältnis an sich beträgt fast 50:50, es ist allerdings je nach Ausbildung sehr unterschiedlich. Nur wenige Mädchen absolvieren in Österreich etwa eine Ausbildung in der Forstwirtschaft.
Wie in so vielen anderen Bereichen auch gehen Mädchen gerade in jene Bereiche, die ein schlechteres Einstiegsgehalt erwarten lassen. So kann ein/e FacharbeiterIn für Forstwirtschaft mit einem Einstiegsgehalt von 1.970 Euro rechnen, in der Landwirtschaft sind es 1.550 Euro, in der Pferdewirtschaft 1.430 Euro.

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