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Steuerexperte Mag. Werner Muhm Werner Muhm im Gespräch:
Steuerexperte Mag. Werner Muhm "Die größeren Vollerwerbsbetriebe haben in Österreich schon ein gutes Auskommen, daher sollten sie auch entsprechend Steuer zahlen.

Interview: Die Transparenzdatenbank ist ein Waterloo

Schwerpunkt Landwirtschaft

Werner Muhm, Steuerexperte und bis 2016 Direktor der AK Wien, über den Strukturwandel in der Landwirtschaft, hypertrophe Förderungen, fleißige Bauern und moderne AgrarunternehmerInnen.

Arbeit&Wirtschaft: Welchen Bezug hat die Arbeiterkammer eigentlich zum Thema Landwirtschaft beziehungsweise zu den Bauern?
Werner Muhm: Historisch betrachtet ist die Landwirtschaft ein zentraler Teil der Sozialpartnerschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Sozialpartnerschaft entstanden ist, war die Landwirtschaft ein bedeutender Sektor mit vielen Beschäftigten. In der damaligen Situation, als es darum ging, die gesamte Bevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen, spielte die Landwirtschaft natürlich eine wichtige Rolle. Später ist der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten deutlich zurückgegangen, genauso wie der Anteil des primären Sektors am Bruttosozialprodukt.
Heute kann man die Landwirtschaft praktisch als die Interessenvertretung des ländlichen Raumes bezeichnen. Und so betrachtet handelt es sich nach wie vor um einen räumlich und bevölkerungsmäßig großen Bereich. Denn schließlich kommen viele Bürgermeister in kleinen ländlichen Gemeinden vom Bauernbund und im neu gewählten Nationalrat stellt allein die ÖVP 16 Abgeordnete des Bauernbundes.
Dann kommt dazu auch noch der Einflussbereich des Raiffeisen-Konzerns – dazu gehören ja nicht nur die Lagerhäuser, sondern auch die Zuckerindustrie oder Molkereien. Hier gab es lange Zeit eine enge Vernetzung der Sozialpartner in Form von Agrarfonds, Marktordnungsgesetzen, Preisregelungen usw. Eine bedeutende Zäsur war dann der EU-Beitritt. Last but not least sind AK und ÖGB nach wie vor daran interessiert, dass die Verarbeitungsbetriebe gut funktionieren. Und abseits der Sozialpartnerschaft ist es außerdem durchaus sinnvoll, wenn es eine Organisation wie die AK gibt, die beim wichtigen Thema Agrarpolitik und Landwirtschaft mitreden kann. Denn in der Landwirtschaft gibt es eine Art Herrschaftswissen darüber, wie alles läuft. Allein das Thema Förderungen ist höchst komplex und für Außenstehende kaum zu durchschauen.

Und wer sich etwas mit dem Thema Landwirtschaft beschäftigt, bemerkt bald eine gewisse Diskrepanz zwischen der öffentlichen Wahrnehmung von den fleißigen, aber armen Bauern und der Realität …
Das Bild der Bäuerinnen und Bauern, die für wenig Geld tagaus, tagein schuften und die Landschaft pflegen, stimmt so nicht wirklich. Aber es wird von den Lobbyisten der Landwirtschaft seit vielen Jahren erfolgreich transportiert und gepflegt. Da gibt es eine starke Interessenvertretung und diese ist auch international gut vernetzt, ganz zu schweigen von der Bedeutung  des Raiffeisen-Konzerns mit wichtigen Industriebetrieben, Banken etc. Hier dagegenzuhalten, da holt man sich – bildlich gesprochen – manchmal schon blutige Köpfe.
In puncto Interessenvertretung sind die Bauern also gut aufgestellt. Über Jahre und Jahrzehnte wurde ein Bild geprägt, das nicht mehr der Realität entspricht. In Österreich gibt es derzeit rund 160.000 landwirtschaftliche Betriebe, davon nur ca. 60.000 im Vollerwerb. Berechnet man hier das Durchschnittseinkommen, mit dem in der Regel argumentiert wird, dann ist es natürlich nicht erstaunlich, dass hier ein eher niedriger Betrag herauskommt, wenn die meisten Nebenerwerbsbauern sind. Die Vollerwerbsbetriebe verdienen eigentlich sehr gut.

Es lohnt sich also noch, in Österreich einen Bauernhof zu führen?
Als Vollerwerbsbauer auf jeden Fall. Ich muss vorausschicken, dass es in Österreich eine grundsätzliche Auseinandersetzung im Agrarsektor gibt: Die einen sind hauptsächlich fokussiert auf die Bergbauern und kleine Betriebe, die gefördert werden müssen. Ich war allerdings immer der Ansicht, dass umso mehr Subventionen gebraucht werden, je kleiner die Betriebsstrukturen sind.
In gewissen Regionen ist das sicher sinnvoll, aber prinzipiell sollten auch in Österreich die Betriebe eher wachsen, damit jeder, der einen landwirtschaftlichen Betrieb führen möchte, auch davon leben kann. Die durchschnittliche Größe eines landwirtschaftlichen Betriebes in Österreich ist in den vergangenen Jahren bereits gestiegen, aber es ist durchaus sinnvoll, wenn dieser Trend weiter anhält. So können wir langfristig überlebensfähige Strukturen schaffen. Im internationalen Vergleich sind die großen landwirtschaftlichen Betriebe in Österreich ohnehin noch eher klein.

Auch im europäischen Vergleich oder global betrachtet?
Es stimmt, die durchschnittliche Betriebsgröße ohne Wald beträgt in den EU-Staaten 16 Hektar und in Österreich 18 Hektar. Nur wird der EU-Schnitt auch von kleinteiligen Strukturen wie in Polen oder Rumänien beeinflusst.
Also wir haben hierzulande nach wie vor eine Kleinstruktur und sind von der industriellen Landwirtschaft noch weit entfernt. Man sollte daher etwa jungen, gut ausgebildeten Bauern, die einen kleinen elterlichen Betrieb übernehmen wollen, die Möglichkeit zum Vergrößern auch in Form von Pacht geben.
Die ÖVP hat viel zu lange Sozialpolitik statt Strukturpolitik betrieben, die Entwicklung vom Bauern zum Agrarunternehmer wurde so eher behindert. Wir haben ja heute die am besten ausgebildeten Bäuerinnen und Bauern sowie Betriebsleiter, die agrarischen Schulen sind ausgezeichnet mit einer günstigen Schüler-Lehrer-Quote.
Umso unverständlicher ist es, dass wir heute noch Pauschalierungen bei der Gewinnermittlung eines bäuerlichen Betriebes brauchen, wenn die Landwirte ohnehin doppelte Buchhaltung und entsprechende Computerprogramme beherrschen. Vor allem für größere Betriebe ist das Prinzip der Pauschalierung nicht mehr gerechtfertigt.

Zusätzlich ist die Landwirtschaft ja ohnehin ein hoch subventionierter Sektor.
Wir haben hier 1,2 Milliarden EU-Förderungen, außerdem Landes- und Bundesförderungen, insgesamt 1,926 Milliarden. Außerdem: Von jedem Euro für Bauern-Pensionen kommen 80 Prozent aus dem Budget. Denn derzeit besteht ein grobes Missverhältnis zwischen Zahlenden und Pensionisten. Alles in allem sind das gewaltige Ausgaben für eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe.
Zudem gab es in den vergangenen Jahren Subventionen von mehreren Hundert Millionen für Biomasse. Was die Förderungen betrifft, so ist meine These, dass noch etwas mehr Strukturpolitik in die Agrarpolitik hineinkommen muss, wir müssen weg von der Flächenförderung. Auch im Hinblick auf Wetterkapriolen oder mit dem Klimawandel einhergehende Probleme wäre es durchaus sinnvoll, auf eine Art Versicherungssystem umzustellen, das Risiken wie Ernteausfälle abdeckt und weniger Flächenprämien nach dem Gießkannenprinzip. Förderungen sollte es nur in besonderen Fällen geben, in besonders benachteiligten Regionen oder für kleine Bergbauernhöfe.

Die meisten Gelder kommen aber aus der EU, wo Österreichs Einfluss eher bescheiden ist.
40 Prozent des EU-Haushaltes gehen derzeit in die Landwirtschaft. Mit dem Brexit werden Einnahmen wegfallen, denn Großbritannien war ein starker Nettozahler. Da wird es eine ganz schwierige Diskussion geben: Wie können diese Verluste ausgeglichen werden, können sie überhaupt ausgeglichen werden? Welche Reformschritte sind nötig?
Die EU-Agrarpolitik ist ja schon einige Male an ihre Grenzen gestoßen. Nach dem Wegfall der Milchquoten kam deutlich mehr Milch auf den Markt, es folgte ein Preisverfall von Milchprodukten. Als Reaktion darauf wurden Sonderstützungen ausbezahlt. Oder nehmen Sie nur die aktuelle Migrationsdebatte: Auch hier muss die EU mehr nachdenken, welche weitreichenden Konsequenzen ihre Agrarpolitik haben kann. Denn die kleinbetrieblichen Strukturen in vielen schwarzafrikanischen Ländern wurden zerstört durch den Import von billigen, durch die EU geförderten Waren. Und die Menschen dort haben kaum mehr Perspektiven.
Positiv in Bezug auf die EU ist, dass unsere Agrarwirtschaft den Trend zu Nachhaltigkeit und biologischer Landwirtschaft gut bewältigt hat. Heute ist schon fast jeder fünfte Hektar im Bioanbau. Hier wurden Marktchancen gut genutzt. Auch die österreichischen Exportzahlen sind durchaus positiv.

Von Bauernseite kommen immer wieder Klagen über bürokratische Hürden bei Förderungen etc.
Der Agrarsektor ist der am höchsten subventionierte Bereich und ich glaube, es ist unbestritten, dass Bürokratie und Verwaltung hier eine große Rolle spielen. Das geht von den Bezirksbauernkammern über den Agrarlandesrat, die AMA und das Ministerium – wobei die Landwirtschaft eigentlich Ländersache ist – bis zur EU. Die Bauern sind extrem verwaltet.

Gibt es in der EU eigentlich potenzielle Partner, die ähnliche Interessen wie Österreich verfolgen?
Das ist ein schwieriges Feld. Franz Fischler hat sich ja sehr für die biologische Landwirtschaft engagiert. Doch die ist in manchen Ländern nicht sehr beliebt. Eine wichtige Strategie ist die Entwicklung des ländlichen Raumes, von diesen Geldern ging ja lange Zeit in Österreich sehr viel in die Landwirtschaft. Die AK war aber immer der Ansicht, dass diese Mittel für den Ausbau von Infrastruktur, den Tourismus oder für Gewerbebetriebe verwendet werden sollten, um die ländliche Entwicklung voranzutreiben und auch Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft zu schaffen. Hier gibt es auch bereits Erfolge, etwa in Oberösterreich, wo viele Mittelbetriebe angesiedelt sind.

Das Landwirtschaftsministerium veröffentlicht jedes Jahr den Grünen Bericht. Wie ist Ihre Stellungnahme zum aktuellen Bericht, der Anfang Herbst veröffentlicht wurde?
Die Einkommen in der Landwirtschaft sind 2016 um mehr als 13 Prozent gestiegen, aber da muss man fairerweise auch dazusagen, dass es die drei Jahre davor Rückgänge gab. In der Landwirtschaft, die so sehr vom Wetter abhängig ist, muss man immer den Durchschnitt von mehreren Jahren berechnen. Die größeren Vollerwerbsbetriebe haben in Österreich schon ein gutes Auskommen, daher sollten sie auch entsprechend Steuer zahlen.

Und die Transparenzdatenbank, wird sie irgendwann ihren Zweck erfüllen?
An sich könnte man auch aus dem recht umfangreichen Grünen Bericht einiges herauslesen. Doch manches bleibt nach wie vor wenig transparent. Interessant ist zum Beispiel, dass bei der Diskussion über die Pflichtmitgliedschaft bisher die Landwirtschaftskammern nicht erwähnt wurden, obwohl dorthin auch einiges Geld aus dem Budget fließt. Manche sprechen davon, dass bis zu 40 Prozent des Budgets der neun Landwirtschaftskammern und der Landwirtschaftskammer Österreich aus öffentlichen Geldern stammen!
Sonst kann ich dem Rechnungshof nur Recht geben, die Transparenzdatenbank hat soviel ich weiß einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet und ist ein wahres Waterloo. Dabei wäre es durchaus wichtig, dass man weiß, wofür Gelder aufgewendet werden, wo es Doppelförderungen und Ähnliches gibt.

Wenn Sie für die Zukunft ein Bild der idealen Landwirtschaft entwerfen könnten, wie sähe das aus?
Bei aller Kritik, dass Veränderungen nur langsam möglich sind, muss man doch konstatieren, dass der heimische Agrarsektor im Großen und Ganzen gut aufgestellt ist. Anlässlich des EU-Beitritts gab es ja doch massive Befürchtungen, dass unsere landwirtschaftlichen Produkte, aber etwa auch die Weinbauern von der internationalen Konkurrenz überrollt würden. Tatsächlich sieht man sogar, dass es durch die gestiegenen Betriebsgrößen heute wieder mehr unselbstständig Beschäftigte in der Landwirtschaft gibt. Derzeit sind es mehr als 72.000, Tendenz steigend. Ich glaube daher, man muss weiterhin auf Spezialisierung, Nachhaltigkeit und hohe Qualität setzen.
Um die Landwirte vor existenzbedrohenden Problemen in Zusammenhang mit der Klimaveränderung zu schützen, wäre eine Regelung nach dem Prinzip der Hagelversicherung zu überlegen. Die Finanzierung solcher Neuerungen dürfte natürlich nicht additiv erfolgen, sondern durch Umschichtung der vorhandenen Mittel. Und Förderungen sollten verstärkt dafür eingesetzt werden, um den Strukturwandel zu begleiten. Was in nächster Zeit auch ein großes Thema sein wird, ist die erneuerbare Energie und das Zurückfahren der hypertrophen Förderung von Biomasse.
Als Arbeiterkammer liegt uns sehr wohl an einer funktionierenden Landwirtschaft und daran, dass die nachgeordneten Betriebe florieren. Auch hier gibt es einige tolle Beispiele, wenn ich etwa daran denke, wie kleinstrukturiert früher die Mühlen in Österreich waren – jetzt gibt es hier einen beachtlichen Konzern.  Die Zuckerindustrie ist mit der Agrana ebenfalls sehr gut unterwegs, auch die Weinwirtschaft. Und sogar die nach wie vor kleinstrukturierte Molkereiwirtschaft schlägt sich sehr gut auf dem internationalen Markt.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Zur Person
Werner Muhm begann nach dem Studienabschluss in der wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer, wo er Mitglied des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen war. Ab 1976 war der Betriebswirt im volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB tätig. 1990 kehrte er in die Arbeiterkammer zurück, ab 2000 war er Direktor der Arbeiterkammer Wien. Offiziell ist Muhm seit Juni 2016 in Pension, aber nach wie vor regelmäßig für die AK tätig.

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