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Symbolbild zu leistbarem Wohnen Die Regierung hat die Forderungen der Immobilienwirtschaft zu den ihrigen gemacht. Die Nöte der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen spielen offensichtlich keine Rolle.
Symbolbild zu leistbarem Wohnen: desolates Zimmer

Angriffe auf leistbares Wohnen

Schwerpunkt Gesellschaftspolitik im Regierungsprogramm

Die bisherigen Pläne der Regierung sind vage, die Richtung aber ist eindeutig: Mehr Geld für die Immobilienwirtschaft, weniger Chancen für leistbares Wohnen.

In Österreich steigen die Wohnkosten rasant, vor allem in den Städten. Überproportional davon betroffen sind vor allem jene Haushalte im privaten Mietwohnungssegment, die einen neuen Mietvertrag abschließen oder deren abgelaufener befristeter Mietvertrag verlängert werden soll. In Wien sind jährlich rund zwei Drittel der jeweils neuen Mietverträge diesem Segment zuzuordnen, in anderen Städten und Ballungsgebieten ist es ähnlich. Die aktuellen privaten Mieten sind in der unteren Einkommenshälfte vielfach nicht oder nur kaum erschwinglich. Nicht selten beläuft sich die Belastung des monatlich verfügbaren Einkommens auf mehr als 40 Prozent, und zwar ohne dass Heiz- und sonstige Energiekosten berücksichtigt wären.
Reagiert die neue Regierung auf diese Herausforderungen? Zum Thema Wohnen finden sich im VP/FP-Regierungsprogramm unter der Überschrift „Modernisierung des Wohnrechts“ und vereinzelt an anderen Stellen einige mehr oder minder konkret ausformulierte Änderungsvorhaben. So will die Regierung ein neues Mietrecht schaffen, das Regierungsprogramm ist dabei jedoch recht vage. Die Rede ist von einem „verständlichen, anwenderfreundlichen, gerechten und transparenten Mietrecht, das ausgewogen die berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern als mündige Vertragspartner widerspiegelt“. Über die Interpretation dieses Satzes ergeben sich jedenfalls erhebliche Auffassungsunterschiede, je nachdem, ob man ihn aus MieterInnen- oder VermieterInnensicht betrachtet.
Problematisch ist jedenfalls die Ankündigung, dass das neue Mietrecht ausdrücklich eine „marktkonforme Miete“ ermöglichen soll. Eine solche führt unweigerlich zur Abbildung der Überhitzungen des Marktes. Da zahlt man dann schon einmal 300 Euro Miete für ein 8 m² großes Zimmer mit Gemeinschaftsdusche oder 1.300 Euro für eine 75-m²-Wohnung. In Ballungsgebieten, in denen es einen Nachfrageüberhang bei den niedrig- bis mittelpreisigen Wohnungen gibt, sind dann für Durchschnitts- und GeringverdienerInnen unleistbare Mieten die Regel.

Unfaire Logik
Fair ist es sicher nicht, wenn sich die Höhe der Miete nicht an den Kosten von baulichen Investitionen orientieren muss. Der Marktwert von Immobilien und ihre Marktwertsteigerungen resultieren nämlich nicht nur aus der eigenen Leistung der EigentümerInnen, sondern auch aus den Investitionen und Entscheidungen der Allgemeinheit. Wohnungen können zumeist nur dort lukrativ vermietet werden, wo die öffentliche Hand für die Infrastruktur, für die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen und die Attraktivität des Wohnumfeldes sowie den sozialen Frieden sorgt. Auch die Finanzkrise und die Flucht in Betongold haben Wert- und Mieterhöhungen am Markt bewirkt. So stellt sich die Marktmiete eher als Profit aus Spekulation statt als Rendite auf Investition dar.

Mietadel?
Als Maßnahme nennt das Regierungsprogr
amm ausdrücklich die „Abschaffung des Mietadels“, und zwar durch eine „zeitgemäße Ausgestaltung der Eintrittsrechte“. Dies bedeutet offensichtlich eine gesetzliche Einschränkung der Rechte von MieterInnen, unter bestimmten Voraussetzungen den Mietvertrag der Eltern/Großeltern zu übernehmen, etwa bei deren Tod. Damit werden noch weniger jüngere, nicht wohlhabende Wohnungssuchende Zugang zu günstigen Wohnungen haben, insbesondere in zentralen und innenstadtnahen Lagen. Doch es ist sehr kurzfristig gedacht: Zwar werden die betreffenden Wohnungen frei, zugleich drängen aber Tausende Haushalte mehr auf den Wohnungsmarkt – und erhöhen damit die Nachfrage, was wiederum preistreibend wirkt. Dazu kommt, dass die frei gewordenen Wohnungen für einen Großteil der Wohnungssuchenden trotzdem nicht leistbar sind.
Ist es für die Gesellschaft wirklich erstrebenswert und von der Regierung tatsächlich gewollt
, dass etwa in Wien Wohnungen innerhalb des Gürtels praktisch nur mehr vom obersten Einkommensdezil bewohnt werden können? Wollen wir, dass PolizistInnen, KrankenpflegerInnen oder KindergärtnerInnen zwar dort arbeiten, aber ohne Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sie dort auch wohnen können? Nebenbei bemerkt ist es geradezu grotesk und beschämend, dass die Regierung und die Immobilienwirtschaft Menschen, die oft (weit) unter dem Medianeinkommen verdienen, als „Mietadel“ bezeichnen.
Einige mietrechtliche Maßnahmen, die nach der Absicht der VP/FP-Koalition schon vor einer großen Mietrechtsreform umgesetzt werden sollen, lassen teils massive Verteuerungen für Wohnungssuchende sowie MieterInnen, deren befristete Verträge ablaufen, befürchten. Der Grund: Die Teile des Mietrechts, die der Verfassungsgerichtshof vor Kurzem als Ausdruck des öffentlichen Interesses an Mietzinsdämpfung und Erschwinglichkeit von Wohnraum bestätigt hat, sollen rasch beseitigt werden. Geplant ist etwa die Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages in Gründerzeitvierteln. Damit werden die bestehenden Mietenbegrenzungen weiter aufgeweicht.
Das derzeitige gesetzliche System, das sogenannte Richtwertsystem, kann schon heute seine mietpreisdämpfende Wirkung nur sehr beschränkt entfalten. Zum einen gilt es nur für Altbauwohnungen in Gebäuden, die vor 1945 errichtet wurden. Zum anderen wird in diesem System für viele Wohnungen ein „Lagezuschlag“ berechnet, der sich in der Praxis anhand der explodierenden Grundstückspreise errechnet. Gebiete ohne Lagezuschlag sind in größeren Städten daher die einzigen Lagen, in denen die gesetzliche Mietobergrenze tatsächlich für die Erschwinglichkeit von Wohnraum für weite Bevölkerungskreise sorgt. Das Gesetz definiert bisher (noch) die Gründerzeitviertel, in denen noch immer viele Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Mietskasernen stehen, ausdrücklich als maximal durchschnittliche Lage. Das ist der Immobilienwirtschaft und den in- und ausländischen ImmobilienspekulantInnen ein Dorn im Auge.

Unverhältnismäßige Erhöhungen
Dazu ein Beispiel: Eine vierköpfige Familie bewohnt eine 85 m² große Altbauwohnung. Sie hat einen auf vier Jahre befristeten Mietvertrag. Die Wohnung liegt im 17. Wiener Gemein
debezirk, also einem sogenannten Gründerzeitviertel. Die Miete beträgt derzeit 660 Euro netto plus 180 Euro Betriebskosten plus 10 Prozent Umsatzsteuer, gesamt also 924 Euro (kalt, sprich ohne Heiz- und Energiekosten). Wenn die Regierung ihre Absicht umsetzt, dann droht der Familie bei Verlängerung des Vertrages eine Erhöhung des Mietzinses für diese Wohnung um mehr als 200 Euro. Allein in Wien kann die „Aufhebung des Verbots des Lagezuschlages in Gründerzeitvierteln“ Verteuerungen bei circa 100.000 Wohnungen um bis zu 60 Prozent bewirken, wenn diese neu vermietet oder befristete Verträge verlängert werden. Offensichtlich ist nicht Wohnsicherheit der Bevölkerung das Ziel, „ein selbstbestimmtes, abgesichertes Leben“, wie im Regierungsprogramm behauptet wird. Das bisherige Bekenntnis – im Sinn des Wohls der Familien – zum unbefristeten Mietvertrag und zu seiner Attraktivierung gilt nicht mehr.
Bezieht man die Wahlprogramme in die Auslegung dieser Formulierung mit ein, bedeutet dies die Abschaffung oder eine erhebliche Verminderung der derzeitigen gesetzlichen Regelung, wonach befristete Mieten um 25 Prozent niedriger sein müssen als unbefristete. Damit können in Zukunft viele befristete Mietverträge im Altbau bei ihrer Verlängerung mit einem Schlag um bis zu ein Viertel teurer werden, ebenso die Neuverträge. Die Konsequenz: Das Angebot von kostengünstigem Wohnraum wird noch kleiner.

Mogelpackung
„Mehr Gerechtigkeit im sozialen Wohnbau sicherstellen“ – unter diesem Titel werden regelmäßige Mi
etzinsanpassungen für BesserverdienerInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau gefordert. Dies ist allerdings eine Mogelpackung. Denn wenn man schon argumentiert, dass jemand „nicht ein Leben lang von einer Wohnbauförderung profitieren darf, wenn er nicht ein Leben lang bedürftig bleibt“, dann müsste man die „soziale Treffsicherheit“ jedenfalls auch bei der Förderung von Eigentum regelmäßig überprüfen. Denn wie ist es zu rechtfertigen, dass jemand – gefördert aus den Mitteln der SteuerzahlerInnen – vor Jahren eine geförderte Eigentumswohnung um einen Bruchteil des heutigen Marktwertes erworben hat und weiter in den Genuss dieser günstigen Wohnmöglichkeit kommt, obwohl er oder sie als mittlerweile BesserverdienerIn die Fördervoraussetzungen schon lang nicht mehr erfüllt?
Ob beim geförderten Einfamilienhaus, bei der geförderten Eigentumswohnung oder bei den Mietkaufwohnungen der gemeinnützigen Bauvereinigungen: Hier trifft es noch mehr zu, dass die EigentümerInnen lebenslang von der Wohnbauförderung (also durch die SteuerzahlerInnen) profitieren, als bei MieterInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau. Ja, es profitieren sogar noch die unter Umständen bestverdienenden ErbInnen von der Förderung durch die SteuerzahlerInnen. Wenn man also Maßnahmen im Sinn des Regierungsprogramms ergreift, dann auch im geförderten Eigenheim- und Eigentumswohnbau.

Kurzsichtige Forderung
Höhere Mieten für BesserverdienerInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau sind zudem sehr kurzsichtig, weil dies dazu führen wird, dass die Wohnungen an Menschen mit geringerem Einkommen gleich gar nicht vermietet werden. Kommunale, gemeinnützige und private, mit Fördermitteln agierende Wohnbauunternehmen könnten Mieteinnahmen optimieren und tendenziell an Besserverdienende vermieten – und müssten dies aus aufsichtsbehördlichen, budgetoptimierenden und betriebswirtschaftlichen Zwängen sogar. Somit haben gerade jene Menschen, für die geförderte Wohnungen eigentlich errichtet wurden, weniger Zugang zu günstigem Wohnraum. Viel sinnvoller ist da die bisherige Praxis, dass alle MieterInnen prinzipiell einen gleich hohen Mietzins bezahlen, jedoch die einkommensschwächeren Haushalte Wohnbeihilfe zur effektiven Wohnkostensenkung erhalten. Damit bezahlen BesserverdienerInnen im kommunalen und gemeinnützigen Wohnbau schon derzeit im Endeffekt mehr.
Immerhin, für die Menschen, die sich Eigentum leisten können, soll es finanzielle Erleichterungen geben. Das Regierungsprogramm wird dazu blumig: Familien sollen sich „ihren Traum von den eigenen vier Wänden wieder einfacher erfüllen können“. Die Begründung: „Eigentum ist eine wichtige Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.“ Konkret ist darin das Vorhaben verankert, dass „staatliche Gebühren und Steuern im Zusammenhang mit dem Eigentumserwerb“ wegfallen sollen. Klingt ja alles wunderbar, zumindest in der Theorie. Denkt man diesen Vorschlag aber durch, werden sich Familien ihren Traum von den eigenen vier Wänden doch nicht einfacher (= kostengünstiger) erfüllen können, wie die Koalitionspartner glauben machen wollen. Im selben Ausmaß, wie sich die Steuern und Gebühren vermindern, werden die Kaufpreise der Eigentumswohnungen und Eigenheime steigen. Die Kaufpreise am freien Markt bilden sich ja je nachdem, welche Kostenbelastung sich Menschen insgesamt beim Kauf einer Immobilie leisten können. Bauträger werden die Verbilligung der Kaufnebenkosten also schlichtweg „aufsaugen“. Das bedeutet mehr Gewinne für Bauträger auf Kosten des Staates, also der Allgemeinheit.
„Bauland mobilisieren“: Dieses Stichwort im neuen Regierungsprogramm ist nicht neu. Schon in der alten Regierung war vereinbart, dass „Vorbehaltsflächen für den förderbaren Wohnbau“ bei Umwidmungen von Grundstücken der öffentlichen Hand in Bauland geschaffen werden sollen. Mehr ist mit der ÖVP offensichtlich nicht möglich. Man fragt sich aber zu Recht, warum dies nur für Grundstücke der öffentlichen Hand gelten soll?
Kann man es von einem privaten Grundeigentümer nicht verlangen, dass er einen Teil seines Grundstücks zu einem sozialen Preis für den geförderten Wohnbau zur Verfügung stellen muss, wenn er nicht durch eigene Leistung, sondern durch die Baulandwidmung der öffentlichem Hand zum Millionär wird?

ArbeitnehmerInnen ignoriert
Schon StadtforscherInnen des Kollektivs urbaniZm haben nachgewiesen, dass die Regierung die Forderungen der Immobilientreuhänder und institutionellen Anleger wie Banken, Versicherungen oder ausländische Investmentfonds im Regierungsprogramm zu den ihrigen gemacht hat. Schwarz-Blau will also offensichtlich deren Interessen fördern, die Nöte der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen spielen offensichtlich keine Rolle. Für die mittleren und einkommensschwächeren Haushalte wird nichts getan, ganz im Gegenteil: Für ein großes Wohnungssegment, das meist von Durchschnitts- und GeringverdienerInnen bewohnt wird, werden die Mieten noch teurer.

Linktipp:
„Wie sich die Immobilienwirtschaft in das Regierungsprogramm eingebracht hat“:
tinyurl.com/y75qbtx9

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor walter.rosifka@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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