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Symbolbild: Welcher Wohlstand für wen?

Welcher Wohlstand für wen?

Schwerpunkt Wirtschaftspolitik im Regierungsprogramm

Auch wenn die Regierung vorgibt, den Wohlstand auszubauen, besteht die Gefahr, dass am Ende für die Mehrheit der ÖsterreicherInnen kein Fortschritt erzielt wird.

Regierung, Opposition und viele NGOs sind sich auf der Überschriftenebene einig, dass Wohlstand gemehrt und Lebensqualität verbessert werden sollte. Sie meinen aber trotzdem Unterschiedliches für unterschiedliche Menschen. Gleich im ersten Absatz des neuen Regierungsprogramms wird „unser Wohlstand“ erwähnt, der auch in Zukunft erhalten und weiter ausgebaut werden solle. Was darunter zu verstehen ist, wird klar, wenn man sich die Kapitel ansieht, in denen auf Wohlstand verwiesen wird: Es geht vor allem um die Stärkung des Wirtschaftsstandortes bzw. mehr Exporte, unter anderem durch Innovation und Digitalisierung. Und um Sicherheit, Sport, Mobilität und Tourismus.

Exporte = Wohlstand?
Materieller Wohlstand ist unbestritten ein wesentliches Ziel für die Verbesserung der Lebenssituation. Allerdings umfasst dieser vor allem Güter und Dienstleistungen, über die man tatsächlich verfügen kann, die also im Inland sind. Exporte sind also zunächst einmal exportierter Wohlstand. Erst wenn mit den erzielten Gewinnen bzw. den für die Produktion ausbezahlten Löhnen Dinge erworben werden, lässt sich der Wohlstand der hiesigen Bevölkerung verbessern. Ein direkterer Wohlstandsbezug wäre somit bei Gütern und Dienstleistungen gegeben, die nicht exportiert werden und damit direkt die materiellen Möglichkeiten im Inland ausweiten – für KonsumentInnen und ProduzentInnen. Und die nach wie vor den überwiegenden Teil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage darstellen.
Diese Logik ist jedoch ideologisch verschüttet angesichts einer nationalistischen Anrufung von einem einheitlichen Subjekt „Österreich“, das sich im Wettbewerb gegen andere durchsetzen müsse. In diesem Österreich kommen unterschiedliche Ausgangslagen und Interessen nicht vor, allerdings ist es ständig bedroht: von „Durchschummlern“, „Ausländern“, der EU, „Systempolitikern“, Feministinnen, „Asylanten“, „Islamisten“ etc. Darum brauche es auch – neben einer starken Regierung – viel mehr Polizei und Militär, um Österreich zu schützen. Und einen Abbau des Sozialstaates, der angeblich die Falschen schützt und Leistung verhindert.
Folgerichtig hat die Regierung im aktuellen Budget den Sozialstaat beschnitten. Und daneben eine „Offensive für den Wirtschaftsstandort Österreich“ gestartet, der nun sogar als Staatsziel in der Verfassung verankert werden soll.

Wohlstand ist mehr
Wohlstand ist aber mehr als verfügbare Einkommen bzw. Konsummöglichkeiten. Es geht auch um das subjektive Wohlergehen, das nicht nur materielle Aspekte umfasst, sondern darüber hinaus insbesondere Gesundheit, Verwirklichungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, soziale Beziehungen, die Einbindung in die gesellschaftlich immer noch zentrale Arbeitswelt und eine intakte Umwelt. Bei all diesen Aspekten stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit und nach den Unterschieden zwischen den Menschen. Vermögen ist etwa extrem ungleich verteilt, bestimmt aber wesentlich die einzelnen Faktoren des Wohlergehens.

Möglichst breiter Blick
Will man also Wohlstand und Wohlergehen in diesem Land fördern, braucht es zuerst einen möglichst breiten Blick auf die Ausgangslage. Je nach Weltanschauung wird die politische Prioritätensetzung dann immer noch unterschiedlich sein, doch könnte eine breite Betrachtung zumindest die Grundlage für eine transparente, sachorientierte Debatte schaffen.
Die geplante Verfassungsänderung der Regierung ist das genaue Gegenteil davon: Die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes soll jedenfalls prioritär behandelt werden, ganz egal, ob das im Moment überhaupt ein wichtiges tatsächliches Problem darstellt. Da nie alle Ziele gleichzeitig erfüllt werden können und sie sich zum Teil untereinander ausschließen (z. B. führte eine Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit zu einer Verschlechterung der materiellen Möglichkeiten der Mehrheit der Lohnabhängigen), ist eine automatische einseitige Priorisierung per Verfassung langfristig daher das Gegenteil von einer wohlstandsfördernden Politik.
Will man auf höherer Ebene grundsätzliche wirtschaftspolitische Ziele verankern, so sollten Wohlstand und Wohlergehen als Orientierungspunkte gewählt und in Folge konkretisiert werden. Auch gilt es, Mechanismen zu entwickeln, wie konkrete Prioritäten regelmäßig demokratisch festgelegt werden können. Über Jahrzehnte galt das magische Vieleck der Wirtschaftspolitik über Parteigrenzen hinweg als ein solcher Referenzrahmen. Es fokussierte vor allem auf Wirtschaftswachstum, aber auch auf Vollbeschäftigung, Preisstabilität und ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Zwar müsste ein Vieleck heute breiter definiert werden, doch wäre es nach wie vor sinnvoll, einen allgemeinen Referenzrahmen – mit ausreichend Spielraum für die politische Auseinandersetzung um die aktuell adäquate Schwerpunktsetzung – zu definieren.

Wie soll Wohlstand?
Was wäre nun aktuell eine adäquate Prioritätensetzung? Ausgehend von der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit und im historischen Maßstab großen sozialen Unterschieden müsste eine wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik vor allem hier ansetzen. Angesichts der großen Herausforderung, unseren hohen materiellen Wohlstand auch ökologisch nachhaltig zu gestalten, ist zudem auch auf diesen Bereich ein besonderes Augenmerk zu legen. Der gut ausgebaute Wohlfahrtsstaat, der gute Gesundheitsleistungen und ein hohes Bildungsniveau sowie materielle Absicherung im Alter, bei Arbeitslosigkeit und anderen Schwierigkeiten bietet, ist weiter zu verbessern. Wenn die aktuelle Regierung den Sozialstaat nun zusammenstreichen will (mit dem Ziel der Steuersenkung vor allem für Bessersituierte bzw. der angeblichen Attraktivierung des Standortes), betreibt sie das Gegenteil einer wohlstandsorientierten Politik.
Welche konkreteren Maßnahmen wären nun geeignet, Wohlstand und Wohlergehen in Österreich zu fördern? Gesucht sind Initiativen, die die Arbeitslosigkeit reduzieren und die Arbeitsqualität fördern, die ökologische Nachhaltigkeit verbessern und eine faire Verteilungssituation schaffen – ohne die hohe ökonomische Stabilität zu gefährden. Leisten kann das ein weiterer Ausbau sozialer Dienstleistungen, eine verstärkte öffentliche Investitionstätigkeit mit ökologischem Schwerpunkt und eine Arbeitszeitverkürzung:

  • Soziale Dienstleistungen – wie Kinderbetreuung, Ganztagesschulen, Bildungsangebote, Sozialarbeit und Pflege – sind sehr beschäftigungsintensiv, sodass zusätzliche Ausgaben von einer Milliarde Euro mit einem Beschäftigungseffekt von mindestens 20.000 Personen einhergehen. Frauen profitieren davon besonders, da vor allem sie diejenigen sind, die diese Dienstleistungen derzeit großteils unbezahlt erbringen.
  • Die Herausforderungen der Ökologisierung und Digitalisierung unserer Lebensweise sowie das anhaltende Bevölkerungswachstum insbesondere in den Ballungsräumen erfordern eine Ausweitung der Investitionen, vor allem in den Bereichen sozialer Wohnbau, Energienetze, Forschung und öffentlicher Verkehr. Investitionen in Forschung sind darüber hinaus ein entscheidender Faktor, um Österreich fit für die Zukunft zu machen.
  • Arbeitszeitverkürzung kann nicht nur die bezahlte Arbeit gerechter verteilen, sondern ermöglicht jenen, die Arbeit haben, steigenden Wohlstand in Zeitwohlstand umzusetzen. Besonders sinnvoll wäre eine Verkürzung überlanger Arbeitszeiten durch stärkere Kontrolle der Arbeitsgesetze und Anreize zum Abbau von Überstunden. Auch eine Ausweitung des Urlaubsanspruchs, die Erleichterung von Elternteilzeit, Sabbaticals, Qualifizierungsstipendien und Bildungskarenzen eröffnen neue Möglichkeiten für Beschäftigung und Lebensqualität.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor georg.feigl@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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