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Im Jahr 2008 stürzte das Ende des neoliberalen Märchens die Weltwirtschaft in eine ungeahnte Krise.
Buchtipp

Die Verstaatlichung der Verluste

Schwerpunkt Gedenken aus ArbeitnehmerInnensicht

Im Jahr 2008 stürzte das Ende des neoliberalen Märchens die Weltwirtschaft in eine ungeahnte Krise. Ihre Kosten wurden uns allen aufgebürdet.

Während des Wirtschaftsbooms zu Beginn der 2000er-Jahre schien die Welt noch in Ordnung. Der Wohlstand nahm nicht nur in den Industrieländern, sondern auch in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern zu, wenngleich nicht alle davon – in gleichen Maßen – profitierten. Mit dem Neoliberalismus schien die inhärente Krisenanfälligkeit des Kapitalismus überwunden.
So erklärte beispielsweise der britische Schatzkanzler Gordon Brown in seiner letzten Budgetrede 2007: „Wir werden niemals in den alten Krisenzyklus zurückfallen.“ Knapp ein Jahr später, im September 2008, meldete Lehmann Brothers, vormals eine der weltweit größten Investmentbanken, Konkurs an. Die US-Immobilienblase war geplatzt und löste infolge die stärkste Rezession der Nachkriegszeit aus.

Die Ursachen der Krise
Während das Platzen der US-Immobilienblase als Auslöser der weltweiten Finanzkrise gilt, sind ihre Ursachen weiter zurück in der Geschichte zu suchen. Mit Beginn der 1980er-Jahre setzten sich zunächst in den USA, später auch in Europa vermehrt neoliberale Vorstellungen der Wirtschaftspolitik durch: Das Ziel der Vollbeschäftigung geriet in den Hintergrund, der Sozialstaat wurde zurückgebaut und gewerkschaftliche Handlungsspielräume eingeengt. Gleichzeitig wurden Staatsbetriebe privatisiert und die Finanzmärkte dereguliert. Letzteres gilt als die erste von drei wesentlichen Ursachen, die maßgeblich zur Finanzkrise beitrugen: Die Liberalisierung der Finanzmärkte führte zum Abbau von Kontrollmechanismen und einer zunehmenden Instabilität, also höheren Schwankungen bei Wechselkursen und Finanzmarktanlagen.
Durch die verstärkte Ausrichtung auf den Shareholder-Value kam es zu einer Spirale der wechselseitigen Überbietung von – kurzfristigen – Gewinnzielen. Dies wiederum beförderte riskantere Anlagestrategien.

Steigende Ungleichheit
Zweitens beförderte die steigende wirtschaftliche Ungleichheit das enorme Wachstum der Finanzmärkte. Zum einen polarisierte sich die Einkommensverteilung und erreichte etwa in den USA ähnliche Werte wie vor der Großen Depression in den 1920er-Jahren. Zum anderen sank die Lohnquote (der Anteil der Löhne am gesamtwirtschaftlichen Einkommen) zugunsten der Unternehmensprofite. Die höheren Profite führten jedoch nicht zu höheren Investitionen der Unternehmen, sondern wurden vermehrt auf den Finanzmärkten angelegt.
So stieg das Weltsozialprodukt von 1980 bis 2006 von 10,1 Billionen US-Dollar auf 48,3 Billionen US-Dollar, während das akkumulierte Finanzvermögen im gleichen Zeitraum von zwölf Billionen US-Dollar auf 167 Billionen US-Dollar anwuchs.Drittens führte die zunehmende Ungleichheit zu einer Nachfrageschwäche, denn der Konsum wird zu wesentlichen Teilen aus Lohneinkommen gespeist. Diese Nachfrageschwäche versuchten einige Länder (etwa Deutschland, Öster­reich) über Exportüberschüsse auszugleichen. Diesen durch Exporte generierten Leistungsbilanzüberschüssen stehen jedoch entsprechende Defizite in anderen Ländern wie etwa den USA gegenüber.
In diesen Ländern stiegen der Konsum und folglich auch das Wachstum aufgrund einer zunehmenden Verschuldung der privaten Haushalte weiter an.

Neoliberale Probleme
Die Finanzkrise förderte die Probleme des neoliberalen Wirtschaftssystems offen zutage. In Europa versuchten die Eliten die Krise als amerikanisches Problem darzustellen. Die hausgemachten Probleme etwa im spanischen und irischen Immobilienmarkt oder die hohe Verschuldung in Griechenland werden dabei jedoch ebenso ignoriert wie die Involvierung europäischer (Groß)Banken in das Spekulationscasino rund um die US-Hypothekarkredite. Schlussendlich waren die Auswirkungen der Krise sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks gravierend.   
Um die vollständige Implosion des Finanzsystems zu verhindern und den Konjunktureinbruch abzumildern, wurden riesige Bankenrettungspakete geschnürt und Konjunkturstützungsmaßnahmen eingeleitet. Allein die Kosten für die Bankenpakete beliefen sich im Euroraum bislang auf 219,3 Milliarden Euro bzw. 644 Euro je EinwohnerIn. Für Österreich ist die Belastung mit 14,1 Milliarden Euro bzw. 1.607 Euro je EinwohnerIn mehr als doppelt so hoch.

Fatal, aber notwendig
Die umfassenden und prompten Staatsstützen für den Finanzsektor waren ebenso fatal wie notwendig: Einerseits konnte 2008 niemand abschätzen, welche Konsequenzen ein vollständiger Zusammenbruch des Finanzsektors auf Wirtschaft und Gesellschaft haben würde. Andererseits wurden den VerursacherInnen der Misere relativ rasch enorme Summen an Steuergeldern zur Verfügung gestellt. Die Finanzkrise wurde zur Staatsschuldenkrise und trieb einige Staaten – wie etwa Griechenland, Irland oder Spanien – an den Rand des wirtschaftlichen Ruins.
Die politische Macht des Finanz­sektors und seiner ProfiteurInnen zeigte sich im Umgang mit den Krisenfolgen weitaus stärker als in der unmittelbaren Krisenbekämpfung. Zum überwiegenden Teil wurden jene, die die Krise verursacht hatten, weder juristisch noch wirtschaftlich zur Verantwortung gezogen.
Mittels Steuern auf große Vermögen oder Finanztransaktionen hätten nicht nur die KrisenverursacherInnen, sondern auch jene, die in den Boomjahren davor vom anschwellenden Finanzsektor profitierten, zur Kasse gebeten werden können. In Österreich müsste die eingeführte Bankenabgabe allerdings noch weitere 90 Jahre eingehoben werden, um die budgetären Kosten der Krise auszugleichen.
Stattdessen wurde die Krise in Europa vor allem über öffentliche Sparmaßnahmen an die große Mehrheit der Bevölkerung weitergegeben. Angesichts schwacher Investitionen dämpfte die Sparpolitik das Wirtschafts­wachstum und erhöhte die Arbeitslosigkeit. Auf dem Finanzsektor wurden die Regulierungen in der EU im Zuge der Krisenbekämpfung verschärft, ein grundlegender Paradigmenwechsel blieb jedoch aus. So müssen Banken nun höhere Eigenkapitalquoten erfüllen, wodurch sie ihre Geschäfte mit einem höheren Anteil ihrer eigenen Einlagen tätigen müssen. Allerdings fehlt weiterhin eine Strukturreform mit einer stärkeren Trennung der Risiken des Investmentbankings vom Geschäftsbankenbetrieb.
Wie viel die Änderungen tatsächlich bewirken, wird sich aber wohl erst mit der nächsten Finanzkrise herausstellen. Seit 2016 gewinnt die Konjunktur in Österreich wieder an Fahrt und lässt die Steuereinnahmen kräftig ansteigen. Dadurch sinkt die Staatsschuldenquote und wird bereits in drei Jahren wieder unter dem Vorkrisenniveau von 2007 liegen.

Lügen gestraft
Während die budgetären Effekte der Finanzkrise in Österreich langsam überwunden werden, bleibt die erhöhte Arbeitslosigkeit bestehen. Für Österreich wie für den gesamten Euro­raum gilt: Nach wie vor liegt die Zahl der Arbeitslosen – auch im aktuellen Konjunkturhoch – über dem Niveau vor der Wirtschaftskrise 2008.
Die Finanzkrise strafte das neoliberale Paradigma vom krisenfreien Kapitalismus Lügen. Der Höhenflug der Finanzmärkte wurde durch eine Bruchlandung beendet, deren realwirtschaftliche Folgen bis heute sichtbar sind. Was bleibt, ist nicht nur ein niedrigeres Wohlstandsniveau für breite Teile der europäischen Bevölkerung, sondern auch eine politische Krise in Europa, wie der Brexit und der Aufstieg rechter und reaktionärer Parteien zeigt.

Weitere Informationen:
Blogtipp:
Thomas Zotter: Zehn Jahre Bankenpaket
tinyurl.com/y7hd42fy
John Lanchester: Die große Wut: Zehn Jahre Finanzkrise
tinyurl.com/yd3g3s75

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