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Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1206108339928 FPÖVP-Pakt: Belastungspaket | In den Auswirkungen extrem unsozial und ungerecht Der Blick auf Einkommensverteilung, das Kräfteverhältnis zwischen den sozialen Gruppen und die Beschäftigung zeigt dabei, dass vor allem die Arbeiter vom Belastungspaket besonders betroffen sein werden. Das machen vor allem die geplanten Verschlechterungen im Pensionsrecht deutlich. Aber auch für Jugendliche, Arbeitslose und Kranke gibt es massive einseitige Belastungen. In der Frauenpolitik geht der Pakt von einem traditionellen Frauenbild aus. Die geplanten Veränderungen in der Familienpolitik begünstigen in ganz überwiegendem Maß die nichtberufstätigen Frauen. Dagegen fehlt das Thema »bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie« (z. B. im Wege des Ausbaus von Kinderbetreuungseinrichtungen).
In einer Gesamtbewertung des Paktes haben wir folgende Situation vor uns:

  • Das FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist ein Programm der Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer und zu Gunsten der Unternehmen, es verschlechtert das Pensionssystem, kürzt die Mittel für den Arbeitnehmerschutz, will die Arbeitnehmerrechte beschneiden und von Kranken neue Selbstbehalte einheben.
  • Es verlässt das Ziel der Vollbeschäftigung und gefährdet Zehntausende Arbeitsplätze.
  • In einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen, im Besonderen beim Infragestellen des Kollektivvertrages, wird klar: Die Entscheidungsverhältnisse in der Gesellschaft sollen zu Lasten der Arbeitnehmer und zu Gunsten der Unternehmer verändert werden.
  • Für die Arbeitnehmer wichtige Reformen fehlen, vor allem der Schutz der Arbeitnehmer in einer globalisierten Wirtschaft, wie z. B. die dringend notwendige Verbesserung der Mitbestimmung der Betriebsräte in der Arbeitsverfassung oder eine echte Verbesserung der Aus- und Weiterbildung.
  • Letztlich: Vorhaben, die zu Gunsten der Arbeitnehmer gedacht waren, wie die Änderung bei der Abfertigung und bei der Angleichung der Arbeiter, erfüllen bei weitem nicht die Forderungen der Arbeitnehmervertretungen und müssen zudem von den Arbeitnehmern mit Verschlechterungen im Besonderen beim Urlaub teuer erkauft werden.

Verteilung: Milliardenbelastung für die Arbeitnehmer finanzieren Milliardenbegünstigungen für die Unternehmen

Die Verteilungwirkungen des FPÖ-ÖVP-Regierungsübereinkommens können als wohl einmalig in der Zweiten Republik bezeichnet werden. Halten wir uns vor Augen: Unternehmen, Selbstständige und Landwirtschaft sollen nach dem Paket mehr als 20 Milliarden Schilling erhalten1). Davon entfällt der größte Teil (13 Milliarden Schilling) auf die Unternehmungen und die (nicht landwirtschaftlichen) Selbstständigen. Sehr hoch ist auch die Summe der Entlastungen und Begünstigungen für die Landwirtschaft (netto zirka 5,8 Milliarden Schilling). Weiters ist trotz angespannter Budgetsituation immer noch Geld für die Steuersenkung bei Hauseigentümern (Vermietern) vorhanden (zirka 1,5 Milliarden Schilling).
Finanziert werden die Begünstigungen dieses Paketes aus Sozialleistungskürzungen und Milliardenbelastungen bei den Arbeitnehmern, Pensionisten und bei den sozial Schwächeren in der Gesellschaft. So werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Paket mit Belastungen von mehr als 13 Milliarden Schilling bedacht, 2,6 Milliarden Schilling davon sind direkte Lohnkürzungen (bei der Urlaubsaliquotierung und beim geplanten Entfall des Postensuchtages). Der Rest der Belastungen sind Steuer- und Gebührenerhöhungen (Kfz-Steuer, Vignettenpreiserhöhung, Tabaksteuer).
Der größte Teil der Belastungen resultiert allerdings aus den geplanten Verschlechterungen im Pensionsrecht, wo überwiegend wieder die ASVG-versicherten Arbeitnehmer und die öffentlich Bediensteten besonders betroffen sind. 15 Milliarden Schilling sollen bei jenen, die in den nächsten Jahren in Pension gehen, eingespart werden. Durch eine Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrages wird der öffentliche Dienst (insbesondere seine Pensionisten) noch zusätzlich mit insgesamt 0,7 Milliarden Schilling belastet. Abgerundet wird das Bild schließlich durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, die verteilungspolitisch überwiegend zum Nachteil der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wirken - ohne dass genaue Zuordnungen möglich erscheinen:

  • Entzug von Mitteln im Bereich des Arbeitsmarktservice;
  • massive Selbstbehalte in der Krankenversicherung;
  • einschränkende Maßnahmen bei der Notstandshilfe.

Diese benachteiligen natürlich vor allem kleine Einkommensbezieher.
Summa summarum: Der Pakt stellt eine massive Umverteilungspolitik zu Gunsten von Unternehmen, Selbstständigen und Landwirtschaft und zu Lasten der Arbeitnehmer und der künftigen Pensionisten dar.

Abschied von der Vollbeschäftigungspolitik

In seinem Memorandum an die künftige Bundesregierung vom 17. November 1999 hat der ÖGB erneut darauf hingewiesen, dass die wichtigste Aufgabe einer künftigen Bundesregierung Vollbeschäftigungspolitik sein muss, welche die Schaffung neuer und den Schutz bestehender Arbeitsplätze als Hauptaufgabe hat. Dort liegt der Schlüssel für die Lösung vieler Herausforderungen in der Gesellschaft, insbesondere bei der Pensionsfinanzierung. Im neuen Regierungspakt fehlen entsprechende Initiativen, im Gegenteil: Eine Vielzahl von Maßnahmen lässt ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit in Österreich für die nächsten Jahre befürchten.
1. Die Anhebung des Pensionsanfallsalters hat negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt für Ältere. Expertenschätzungen rechnen mit einem Anstieg der Zahl der Altersarbeitslosen um rund 20.000, die noch dazu deutlich länger in der Arbeitslosigkeit verharren müssen. Schon heute kann gerade noch die Hälfte der »Neu-Pensionisten« aus einem aufrechten Arbeitsverhältnis in Pension gehen. Der übrige Teil kommt schon aus der Arbeitslosigkeit.
2. Die Zulassung von 15.000 zusätzlichen Saisonarbeitskräften auf den österreichischen Arbeitsmarkt unter übrigens prekären Verhältnissen (Kurzbefristungen der Arbeitsverhältnisse) wird insbesondere im Tourismus die Arbeitslosigkeit erhöhen.
3. Der Stellenabbau im öffentlichen Dienst (Nichtnachbesetzung von 9000 Stellen) schlägt sich in einer Reduzierung der Gesamtbeschäftigung nieder, verstärkt durch die geplanten Maßnahmen im Bereich der Universitäten.
4. Das Einfrieren der Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik erhöht die Arbeitslosigkeit, da weniger Mittel für Umschulung, Wiedereingliederung, Weiterbildung usw. zur Verfügung stehen. Die Ziele des Nationalen Aktionsplanes für Beschäftigung stehen in Frage.
5. Eine beschäftigungssenkende Wirkung geht weiters von der Einschränkung der Infrastrukturinvestitionen aus, da die zum Punkt ÖBB-Schieneninfrastrukturgesetz getroffenen Vorgaben (Einsparungen von rund 4 Milliarden Schilling) unvermeidlich zu einer Senkung der Investitionen und/oder zu einer Reduktion der Beschäftigung führen.
6. Zu einer Verunsicherung von Zehntausenden Arbeitnehmern führt darüber hinaus die angekündigte Privatisierungspolitik der Bundesregierung insbesondere dort, wo ein Abverkauf der Anteile die Unternehmungen schutzlos den mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwartenden feindlichen Übernahmen preisgibt. Sobald diese tatsächlich erfolgen, ist mit Beschäftigungsreduktionen bei den heutigen Unternehmenszentralen und den einzelnen Standorten zu rechnen.
7. Durch das wahrscheinliche Auslaufen des Jugendausbildungssicherungsgesetzes (»Auffangnetze für Lehrlinge«) und die weiterhin rückläufige Entwicklung des Lehrstellenangebotes ist mit zusätzlich 8000 nichtvermittlungsfähigen Jugendlichen auf dem Lehrstellenmarkt zu rechnen.
Sogar ohne den letztgenannten Effekt auf dem Jugendarbeitsmarkt wird sich per saldo die Arbeitsmarktbilanz in Österreich nach ersten Analysen bis zum Jahr 2003 um 42.000 verschlechtern (siehe Tabelle 2 bei Bruno Rossmann, Seite 22 dieses Hefts).

Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft: Die Unternehmen werden gestärkt, die Rechte der Arbeitnehmer beschnitten

Bei der Gesamtbeurteilung des Regierungspaktes ist wichtig zu sehen, dass es nicht nur um ein finanzielles Belastungspaket für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht und die Beschäftigungspolitik in Frage steht. Es geht im Besonderen auch um eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der Gesellschaft.
1. Es gibt eine ganze Reihe von arbeitsrechtspolitischen Vorhaben der FPÖ-ÖVP-Regierung, die auf eine Reduktion der Löhne zu Gunsten der Unternehmen und eine Erhöhung der Verfügungsgewalt der Arbeitgeber über Arbeitnehmer hinauslaufen (Urlaubsaliquotierung, Entfall des Postensuchtages, Einführung eines Teilkrankenstandes, Flexibilisierung des Arbeitszeitrechtes im Handel, Reduzierung des Jugendarbeitsschutzes). Entscheidender Punkt im Pakt ist aber, dass die zentrale Grundlage des österreichischen Arbeitsrechtes, der Kollektivvertrag, vor allem im Zusammenhang mit der Arbeitszeit massiv in Frage gestellt wird. Angestrebt wird eine Verlagerung der Regelung von Arbeitszeit/Betriebszeit vom Kollektivvertrag weg auf die betriebliche Ebene. Das gilt vor allem für die flexible Arbeitszeit, wo es ohne Schutz der Kollektivverträge keinen finanziellen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern (»Gegenfahrbahn« für die Arbeitnehmer bei flexibler Arbeitszeit) mehr gibt. Allein auf der Betriebsebene sind die Arbeitnehmer dem Diktat der Arbeitgeber bei der Arbeitszeit ausgeliefert.
2. Es gibt vor allem auch in Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt eine Reihe von Maßnahmen, die Lohndruck erzeugen sollen und die Arbeitnehmer in ungünstigere Beschäftigungsverhältnisse drängen werden4). So sollen die Anspruchsberechtigungen auf Arbeitslosengeld verschlechtert und durch Abbau der Zumutbarkeitsbestimmung (»Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung hat die Berücksichtigung der künftigen Verwendung im bisher ausgeübten Beruf bei fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten zu entfallen«) die Arbeit Suchenden noch stärker als bisher gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen. Darüber hinaus wird die Verpflichtung von Arbeitslosen eingeführt, für ein »Bürgergeld«, das heißt für eine Entlohnung deutlich unter dem Kollektivvertrag, zu arbeiten.
3. Als äußeres Zeichen für die Verlagerung des Kräfteverhältnisses zu Lasten der Arbeitnehmer wird schließlich das Sozialministerium zerschlagen. Die Kompetenzen für die für die Arbeitnehmer entscheidenden Bereiche der Sozialpolitik wie Arbeitsrecht, Arbeitsschutz und Arbeitsmarktpolitik werden vom Sozialministerium zum Wirtschaftsministerium verschoben. Sie werden damit ein Anhängsel des Wirtschaftsministers: »Die Arbeitnehmer werden Standortfaktoren«.

Verschlechterung der Pensionen, die die Lebensplanung in Frage stellen - länger arbeiten - weniger Pension

Im Kern werden die Menschen aktuell von folgenden geplanten Maßnahmen bei der Pension getroffen sein:

  • Die Altersgrenze für den Pensionsantritt (60 Jahre Männer, 55 Jahre Frauen) werden um 18 Monate auf 56,5 Jahre für Frauen und 61,5 Jahre für Männer angehoben. Die Anhebung beginnt am 1. Oktober 2000 (!) in Zweimonatsschritten pro Quartal. Ab 1. Oktober 2002 gelten die Altersgrenzen 61,5 Jahre für Männer und 56,5 Jahre für Frauen5).
  • Im gleichen Zeitraum wird das Zugangsalter zur vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, eine Regelung, die vor allem von (ungelernten) Arbeitern mit 57 (Frauen mit 55) aus Gesundheitsgründen in Anspruch genommen werden muss, angehoben und damit praktisch aufgehoben.
  • Dazu kommt noch, dass der zwingend vorgeschriebene spätere Pensionsantritt mit schwer wiegenden Abschlägen in der Pensionshöhe verschärft wird: Zusätzlich zur Anhebung des Pensionsalters wird es einen Malus für Pensionsantritt vor 65 (Männer) und 60 (Frauen) beginnend mit 2 Prozent bei Antrittsalter 64/59 bis zu 20 Prozent bei Antrittsalter 60/55 geben.
  • Gleichwertige - im Detail noch nicht näher bestimmte - Maßnahmen sind für die Beamtenpensionen vorgesehen.

Die Analyse der Auswirkungen der neuen Pensionspläne fällt nicht allzu schwer:
1. Für künftige Pensionsbezieher bedeutet dies nicht nur spätere Pensionsmöglichkeit, sondern auch Pensionskürzungen mit zweistelligen Prozentsätzen, die in die mehrere tausend Schilling pro Monat gehen können (siehe Grafiken Seite 41).
2. Die großen Verlierer des vorgelegten Konzepts sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Anhebung des Pensionsalters wird die Arbeitslosigkeit Älterer verlängern.
3. Die Anhebung des Frühpensionsalters bereits in sieben Monaten (!) im Oktober 2000 trifft die Arbeitnehmer überfallsartig; Vertrauensschutz, Planbarkeit der Pension stehen in Frage. Mit großer Wahrscheinlichkeit sind die Pensionspläne überhaupt verfassungswidrig.
4. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - das gilt vor allem für Frauen, die nach Kündigung keine Notstandshilfe bekommen - sind gezwungen, eine deutlich verringerte Pensionshöhe hinzunehmen, ohne soziale Abfederung.
5. Die Maßnahmen werden zu einem Anstieg der Altersarbeitslosigkeit führen, die zu Zusatzbelastungen in der Arbeitslosenversicherung von rund 2,1 bis 2,8 Milliarden Schilling führen werden. Hingegen sind die im Pakt angesprochenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarbeitslosigkeit - im Gegensatz zu den Pensionsregelungen - noch völlig unbestimmt. Die in jüngster Zeit dazu immer wieder kolportierte Verbesserung des Kündigungsschutzes für die Zeit der Anhebung des Pensionsanfallsalters stellt offenbar auf eine Bindung des Kündigungsschutzes an ein bestimmtes Lebensalter ab (60/55?). Damit ist er aber wirkungslos, weil der Arbeitnehmer Gefahr läuft, vor Eingreifen des Kündigungsschutzes »rechtzeitig« gekündigt zu werden.
Insgesamt fügen sich also auch die Pensionspläne in das Bild des Regierungspaktes. Unternehmen, Selbstständige und Bauern werden finanziell entlastet und begünstigt; die Arbeitnehmer und die künftigen Pensionisten müssen das bezahlen.

Abfertigung neu: Angleichung der Rechte der Arbeiter - von den Arbeitnehmern bezahlt mit drastischen Verschlechterungen beim Urlaubsrecht

Grundsätzlich positiv bewertet können zwei Vorhaben im Regierungspakt werden. Es geht um zwei traditionelle Anliegen des ÖGB, nämlich die Reform des Abfertigungsrechts und die Gleichstellung zwischen Arbeitern und Angestellten bei Krankheit und Entgeltfortzahlung, die im Regierungspakt angesprochen sind. Aber auch sie sind insgesamt so angelegt, dass sie im Ergebnis eine starke Umverteilungswirkung zu Lasten der Arbeitnehmer haben.
Zur Reform der Abfertigung, deren Detailanalyse hier den Rahmen sprengen würde, hier nur so viel: Abfertigungsansprüche werden in Zukunft aus dem Betrieb (Kassenregelungen) ausgelagert und sollen auch bei Selbstkündigung zustehen. Für alle Arbeitsverhältnisse, die unter dem ersten Jahr gelöst werden, wird allerdings auch in Zukunft keine Abfertigung zustehen. Das betrifft 750.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich, vor allem auch im Tourismusbereich und in kurzzeitigen Beschäftigungen. Die Forderung »Abfertigung für alle Arbeitnehmer« bleibt offen.
Im Arbeitsrecht ist darüber hinaus die Angleichung der Arbeiter bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und bei der Dienstverhinderung aus wichtigen Gründen geplant. »Bezahlt« werden muss diese Verbesserung allerdings von allen Arbeitnehmern durch massive Verschlechterungen beim Urlaub. Hier haben die bekannten Forderungen der Wirtschaft nach »Urlaubsaliquotierung« vollen Einzug in den Regierungspakt gefunden. Danach besteht der Anspruch auf Urlaub nur noch im Verhältnis zu der im Arbeitsjahr zurückgelegten Dienstzeit.
Das bedeutet, dass über den vollen Urlaubsanspruch erst immer am Ende des zurückgelegten Arbeitsjahres verfügt werden kann. Je nach Beginn des Arbeitsjahres besteht in den Haupturlaubszeiten (Februar, Sommermonate, Weihnachtszeit) kein bzw. nur ein geringer Urlaubsanspruch. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird es darüber hinaus anstelle der vollen Vergütung nicht verbrauchten Urlaubs durch Urlaubsentschädigung lediglich zu Ansprüchen auf aliquote Urlaubsabfindung kommen. Der finanzielle Verlust für den Arbeitnehmer kann dabei in mehrere zehntausend Schilling gehen. Gesamt wird diese Maßnahme die Arbeitnehmer 4,3 Milliarden Schilling kosten, die zu den Unternehmen umverteilt werden.

Beispiel: Derzeit:

Ein Arbeitnehmer begann am 1. Mai 1998 ein Dienstverhältnis und verbrauchte im ersten Dienstjahr seinen Urlaubsanspruch. Am 1. Mai 1999 entstand der neue Anspruch in voller Höhe, und der Arbeitnehmer konnte im Sommer mehrere Wochen auf Urlaub gehen.

FPÖVP-Modell:

Würde der Urlaub nur noch aliquot anwachsen, bekäme der Arbeitnehmer für Mai und Juni je 2,5 Urlaubstage (30 Werktage geteilt durch zwölf Monate) gutgeschrieben und hätte daher Anfang Juli nur fünf Tage zur Verfügung.

Finanzielle Nachteile einer Aliquotierung:
Ein Arbeitnehmer mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 20.000 Schilling wird nach drei Jahren und einem Monat Betriebszugehörigkeit vom Arbeitgeber gekündigt. Die Urlaubsansprüche für die ersten drei Jahre wurden verbraucht.

Geltendes Recht:

Der mit Beginn des vierten Jahres neu entstandene Urlaubsanspruch muss in Geld abgegolten werden, was netto etwa 20.700 Schilling ausmacht.

FPÖVP-Vorschlag:

2,5 Urlaubstage werden ausgezahlt, was netto 1700 Schilling ausmacht.
Damit haben wir folgendes Bild: Die Angleichung der Rechte der Arbeiter bei der Entgeltfortzahlung wird die Unternehmen 2 Milliarden Schilling kosten. Die Urlaubsaliquotierung bringt hingegen den Unternehmen 4,3 Milliarden Schilling. Das heißt, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sich die Angleichung selbst zahlen, die Unternehmen greifen ihnen noch mit zusätzlich 2,3 Milliarden Schilling in die Tasche.

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Richard Leutner (Leitender Sekretär im ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1206108339930 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1206108339934 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1206108339921 Neoliberalismus | Trendsetter gegen Gewerkschaftsbewegung und Sozialstaat Im Unterschied zu anderen liberalen Wirtschaftstheorien und Gesellschaftskonzepten zielt der Neoliberalismus darauf ab, den Geltungsbereich des Marktprinzipes über seinen ursprünglichen ökonomischen Wirkungszusammenhang hinaus auf die Sphäre politischer Entscheidungen und alle Bereiche des Zusammenlebens in der Gesellschaft auszudehnen. Es geht um die Eroberung der Politik durch die spontanen Kräfte und Werte des Marktes, wie aus den konkreten politischen Forderungen ersichtlich wird, die er erhebt: die Abschaffung des »gewerkschaftlichen Arbeitsmonopols«, die vorgebliche Entbürokratisierung öffentlicher Institutionen, die Reorganisation des »Volksparteiensystems« und die Einschränkung parlamentarischer Kompetenzen, die Liberalisierung der Märkte, eine Deregulierung und Dezentralisierung des öffentlichen Lebens und die Privatisierung staatlicher Unternehmen. Diese Forderungen wurden während der achtziger Jahre auch in Europa, und keineswegs nur in Großbritannien, vielfach politikbestimmend und führten dazu, dass notwendige Sanierungen der Staatshaushalte und Wachstumsförderungsmaßnahmen zunehmend zu Lasten des Sozialstaates gingen.

Der Markt entwickelt keine selbstheilenden Kräfte

Die Erschütterungen des Kapitalismus in den beiden Weltkriegen und in der Wirtschaftskrise der dreißiger Jahre waren die politischen Ursachen für die Entwicklung des Sozialstaates in allen westlichen Industrieländern. Die Nachwirkungen der großen Krise der dreißiger Jahre hatten deutlich gemacht: Der Markt entwickelt keine selbstheilenden Kräfte, eine Deflationspolitik in Form von Lohnsenkungen und Kürzungen der Staatsausgaben vergrößert nur das Desaster und Abwarten bringt keine Lösung. Als Reaktion auf diese Erfahrungen bildete sich nach dem Zweiten Weltkrieg der moderne Wohlfahrtsstaat heraus, in dem Anliegen verwirklicht werden konnten, die Gewerkschaftsbewegung und Sozialdemokratie bereits während der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchzusetzen versucht und für kurze Zeit und regional begrenzt auch durchgesetzt hatten. Die österreichische Sozialgesetzgebung von 1918 bis 1921, die unter der Verantwortung des Gewerkschafters Ferdinand Hanusch als dem zuständigen Minister geschaffen worden war, und die international vorbildliche Politik des »Roten Wien« sind Beispiele dafür.
Der Wohlfahrtsstaat der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat drei wesentliche Elemente: Er geht zunächst von der Vorstellung aus, dass der Staat für die Wohlfahrt der Bürger in allen Bereichen, von der Beschäftigungschance über Gesundheit und soziale Sicherheit bis zur Bildung, verantwortlich ist (und dafür verantwortlich gemacht werden soll). Zweitens besitzt er die Legitimation, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auch gegen den Markt zu steuern, und drittens beruht seine Funktionsfähigkeit darauf, dass er seine Bürger über ihre Interessenvertretungen nicht nur bei Parlamentswahlen am demokratischen Entscheidungsprozess beteiligt.

Nobelpreise für gewandelte Wertvorstellungen

Der Aufbau des Sozialstaates wurde nach 1945 durch viele politische und wirtschaftliche Faktoren begünstigt. Ein Faktor war die gestärkte Position der europäischen Gewerkschaftsbewegung, ein anderer seine Befürwortung durch die führende Wirtschaftsmacht USA. Von dort kamen auch während der sechziger Jahre die ersten Signale zur Trendwende. Die Politikberatung begann, die Abkehr von einer aktiven Einkommenspolitik zu predigen und für die »Feinsteuerung« der Wirtschaft durch Geld- und Fiskalpolitik zu argumentieren. Das aber brach einen Eckstein aus dem wirtschaftspolitischen Fundament des Sozialstaates und führte letztlich zu den hohen Budgetdefiziten, die der neoliberalen Kritik, der Sozialstaat sei zu teuer und würde wirtschaftlichen Fortschritt verhindern, Vorschub leisteten. Wie früh und wie umfassend der Wandel von politischem Grundkonsens und Wertvorstellungen einsetzte, belegt die Tatsache, dass ab 1974 fast alle Nobelpreise für Wirtschaftswissenschaften an Wissenschafter mit neoliberaler Ausrichtung vergeben wurden.
Staatliche Sozialleistungen des 19. Jahrhunderts belasteten die Staatsbudgets wenig, weil sie nur einzelnen Gruppen und nie der gesamten Bevölkerung zugute kamen. Damals, aber auch noch in den zwanziger Jahren wurden sie ausschließlich durch das Abschöpfen von Gewinnen finanziert, auf die Entwicklung des Wirtschaftsprozesses selbst nahm man keinen Einfluss. Daher war die Abhängigkeit der frühen Sozialsysteme von Wirtschaftskrisen und Strukturveränderungen in einem extrem hohen Ausmaß gegeben. Als Musterbeispiel dafür kann die Pensionsversicherung für Arbeiter in Österreich gelten, die 1927 zwar beschlossen, aber trotzdem während der Ersten Republik nie verwirklicht wurde, weil man ihre Einführung an eine »Wohlstandsklausel«, an die Besserung der wirtschaftlichen Gesamtlage und das Sinken der Arbeitslosenzahlen gebunden hatte.

»Soziale Gerechtigkeit ist sinnlos ...«

Da die Rechnung »Es muss erst produziert werden, damit verteilt werden kann« nicht aufgegangen war, suchte sich der moderne Sozialstaat eine neue ökonomische Basis. Er ging davon aus, dass umgekehrt die Einkommensentwicklung die Produktion beeinflusst, weil die Produktion umso mehr angekurbelt wird, je mehr die Bevölkerung konsumieren kann. Um das zu erreichen, darf die Einkommensverteilung aber nicht mehr einfach den Marktkräften überlassen werden; der Staat muss eingreifen. Zwei Grundprinzipien des Kapitalismus, der freie Wettbewerb und die Wahrung der bestehenden Eigentumsverhältnisse, wurden damit in Frage gestellt. Aus diesem Grund agiert der Neoliberalismus als entschiedener Gegner des Sozialstaates. Er will zwar dem Staat erlauben, den auf dem Markt Erfolglosen eine Existenzsicherung zuzugestehen, er spricht ihm aber das Recht ab, durch die Kombination von Verteilungs- und Wachstumspolitik das System des Kapitalismus in Frage zu stellen.
Der bedeutendste Vertreter des Neoliberalismus, der gebürtige Österreicher Friedrich von Hayek, der erste der Nobelpreisträger seiner Richtung, sprach 1981 offen aus, dass der Abbau des Sozialstaates für ihn kein Nebeneffekt neoliberaler Politik ist, sondern erklärtes Ziel: »Der Begriff der sozialen Gerechtigkeit ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung völlig sinnlos.«

Zerschlagung des Sozialstaats und seine Befürworter

Die Kritik richtet sich gleichermaßen an den demokratischen Sozialstaat und an die mit ihm eng verbundene Gewerkschaftsbewegung: Der Staat sei de facto für das Herausbilden und Bestehen der Gewerkschaft verantwortlich, weil große Interessenorganisationen ohne unterstützende Rahmenbedingungen aufgrund der naturgegebenen Selbstsucht der Menschen gar keine Chance hätten. Nur weil diese Rahmenbedingungen gegeben sind, seien die Gewerkschaften zu übermächtigen Massenorganisationen geworden, die ihre Überlegenheit und ihre Monopolstellung zur Wettbewerbsbeschränkung auf dem Arbeitsmarkt nutzten. Als Konsequenz aus seiner Kritik verfolgt der Neoliberalismus das Ziel, den Arbeitsmarkt zu »entkartellisieren«, das heißt, die Kollektivvertragsautonomie der Gewerkschaften abzuschaffen, um eine umverteilungsneutrale Tarifpolitik zu erreichen und die Beteiligung der Gewerkschaftsbewegung am politischen Entscheidungsprozess einzuschränken. Die Angriffe auf den ÖGB, die Kammern als gesetzliche Interessenvertretungen in Selbstverwaltung, besonders auf die Arbeiterkammern, auf die Selbstverwaltung der Sozialversicherung und die Sozialpartnerschaft, aber auch auf das Ausüben von politischen Mandaten durch Funktionäre und leitende Angestellte der Arbeitnehmerinteressenvertretungen haben hier ihre Wurzeln. Über das Zurückdrängen des Einflusses der Gewerkschaftsbewegung und das Aushöhlen gesamtgesellschaftlicher Konfliktregelungs- und Steuerungsmodelle sollen dem Sozialstaat seine wichtigsten Befürworter und Instrumente entzogen werden.

Mehr »Freiheit«

Zwar wurden manche neoliberalen Vorstellungen über (fast) alle Parteigrenzen hinweg salonfähig, aber es bestehen trotzdem nach wie vor deutliche Unterschiede. Die Sozialdemokraten lehnen das gesellschaftspolitische Konzept, das hinter der neoliberalen Ordnung steht, nach wie vor im Grundsatz ab, übernehmen allerdings in vielen Ländern etliche neoliberale Rezepte wie jenes vom schlanken Staat in ihre politische Praxis. In den traditionellen konservativen und bürgerlichen Parteien findet die Ideologie der Neoliberalen wesentlich mehr überzeugte Anhänger, wenn auch nicht überall so politikbeherrschend wie bei den Republikanern der USA oder den britischen Konservativen. Als ihre kompromisslosesten Verfechter treten aber die neugestalteten rechtspopulistischen Parteien von Frankreich bis Österreich auf.
Obwohl diese Parteien ihre Anhänger ursprünglich in erster Linie aus Sympathisanten der besiegten faschistischen Systeme rekrutierten, entwickelten sie im Lauf der achtziger Jahre eine Programmatik, die sich in manchen Punkten von den traditionellen rechten Ideologien deutlich unterscheidet. Im Unterschied zum italienischen Mussolini-Faschismus oder den Nationalsozialisten beziehen sie sich weder in ihrer Propaganda noch in ihren Programmen auf eine »antikapitalistische Sehnsucht der Massen«. Harmonie innerhalb der Gesellschaft wird nicht dadurch erwartet, dass eine wahre Volksgemeinschaft den Klassenkampf beendet, vielmehr werden kollektive durch individuelle Interessen ersetzt: Alle werden gleich, wenn jeder das Recht hat, seine persönlichen Interessen in einem freien Markt zu verfolgen. In Aussicht gestellt wird nicht notwendigerweise mehr Wohlstand, in jedem Fall aber mehr Freiheit.

Frank Stronach und das FPÖ-Programm

Um dieses Programm zu verkaufen, entlehnt man gerne Begriffe, die mit ganz anderer Bedeutung von der politischen Linken oder der Gewerkschaftsbewegung geprägt worden waren - ein Punkt, an dem durchaus Übereinstimmungen mit der Taktik der faschistischen Bewegungen der Zwischenkriegszeit festzustellen sind. Dies gilt etwa für den Slogan vom »Dritten Weg«, der ursprünglich den Versuch umschrieb, ein Gesellschafts- und Politikmodell zu finden, das im demokratischen Rahmen ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit schafft und sichert; gemeint war ein Weg, die positiven Elemente der westlichen Demokratien mit sozialistischen Anliegen in Einklang zu bringen.
Wann immer seitens der rechtspopulistischen Parteien von einem »Dritten Weg« (oder einer »Dritten Republik«) die Rede ist, handelt es sich dagegen um die Ablehnung eines Kapitalismus, der das Entstehen von Monopolen begünstigt hätte, und der politischen Systeme, die dieses ermöglichen. Und im Einklang mit den neoliberalen Vorstellungen sieht man im »Arbeitsmonopol« der Gewerkschaften das schädlichste Monopol, weil es eine marktgerechte Preisbildung für die Arbeit verhindern würde.

Programm gegen ÖGB und AK

Konsequent hieß es etwa in programmatischen Erklärungen der FPÖ Mitte der neunziger Jahre, an die Stelle kollektivvertraglicher Vereinbarungen müsse die »individuelle und betriebliche Vereinbarungsfreiheit« treten. Aus diesem Grund sahen die FPÖ-Erklärungen das »Zurückdrängen der parteipolitisch orientierten Sozialpartner und Gewerkschaften« als zentrale Aufgabe. Das 1998 beschlossene neue Parteiprogramm der FPÖ mit seiner verbalen Distanzierung vom Neoliberalismus und die Tatsache, dass auf ihre Initiative die »Freie Gewerkschaft Österreichs« gegründet wurde, stehen dazu nur scheinbar in Widerspruch. Hinter dem Bekenntnis zur »Fairen Marktwirtschaft«, einem Begriff, der, wie FPÖ-Chef Jörg Haider ausdrücklich betonte, von dem (bekannt gewerkschaftsfeindlichen) Unternehmer Frank Stronach stammt, steht letztlich nichts anderes als die Ablehnung des Monopolkapitalismus: »Im Modell der fairen Marktwirtschaft verwirklichen Produzenten und Konsumenten frei von staatlicher Intervention ihre Interessen bestmöglich ... Eine umfassende Deregulierung des Wirtschaftslebens wird als Garantie für die Prosperität der österreichischen Wirtschaft und Stabilität des Arbeitsmarkts angestrebt.« Gleichzeitig wird unter dem Slogan von der »betrieblichen Partnerschaft« eine Unternehmenskultur befürwortet, in der Betriebsverfassungen eine verantwortliche Partnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über »Beteiligungsmodelle regeln« - ein Hinweis darauf, dass das Ziel des Zurückdrängens von ÖGB und Arbeiterkammern als überbetriebliche Interessenvertretungen unverändert verfolgt wird. Die gegen das Konfliktregelungsmodell der Sozialpartnerschaft gerichtete Forderung nach einer Reduktion der Arbeiterkammerumlage um 50 Prozent und der Wirtschaftskammerumlage II des Beschäftigungsprogramms der FPÖ vom Frühjahr 1998 bestätigte diese Vermutung.

Auch in der Auffassung über die Rolle des Staates waren bei den politisch relevanten rechtspopulistischen Parteien der neunziger Jahre Übereinstimmungen mit dem Neoliberalismus zu erkennen. Die neoliberale Diagnose zum demokratisch-parlamentarischen Staat ist niederschmetternd. Die Angriffe erfolgen aus zwei Richtungen: einerseits in der Variante der tyrannischen Bürokratie, die den Staat zwar als stark, aber als von den Beamten missbraucht darstellt, andererseits in der Variante des schwachen Staates, der eine Beute von Interessengruppen, vor allem der Gewerkschaftsbewegung, sei, die die Verteilung zu ihren Gunsten und zu Lasten des Wachstums manipuliere. Als endgültige Lösung des Problems der von ihr behaupteten Fehlentwicklung bietet die neoliberale Theorie zwei Modelle an. Entweder soll ein Rat von Weisen die wichtigeren Staatsgeschäfte betreiben oder es soll eine Situation herbeigeführt werden, in der jede staatliche Lenkung unterbleibt. Staatliche Macht existiert dann nur noch, um die Freiheit der Tauschgeschäfte auf dem Markt zu garantieren. Der schlanke Staat muss zu diesem Zweck allerdings äußerst machtvoll sein. Zwar schafft der neue Staat des Neoliberalismus die formale Demokratie nicht ab, er kann aber, wenn es darum geht, die Interessen des freien Marktes zu schützen, zeitweise durchaus zu Methoden der offensiven Diktatur greifen. Das Engagement der neoliberalen Wirtschaftswissenschafter der Chicago-Schule in Chile, die für den Sturz der demokratisch gewählten Regierung Allende Anfang der siebziger Jahre, für die anschließende Diktatur und die folgende Entwicklung zu einem neoliberalen Staat das ideologische Unterfutter lieferten, war eine im wahrsten Sinn mörderische Umsetzung der Theorie in die Praxis. Chiles Diktator Pinochet nahm die Theoretiker beim Wort, als er seine Politik damit rechtfertigte, dass Demokratie zwar gut sei, gelegentlich aber in Blut gewaschen werden müsse.

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Brigitte Pellar (Mitarbeiterin der Direktion Bildung und Kultur der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1206108339911 Der Staatshaushalt: Belastungen und Begünstigungen Gewinner und Verlierer oder radikaler politischer Wandel im Geiste des Neoliberalismus Nach dem Scheitern der Regierungsverhandlungen zwischen der SPÖ und der ÖVP haben sich die FPÖ und die ÖVP innerhalb nur weniger Tage auf ein gemeinsames Regierungsprogramm für die Jahre 2000 bis 2003 geeinigt. Es soll der Prüfstein sein, an dem die - im In- und Ausland umstrittene - neue Mitte-Rechts-Regierung gemessen werden will. Bereits nach einer ersten Analyse wird klar, dass dieses Regierungsprogramm von neoliberalem Geist getragen ist und dass eine politische Trendwende eingeleitet werden soll. Wenngleich vieles nur sehr vage formuliert ist, so lassen sich doch drei zentrale Stoßrichtungen erkennen:
Die Konsolidierung des Bundeshaushalts sowie der öffentlichen Haushalte insgesamt wird zum Anlass genommen, um eine massive Umverteilung zu Gunsten von Unternehmern, Selbstständigen und Bauern vorzunehmen. Im Gegenzug werden die Arbeitnehmer sowie derzeitige und künftige Pensionisten kräftig zur Kasse gebeten. Innerhalb der Gruppe der Arbeitnehmer kommt es gleichzeitig zu einer Umverteilung von den Einkommensschwächeren zu den Einkommensstärkeren.
Der nationale Konsens in der Beschäftigungspolitik wird aufgegeben. Durch Deregulierungen und Sozialabbau wird nicht nur mehr Lohndruck erzeugt, sondern die Arbeitnehmer werden verstärkt in ungeregelte Beschäftigungsverhältnisse gedrängt. Damit gerät die Absicherung der Trendwende auf dem Arbeitsmarkt - im Vorjahr sank erstmals in den 90er Jahren die Arbeitslosigkeit - in Gefahr.
Unverkennbar besteht die Absicht der neuen Regierung auch in einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen den sozialen Gruppen. Die Stellung der Arbeitnehmer und der gesetzlichen Interessenvertretungen - also auch der Arbeiterkammern - soll geschwächt werden, indem dort die Serviceleistungen verstärkt werden sollen. Durch die damit erzwungene Einschränkung der Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmerverbände wird deren Position gegenüber der Regierung und den Arbeitgebern entscheidend geschwächt, und ihr Einfluss im Rahmen der Gestaltung der Sozial- und Wirtschaftspolitik nimmt ab. Das widerspricht dem Geist der Sozialpartnerschaft und kann zu einer Destabilisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse führen.
Zu dieser Gesamtbeurteilung gelangte eine Untersuchung der Arbeiterkammer, die die einzelnen Politikbereiche des Programms im Detail analysierte. Im Folgenden werden diese Schlussfolgerungen durch nähere Ausführungen für einige Bereiche1) untermauert. Zuvor werden noch einige Bemerkungen zum Verwirrspiel des neuen Finanzministers über die Höhe des Budgetdefizits gemacht.

Das Verwirrspiel des neuen Finanzministers

Bereits bei den Verhandlungen zwischen der SPÖ und der ÖVP spielte das Bundesbudget eine zentrale Rolle. In einer Expertenrunde einigten sich SPÖ- und ÖVP-Verhandler auf einen Konsolidierungsbedarf für das Jahr 2000 in der Höhe von knapp 46 Milliarden Schilling2). Ein erheblicher Teil davon sollte nach den Plänen von Edlinger durch die Abschöpfung von Überschüssen aus verschiedenen Fonds (Familie, Arbeitslose, Wasserwirtschaft) und durch Einmalmaßnahmen (Liegenschaftsverkäufe, Mobilfunklizenzen etc.) bedeckt werden.
Für den verbleibenden Teil (zirka 20 Milliarden Schilling) waren Einsparungen beim Sach- und Personalaufwand sowie eine Anhebung der Mineralölsteuer geplant. Die Höhe dieses Konsolidierungsbedarfes wurde vom neuen Finanzminister Grasser kurz nach seinem Amtsantritt in Zweifel gezogen. Sein erster Kassasturz ergab eine »Budgetlücke« von über 100 Milliarden Schilling. Vom sozialistischen Erbe war die Rede, obwohl die ÖVP seit 1986 die Regierungsverantwortung gemeinsam mit der SPÖ getragen hat. In seiner ersten Pressekonferenz musste einige Tage später Grasser die Richtigkeit der Berechnungen Edlingers anerkennen, die auch von namhaften Experten des Wirtschaftsforschungsinstitutes bestätigt wurden. Offensichtlich hatte er die Begriffe Budgetdefizit und Konsolidierungsbedarf durcheinander gebracht. Grasser geht nunmehr von einer geringfügig höheren »Budgetlücke« von 47 Milliarden Schilling für das Jahr 2000 aus.
Ein wichtiger Unterschied liegt aber darin, dass Grasser massive Steuerbelastungen zur Zielerreichung plant: Von einer kräftigen Erhöhung der Tabaksteuer, der motorbezogenen Versicherungssteuer und der Energieabgabe ist die Rede. Zusätzlich sollen Kostenersätze und Gebühren angehoben werden. Davon erwartet sich Grasser nicht 9 Milliarden Schilling, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, sondern sogar 13 Milliarden Schilling für die Staatskassen.

Verwirrspiel?
Der neue Finanzminister Grasser (er war bis vor kurzem beim Magna-Konzern) hat offensichtlich in seiner ursprünglichen Prognose (über 100 Milliarden Schilling) zwei Begriffe durcheinander gebracht.

Budgetdefizit
Unter dem Budgetdefizit des Bundes versteht man den Unterschiedsbetrag zwischen den Budgeteinnahmen und den Budgetausgaben. Dieses Defizit, das in den Voranschlägen und Rechnungsabschlüssen ausgewiesen wird, nennt man »administratives« Defizit«.
Davon zu unterscheiden ist das so genannte Maastricht-Defizit, bei dessen Berechnung bestimmte Finanztransaktionen ausgeschieden werden. Dazu gehören vor allem die Zuführung und Auflösung von Rücklagen, die Gewährung und Tilgung von Darlehen sowie der Verkauf und Erwerb von Beteiligungen.

Konsolidierungsbedarf
Zieht man vom Maastricht-Defizit das von der Europäischen Kommission und vom Rat maximal zugelassene Maastricht-Defizit ab, erhält man den jeweiligen Konsolidierungsbedarf. Er gibt die Budgetlücke an, die entweder durch Steuererhöhungen und/oder Ausgabenkürzungen geschlossen werden muss. Das maximal zugelassene Maastricht-Defizit wird im Stabilitätsprogramm Österreichs ausgewiesen, und die Erreichung wird von der Kommission und vom Rat laufend überprüft.

Grassers Zahlen für das Budget 2000 in Milliarden Schilling
Budgeteinnahmen
Budgetausgaben
Budgetdefizit nach Maastricht
minus zugelassenem Maastricht-Defizit
Konsolidierungsbedarf

691
800
109
62
47

Massive Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer

Die Maßnahmen des Regierungsprogramms - soweit sie überhaupt quantifiziert werden können - verteilen sich extrem ungleichgewichtig zwischen den Unternehmern/Selbstständigen und der Landwirtschaft auf der einen Seite und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf der anderen Seite. Während die erste Gruppe um mehr als 20 Milliarden Schilling entlastet werden soll, werden die Arbeitnehmer mit mehr als 13 Milliarden Schilling belastet. Der überwiegende Teil der Belastung der Arbeitnehmer resultiert aus Erhöhungen der Steuern und Gebühren. Da insbesondere Verbrauchsteuern und Gebühren erhöht werden, werden Bezieher niedriger Einkommen stärker getroffen als gut Verdienende. Die hohen und höchsten Einkommensschichten werden durch eine Reihe von Maßnahmen gezielt entlastet: Hinausschieben der Spekulationssteuer, zusätzliche steuerliche Förderung der Altersvorsorge, neue Steuerbegünstigungen für den Erwerb von Gemälden usw. Das Belastungspaket ist ganz offensichtlich notwendig, um die Entlastungen der Unternehmen/ Selbstständigen (13 Milliarden Schilling) sowie der Landwirtschaft (knapp 6 Milliarden Schilling netto) zu finanzieren. Trotz angespannter Budgetsituation gibt es zusätzlich noch Steuergeschenke an die Hauseigentümer (siehe Tabelle 1: Belastungen und Begünstigungen).
Für einen Vierpersonenhaushalt mit einem Auto bedeuten diese Maßnahmen eine zusätzliche monatliche Belastung von 220 Schilling, ist ein Raucher in diesem Haushalt, erhöht sich die Belastung auf 320 Schilling (nach den jüngsten Plänen von Finanzminister Grasser sogar noch stärker).
Der größte Teil der Belastungen betrifft allerdings die Pensionen. Durch die Anhebung des Pensionsalters sowie durch saftige Abschläge bei früherem Pensionsantritt werden ASVG-Versicherte und öffentlich Bedienstete mit 15 Milliarden Schilling belastet. Für Beamte im Ruhestand wird der so genannte Pensionssicherungsbeitrag erhöht. Von diesen Maßnahmen werden in den nächsten fünf Jahren zirka 300.000 Personen direkt betroffen sein. Die großen Verlierer sind dabei die älteren Arbeitnehmer.
Die mit dieser Steuer- und Budgetpolitik verbundene Umverteilung findet keine sachliche Rechtfertigung. Die Ertragslage der Unternehmungen ist gut und muss nicht durch eine Verkürzung der Lohnansprüche der Arbeitnehmer und durch einen großzügigen Nachlass von Arbeitgeberbeiträgen saniert werden, ebenso wenig lassen sich die Steuergeschenke und die zusätzlichen Förderungen für die Landwirtschaft rechtfertigen. Das Regierungsprogramm zielt damit klar auf eine Verschlechterung der Position der Arbeitnehmer.
Diese Tatsache wird dadurch erhärtet, dass es im Programm noch viele Maßnahmen gibt, die verteilungspolitisch überwiegend zum Nachteil der Arbeitnehmer wirken, wie z. B. der Entzug von Mitteln für das Arbeitsmarktservice, der Selbstbehalt in der Krankenversicherung, die Genehmigung von 15.000 Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft und im Tourismus usw.

TABELLE 1:

Belastungen und Begünstigungen
Für Unternehmer, Selbstständige und Bauern sowie für Arbeitnehmer und Pensionisten

in Mio. Schilling

UnternehmerInnen/Selbstständige und Landwirtschaft
Senkung der Lohnnebenkosten
Erhöhung der Energiesteuer
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer
Erhöhung des Vignettenpreises
Anhebung der Tabaksteuer
Steuerbegünstigungen u. Förderungen für die Landwirtschaft
Erhöhung des Karenzgeldes (bestehende Ansprüche)
Anhebung der PV-Beiträge (Selbstständige u. Bauern je 250 Mio. S)
zusätzliche steuerliche Forschungsförderung
Entfall der Anzeigen- und Ankündigungsabgabe
Wiedereinführung der steuerfreien Mietzinsrücklage
Sonstige Transferzahlungen
Gebührenerhöhungen im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Kostenanlastungen für öffentliche Leistungen
Gesamt

15000
-1.400
-700
-200
-200
6.000
250
-500
200
1.700
1.500
-300

-700
20.650

Arbeitnehmer
Erhöhungen im Zusammenhang mit Lohnnebenkosten (Urlaubsaliquotierung, Postensuchtag)
Erhöhung der Energiesteuer
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer
Erhöhung des Vignettenpreises
Anhebung der Tabaksteuer
Anhebung des Karenzgeldes (Verlängerung bzw. bestehende Ansprüche)
Sonstige Transferzahlungen (75% von 3000 Mio. S)
Überstunden und Jahresarbeitsmodelle öffentlicher Dienst
Leistungsverschlechterungen Unfall- u. Arbeitslosenversicherung
Gebührenerhöhungen im Zusammenhang mit Ausgliederungen und Kostenanlastungen für öffentliche Leistungen
Gesamt


-2.600
-1.600
-3.800
-1.300
-1.000
1.800
-2.300
-1.200
-1.000

-300
-13.300

Pensionisten
derzeitige und künftige PensionsbezieherInnen (ASVG und Beamte)
Erhöhung des Pensionssicherungsbeitrags (Beamte)
Gesamt

-15.000
-700
-15.700

TABELLE 2:

Arbeitsmarktauswirkungen des Regierungsprogramms

in Mio. Schilling

Auswirkungen auf das Arbeitskräfteangebot
Verlängerung der Elternkarenz
Erhöhung des Alters für die vorzeitige Alterspension (ASVG-Versicherte und Beamte)
Saisonniers und Au-pair-Mädchen
Summe Angebotsseite

-20.000
45.000
5.000
30.000

Auswirkungen auf das Arbeitskräftenachfrage
Senkung der Lohnnebenkosten (auf Teileffekt)
Reduktion der Beschäftigung im öffentlichen Dienst
Auswirkungen der Budgetausgliederungen auf die Beschäftigung
Auswirkungen der Maßnahmen betreffend Schieneninfrastruktur/ÖBB
Summe Nachfrageseite

4.000
-9.000
-3.000
-4.000
-12.000

Falscher Weg bei der Budgetkonsolidierung

Bei der Budgetkonsolidierung, deren Notwendigkeit außer Streit steht, wird ein völlig falscher Weg eingeschlagen. Durch die Steuergeschenke und Beitragssenkungen werden einerseits die Budgeteinnahmen reduziert, andererseits entsteht durch die zusätzlichen Ausgaben in der Landwirtschaft und im Familienbereich ein erheblicher Mehrbedarf. Die Folge ist, dass dadurch andere Ausgaben gekürzt werden müssen und Steuererhöhungen unumgänglich sind. Im Regierungsprogramm sind viele weitere Ausgabenerhöhungen vorgesehen wie die Aufstockung des Heeresbudgets, der Ankauf von neuen Waffensystemen, zusätzliche Ausgaben für die Bundesstaatsreform etc. Für diese Ausgaben werden entgegen den Absichtserklärungen der Regierung keine Bedeckungsvorschläge gemacht. Obwohl die Angaben im Regierungsprogramm vielfach sehr unklar sind, lässt sich doch erkennen, dass der Konsolidierungsbedarf bis zum Jahr 2003 als Folge der Steuergeschenke und der zusätzlich geplanten Ausgaben trotz Steuererhöhungen beträchtlich höher sein dürfte, als er von Edlinger beziffert wurde.
Dazu kommt, dass einige Maßnahmen im Hinblick auf ihren Beitrag zur Konsolidierung überschätzt werden. Das gilt insbesondere für die Maßnahmen in der Pensionsversicherung, bei denen nicht berücksichtigt wurde, dass eine Erhöhung des Pensionsalters höhere Ausgaben in der Arbeitslosenversicherung (2,1 bis 2,8 Milliarden Schilling) nach sich ziehen wird. Weiters soll der Bundeshaushalt durch »budgetkosmetische« Maßnahmen saniert werden. Dazu gehört der Verkauf von Bundesliegenschaften an die Bundesimmobiliengesellschaft, eine Maßnahme, die im Endeffekt nur zu höheren Zinsaufwendungen führt, da diese Käufe kreditfinanziert werden müssen.
Insgesamt muss daher bezweifelt werden, dass mit den Maßnahmen im Regierungsprogramm eine nachhaltige Budgetkonsolidierung gelingen wird. Es muss eher befürchtet werden, dass die Arbeitnehmer relativ bald mit weiteren Einsparungen und/oder Steuererhöhungen konfrontiert werden.

Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt

Das neue Regierungsprogramm gefährdet die im Vorjahr eingeleitete Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Durch die Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans für Beschäftigung haben wir nun etwa 30.000 Beschäftigte mehr und 15.000 Arbeitslose weniger. Nun ist davon auszugehen, dass sich die Arbeitsmarktbilanz bis zum Jahr 2003 um zirka 42.000 Beschäftigte verschlechtern wird (siehe Tabelle 2: Arbeitsmarktauswirkungen des neuen Regierungsprogramms).
Durch die Erhöhung des Pensionsalters für die vorzeitige Alterspension und durch die Zulassung von Saisonniers wird sich das Arbeitskräfteangebot erhöhen, gleichzeitig wird aber durch den beabsichtigten Abbau von 9000 Planstellen im öffentlichen Dienst sowie durch Personaleinsparungen im Zusammenhang mit Budgetausgliederungen die Nachfrage nach Arbeitskräften zurückgehen. Beschäftigungssenkend wirkt weiters die Einschränkung von Infrastrukturinvestitionen im Bereich der Schiene.
Diesen Effekten stehen Auswirkungen in die Gegenrichtung gegenüber. Durch die Erweiterung der Bezugsdauer beim Karenzgeld wird sich das Arbeitskräfteangebot reduzieren, und von den niedrigeren Lohnnebenkosten wird eine beschäftigungserhöhende Wirkung ausgehen.
Insgesamt bedeutet das aber nicht, dass 42.000 Beschäftigte arbeitslos werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass sich ein Teil davon in höherer Arbeitslosigkeit niederschlagen wird, ein anderer Teil des erhöhten Angebots geht in ungünstigere Beschäftigungsverhältnisse bzw. in die stille Arbeitsmarktreserve.

Verschiebung der Kräfteverhältnisse

Während in der vom Bundespräsidenten verfassten Präambel die Bedeutung der Sozialpartnerschaft betont wird, kommt in mehreren Passagen des Regierungsprogramms unverkennbar die Absicht zum Ausdruck, die Position der Arbeitnehmerverbände und damit ihren Einfluss auf die Gestaltung der Sozial- und Wirtschaftspolitik wie auch jene der Arbeitnehmer zu verschlechtern. Dazu zwei Aspekte:
Das Vorhaben der Regierung, die Kompetenz zur Regelung der flexiblen Arbeitszeit in jenen Branchen, in denen es keinen Kollektivvertrag gibt, auf die Betriebs- bzw. Individualebene zu verlagern, bedeutet unmittelbar eine Schwächung der Verhandlungsposition sowohl der verbandsmäßigen Interessenvertretung durch die Gewerkschaften als auch der einzelnen Arbeitnehmer im Betrieb. Die Absichten der Regierung stellen generell das Instrument des Kollektivvertrags in Frage.
Die gesetzlichen Interessenvertretungen, also auch die Arbeiterkammern, sollen stärker auf Serviceleistungen hin orientiert werden. Zusätzlich wird von ihnen eine Reduktion ihrer Beiträge erwartet, was mit einer Senkung der verfügbaren personellen und sachlichen Ressourcen einhergeht. Beides führt ganz offensichtlich zu einer Schwächung der Sachkompetenz der Verbände in Fragen der Sozial- und Wirtschaftspolitik. Insgesamt wird damit im Kräftedreieck Regierung - Arbeitgeber - Arbeitnehmer die Position der Letzteren eindeutig geschwächt.

Parallelen zu Neuseeland

Die neue Regierung findet in wirtschaftlicher Hinsicht eine sehr günstige Ausgangsposition vor. Die Dramatisierung des Budgetdefizits ist überzogen, wenngleich ein Handlungsbedarf nicht geleugnet werden kann. Ein Anlass für einen radikalen politischen Wandel, wie er sich im Regierungsprogramm abzeichnet, ist daher nicht gegeben. Das Regierungsprogramm hat in vielen Bereichen Parallelen zu jenem von Neuseeland, dem Land mit dem bisher radikalsten neoliberalen Reformprogramm.
Dort gibt es zwar jetzt niedrigere Inflationsraten und Budgetüberschüsse, aber die Arbeitslosigkeit ist höher als vor den Reformen. Und den Preis des Wandels haben eindeutig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Alten, die Arbeitslosen, die Kranken, die Frauen und die Minderheiten bezahlen müssen. Wenn unsere neue Regierung daher an ihrem Programm gemessen werden will, kann ihr aus Arbeitnehmersicht kein positives Zeugnis ausgestellt werden.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1206108339905 Das Ende der Sozialpartnerschaft? Der Angriff auf die Wirtschaftskammern

Die Verlagerung der Kollektivvertragspolitik von der überbetrieblichen auf die betriebliche Ebene ist vorerst einmal ein Angriff auf die Wirtschaftskammer Österreich und die Länderkammern sowie auf die Industriellenvereinigung und die freien Verbände der Arbeitgeber (Bankenverband, Versicherungsverband usw.). Denn gemäß § 4 ArbVG sind die Industriellenvereinigung und die freien Verbände primär, die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) sekundär kollektivvertragsfähig. Diese KV-Fähigkeit würde auf die Betriebe übergehen und somit wäre jede makroökonomische Steuerbarkeit für die österreichische Marktwirtschaft im Bereich der Lohn- und Gehaltskosten sowie der Arbeitsbeziehungen vernichtet. Die Arbeitsbeziehungen würden in den Betrieben verhandelt und entzögen sich dadurch der Kartellierungsmöglichkeit durch die Verbände. Das hätte zur Folge, dass die Großbetriebe, die bessere Löhne und Gehälter zahlen können, auch mehr als jetzt das bessere Personal bekämen, dass Lohndumping Platz greifen könnte und der Wettbewerb auf dem Markt über die Lohnkosten genauso ausgetragen wird wie über die Produktqualität und den Service. In allen Ländern, die auf Betriebsebene Kollektivverträge verhandeln, führte das zu massiven Lohnsenkungen und einem Verfall der Massenkaufkraft. Das gilt für die USA genauso wie zum Beispiel für Luxemburg, Frankreich, England usw.
In Österreich tragen die WKÖ und die freien Verbände auch noch dazu bei, dass es in der KV-Politik einen sinnvollen Ausgleich zwischen Groß- und Kleinbetrieben und regionalen Bedürfnissen gibt. Das ist für Österreich wegen der minimalen Betriebsgrößen sehr wichtig, denn über 80 Prozent der österreichischen Betriebe haben Beschäftigtenzahlen unter 100 und sind daher nicht so beweglich wie größere Betriebe. Das Funktionieren der österreichischen sozialen Marktwirtschaft würde in Frage gestellt werden, weil kein Arbeitgeberverband mehr regulierend und steuernd eingreifen könnte, um den Wettbewerb fair zu halten.
Der große KV-Partner WKÖ hätte nur noch Aufgaben gegenüber dem Staat, würde aber seine traditionelle Rolle als überbetrieblicher Sozialpartner verlieren. Die KV-Politik österreichischer Prägung sicherte nicht nur die Stabilität in der Wirtschaft, sondern führte auch zum verbandsinternen Interessenausgleich in der WKÖ, denn es gibt nicht »das Wirtschaftsinteresse«, sondern viele egoistische Branchen- und Betriebsinteressen, die koordiniert werden müssen.

Der Angriff auf die Gewerkschaften

Eine Verlagerung der Kollektivvertragspolitik auf die Betriebsebene würde wie in anderen Ländern dazu führen, dass die Gewerkschaften allein für den Interessenausgleich in der Wirtschaft sorgen und gegen Betriebsegoismen kämpfen müssten. Für die Gewerkschaften bedeutete der Verlust der Verhandlungspartner auf Verbandsebene eine enorme Belastung, müssten doch für Tausende Betriebe Kollektivverträge verhandelt und abgeschlossen werden, was, wie in Beispielländern der OECD gezeigt wird, dazu führt, dass die KV-Dichte extrem abnimmt.
Wir sind derzeit in Österreich OECD-Meister mit 98 Prozent KV-Dichte, wohingegen die USA mit einer breiten betrieblichen KV-Ebene bei 12 Prozent KV-Dichte halten. Der Schutz der Arbeitnehmer würde daher stark abnehmen. Fast die Hälfte der Amerikaner verdient heute weniger als vor zehn Jahren, und Streiks sind an der Tagesordnung. Dass Österreich Streiks nur in Sekunden misst, ist auch Folge unseres ausgewogenen Kollektivvertragssystems.
Aus der Absichtserklärung der Bundesregierung geht nicht hervor, ob sie auch plant, die KV-Fähigkeit der Gewerkschaften zu streichen und die kollektive Rechtsgestaltung nur durch die Betriebsräte auf Arbeitnehmerseite durchführen zu lassen. Sollte das beabsichtigt sein, so würde das zu massiven Protesten des ÖGB und der europäischen Gewerkschaftsbewegung führen, denn Österreich wäre das einzige Land, in dem Gewerkschaften keine KV-Fähigkeit besäßen. Keine Gewerkschaftsbewegung kann sich einen derart schwer wiegenden Eingriff in die kollektive Gestaltungsautonomie gefallen lassen, da sie sich ja sonst selbst in Frage stellt.
Außerdem sind Betriebsräte im Allgemeinen nicht stark genug, in einer Kollektivvertragsverhandlung dem Druck des Betriebes und der Betriebsleitung standzuhalten. Dort aber, wo Betriebsräte stark sind, würden sich (siehe USA) »Closed Shop-Systeme« entwickeln, die in keiner Weise positive Entwicklungen in der Wirtschaft wären. Wo aber keine Betriebsräte errichtet sind, also in den vielen Kleinbetrieben, gäbe es nur Einzelvereinbarungen, wo der wirtschaftlich schwächere Arbeitnehmer immer nehmen müsste, was er bekommt. Ein Lohngefälle großen Stils und eine absolut ungute Arbeitszeitentwicklung wäre absehbar. In Ländern ohne Kollektivverträge herrscht ein hohes soziales Ungleichgewicht. Die Schwachen würden auch bei uns noch schwächer, die Starken stärker. Häufige Streiks wären die Folge.

Der Angriff auf die Sozialpartnerschaft

Die durch gemeinsames Wollen unserer Vorfahren nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Sozialpartnerschaft wäre mit den Ideen der Bundesregierung zur »Reform der Sozialpartnerschaft« in Frage gestellt. Ein bewährtes System, das Österreich groß gemacht hat und um das uns alle Welt beneidet, wäre in Gefahr, nur weil einige offenbar es darauf angelegt haben, dem Konsens den Konflikt folgen zu lassen und nicht umgekehrt. Wie anders ist sonst die Betonung des Servicecharakters der Kammern zu verstehen.
Kammern sind nämlich keine Serviceeinrichtungen, sondern selbstverwaltete Mitbestimmungsorgane der Bürgerinnen und Bürger, die im Verfassungsrang die Teilhabe der Österreicherinnen und Österreicher an den Aufgaben des Staates sicherstellen. Gerade diese Funktion der Kammern steht im Vordergrund und ist der Anlass, warum in den gesetzlichen Körperschaften (Kammern) Wahlen stattfinden. Der Service in den Kammern ist ein Nebenprodukt der Tatsache, dass Experten für die Mitbestimmungsarbeit benötigt werden. Jede Betonung des Servicecharakters der Kammern stellt diese in Frage. »Wozu soll ich Arbeitsrechtsexperten denn wählen«, wird sich mancher fragen, Wahlen sind doch nur sinnvoll, wenn politisch agiert und nicht nur beraten wird.
In diesem Zusammenhang stellten sich die Kammern nicht nur selbst in Frage, würden sie zu Serviceeinrichtungen verkommen, sie begännen einen Diskurs über die eigene Notwendigkeit, über die sich trefflich diskutieren ließe, mit allen Konsequenzen, die ich hier lieber nicht andenken möchte.

Ein Zurück in das »18. Jahrhundert« kommt nicht in Frage!

Es gab schon einmal eine Zeit (von 1935-1938), da waren in Österreich die Gewerkschaften abgeschafft und man musste damals eilig Maßnahmen überlegen, wie denn der Rechtsübergang von den bestehenden KV-Vereinbarungen zu neuen zu schaffen sei. Man brachte damals die Arbeitswelt gehörig durcheinander, keiner wusste mehr, welche Vereinbarung für wen galt, und man schuf einen staatlich verordneten Gewerkschaftsbund (ein Unikum ersten Ranges), um wieder Stabilität einkehren zu lassen. Es ging damals nicht mehr. Es war zu spät und es war auch der falsche Weg.
Es darf nach den Erfahrungen der Vergangenheit nie mehr dazu kommen, dass aus Unbedarftheit oder aus Egoismus einiger der soziale Friede in Österreich zerstört wird. Denn sowohl die Verkürzung der Aufgaben der Wirtschaftskammern als auch der Gewerkschaften und der Arbeiterkammern wäre ein Rückschritt. Der Korporatismus, mit dem Willen zum Ausgleich der Arbeitnehmer- und der Arbeitgeberinteressen durch Verbände, ist eine der Erkenntnisse aus der unseligen Zeit des Wirtschaftsabsolutismus. Partnerschaft und Solidarität sind nicht nur menschenwürdig, sondern auch die klügste Form menschlicher Kooperation in der Wirtschaft. Die Reduzierung der WKÖ und der AK zu Serviceorganisationen wäre ein Schaden für ganz Österreich und unseren Wirtschaftsstandort. Ich habe nie geglaubt, mich einmal für die Wirtschaftskammern stark machen zu müssen, denn es geht der Regierung offenbar um ein Ausschalten der Verbändeebene in der Sozialpartnerschaft, sodass die qualifizierte Kritik aus dieser Ecke geringer wird.
Als Gewerkschafter wehre ich mich aber vor allem gegen den unzulässigen Eingriff in die Kollektivvertragsautonomie der Verbände. Das widerspricht dem Geist unserer Verfassung und ist ein Zurück hinter das Jahr 1848.

Chaos im Arbeitsrecht

Das Chaos im Arbeitsvertragsrecht ist ein weiterer Aspekt, den ich sehe und fürchte, käme es wirklich zu einer Verlagerung der KV-Politik von der überbetrieblichen auf die betriebliche Ebene. Welcher Vertrag gilt dann? Was geschieht mit den bestehenden Kollektivverträgen und den geänderten Vertragspartnern? Wird man dann stärker mit der Satzung arbeiten müssen? Was geschieht mit der zu erwartenden Flut von Feststellungsverfahren und Leistungsklagen, wo jetzt schon der Zugang zum Recht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so erschwert ist?
Welches Kammersystem wollen wir denn in Zukunft und welche Forderung verbirgt sich hinter der »Neugestaltung des Kammerwahlrechtes«?
Fragen über Fragen, die dringend einer Antwort bedürfen! Eines zeigt sich aber klar: »Reform der Sozialpartnerschaft« soll heißen »Infragestellung derselben«!
Nach so vielen Jahren erfolgreicher Arbeit durch und in der Sozialpartnerschaft kann diese berüchtigte »Absichtserklärung Nr. 11« nicht mit der Regierung verhandelt, sondern nur verhindert werden. Es ist gut, dass auch die WKÖ gegen die eigene »Marginalisierung« opponiert.

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Karl Klein (Leiter des Referats für Kollektivverträge des ÖGB und Bundessekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1206108339896 Österreich »neu« und blauschwarz: Autoritäre Wende in der Arbeitsmarktpolitik Die blauschwarzen Machtträger wollen laut Ansage im Regierungsprogramm »Österreich neu regieren«. Bezogen auf die Arbeitsmarktpolitik heißt dies: in autoritärem Stil.
Das im Koalitionspakt von FPÖ/ÖVP angekündigte Arbeitsmarktprogramm lautet auf den Punkt gebracht:

  • Weniger Geld für sinnvolle Arbeitsmarktmaßnahmen.
  • Leistungskürzungen und mehr Zwang für Arbeit Suchende.
  • Jedoch: Ausbau der Rechte und Möglichkeiten für Arbeitgeber.

Leere Taschen für Arbeit Suchende

Mit der Arbeitsmarktpolitik verhält es sich wie in anderen Bereichen auch: Sinn- und wirkungsvolle Maßnahmen können nur gesetzt werden, wenn eine ausreichende finanzielle Dotierung gegeben ist. Genau diese Grundvoraussetzung will die blauschwarze Regierung aber künftig nicht mehr erfüllen. Der Koalitionspakt sieht massive Kürzungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik vor:

  • Senkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags der Arbeitgeber um 0,5 Prozent (das sind minus 3,5 Milliarden Schilling jährlich).
  • Entfall des bisher zu leistenden Verwaltungskostenaufwandes durch den Bund (2,8 Milliarden Schilling).
  • Verpflichtung für das Arbeitsmarktservice (AMS), dem Bund den Personalaufwand für die beamteten AMS-Mitarbeiter künftig zu ersetzen (0,7 Milliarden Schilling).
  • Einfrieren der Mittel für die Arbeitsmarktförderung auf dem Niveau von 1999 (8,2 Milliarden Schilling), obwohl der Finanzierungsbedarf zur Einhaltung der NAP-Ziele, zu denen sich Österreich verpflichtet hat, 9,3 Milliarden Schilling (2000) bis 12,5 Milliarden Schilling (2002) betragen würde.
  • Automatisches Abschöpfen der Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung zum Stopfen des Budgetloches, das durch die Lohnnebenkostensenkung von 15 Milliarden Schilling zu Gunsten der Arbeitgeber aufgerissen wird.

Nachhaltige Verschlechterungen

Gleichzeitig werden die Rahmenbedingungen für die Arbeitsmarktpolitik durch weitere Maßnahmen nachhaltig verschlechtert:
Durch die geplante Anhebung des Antrittsalters für vorzeitige ASVG-Alterspensionen um 18 Monate muss mit zusätzlich 20.000 arbeitslosen Menschen (Jahresbestand) bei vollem InKraft-Treten dieser Regelung gerechnet werden. Nachdem nicht ersichtlich ist, wodurch die Arbeitgeber zu einer Abkehr von ihrer derzeitigen Personalphilosophie veranlasst werden sollten, Ältere lange vor Erreichen des Pensionsalters zu kündigen und ihnen kaum Wiedereinstellungschancen einzuräumen, bedeutet diese Maßnahme nur ein Abschieben von potenziellen Pensionisten in das Arbeitslosenregister. Gleichzeitig verringern sich die (Wieder-)Einstiegschancen vor allem von Jungen und Frauen, da am anderen Ende der Pensionsantritt hinausgeschoben wird, ohne dass begleitende Arbeitsmarktmaßnahmen gesetzt werden.
Dieses Abdrängen von Frühpensionisten in den Arbeitslosenbestand führt zu einer Zusatzbelastung in der Arbeitslosenversicherung von rund 2,1 bis 2,8 Milliarden Schilling, die offenbar durch die geplanten Leistungskürzungen in der Arbeitslosenversicherung wieder eingebracht werden soll. Dass durchschnittliche Arbeitslose allein durch die Einkommensdifferenz zwischen Arbeitslosengeld und Pension bei einer um 18 Monate verlängerten Zwangsarbeitslosigkeit mindestens 100.000 Schilling pro Person verlieren, ist nur ein weiterer Aspekt dieses Abdrängens Älterer in die Arbeitslosigkeit. Zwar musste - angeblich auf Geheiß des Bundespräsidenten - ein Maßnahmenpaket für Ältere in das Koalitionspapier aufgenommen werden, allerdings sind weder Inhalte angeführt noch Geldmittel dafür vorgesehen.
Die geplante Pensionsantrittsaltersanhebung im öffentlichen Dienst bei gleichzeitiger Einsparung von 9000 Bundes-Planstellen (bis 2004) führt zu einer weiteren Arbeitsmarktbelastung.
Ebenso zeigen die bisherigen Erfahrungen mit Ausgliederungs- und Privatisierungsprojekten, dass diese in der Regel auch mit deutlichen Arbeitsplatzverlusten verbunden sind.

Die geplante Aufgabe von strategischen Eigentumsanteilen an Unternehmen durch den Bund lässt nicht nur Rationalisierungskündigungen durch die neuen »Shareholder« erwarten, sondern auch nachhaltige Strukturverschlechterungen im Stile von Continental/Semperit mit entsprechend dauerhaftem Negativeinfluss auf den Arbeitsmarkt befürchten. Wie noch gut in Erinnerung, haben die deutschen Semperitkäufer zuerst die für die Standortabsicherung strategisch wichtige Forschung & Entwicklung abgesiedelt und in der Folge erklärt, dass die verbliebene »verlängerte Werkbank« im Konzernvergleich zu teuer sei. Die Folgen sind bekannt: massive Arbeitsplatzverluste und permanente Standortbedrohung.
Die ab 2001 vorgesehene Beitragssenkung in der Unfallversicherung um 0,2 Prozent (1,7 Milliarden Schilling jährlich) wiederum verschlechtert die Möglichkeit zu Präventivmaßnahmen im Gesundheitsbereich, die aber einen wichtigen Ansatz darstellen, um der Invalidisierung und der krankheitsbedingten Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Die Kostenentlastung dagegen kommt nur den Arbeitgebern zugute.
Neue Saisonierregelung in der Ausländerbeschäftigung: Durch eine massive Kontingentaufstockung für ausländische Saisoniers im Fremdenverkehr und in der Landwirtschaft auf 15.000 Plätze (die mehrfach in einem Jahr genutzt werden können) sollen die Arbeitgeber flexibel zu Billiglöhnen ausländische Arbeitnehmer, die kein Recht auf Vollversicherung haben sollen, zum Arbeitseinsatz bis zu sechs Monaten im Jahr einstellen können. Danach müssen die Arbeitnehmer wieder heimfahren. Das ist praktisch. Wenn - wie in dieser Branche leider üblich - die Ansprüche nicht korrekt abgerechnet wurden, wird sich ein heimgeschickter Saisonier wohl schwer tun, dagegen arbeitsrechtliche Schritte zu unternehmen. Gleichzeitig fehlt es an Arbeitsplätzen für rund 30.000 aufenthaltsrechtlich integrierte Immigranten. Die Gewerkschaft kämpft um bessere Arbeitsbedingungen für die in- und ausländischen Arbeitnehmer in den betroffenen Branchen. Den Arbeitgebern freilich sind Kollegen zum rechtlich nicht abgesicherten Saisonierstatus und zu schlechten Arbeitsbedingungen lieber; der blauschwarzen Regierung offenbar auch.

Zwangsmaßnahmen sollen Förderung ersetzen

Angesichts dieser massiven Milliardenkürzungen beim Arbeitsmarktbudget bei gleichzeitig ansteigendem Problemdruck sitzt das Arbeitsmarktservice in der Zwickmühle: Soll es nun die Arbeitsmarktförderung trotz Mittelknappheit in der bisherigen Qualität, aber in geringerem Umfang weiterfahren und ein Hinaufschnellen der Arbeitslosenzahlen in Kauf nehmen, oder die Maßnahmen hinsichtlich Dauer und Qualität reduzieren, um die Verminderung an Reichweite in Grenzen zu halten?
Wahrscheinlich droht ein Maßnahmenmix, der eine geringere Anzahl und billigere (qualitativ reduzierte) Arbeitsmarktmaßnahmen mit einer härteren Gangart gegen Arbeitsuchende unter dem Titel der »Missbrauchsbekämpfung« bei gleichzeitig verschärfter Konkurrenz der verschiedenen Zielgruppen (Frauen, Ältere, Behinderte, Jugendliche) um ausreichende Mittel für Fördermaßnahmen und gleichzeitig noch größerer Hinwendung zu Arbeitgeberforderungen an das AMS miteinander kombiniert. Die Vorgaben des Regierungsprogramms sind eindeutig: Durch legistische Änderungen soll die Entwicklung des AMS von der Behörde zum Serviceunternehmen korrigiert werden. Service soll künftig zum Privileg der Arbeitgeber werden, der Behördencharakter des AMS mit staatlicher Zwangsgewalt bleibt den Arbeitnehmern vorbehalten.

Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen - Wegfall des Berufsschutzes

So heißt es im »Kapitel I: Arbeit und Soziales« auf Seite 18 des Koalitionspaktes, die »Lockerung des Berufsschutzes bei verwandten Berufen zur Erhöhung der Vermittlungseffektivität ist anzustreben«.
Und auf Seite 21 wird ausgeführt: »Bei Beurteilung der Zumutbarkeit einer Beschäftigung hat die Berücksichtigung der künftigen Verwendung im erlernten Beruf bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit zu entfallen.«
Konkret bedeutet das zum Beispiel für einen Facharbeiter, dass der erlernte Beruf vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an nicht mehr zählt, wenn er das Pech hat, die Arbeit zu verlieren. Dabei ist der Berufsschutz ja auch derzeit schon nicht absolut zu sehen; im Notstandshilfebezug gilt er nicht mehr. Zumindest während des Arbeitslosengeldbezugs soll aber die Chance gewahrt bleiben, durch Hilfe bei der Stellensuche, durch Unterstützung und Förderung den beruflichen Abstieg und die Entwertung des Humankapitals zu verhindern.
Deshalb zahlen Arbeitnehmer ja auch ihren Beitrag in die Arbeitslosenversicherung ein, doch anscheinend gilt der neuen Regierung der Bezug jeglicher Versicherungsleistung, wenn sie an Arbeitnehmer und nicht an Arbeitgeber adressiert ist, schon als Missbrauch. Diesen zu bekämpfen ist daher ein weiteres Anliegen des Programms; aber eben nur, wenn es die Arbeitnehmer trifft:

Verschärfte Sanktionen gegen Arbeitslose, die eine unerlaubte Nebenbeschäftigung ausüben, jedoch keine Maßnahmen gegen Schwarzunternehmer

Das bereits am Ende der letzten Legislaturperiode von Altsozialministerin Hostasch vorgelegte Paket zur Bekämpfung des Schwarzunternehmertums, mit dem gegen unfaire Arbeitsbedingungen und Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen in Milliardenhöhe durch Arbeitgeber vorgegangen werden sollte, wird von der blauschwarzen Regierung nicht aufgegriffen. Auch alternative Maßnahmen dazu finden sich nicht im Programm. Wohl aber wird das Arbeitsmarktservice aufgefordert »sicherzustellen, dass in der Praxis Maßnahmen gesetzt werden, die geeignet erscheinen, den Missbrauch möglichst zu unterbinden. Bei festgestellter Schwarzarbeit soll eine Berichtigung (das heißt Rückzahlung) von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in der Dauer von mindestens 30 Tagen erfolgen«. Dies gilt offenbar auch, wenn nur an einem Tag gearbeitet wurde. Und völlig sanktionsfrei bleiben weiterhin die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die die Sozialgesetze umgehen oder, wie in der Arbeitslosenberatung der Arbeiterkammer leider immer wieder festgestellt werden muss, die Arbeitsuchende unter Druck setzen, zumindest eine Woche oder auch länger »schwarz« auf Probe zu arbeiten. Bei Nichtakzeptanz durch die Arbeitsuchenden unterbleibt auch die Einstellung.

Einführung eines »Gemeinwesen-Arbeitsdienstes« mit »Bürgergeld«

Damit nicht genug, soll künftig auch eine Art Arbeitsdienst im Gemeinwesen für Langzeitarbeitslose eingeführt werden, jedoch ohne dass Anspruch auf eine kollektivvertragliche oder ortsübliche Entlohnung bestünde. Vielmehr soll - völlig versicherungsfremd - offenbar als neues weiteres Anspruchskriterium sui generis für den Notstandshilfebezug, der ja eigentlich aufgrund der zuvor erworbenen Versicherungszeiten gebührt, das Ableisten einer Arbeit im kommunalen Sozial- oder Umweltbereich verlangt werden dürfen. Die Weigerung führt zum (zumindest sechswöchigen) Anspruchsverlust. Als Entschädigung soll zusätzlich zur Notstandshilfe ein »Bürgergeld« in der Höhe von »bis zu« 20 Prozent der Notstandshilfe bezahlt werden.
Eine ältere Arbeitslose, die nach den neuen Bestimmungen zuerst um 18 Monate länger in die Arbeitslosigkeit gezwungen wird, kann nun also - als Voraussetzung dafür, dass die Notstandshilfe weiterläuft - zum Putzen in das örtliche Krankenhaus oder zum Laubrechen in den Park geschickt werden. Wenn sie z. B. einen wegen der Anrechnung des Ehepartner-Einkommens gekürzten Notstandshilfeanspruch von, sagen wir, 2000 S im Monat hat, kriegt sie für einen Fulltimejob im Rahmen dieses neuen Gemeinwesen-Arbeitsdienstes also »bis zu« 20 Prozent ihrer Notstandshilfe - das sind hier »bis zu« 400 S im Monat - dazu. Ein wahrhaft gutes und gerechtes Geschäft. Daher firmiert der geplante Gemeinwesen-Arbeitsdienst im Regierungsprogramm auch unter dem Titel »Helfen, Aktivieren, Integrieren«.

Mehr »Treffsicherheit« in der Arbeitslosenversicherung - Einschränkung des Berechtigtenkreises

Als gefährliche Drohung muss es angesichts einer solchen Philosophie aufgefasst werden, wenn das blauschwarze Programm auch an anderer Stelle eine Reform der Arbeitslosenversicherung mit dem Ziel der »größeren Treffsicherheit« zur »Missbrauchsbekämpfung« vorsieht. Wer soll denn da wohl getroffen werden? Ganz offenbar geht es darum, unter dem Titel der »Missbrauchsbekämpfung« immer mehr Menschen trotz bezahlter Beiträge vom Anspruch auf die Versicherungsleistungen bei Arbeitslosigkeit auszuschließen. Unterstützt werden soll die neue autoritäre Arbeitsmarktphilosophie offenbar durch besoldungsrechtlichen Druck auf die AMS-Mitarbeiter, dabei auch ordentlich mitzumachen.

Leistungsorientierung im AMS

Diese Wirkung wird durch eine leistungsorientierte Honorierung für die Mitarbeiter des AMS, »damit die Vermittlungsleistung von Arbeitslosen auf Arbeitsplätze forciert wird«, zu erreichen versucht. Den Bonus gibt es also nur, wenn eine Vermittlung auf einen Arbeitsplatz erfolgt, z. B. vom Facharbeiter zum Hilfsarbeiter. Die Beratung zur Umschulung oder Höherqualifizierung wird dagegen gar nicht als Leistung definiert und daher auch nicht belohnt. Eine klare Weichenstellung also. Fragt sich nur, womit die Bonusleistung finanziert werden soll, wenn doch das AMS künftig über wesentlich weniger Mittel verfügen wird. Die Antwort ergibt sich von selbst: Durch eine gebremste Entwicklung der Normalentlohnung, was das Problem für beide Seiten - AMS-Mitarbeiter und Arbeitsuchende - leider verschärft. Dadurch wird künstlich ein Interessengegensatz zwischen AMS-Mitarbeitern und Arbeitslosen geschaffen: Das Interesse der AMS-Mitarbeiter am Vermittlungsbonus wird von den blauschwarzen Arbeitsmarktideologen gegen das Interesse der Arbeitslosen an Beratung, Umschulung oder Höherqualifizierung ausgespielt.

Lehrlinge als Billigarbeitskräfte?

Aber auch die Jugend soll künftig weniger lachen, denn es gilt wieder, Lehrjahre sind keine Herrenjahre: Die Fortführung des Auffangnetzes für Jugendliche wird in Frage gestellt. Eine Einstellung würde aber schon im Herbst 2000 die Gefahr von 6000 fehlenden Ausbildungsplätzen zur Folge haben. Dafür soll die Probezeit für Lehrlinge auf drei Monate und die Tagesarbeitszeit (genannt Tagesausbildungszeit) bis 23 Uhr verlängert und gleichzeitig sollen die Verhältniszahlen so verändert werden, dass pro Ausbildner mehr Lehrlinge zu betreuen sind. Damit wird das duale System der Lehrausbildung praktisch in ein Segment für Billigarbeitskräfte umgewandelt, gut geeignet auch für saisonale Aushilfsarbeiten. Um die Sache abzurunden, sollen ab 2003 die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber bei der Lehrausbildung im Ausmaß von 3 Milliarden Schilling reduziert werden (Abgeltung der »Ausbildung« der Lehrlinge durch den Bund, finanziert durch Einsparungen zu Lasten der Arbeitslosen).

FPÖVP-Politiksicht: Der Mensch beginnt beim Unternehmer

Aufgrund dieser Sichtweise werden ja die Lohnnebenkosten um 15 Milliarden Schilling gesenkt und wird ab 2003 noch das zusätzliche 3-Milliarden-Geldgeschenk, das zuerst noch bei den Arbeitslosen eingespart werden muss, an die Arbeitgeber überreicht. Durch das Fallenlassen des bereits fix & fertig ausformulierten Maßnahmenpaketes zur Bekämpfung des Schwarzunternehmertums sollen die Arbeitgeber davor bewahrt werden, dass wirtschaftliche und rechtliche Fairness und Korrektheit gegenüber Arbeitnehmern und Öffentlichkeit wirkungsvoll eingefordert werden können.
Eine »Charta der wirtschaftlichen Freiheiten«, die noch näher zu definieren ist, soll schließlich wohl sicherstellen, dass nicht nur ein Geldtransfer, sondern auch ein solcher von Rechten und Entfaltungsmöglichkeiten von den Arbeitnehmern hin zur Arbeitgeberseite erfolgen kann.
Die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbstständige zu günstigen Preis-Leistungsbedingungen ist von den Arbeitnehmern mit ihren AlV-Beiträgen zu subventionieren.
Die Umstrukturierung des AMS zu einer GesmbH schließlich und die Verpflichtung des AMS zu Kooperation mit und Zuarbeit für kommerzielle Arbeitsvermittlungsagenturen und Leiharbeitsunternehmen entspricht einer öffentlichen Infrastrukturfinanzierung für profitorientierte Privatunternehmen. Dass damit auch Anreize zur Umgehung der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes geschaffen werden und einer Destabilisierung des Arbeitsmarktes durch verstärkte Segmentierung in Kern- und Randbelegschaften Vorschub geleistet wird, ist ein Besorgnis erregender Nebeneffekt.
Aber das ist eine eigene Geschichte.

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Josef Wallner (Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1206108339809 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1201819091774 Für Arbeitnehmervertreter läuten die Alarmglocken »Arbeit & Wirtschaft«: Wie sieht die wirtschaftliche Situation im Burgenland aus?

Ernst Piller: Zweifellos hat das Burgenland von der ersten Ziel-1-Periode wirtschaftlich sehr profitiert. Die Eckdaten sind positiv, wir haben ein hohes Wirtschaftswachstum, der Fremdenverkehr hat vor allem über den Bereich des Gesundheitstourismus stark zugenommen und auch in strukturschwächeren Gebieten hat sich die EU-Förderung günstig ausgewirkt. Die Landespolitik hat wesentlich dazu beigetragen, dass es im Burgenland zu einem enormen Wachstum der Arbeitsplätze gekommen ist. Wir haben knapp 80.000 Beschäftigte zu Spitzenzeiten. Das hätten wir vor wenigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt.

A&W: Gibt es trotzdem Probleme?

Piller: Sorgen bereitet uns als Arbeiterkammer und ÖGB das Anwachsen der atypischen Beschäftigungsverhältnisse. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten mit geringer sozialer Absicherung steigt, und auch die Scheinselbstständigkeit bringt für die Betroffenen handfeste Probleme mit sich. Erst kürzlich konnten wir den Beschäftigten eines Callcenters helfen, die umgerechnet nur 4 Schilling Stundenlohn erhalten haben. Die Firma musste eine saftige Nachzahlung leisten.

A&W: Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus, besonders in Bezug auf Problemgruppen?

Piller: Das Burgenland ist - was Arbeitslosigkeit betrifft - nicht unbedingt anders als andere Bundesländer. Die Arbeitslosenzahlen stellen sich bei uns nur etwas anders dar, weil doch knapp 30.000 Burgenländerinnen und Burgenländer in andere Bundesländer pendeln und sich bei Saisonarbeitslosigkeit natürlich im Burgenland arbeitslos melden. Tatsache bleibt aber, dass es auch im Burgenland im Bereich der älteren Beschäftigten massive Probleme gibt.
Bei den Jugendlichen hat man bei uns vom NAP profitiert. Es konnten Stiftungen geschaffen werden, und die Zahl der Lehrlinge ist prinzipiell gestiegen. Die Bilanz ist somit grundsätzlich positiv, aber das ist noch kein Grund, zufrieden zu sein.

A&W: Wie steht es mit Rezepten gegen die Arbeitslosigkeit?

Piller: Ich halte es für sehr bedeutsam, dass es gerade die Gewerkschaften waren, die auf europäischer Ebene Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit gefordert und somit die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu einem gesamteuropäischen Anliegen gemacht haben. Auch in Österreich hat die Arbeiterkammer gemeinsam mit dem ÖGB wirksame Maßnahmen gefordert. Der NAP und seine positive Bilanz sind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür. Jetzt gerät allerdings die positive Beschäftigungsbilanz in Gefahr. Die neue Regierung will offensichtlich den bewährten Weg verlassen. Da läuten bei uns Arbeitnehmervertretern die Alarmglocken.

A&W: Ist eine verbesserte Ausbildung ein wirksames Mittel gegen Arbeitslosigkeit?

Piller: Gerade die Arbeiterkammer Burgenland hat sich immer mit Fragen der Ausbildung beschäftigt und immer darauf gedrängt, die burgenländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter und höher zu qualifizieren. In der jetzigen EU-Periode wird man dafür mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen müssen. Die burgenländischen Arbeitnehmer sind zu Weiterbildung und Höherqualifizierung bereit. Das zeigen auch die rasant steigenden Teilnehmerzahlen an Kursen und Schulungen des bfi.

Ernst Piller
Der burgenländische Arbeiterkammerpräsident Ernst Piller war im vergangenen Herbst 60.
Der gebürtige Draßburger trat nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre beim ÖGB Burgenland als Gewerkschaftssekretär ein. Bereits 1969 wurde er zum Kammerrat in der burgenländischen Arbeiterkammer bestellt und bekleidete von 1973 bis 1983 die Funktion eines Vizepräsidenten. Seit 1983 ist Ernst Piller Präsident der burgenländischen Arbeiterkammer.
Sein politisches Ziel war es immer, der als Serviceeinrichtung unbestrittenen AK ein eigenständiges Profil als politische Interessenvertretung zu geben. In seine Präsidentschaft fiel die Mitgliederbefragung 1996, die im Burgenland mit 93 Prozent Zustimmung das beste Ergebnis aller Arbeiterkammern österreichweit brachte. Piller gilt als klarer Verfechter der Sozialpartnerschaft und auch als Politiker, der aus Überzeugung die konsensuale Gesprächsbasis mit den anderen Interessenvertretungen und Verbänden gesucht hat. Seine politische Laufbahn begann Piller als SPÖ-Gemeinderat in Eisenstadt, er war Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag und vertrat von 1989 bis 1994 die Belange des Burgenlandes im Nationalrat.
Sowohl im Parlament als auch in seiner Funktion als AK-Präsident waren ihm Fragen der Aus- und Weiterbildung - vor allem der jungen Menschen - ein besonderes Anliegen. So wurde auf seine Initiative hin im Burgenland unter anderem das Arbeitnehmerförderungsgesetz beschlossen und damit Jugendlichen und auch Frauen der (Wieder-)Eintritt ins Berufsleben erleichtert.
Ernst Piller lebt heute in Eisenstadt, er ist seit 1960 verheiratet und hat 2 Kinder sowie 4 Enkelkinder.
Einige Zahlen zur AK Burgenland:
In der Vollversammlung sind 30 FSG-Kammerräte, 15 ÖAAB-Kammerräte und 5 FA-Vertreter.
Die AK-Wahl findet vom 3. bis 12. April 2000 statt. Wahlberechtigt sind knapp 61.000 burgenländische Arbeitnehmer.

A&W: Wie ist die Stimmung im Lande?

Piller: Meines Erachtens nach herrscht große politische Verunsicherung im Land. Das bestätigen unsere Funktionäre und Betriebsräte und das spüre ich auch bei jeder Gelegenheit. AK und ÖGB werden gegen das vorgelegte Programm der Regierung massiv auftreten. Es droht den Arbeitnehmern eine Belastungswelle, die wir nicht widerspruchlos zur Kenntnis nehmen werden. Viele Kürzungen im Sozialbereich werden zunächst Frauen, Ältere und Arbeitslose betreffen. Diese Wucht an Belastungen werden AK und ÖGB bekämpfen. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes auch bei der kommenden AK-Wahl ein Zeichen setzen und dieser massiven Belastungspolitik eine klare Absage erteilen werden.

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(Mit Ernst Piller sprach Raimund Brandl.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1201819091647 »Regierungspläne stellen 13. und 14. Gehalt in Frage« Arbeit & Wirtschaft: Kärnten liegt bei fast allen Wirtschaftsdaten hinter den anderen österreichischen Bundesländern: niedrigere Einkommen, höhere Arbeitslosigkeit, geringere Kaufkraft. Was tut die AK zur Verbesserung der Lage der Arbeitnehmer?

Josef Quantschnig: Die Arbeiterkammer hat der neuen Kärntner Landesregierung im Vorjahr ein Memorandum überreicht, in dem alle Vorschläge der AK zur Sicherung von Arbeit und Einkommen in Kärnten zusammengefasst wurden. Wir haben verlangt, dass Arbeitsplätze das Thema Nummer eins der Landespolitik sein müssen. Der Landeshauptmann wurde aufgefordert, ein Bündnis für Arbeit und Einkommen ins Leben zu rufen, an dem alle Sozialpartner, Vertreter der Wirtschaft und des Landes mitwirken sollen. Das gemeinsame Ziel lautet: Kärnten muss weg von seiner Schlusslichtposition!

A&W: Was ist aus den Vorschlägen der AK in diesem Forderungskatalog geworden?

Quantschnig: Viele Vorschläge der AK, wie Maßnahmen zur Senkung der hohen Wohnkosten in Kärnten oder Aktionen zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen für Kärntner Jugendliche, hat der Landeshauptmann aufgenommen. Unsere Ideen wurden zum Teil sogar Inhalt seiner Regierungserklärung. Ich bin also sehr optimistisch, dass die Rolle der AK in Kärnten weiter die einer wichtigen Impulsgeberin für Zukunftsideen sein wird.

A&W: Was hat die AK selbst im Rahmen ihrer Servicetätigkeit in letzter Zeit zur Verbesserung der Lage der Kärntner Arbeitnehmer geleistet?

Quantschnig: In den vergangenen Monaten hat die AK Kärnten zwei wichtige neue Angebote für ihre Mitglieder geschaffen. Das erste war die Aktion »AK-Bildungsgutschein«: Jedes Kärntner AK-Mitglied hat im Jänner einen persönlichen Bildungsgutschein der AK im Wert von 1000 Schilling erhalten. Dieser Gutschein kann für EDV-, Internet- oder Fremdsprachenkurse bei den Volkshochschulen oder beim bfi eingelöst werden. Die AK will mit dieser Aktion einen Anreiz schaffen, damit sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beruflich weiterbilden. Vor allem neue Medien und Fremdsprachen werden in fast allen Branchen ja immer wichtiger. Und Qualifikation ist von großer Bedeutung für einen sicheren Arbeitsplatz.

A&W: Was war die zweite Neuerung im AK-Serviceangebot?

Quantschnig: Als Reaktion auf die hohen Wohnkosten in Kärnten hat die Arbeiterkammer mit Jahresbeginn das zinsenlose Wohnbaudarlehen um 5000 Schilling erhöht. Dieses Darlehen in der Höhe von 30.000 bis 40.000 Schilling können AK-Mitglieder beantragen, die ein Haus bauen, eine Wohnung kaufen oder Wohnraum sanieren. Erstmals wird von der AK seit heuer auch der Kanalanschluss oder die Errichtung einer biologischen Kläranlage gefördert. Auch das stellt für viele Haushalte ja eine große finanzielle Belastung dar. Ich muss sagen, dass beide Aktionen, der Bildungsgutschein und das erhöhte Wohnbaudarlehen, von unseren Mitgliedern sehr begeistert angenommen worden sind.

A&W: Zurück zur AK als der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer: Was sind die künftigen Arbeitsschwerpunkte? Wofür wirst du dich einsetzen?

Quantschnig: Unsere kommende Aufgabe ist durch das Regierungsprogramm sehr klar vorgezeichnet: Wir müssen verhindern, dass die Arbeitnehmer die Opfer dieses ungerechten Belastungspaketes werden. Die Regierung schenkt den Bauern und Unternehmern rund 19 Milliarden und will bei den Arbeitnehmern fast 14 Milliarden einsparen. Das heißt, die Arbeitnehmer zahlen bei diesem Belastungspaket drauf: durch höhere Steuern auf Strom, Auto und Tabak, durch weniger Urlaub, durch 20 Prozent Selbstbehalt bei Krankheit, durch Kürzung der Pensionen, ein höheres Pensionsalter und einen Angriff auf das 13. und 14. Gehalt. Dagegen werde ich mich zur Wehr setzen.

A&W: Was weist darauf hin, dass die Regierung vorhat, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Frage zu stellen?

Quantschnig: Punkt 11 im Kapitel »Starke Demokratie« des Regierungsprogramms von ÖVP und FPÖ sieht die Verlagerung von der überbetrieblichen in die betriebliche Mitbestimmung vor, insbesondere in Bezug auf Arbeitszeit, Betriebszeiten und Kollektivvertragsrecht. Und unter dem Kollektivvertragsrecht versteht man in erster Linie den Mindestlohn, den Ist-Lohn und die Rechtsgrundlage für das 13. und 14. Gehalt. Wird die Möglichkeit der Bestimmung über diese Punkte in den Betrieb übertragen, besteht die Gefahr, dass wirtschaftliche Probleme vorrangig über Lohnverzicht gelöst werden. Damit stehen Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf dem Spiel. Die Regierung ebnet quasi den Weg zur Abschaffung des 13. und 14. Gehalts.
Auf jeden Fall wird mit dem Kollektivvertrag die zentrale Grundlage des österreichischen Arbeitsrechtes massiv in Frage gestellt. Branchenkollektivverträge haben außerdem einen wettbewerbsregulierenden Charakter. Geht dieser verloren, droht neben einer Lohnspirale nach unten auch der Verlust von Arbeitsplätzen. Daher lehnt die Arbeiterkammer diesen Plan der Bundesregierung ab. Es ist daraus auch kein unmittelbarer Beitrag zur Budgetkonsolidierung erkennbar. Sinkende Löhne bedeuten nämlich auch sinkendes Lohnsteueraufkommen und sinkende Kaufkraft.

A&W: Was sind die Themen, die die Arbeiterkammer in nächster Zeit in Kärnten selbst beschäftigen werden?

Quantschnig: Unsere Arbeit steht derzeit unter dem Motto »Arbeit schaffen, Arbeit schützen«. Und dieses Thema wird auch weiterhin unser größtes Anliegen bleiben. Zwar hat sich die Arbeitsmarktlage durch die aktive Beschäftigungspolitik des Arbeitsmarktservice und durch das Maßnahmenpaket der früheren Bundesregierung gebessert. Es ist aber zu befürchten, dass dieser Trend nicht von Dauer sein wird. Die ÖVP/FPÖ-Regierung hat ja die Absicht, die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik einzufrieren und die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken.
Ich werde besonders darauf achten, dass ältere Arbeitnehmer, Lehrlinge und berufstätige Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht benachteiligt werden.

A&W: Zu den bevorstehenden AK-Wahlen: Wann wird in Kärnten gewählt, wie ist die Ausgangslage und mit welchem Ergebnis rechnest du?

Quantschnig: Die AK-Wahl findet in Kärnten vom 3. bis 14. April statt. Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen hat bei der AK-Wahl 1994 knapp 62,9 Prozent der Stimmen erhalten, gefolgt von den Freiheitlichen Arbeitnehmern mit rund 20,8 Prozent, dem ÖAAB mit 11,5 und dem Gewerkschaftlichen Linksblock mit 1,1 Prozent. Ich rechne für die FSG bei den jetzigen Wahlen auf jeden Fall mit einem Ergebnis, das es uns im Anschluss an die Wahl ohne Sondierungsgespräche ermöglicht, »regierungsfähig« zu sein.

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(Das Gespräch mit AK-Präsident Josef Quantschnig führte Christa Maurer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Mar 2000 00:00:00 +0100 1201819091638 Streitpunkt Arbeitsmarktpolitik »Arbeit & Wirtschaft«: Kollege Tumpel, du wirfst der neuen Regierung vor, sich vom Ziel der Vollbeschäftigung zu verabschieden.

Herbert Tumpel: Das FPÖ-ÖVP-Programm gefährdet die zuletzt so erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik. Und das entgegen allen nationalen und internationalen Erfahrungen. Wir wissen: Die Fähigkeiten, das Wissen und Können der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind heute die entscheidenden Faktoren für den wirtschaftlichen Erfolg. Die FPÖ-ÖVP-Politik steuert in eine andere Richtung. Statt Qualifikation zu fördern, wird mit Sanktionen gedroht. Die Beschäftigungsprogramme werden finanziell ausgehungert, Arbeitsplätze vernichtet, Frauen vom Arbeitsmarkt weggelockt, die Lebensarbeitszeit wird verlängert und ein »Arbeitsdienst« eingeführt.
Das Regierungsprogramm macht eine Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik und verlässt das Ziel der Vollbeschäftigung. Ersetzt Förderung und Entfaltung durch Zwang und Sanktionen. Dabei wäre es wichtig und richtig, nicht- oder fehlqualifizierte Arbeitssuchende wieder fit für den sich ständig ändernden Arbeitsmarkt zu machen. Die Regierung schlägt den Weg zu einer autoritären Arbeitsmarktpolitik ein.

A&W: Kollege Tumpel, ein wichtiges Ziel deiner politischen Arbeit ist der Schutz und Ausbau der Rechte der Arbeitnehmer. Womit sind die Kolleginnen und Kollegen konfrontiert?

Tumpel: Die Arbeitswelt steht im Umbruch. Es gibt immer mehr unsichere Arbeitsverhältnisse. Es gibt immer mehr geringfügige Arbeitsverhältnisse, von denen eine Arbeitnehmerin, ein Arbeitnehmer nicht leben kann. Es gibt immer mehr atypische Arbeitsverhältnisse, ohne ausreichenden rechtlichen Schutz, ohne Zukunftsvorsorge und soziale Sicherheit.
Und der Arbeitsmarkt ist labil: Eineinhalb Millionen Arbeitnehmer wechseln in Österreich mindestens einmal im Jahr den Arbeitsplatz. Für die Beschäftigten bedeutet dies, dass in Zukunft die Beschäftigungskarrieren überwiegend aus sehr unterschiedlichen Beschäftigungsformen bestehen werden. Befristete Arbeitsverhältnisse, geringfügige Erwerbstätigkeit, Scheinselbstständigkeit, besser und schlecht bezahlte Arbeitsplätze werden einander abwechseln. Das muss sich letztlich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Das Programm der Regierung wird diesen Druck verstärken. Es läuft in Richtung Lohndumping, verschlechterte Arbeitsbedingungen, Beschneidung der Mitspracherechte von Arbeitnehmern und Betriebsräten. Statt einer Höherqualifizierung kommt es zu einer Dequalifizierung der Betroffenen, statt neue vollwertige Arbeitsplätze zu schaffen, sollen Menschen zu Niedriglöhnen zur Arbeit verpflichtet werden.
Wir brauchen nur einen Blick auf die Statistik zu werfen. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten steigt immer mehr. Frauen sind davon besonders betroffen. Fast 200.000 Menschen versuchen sich mit solchen Beschäftigungsverhältnissen über Wasser zu halten. Und viele tun das nicht freiwillig. Sie tun es, weil sie dem Willen des Arbeitgebers folgen müssen.

A&W: Gibt es Beispiele?

Tumpel: Ja, da werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel in einem Unternehmen für einen Tag beschäftigt, daneben beziehen sie die Arbeitslosenunterstützung. Dann aber werden sie plötzlich normal, also für 38,5 Stunden angestellt. Der Pferdefuß: Nach einem Monat wird das Dienstverhältnis - als Probemonat dargestellt - gekündigt. Und dann irgendwann beginnt dieses Spiel aufs Neue. Da geht es nur darum, eventuelle Auftragsspitzen des Arbeitgebers abzudecken, allerdings zu Lasten des Arbeitnehmers. Das sind Verhältnisse, die darüber hinaus auch rechtswidrig sind. Die Betroffenen kommen zu uns und fragen: Wo ist mein Recht, wo mein Anteil an den Sonderzahlungen?
Oder, nehmen wir den modischen Konsumtempel »Peek & Cloppenburg«. Da gibt es ein Prinzip, das heißt »Arbeit auf Abruf«. Das sind Arbeitsverhältnisse, die nach dem Belieben des Arbeitgebers und unter voller Übertragung der wirtschaftlichen Last auf den Arbeitnehmer gestaltet werden. Der Arbeitnehmer sitzt zu Hause, wartet, dass der Arbeitgeber anruft und ihm mitteilt, dass es Arbeit gibt. Das kann psychisch zu einer großen Belastung werden, richtet sich doch die Höhe des Verdienstes nach dem Arbeitsanfall. Aber nicht nur das: Der Arbeitnehmer wird empfindlich in seiner Privatsphäre gestört, weiß er doch nicht, wann und wie lange er arbeiten muss. Der Arbeitnehmer kann zwar von Fall zu Fall Arbeitseinsätze ablehnen, aber wenn jemand dies öfter macht, wird er wahrscheinlich nie mehr wieder geholt.

A&W: Sind das nicht Einzelfälle?

Tumpel: Leider nein. Wir sehen uns zunehmend mit solchen Unterwerfungsverträgen konfrontiert. Das Programm der FP-VP-Koalition wird das noch massiv verstärken. Das zeigen auch die Arbeitsmarktprognosen. Die von der Regierung geplanten sozial- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen erhöhen unmittelbar das Angebot an Arbeitskräften auf dem österreichischen Arbeitsmarkt und verringern gleichzeitig die Beschäftigungsmöglichkeiten. Das wird den Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen verstärken. Die Betroffenen werden auch schlechte Bedingungen akzeptieren, nur um Arbeit zu haben.
Das Ungleichgewicht zwischen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage wird vorsichtig geschätzt um rund 42.000 Personen steigen. Und - wieder vorsichtig geschätzt - ein gutes Drittel davon, also 15.000 Menschen, werden davon in die Langzeitarbeitslosigkeit wechseln. Dazu kommen noch jene älteren Arbeitnehmer, die von der neuen Regelung für Frühpensionen betroffen sein werden, die länger arbeitslos sein werden und ohne empfindliche Einbußen nicht in Pension gehen können. Konkrete Maßnahmen zur Schaffung und Sicherung von Beschäftigung für ältere Arbeitnehmer gibt es seitens der Regierung nicht. Auch hier gilt offensichtlich Strafe statt Lösung. Betroffen kann auch die Jugend sein. Bis zu 8000 werden um einen Ausbildungsplatz fürchten müssen. Einfach weil die Mittel gekürzt werden und das erfolgreiche Auffangnetz in Frage gestellt wird. Dieses Auffangnetz ist für die Jugendlichen wichtig, stellen doch die Unternehmen von Jahr zu Jahr immer weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung. Pro Lehrling und Jahr bekommen die Unternehmen 11.600 Schilling zugeschossen. Dieses Zuckerl soll - so der Wille der neuen Regierung - noch einmal um 24.000 Schilling aufgefettet werden, für die Zeiten, in denen die Lehrlinge an der Berufsschule sind. In Kärnten wurde das bereits ausprobiert, mehr Lehrstellen hat das aber nicht gebracht.

A&W: Wir danken für das Gespräch.

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(Mit Herbert Tumpel sprach Thomas Angerer.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Apr 2000 00:00:00 +0200 1201819091058 Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung Die Selbstverwaltung der österreichischen Sozialversicherung ist im Rahmen der Gesetze weisungsfrei. Das Bundesverfassungsgesetz weist der Selbstverwaltung so genannte »autonome Wirkungsbereiche« zu. Die staatliche Verwaltung ist nicht berechtigt, in diese Angelegenheiten der Selbstverwaltung einzugreifen. Wohl aber gibt es ein Aufsichtsrecht seitens des Sozialministeriums und des Finanzministeriums; natürlich auch durch den Rechnungshof. Diese haben die Einhaltung der Gesetze zu beobachten und die sparsame Verwendung der Mittel zu kontrollieren. Die verantwortlichen Mitglieder der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung haften für die Tätigkeit des Sozialversicherungsträgers in sozialpolitischer Hinsicht, aber auch in ihrer Funktion als Dienstgeber für rund 28.000 Beschäftigte des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger.

Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung

Die 28 österreichischen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsträger sind selbstverwaltet. Die Dachorganisation dieser Sozialversicherungsträger ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Seine Selbstverwaltung wird von der Selbstverwaltung der 28 Träger getragen, er koordiniert die Arbeit der einzelnen Träger.
Die Übertragung der Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherung in die Verantwortung der von den Sozialpartnern nominierten Versicherungsvertreter bedeutet eine enge Einbindung der Sozialpartner in die Tätigkeit der österreichischen Sozialversicherungen. Auf diesem Weg sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in das System der gesetzlichen Sozialversicherungen eingebunden. Ihre Repräsentanten müssen für die Politik der Sozialversicherung gerade stehen. Diese Einbindung der Sozialpartner ist eine der Säulen des österreichischen Sozialversicherungssystems, stellt sie doch sicher, dass diejenigen, die das System durch Beiträge erhalten, gleichermaßen Interesse an seinem Erhalt haben.
In den jeweiligen Trägern sind Dienstgeber und Beschäftigte nach einem bestimmten Schlüssel vertreten:

  • In der Unfallversicherung ist die Selbstverwaltung je zur Hälfte von Dienstnehmer- und Dienstgebervertretern beschickt.
  • In der Pensionsversicherung zu zwei Drittel von Dienstnehmer- und einem Drittel von Dienstgebervertretern.
  • Bei den Krankenkassen zu vier Fünftel von Dienstnehmer- und einem Fünftel von Dienstgebervertretern.

Auch die Sozialversicherungsträger der Bauern und Gewerbetreibenden werden aus dem jeweiligen Versichertenkreis beschickt. Hier gibt es jedoch naturgemäß keine Trennung nach Dienstgeber und Dienstnehmer.
Dieser unterschiedliche Vertretungsschlüssel hat sachliche und historische Gründe. Die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) beispielsweise ist vom Prinzip her eine Selbstschutzversicherung der Dienstgeber. Sie schützt vor den Schadenersatzklagen der Beschäftigten im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit. Daher werden hier auch nur Dienstgeberbeiträge eingehoben (1,4 Prozent vom Bruttolohn). In der Kranken- und Pensionsversicherung hat das unterschiedliche Vertretungsverhältnis vor allem historische Gründe, macht aber die Herkunft der gesetzlichen Sozialversicherungen aus den einstigen Bruderladen des Gewerbes und den Solidarkassen der frühen Industrie deutlich - hier war die Selbstverwaltung noch unmittelbares Prinzip der Beitragsverwaltung durch die betroffene Solidargemeinschaft und ihre Delegierten.
Die Amtsdauer der Versicherungsvertreter beträgt fünf Jahre. Die Mitglieder der Selbstverwaltung werden als Repräsentanten der Versicherten und der Beitragszahler ernannt (nicht direkt gewählt), und zwar von ihren öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen: der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer; zum Teil auf Vorschlag anderer, freiwilliger Interessenvertretungen (im Falle der Dienstnehmervertreter etwa durch den ÖGB und die Einzelgewerkschaften).
Ihre direkte demokratische Legitimation beziehen die Versicherungsvertreter durch die Wahlen zu den gesetzlichen Interessenvertretungen. Erst vor einigen Jahren haben Urabstimmungen in den gesetzlichen Interessenvertretungen eindrucksvoll bewiesen, dass die Mitglieder hinter ihren Interessenvertretungen stehen. Alle Erwerbstätigen in Österreich stimmen somit bei den Wahlen zu ihrer gesetzlichen Interessenvertretung auch indirekt über ihre Vertreter in den Sozialversicherungsanstalten ab.
In der Selbstverwaltung sind alle Berufsgruppen vertreten. Das Vorschlagsrecht des ÖGB und der Einzelgewerkschaften für die Verwaltungskörper der einzelnen Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes orientiert sich an der ausgewogenen Besetzung nach Regionen, Branchen und Betrieben. Weiters berücksichtigt die Aufteilung der Mandate die einzelnen Gewerkschaften nach deren Stärke.

Die Selbstverwaltung ist die Geschäftsführung der Sozialversicherung

Die Selbstverwaltung führt die Geschäfte der Sozialversicherung. Sie ist für die Handlungen der einzelnen Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes allein verantwortlich, sie und nicht - wie oft fälschlich gemeint wird - das Büro oder der chefärztliche Dienst entscheidet auf Grundlage von Gesetz und Satzung über die Zuerkennung oder Verweigerung von gesetzlichen, satzungsmäßigen und freiwilligen Leistungen.

Unter der Geschäftsführung der Sozialversicherung versteht man:

  • Umsetzung im Parlament verabschiedeter Gesetze
  • Verabschiedung von Satzungen, Richtlinien und Abschluss von Verträgen, insbesondere mit den Leistungsanbietern, etwa Ärzten, Orthopäden u. Ä. l Die Beschlussfassung von Budget und Rechnungsabschluss
  • die Bildung von diversen Ausschüssen (dort werden einzelne Fälle im Leistungsrecht behandelt oder Bauentscheidungen getroffen usw.)
  • Überprüfung der Gebarung
  • Kontrolle der Verwaltung und Kompetenzen der (Mittel-)Veranlagung
  • Ernennung und Entlastung der Funktionsträger (Organe).

Verwaltung und Geschäftsführung sind getrennt. Der Geschäftsführung durch die Selbstverwaltung ist die Verwaltung (»das Büro«) unter Führung des jeweiligen leitenden Angestellten zur Seite gestellt. Die Selbstverwaltung als Geschäftsführung trifft die Entscheidungen und trägt die Verantwortung. Das Büro bereitet die Grundlage für die Entscheidung vor und vollzieht sie. Hier ist das bewährte Prinzip der Gewaltentrennung realisiert.
Die Selbstverwaltung ist als Geschäftsführung der Sozialversicherung auch in die Gesetzesbegutachtung einbezogen und kann Gesetze vorschlagen. Das ist notwendig, weil im Parlament und in den Ministerien in Form von Gesetzentwürfen über das Beitrags- und Leistungsrecht entschieden wird. So gesehen bilden die »Praktiker« der Selbstverwaltung ein Gegengewicht zu den »Theoretikern« aus den staatlichen Ministerien und dem Nationalrat.
Die Selbstverwaltung kann auf den ganzen Menschen eingehen. Denn die Selbstverwaltung vermittelt zwischen der (abstrakten) Versicherung und dem (konkreten) Versicherten. Das kann als die »Brückenfunktion« der Versicherungsvertreter bezeichnet werden. Die Selbstverwaltung tritt dem einzelnen Beitragsempfänger direkt gegenüber und muss mit seinen Erwartungen entsprechend umgehen. Sie soll Kritik entgegennehmen, Entscheidungen begründen und kann im Einzelfall mit Rat und Tat weiterhelfen. Oft genügt eine Information, damit der Versicherte mit seinen Anliegen zur richtigen Stelle, zum richtigen Schalter findet oder den erhaltenen Bescheid des Versicherungsträgers versteht.
Engagierte von Mitglieder der Selbstverwaltung sind den von ihnen vertretenen Versicherten aufgrund ihrer beruflichen Versichertennähe als Vertreter von Dienstnehmern, etwa als Arbeiterkammerräte oder als Betriebsräte, beziehungsweise als Vertreter der Dienstgeber, leichter zu erreichen als die Schalterstellen der Sozialversicherungsträger, denn hier ist das Hemmnis zur Kontaktnahme seitens des Versicherten oder des Beitragszahlers in der Regel deutlich niederschwelliger. Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz. Ob die gesetzliche Sozialversicherung dem Menschen positiv entgegentritt, ob sie ihn annimmt mit seinen ganz persönlichen Sorgen und Nöten, wird entscheidend das öffentliche Bild bestimmen.

Verwaltungskosten und Effizienz

Die Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherungen durch ihre gesetzliche Selbstverwaltung ist hoch effizient. Der gesamte Verwaltungsaufwand der österreichischen Sozialversicherung beträgt (1997) 10,5 Milliarden Schilling (763 Millionnen _). Wenn man diese Summe zu den Gesamtausgaben der Sozialversicherung, die im selben Jahr etwas über 407 Milliarden Schilling (29,6 Milliarden _) betragen haben, in Beziehung setzt, kommt man auf einen Verwaltungskostenaufwand von 2,6 Prozent der Ausgaben (bei den KV-Trägern 3,6 Prozent,1) bei den PV-Trägern 1,8 Prozent). Hier sind aber auch die Verwaltungskosten der eigenen Einrichtungen, also der Kur- und Rehabilitationszentren sowie der Krankenhäuser der Sozialversicherungsträger, eingeschlossen.
Dies sind konkurrenzlos niedrige Verwaltungskosten. Die österreichischen Bundesländer haben bei einem etwa vergleichbar großen Budgetaufwand einen Verwaltungskostenanteil von 6,6 Prozent. Der Verwaltungskostenanteil deutscher Krankenversicherungen beträgt 5 Prozent des Umsatzes, in der Schweiz mit ihren im Wettbewerb stehenden Krankenversicherungen macht der durchschnittliche Verwaltungsaufwand 7,5 Prozent aus. Und private Krankenversicherer weisen hierzulande wie international einen Verwaltungskostenanteil von 15 bis 25 Prozent aus.
Für die Selbstverwaltung selbst, also für die Geschäftsführung der gesetzlichen Sozialversicherung, werden überhaupt nur 0,02 Prozent der gesamten Ausgaben der Sozialversicherung ausgegeben, das sind rund 10 Schilling (0,73 _) im Jahr pro Versicherten, zusammen 81 Millionen Schilling (5,9 Millionen _). Mit diesem Betrag werden Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenersätze und Sitzungsgelder für die 1017 Mitglieder und Funktionsgebühren für 194 Funktionäre der Selbstverwaltung (Präsident und Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Obmänner der Sozialversicherungsträger und Vorsitzende der Kontrollversammlungen sowie deren Stellvertreter erhalten Funktionsgebühren). Diese Funktionsgebühren sind seit dem Bezügegesetz von 1998 an den Bezug eines Abgeordneten zum Nationalrat angebunden und mit 40 Prozent dieses Bezuges gedeckelt.
Somit beträgt die maximale Funktionsgebühr heute 46.666 Schilling (3391,4 _) im Monat, und zwar nur 12-mal im Jahr. Dem steht die gesamte Verantwortung der Geschäftsführung, im Falle des Präsidenten des Hauptverbandes zum Beispiel auch seine Verantwortung als oberster Dienstgeber für 28.000 Beschäftigte der österreichischen Sozialversicherungen, gegenüber.
Diese Funktionsgebühr ist ausreichend, aber sie bewegt sich - entgegen landläufig verbreiteter Meinung - nicht in jener Höhe, die als unvertretbar hoch bezeichnet werden könnte, insbesondere wenn man sie in Bezug zur Verantwortung setzt, die diese Funktionsträger übernommen haben.

Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung

In der Gegenwart bedauerlich, aber durchaus als Herausforderung zu begreifen ist der niedrige Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung in der Öffentlichkeit.
In einer im Herbst 1997 im Auftrag des Hauptverbandes durch die beiden Meinungsforschungsinstitute IFES und Fessel-GfK durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsbefragung über die Sozialversicherung wurde auch der Bekanntheitsgrad ihrer Selbstverwaltung abgefragt:
Nur rund ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gab an, im Zusammenhang mit der Sozialversicherung schon einmal den Begriff »Selbstverwaltung« gehört oder gelesen zu haben. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherung ist bei allen hier statistisch ausgewiesenen Sozialgruppen nur einer Minderheit geläufig: Selbst bei der oberen Bildungsschicht (Maturanten, Akademiker) verbindet nur jeder Dritte diesen Begriff mit der Sozialversicherung, bei der unteren Bildungsschicht gar nur 6 Prozent. Auch innerhalb der Opinionleader (Politiker, Journalisten) konnte eine Mehrheit (57 Prozent) mit dem Begriff »Selbstverwaltung« in diesem Zusammenhang nichts anfangen (IFES/Fessel-GfK, 1998).
In Zukunft wird die Selbstverwaltung daher bemüht sein müssen, den Bekanntheitsgrad ihrer Einrichtungen und ihre Aufgabe, Brücke und Mittler zwischen Versicherten und Versicherungsträgern zu sein, deutlich stärker bekannt zu machen als bisher.
Denn nur ein wirklich hoher Bekanntheitsgrad ist eine langfristige Bestandsgarantie der Selbstverwaltung als Institution und Geschäftsführung unserer gesetzlichen Sozialversicherung - gerade in politischen »Zeiten wie diesen«.

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Tom Schmid (Politikwissenschafter und Leiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819090877 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819090908 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Apr 2000 00:00:00 +0200 1201819090506 Arbeiterkammerwahlen: Es geht um viel! Neues Wahlrecht

Seit der letzten AK-Wahl im Jahr 1994 wurde das Wahlrecht zu den Arbeiterkammern grundlegend geändert. Grundlage dieser Wahlrechtsreform waren vor allem die positiven Erfahrungen, die die Arbeiterkammern bei der Mitgliederbefragung im Jahr 1996 gemacht hatten: Mehr als zwei Drittel aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nahmen österreichweit an dieser Befragung teil, und über 90 Prozent sagten dabei auf die Frage, ob sie dafür sind, dass die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer bestehen bleibt:

»JA zur AK«!

Wichtigstes Ziel der Wahlrechtsreform war die größere Nähe zu den Mitgliedern nach dem Motto: »Die AK kommt mit der Wahl zu ihren Mitgliedern«. Die Wahlberechtigten sollten möglichst einfache und flexible Möglichkeiten haben, an der Wahl teilzunehmen. Auf diese Weise sollte die Wahlbeteiligung, die bei den vorangegangenen Wahlen bis auf das demokratiepolitisch bedenkliche Ausmaß von weniger als 30 Prozent bei der AK-Wahl 1994 zurückgegangen war, wieder angehoben und so die demokratische Legitimation der AK gestärkt werden.
Wesentliche Elemente der Wahlrechtsreform sind:

  • Innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens wird der Wahltermin in jedem Bundesland nach den jeweiligen Bedürfnissen autonom festgelegt.
  • Für die Durchführung der Wahl steht ein längerer Zeitraum (bis zu drei Wochen) zur Verfügung, innerhalb dessen flexible Wahlzeiten je nach konkreten Erfordernissen möglich sind.
  • Schwerpunkt ist die Wahl im Betrieb: So weit wie möglich sollten die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, an ihrem Arbeitsplatz (oder zumindest in unmittelbarer Nähe) zu wählen. Zu diesem Zweck werden die Wahlberechtigten in Betriebssprengeln erfasst, und auch die Wahllokale befinden sich in den Betrieben.

Nach den bisherigen Erfahrungen kann gesagt werden, dass dank der guten Zusammenarbeit der AK-Wahlbüros mit den Gewerkschaften, Betriebsräten, Personalvertretern, aber auch einer großen Zahl anderer Arbeitnehmer in Betrieben dieses Ziel in hohem Ausmaß erreicht werden konnte. So sind z. B. für die AK-Wahl in Wien fast 1400 Betriebswahlsprengel eingerichtet worden, sodass mehr als 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (das sind zirka 52 Prozent aller Wahlberechtigten!) die Möglichkeit haben, im Betrieb zu wählen.

  • Erstmals gibt es bei der AK-Wahl die Möglichkeit der Briefwahl: Alle Wahlberechtigten, die nicht in einem Betriebssprengel erfasst sind, können ihre Stimme per Post abgeben. Also: Jeder Briefkasten ist ein »Wahllokal«!

Auch hier zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass die Wahlrechtsreform offenbar auf fruchtbaren Boden fällt: Die Wahlbeteiligung der Briefwähler in Vorarlberg und Tirol, aber auch bei den derzeit laufenden Wahlen in Oberösterreich und Salzburg ist weit höher als erwartet.

  • Schließlich gibt es auch noch - wie bei früheren AK-Wahlen - die Möglichkeit zur Stimmabgabe in öffentlichen Wahllokalen.

Betrachtet man die Auswirkungen dieser Änderungen im AK-Wahlrecht, so lässt sich schon jetzt sagen:

  • Das Hauptziel der Wahlrechtsreform dürfte erreicht werden: Die Wahlbeteiligung wird voraussichtlich deutlich höher sein als bei der letzten AK-Wahl im Jahr 1994.

So ist in Vorarlberg die Wahlbeteiligung von nur 28,3 Prozent im Jahr 1994 auf 45,4 Prozent bei der AK-Wahl 1999 gestiegen, in Tirol konnte sie heuer sogar von 25,6 Prozent auf 59,7 Prozent gesteigert, also mehr als verdoppelt werden!

Jugendliche können erstmals wählen!

Ein zentraler Punkt der Reform des AK-Wahlrechts betrifft das aktive Wahlrecht: Erstmals und einzig bei einer öffentlichen Wahl können junge Menschen ohne Altersgrenze nach unten (außer der, die sich aus den arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen für die Beschäftigung ergibt) aktiv demokratisch mitbestimmen, wer ihre Interessen in der AK vertritt.
Andere reden viel von Demokratie für junge Menschen - in der AK gibt es sie!
Voraussetzung für die Möglichkeit zur Teilnahme an der AK-Wahl ist allerdings, dass sich jugendliche Arbeitnehmer in die Wählerliste eintragen lassen. Das kann entweder im Betrieb geschehen oder an den von den Wahlbüros der AK bekannt gegebenen Stellen. Nähere Informationen über Orte und Zeiten der Eintragung in die Wählerliste kommen rechtzeitig vom Wahlbüro der AK.
In Wien gibt es für Lehrlinge auch in bestimmten Berufsschulen die Möglichkeit zu wählen. Auch darüber wurde bzw. wird vom Wahlbüro der AK speziell informiert.

Die Frage des passiven Ausländerwahlrechts

Über die Frage, ob auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nicht österreichische Staatsbürger sind, bei der AK-Wahl kandidieren und zu Kammerrätinnen und Kammerräten gewählt werden können (sollen), wird seit langem diskutiert. Forderungen in dieser Richtung wurden vom ÖGB-Bundeskongress und - mehrmals - mit großer Mehrheit von der Vollversammlung der Arbeiterkammer Wien beschlossen. Bisher hat allerdings der Gesetzgeber diesen Forderungen nicht Rechnung getragen. Ein von der früheren Sozialministerin (und vorher AK-Präsidentin) Lore Hostasch unternommener Versuch, das passive Wahlrecht im Arbeiterkammergesetz auch auf ausländische Kolleginnen und Kollegen auszudehnen, ist am Veto der ÖVP im Ministerrat gescheitert. Das geltende Arbeiterkammergesetz sieht deshalb die Wählbarkeit bei der AK-Wahl nur für österreichische Staatsbürger vor.
Seit dem Beitritt Österreichs zur EU gilt allerdings in Österreich nicht nur innerstaatliches, sondern auch - und zwar sogar vorrangig! - EU-Recht. Und im EU-Recht gibt es eine »Freizügigkeitsverordnung«, die jede Diskriminierung von EU-Bürgern innerhalb der EU verbietet. Außerdem hat die EU mit einer Reihe von Ländern, darunter vor allem die Türkei, Assoziationsabkommen abgeschlossen, die ebenfalls ein Diskriminierungsverbot bei den Arbeitsbedingungen enthalten.
Bei der AK-Wahl in Vorarlberg kandidierten auf der Liste »GEMEINSAM« einige seit langem in Österreich beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit türkischer Staatsbürgerschaft. Die Hauptwahlkommission der AK Vorarlberg ließ ihre Kandidatur (entgegen der Rechtsmeinung des Wahlkommissärs!) nicht zu und verfügte die Streichung der türkischen Kandidaten von der Liste. Über die deshalb eingebrachte Wahlanfechtung hatte das Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu entscheiden. Es wies zwar die Wahlanfechtung mit der Begründung ab, dass die Streichung der türkischen Kandidaten ohne Einfluss auf das Wahlergebnis gewesen wäre, sprach aber gleichzeitig eindeutig aus, dass EU-Bürger und Angehörige von assoziierten Ländern wie der Türkei bei der AK-Wahl passiv wahlberechtigt sind. Diese Rechtsmeinung des Sozialministeriums ist den Hauptwahlkommissionen aller anderen Arbeiterkammern mitgeteilt worden.
Auf Grundlage dieser Rechtsmeinung wurden in einigen Bundesländern Kandidaten mit türkischer Staatsbürgerschaft von der Hauptwahlkommission zugelassen. In der AK Wien ist diese Entscheidung sogar einstimmig (mit den Stimmen von FSG, ÖAAB und Freiheitlichen Arbeitnehmern) getroffen worden. Gleichzeitig mussten allerdings Kandidaten aus anderen Ländern, mit denen kein Assoziationsabkommen besteht (wie z. B. Jugoslawien) von den Listen der wahlwerbenden Gruppen gestrichen werden.
Im Ergebnis ist diese Situation alles andere als befriedigend. Abgesehen von der berechtigten politischen Forderung nach Gleichbehandlung bewirkt die bestehende innerstaatliche Gesetzeslage Rechtsunsicherheit und provoziert - wie das Beispiel Vorarlberg zeigt - die Gefahr von Wahlanfechtungen. Auf der Ebene der EU läuft gegen die Republik Österreich wegen der vom EU-Recht abweichenden Regelung des Arbeiterkammergesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren. Sollte sich die EU - was anzunehmen ist - mit der Stellungnahme Österreichs nicht zufrieden geben, droht Österreich eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und aller Wahrscheinlichkeit nach eine »Verurteilung« - eine Konsequenz, die gerade in der aktuellen außenpolitischen Situation unseres Landes wohl besser vermieden werden sollte!

Neue politische Situation

Gegenüber den Arbeiterkammerwahlen 1994, aber auch der AK-Wahl 1999 in Vorarlberg hat sich die politische Landschaft in Österreich grundlegend verändert. Seit Februar dieses Jahres gibt es bekanntlich eine Koalitionsregierung von ÖVP und FPÖ, und diese Regierung hat sich ein Programm gegeben, das in fast allen Punkten fundamental gegen Arbeitnehmerinteressen gerichtet ist.
Abgesehen von einzelnen mehr oder weniger konkreten Vorhaben, die jedenfalls in Summe massive Belastungen der Arbeitnehmer in der Größenordnung von 14 Milliarden Schilling bewirken, mit denen umgekehrt Begünstigungen von Unternehmern und Bauern im Ausmaß von rund 20 Milliarden Schilling finanziert werden sollen, ist vor allem die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Regierungsprogramms zu beachten:

  • Es geht offenbar darum, die Fundamente einer organisierten Arbeitnehmerinteressenvertretung zu untergraben oder ganz zu zerstören.

Den Gewerkschaften soll in ihrem wichtigsten Tätigkeitsbereich der Boden entzogen werden, indem die Arbeitszeit- und die Lohnpolitik von der Regelung durch Kollektivverträge in die Betriebe verlagert werden soll. Wer dort in Zeiten der Globalisierung der Stärkere ist, müssen Tausende Arbeitnehmer und ihre Vertreter in den Betrieben täglich bitter erfahren. Die Arbeiterkammern sollen auf eine Dienstleistungseinrichtung wie eine Versicherung reduziert, das heißt also politisch entmachtet werden.
Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderungen nach einer Senkung der Kammerumlage zu sehen. Im Regierungsprogramm noch vage angedeutet, hat der Noch-FPÖ-Obmann deutlich gesagt, was er sich wünscht, nämlich eine Senkung der Arbeiterkammerumlage von derzeit 0,5 Prozent auf 0,3 Prozent. Dadurch sollen die Arbeitnehmer »entlastet« oder - nach der letzten Version - die Krankenkassen mit dem Geld der Arbeitnehmer saniert werden.
Zwei Zehntel Prozentpunkte - das klingt bescheiden und harmlos. In Wirklichkeit würden den Arbeitnehmern dadurch 40 Prozent der von ihnen für ihre gesetzliche Interessenvertretung eingezahlten finanziellen Mittel entzogen. Konsequenz: Die Arbeiterkammern müssten die Leistungen für ihre Mitglieder drastisch einschränken und würden in ihrer Interessenpolitik gegenüber den Unternehmervertretungen und gegenüber der Regierung entscheidend geschwächt. Und genau das dürfte die Absicht sein.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten sich deshalb nicht täuschen lassen.

  • Nicht »Entlastung«, sondern Entrechtung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wäre die Folge, wenn den Arbeiterkammern ihre finanzielle Basis entzogen wird!

Konsequente Interessenvertretung

Sofort nach Bekanntwerden der Pläne der neuen Bundesregierung haben die Experten der Bundesarbeitskammer das Regierungsabkommen zwischen ÖVP und FPÖ einer umfassenden fachlichen Analyse unterzogen. Das Ergebnis dieser Analyse ist in einer mit nur einer Gegenstimme (nämlich jener des Abgeordneten Tancsits, Generalsekretär des ÖAAB, Kammerrat der AK Wien und Vorstandsmitglied der Bundesarbeitskammer) beschlossenen Resolution des Vorstands der Bundesarbeitskammer vom 16. 2. 2000 zusammengefasst:
»Das FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm ist ein Programm der Umverteilung: Ein Belastungspaket zu Lasten der Arbeitnehmer, zu Gunsten der Unternehmen. Es gefährdet Zehntausende Arbeitsplätze und verlässt das Ziel der Vollbeschäftigung. Es gefährdet das Budget, das zu konsolidieren es behauptet.
Die Bundesarbeitskammer tritt diesen Absichten der neuen Bundesregierung entschieden entgegen.«
Auf der Grundlage dieses Vorstandsbeschlusses und der fachlichen Analyse des Regierungsprogramms wurden für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders wichtige Themen in einer Serie von neun Foldern und anderen Medien aufbereitet und diese Informationen an eine breite Öffentlichkeit, in Wien z. B. an alle Betriebsratsmitglieder, weitergegeben. Umfangreiche Informationen zum Inhalt und zu den Auswirkungen des Regierungsprogramms wurden von allen Arbeiterkammern, dem ÖGB und den Gewerkschaften verbreitet.
Was jetzt von Funktionären der Regierungsparteien, auch solchen der Arbeitnehmerorganisationen dieser Parteien, als »Gräuelpropaganda« oder gar als »Lügen« diffamiert wird, ist also nichts anderes als die interessenpolitische Beurteilung und Bewertung des Regierungsprogramms aus der Sicht der Arbeitnehmer. Und dass manche Vorhaben der Regierung inzwischen ganz anders diskutiert werden, als sie im Regierungsabkommen niedergeschrieben sind, ist wohl die Wirkung der fundierten sachlichen Kritik durch die Arbeitnehmerorganisationen.
Auch der Vorwurf, die Arbeiterkammern würden erst jetzt gegenüber einer ÖVP-FPÖ-Regierung ihre kritische Stimme erheben, während sie früher zu ähnlichen Absichten geschwiegen hätten, lässt sich an Hand der Fakten leicht widerlegen. AK und ÖGB haben gegenüber jeder Regierung konsequent Arbeitnehmerinteressen vertreten, allerdings hat es bisher keine Regierung gegeben, deren Programm sich so massiv gegen die Arbeitnehmer gerichtet hat! Schon lange vor dem Abschluss der Regierungsverhandlungen, die schließlich zur Bildung der ÖVP-FPÖ-Regierung geführt haben, hat die Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer im November 1999 in einem Memorandum an eine künftige Bundesregierung (deren Zusammensetzung damals überhaupt noch nicht absehbar war) die Positionen und Forderungen der gesetzlichen Interessenvertretung der Arbeitnehmer zusammengefasst. Am Inhalt dieses Memorandums wurden später die Vorhaben der verhandelnden Parteien gemessen.
Am 20. Jänner 2000, knapp vor dem Scheitern der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP, hat der Vorstand der Bundesarbeitskammer einstimmig eine Resolution beschlossen, in der auch der - letztlich nicht zustande gekommene - Pakt zwischen diesen Parteien aus der Sicht der Arbeitnehmerinteressen abgelehnt wurde, und zwar zur Gänze wegen »sozialer Schieflage« und unzureichender Beschäftigungswirkung. Es zeigt sich also:

  • AK und ÖGB machen gegenüber jeder Regierung eine konsequente, nur ihren Mitgliedern verpflichtete Interessenpolitik!

Dass eine ebenso konsequente, auf fachkundigen Analysen beruhende Informationspolitik der Arbeitnehmerorganisationen manche Vertreter der Regierungsparteien besonders stört und sie nervös macht, ist schon verständlich, wird doch den Arbeitnehmern durch diese Informationen bewusst, was auf sie zukommt.
So gesehen kommen auch die neuerlichen Attacken der FPÖ auf die Arbeiterkammern nicht wirklich überraschend. Wieder einmal ist Wahlzeit, die AK-Wahlen sind mitten im Gang, und da greift man halt zum alten Mittel der versuchten Skandalisierung. Inhaltlich ist an den jüngsten Haider-Anwürfen natürlich nichts dran, aber als Ablenkungsmanöver von den im Regierungsabkommen vorgesehenen, von Haider selbst unterschriebenen Belastungen der Arbeitnehmer, versucht er es wieder, obwohl ihm ein Gericht erst wenige Tage vorher aufgetragen hatte, derartige falsche Behauptungen gegen die AK zu unterlassen. Die AK wird sich zu wehren wissen!

Ende der Sozialpartnerschaft?

In der von Bundespräsident Klestil den Regierungsparteien »mitgegebenen« Präambel zum Regierungsabkommen wird u. a. die Bedeutung der Sozialpartnerschaft betont und die Mitwirkung der Sozialpartner mit dem Ziel eines gesellschaftlichen Interessenausgleichs eingefordert.
Die politische Realität sieht allerdings bisher ganz anders aus: Seit die neue Bundesregierung im Amt ist, gibt es weder Soziapartnerverhandlungen noch werden wichtige Gesetzesvorlagen den Arbeiterkammern zur Begutachtung vorgelegt. So wurde z. B. das Anfang April in Kraft getretene neue Bundesministeriengesetz, mit dem u. a. die Kompetenz für das Arbeitsrecht - einschließlich der Aufsicht über die Arbeiterkammern - und für die Arbeitsmarktpolitik vom Sozialministerium in das neue Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (man beachte die Reihenfolge in der Bezeichnung!) verschoben wurde, ohne vorherige Information, geschweige denn Begutachtung per Initiativantrag der Regierungsparteien direkt im Parlament eingebracht und dort mit Mehrheit beschlossen.
Was zunächst wie ein Einzelfall ausgesehen hat, scheint inzwischen System geworden zu sein. Gesetze, von denen Zehntausende Arbeitnehmer unmittelbar betroffen sind, wie z. B. das »Privatisierungspaket«, wurden an den Arbeitnehmervertretungen vorbei ohne Begutachtung im Parlament eingebracht. Erst die energischen Proteste von ÖGB, AK, Betriebsräten und Personalvertetern der betroffenen Arbeitnehmer und die Initiative des Obmanns des zuständigen Parlamentsausschusses, Fritz Verzetnitsch, bewirkten, dass es zumindest vor der Beschlussfassung über diese Gesetze noch ein parlamentarisches Begutachtungsverfahren gibt.
Die Vorgangsweise der Bundesregierung widerspricht eindeutig dem Arbeiterkammergesetz. Dieses bestimmt im § 93 Abs. 2 ganz klar:
»Entwürfe von Gesetzen sind vor ihrer Einbringung in die jeweilige gesetzgebende Körperschaft der zuständigen Arbeiterkammer, wenn sie jedoch den Zuständigkeitsbereich einer Arbeiterkammer überschreiten, der Bundesarbeitskammer zur Stellungnahme beziehungsweise zur Begutachtung zu übermitteln.«
In einer einstimmig beschlossenen Resolution vom 9. März 2000 hat der Vorstand der Bundesarbeitskammer gegen diese Gesetzesverletzung protestiert und die Bundesregierung aufgefordert, sich an das Gesetz zu halten. Bisher mit wenig Erfolg: Auch nach diesem Protest wurden Gesetzesvorlagen ohne Begutachtung von der Regierung im Parlament eingebracht.
Vom »Sozialpartner« Wirtschaftskammer kommt derzeit kaum Unterstützung in dieser Frage. Offenbar geht die Wirtschaftskammer davon aus, dass die Interessen der Unternehmer auch ohne Begutachtungsverfahren bei der gegenwärtigen Bundesregierung gut aufgehoben sind. Der designierte Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, Christoph Leitl, spricht von einer »neuen Sozialpartnerschaft«, die sich verstärkt Zukunftsthemen widmen sollte. Das ist sicher wichtig und auf Arbeitnehmerseite auch ohne den Appell von Leitl schon bisher geschehen. Wenn man allerdings meint, auf diese Weise die Mitwirkung der Arbeitnehmerorganisationen an der aktuellen Politik wegschieben zu können, wird diese Rechnung nicht aufgehen.

  • Für die Arbeiterkammern stellt die Mitwirkung im Vorfeld der Gesetzgebung einen Kernbereich ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Vertretung der Arbeitnehmerinteressen dar. Sie werden sich dieses gesetzliche Recht von keiner Regierung nehmen lassen!

Eine Fortsetzung der bisherigen Vorgangsweise der Bundesregierung müsste jedenfalls ernste Konsequenzen für die Sozialpartnerschaft haben. Das sollten vor allem jene bedenken, die Sozialpolitik vor allem als »Standortpolitik« definieren.

  • Der wichtigste »Standortfaktor« für Unternehmen in Österreich war und ist der soziale Frieden in diesem Land!

Starke Arbeitnehmerorganisationen sind notwendiger als je zuvor!

Arbeiterkammern und Gewerkschaften werden weiterhin darum kämpfen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb und in der Gesellschaft erhalten bleibt und weiter ausgebaut werden kann. Die Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen wird in Zukunft wohl mehr in Konflikten geschehen müssen als bisher. Wichtigste Verbündete in diesem Kampf sind die Arbeitnehmer selbst. Sie können durch ihre Stimme bei der AK-Wahl ein Zeichen der Stärke setzen.
Deshalb:

  • Mitmachen bei der AK-Wahl, mit Ihrer Stimme die AK als Ihre gesetzliche Interessenvertretung stärken!

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Josef Cerny (Direktor der Wiener Arbeiterkammer und Vorsitzender des Redaktionskomitees von »Arbeit & Wirtschaft«) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Apr 2000 00:00:00 +0200 1201819090460 Sozialabbau beginnt mit Zerschlagung der Interessenvertretung AK-Präsident Walter Rotschädl: »Wir werden weiterhin aufzeigen, wenn Rechte und Leistungen für Arbeitnehmer beschnitten werden«

Als letzte der österreichischen Arbeiterkammern wählt die Steiermark zwischen 21. und 30. Mai eine neue Zusammensetzung der AK-Vollversammlung. Für den amtierenden Präsidenten der AK-Steiermark, Walter Rotschädl, kommt dieser Wahl gerade vor dem Hintergrund der geänderten Rahmenbedingungen in der Bundespolitik eine große Bedeutung zu. Besonders der Versuch, die Arbeitnehmervertretungen zu demontieren und die Mitwirkung der Sozialpartner zu reduzieren, sieht Rotschädl als »Beginn eines Austro-Thatcherismus«.

»Arbeit & Wirtschaft«: Kollege Rotschädl, du bezeichnest den wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Umbau in Österreich als Austro-Thatcherismus. Was verstehst du darunter?

Walter Rotschädl: Ich habe mir die Entwicklung in England Anfang der achtziger Jahre, als Margaret Thatcher an die Regierung kam, genau angeschaut. Ihre ersten Gesetzesvorlagen zielten darauf ab, den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen und die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit den Arbeitslosen zuzuschieben. Erst in der Folge hat sie ihren Politikansatz des Neoliberalismus umgesetzt.

A&W: Welche Parallelen siehst du zu Österreich?

Rotschädl: Am augenfälligsten ist die Verlagerung der Arbeitskompetenzen vom Sozial- in das Wirtschaftsministerium. Da wird plötzlich so getan, als gäbe es keine unterschiedlichen Interessen mehr zwischen Arbeit und Wirtschaft. Als zweiten Punkt möchte ich die jüngsten Angriffe auf die Arbeiterkammer mit der Senkung der AK-Umlage nennen. Der Zeitpunkt fiel zwar mit dem Start der AK-Wahlen in Kärnten zusammen, die Zielrichtung findet sich aber schon im Regierungsprogramm. Die AK als schärfste Kritikerin des Belastungspakets soll finanziell ausgehungert und politisch mundtot gemacht werden. Drittens soll die überbetriebliche Mitbestimmung in Fragen der Lohnfindung, der Arbeitszeiten und kollektiver Branchenregeln an die Betriebe delegiert werden. Wer die Kräfteverhältnisse in den Betrieben kennt, weiß, dass der Chef auf dem längeren Ast sitzt. Noch einmal zusammengefasst: Die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft und die Betriebsräte sollen geschwächt werden. Letztlich reduziert das die gesellschaftliche Position und die Position gegenüber den Firmenchefs für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer. Das meine ich mit Austro-Thatcherismus.

A&W: Wie siehst du die Pläne für die Arbeitslosen?

Rotschädl: Die Regierung will den Berufsschutz für Arbeitslose streichen, dadurch wird eine finanzielle und soziale Spirale nach unten für die Betroffenen in Gang gesetzt. Die Regierung will Langzeitarbeitslose weit unter Kollektivvertrag zur Arbeit verpflichten. Das höhlt das seit Jahren bewährte System der Kollektivvertragslöhne aus. Die Regierung kürzt die Mittel der aktiven Arbeitsmarktpolitik und verhindert damit neue Einstiegschancen für Arbeitslose. Letztlich, und das unterstelle ich dieser Regierung, wird darauf abgezielt, den Arbeitslosen die Schuld für ihre Arbeitslosigkeit in die Schuhe zu schieben. Wer heute nach England schaut, sieht auf der einen Seite sagenhaften Reichtum und auf der anderen Seite Zigtausende Menschen, die mittellos und ohne Job vom Staat allein gelassen werden. Das ist ein Szenario, das ich mir für Österreich nicht wünsche.

A&W: Soweit zur allgemeinen Lage und zur Bundespolitik. Wie schaut die Situation in der Steiermark aus?

Rotschädl: Die Steiermark hat in den letzten Jahren einen wirtschaftlichen Aufholprozess hinter sich. Das Wirtschaftswachstum lag deutlich über dem österreichischen Schnitt. Die Umstrukturierung der ehemals verstaatlichten Industrie ist weitgehend abgeschlossen. Wir haben nun, nach schmerzhaften Einschnitten, international herzeigbare Firmen. Diese positive Entwicklung brachte auch eine leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt.

A&W: Die Jahresarbeitslosigkeit betrug im Vorjahr immer noch 7,4 Prozent.

Rotschädl: Ja, sie liegt weiterhin über dem Bundesschnitt. Bedenklich ist vor allem, dass zwar die Zahl der Jobs gestiegen ist, aber nicht das Arbeitsvolumen. Das heißt, die Zunahme der Jobs betrifft fast ausschließlich geringfügige und Teilzeitbeschäftigung. Ich sehe schwer wiegende Auswirkungen dieser Entwicklung für die Frauen. Sie verdienen im Verhältnis zu den Männern durch die überwiegende Teilzeitbeschäftigung immer weniger und die meisten werden dadurch im Alter keine Pensionen bekommen, die den Lebensunterhalt decken.

A&W: Hat sich die Situation bei der Jugendbeschäftigung gebessert?

Rotschädl: Die Steiermark hat seit Jahren große Schwierigkeiten gehabt, ihrer Jugend entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Zahl an Lehrstellen ist vor allem durch den Wegfall der über den eigenen Bedarf ausbildenden Lehrwerkstätten in der Verstaatlichten dramatisch zurückgegangen. Zukunftsweisende Industrieausbildungsplätze sind weiterhin rar, im Bereich des Gewerbes hat sich die Zahl stabilisiert. Erst durch den Jugend-NAP hat sich die Lage gebessert. Ich hoffe, dass die Bundesregierung ihre Ankündigung nicht wahr macht und den Jugend-NAP einstellt.

A&W: Die Arbeiterkammer in der Steiermark hat einen kräftigen Reformprozess hinter sich. Was ist passiert?

Rotschädl: Wir haben kammerintern die Großressorts abgeschafft und kleine, flexible Einheiten geschaffen. Dadurch können wir schneller auf geänderte Gegebenheiten reagieren und näher bei unseren Mitgliedern sein. Nach außen hat die AK Steiermark vor allem ihr Serviceangebot massiv ausgebaut. Im Rahmen unserer Gesundheitstage waren wir in 300 Betrieben und haben 12.000 Beschäftigte durchgecheckt. Ein wichtiger Beitrag zur Gesundheit der Arbeitnehmer. Die Arbeitsrechtsberatung wurde jeden Dienstag bis 20 Uhr erweitert, damit auch Kolleginnen und Kollegen zu ihrem Recht kommen, denen der Chef dazu nicht frei gibt. Im Vorjahr brachten unsere Juristen 380 Millionen Schilling herein, die von den Unternehmen vorenthalten worden waren. Im Bereich des Konsumentenschutzes bieten wir nun auch Geld- und Kreditberatung sowie eine sehr gut angenommene Wohnberatung an.

A&W: Gibt es Zahlen über die Frequenz im Servicebereich?

Rotschädl: Ja, die gibt es. In der Grazer AK-Zentrale und in den Außenstellen in den Bezirken werden im Jahr weit mehr als 200.000 Beratungen durchgeführt. Mit anderen Worten: Täglich unterstützt die steirische Arbeiterkammer 850 Mitglieder bei deren Problemen und Sorgen. Dieser umfangreiche Service zusammen mit unserer politischen Interessenarbeit hat wesentlich dazu beigetragen - und das kann man ohne falsche Bescheidenheit sagen -, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich besser gestellt sind als in den meisten anderen Industriestaaten.

A&W: Abschließend noch eine Frage zur Ausgangslage für die AK-Wahl vom 21. bis 30. Mai.

Rotschädl: Wahlberechtigt sind in der Steiermark rund 330.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es geht um die Verteilung von 110 Mandaten in der AK-Vollversammlung, die dann den Präsidenten wählt. Bei der letzten AK-Wahl haben die Sozial- demokratischen GewerkschafterInnen 54 Prozent, die Liste ÖAAB-ÖVP 27 Prozent und die FA 15 Prozent erreicht. Mein Ziel als Spitzenkandidat der FSG ist das Halten unseres Stimmenanteils. Ich bin überzeugt, dass das auch gelingt, denn die Leute merken langsam, dass ihnen die Regierung das Fell über die Ohren ziehen will und die AK eine klare Interessenpolitik dagegen vertritt.

A&W: Danke für das Gespräch.
(Mit AK-Präsident Walter Rotschädl sprach Stephan Hilbert.)

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Sat, 15 Apr 2000 00:00:00 +0200 1201819090428 Die Menschen durchschauen dieses unehrliche Spiel »Arbeit & Wirtschaft«: Lieber Kollege Staudinger, wie schaut derzeit die wirtschaftliche Situation in NÖ aus? Wo gibt's strukturelle Schwächen und Schwierigkeiten, wie steht's um die Beschäftigung?

Josef Staudinger: Grundsätzlich steht Niederösterreich im Vergleich ganz gut da. Alle wirtschaftlichen Kennzahlen sind zufrieden stellend, vor allem bei der Beschäftigung liegen wir im europäischen Spitzenfeld. Das war aber nur möglich, weil sich AK und ÖGB in den letzten Jahren voll eingebracht haben und vieles - oft gegen den Widerstand der Landesregierung - erreicht haben. Ich möchte da nur als Beispiel die Lehrlingsoffensive '99 nennen, mit der sichergestellt wurde, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt. Heute ist unser Bundesland in Sachen Jugendbeschäftigung die Nummer-1-Region in Europa. Mein erklärtes Ziel ist, auch in Zukunft jedem Jugendlichen eine gute, moderne Ausbildung zu ermöglichen. Zweites Beispiel: der im Vorjahr abgeschlossene Territoriale Beschäftigungspakt (TEP), der NÖ bis 2004 jährlich 5000 neue Arbeitsplätze bringen wird. Neben den Frauen sind sicher die älteren Arbeitnehmer eine Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Daher sprechen wir uns auch klar gegen eine Anhebung des Pensionsalters aus und werden die von der neuen Regierung geplanten Maßnahmen vehement bekämpfen. Zwangsarbeit und eine Aufweichung des Berufsschutzes haben in einer modernen Arbeitswelt nichts verloren.

A&W: Du hast mir das Stichwort für die nächste Frage gegeben. Seit ein paar Wochen ist jetzt die neue Bundesregierung im Amt, dein Kommentar bitte.

Staudinger: Also grundsätzlich beurteile ich jede Regierung ausschließlich danach, was sie bereit ist, für die arbeitenden Menschen zu tun. Aus diesem Grund habe ich schon als einer der Ersten das SPÖ-ÖVP-Übereinkommen abgelehnt. Noch viel mehr lehne ich aber den blau-schwarzen Koalitionspakt und die ersten Maßnahmen ab. Denn er drückt in so vielen Bereichen all das aus, was wir nicht wollen, was ungerecht ist, was die Menschen tief verunsichert und finanziell ausplündert. Der Kommentar zu Blau-Schwarz fällt deshalb vernichtend aus. Wir können und werden nicht akzeptieren, dass in ein paar Tagen all das in Frage gestellt wird, was unsere Beschäftigten in mühevoller Arbeit jahrzehntelang aufgebaut haben. Unsere Aufgabe als verantwortungsbewusste Arbeitnehmervertreter wird es deshalb sein, dieses Gruselpaket mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen und den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern positive, vorwärts gerichtete Gegenkonzepte zu präsentieren.

A&W: Vom 2. bis 19. Mai finden in Niederösterreich Arbeiterkammerwahlen statt. Was erwartest du dir von diesem Wahlgang?

Staudinger: Als Präsident erwarte ich mir, dass die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung der Beschäftigten durch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung gestärkt wird. Als Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Gewerkschafter habe ich das Ziel, dass wir die klare Nummer 1 in der AK und so stark werden, dass gegen uns und damit auch gegen die 420.000 Beschäftigten in NÖ keine Politik gemacht werden kann. Die Spielregeln sind durch das ausgeweitete Wahlrecht neu, aber auch die politische Ausgangslage ist eine andere als noch vor 5 Jahren. Darauf müssen sich alle wahlwerbenden Gruppen einstellen. Ich hoffe jedenfalls auf Fairness im Wahlkampf und darauf, dass keine Schmutzkübel verschüttet oder verbale Untergriffe unternommen werden. Ich finde das ganz wichtig. Denn gerade die Nationalratswahlen, aber auch sehr viele persönliche Gespräche zeigen mir, dass die Menschen den Streit nicht wollen. Noch viel weniger wollen sie ihn aber innerhalb ihrer gesetzlichen Arbeitnehmervertretung. Was die Menschen wollen, ist eine Arbeiterkammer, die ihnen zur Seite steht, die ihnen in einer Zeit voller Wandel und Neuerungen Halt und Sicherheit gibt, die ihre Interessen vertritt und mithilft, ihren Wohlstand auszubauen und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das sollten wir uns immer vor Augen halten.

A&W: Woher nimmst du deinen Optimismus?

Staudinger: Wir haben in den letzten Jahren sehr anständig gearbeitet und brauchen unsere Erfolge in keiner Weise zu verstecken. Den Territorialen Beschäftigungspakt und die Lehrlingsoffensive habe ich schon genannt. Dazu kommt die Steuerreform 2000, wo wir uns voll eingebracht haben und die Finanzminister Grasser jetzt als sein Verdienst verkaufen will. Unfassbar! Aber ich denke, die Menschen durchschauen dieses unehrliche Spiel. Genauso wie sie uns stets ein hervorragendes Zeugnis ausstellen, was Umfragen immer wieder bestätigen. Unser Image in der Bevölkerung ist sehr groß, die AK hat sich in den letzten Jahren zur Dienstleistungsinstitution Nummer 1 in Niederösterreich gemausert. In Summe erstreitet die Arbeiterkammer heute pro Jahr mehr als 660 Millionen Schilling für ihre Mitglieder. Und erst in diesen Tagen konnten wir durch das Aufdecken des Kreditskandals den betroffenen Niederösterreichern wieder Millionen Schilling sichern.

A&W: Wie schauen deine Zielsetzungen für die Zukunft aus?

Staudinger: Unser Hauptfeind Nummer 1 ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit. Sie zu bekämpfen, ist im allgemeinen Interesse notwendig. Wir wollen das aber nicht durch Zwangsarbeit, Ausverkauf unserer Betriebe oder weniger Geld für den NAP erreichen, sondern durch bessere Jobchancen für Junge, ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose. Durch Erhalt österreichischer Arbeitsplätze. Das ist möglich, denn Österreich hat viele Standortvorteile, auf die wir uns selbstbewusst konzentrieren und positive Lösungen suchen müssen, die allen Vorteile bringen.
Zum Zweiten geht's mir um eine gerechte Politik für unsere Frauen und Familien. Ich will bessere Wiedereinstiegshilfen, mehr, vor allem flexibler gestaltete Kinderbetreuungseinrichtungen und finanzielle Unterstützung für jene, die nicht das Glück haben, mit Millionären oder Großgrundbesitzern verheiratet zu sein.
Dritter Punkt, der mir wichtig ist, ist eine faire Arbeitswelt. Das bedeutet: gleiche Rechte für alle Beschäftigten, bessere Hilfe für Pendler und Handelsangestellte, Benzinpreise mit Augenmaß, gerechte Steuern und Abgaben, mehr Rechte für Betriebsräte und weiterhin faire kollektivvertragliche Lösungen sowie sozialpartnerschaftliche Maßnahmen statt egoistischer Sololäufe einzelner Unternehmervertreter. Und es bedeutet: Osterweiterung nur dann, wenn niederösterreichische Arbeitsplätze nicht zerstört werden. Nicht zuletzt strebe ich soziale Sicherheit an. Das kann gelingen durch eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Sozialsystems, durch langfristige, planbare Reformen im Pensionsbereich, durch eine Abfertigung, die auch dann ausgezahlt wird, wenn man selber kündigt, durch Einkommen, von denen man leben und sich und seine Familie über die Runden bringen kann, und dadurch, dass man es sich weiterhin leisten kann, seine kleineren Wehwehchen und vor allem ernste Krankheiten behandeln zu lassen, ohne viel aufs Bankkonto schauen zu müssen.

A&W: Vielen Dank für das Gespräch!
(Mit Josef Staudinger sprach Rainer Spenger.)

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Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819090386 Europäische Gewerkschaftspolitik ist Innenpolitik! »Arbeit & Wirtschaft«: Die europäischen Gewerkschaften kämpfen seit Jahrzehnten für ein »soziales Europa«. Heute ist dieser Begriff ein Allgemeinplatz geworden. Kaum ein Politiker tritt offen für ein unsoziales Europa ein. Und doch sind die sozialen Fortschritte innerhalb der EU eher bescheiden. Wie ist dies zu erklären?

Dieter Schulte: Zwar erleichtern die sozialen Unterschiedlichkeiten, die wir innerhalb Europas kennen, den Aufbau eines sozialen Europa nicht unbedingt. Trotzdem ist das, was auf EU-Ebene erreicht wurde, beachtlich. Wir sind heute weiter, als ich das vor fünf Jahren für möglich gehalten habe. Denken Sie zum Beispiel an die Einführung der Europäischen Betriebsräte und an das Elternurlaubsabkommen, welches zwischen den europäischen Arbeitgeberverbänden und dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) im Rahmen des so genannten »sozialen Dialogs« ausgehandelt wurde. Europäische Gewerkschaftspolitik ist Innenpolitik geworden. Heute ist jede zweite Sitzung des DGB-Bundesvorstands einem europapolitischen Thema gewidmet.

A&W: Genügen diese Errungenschaften angesichts der Tatsache, dass sich die Firmen immer mehr internationalisieren? Werden die Gewerkschaften in den verschiedenen Betrieben und Ländern nicht mehr und mehr von einer multinationalen Wirtschaft ausgespielt?

Schulte: Wir dürfen uns doch nicht wundern, dass die Arbeitgeber versuchen, die Internationalisierung der Wirtschaft für sich auszunutzen. Trotzdem sind wir in den letzten Jahren ein gutes Stückchen nach vorne gekommen. Wenn ich allein daran denke, was innerhalb des EGB im Rahmen der Verhandlungen des »sozialen Dialogs« mit den europäischen Arbeitgebern an konkreter europäischer Gewerkschaftszusammenarbeit geleistet wurde.

Bescheidene Resultate

A&W: Die bisherigen Ergebnisse des europäischen »sozialen Dialogs« werden jedoch - gerade auch von deutschen Gewerkschaftern - sehr kritisch bewertet. Bislang kamen nur drei Rahmenabkommen zustande, zum Thema Elternurlaub, Teilzeit- sowie befristeter Beschäftigung. Darin wurden Mindeststandards festgeschrieben, die in fast allen EU-Staaten sowieso schon Gesetz sind. Spiegeln diese bescheidenen Resultate nicht das Fehlen von Mobilisierungskraft der Gewerkschaften auf europäischer Ebene wider? Böse Zungen behaupten sogar, dass die Arbeitgeber nur dann ein europäisches Abkommen unterschreiben, wenn sie befürchten, dass die europäischen Institutionen (Kommission, EU-Parlament, Ministerrat) einen weiter gehenden Vorschlag beschließen könnten.

Schulte: Sie sprechen eine entscheidende Frage an. Wer glaubt, dass er den Europäischen Gewerkschaftsbund als Vehikel nutzen kann für Dinge, die er im eigenen Land nicht geregelt kriegt, der wird scheitern. Das heißt, die Stärke der europäischen wird immer ein Spiegelbild von der Stärke der nationalen Gewerkschaftsbewegung sein.

A&W: Europäische Gewerkschaftspolitik wird nicht nur in Brüssel gemacht. Vor zwei Jahren beschlossen die deutschen und Benelux-Gewerkschaften bei einer Konferenz im niederländischen Doorn, ihre jeweiligen Kollektivvertragsforderungen zu koordinieren. Damit sollte soziales Dumping in der Tarifpolitik verhindert werden. Welche Erfahrungen sind bisher dabei gemacht worden?

Doorner Erklärung

Schulte: Tarifpolitik wird in Deutschland innerhalb der verschiedenen Branchen und Regionen gemacht. Mit der »Doorner Erklärung« projizieren wir dieses Prinzip auf die europäische Ebene. Diese Initiative ist auf starkes Interesse der skandinavischen Gewerkschaften gestoßen. Sie werden künftig in diesen Verbund mit einbezogen. Anderseits haben wir festgestellt, dass wir noch weit davon entfernt sind, Tarifforderungen europaweit quantifizieren zu können. Wir können zwar europaweit darüber sprechen, ob wir das kommende Jahr - angesichts der Schwäche der Binnennachfrage - zu einem Jahr der Lohn- und Gehaltsverbesserungen machen. Auf einheitliche Lohnforderungen werden wir uns hingegen kaum einigen können.

»Wer glaubt, dass er den Europäischen Gewerkschaftsbund als Vehikel nutzen kann für Dinge, die er im eigenen Land nicht geregelt kriegt, der wird scheitern.«

A&W: In der »Erklärung von Doorn« werden jedoch auch quantitative Ziele formuliert: Die beteiligten Gewerkschaften verpflichten sich darin, mit ihren nationalen Tarifabschlüssen den neutralen Verteilungsspielraum, das heißt die Summe von Preisentwicklung und Produktivitätssteigerung, möglichst voll auszuschöpfen. Haben Sie mit Ihrer heutigen Aussage diese »Doorner Formel« relativiert?

Schulte: Nein, diese Formel ist eine Orientierungsgröße. Im Vorfeld der Doorner Konferenz unterhielten wir uns über die Indikatoren, die in den verschiedenen europäischen Ländern zur Lohnfindung dienen. Dabei ging es um die folgenden drei Faktoren: erstens die Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität; zweitens die Inflationsrate und drittens eine Umverteilungskomponente, die sich nach der jeweiligen Einkommens- und Vermögensverteilung richtet. Die Doorner Erklärung beschränkt sich auf die ersten beiden Punkte, da sich nur diese gesichert international vergleichen lassen. Mit meiner vorherigen Bemerkung habe ich dieser Doorner Orientierungsgröße nicht widersprochen. Nur, wenn man heute europäische Gewerkschaftspolitik machen will, dann sollte man sich primär auf qualitative Forderungen konzentrieren.

Resolution als Waffe?

Wenn eine deutsche Gewerkschaft so schwach ist, dass ihre härteste Waffe eine Resolution ist, dann braucht man nicht einmal mehr die Erhöhung der Produktivität oder den Inflationsausgleich einzufordern. Dann kriegen wir nichts. Das heißt, entscheidend bleibt die Kraft der jeweiligen Gewerkschaft vor Ort. Und wenn eine französische Gewerkschaft nicht in der Lage ist, die 35-Stunden-Woche arbeitnehmerfreundlich umzusetzen, dann wird daran auch eine europäische Tarifpolitik nichts ändern können.

A&W: Kommen wir auf die DGB-Politik zurück. Die deutschen Gewerkschaften sind mit den Arbeitgebern und der Bundesregierung ein »Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit« eingegangen. Darin verpflichten sie sich, den zur Verfügung stehenden Verteilungsspielraum in der Tarifrunde 2000 »vorrangig für beschäftigungswirksame Vereinbarungen« zu nutzen. So weit, so gut. Der Verteilungsspielraum orientiert sich laut Bündnis jedoch nur am Produktivitätszuwachs. Von einem Inflationsausgleich ist nicht die Rede. Besteht hier nicht ein Widerspruch zur »Doorner Erklärung«? Möchten die deutschen Gewerkschaften im Bündnis mit den Arbeitgebern und der Bundesregierung die deutsche Wettbewerbsposition verbessern, auch gegen die Beschäftigten anderer Länder?

Gewerkschafter unter sich

Schulte: Ich sehe keinen Widerspruch. In Doorn haben sich Katholische heilig gesprochen. Da waren Gewerkschafter unter sich. Es bestand zu Beginn zwar keine Klarheit über das zu erreichende Ergebnis, doch alle Beteiligten verfolgten dasselbe Ziel: nämlich sich grenzüberschreitend zusammenzuschließen, um einen Gegenpol zu den Arbeitgebern zu entwickeln. Im »Bündnis für Arbeit« trafen wir auf die Arbeitgeber und die Bundesregierung. Wenn nun in der Erklärung des Bündnisses zur Tarifrunde 2000 - neben dem Ausgleich des Produktivitätswachstums - auch noch der Inflationsausgleich festgeschrieben worden wäre, dann hätten wir einen Tarifautomatismus bekommen. Dann hätten wir auch gleich Indexklauseln einführen können, wie sie in Belgien üblich sind. Dies lässt sich jedoch nicht mit der deutschen Tradition der Tarifverhandlungen vereinbaren.

Wenn eine deutsche Gewerkschaft so schwach ist, dass ihre härteste Waffe eine Resolution ist, dann braucht man nicht einmal mehr die Erhöhung der Produktivität oder den Inflationsausgleich einzufordern. Dann kriegen wir nichts. Das heißt, entscheidend bleibt die Kraft der jeweiligen Gewerkschaft vor Ort.

A&W: Trotzdem besteht ein grundlegendes Dilemma zwischen nationalen »Wettbewerbsbündnissen« und einer grenzüberschreitenden europäischen Gewerkschaftszusammenarbeit.

Schulte: Der deutsche Unternehmer bzw. Aktienbesitzer hat ein großes Interesse, dass sein Unternehmen möglichst viel abwirft. Wenn es sich für ihn lohnt, den Sitz seiner Firma beispielsweise von Saarbrücken nach Paris zu verlagern, dann wird er dies tun. Unser Interesse ist, dass dabei Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften möglichst gut gesichert werden.

Sozialdumping verhindern

Diese Interessenkollision wird es immer geben, ob Europa in Zukunft ein gemeinsamer Bundesstaat wird oder nicht. Sie wird nicht mehr so wie heute zum Beispiel zwischen Sachsen-Anhalt und Niedersachsen stattfinden, sondern zwischen der Region Deutschland und Frankreich. Dies wird die europäische Zusammenarbeit innerhalb der Gewerkschaftsbewegung nicht unbedingt vereinfachen. Allerdings wird die Europäisierung der Wirtschaft die Notwenigkeit gemeinsamer Ziele und Aktionen der europäischen Gewerkschaften verstärkt sichtbar machen, wenn Sozialdumping verhindert werden soll.

Der deutsche Unternehmer bzw. Aktienbesitzer hat ein großes Interesse, dass sein Unternehmen möglichst viel abwirft. Wenn es sich für ihn lohnt, den Sitz seiner Firma beispielsweise von Saarbrücken nach Paris zu verlagern, dann wird er dies tun. Unser Interesse ist, dass dabei Arbeitsplätze und soziale Errungenschaften möglichst gut gesichert werden.

A&W: Kollege Schulte, besten Dank für das Gespräch. (Mit Dieter Schulte sprach Roland Erne.)

Die »Erklärung von Doorn«
In der »Erklärung von Doorn« verpflichteten sich die beteiligten deutschen und Benelux-Gewerkschaften, eine Unterbietungskonkurrenz bei Tarifverhandlungen zu verhindern. Konkret beschlossen sie: a) Tarifabschlüsse anzustreben, die den »neutralen Verteilungsspielraum« voll ausschöpfen. Das bedeutet, dass das Abschlussvolumen eines Kollektivvertrags mindestens der Summe aus Teuerungs- und Produktivitätssteigerung entsprechen muss. Mit dieser gemeinsamen Orientierungsformel soll verhindert werden, dass der Anteil der abhängig Beschäftigten am Volkseinkommen (Lohnquote) sinkt, wie es in den letzten Jahren geschehen ist; b) Tarifabschlüsse anzustreben, die die Massenkaufkraft stärken (Lohnerhöhungen) und beschäftigungswirksam sind (z. B. Arbeitszeitverkürzungen); c) sich regelmäßig gegenseitig über die tarifpolitische Entwicklung zu informieren und zu konsultieren.

Neutraler Verteilungsspielraum
Der neutrale Verteilungsspielraum ergibt sich aus der Summe von Teuerung und Produktivitätswachstum. Nur wenn dieser Verteilungsspielraum durch Verbesserungen beim Lohn, der Arbeitszeit etc. voll ausgeschöpft wird, bleibt der Anteil der Beschäftigten am volkswirtschaftlichen Kuchen (Bruttoinlandsprodukt BIP) stabil. Liegen die Verbesserungen für die Arbeitnehmer unter der Summe von Teuerung und Produktivitätswachstum, dann sinkt der Anteil der Beschäftigten am BIP zugunsten des Kapitals.

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Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819090317 Bildungsscheck & Bildungskonto Verwirrte Bildungsexperten

Drei verschiedene Szenen an drei verschiedenen Orten, die eines gemeinsam haben: Es geht um die Finanzierung von Bildung. Über ein »Bildungsinvestitionskonto«, einen »Bildungsgutschein« oder ein »Bildungskonto«. Es gibt auch noch andere Modelle: den »Bildungsscheck«, das »Weiterbildungskonto«, das »Bildungssparen« und das »Bildungsdarlehen« ­ viele Begriffe für viele Konzepte, die sich manchmal auch überschneiden. Das ist sogar für Bildungsexperten verwirrend. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die Arbeiterkammer Wien das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) beauftragt, die wissenschaftliche und politische Diskussion zum Thema »Bildungsgutschein« zu dokumentieren.3) Die Autoren Schlögl und Kress sind dabei auf die genannten Begriffe gestoßen und sind aufgrund der verschiedenen Ansätze zu dem Schluss gekommen, dass mit neuen Modellen der Bildungsfinanzierung sehr behutsam umgegangen werden muss: »Die unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Konzepte, die der Diskussion zugrunde liegen, implizieren verschiedenste Folgewirkungen, die ­ egal ob intendiert oder nicht ­ transparent gemacht werden müssen, um nicht Experimente mit ungewissem Ausgang zu provozieren« (S. 4). Im Folgenden werden die wesentlichen Modelle kurz wiedergegeben und kritisch reflektiert.

Schweden
Stockholm, ein kalter, dunkler Nachmittag im Februar 2005. Sven Johansson blickt aus seinem Küchenfenster auf die menschenleere Straße. Bedächtig schlürft er an seinem Tee und überlegt, ob er die 25.000 Kronen für den CNC-Kurs investieren soll oder nicht. Wenn er das Geld von seinem persönlichen Bildungsinvestitionskonto abzieht, heißt das in 10 Jahren weniger Pension. Wenn er mit dem Kurs im Betrieb aufsteigt, rentiert sich die Investition, er verdient mehr und kann mehr in seine private Pensionsvorsorge einzahlen. Dann wird die Pension insgesamt sogar höher ausfallen. Nicht ganz einfach, diese Entscheidung...1)

USA
In der gleißenden Mittagssonne Südkaliforniens steht Bill Johnson mit seiner Tochter Sandy vor dem Gebäude der besten und teuersten Privatschule im Raum San Diego. Er hätte seine Tochter auf jeden Fall hier angemeldet ­ er kann sich das leisten ­, aber mit dem neuen Bildungsgutschein des Staates Kalifornien spart er sogar noch einen Teil der Schulgebühren. Seine Nachbarin, seit kurzem geschieden, hätte zwar auch Anspruch auf einen Bildungsgutschein, jedoch wird sie ihren Sohn in die öffentliche Schule schicken ­ die verbleibenden Schulgebühren sind noch zu hoch, die Kosten für den Schulbus und das Mittagessen kämen ja auch noch dazu.

Austria
Beschwingt und ausgesprochen gut gelaunt bestellt Johanna Huber eine Sachertorte mit extra Schlagobers und eine Melange. Abnehmen ist morgen dran, sagt sie sich und ihre Gedanken wandern schon wieder zu dem sympathischen, schnurrbärtigen Bildungsberater der AK Wien, der ihr gerade erklärt hat, dass sie 80 Prozent der Teilnahmegebühren für die Vorbereitungslehrgänge auf die Berufsreifeprüfung über das Bildungskonto des »Wiener ArbeitnehmerInnen-Förderungsfonds«2) wieder zurückbekommen wird. Ohne diese Förderung hätte sie die Gebühren von insgesamt über 25.000 Schilling nicht aufgebracht. Wien ist anders, denkt sie zufrieden.

Das »Bildungsinvestitionskonto«: Die Finanzierung von Bildung und Sozialversicherung innerhalb eines Modells

Sven Johansson ist deswegen so unschlüssig, weil er eine Entscheidung mit vielen unsicheren Variablen treffen muss. Das schwedische »individuelle Bildungsinvestitionskonto« ist zweifellos der umfassendste Ansatz zu einer neuen Form der Bildungsfinanzierung. Sämtliche Bildungsvorhaben werden ­ bis zu einem definierten Maximalbetrag ­ über dieses Konto finanziert. Nicht verwendete Bildungsgutscheine werden auf das persönliche Pensionskonto angerechnet. Der Staat stellt das Startkapital bereit und sichert eine Mindestpension. Wie nun der Einzelne mit seinem Konto jongliert, ist seine Sache. Das Risiko der Investitionsentscheidung wird auf den Einzelnen delegiert, die öffentliche Hand zieht sich aus jeder weiteren Verantwortung zurück. Es entsteht naturgemäß ein sehr hoher Informations- und Beratungsbedarf, da jede Entscheidung über die Verwendung des Bildungsguthabens »riskant« ist. Dieses Modell des Bildungsinvestitionskontos ­ welches in Schweden aufgrund der massiven Umsetzungsprobleme ein theoretisches Denkmodell blieb ­ entspricht genau der gesellschaftlichen Entwicklung, die der deutsche Soziologe Ulrich Beck in seiner Analyse zur »Risikogesellschaft«4) aufgezeigt hat: nämlich Risiko zu individualisieren, in diesem Falle sich für oder gegen Bildung zu entscheiden, mit weit reichenden Konsequenzen bis zum Lebensende. Die Gefahr liegt darin, dass der Einzelne mit diesen Entscheidungen überfordert ist; Tendenzen über Jahrzehnte, ja selbst schon mittelfristige Entwicklungen lassen sich auch von Experten schwer einschätzen.

Der »Bildungsscheck«: Von der Schule bis zur Universität

In Deutschland hat der »Sachverständigenrat Bildung«5) die Einführung eines »Bildungskontos« zur Finanzierung der Aus- und Weiterbildung nach Abschluss der Schulpflicht vorgeschlagen. Der Einzelne zahlt über das »Bildungssparen« auf sein »Bildungskonto« ein, der Staat gibt so genannte »Ausbildungszuschüsse« (statt dem bisherigen Kindergeld und anderen Transferleistungen) dazu. Der Staat schreibt Bezugsrechte für »Bildungsgutscheine« zu, und das Bildungskonto kann auch durch ein »Bildungsdarlehen« (zur Verzinsung zahlt der Staat wiederum Zuschüsse) aufgefüllt werden. Das »Bildungsguthaben« auf dem Bildungskonto dient der Finanzierung des Lebensunterhaltes sowie dem Kauf vom Bildungsgutscheinen, mit denen dann die Gebühren für Aus- und Weiterbildung finanziert werden. Dies klingt alles recht kompliziert, es wundert daher nicht, dass es dazu noch keine konkreten Berechnungen gibt. Das Modell führte zu heftigen Protesten ­ etwa seitens der Studierendenverbände ­, mit einer Umsetzung in die Praxis ist nicht zu rechnen. In Österreich wurden ­ vor allem unter dem Titel »Bildungsscheck« ­ ähnliche Konzepte diskutiert, die entweder den Zeitraum Volksschule bis Abschluss eines Universitätsstudiums oder den Zeitraum Abschluss der Erstausbildung und anschließende Aus- und Weiterbildung enthalten. Finanzierungsmodelle dazu wurden allerdings noch nicht vorgestellt. Das wesentliche Argument für die Einführung dieser Form des Bildungsschecks ist, dass die Bildungsbeteiligung von der sozioökonomischen Schicht abhängig ist. Damit ist nicht nur die Gleichmäßigkeit der Verteilung von Bildungschancen in Frage gestellt, gleichzeitig finanzieren auch diejenigen, die das Bildungssystem frühzeitig verlassen, die Ausbildung der bereits »Privilegierten«. Der Bildungsscheck ist daher »gerechter«, weil z. B. diejenigen, die nicht studieren ­ und daher das öffentliche Bildungsbudget nicht weiter beanspruchen ­ so ihre berufliche Weiterbildung über den Bildungsscheck finanzieren und Bildungsdefizite kompensieren können.6) Diese Argumentation klingt auf den ersten Blick einleuchtend und durchaus verlockend, selbst für sozialdemokratische Bildungspolitiker. Allerdings ist schon allein für den Universitätsbereich das Argument der Verteilungsgerechtigkeit in Österreich umstritten, für andere Bildungsbereiche wurde es noch gar nicht diskutiert. Es lassen sich sofort vier schwer wiegende Gegenargumente finden, die eine Reform der Finanzierung des Bildungssystems auf Grundlage dieses Ansatzes nachhaltig in Frage stellen: Quantifizierung: Es fehlen genaue Vorstellungen über konkrete Ausgestaltung und Konsequenzen nach einer Einführung des Schecksystems. Ein Studium der Medizin wird wohl teurer sein als eines der Philosophie, die Studienrichtungen im Bereich der Musik sind noch teurer als das Medizinstudium. Darf ein Student der Philosophie vier Semester länger studieren als ein Medizinstudent? Muss der Japaner, der Violine studiert, in Zukunft in sechs Semestern abschließen? Müssen alle, die ihr Studium nicht in der nach dem Bildungsscheck definierten Zeit abschließen (können), Gebühren für die noch erforderlichen Semester bezahlen (logischerweise ­ im deutschen Bundesland Baden-Württemberg wurde ein »Bildungsgutschein« eingeführt, der nichts anderes bedeutet als die Einführung von Studiengebühren für Langzeitstudenten). Wie hoch werden diese Gebühren sein? Müssten dann ausländische Studenten überhaupt kostendeckende Gebühren zahlen? Können EU-Bürger nach geltendem EU-Recht auch den Bildungsscheck beanspruchen? Der erste Schritt zur Einführung eines Bildungsschecks wäre daher eine Quantifizierung der tatsächlichen Kosten, allein dies wirft eine beträchtliche Palette von Folgeproblemen auf. Und letztlich muss es geradezu zwangsläufig zur Einführung von Gebühren kommen ­ die einige bezahlen, andere nicht. Definition des Anspruchsumfanges: Was ist mit denen, die ihren Bildungsscheck nicht ganz verbrauchen? Ver- fällt das Guthaben, oder kann man es mit in die Pension nehmen? Kann man es vererben oder verkaufen? Was ist mit denen, die ihren Bildungsscheck voll ausgeschöpft haben und arbeitslos werden? Aus welchem Topf werden dann Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik finanziert, oder würde dies sogar die Einstellung der Arbeitsmarktpolitik bedeuten? Budgetbelastung: Wenn der Staat allen Österreichern einen Bildungsscheck bis zum Abschluss eines Universitätsstudiums zu Verfügung stellt, so ist auch ohne genaue Berechnung klar, dass ein sofortiger budgetärer Mehraufwand in zweistelliger Milliardenhöhe entsteht. Man braucht ja nur alle Nichtakademiker in Österreich im erwerbsfähigen Alter zusammenzuzählen und ihnen jeweils die erforderliche Summe für ein Hochschulstudium zu überweisen. Wie soll das finanziert werden? Administration: Allein die Einführung eines derartigen Systems der Bildungsfinanzierung wird Kosten verursachen, die durch keinen Spareffekt ausgeglichen werden könnten. Das System selbst wird neue Kosten verursachen, die bislang gar nicht in Rechnung gestellt werden mussten. Um das Bildungssystem »gerechter« zu gestalten, sind wohl andere Instrumente besser geeignet als der »Bildungsscheck«: nämlich ein gebührenfreier Zugang und entsprechende Transferleistungen (Schülerbeihilfe, Stipendien, Förderungen u. v. m.).

Der »Bildungsgutschein« für die Schule

Das Modell des »Bildungsgutscheins« wird international primär unter dem Aspekt Schule diskutiert. Bill Johnson ist einer von jenen, die davon profitieren würden, da der Schulbesuch seiner Tochter vom Staat Kalifornien subventioniert wird. Damit spart er Geld, das er wiederum in Aktien anlegen könnte. Ein Schulsystem, basierend auf Bildungsgutscheinen, verteilt die Steuergelder, mit denen bisher die Schulen direkt finanziert wurden, in Form von Bildungsgutscheinen an die Eltern, die sich damit für ihre Kinder Bildung nach eigenen Präferenzen »kaufen« können. Die Schulen wiederum lösen den Bildungsgutschein beim Staat ein, um so ihre Ausbildungsangebote zu finanzieren. Insgesamt soll dadurch eine optimale Allokation der vorhandenen Ressourcen garantiert werden, da das Spiel der Marktkräfte letztlich zu bestmöglichen Dienstleistungen der Schulen bei tiefstmöglichen Kosten führt. Die Argumente pro und kontra stehen einander weitgehend kompromisslos gegenüber. Zentral ist die Vorstellung, dass durch eine freie Schulwahl die Kinder eine besser auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Ausbildung erhalten. Die wenigen empirischen Studien bestätigen diese Annahmen bislang allerdings nicht, sie kommen sogar zu konträren Ergebnissen. Auch das oft gehörte Argument, das öffentliche Schulsystem erzeuge nur »Durchschnittsleistungen«, konnte bisher empirisch nicht belegt werden. In den USA konnten praktische Erfahrungen mit Bildungsgutscheinen zunächst in den Siebzigerjahren gesammelt werden. Der rasch bekannt gewordene Modellversuch in Alum Rock im Bundesstaat Kalifornien begann 1972 und war auf eine Dauer von fünf Jahren angelegt. Die Finanzmittel in Form von »Vouchers« wurden nicht direkt den Eltern ausgehändigt, sondern den Schulen zur Verfügung gestellt. Die vorliegenden Evaluationsergebnisse sind ernüchternd: Nicht qualitative Aspekte wie das Schulprogramm oder pädagogische Konzepte, sondern in erster Linie die Wohnortnähe war für eine überwiegende Anzahl der Eltern das ausschlaggebende Kriterium der Schulwahl. Insgesamt hatte sich die Schullandschaft nach der Implementation der Gutscheinfinanzierung kaum verändert. Der ultraliberale US-Ökonom Milton Friedman, der entschieden für das freie Spiel der Marktkräfte eintritt, empfiehlt die Einführung eines Bildungsgutscheins für die schulische Erstausbildung, da dies den »Bildungsmarkt« besser, innovativer und effizienter gestalte. Ein regional begrenztes Experiment in den USA zeigte jedoch, dass die bereitgestellten 5500 $ pro Schulkind in Wirklichkeit eine staatliche Kofinanzierung für Wohlhabende waren. Vielfach war es unmöglich, »Unterschichteltern« zu erreichen, sodass sich die Mittel- und Oberschichtprivilegien nochmals verstärkten. Darüber hinaus würden die Kosten im Schulsystem explodieren: Würden sämtliche Schüler aus Privatschulen Gutscheine im Wert der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler an staatlichen Schulen in Anspruch nehmen, erhöhten sich die jährlichen Kosten der öffentlichen Schulausgaben inklusive Administration, Transport7), der Einrichtung von Informationssystemen etc. um 73 Milliarden $ oder 25 Prozent pro Jahr (Basis 1995).8) Die Einführung von Bildungsgutscheinen auf der Basis marktwirtschaftlicher Prinzipien im Schulwesen scheitert an der sozialen und verwaltungstechnischen Komplexität sowie an den unvermeidbaren und hohen zusätzlichen Kosten: In Großbritannien ergab eine Machbarkeitsstudie, dass ein solches System rund eine Milliarde Pfund an Mehrkosten verursachen und schließlich zu einer einseitigen Subventionierung der Privatschulen führen würde.

Das »Bildungskonto«: Die Förderung der beruflichen Weiterbildung

Johanna Huber ist ein gutes Beispiel für eine »treffsichere« Förderung mit kompensatorischem Effekt: Sie hat noch keine Matura, hat daher das öffentliche Bildungsbudget weniger beansprucht als andere und bekommt nun in Wien eine attraktive Förderung für die ansonsten für sie unfinanzierbaren Kursgebühren. Dies ist ein bildungspolitischer Impuls der Stadt Wien und des WAFF in Zusammenarbeit mit AK, ÖGB und Wirtschaftskammer; mittlerweile gibt es in allen österreichischen Bundesländern unterschied- liche Förderinstrumente für die berufliche Weiterbildung.9) Im Folgenden eine kurze Zusammenfassung zur raschen Orientierung (Stand November 1999):

  • Die Bezeichnungen bzw. Titel variieren und geben damit einen ersten Aufschluss über die Heterogenität der Programme: von »Qualifikationsförderung« und »Wiedereingliederungsförderung« (B, V) über »Bildungsscheck« (K, S, ST, in NÖ geplant) und »Bildungskonto« (OÖ, W) bis zu »Bildungsförderungsausgleich« (T). Mehrheitlich findet der Begriff »Bildungsscheck« Verwendung.
  • Die gesetzlichen Grundlagen sind nur zum Teil gegeben: Arbeitnehmer-Förderungsgesetze gibt es in B, K, OÖ, ST und T, nicht aber in NÖ, S und W. In V gibt es »Richtlinien« zur Arbeitnehmerförderung.
  • Der Umfang der einzelnen Programme ist unterschiedlich: von einer reinen Refundierung von Kursgebühren (S, ST, W) bis zu Fahrt- (B, K, NÖ, T, V) und Wohnkostenzuschüssen (B, OÖ, NÖ sowie T und V für Lehrlinge).
  • Die Höhe der Förderung variiert stark: von 50 Prozent der Kursgebühren und max. 2000 Schilling pro Jahr (W, für bestimmte Maßnahmen 80 Prozent bis 6000 Schilling), einem jährlichen Fixbetrag von 3000 Schilling (S) bis zu 4000 Schilling (NÖ, T), 5000 Schilling (B) und 7500 Schilling (K) monatlich oder 10.000 Schilling (ST), 20.000 Schilling (OÖ) und 24.000 Schilling (V) jährlich. Je nach Familienstand kann dieser Betrag konstant bleiben oder auch erhöht werden (NÖ, T). T bietet als einziges Bundesland auch die Möglichkeit eines Darlehens (bis zu 72.000 Schilling).
  • Das Budget erstreckt sich von 3 Millionen Schilling (S) über 10 Millionen Schilling (W) bis zu 48 Millionen Schilling (OÖ, inkl. Unterkunftskosten).
  • Die Zielgruppen sind relativ homogen, Ausnahmen sind S (Altersgrenze ab 40, ausgenommen Wiedereinsteiger), OÖ (keine Förderung ab Maturaniveau, neuerdings gilt dies nicht mehr für Wiedereinsteiger) und ST (eigene Förderschiene für Unternehmensgründer).
  • Auch die Kataloge der förderbaren Maßnahmen sind ähnlich, die Ausnahmen sind NÖ (nur Meister-, Werkmeister- und Befähigungsprüfungen) und S (Einschränkung auf EDV und Kurse in 4 Fremdsprachen).
  • Bei den Voraussetzungen gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede, z. B. gibt es in manchen Bundeslän- dern Einkommensgrenzen (B, K, NÖ, T, V), in manchen nicht (OÖ, S, ST, W).

Die Fülle der Details veranschaulicht vor allem den Handlungsbedarf im Bereich der Länderförderungen für die berufliche Weiterbildung: Die Programme sollten harmonisiert werden, um allen Arbeitnehmern in allen Bundesländern gleiche Teilnahmechancen an Weiterbildung einzuräumen. Doch eines muss klar gesagt werden: Diese Form des »Bildungskontos« ist das bisher einzige tatsächlich umgesetzte Modell, und es ist das einzige Modell, welches in der Lage ist, Zugänge zu erweitern und damit einen wesentlichen Beitrag zur Chancengerechtigkeit im immer wichtiger - und teurer! - werdenden Weiterbildungsbereich zu leisten. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine finanzielle Förderung nicht immer ausreicht: Das Experiment »Bildungsgutschein« in Südtirol sollte insbesondere bildungsferne Schichten - Bergbauern, Italiener außerhalb der Zentren, einfache Arbeiter über 45 Jahre - zur Weiterbildung motivieren. Insgesamt wurden an 1500 Personen 3 Gutscheine zu je 350 Schilling ausgegeben. Nur 7 Prozent (!) haben den Gutschein tatsächlich eingelöst, die angesprochenen bildungsfernen Gruppen sogar nur unterproportional. Der Grund dafür war mangelnde Zeit -; dies belegt die Sinnhaftigkeit der Forderung der Arbeitnehmerinteressenvertretungen nach der Einführung einer jährlichen Mindestweiterbildungszeit im Rahmen der bezahlten Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer. Arbeitslose hingegen haben die Bildungsgutscheine überproportional genutzt: Sie haben mehr Zeit, aber weniger Geld ­ was wiederum die Bedeutung von Qualifizierung im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstreicht. Neben der Harmonisierung der einzelnen Länderförderungen wird es vor allem um zwei Entwicklungen gehen: Zum einen muss das Budget aufge-stockt werden. Deswegen fordert die AK eine »Weiterbildungsmilliarde« für Österreich und regt an, damit unter anderem die Arbeitnehmerförderung in den Ländern zu verstärken ­ was wiederum die Länder motivieren könnte, ihre eigenen Budgetmittel zu erhöhen. Zum anderen muss die Zielgenauigkeit der Förderungen überprüft werden, sinnvolle Differenzierungen nach Bildungsabschluss oder Einkommen sind in die Programme einzubauen10). Für die berufliche Weiterbildung sind die Beiträge der öffentlichen Hand unverzichtbar, solange nicht wesentliche Teile der Weiterbildung - etwa das Nachholen von Bildungsabschlüssen - gebührenfrei in ein Gesamtbildungssystem integriert sind. In diese Richtung sollte intensiv und konkret weiterdiskutiert, abstrakten und rein theoretischen Konzepten sollte hingegen aufgrund der voraussichtlich negativen Folgewirkungen mit äußerster Vorsicht begegnet werden. Ein kurzer Blick in die Zukunft: Sven Johansson grübelt immer noch. Sandy Johnson geht in die Privatschule und sieht ihren Freund, den Sohn der Nachbarin, nicht mehr so oft. Johanna Huber freut sich, dass sie bald auch eine Matura haben wird, so wie ihre Kolleginnen.

1) Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
2) Das »Bildungskonto des WAFF« fördert Arbeitslose, Arbeit Suchende, Arbeiter, Angestellte, Vertragsbedienstete, Karenzurlauber, Präsenz- und Zivildiener sowie Lehrlinge mit 50 Prozent der Kursgebühren, höchstens 2000 Schilling, mit 50 Prozent und höchstens 4000 Schilling, sofern Leistungen nach dem ALVG (Arbeitslosenversicherungsgesetz) bezogen werden, und mit 80 Prozent, höchstens 6000 Schilling pro Jahr, für längerfristige Maßnahmen zur Hebung des Bildungsniveaus: Hauptschulabschluss, Lehrabschluss, Werkmeisterausbildung, Berufsreifeprüfung.
3) Schlögl, Peter; Kress, Oliver: Die politische und wissenschaftliche Diskussion über Bildungsgutscheine, ÖIBF, Wien 1999
4) Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M. 1986
5) Der »Sachverständigenrat Bildung« wurde auf Initiative und mit Förderung der IG Metall, der IG Bergbau, Chemie, Energie, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie der Hans-Böckler-Stiftung gegründet und setzt sich aus Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Bildung zusammen.
6) Dies trifft vor allem auf die Zielgruppe der Lehrlinge zu, daher wird diese Form des »Bildungsschecks« von Arbeitgeberseite favorisiert.
7) Der teuerste Faktor ist das Transportsystem. Bildungsgutscheine setzen Mobilität voraus, also den Transport von Schülern zu den Schulen ihrer Wahl, auch dann, wenn diese relativ weit entfernt sind.
8) siehe Mangold, Max; Öelkers, Jürgen; Ryhn, Heinz: Die Finanzierung des Bildungswesens durch Bildungsgutscheine ­ Modelle und Erfahrungen. Eine Studie im Auftrag des Kantons Bern, Bern 1998.
9) Das Bildungskonto des Landes Oberösterreich wurde von der Europäischen Union als »Best-practice-Modell« ausgezeichnet. Vor allem wurde hier auf den kompensatorischen Charakter des Modells Bezug genommen ­ anspruchsberechtigt sind nur Personen, die über keine Reifeprüfung verfügen und keinen darüber hinausgehenden Bildungsabschluss haben, also z. B. Absolventen einer berufsbildenden mittleren Schule, einer Lehre und auch Personen ohne Berufsausbildung. Eine Evaluierung des oberösterreichischen Bildungskontos ist zurzeit im Gange.
10) Eine Evaluierung des Bildungskontos des WAFF ergab, dass primär besser qualifizierte, jüngere Angestellte mit verhältnismäßig hohem Bildungsniveau von der Förderung profitierten. Arbeitsmarktpolitische Randgruppen konnten bisher nur schwer erreicht werden.

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Michael Tölle (Mitarbeiter der bildungspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819055838 Personenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit | Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den Arbeitsmarkt Während der freie Austausch von Waren zwischen den mittel- und osteuropäischen Ländern und der Europäischen Union schon möglich ist, hat mit dem Beitritt dieser Länder die Öffnung der Arbeitsmärkte noch zu erfolgen. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union bedeutet, dass jeder Arbeitnehmer in allen anderen Mitgliedstaaten einer Tätigkeit nachgehen kann. In der Frage der Auswirkungen der Personenfreizügigkeit für die Arbeitnehmer bringt eine Reihe von österreichischen Studien Klarheit. In der Nähe der österreichischen Grenze bzw. in Pendlerdistanz leben insgesamt 5,216.200 Personen (Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien). Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut ist ab Beitritt für die nächsten zehn Jahre mit bis zu 350.000 Personen aus den Beitrittskandidatenländern zu rechnen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) hat dabei in seiner Studie1) errechnet, dass unter der Annahme der vollen Gewährung der Freizügigkeit im Jahr 2005 die Zahl der Zuwanderer und der Pendler jährlich 41.800 Personen betragen wird. Bei einer 10-jährigen Übergangsfrist, das heißt, bei einer Öffnung des Arbeitsmarktes im Jahr 2015, ist noch jährlich mit 31.600 zusätzlichen Arbeitskräften zu rechnen.

Wohlstand und Lebensstandard

Um die Effekte der Gewährung der Personenfreizügigkeit zu beurteilen, muss die wirtschaftliche Situation insgesamt und vor allem die der Bevölkerung in den Beitrittskandidatenländern untersucht werden. Die Entscheidung, sich in einem anderen Land als Arbeitnehmer sehr lange oder auf Dauer niederzulassen, hängt in erster Linie vom Wohlstand und Lebensstandard des Ziellandes ab. Der Wohlstand eines Landes kann ökonomisch gemessen werden und wird ausgedrückt als Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf: die Summe des in Österreich produzierten Vermögens an Waren, Dienstleistungen, Arbeit, etc., aufgeteilt auf alle Einwohner. Ein Vergleich des österreichischen BIP mit dem der Beitrittskandidatenländer zeigt, dass in den Reformländern meist weniger als 50 Prozent des österreichischen Wertes erreicht werden. Das BIP Polens beträgt nur etwa 30 Prozent des österreichischen Niveaus. Aber auch die Verdienstmöglichkeiten sind ausschlaggebend. Umso mehr, wenn nur für einige Jahre im Ausland gearbeitet wird und dann eine Rückkehr mit dem Gesparten in die Heimat erfolgt. Die Unterschiede bei den Preisen (Lebenserhaltungskosten) und beim Wechselkurs werden dann ein voller Gewinn.

Lohngefälle

Aufgrund der geographischen Nähe kommt aber für die Arbeitnehmer aus den Beitrittskandidatenländern insbesondere die Pendelwanderung in der Form von Tages- oder Wochenpendeln in Betracht. Maßgebend für diese Entscheidung ist die Lohnhöhe. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut betragen in den unmittelbar angrenzenden Beitrittskandidatenländern die durchschnittlichen Löhne etwas mehr als 10 Prozent der österreichischen Durchschnittslöhne. Ausnahme ist nur Slowenien, wo die Löhne Wechselkurse von etwa 40 Prozent des österreichischen Lohnes aufweisen. Dass diese Differenzen bei den Einkommen bestehen, wird selbst von der Europäischen Kommission in der Agenda 2000 (Band II, 1997) bestätigt, wo sie anführt: »Ein substanzielles Lohngefälle zwischen Ost und West ist trotz der hohen Arbeitslosigkeit in Westeuropa ein starker Anreiz zu Abwanderungen von Osten nach Westen ...dies könnte den bereits eingeleiteten Prozess der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte ...in den angrenzenden Ländern wie Deutschland, Österreich ... beschleunigen.« Eine Zunahme des Arbeitskräfteangebots von über 300.000 Arbeitskräften - also eine Erhöhung des Arbeitskräfteangebots um 10 Prozent in Österreich - würde die Aufnahmefähigkeit des österreichischen Arbeitsmarktes weit überfordern. Ausschlaggebend für die Aufnahmekapazität des österreichischen Arbeitsmarktes ist die wirtschaftliche Situation. Wenn in einem Land die Wirtschaft sehr stark wächst, also Wachstumsraten von mehr als 4 bis 5 Prozent, und keine Arbeitslosigkeit besteht, sind kaum negative Effekte zu erwarten. In einer Zeit mit niedrigem Wachstum und hoher Arbeitslosigkeit ist die Situation jedoch völlig anders. Ein Ansteigen des Arbeitskräfteangebots hätte dann in erster Linie steigende Arbeitslosigkeit zur Folge. Zu befürchten wäre weiters eine Verschlechterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen für die in erster Linie jetzt schon benachteiligten Personengruppen. Arbeitsmarktprobleme sind aber auch deshalb zu erwarten, weil auf absehbare Zeit in Österreich die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter noch weit über das Jahr 2010 hinaus zunehmen wird.

Kapitalbesitzer und Arbeitnehmer

Zur Veranschaulichung des Zusammenhanges Zuwanderung, Entwicklung der Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ein Blick zurück auf Ende der achtziger und den Beginn der neunziger Jahre. Im Zeitraum von 1988 bis 1993 war in der jüngsten Vergangenheit der größte Zuwanderungsstrom mit mehr als 140.000 Personen zu verzeichnen. Damit nahm in Österreich das Arbeitskräfteangebot um 4,5 Prozent zu. Trotz eines überwiegend recht günstigen Wirtschaftsklimas ist die Zahl der Arbeitslosen um 73.000 Personen gestiegen. Eine Reihe von amerikanischen und deutschen Studien2) bestätigt die negativen Effekte der Einwanderung auf den Arbeitsmarkt. Bei einem 10-prozentigen Ansteigen der Zahl der Arbeitskräfte würden die Kapitalbesitzer beim Einkommen (+2 Prozent) gewinnen, während die Arbeitnehmer einen Einkommensverlust (­1,9 Prozent) hinnehmen müssten. Für Österreich speziell hätte dies einen wesentlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit verbunden mit Einkommensverlusten zur Folge. Leider wird in der öffentlichen Diskussion oft nur von den Gewinnern gesprochen. Ein Verdrängungseffekt auf dem Arbeitsmarkt in der Folge von Immigration wird auch mit dem Argument abgetan, dass Österreicher nicht bereit sind, qualitativ schlechte Arbeitsplätze zu besetzen, und dass in Österreich sowieso ein Arbeitskräftemangel in gewissen Bereichen, wie zum Beispiel im Gastgewerbe, besteht. Derartige Engpässe sind allerdings mit Blick auf die Arbeitslosenstatistik nicht feststellbar. Allein zum Beispiel im Gastgewerbe waren beinahe 30.000 Arbeit Suchende in der Hochsaison zu verzeichnen. Der Grund für den Ruf der Wirtschaft nach einer Erhöhung der Quote der Saisonniers ist nicht der Mangel, sondern leider das ausschließliche Interesse an billigen Arbeitskräften. Dadurch werden aber viele beschäftigungswillige Menschen in Österreich in die Arbeitslosigkeit gedrängt.

Süderweiterung

Es führt daher kein Weg daran vorbei, bei der EU-Erweiterung Schutzbestimmungen für den Arbeitsmarkt zu treffen. Die Gewerkschaften haben immer betont, dass die tatsächliche Einführung der Freizügigkeit erst dann erfolgen kann, wenn in den Beitrittskandidatenländern annähernd gleiche Bedingungen bei den Wohlstands- und Lohnniveaus bestehen. Selbst bei der Süderweiterung mit den Beitritten von Griechenland, Portugal und Spanien wurde eine lange Übergangsfrist von 10 Jahren vereinbart. Die derzeitige Ausgangssituation ist jedoch nicht mit den damaligen Beitritten vergleichbar. Nur Frankreich hat eine relativ kurze Grenze zu Spanien. Vor allem aber war das Einkommensgefälle zwischen diesen Ländern ­ insbesondere bei den unmittelbar angrenzenden Regionen ­ bei weitem nicht so groß. Portugal und Griechenland grenzen bekanntlich an kein anderes EU-Mitgliedsland. Somit war die EU damals nicht mit dem Phänomen des Tages- und Wochenpendelns konfrontiert, sondern ausschließlich mit Migration. Bei der zukünftigen Erweiterung ist Österreich im Gegensatz geographisch extrem exponiert. Österreich hat zwei Drittel seiner Grenzen zu den EU-Beitrittskandidaten. Zeitlich befristete Übergangsbestimmungen für den Arbeitsmarkt wie bei der Süderweiterung werden keine ausreichenden Maßnahmen sein, um den Problemen gerecht zu werden. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zeigt, dass auch nach einer 10-jährigen Übergangsfrist noch immer jährlich mit über 30.000 zusätzlichen Arbeitskräften zu rechnen ist. Aus diesem Grund müssen qualitative Übergangskriterien festgelegt werden. Risiken für den Arbeitsmarkt können erst dann ausgeschlossen werden, wenn die Einkommen annähernd angeglichen sind. Das ist der Fall, wenn zirka 80 Prozent des österreichischen Lohnniveaus erreicht sind.

Dienstleistungsfreiheit

Um den Arbeitsmarkt ausreichend zu schützen, müssen aber zusätzliche Vorkehrungen getroffen werden. Negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind auch durch die Gewährung der Dienstleistungsfreiheit zu erwarten. In der EU kann im Rahmen dieser Freiheit jeder Selbständige oder jedes Unternehmen mit seinen Arbeitskräften in allen anderen Mitgliedstaaten eine Leistung erbringen. Das heißt zum Beispiel, eine deutsche Firma kann ihre Arbeiter nach Österreich schicken, um dort ein Gerüst aufzustellen. Will ein ungarisches Unternehmen seine Arbeitnehmer nach Österreich entsenden, so sind derzeit die Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes anzuwenden. Sind die Beitrittskandidaten Mitglieder in der EU, fällt dieser Schutz weg. In Hinkunft könnten Ostunternehmen enorme Kostenvorteile in Folge der Lohndifferenzen erzielen und so Leistungen billiger anbieten. Aufgrund der geographischen Nähe könnten sie mit ihren Arbeitskräften (auch als Ein-mannunternehmen) auch in den Ballungszentren Aufträge übernehmen. Es wäre zu befürchten, dass österreichische Unternehmen aufgrund des Kostendrucks noch mehr auslagern oder dass sie billig angebotene Leistungen von Ostunternehmen zukaufen würden. Betroffen von der Billigkonkurrenz wären nahezu alle Dienstleistungsbranchen, vor allem das Bau- und Baunebengewerbe, der Transportsektor, der Reinigungssektor, die persönlichen und sozialen Dienste, wie zum Beispiel die Alten- und Krankenbetreuung. Aber auch für die Beschäftigten etwa im Versicherungsbereich hätte die Erweiterung Konsequenzen. Sämtliche in den Reformstaaten tätigen Versicherungen sind mehrheitlich im Eigentum der auch in Österreich tätigen Versicherungsunternehmen. So könnten die Mitarbeiter der Versicherungen mit Niederlassung in den Reformländern gleiche Produkte auch in Österreich weitaus kostengünstiger anbieten. Im Falle von Schadens- und Leistungsfällen stünde das österreichische Kundendienstnetz zur Verfügung. Dabei bestünden alle Möglichkeiten des Kosten- bzw. Gewinntransfers, wobei Prämien und Gewinn jedenfalls im Konzern verblieben. Nachteilige Folgen hätten ausschließlich die Angestellten der in Österreich tätigen Versicherung zu tragen, da deren Arbeitsplätze erheblich gefährdet wären.

»Umgehung« von Arbeits- und Sozialrecht

Die negativen Auswirkungen im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit sind mit den Effekten in der Folge des Pendelns gut zu vergleichen. Aus diesem Grund sind für die Dienstleistungsfreiheit die gleichen Übergangsbestimmungen wie für die Personenfreizügigkeit vorzusehen. Eingeschlossen werden muss auch die Leistungserbringung durch so genannte Einmannunternehmen. Hier besteht das Problem darin, dass Arbeiten, die üblicherweise in einem Arbeitsverhältnis durchgeführt werden, durch eine größere Anzahl von (Schein-)Selbständigen auf Werkvertragsbasis erledigt werden. Arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften werden aber auf diese Weise umgangen. Derartige Konstruktionen sind unter anderem bei Reinigungskräften, Gärtnern oder Maurern häufig vorzufinden. Abzugrenzen ist jedoch die Dienstleistungsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit. Bei der Niederlassungsfreiheit ist die Gründung eines Unternehmens gemeint und ist im Rahmen der so genannten Europaabkommen mit den mittel- und osteuropäischen Ländern auf beiden Seiten schon möglich. Einige Stimmen meinen, dass Übergangsbestimmungen bei der Dienst- leistungsfreiheit nicht möglich sind, weil es bei der Süderweiterung auch keine gab. Bei der Süderweiterung wurden für die Dienstleistungsfreiheit tatsächlich ausdrücklich keine Übergangsbestimmungen vorgesehen. Allerdings wurde damals die Entsendung von Arbeitnehmern als Bestandteil der Personenfreizügigkeit angesehen. Erst später, lange nach dem Beitritt, wurde in der Folge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes das Recht, sich eigener Arbeitskräfte zu bedienen, der Dienstleistungsfreiheit zugeordnet. Die Problematik der Dienstleistungsfreiheit war und ist in der Europäischen Union aber nicht unbekannt. Auch derzeit bestehen Lohnunterschiede in der EU, was zu Wettbewerbsverzerrungen, insbesondere im Bausektor, geführt hat. Aus diesem Grund hat die EU eine Regelung - die Entsenderichtlinie- verabschiedet, um sicherzustellen, dass beispielsweise britische Arbeitnehmer in Deutschland entsprechend den dort üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen behandelt werden. Wenngleich diese EU-Regelung grundsätzlich sehr positiv ist, hat sie auch enorme Defizite. Die Vorschriften sind nicht auf alle Sektoren anzuwenden. Ebenso sind die konzerninterne Arbeitskräfteüberlassung oder die grenzüberschreitende Leiharbeit nicht erfasst.

Das größte Manko

Das größte Manko ist aber: Die Richtlinie schreibt zwar die Gleichbehandlung vor, aber um auch tatsächlich in den Genuss des Kollektivvertragslohnes zu kommen, muss der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber klagen. Hier zeigt die Praxis, dass im Falle von Entsendungen kaum jemand genau Bescheid weiß, wie viel ein Kollege in einem anderen Land verdient, welche Zulagen üblich sind oder wie die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften sind. In der Regel ist es meist so, dass die entsendeten Arbeitnehmer weit mehr bekommen als in ihrem Heimatort und schon deshalb kein Interesse haben, ihren Arbeitgeber zu klagen. Somit ist die Entsenderichtlinie kein wirksames Instrument, dem Problem des billig Hereinarbeitens zu begegnen. Problematisch wäre auch, die Entsendung im Wege von speziellen Dienstleistungsabkommen in Anlehnung an die so genannten Werkarbeitnehmerabkommen zwischen Deutschland und einigen mittel- und osteuropäischen Ländern zu regeln. Auf dieser Grundlage können z. B. Arbeitnehmer im Rahmen von Firmenkooperationen von ihren im Heimatstaat ansässigen Arbeitgebern zum Erbringen von Dienstleistungen nach Deutschland entsendet werden. Dabei werden die Kontingente der Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt angepasst. Gleichzeitig ist die Einhaltung der Entlohnung vergleichbarer Tariflöhne und die Einreichung des Werkvertrages beim zuständigen Landesarbeitsamt zwingend vorgeschrieben. Sogar Vorschriften für die Beschaffenheit der Schlafräume finden sich in diesen Abkommen. Allerdings, trotz des Bestehens dieser Abkommen, ist es zu großen Spannungen und Auseinandersetzungen im Bausektor in Deutschland gekommen. Eine Gleichbehandlung der inländischen und der ausländischen Werkvertragsarbeitnehmer beim Lohn, beim Urlaubsanspruch oder bei der Sozialversicherung konnte damit nicht erreicht werden.

Umgehungsstrategien

Wenn es darum geht, Vorschriften zu umgehen, sind Unternehmen oft sehr erfinderisch: Arbeitsverträge werden den Behörden vorgelegt, die den Vorschriften entsprechen. Aber gezahlt wird anders! Die Arbeitnehmer ken- nen diese Verträge sehr häufig nicht oder sind mit der Vorgangsweise einverstanden. Eine andere bekannte Praktik ist: Der Arbeitnehmer erhält zwar den vorgeschriebenen Bruttotariflohn pro Stunde (ca. 185 Schilling), aber netto bekommt er nur zwischen 30 und 65 Schilling. Eine derartige niedrige Nettosumme kommt dadurch zu Stande, weil beispielsweise für Schlafgelegenheiten (Container) oder Schäden vom Lohn sehr hohe Abzüge vorgenom- men werden. Ebenso sind Gebühren für Auszahlung des Lohnes und Abwicklung der Lohnsteuerangelegenheiten nicht selten. Wenn Werkvertragsarbeitnehmer von den Gewerkschaften über diesen »Betrug« informiert werden und die Arbeitnehmer dann ihr Recht einfordern wollen, werden sie nach Hause geschickt. Oder die Entsendung ist auf kurze Dauer, etwa 6 Monate, beschränkt, wo nur sehr schwer seitens der Gewerkschaft und der Arbeitnehmer Schritte unternommen werden können. Letztlich kann die Tätigkeit einer Firma, die aufgrund ihrer »Praktiken« bekannt ist, nicht untersagt werden. Das zeigt, dass das Arbeiten über die Grenze sowie auch die Arbeitsmigration uns vor viele Probleme stellen wird. Sozial- und arbeitsrechtliche Regelungen sind leider nicht einmal bei kontrollierter Zuwanderung und innerhalb der EU ausreichend. In Richtung Verhandlungen über EU-Erweiterung bedeutet dies, dass zum Schutz des Arbeitsmarktes, aber auch für ein Gelingen der Erweiterung ohne soziale Spannungen, umfangreiche Übergangsbestimmungen unverzichtbar sind.

1) WIFO: Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den österreichischen Arbeitsmarkt; Ewald Walterskirchen und Raimund Dietz, 1998 (Zusammenfassung in WIFO Monatsberichte 8/98)
2) WIFO: Monatsberichte 2/2000, Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwanderung von Arbeitskräften; Wolfgang Pollan

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Angela Orsolits (Mitarbeiterin des volkswirtschaftlichen Referats im ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055830 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819055728 Ab die Post? | Der Ausverkauf geht weiter: im Namen der Steuerzahler gegen Beschäftigte und Konsumenten... 1). Warum wirft der Finanzminister dabei im Besonderen ein begehrliches Auge auf Telekom, Post und P.S.K.? Was haben die Steuerzahler wirklich davon?]]> Was sich in diesen eingangs zitierten Zeilen verbirgt, ist nichts anderes als der programmierte Totalausverkauf österreichischer Firmen, sprich Vermögenswerte, die einzig und allein durch die Arbeit von Zehntausenden Beschäftigten in den letzen 55 Jahren von null weg geschaffen wurden. So sollen laut Regierungsvorhaben nicht nur die Reste der so genannten verstaatlichten Industrie (z. B. Böhler, OMV, VA-Stahl oder VA-Tech) oder die der ÖIAG bereits übertragenen Staatsbetriebe (Austria Tabak, AUA, Flughafen Wien, Staatsdruckerei, Dorotheum, Print Media Austria ­ die Salinen sind bereits zu 100 Prozent privatisiert), sondern nun auch der gesamte Postbereich (Telekom Austria AG, Post AG, Bus und P.S.K.) voll privatisiert werden. Zu diesem Zweck ist vorgesehen, per Gesetz die ÖIAG mit der PTA (Post und Telekom Austria AG) und der PTBG zu fusionieren. Auf Basis des Poststrukturgesetzes 1996 erfolgte die Ausgliederung der Post- und Telegraphenverwaltung in die Post und Telekom Austria AG (PTA) und die Bildung der Holdinggesellschaft Post- und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (PTGB). Damit wurde die Post aus der Bundesverwaltung ausgegliedert, aber noch nicht privatisiert. Diese Konstruktion wurde gewählt, um die zum Zeitpunkt der Ausgliederung bestehende Schuldenlast der Post in der Gesamthöhe von 110 Milliarden Schilling aufzuteilen. Die PTGB musste 45 Milliarden Schilling der Postschulden übernehmen und bekam dafür alle Aktien der neuen PTA. Die PTA wiederum übernahm 65 Milliarden der Schulden. Das Poststrukturgesetz bildete die Grundlage für diese Neukonstruktion.

Postdienste
Deregulierung und Privatisierung

Schon vor dem EU-Beitritt unterschrieb die Republik Österreich das »Memorandum of Understanding« (Übereinkommen, die Regulierungsschritte im Telekombereich im Sinne der EU mitzumachen). Nach der vollständigen Liberalisierung schreibt die EU nun auch im Postsektor für ihre Mitglieder schrittweise die volle Liberalisierung, sprich Deregulierung und Privatisierung, aller Postdienste vor. Nun ist auch für den Finanzminister die Telekom Austria AG ein besonders begehrlicher Privatisierungskandidat. Der Telekomsektor wurde in Österreich bereits 1998 teilprivatisiert (zu 25,01 Prozent an die Telekom Italia). Die so genannte Gelbe Post mit Briefzustellung und Busbetrieb soll demnach 2003 völlig liberalisiert werden.

Gewinnabführung

Diese Schulden der vergangenen Jahre kamen aber nicht zustande, weil die Post als Ganzes etwa defizitär gewesen wäre, sondern weil die Post vom Gesetzgeber gezwungen wurde, jährlich etwa 9 Milliarden ins Budget zu zahlen2), die in dieser Höhe nicht erwirtschaftet wurden. Um die notwendigen und gesetzlich vorgesehen Dienste trotzdem anbieten zu können, mussten und müssen laufend Milliardeninvestitionen getätigt werden. Wegen der Gewinnabführung ins Budget konnten diese aber nicht aus eigenen Mitteln, sondern nur durch die Aufnahme von teuren Krediten abgedeckt werden. So häuften sich die besagten 110 Milliarden Schulden auf. So ist die Post unschuldig zum Schuldner geworden. Und diese Schulden werden immer wieder und jetzt erst recht von der FPÖVP-Koalition als Vorwand für den weiteren Ausverkauf hergenommen. Doch: »Kaum ein anderes Land in Europa trennt sich etwa von so wichtigen Infrastrukturunternehmen wie Telekom oder Post«, so Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel.3) So hat sogar die liberalisierungswütige »Deutsche Telekom noch immer 70 Prozent Staatsanteil und kassiert der Staat die Gewinne selbst, anstatt sich mit einer einmaligen Abschlagszahlung zufrie- den zu geben«, weiß Robert Sulzbacher vom Zentralausschuss Telekom der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF).4) Warum also diese Eile?

Musterschüler

»Zuerst hat man uns ausgegliedert, Schulden, die wir nicht gemacht haben, umgehängt und dann auf dem Markt behindert. So sind wir Musterschüler der durch die EU vorgeschriebenen Liberalisierung: Wir haben etwa in Österreich bereits den Ortsverkehr liberalisiert und extrem niedrige Zusammenschaltgebühren mit den alternativen Telekombetreibern. Was uns selbst teilweise 50 bis 60 Groschen kostet, müssen wir den Alternativbetreibern, sprich Konkurrenten, um etwa 30 Groschen anbieten. Was in anderen Wirtschaftsbereichen als Wettbewerbsverzerrung angeprangert wird, müssen wir auf Geheiß des Telekom-Regulators durchführen, das heißt, die von der Telekom Austria hergestellten Leitungen unter dem Einstandspreis an die Alternativbetreiber vermieten. Wenn es sich dabei um kleine Mitbewerber handelt, ist das vielleicht nicht so tragisch. Hat aber ein Betreiber, der direkter Konkurrent ist, zum Beispiel im Mobilbereich 40 Prozent Marktanteil (max.mobil), dann kommt das einer Subventionierung eines direkten Konkurrenten gleich. >Sinn< macht das Ganze dann, wenn man weiß, dass max.mobil bereits zu 100 Prozent der Deutschen Telekom gehört«, und, wie Robert Sulzbacher einschätzt, »es in Zukunft in der EU nur noch drei große Telekomanbieter geben wird: die Deutschen, die Engländer und die Franzosen.«5) Zielsetzung der Regierung und Zusammensetzung des neuen Aufsichtsrates der ÖIAG lassen tatsächlich einen Ausverkauf an Deutschland befürchten: So soll der neue ÖIAG-Aufsichtsratsvorsitzende Alfred Heinzl vom Papierkonzern PWA/SCA aus München kommen, weitere Aufsichtsratsmitglieder, die deutsche Interessen vertreten: Jürgen Hubbert von DaimlerChrysler, Paul Achleitner von der Allianz AG, die mit der Dresdner und der Deutschen Bank verbandelt ist, und Veit Schalle vom zum deutschen Rewe-Konzern gehörenden Billa.6) Anstatt die österreichische Telekom jetzt im Husch-Pfusch-Verfahren auf den Markt zu werfen, sollten nach Ansicht des Telekom-Postgewerkschafters diese extremen Ungleichheiten vom Regulator, der Telekom Control, schleunigst beseitigt werden und seitens der Geschäftsleitung der Telekom Austria ein zukunftsfähiges Konzept für die Weiterentwicklung und Absicherung des Betriebes vorgelegt werden. Die Telekom Austria AG ist mit ihren rund 15.500 Beschäftigten eines der wichtigsten Unternehmen in Österreich. Ein weiterer Verkauf ans Ausland, 25,01 Prozent sind schon im Besitz der Telecom Italia, würde den Wirtschaftsstandort Österreich massiv schwächen und die Eingliederung einzelner Unternehmensbereiche wie Forschung, Produktentwicklung oder strategische Planung in die Unternehmenszentrale des Käufers, also eine Verlagerung ins Ausland, bedeuten.

Insgesamt wären von so einem Ausverkauf vier- bis fünftausend Arbeitsplätze in den nächsten Jahren gefährdet. Wobei zu ergänzen ist, dass schon bisher im Bereich der Telekom Austria abgebaute Arbeitsplätze keineswegs ­ wie immer behauptet wird ­ von den Alternativbetreibern aufgefangen werden, geschweige, dass der ganze Telekombereich viele zusätzliche Arbeitsplätze schafft. Allein die ständigen Rationalisierungen und gigantischen technischen Entwicklungen und Modernisierungen machen dies unwahrscheinlich.

Casinokapitalismus

Warum also das Ganze, wird sich der Konsument fragen? Zentralbetriebsrat Sulzbacher: »Geplant ist der totale Verkauf der Telekom AG mit ihren Töchtern. Laut Finanzminister Grasser soll damit der österreichische Kapitalmarkt belebt werden, der darniederliegt. 100 bis 120 Milliarden Schilling sollen so an die Börse gebracht werden, deren Gesamtwert allerdings auf bloß 400 Milliarden Schilling geschätzt wird. Damit würde der Telekombereich allein mehr als ein Viertel des Volumens der Wiener Börse ausmachen. Dies ist realistischerweise nicht erzielbar. Daher«, so befürchtet Sulzbacher, »würde die Telekom unter ihrem Wert verkauft werden.« Für diesen Casinokaptialismus in Reinkultur würde also ein »gutes Unternehmern geopfert, werden Tausende Arbeitsplätze gefährdet und wird Familiensilber verkauft werden. Was bleibt, ist ein billiger Einmaleffekt«, so der Belegschaftsvertreter. Das sieht auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, Hans-Georg Dörfler, so: »Internationale Konzerne würden bereits darauf warten, sich dieses günstige Schnäppchen weit unter dem Wert einzuverleiben.« Außerdem wäre es eine falsche Hoffnung »zu erwarten, dass durch eine Totalprivatisierung Verbesserungen bzw. Verbilligungen für die Konsumenten eintreten werden, sondern ganz im Gegenteil ist die Tarifgestaltung und vor allem die Flächendeckung insbesondere auf dem flachen Land und in den entlegenen Regionen extrem in Frage gestellt«.7) Ebenso fraglich und bereits in Diskussion ist der Fortbestand der Befreiung rund 300.000 Betroffener von der Grundgebühr. Festzuhalten ist etwa auch der Umstand, dass in Österreich die Entstörung derzeit innerhalb von Stunden erfolgt, im Telekom-privatisierten Ausland hingegen oft Tage dauert. Besonders besorgt und empört sind die Betriebsräte darüber, dass ausdrücklich ein (Aus-)Verkauf der Telekom auch unter die Sperrminorität von 25 Prozent im Regierungspakt vorgesehen ist. Das hätte nämlich fatale Folgen für die Telekom-Beschäftigten: »Damit würde das Poststrukturgesetz, mit dem die Beschäftigten der Post und Telekom mit allen ihren Rechten vom Bund übernommen wurden, seine Gültigkeit verlieren. Dadurch käme es in weiterer Folge zur Aufhebung des Postbetriebs-Verfassungsgesetzes, das die Rechte der Telekom-Beschäftigten, die noch zu 79 Prozent Beamte sind, regelt und absichert. Da für die Telekom Austria AG weder das Arbeitsverfassungsgesetz gilt noch die Kollektivvertragsfähigkeit in diesem Fall gegeben wäre, würden die Beschäftigten bei einem Verkauf unter 25 Prozent ohne soziale Absicherung total in der Luft hängen.«8) Die Telekom-Gewerkschafter verlangen daher, dass die Rechte auch bei einem Totalverkauf gewahrt bleiben, indem diese auch durch Syndikatsverträge abgesichert werden können. Sie verlangen daher eine entsprechende Regelung im neuen ÖIAG-Gesetz. Zufall oder nicht, jedenfalls nicht lange, nachdem die Regierung ihre Privatisierungspläne für ÖIAG und Telekom bekannt gegeben hatte, setzte der Generaldirektor der Post AG, Anton Wais, kräftig nach: Wegen der Vorbereitung auf die bevorstehende EU-weite Liberalisierung des Postmarktes im Jahr 2003 und der geplanten Privatisierung der Post AG kündigte er das Sofortprogramm »Speed«9) an, das in den nächsten drei Jahren 15 bis 20 Prozent der Personalkosten senken und damit rund 4000 bis 6000 der derzeit noch 31.000 Arbeitsplätze bei der »Gelben Post« einsparen soll. Darüber hinaus soll die Arbeitsbelastung um 20 Prozent angehoben werden.

Freiwilliger Rücktritt

Diese Vorgangsweise gibt so manchen Kritikern aus der Gewerkschaft Recht, die dieses neuerliche Crash-Programm der Unternehmensleitung als negative Fortsetzung der seinerzeitigen Ausgliederung der Post aus dem Bund bzw. als Vorleistung für die künftigen Privataktionäre der Post oder als vorauseilenden Gehorsam der Geschäftsführung gegenüber der neuen Regierung betrachten; ist doch erst unlängst der Aufsichtsrat der ÖIAG einfach abgesetzt oder der Telekom-Vorstand »freiwillig zurückgetreten« worden, weil er sich weiter gehenden Ausverkaufsplänen gegenüber kritisch zeigte. Eine sachliche Grundlage gibt es für dieses Programm kaum: So erwirtschaftete die Gelbe Post im Geschäftsjahr 1999 einen Gewinn von 600 Millionen Schilling und sogar der 1998 mit 255 Millionen Schilling defizitäre Postbusbereich einen Gewinn von 27 Millionen Schilling. Das von der Generaldirektion vorgelegte 12-Punkte-»Speed«-Programm wird von der Personalvertretung daher auch vehement abgelehnt. Gewerkschafter Gerhard Fritz: Die Generaldirektion will »den bisherigen Einfluss der Personalvertretung gewaltig reduzieren, um im Betrieb den Leistungsdruck zu erhöhen und die Rechte der Bediensteten in Luft aufzulösen. Der Inhalt des Vorstandsbeschlusses wurde ohne Befassung der Personalvertretung zur Umsetzung mündlich weitergegeben. Wir haben davon erst aus den Medien erfahren. Dieses Maßnahmenpaket ist keine Absichtserklärung, sondern galt, noch bevor mit uns gesprochen wurde, als beschlossen. Das ist eine bisher nicht da gewesene Vorgangsweise«.10) Das Programm sieht unter anderem die einseitige Abschaffung der bisher gültigen Arbeitsplatzbewertungssysteme, die komplette Umorganisation des Unternehmensleitungsbereichs ohne Befassung der Personalvertretung, die Einsetzung eines Betriebskonzepts für den Schalterdienst, das neue Arbeitszeitmodelle sowie Belohnungssysteme beinhaltet, vor. In den Umleitungen wurden neue Arbeitszeitmodelle entgegen früheren Zusagen vor der Inbetriebnahme neuer Logistikzentren und ohne Befassung der Personalvertretung angeordnet. Auch wurden die Vergabekommissionen für Arbeitsplätze, in denen die Personalvertretung bisher das Stimmrecht hatte, ausgesetzt und werden derzeit Arbeitsplatzvergaben nur informativ der Personalvertretung mitgeteilt.11) Dies führte schon jetzt dazu, dass im Post- und Schalterdienst personelle Engpässe gegeben sind. Auch deshalb, weil die schon früher und auch nunmehr gegebenen Versprechungen der Direktion, die Modernisierung der Post zu forcieren, weiter auf sich warten lassen. Etwa im Schalterdienst. Dort wurde von den ursprünglich versprochenen 250 Millionen Schilling nur ein Drittel in diesen Bereich investiert. Gleichzeitig aber kann man beobachten, wie gut dotierte Posten mit Sonderverträgen im Bereich der Generaldirektion fast täglich dazu- kommen. Außerdem wird mittels der so genannten »PT-Zuordnungsverordnung«, die alle Arbeitsplätze im Postbereich nach Verwendungsgruppen regelt, von der Post-Geschäftsleitung versucht, zu niedriger entlohnten Einstiegsarbeitsplätzen zu kommen.

Zersplitterung
Die Postflexibilisierung wird auch in die Richtung weitergehen, weiß Zentralsekretär Randus, dass es auch intern zu weiteren Zersplitterungen wie der Aufteilung in eine Schalter- und Finanzgesellschaft und in eine Zustellgesellschaft kommen wird, die für den Konsumenten nicht nur von Vorteil sein kann. Pilotversuche gibt es damit schon in Wien. Dabei kauft die Post Dienstleistungen von außen zu, wie zum Beispiel die Zeitungszustellung. Apropos Zeitungszustellung: »Wenn der Staat die Absicht hat, der Post nicht mehr die gemeinwirtschaftlichen Leistungen zu refundieren, werden die Zeitungsgesellschaften eigene Zustellgesellschaften gründen. Der Effekt wären Arbeitsplatzverluste bei der Post und das Entstehen von neuen, minderwertigen Arbeitsplätzen (neue Selbständige).«14)

Unentgeltlich!

Schon jetzt erbringen viele Bedienstete, besonders im Zustelldienst, unentgeltliche Vorleistungen wie Vorsortierung bzw. -verteilung, weil sie sonst nicht rechtzeitig fertig würden. Nur so aber kommt der Briefträger früher zum Kunden. Und das, obwohl beispielsweise in Wien 90 Prozent der Zusteller kein Fahrzeug von der Post AG zur Verfügung gestellt bekommen. Sie müssen also, um ihre Arbeit zeitgerecht im Dienste der Kunden und im Interesse der Post AG durchführen zu können, auf die öffentlichen Verkehrsmittel oder auf ein eigenes Fahrzeug zurückgreifen. »Man stelle sich einmal vor, was allein hier ein Dienst nach Vorschrift bewirken würde, wenn die Briefträger nicht ðPrivatinitiativeĐ zeigen würden«, schildern Martin Palensky und Andreas Grüneis die Situation bei der Belegschaft.12) Doch was hat die Post AG für ihre Beschäftigten parat? Ein Kosten- und damit Personalabbauprogramm, das bisher gültige Betriebsvereinbarungen einseitig aufkündigt, durch die Flexibilisierung von Dienstplänen mittels Teilzeitarbeitskräften bestehende Gesetze (zum Beispiel Beamtendienstrechtsgesetz) außer Kraft setzen will und mit der medialen Verbreitung der falschen Meldung, dass die Postbediensteten für eine voll bezahlte Arbeitsstunde nur 45 Minuten arbeiteten, gegen die eigenen Mitarbeiter vorgeht. Diese aus dem Jahr 1919 stammende Verfügung wurde 1983 an die generelle 40-Wochenstunden-Regelung angepasst. Die 45-Minuten-Basis ist eine postinterne Berechnungsmethode, um die Arbeitskapazität so zu bemessen, dass einerseits für die Postkunden keine unzumutbaren Warteschlangen oder Wartezeiten entstehen und andererseits eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Bediensteten gewährleistet wird. Es geht darum, dass die Bediensteten im Schalterbereich ­ und nur um die geht es hier, also um 8000 von 31.000 ­ einen Puffer haben, um ­ modern gesagt ­ ihre Back-Office-Tätigkeiten im Interesse der Kunden abwickeln zu können.13) Doch die Falschmeldungen werden verbreitet, »um die Meinung der Postkunden offensichtlich zu manipulieren und so der Akzeptanz von geplanten Maßnahmen der Gewerkschaft und Personalvertretung die Grundlage zu entziehen. Doch Tatsache bleibt: Auch bei der Post hat die Stunde 60 Minuten und der Tag 24 Stunden«, so Gewerkschaftsvorsitzender Dörfler. Ein weiteres Problem für die Gelbe Post im Zusammenhang mit der EU-Liberalisierung und der neuen Regierung ist die Frage, wer der neue Eigentümer der Österreichischen Postsparkasse (P.S.K.) sein wird, die ja mit der Post AG (Postämter als P.S.K.-Filialen) eng verbunden ist, und wie in Zukunft die Universaldienstverordnung geregelt sein wird. Werden die Postämter zugesperrt, weil die P.S.K. von einer Bank aufgekauft wird, die die Post als Konkurrenz sieht, oder nicht? Für den Fall, dass die jetzt noch auf 12 Jahre laufende Kooperationsvereinbarung gelöst würde, wären Tausende Arbeitsplätze in Österreich gefährdet. Auch die Frage, wer in Zukunft die so genannten Universaldienste (wann, wo, wie oft und mit welcher Qualitätsnorm zugestellt werden muss) anzubieten hat, wird für das Überleben der Post wichtig sein.

Postbus in Bewegung
Seit geraumer Zeit gibt es erneut den Plan, Postbus- und Bahnbusdienst zu einer BUS AG zu fusionieren. Die erstmals 1999 mit 27 Millionen Schilling Gewinn abschließende Bussparte der Post bringt 3200 der 5000 Beschäftigten der neuen Gesellschaft ein.15) Zur Frage, ob die Fusionierung die noch vor zwei Jahren bestehende Gefahr des Ausverkaufs an einen ausländischen Busunternehmer und bei dieser »Privatisierungsregierung« gebannt hat, sagt Postautogewerkschafter Robert Wurm: »Als BUS AG von Post und ÖBB sind wir das drittgrößte Busunternehmen in Europa und brauchen derzeit keine Angst vor einer Übernahme zu haben. Bis Ende Mai 2000 wird es eine genaue Statuserfassung geben. Wir nehmen die Sorgen der ÖBB-Personalvertreter um den Erhalt des Bahnbusdienstes sehr ernst. Doch ist auch der Bahnbus eher in der neuen >Ehe< vor ausländischen Übernahmen gesichert.« Ein weiteres Problem sind die unterschiedlichen Dienstrechte und der Umstand, dass auf Neueintritte ein neuer Kollektivvertrag zutrifft. »Ich bin mir aber sicher«, so Wurm, »dass ÖBBler und Postler stark genug sind, für einen guten Kollektivvertrag zu sorgen.« Ein weiteres Erfordernis vor einer Zusammenlegung der beiden Busdienste, das unbedingt erfüllt sein muss, sieht Wurm darin, dass Werkstätten und Personenbeförderung enger zusammenarbeiten, um auch die Arbeitsplätze im Werkstättendienst abzusichern. »Wir werden daher genau darauf achten, dass der Postbus bei der Gründung einer AG nicht unter die Räder kommt.«16)

Zukunft verscherbelt!

Ob Gelbe Post, Telekom oder Busbereich: Ähnlich wie in der verstaatlichten Industrie wurden der Post schon seinerzeit zur Budgetsanierung Schulden aufgehalst, die sie nicht zu verantworten hatte. Die Folge war der Schrei nach Ausgliederung und Privatisierung. Nunmehr werden diese unechten Schulden und echten Zinsgewinne der Banken ein zweites Mal dazu hergenommen, um im Namen der Steuerzahler gegen Beschäftigte und Konsumenten zu agieren und den jetzigen Totalausverkauf politisch in die Wege zu leiten: »Alles wird privatisiert, verkauft, am besten schon morgen, denn dann hat die Regierung keine Sorgen. Aber Politik muss mehr bedeuten als das Erfüllen von Unternehmerwünschen und das Befriedigen von Finanzinte- ressen. Denn der österreichische Kapitalmarkt ist für derartige Tranchen zu klein. Wir wollen und werden nicht tatenlos zusehen, wie ohne Rücksicht auf den Wirtschaftsstandort Österreich und vor allem der betroffenen Beschäftigten Familiensilber verscherbelt und die Zukunft unserer Kinder ausverkauft wird.«17) Schon im vergangenen Herbst haben die Beschäftigten der Post auf die diversen Verschlechterungen mit Versammlungen und sogar mit Streikdrohungen auf ihre Situation aufmerksam machen müssen.

1) ÖVP-FPÖ-Koalitionsabkommen, »Österreich regieren«, Kapitel »Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich«, Kapitel 15, Seite 81
2) Gespräch mit Zentralbetriebsrat Robert Sulzbacher, Zentralausschuss Telekom der Gewerkschaft der Fernmeldebediensteten, 7. 4. 2000
3) Auf der Betriebsrätekonferenz von ÖGB, AK, Gewerkschaften und ARGE ÖIAG-Gruppe im Messe Congress Center am 9. März 2000 vor ca. 1100 Betriebsräten
4) Siehe Fußnote2)
17) Hans-Georg-Dörfler, siehe Fußnote 3)
14) Siehe Fußnote 8)
15) Siehe »Fahrer Info« 4/99 und 1/2000, Hg.: AK Wien, Fachausschuss der Berufskraftfahrer 16) Gespräch mit Gewerkschafter Robert Wurm am 7. 4. 2000
5) Siehe Fußnote 2)
6) Siehe Kurier 6. 4. 2000, Seite 19, Kurier 8. 4. 2000, Seite 17
7) Hans-Georg-Dörfler, Vorsitzender des Zentralausschusses der Bediensteten der PTA und Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, auf der Betriebsrätekonferenz von ÖGB, AK, Gewerkschaften und ARGE ÖIAG-Gruppe im Messe Congress Center am 9. März 2000 vor ca. 1100 Betriebsräten
8) Gespräch mit Rudolf Randus, Zentralsekretär der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten, 31. 3. 2000
9) Siehe Presseinformation der Österreichischen Post AG, Generaldirektion, 24. 3. 2000
10) Gespräch mit Gerhard Fritz, Vorsitzender der Landesgruppe Post und Obmann des Personalausschusses Post für Wien, Niederösterreich und das Burgenland, am 4. 4. 2000
11) Maßnahmenkatalog »Speed«-Programm der Post AG
12) Gespräch mit Martin Palensky und Andreas Grüneis, beide Mitglieder des Zentralausschusses der Bediensteten der Österreichischen Post AG, am 4. 4. 2000
13) Siehe Fußnote 10)

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Wilfried Leisch (freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055523 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055540 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819055464 Budget 2000 | Sparpaket ohne Schwerpunktsetzungen, aber mit negativen Auswirkungen auf Verteilung und Beschäftigung 1) Innerhalb einer Rekordzeit von nur vier Wochen erstellte Grasser das Budget 2000, mit dem das gesetzliche Budgetprovisorium abgelöst wird. Der Wunsch der neuen Bundesregierung war es, an ihren Maßnahmen und Programmen gemessen zu werden. Für die Beurteilung des Budgets 2000 werden in der folgenden Analyse die traditionellen Zielsetzungen Wachstum, Beschäftigung, Preisstabilität, Verteilungsgerechtigkeit und Verbesserung der Umweltqualität herangezogen.]]> Die budgetpolitischen Zielsetzungen

Die neue Regierung hat in ihrem Programm eine mehrjährige Phase der Budgetkonsolidierung vorgesehen. Das Ziel besteht darin, das Maastricht-Defizit des Bundes in einem ersten Schritt mit 2,2% des BIP, das sind 62 Milliarden Schilling, zu begrenzen. In weiteren Schritten soll das Maastricht-Defizit des Bundes bis 2003 auf 1,8% gesenkt werden. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die der Budgeterstellung zugrunde liegen, sind günstig. Heuer kann mit einem kräftigen Konjunkturaufschwung gerechnet werden, die Beschäftigtenzahlen steigen deutlich an und die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich weiter. Lediglich der Preisauftrieb hat sich in den letzten Monaten beschleunigt. Der Entwurf des Bundesvoranschlages (BVAE) 2000 sieht Ausgaben von rund 781 Milliarden Schilling und Einnahmen von 727 Milliarden Schilling vor. Daraus resultiert auf administrativer Basis ein Defizit von gut 54 Milliarden Schilling. Die Ausgaben liegen damit um mehr als 6 Milliarden Schilling unter dem vorläufigen Ergebnis des Vorjahres, die Einnahmen hingegen um mehr als 7 Milliarden Schilling darüber. Trotz der Steuerreform 2000 und des Familienpaktes liegt das Defizit um 13,5 Milliarden Schilling unter dem des Jahres 1999 (siehe Tabelle 1: "Die wichtigsten Kennzahlen der Budgetentwicklung"). Scheidet man die Finanztransaktionen (wie z. B. Rücklagen, Darlehen, Beteiligungen) aus der Defizitberechnung aus, dann erhält man das Maastricht-Defizit. Im Gegensatz zum administrativen Defizit kann das Defizit auf Maastricht-Basis nur von knapp 65 Milliarden Schilling (1999) auf rund 62 Milliarden Schilling (2,2% des BIP) gesenkt werden. Das zeigt an, dass ein erheblicher Teil der Maßnahmen zur Erreichung des Budgetziels nicht auf dauerhafte Maßnahmen zurückgeführt werden kann. Von den Ländern und Gemeinden werden Budgetüberschüsse in der Höhe von 0,5% des BIP erwartet, so dass insgesamt ein Maastricht-Defizit von 1,7% des BIP angestrebt wird. Das ist der Zielwert, der auch im österreichischen Stabilitätsprogramm enthalten ist und dessen Einhaltung von der Europäischen Kommission und vom Ecofin-Rat sehr genau beobachtet wird.

Die Maßnahmen zur Erreichung des Konsolidierungsziels

Tabelle 2 ("Konsolidierungsma§nahmen 2000") zeigt, dass die ausgabenseitigen Maßnahmen überwiegen. Im öffentlichen Dienst sollen die Personalausgaben durch einen Personalabbau von 2% (ohne die Bereiche Unterricht und Wissenschaft) gesenkt werden. Der Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung wird durch Abschöpfen von Überschüssen diverser Fonds (Familienlastenausgleichsfonds, Arbeitslosenversicherung, Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) im Ausma§ von 14,3 Milliarden Schilling entlastet. Kräftig, durchschnittlich um 15%, werden die so genannten Ermessensausgaben gekürzt. Im Bereich der Siedlungswasserwirtschaft soll der Bund in den kommenden Jahren entlastet werden. Auf der Einnahmenseite wird eine Reihe von Steuererhöhungen zur Budgetsanierung durchgeführt. Das betrifft die Tabaksteuer, die motorbezogene Versicherungssteuer, die Elektrizitätsabgabe (von 10 g auf 20 g pro kWh). Zusätzlich werden diverse Gebühren stark angehoben. Diese Maßnahmen sollen im Jahr 2000 7 Milliarden Schilling an Einnahmen erbringen, ab dem Jahr 2001 etwa 13 Milliarden Schilling. Weitere Einnahmen in der Höhe von 17 Milliarden Schilling gehen auf Einmalmaßnahmen (Sonderdividende der OeNB, Liegenschaftsverkäufe, Versteigerung der Mobiltelefon-Lizenz) und Rücklagenauflösungen zurück. Im Einzelnen stellt sich nun die Frage, welche Ziel- und Schwerpunktsetzungen mit diesen Maßnahmen angestrebt werden. Dazu ist ein näherer Blick auf die Ausgaben- und Einnahmenseite des Budgets notwendig.

Die Entwicklung der Ausgaben

Keine erkennbaren Schwerpunktsetzungen
Durch sehr restriktive Vorgaben für die Ausgaben in allen Ressorts sowie durch die ausgabenseitigen Ma§nahmen wurde erreicht, dass die Gesamtausgaben gegenüber dem Vorjahr um 0,8% zurückgehen.

Vergleicht man die einzelnen Aufgabenbereiche, so lässt sich erkennen, dass die überwiegende Anzahl der zentralen Aufgabenbereiche Ausgabenkürzungen in Kauf nehmen muss (Tabelle 3: "Ausgaben in funktioneller Gliederung"). Davon ausgenommen ist lediglich das Unterrichtsressort. Aber auch dort sind die Zuwächse mit 1,4% im Vergleich BIP-Wachstum (4,6%) bescheiden. Davon abgesehen lassen sich somit im Budget 2000 keine Schwerpunktsetzungen erkennen. Das betrifft insbesondere die Bereiche Forschung sowie die Beschäftigungssicherung. Die Forschungsquote sollte nach den Zielen des Regierungsprogramms schrittweise auf 2,5% des BIP aufgestockt werden. Im Budgetentwurf hingegen sinken die Ausgaben für Forschung von 16,9 auf 16,5 Milliarden Schilling. Eine Reihe von ausgabenseitigen Maßnahmen wird sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken. Zu erwähnen sind hier der geplante Stellenabbau (zirka 2000 Bediens-tete) im öffentlichen Dienst sowie die massiven Kürzungen der Ermessensausgaben. Letztere führen dazu, dass nicht nur die Investitionen des Bundes vor allem im Hoch- und Tiefbau um zirka 2 Milliarden Schilling sinken, sondern auch eine Reihe von Vereinen im gemeinnützigen Bereich durch eine kräftige Kürzung der Subventionen vor große Probleme gestellt wird. Dies zusammen mit der Kürzung von Zivildienststellen gefährdet die Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Tätigkeiten, die von vielen Vereinen (Caritas, Aidshilfe, Bewährungshilfe etc.) erbracht werden. Bedroht sind dadurch aber auch Arbeitsplätze im Kunst- und Kulturbereich. Die Weiterführung von Frauen- und Sozialprojekten ist ebenfalls budgetär nicht abgesichert. Weiters fehlen finanzielle Mittel im Bereich der Arbeitsmarktförderung für spezielle Zielgruppen (ältere Arbeitnehmer, Frauen, Wiedereinsteigerinnen, Langzeitarbeitslose, Jugendliche). Insbesondere für zwei Zielgruppen wären ausreichende Mittel besonders wichtig: für die Jugendlichen und die älteren Arbeitnehmer. Für viele Jugendliche, die in diesem Jahr ihre Schulzeit beenden werden, werden keine betrieblichen Lehrstellen zur Verfügung stehen, weil mit den budgetierten Mitteln kein ausreichendes Auffangnetz gebildet werden kann. Die geplante Anhebung des Pensionsantrittsalters ab Oktober 2000 mindert die ohnehin schlechten Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer, so dass ohne substantielles Gegensteuern mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit für diese Gruppe zu rechnen ist. Allein durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters ist ein zusätzlicher Andrang von etwa 47.000 Personen auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. Mit weiteren negativen Auswirkungen ist durch die Privatisierungsvorhaben (Telekom Austria, Post AG, AUA usw.) und die Ausgliederungen aus dem Budget zu rechnen. Die Ankündigungen der Regierung im Hinblick auf Schwerpunktsetzungen in den genannten Bereichen finden daher keine Entsprechung im Budgetentwurf.

Personalausgaben

Die Ausgabenentwicklung der Personalausgaben wird durch den erwähnten Planstellenabbau, durch die Gehaltserhöhung im öffentlichen Dienst (1,5%) sowie durch den Struktureffekt3) bestimmt. Der im Budget vorgesehene Anstieg der Personalausgaben einschließlich der Landeslehrer von 146,7 auf 148,7 Milliarden Schilling (1,4%) dürfte zu knapp bemessen sein. Einmal gilt es zu bedenken, dass der vorgesehene Planstellenabbau nicht einfach zu erzielen sein wird, andererseits sind die Personalausgaben für die Landeslehrer um zirka 800 Millionen Schilling unterbudgetiert.

Transferausgaben

Bereits in den vergangenen Jahren erfolgte ein erheblicher Teil der Budgeteinsparungen bei den Transferausgaben. Dazu gehören die Ausgaben für die Alterssicherung, die Familienförderung, die Arbeitslosenunterstützung und das Pflegegeld. Neue Leistungseinschränkungen sind nicht vorgesehen, dennoch bleiben insgesamt die Mittel für die Transferausgaben gegenüber dem Vorjahr unverändert (siehe Tabelle 4: "Die Transferausgaben des Bundes"). Das ist auf zwei Faktoren zurückzuführen: auf eine geringere Dotierung für die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung aufgrund einer rückläufigen Arbeitslosenquote und steigenden Beschäftigung und vor allem auf die im Budgetentwurf vorgesehene Reduktion des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung durch einmaliges Abschöpfen von †berschüssen in diversen Sozialfonds. Durch diese Einmalma§nahmen ist zwar der Bundeszuschuss heuer ganz deutlich niedriger als im Vorjahr, sie liefern jedoch keinen Beitrag zur Lösung der bestehenden Strukturprobleme in der Pensionsversicherung.

Finanzierungsausgaben

Zu den bedeutendsten Finanzierungsausgaben des Bundes zählen der Zinsaufwand und die Zahlungen des Bundes an die Länder und Gemeinden. Die Ausgaben für Verzinsung liegen bei 94,8 Milliarden Schilling und nehmen gegenüber dem Vorjahr geringfügig ab. Diese Abnahme ist nur schwer erklärbar, weil die Neuverschuldung um über 54 Milliarden Schilling zunimmt und die Zinssätze im heurigen Jahr wieder steigen werden. Betrachtet man den Zinsenaufwand in Prozent der Steuereinnahmen des Bundes, die so genannte Zinsen-Steuer-Quote4), so zeigt sich, dass diese Maßzahl gegenüber dem Vorjahr geringfügig sinken wird (Tabelle 1). Dennoch bleibt der budgetäre Spielraum weiter gering, immer noch wird jeder fünfte Steuerschilling zur Finanzierung der Staatsschuld ausgegeben. Erhebliche Teile der Ausgaben des Bundes gehen an die Länder und Gemeinden (Wohnbauförderung, besondere Bedarfszuweisung, Abgeltung des klinischen Mehraufwands und der Gesundheitsbeihilfen, Zuschüsse nach dem Krankenanstaltengesetz, Transfers im Rahmen des Finanzausgleichs, ...). In Summe liegen sie 2000 einschließlich der Kostentragung bei den Landeslehrern über 282 Milliarden Schilling. Eine Reihe dieser Transfers zeigte in den letzten Jahren eine erhebliche Dynamik, heuer ist sie unter anderem durch die Mitfinanzierung der Länder und Gemeinden an der Steuerreform geringer.

Entwicklung der Einnahmen

Knapp zwei Drittel der Einnahmen bezieht der Bund aus Steuern. Die übrigen Einnahmen stammen aus steuerähnlichen Einnahmen (Beiträge der Dienstgeber zum FLAF und zur Arbeitslosenversicherung) und sonstigen Einnahmen (Erlöse aus Privatisierungen, Einnahmen aus Haftungen sowie Beteiligungen, Rücklagenauflösungen etc.). Letztere schwankten in den vergangenen Jahren, bedingt durch die Einmalmaßnahmen, relativ stark. Die Entwicklung der Steuern wird im Budget 2000 durch zwei Faktoren geprägt: durch die Steuerreform 2000 einschließlich der Familiensteuerreform (alte Regierung) und durch die Erhöhungen bestimmter Verbrauchssteuern und Gebühren (neue Regierung). Trotz der Steuersenkung steigen die Steuereinnahmen für den Bund um ca. 1,9% an (Tabelle 5: "Die Entwicklung der wichtigsten Budgeteinnahmen"). Durch die Steuerreform 2000 wurde die Lohn- und Einkommensteuer um zirka 17 Milliarden Schilling gesenkt.5) Durch die gewählte Form der Entlastung (Kombination aus Tarifsenkung und Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages) konnten besonders die BezieherInnen kleiner und mittlerer Einkommen entlastet werden und die so genannte Negativsteuer wurde ausgeweitet. Die jährliche Entlastung liegt zwischen 4000 und 7000 Schilling, wobei der untere Betrag bereits ab einem Einkommen von 13.000 Schilling brutto monatlich wirksam wird. Gleichzeitig trat mit 1. Jänner 2000 die zweite Etappe der Familiensteuerreform in Kraft, wodurch die Leistungen für Kinder um weitere 250 Schilling pro Kind und Monat angehoben wurden (insgesamt somit um 500 Schilling). Zusätzlich erhalten Familien mit 3 oder mehr Kindern weitere 400 Schilling. Ab dem Jahr 2001 soll dieser Mehrkindzuschlag einkommensunabhängig erfolgen.

Der "kleine Mann" zahlt drauf

Die neue Regierung hat eine Reihe von Steuererhöhungen (Regierungsjargon "Steueranpassungen") zur Sanierung der Finanzen beschlossen. Erhöht wurden die Tabaksteuer, die motorbezogene Versicherungssteuer und die Elektriziätsabgabe. Weiters wurden verschiedene Gebühren bzw. Gebührenbefreiungen erhöht bzw. aufgehoben. So etwa werden die Gebühren für die Ausstellung von Reisepässen (von 490 auf 950 Schilling) und Führerscheinen drastisch erhöht. In Summe führen diese Maßnahmen zu Mehreinnahmen von 7 Milliarden Schilling und ab dem Jahr 2001 zirka 11 Milliarden Schilling. Geht man davon aus, dass weitere Gebührenerhöhungen (zirka 2 Milliarden Schilling) geplant sind und der Preis für die Autobahnvignette angehoben werden soll (1,5 Milliarden Schilling), dann kann man davon ausgehen, dass die Kosten der Steuerreform durch die Erhöhungen der Gebühren und Verbrauchssteuern zu zwei Dritteln wieder rückgängig gemacht werden. Gleichzeitig hat aber die Verschiebung der Steuerbelastung von der Lohn- und Einkommensteuer zu den Verbrauchssteuern verteilungspolitische Konsequenzen. Durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern und Gebühren werden die unteren Einkommensbezieher überproportional belastet. Das hängt damit zusammen, dass sie ihr gesamtes Einkommen für Konsumzwecke ausgeben und nicht wie Besserverdiener Teile davon sparen und dafür keine Verbrauchssteuern zahlen. Verbrauchssteuern wirken gemessen am Konsum weit weniger progressiv als die Lohn- und Einkommensteuern. Diese Verschiebung der Steuerlast bedeutet also, dass die unteren Einkommensschichten einen größeren Teil der Konsolidierungslast zu tragen haben. Da die Besserverdiener doch in erheblich größerem Ausmaß von der Ausweitung des Budgedefizits durch die Steuersenkung und das Familienpaket profitiert haben, führt eine Verringerung der Lohn- und Einkommensteuern, die durch eine Erhöhung von Verbrauchssteuern finanziert wird, zu einer Umverteilung von den "klei-nen Leuten" zu den Besserverdienern. Die Anhebung der Elekrtizitätsabgabe trifft nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts - gemessen am Einkommen - die ärmeren Haushalte zweieinhalbmal so stark wie die besser verdienenden Haushalte. Auch wenn im Zuge der Strompreisliberalsierung die Strompreise sinken, ändert das nichts an der längerfristigen Belastung. Auffallend, aber keineswegs überraschend ist, dass die Unternehmungen durch eine im Gesetz vorgesehene Deckelung von der Steuererhöhung ausgenommen sind.

Ökologisch wenig sinnvoll

Da die motorbezogene Versicherungssteuer am Besitz eines Autos anknüpft, folgt eine Erhöhung nicht dem Gebot der Kostenverursachung. Es werden lediglich die Fixkosten erhöht. Ökologisch wirkungsvoller wäre eine fahrleistungsabhängige Steuer, wie es etwa die Mineralölsteuer oder das "Road-Pricing" darstellen. Da die Kfz-Steuer nicht angehoben wird, bleiben Unternehmer auch von dieser Steuererhöhung ausgenommen. Das bedeutet, dass die Quersubventionierung vom Pkw zum Lkw weiter gefördert wird. Die Einführung der fahrleistungsabhängigen Besteuerung für Lkw wurde weiter in die Zukunft verschoben. Gebühren haben teilweise den Charakter von Kopfsteuern und wirken verteilungspolitisch wie die Verbrauchssteuern. Auch durch sie werden die niedrigeren Einkommensbezieher stärker belastet; gemessen am Einkommen werden die ärmeren Haushalte doppelt so stark belastet wie die reicheren. Auch zu diesem Ergebnis gelangte das Wirtschaftsforschungsinstitut.

Umverteilung von Haushalten zu Unternehmungen

Die Steuererhöhungen müssen aber zusätzlich vor dem Hintergrund der geplanten Maßnahmen des Regierungsprogramms gesehen werden. Demnach sind bei Unternehmern und Landwirten Steuerentlastungen in der Höhe von etwa 16 Milliarden Schilling geplant (Senkung der Lohnnebenkosten, Abschaffung der Werbesteuern, Abgabensenkungen in der Landwirtschaft etc.). Da diesen Senkungen Steuerbelastungen im Arbeitnehmerbereich gegenüberstehen, kommt es gleichzeitig zu einer massiven Umverteilung vom Haushalts- zum Unternehmenssektor.

Ökonomische Beurteilung des Budgetentwurfs

Mit dem vorliegenden Budgetentwurf wird durch die neue Regierung ein erster Schritt in Richtung Defizitabbau getan. Die Budgeterstellung erfolgte unter günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Von der Steuerreform und vom Familienpaket gehen nachfragestimulierende Effekte aus. Dem stehen nachfragedämpfende Effekte aus verschiedenen Maßnahmen gegenüber (Steuererhöhungen, Kürzung der Ermessensausgaben, darunter der öffentlichen Investitionen, Abbau von Planstellen). Insgesamt wird die Budgetpolitik heuer expansiv wirken, da erhebliche Teile der Konsolidierung auf Maßnahmen mit Einmaleffekten zurückzuführen sind. Der Budgetentwurf enthält eine Reihe von Maßnahmen, die sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken werden. Dazu gehören die Personalreduktionen im öffentlichen Dienst, die massive Kürzung der Ermessensausgaben, der Verzicht auf substantielle Maßnahmen zugunsten älterer Arbeitnehmer, Frauen, Wiedereinsteiger sowie Langzeitarbeitsloser und durch fehlende Mittel für die Fortführung des Auffangnetzes für Jugendliche, die in diesem Jahr ihre Schulzeit beenden. Weitere geplante Aktivitäten der Bundesregierung wie die Anhebung des Pensionsantrittsalters werden das Arbeitslosigkeitsproblem verschärfen. Das selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass einige geplante Maßnahmen (Kinderbetreuungsgeld, Senkung der Lohnnebenkosten) zu einer Entlastung führen werden. Die Budgetkonsolidierung erfolgt - wie gezeigt - in keiner Weise sozial ausgewogen, da die unteren Einkommensschichten einen größeren Teil der Konsolidierungslast zu tragen haben als die oberen. Von den Steuer- und Gebührenerhöhungen geht eine inflationserhöhende Wirkung aus. Sie treiben heuer die Inflation mit 0,6 Prozentpunkten an. Aus ökologischer Sicht ist die Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer die am wenigsten sinnvolle Maßnahme. Da die Lkw von der Besteuerung ausgenommen sind, wird die Quersubventionierung vom Pkw zum Lkw weiter gefördert. Fazit: Gemessen an den traditionellen Zielsetzungen Wachstum, Beschäftigung, Preisstabilität, Verteilungsgerechtigkeit und Verbesserung der Umweltqualität muss der Regierung daher ein negatives Zeugnis ausgestellt werden. Mittel zur Erreichung des Budgetziels waren zum einen Kürzungen auf der Ausgabenseite, die im Wesentlichen querbeet erfolgten und keine Rücksichten auf notwendige Schwerpunktsetzungen (Beschäftigung, Forschung) legten, und zum anderen Steuer- und Gebührenerhöhungen, die die Konsolidierungslasten einseitig auf niedrige Einkommensbezieher verlagerten.

Ist die Zielerreichung realistisch?

Grasser bezeichnete in seiner Budgetrede den Budgetentwurf als ein realistisches Budget ohne Tricks. Bei näherer Analyse können jedoch auf der Ausgabenseite einerseits Unterbudgetierungen (etwa beim Personalaufwand der Landeslehrer) sowie andererseits mögliche Verlagerungen in die außerbudgetäre Finanzierung (ÖBB, Hochbau) geortet werden. Auf der Einnahmenseite sind die Steuerschätzungen für die Umsatz- und die Einkommensteuer etwas zu hoch angesetzt. Probleme könnten beim Vollzug des Budgets auch die Ermessensausgaben bereiten. Es bedarf daher nicht nur eines strikten Budgetvollzugs, wenn der Zielwert für das Maastricht-Defizit von 2,2% erreicht werden soll. Die konjunkturelle Situation, die nun besser als erwartet ist, könnte zur Zielerreichung beitragen. Als unrealistisch muss jedoch die Annahme eines Überschusses von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern in der Höhe von 0,5% des BIP angesehen werden. Da die Länder und Gemeinden die Steuersenkung und das Familienpaket mitfinanzieren müssen und die Gemeinden zusätzlich Steuerausfälle im Zusammenhang mit dem Wegfall der Getränkesteuer und einer Ersatzlösung mit geringerer fiskalischer Ergiebigkeit in Kauf nehmen müssen, kann nicht mit Überschüssen in dieser Größenordnung gerechnet werden. Weiters bedarf es einer Lösung des Defizits in der Krankenversicherung.6) Nach heutigem Wissensstand muss daher davon ausgegangen werden, dass Österreich die Erreichung des gesamtstaatlichen Maastricht-Defizits (1,7%) nicht schaffen wird. Eine †berschreitung von 0,3 bis 0,4 Prozentpunkten des BIP ist wahrscheinlich.

Ausblick auf das Budget 2001

Aufgrund des hohen Anteils an Einmalmaßnahmen (31 Milliarden Schilling) im Budget 2000 ist die Absenkung des Budgetdefizits nicht dauerhaft. Auch die Senkung der Ermessensausgaben ist noch nicht nachhaltig. Das heißt, dass die im Budget 2000 fehlenden Strukturma§nahmen (mit dauerhaft wirksamer Sanierung) im Budget 2001 nachgeholt werden müssen. Zum Teil sind solche Maßnahmen bereits in der Realisierungsphase (Pensionsversicherung). Die geplanten Maßnahmen für das Budget 2001 werden die verfügbaren Einkommen und damit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stärker belasten als die heuer wirksam werdenden. Wenn aber das Defizit des Bundes im Jahr 2001 weiter auf 2% gesenkt werden soll, bedarf es darüber hinausgehender Maßnahmen. Das gilt erst recht, wenn die Regierung die in ihrem Programm angekündigten Schritte realisieren will. Dazu gehören etwa die angekündigten Steuergeschenke an die Unternehmen und Bauern. Werden diese Wahlversprechungen eingelöst, muss der "kleine Mann" mit weiteren massiven Belastungen rechnen.

Fußnoten:
1) Über Details wurde in der Nummer 3/2000 von »Arbeit & Wirtschaft« berichtet: Bruno Rossmann: »Der Staatshaushalt ­ Belastungen und Begünstigungen«.
2) Der Anstieg im Bereich Industrie und Gewerbe geht auf eine höhere Dotierung der Haftungsübernahmen für die Exportförderung zurück. In der übrigen Hoheitsverwaltung wirkt sich der Anstieg der Pensionen und des Zinsaufwandes ausgabensteigernd aus.
3) Dieser ergibt sich durch automatische Verschiebungen der gegebenen Alters- und Qualifikationsstruktur. Er beträgt durchschnittlich etwa 1,5%.
4) Sie gibt Auskunft über die budgetären Spielräume.
5) »Arbeit & Wirtschaft« hat in Heft 5/99 ausführlich darüber berichtet.
6) Bei Abschluss des Artikels war die Diskussion über geeignete Lösungsmöglichkeiten noch im Gang.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055185 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055256 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819055324 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 May 2000 00:00:00 +0200 1201819047730 Ist Nehmen seliger als Geben? Die Wirtschaft in unserem Lande ist angeblich »gefesselt« und die blau-schwarze Regierungsmannschaft ist angetreten, diese imaginären »Fesseln« zu sprengen, ähnlich wie dies vor zwei Jahrzehnten Frau Thatcher in Großbritannien versuchte. Der Thatcherismus ist in England an der Realität gescheitert und inzwischen eher Geschichte, auch wenn die dortige »Entfesselung« eine extreme Umverteilung von unten nach oben, hohe Arbeitslosigkeit und eine steigende Inflation bewirkte und geprägt war von Finanzskandalen und Spekulationen auf Kosten der Steuerzahler. Bei uns hier in Österreich wittert das Kapital mit den neuen Mehrheitsverhältnissen jetzt Morgenluft: »Die imaginären Fesseln sind im Wesentlichen nichts anderes als der Vorwand dafür, dass bestimmte Unternehmerkreise jetzt die Stunde gekommen sehen, ihre Möglichkeiten zu verbessern, als Herr im Haus wieder freier zu schalten und zu walten und dazu verschiedene Arbeitnehmerpositionen zu schwächen oder zurückzudrängen. Wenn nun die neue Mehrheit dafür eingesetzt werden soll, ist das rechtlich und faktisch möglich, es wäre aber dann fair, dies auch offen zu sagen und nicht irgendwelche unglaubwürdigen Vorwände zu benutzen, und vor allem hätte diese Absicht auch vor den Wahlen kundgetan werden sollen...« So wird dies im Editorial der übrigens für alle Interessierten empfehlenswerten wissenschaftlichen Quartalszeitschrift »Wirtschaft und Gesellschaft« (Orac Verlag) formuliert. Mit anderen Worten gesagt: Diese Regierung macht eine Wirtschaftspolitik, die in Wirklichkeit eine einseitige Interessenpolitik ist, die allerdings durch ein Management-Kauderwelsch verbrämt wird. Vertreter aller Parteien bedienen sich dieses seltsamen Kauderwelschs samt der dazugehörigen Rhetorik: »Ebenso gab es eine nahezu allgemeine Neigung dazu, durch Beschwörung verschiedenster Bedrohungen und Krisen, durch das ununterbrochene Beklagen von Versteinerungen und Starrheiten, durch das ständige Zitieren genereller >Reformstaus< bzw. der Notwendigkeit umfassender >Reformpartnerschaften< Gefühle der Unerträglichkeit des gegenwärtigen Zustands zu erzeugen. Der ständig hinaufgeschraubte Pegel der Aufgeregtheit auch in Sachen Wirtschaftspolitik hat den Boden für einen Kurswechsel aufbereitet. Wenn sich heute manche, die dazu beigetragen haben, fragen, ob dies angesichts der Konsequenzen richtig war, so kommen diese Zweifel momentan zu spät...« (»Wirtschaft und Gesellschaft«, Heft 1/2000)

Teures Lehrgeld und Ablenkungsmanöver

Immerhin, würde ich meinen, immerhin ist Selbsteinsicht ein Weg zur Besserung. Und wenn Irren menschlich ist, so kann jetzt zumindest ein Teil der in die Irre Gelockten auch wieder umkehren ­ was die Ergebnisse der letzten AK-Wahlen eindringlich beweisen. Allerdings zahlen wir alle mit dem Belastungspaket ein ziemlich teures Lehrgeld, das wir auch nicht zurückgeben lassen können. Wenn wir also unter verschärften Bedingungen Mores gelehrt bekommen, wird auch des Lernens kein Ende sein ­ trotz aller Ablenkungsmanöver: Wann welcher europäische Minister der Frau Außenminister Ferrero die Hand gegeben hat oder nicht oder ob ein anderer Minister zum gemeinsamen Fototermin zu spät gekommen ist und ob er sich dann entschuldigt hat, ist vielen eigentlich ziemlich schnurz angesichts der Tatsache, dass der vor allem von blauer Seite so viel zitierte »kleine« Mann (und noch mehr die »kleine« Frau) mit einem Paket belastet wird, das mehr als einen Griff in seine Brieftasche bedeutet (zugunsten der »Großen«). »Kassasturz« können der kleine Mann und das ganze kleine Volk auch machen und nicht nur der populisti-sche Finanzminister, der so tut, »als handle es sich beim Erstellen des Budgets um eine Aufgabe wie die des Gemischtwarenhändlers, der die Münzen auf den Tisch schüttet, um zu sehen, mit wie viel Wechselgeld er den Tag anfängt«. Der Griff nach dem Geldbörsel der »Kleinen« wird zur lieben Gewohnheit, und die kleinen Männer und Frauen tun gut daran sich vorzusehen, wenn sie das Wort »Budgetkonsolidierung« hören. Die großzügigen Steuergeschenke an die Unternehmer und an die Landwirtschaft mit gleichzeitiger Belastung der Arbeitnehmer, der Konsumenten und der Pensionsbezieher hat eine extreme so genannte »verteilungspolitische Schieflage« erzeugt. Andrerseits wollte diese Regierung mit kostspieligen Geschenken an ihre traditionelle Klientel Bauern und Unternehmer Wahlversprechen einlösen.

Parteispenden und die Irrtümer der »kleinen Männer«

»Geben ist seliger denn Nehmen« heißt es zwar im dicken Buch der Christen, aber dort steht auch »Gebet, so wird euch gegeben«, und ich glaube, vielleicht sind damit die Parteispenden der Unternehmer an die Regierungsparteien gemeint. Also, falls Sie, werter Leser, vielleicht Unternehmer sind, aber nicht wollen, dass Ihr Name als Spender an die Öffentlichkeit dringt, so machen sie Folgendes: Geben Sie das Geld (auch Beträge über hunderttausend Schilling) der Industriellenvereinigung, die »anonymisieren« die Spende dann und leiten sie an die richtige Partei weiter... Da unsere werten Leser aber eher zu den »kleinen« Männern (und Frauen) gehören, können sie bei den genannten Beträgen sowieso nicht mithalten. Mein Rat: Spenden Sie nix, die nehmen sich von Ihnen eh selber, was sie wollen... Falls auch Sie auf diese Art sehr teu-res Lehrgeld zahlen, so seien sie getröstet: »Es irrt der Mensch, solang er strebt.«

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jun 2000 00:00:00 +0200 1201819047673 Gebühren fürs Studieren? Neue Hürden für sozial Schwächere Die Arbeiterkammer und der ÖGB haben sich immer gegen die Einführung von Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen ausgesprochen, da dadurch zusätzliche soziale Barrieren beim Hochschulzugang entstehen. Die »Flucht in die Privatisierung« durch höhere Kostenanteile der Studierenden bzw. deren Eltern löst auch nicht die Probleme des Bildungssystems. Zudem zeigt eine Studie der AK deutlich, dass die Einführung von Studiengebühren auf eine breite Ablehnung in der österreichischen Bevölkerung stößt.

Das Thema »Studiengebühren« hat als Einsparungsvorschlag für die Hochschulen wieder Konjunktur, wenn auch die Beweggründe der Befürworter unterschiedlich sind: Viele beziehen sich auf den beschränkten Spielraum im Bundesbudget, einige erhoffen sich eine Zusatzfinanzierung für die Universitäten, andere wiederum sehen Gebühren primär als »Motivationsanreiz« für Langzeitstudierende oder als Mittel zur »Umverteilung«

Nachteile

Bei der Debatte fällt auf, dass vielfach nur die erhofften Vorteile von Gebühren Erwähnung finden, Nachteile werden zumeist verschwiegen oder heruntergespielt. Hinzu kommt, dass auch die mitunter zitierten positiven Beispiele aus dem Ausland, wie zum Beispiel kürzere Studienzeiten, bei näherer Betrachtung nicht primär auf einer teilweisen Finanzierung über Gebühren beruhen, sondern auf insgesamt anderen Rahmenbedingungen des Hochschul- und Sozialsystems (zum Beispiel anderes Unterhaltsrecht, Teilzeitstudien etc.). Österreich befindet sich in puncto Gebührenfreiheit in Übereinstimmung mit anderen Ländern ­ auch in Deutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden oder Finnland werden keine Gebühren eingehoben.
Aus Arbeitnehmersicht gibt es jedenfalls eine Vielzahl an Gründen gegen Studiengebühren:

Unis nur für finanzkräftige »Eliten«?

Das österreichische Bildungswesen ist Aufgabe des Staates und wird bislang fast zur Gänze aus Steuermitteln finanziert. Es muss daher ein Zugang ohne Beschränkungen finanzieller Art ermöglicht werden, Lernen und Studieren dürfen kein Privileg für »Reiche« sein. Auch wirtschaftspolitische Gründe sprechen für einen möglichst breiten Zugang und die Beibehaltung der Gebührenfreiheit: Österreich hat im Vergleich mit anderen Ländern eher zu wenige als zu viele Studierende. Der Anteil von Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss (ca. 7 Prozent) konnte zwar gesteigert werden, liegt jedoch noch immer an Ende der entsprechenden Skala der OECD-Staaten. Eine Anhebung des Bildungs- und Qualifikationsniveaus ist notwendig, damit Österreich als kleines Land mit der oft betonten Hauptressource »bestqualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer« im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Gebühren verstärken soziale Selektion

Ein Studium in Österreich ist zwar gebührenfrei, dennoch müssen die Studierenden bzw. deren Eltern über durchschnittlich 7 Jahre hin die nicht unbeträchtlichen Lebenshaltungskosten (zum Beispiel für Wohnen) finanzieren. Studierenden stehen im Durchschnitt inklusive Beihilfen und Erwerbseinkommen 8900 Schilling im Monat zur Verfügung, wobei zirka 80 Prozent aller Studierenden in unterschiedlichem Ausmaß von der Familie unterstützt werden.
Bei der Einführung von Studiengebühren ist selbstverständlich mit einem Abschreckungseffekt zu rechnen. Es ist nachweisbar, dass Kinder aus bildungsfernen und einkommensschwächeren Familien nicht so risikofreudig sind und eher »Angst« vor hoher Verschuldung und unsicheren Berufsperspektiven haben als zum Beispiel jene aus Akademikerhaushalten. Im Falle von Gebühren besteht auch die Gefahr eines Rückgangs des Frauenanteils (derzeit 48 Prozent) unter den Studierenden sowie von nicht traditionellen Studierenden, wie zum Beispiel Lehrabsolventen im Fachhochschulbereich.

Mehr Verteilungsgerechtigkeit?

Gebührenbefürworter argumentieren oft folgendermaßen: Die Verkäuferin bezahlt in unangemessener Relation die Studienkosten für die Kinder von Ärzten. Oder: Für Kindergärten muss ja auch bezahlt werden! Aus Sicht der AK geht es jedoch nicht darum, Neidgefühle zu schüren und einzelne Arbeitnehmergruppen gegeneinander auszuspielen. Ziel ist es, den Zugang zu höherer Bildung für Kinder aus sozial schwächeren und bildungsfernen Familien noch weiter zu verbessern. Obwohl bezüglich Chancengleichheit beim Hochschulstudium Nachholbedarf besteht, sind im Zuge der expansiven Bildungspolitik seit den siebziger Jahren beachtliche Erfolge erzielt worden und eine resignative Haltung ist unangebracht.
Für die AK steht fest: Durch die Einführung von Studiengebühren wird der Anteil von Arbeiterkindern an Universitäten sicher nicht erhöht! Auch Vergleiche mit kostenpflichtigen Hochschullehrgängen usw. gehen ins Leere, wenn die vielfach erhobene Forderung nach erhöhter Bildungsbeteiligung, insbesondere von bislang benachteiligten Gruppen, tatsächlich ernst gemeint ist.
Da die Weichenstellungen im vorgelagerten Schulwesen erfolgen, ist es notwendig, das Schulsystem mit den vergleichsweise frühen Bildungsentscheidungen mit 10 bzw. 14 Jahren zu reformieren und mehr Durchlässigkeit (zum Beispiel für Personen ohne traditionelle Matura) zu schaffen.
Außerdem zeigt eine Studie, dass Akademiker über die Einkommens- und Lohnsteuer einen nicht unwesentlichen Teil (rund 80 Prozent) der vom Staat erhaltenen Subventionen (gebührenfreies Lehrangebot und Transfers) zurückzahlen. Bei Modellrechnungen und Vergleichen mit anderen Gruppen, zum Beispiel Maturanten, ist im Übrigen auch der Verdienstentgang pro Studienjahr zu berücksichtigen. Zu bedenken ist ferner, dass im Falle von Studiengebühren vermutlich eine Form der steuerlichen Abzugsfähigkeit eingeführt werden müsste.

»Niedrige« Gebühren als Lösung?

Mitunter wird für Gebühren in geringer Höhe plädiert, um Abschreckungseffekte und soziale Selektion zu vermeiden. Da jedoch die administrativen Kosten einkalkuliert werden müssen, ist damit zu rechnen, dass dann die Verwaltungskosten höher sind als die Einnahmen.
Gleiches gilt für Gebührenvorschläge »nur für Zweitstudien oder Seniorenstudenten«. Die Gefahr bei derartigen Einstiegsmodellen ist, dass nach erfolgtem »Tabubruch« die Beträge vermutlich über kurz oder lang deutlich erhöht werden und eine Ausweitung auf andere Studierendengruppen vorgenommen wird. Im Übrigen ist bei jeglichen Einnahmenkalkulationen wohl von deutlich niedrigeren Inskriptionszahlen als derzeit auszugehen.

Ausgleich über Stipendien?

Auffällig ist, dass zwar einigermaßen konkret bezifferte Gebührenvorschläge vorliegen, diese reichen von »Schutzgebührmodellen« in der Höhe von 2000 Schilling bis zu 30.000 Schilling pro Studienjahr. Für den zumeist in einem Nachsatz geforderten Ausbau des Stipendienwesens hingegen fehlen jegliche Berechnungen.
Derzeit liegt die Studienförderungsquote bei zirka 13 Prozent, und Kinder aus Arbeitnehmerhaushalten sind gegenüber jenen von Selbständigen und Landwirten aufgrund der Einkommensberechnung bei der Stipendienhöhe trotz erzielter Verbesserungen nach wie vor benachteiligt. Ein neuer Stipendientopf zum Ausgleich eines Gebührensystems mit entsprechender finanzieller Dotierung wäre somit bestenfalls ein budgetäres »Nullsummenspiel«. Außerdem ist vielfach davon die Rede, dass Gebühren primär eine zusätzliche Einnahmequelle für die Universitäten sein sollen.
Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Familienbeihilfe für Studierende erst heuer auf 2000 Schilling erhöht wurde. Abgesehen von der mangelnden Akzeptanz der Betroffenen wäre es höchst ineffizient, diese verbesserten Familienleistungen über den Umweg von Studiengebühren, reduziert um die Verwaltungskosten, wieder zurückzunehmen.

Bringen Gebühren kürzere Studienzeiten?

Oft wird argumentiert, dass Studiengebühren ein probates Mittel sind, »Langzeitstudierende« zu einem zügigeren Studium zu motivieren. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Falle von Studiengebühren noch mehr Studierende gezwungen sein werden, erwerbstätig zu sein, um die Kosten zusätzlich zur Finanzierung des Lebensunterhalts aufbringen zu können. Außerdem ist damit zu rechnen, dass sich die Drop-out-Zahlen erhöhen und speziell die Arbeitsmarktprobleme von Maturanten noch verschärfen.

Strukturreformen notwendig

Eines ist klar: Bei Gebühren wird hauptsächlich eine Gruppe im Hochschulsystem zur Kasse gebeten, nämlich die Studierenden. Diese bzw. deren Eltern waren schon bei den »Sparpaketen« mit einer Erhöhung des privaten Kostenanteils konfrontiert (zum Beispiel Entfall der Freifahrt, keine Anrechnung von Studienzeiten für die Pension mehr).
Zudem ist aufgrund der Monopolstellung vieler Universitätsbereiche und der gut abgesicherten Position der Lehrenden stark zu bezweifeln, dass es allein durch Gebühren zu einer Stärkung der »Konsumentenposition« der Studierenden kommt. Zur Verbesserung von Lehrqualität und Studienorganisation sind aus Sicht der AK - abgesehen von den politischen Akteuren - gemeinsame Anstrengungen aller Hochschulangehörigen, also von Lehrenden, Angehörigen der Verwaltung und von den Studierenden, notwendig.

Nein zur »Berufstätigengebühr«

Allein aus der Tatsache, dass jemand erwerbstätig ist, lässt sich keineswegs automatisch ein (über)durchschnittliches Einkommen, das zur Gebührenfinanzierung ausreicht, ableiten. Eine »Berufstätigengebühr« vergrößert jedenfalls das soziale Gefälle zwischen Studierenden, die sich aufgrund ihrer ökonomischen Lage ein Vollzeitstudium leisten können, und jenen, die aus materiellen Gründen zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen sind und (gegebenenfalls erst später) ein nebenberufliches Studium beginnen. Letztere haben ohnehin mit dem Problem der Vereinbarkeit von Studium, Beruf und zumeist auch Familienpflichten zu kämpfen und beziehen in der Regel keine Transferleistungen. Auch bei dieser Gebührenvariante sind negative Auswirkungen auf die Bildungsbeteiligung von Frauen sowie von Studierenden über den »Zweiten Bildungsweg« wahrscheinlich. Gebühren für »Langzeitstudierende« treffen Berufstätige Angesichts langer Studienzeiten werden auch immer wieder Forderungen gemäß dem Motto: Die »Faulen« sollen zahlen! laut. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass es für Langzeitstudierende eine Vielzahl von Gründen gibt und eine oberflächliche Reduzierung auf Argumente wie »Faulheit« oder »mangelnde Begabung« sicher unzutreffend ist. Längere Studienzeiten sind etwa durch Platzmangel bei Laborplätzen, mangelhafte Betreuung, Fehlen von Abendlehrveranstaltungen oder inhaltliche Überfrachtungen der Studienpläne bedingt. Klar ist jedenfalls: Gebühren für längeres Studieren treffen primär Arbeitnehmer! Schon jetzt sind mehr als zwei Drittel neben dem Studium berufstätig. Insbesondere mit zunehmendem Alter steigt der Anteil der regelmäßig erwerbstätigen Studierenden. Da vor allem Studierende aus einkommensschwächeren Schichten darauf angewiesen sind, neben dem Studium zu »jobben« und dadurch länger für ein Studium brauchen, weist auch diese Gebührenvariante eine Schlagseite zuungunsten sozial Schwächerer auf.

Bevölkerung gegen Studiengebühren

Schließlich wird die Position der AK durch eine IFES-Umfrage bestätigt. Die Einführung von Schulgeld und Studiengebühren findet keine Akzeptanz bei der heimischen Bevölkerung. Jeweils fast zwei Drittel der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (61 Prozent) lehnen Studiengebühren an Universitäten und Fachhochschulen ab. Die Gegner von Studiengebühren sind bei allen Gruppen in der Überzahl ­ weitgehend unabhängig von der sozialen Schicht oder dem eigenen Einkommen. Besonders stark ist die Ablehnung bei den unmittelbar Betroffenen: 70 Prozent der Befragten mit Schulkindern, 79 Prozent mit Kindern in der Oberstufe und 72 Prozent mit Kindern an der Universität sind gegen Hochschulgebühren.

Fazit: Im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bleibt die AK weiterhin bei ihrem deutlichen »Nein« zu allen Studiengebührenvorschlägen, weil diese bei näherem Hinsehen anstelle von mehr Verteilungsgerechtigkeit nur neue Hürden für sozial Schwächere bedeuten!

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Martha Eckl (Mitarbeiterin der bildungspolitischen Abteilung der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819047631 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819047647 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819047668 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jun 2000 00:00:00 +0200 1201819047504 McJobs: Geringfügig dabei | Aus dem Leben der 3977-Schilling-Menschen Zwei Begriffe lasten auf ihr, »Notstandshilfe« der eine, »geringfügige Beschäftigung« der zweite. Zu Ersterem haben sie ihr »gestern am Arbeitsamt« gesagt, dass es so nicht weitergeht, »auf Kosten der Allgemeinheit zu leben«. Beim nächsten Termin heißt es guten Willen zeigen. Der Stempel steht fürs Werk, sozusagen, aber Frau Ulrich will nicht mehr ins Gastgewerbe. Und vor allem: Wer nimmt eine 40-jährige Kellnerin mit Wirbelsäulenschaden?
Der zweite Begriff, die »Geringfügige«, macht ihr weniger zu schaffen. Den alten Damen, die sie einmal pro Woche besucht, ist es auch egal, wie Ulrichs Beschäftigungsverhältnis heißt. Hauptsache, jemand kommt vorbei und hört zu.

Ein Heer von rund 200.000

Frau Ulrich ist eine von über 197.000 geringfügig Beschäftigten in Österreich, sozusagen von der Bodentruppe des »atypisch Beschäftigten«-Heeres, das sich um Zuwachs nicht zu sorgen braucht. »McJob«, diese Bezeichnung drängt sich auf: Billiglohn für prestigefreien, flexiblen Einsatz ohne Sozial- und Arbeitsrechtsschutz. Der typische McJobber ist weiblich, zwischen 25 und 40, hat Kinder, oft keinen Partner und meist keine marktgerechten Qualifikationen. Er hetzt auf Abruf zur Stunde der verlängerten Ladenöffnungszeit hinter die Supermarktkassen, putzt vor Eintreffen des Stammpersonals Büroräume, ersetzt Vollzeitsozialarbeiter oder kredenzt zu Spitzenzeiten Frühstück aufs Zimmer.
In anderen Worten: Handel, Reinigung, Dienstleistung und Gastgewerbe sind die Kernbranchen der geringfügig Beschäftigten.

Arbeitsrecht

Sozial- und arbeitsrechtlich gesehen gibt es den McJob in Österreich aber gar nicht. Wer geringfügig beschäftigt ist (das erlaubte Einkommensmaximum beträgt 3977 Schilling monatlich), ist seinen Voll- und Teilzeitkollegen - vom Arbeitsrecht her - völlig gleichgestellt. Einzige Ausnahme: Auf Arbeitslosenentschädigung besteht kein Anspruch. Würden alle (rechtlichen) Spielregeln eingehalten, so entstünden dem Dienstgeber somit die gleichen Kosten wie für Vollentgoltene, weiß Tom Schmid, Grundlagenforscher der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA).
Sie hätten sogar, ginge alles mit rechten Dingen zu, mehr Aufwand, die Mini-Jobber zu verwalten. Deren Urlaubskonten etwa oder Ansprüche aus dem Kollektivvertrag wie Entgeltfortzahlung oder Mindesteinkommensbestimmungen. Zudem können - je nach Kollektivvertrag - verwehrte Rechte bis zu drei Jahren rückwirkend eingeklagt werden.

Selbst versichern!

Bereits seit 1. Jänner 1998 können sich die »Geringfügigen« selbst kranken- und pensionsversichern. Kosten: 561 Schilling. Bis dahin waren sie nur unfallversichert. »Die Altersarmut bei Frauen war sozusagen vorprogrammiert«, meint Elisabeth Rolzhauser, Referatsleiterin für Sozialkontakte, in deren Bereich auch die geringfügig Beschäftigten fallen. Dennoch: Manche Frauen müssen auch bei diesem Preis überlegen, ob sie sich absichern oder Windeln für das Kind kaufen.
Wer ist das, dessen Einkommen im Monat nicht mehr als 3977 Schilling beträgt:
a) Verheiratete, die aus der Abhängigkeit vom Partner ins Erwerbsleben zurück wollen;
b) Personen, die Arbeitslose oder Notstandshilfe beziehen;
c) die studieren;
d) die einen »festen Job« haben und geringfügig nebenbei arbeiten.
Für rund 90.000 Personen, vor allem Frauen, ist der McJob das einzige Einkommen. »Hier sollte die Sozialpolitik ansetzen,« meint GPA-Grundlagenforscher Tom Schmid. »Wenige wissen von der Optingin-Möglichkeit in die Sozialversicherung. Betriebsräte müssten als Verbündete gewonnen werden.«
Denn was den Dienstgeber schmerzen sollte: Die »Geringfügigen« spielen bei der Wahlzahl für Betriebsräte eine Rolle. »Für den Unternehmer, der das erkannt hat«, sagt Schmid, »ist die Geringfügige kein Ersatz mehr für Voll- oder Teilzeit.«

Nicht viel, was nicht zumutbar ist...

Frau Ulrich darf zwar 3977 Schilling pro Monat dazuverdienen, muss aber der Arbeitsvermittlung voll zur Verfügung stehen. Findet man für sie eine zumutbare Voll- oder Teilzeitbeschäftigung, so die Rechtsauskunft der AK-Arbeitslosenberatung, ist diese anzunehmen. »Es gibt heute nicht viel, was nicht zumutbar ist«, meint Wolfgang Panhölzl, der zuständige Experte der AK. Von der preisgünstigen Selbstversicherung hört Ulrich zum ersten Mal. »Da könnte ich mir ja das Bauchweh am Arbeitsamt sparen und drei, vier ,Geringfügige' zusammenstoppeln. Ob ich mich das trauen soll? Aber wo kriege ich die Jobs her?«
Herta Kovac (52) ist seit 1993 arbeitslos und seit drei Jahren als Heimhilfe beim Sozialdienst »Sozial Global«. Auch für sie ist der Besuchsdienst mehr als ein Zusatzverdienst. Sie liebt diese Arbeit. Gern würde sie ihr mehr Zeit widmen, aber das Risiko ist groß. Denn »mit Teilzeit würde ich den Anspruch auf 10.000 Schilling verlieren. Und wer traut sich in meinem Alter schon, etwas Neues zu riskieren? Abgesehen davon: Im Sozialbereich ist es derzeit ziemlich aussichtslos.«
Aus der Arbeitslosigkeit auszubrechen ist nicht nur wegen der fehlenden Arbeitsplätze schwer. Komplizierte Rechenmethoden und die Schwierigkeit, zwischen den Beschäftigungsverhältnissen klare Grenzen zu erkennen, entmutigen potentielle Arbeitnehmer. »Die Unterscheidung zwischen regelmäßiger, vorübergehender und geringfügiger Beschäftigung ist oft nicht nachvollziehbar«, meint AK-Experte Panhölzl. Vom Finanziellen her sei es für den »arbeitslosen« Arbeitnehmer am günstigsten, unter der Grenze von 3977 Schilling zu bleiben. Wer vorübergehend tätig ist, erhält nämlich trotz besserer Entlohnung »unter dem Strich« weniger.

Lebensplanung?

Wer als Arbeitsloser eine vorübergehende Beschäftigung annimmt, sollte zwecks unmittelbarer Lebensplanung den Taschenrechner nehmen: Sein Arbeitslosengeld errechnet sich aus den Kalendertagen des jeweiligen Monats abzüglich der Tage, an denen er beschäftigt war. Die restlichen Tage werden mit dem täglichen Grundbetrag laut Lohnklassentabelle multipliziert. Bei Frauen zwischen 25 und 40 steigt die geringfügige Beschäftigung kontinuierlich. Von den im März 2000 gemeldeten 197.336 geringfügig Beschäftigten sind 140.997 weiblich. Die Broschüre »Mittendrin und trotzdem draußen« des ÖGB-Frauensekretariats wurde, mit veränderten Zahlen, neu aufgelegt. Viele rufen im Referat für Sozialkontakte an, das nunmehr auch für die geringfügig Beschäftigten zuständig ist.
»Haben ,Geringfügige' Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld?« ist eine der häufigsten Fragen. »Ja«, ist dann die Antwort, »allerdings ist der Kollektivvertrag zu prüfen.« Unter den rund 550 Kollektivverträgen hat Elisabeth Rolzhauser bisher »zwei oder drei« gefunden, die dieses Recht ausschließen. Taxilenker etwa haben keinen Anspruch.

Arbeit in Dumping-Funktion

Entlohnung und Ansehen der geringfügigen Beschäftigung sind gering. Auch Betriebsräte neigen zu einer Differenzierung zwischen Kernbelegschaft und geringfügig Beschäftigten, meint der Experte für Sozialpolitik, Tom Schmid. Sie gilt generell als McJob, als Arbeit in Dumping-Funktionen. Wer wenig präsent ist, so das Vorurteil, hat wenig Identität mit Betrieb und Gewerkschaft. Und: Meist kennen Betriebsrat und Jobber einander gar nicht. Bei Handelsketten zum Beispiel, die Samstag Nachmittag ihre »Flexiblen« holen. Allerdings konstatiert Schmid eine weitere Fehlentwicklung der Arbeitsmarktpolitik: Die Ladenöffnung hat zwar mehr Arbeitszeit gebracht, aber nicht mehr Arbeitsplätze.
Handelsketten bevorzugen pensionierte Filialleiter für den Dienst am Samstagnachmittag. Sie kennt man, ihnen kann man Schlüssel und Kasse anvertrauen.
Tom Schmid will die Kritik nicht als generelle Verdammung von McJobs verstanden wissen. Solange es keine bedarfsorientierte Mindestsicherung gibt, »kommen wir nicht umhin, die geringfügige Beschäftigung zuzulassen. Mini-Jobs sollten aber dort eingesetzt werden, wo sie wirklich Sinn machen, nicht nur weil sie billiger sind.« Die Dumping-Funktion der billigen Jobs ist besonders in der Gastronomie ein Problem. Hier ist der Status der Geringfügigen oft ein Scharnier zur Schwarzarbeit, das durch die Deckung der Interessen von Arbeitgebern und -nehmern fleißig geölt wird. Kellner oder Stubenmädchen etwa werden als geringfügig Beschäftigte angemeldet (damit sie bei Unfällen im Register aufscheinen). Der Rest ihres Lohns wird schwarz oder als Trinkgeld ausgezahlt. Beim raschen Geldverdienen stört die Gewerkschaft nur, und wer denkt mit 20 schon an die Pension?

Kompliziert

Die Sache ist noch komplizierter. In der Gastronomie kommt weniger die »Geringfügige« als die Kurzarbeit zum Tragen. Der »Kurzarbeitsparagraph« (Paragraph 5) besagt, dass Aushilfskräfte, die etwa bei Banketten oder zu Spitzenzeiten eingesetzt sind, für mindestens vier Stunden entlohnt werden müssen (selbst wenn sie nur einen Teil davon zu arbeiten haben). Eine Regelung, die Unternehmen lieber gestern als heute beseitigt haben wollen. Der Jobber auf Abruf wäre fix. Die Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) will den Paragraph 5 im Kollektivvertrag beibehalten. »Nicht unter vier Stunden lautet die Devise, denn sonst fällt der Versicherungsschutz. Einen Nachteil haben die Teilzeitarbeiter im Hotel- und Gastgewerbe schon jetzt gegenüber den Geringfügigen anderer Branchen: Sie sind arbeitsrechtlich nicht gleichgestellt. So gibt es etwa keinen Anspruch auf Urlaubs- oder andere Sonderzahlungen. Besonders in der Dienstleistungsbranche sind Leute um 3977 Schilling zunehmend begehrt. Sie sind billig und flexibel zugleich. Flexibel zeigen sich auch viele Unternehmen, die arbeitsrechtlichen Ansprüche der »Geringfügigen« zu umgehen. Den Anspruch auf Abfertigung etwa, der nach drei Jahren ununterbrochenem Dienstverhältnis entsteht. Gründe für eine Kündigung nach zwei Jahren und sieben Monaten etwa sind leicht zu finden. Viele wissen auch nicht um ihre Rechte Bescheid. Und wer froh ist, einen Job zu haben, pocht kaum auf Pflegefreistellung, wenn etwa das Kind krank ist. Ein Schlupfloch finden Dienstgeber auch in der Regelung der Beitragspflicht. Diese lautet: »Wenn das Einkommen der geringfügig Beschäftigten monatlich die eineinhalbfache Geringfügigkeitsgrenze übersteigt, hat er seinen Pauschalbetrag zur Kranken- und Pensionsversicherung zu leisten.« Elisabeth Rolzhauser: »Wer als Unternehmer oder Verein nur einen Geringfügigen beschäftigt, kommt billig, nämlich mit 1,4 Prozent für die Unfallkasse, davon. Dienstgeber könnten ihre 3977-Schilling-Mitarbeiter auf verschiedene Bereiche aufteilen, um die Leistung der Pauschale zu umgehen.«

Ein Schritt vor, zwei zurück

Ein Wunsch nicht nur der ÖGB-Frauen wäre, dass es »letztendlich keine geringfügige Beschäftigung gibt. Zu viele Lücken im System und Regelungen, die nicht wirklich ausgereift sind, gehen zu Lasten der Arbeitnehmer.« Die Utopie: »Dass jedes Einkommen, wie gering auch immer, ein reguläres Dienstverhältnis mit sich bringt. Alle Beiträge, die verdient werden, müssten pflichtversichert sein, der Dienstgeber sollte die Beiträge zahlen«, wünscht sich Rolzhauser. Denn der Arbeitgeber kommt bei den Geringfügigen immer noch günstiger weg, erspart er sich doch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Die Forderung, dass Arbeitgeber - gerade im flexiblen Bereich - beide Anteile begleichen, würde »aber zu einem Bruch des Systems führen. Besser also kleineres Übel als gar nichts«, sagt Rolzhauser. Der nächste Schritt nach der preisgünstigen Sozialversicherung wäre, dass Geringfügige auch arbeitslosenversichert sind. Die Gefahr, einen Schritt nach vorne, zwei zurück, ist jetzt Regierungsprogramm. Rolzhauser: »Wirklich kritisch wird es für die Geringfügigen in der Pension. Wovon leben die dann, wenn wirklich die Lebensdurchrechnungszeiten gelten?«

Information zum Thema

* »Mittendrin und trotzdem draußen: eine Information für geringfügig Beschäftigte.« Zu beziehen bei Elisabeth Rolzhauser, ÖGB, Referat für Sozialkontakte, Hohenstaufengasse 10-12, 1011 Wien.
Telefon: 534 44-509
* »Überblick über die wesentlichen sozialpolitischen Werte 1999« (Sozialversicherung, Sozialhilfe), Stand 1. 1. 1999. Zu beziehen bei Frau Friedl, Büro des Vorsitzenden der GPA,
Telefon: 01/313 93-218, oder http://www.gpa.at/default/htm

Geringfügige Beschäftigung
Änderungen ab 1. Jänner 2000

* Neue Geringfügigkeitsgrenze täglich bis zu 305 Schilling oder pro Monat 3977 Schilling.

Auswirkung beim Dienstgeber:
Die Dienstgeber werden für alle geringfügig Beschäftigten in ihrem Betrieb beitragspflichtig, wenn die Lohn-/Gehaltssumme dieser Beschäftigten den Betrag von 5965,50 Schilling übersteigt.

Auswirkungen beim Dienstnehmer:
Um die Selbstversicherung in Anspruch nehmen zu können, darf das Gesamteinkommen nicht über 3977 Schilling liegen. Der Wohnsitz muss im Inland sein. Sie kostet (für Arbeiter und Angestellte) 561 Schilling im Monat.

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Gabriele Müller (freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jun 2000 00:00:00 +0200 1201819047460 Vollbeschäftigung in Zeiten der Globalisierung? Kann es Vollbeschäftigung noch geben? Die meisten Ökonomen und Wirtschaftspolitiker würden diese Frage mit einem eindeutigen »Nein« beantworten oder doch zumindest erhebliche Abstriche an der Definition dessen machen, was unter Vollbeschäftigung zu verstehen ist. Zu fundamental verändert scheint sich die Welt zu haben, als dass man einfach zurückkehren könnte zu Konzepten, die die »heile« Welt der fünfziger und sechziger Jahre gekennzeichnet hatten.
Doch einer genaueren Analyse halten solche pauschalen Urteile in der Regel nicht stand. Zwar hat es erhebliche Verwerfungen in der Weltwirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten gegeben, keine der großen Krisen jedoch, wie sie etwa im Gefolge der Ölpreisexplosionen aufgetreten sind, gibt Anlass zu der Vermutung, die klassischen Instrumente der Wirtschaftspolitik wirkten nicht mehr.
Die wichtigsten Gründe für die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in Europa sind nicht in »zu hohen Kosten«, »strukturellen Verhärtungen auf dem Arbeitsmarkt« oder »mangelnder Flexibilität der Wirtschaft« zu suchen. Die entscheidende Ursache der Arbeitslosigkeit in Europa ist ein sich über 15 Jahre erstreckender schmerzhafter Anpassungsprozess, der zwar schließlich zur Konvergenz der Inflationsraten im Vorfeld der Europäischen Währungsunion geführt hat, aber mit hohen Wachstumseinbußen erkauft werden musste. Hinzu kamen in den neunziger Jahren eine Reihe wirtschaftspolitischer Fehlentscheidungen.
Die lang anhaltende Wachstumsschwäche hat in der Tat aber zu einer strukturellen Verhärtung der ursprünglich nachfrageseitig entstandenen Arbeitslosigkeit geführt. Solche Verhärtungen sind jedoch, wie der immense Beschäftigungsaufbau während der deutschen Vereinigung und die Rückführung der Arbeitslosigkeit in einigen kleineren Ländern bewiesen haben, im Zuge eines Nachfrageschubes keineswegs unüberwindbar. Zwar ist ein expansives Nachfrageprogramm wie die deutsche Vereinigung nicht ohne weiteres wiederholbar, aber die monetären Bedingungen lassen sich, wie das Beispiel USA in den neunziger Jahren zeigt, so gestalten, dass über eine hohe Investitions- und Nachfragedynamik ein vergleichbarer Beschäftigungsaufbau eingeleitet werden kann.

Mäßige Lohnforderungen

Die Möglichkeiten der Angebotspolitik hingegen sind weitgehend ausgereizt. Schon in den gesamten achtziger Jahren verfolgte die Wirtschaftspolitik in Europa die Verbesserung der Angebotsbedingungen mit Vorrang. Unter dem Druck der hohen Arbeitslosigkeit mäßigten die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen in einer vorher nicht gekannten Weise. Die realen Zuwachsraten der Arbeitskosten blieben in Europa weit hinter den Produktivitätszuwächsen zurück. Damit war das entscheidende Erfordernis der Angebotspolitik in Europa erfüllt. In den USA hingegen kam es überhaupt nicht zu einem Zurückbleiben der Reallöhne. Doch weder die Investitions- noch die Arbeitsmarktentwicklung in den neunziger Jahren folgte dem von der Angebotspolitik vorhergesagten Muster. Die Investitionsdynamik in Europa war schwächer als jemals zuvor in einer Aufschwungphase der Wirtschaft. Auch die Arbeitsmarktentwicklung blieb weit hinter den Erwartungen und der der USA zurück.
Zudem kam es in Deutschland und anderen Ländern zu einer massiven steuerlichen Entlastung der Gewinne und zu einer Deregulierungswelle auf den Güter-, Kapital- und Arbeitsmärkten. In Deutschland etwa sank die Steuerbelastung der Unternehmen um ein Drittel (siehe Grafik Gewinn- und Lohnsteuern).
Nach dem Ende der Rezession von 1992 wiederholte sich in Europa die Entwicklung vom Anfang der achtziger Jahre: Anhaltend hohe Realzinsen, wiederholte Aufwertungen der europäischen Kernwährungen und eine schwache Konsumnachfrage bremsten die Investitionstätigkeit. Die steigende Massenarbeitslosigkeit führte über mehr Sozialausgaben und Steuerausfälle zu einem weiteren Anstieg der Staatsverschuldung.
Die Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung wurden im Vorfeld der Europäischen Währungsunion europaweit forciert und dämpften die verhaltene Aufwärtsentwicklung. Die Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften half zwar bei der Bekämpfung der Inflation und verbesserte die internationale Wettbewerbsfähigkeit, dies ging aber lange Zeit zu Lasten einer Expansion der Binnennachfrage. Nur mit einer Strategie der realen Abwertung gegenüber dem Rest der Welt konnte Europa zeitweise seine Beschäftigungsprobleme mildern. Mit der Weltwährungskrise in den Jahren 1997 und 1998 kam es aber auch hier zu einem erneuten Rückschlag.

Paradoxie

Zu Ende der neunziger Jahre ist die wirtschaftliche Entwicklung in Europa von einer angebotspolitischen Paradoxie gekennzeichnet: Nur die Länder expandieren kräftig, die in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts nicht in gleichem Maße wie Deutschland auf »Gürtel-enger-Schnallen« bei den Löhnen gesetzt hatten. Das gilt insbesondere für England, Frankreich und die Niederlande, außerhalb Europas selbstverständlich für die USA. In diesen Ländern stieg auch nach der Weltfinanzkrise die gesamtwirtschaftliche Produktion kräftig, weil der private Verbrauch sogar noch einmal beschleunigt zunahm (siehe Grafik Privater Verbrauch in den neunziger Jahren).
Die Arbeitslosigkeit in Europa insgesamt kann nicht abgebaut werden, wenn die Wirtschaftspolitik nur auf der Angebotsseite ansetzt und die Geldpolitik - weitgehend ohne Abstimmung mit der übrigen Wirtschaftspolitik - nur auf die Erhaltung von Preisstabilität ausgerichtet ist. Um es an der gegenwärtigen Lage zu illustrieren: In Deutschland werden Jahr für Jahr im Inland hohe Ersparnisse gebildet, aber niemand ist bereit, sich zu verschulden: die privaten Haushalte nicht, weil sie keine günstigen Einkommensperspektiven haben, die Unternehmen nicht, weil die Nachfrage- und Gewinnerwartungen schlecht und/oder die Realzinsen zu hoch sind, der Staat nicht, weil er nun in forciertem Tempo versucht, die laufenden Defizite auf null zu fahren und die Staatsverschuldung dauerhaft abzubauen. Bleibt wiederum nur das Ausland!

Aufwertung des Euro

Europa, und allen voran Deutschland, setzt weiterhin darauf, dass sich das Ausland verschuldet. Derzeit kommen die Impulse fast ausschließlich vom schwachen Euro und der ungebremst steigenden Nachfrage des Auslandes. Das kann nicht gut gehen. Europa kann auf diesem Weg seine Probleme nicht lösen. Der Anteil des Außenhandels am Inlandsprodukt ist mit weniger als 10 von hundert gering und die anderen Länder können eine solche Politik auf längere Sicht nicht hinnehmen. Eine Aufwertung des Euro ist daher früher oder später unvermeidbar. Setzt Europa diese Politik mittelfristig fort, ist gar ein Zerfall der Welthandelsordnung durch einen neuen Abwertungswettlauf oder/ und eine weltweite Deflation zu befürchten. Die hohe Arbeitslosigkeit und die Konzeptionslosigkeit der europäischen Wirtschaftspolitik bedroht nicht nur die Fortführung des globalen und des europäischen Integrationsprozesses; sie gibt zudem neuen Heilslehren Auftrieb. Die Lehre des Protektionismus à la Le Pen und Haider verspricht, den nationalen Wohlstand durch eine teilweise Abschottung des eigenen Landes zu erhöhen oder wenigstens zu sichern. Tatsächlich lehrt die historische Erfahrung, dass sich hierdurch lediglich die inländischen als auch die ausländischen Einkommen vermindern, ohne beim Abbau der Arbeitslosigkeit zu helfen.

Tiefe Einschnitte ins soziale Netz

Die Auffassung aber, man könne nur über tiefe Einschnitte in das soziale Netz die internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern und den eigenen Lebens- und Sozialstandard wahren, ist ebenso wenig Erfolg versprechend wie Protektionismus. Tatsächlich gerät hierdurch die soziale Stabilität in Gefahr, ohne dass sich letztlich die »Wettbewerbsfähigkeit« steigern ließe. Beiden Lehren fehlt eine ökonomische Basis; die hohe Arbeitslosigkeit und das schwache Wachstum scheinen ihnen aber eine gesellschaftliche Basis zu verschaffen.
Die aktuelle Lageanalyse ist vom Kopf auf die Füße zu stellen: Nicht die Globalisierung bedroht den Sozialstaat, nicht die Verringerung der Weltmarktintegration vermindert die Arbeitslosigkeit, sondern die Verminderung der Arbeitslosigkeit durch eine geeignete Wachstumspolitik ist die Voraussetzung für die Bewahrung des erreichten Integrationsniveaus der Weltwirtschaft und einer Verbesserung der Chancen der weniger entwickelten Länder. Gerät dieses in Gefahr, leidet nicht nur der Wohlstand der Industrieländer, sondern auch derjenige der Entwicklungsländer - mit unabsehbaren politischen Folgen.
Die weit verbreitete Vorstellung, die Industrieländer seien durch den Konkurrenzdruck der Entwicklungsländer gezwungen, ihre Produktivität stärker zu erhöhen und gleichzeitig ihre Kosten zu senken, ist unzutreffend. Ebenso wenig zu halten ist die Vorstellung, wegen des zunehmenden Konkurrenzdrucks habe sich die Arbeitslosigkeit im Norden der Erdhalbkugel verhärtet. Zwar geraten im Zuge des weltwirtschaftlichen Strukturwandels immer wieder neue Branchen unter Konkurrenzdruck, doch entstehen in den humankapital- und technologieintensiven Branchen auch neue Absatzchancen. Beispielsweise konnte Deutschland im Handel mit Südostasien und Osteuropa seine Exporte von Erzeugnissen des Maschinenbaus, des Straßenfahrzeugbaus, der Elektro- und der Nachrichtentechnik besonders stark steigern. Die Industrieländer insgesamt verzeichnen gegenüber den Entwicklungsländern hohe - und zuletzt sogar steigende - Exportüberschüsse. Die Asienkrise war vor allem eine Krise der Wettbewerbsfähigkeit - allerdings nicht bei uns, sondern dort. Das spricht für den Export von Arbeitslosigkeit und nicht für den von Arbeit.

Arbeitsplätze erhalten

Im Zuge des intertemporalen wie des internationalen Strukturwandels fallen natürlich Arbeitsplätze in bestimmten Regionen und Branchen sowie bei bestimmten Qualifikationen weg, während in anderen Regionen und Branchen neue entstehen; damit kann die Arbeitslosigkeit in einigen Arbeitsmarktsegmenten steigen, während sie in anderen abnimmt. Das war immer so. In Zeiten schwachen Wachstums und hoher Arbeitslosigkeit fallen diese Kosten des Strukturwandels allerdings stärker ins Gewicht als bei hoher wirtschaftlicher Dynamik. Damit steigt für die Wirtschaftspolitik der Druck, Arbeitsplätze in bestimmten Regionen und Branchen zu erhalten. Politiker folgen diesem Druck, weil es um ihre eigene regionale politische Basis geht. Kurzfristig kann dann in der Tat ein Abfedern des Strukturwandels sinnvoll sein. Langfristig ist das aber keine Lösung. Die kurz- und mittelfristige Lösung liegt in Europa selbst und ist ganz einfach: Entweder es gelingt, über forcierte Zinssenkungen die Unternehmen zum Investieren zu bewegen, oder die Staaten Europas müssen den Versuch aufgeben, ihre Verschuldung zu vermindern, weil sie damit die Nachfrageseite weiter destabilisieren. Notwendig ist es, von Seiten der Geld- und Finanzpolitik die Voraussetzungen für günstige Gewinnerwartungen und eine dynamische Investitionstätigkeit zu schaffen. Die Lohnpolitik muss sich strikt an der Produktivität orientieren, um weder inflationäre noch deflationäre Tendenzen aufkommen zu lassen. Das wichtigste Missverständnis Ein solches Konzept bedeutet zuallererst, Abschied zu nehmen von der Vorstellung, die Gesamtwirtschaft sei wie ein privater Haushalt oder ein einzelnes Unternehmen zu lenken.

Das wichtigste Missverständnis:

Gesamtwirtschaftliches »Sparen« ist etwas ganz anderes als einzelwirtschaftliches »Sparen«. Die Volkswirtschaft als Ganzes kann im üblichen Sinn des Wortes nicht »sparen«, weil das »Sparen« des einen voraussetzt, dass es einen anderen gibt, der sich in gleicher Höhe verschuldet. Das hat weit reichende Konsequenzen. Die gesamte Rentendebatte beispielsweise steht auf dem Kopf, weil die große Mehrzahl der Beiträge diese Trivialität nicht zur Kenntnis nimmt oder bewusst zur Seite schiebt.
Neben einem geeigneten makroökonomischen Ansatz steht natürlich auch die Verbesserung der Effizienz staatlicher Maßnahmen und Einrichtungen, also ein Ansatz auf der Mikroebene, auf der Tagesordnung. Wie bei privater Innovation und Rationalisierung auch, wird dadurch, wie Ökonomen das beschreiben würden, die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve nach rechts verschoben oder die Einkommenschancen aller am Wirtschaftsleben Beteiligten werden erhöht. Mit mehr Beschäftigung - wie das Angebotstheoretiker behaupten - hat das allerdings ebenso wenig zu tun wie mit einem Abbau der Beschäftigung - wie das häufig von Rationalisierungsgegnern gefürchtet wird. Diese Maßnahmen sind sinnvoll und notwendig, weil sie unseren Wohlstand erhöhen, sie können aber niemals einen eigenständigen Beitrag zur Lösung des Arbeitsmarktproblems leisten. Sie können eine geeignete Makropolitik ergänzen, aber nicht ersetzen.

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Heiner Flassbeck (war unter Lafontaine Staatssekretär im deutschen Finanzministerium) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819047447 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819047429 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jun 2000 00:00:00 +0200 1201819047418 »Die Wähler haben uns gestärkt« Arbeit & Wirtschaft: Die AK-Wahlen sind abgeschlossen. Und es waren - darüber sind sich alle einig - für die Arbeiterkammer sehr erfolgreiche Wahlen. Kollege Tumpel, worauf führst du diesen Erfolg zurück?

Herbert Tumpel: Die Wahlen waren ein Erfolg für die AK, es war eine Abstimmung für die AK. Die Wähler haben uns gestärkt. Vor allem zwei Gründe waren für diesen Erfolg verantwortlich: Erstens einmal das neue Wahlrecht, das wir im Zuge der AK-Reform eingeführt haben. Erstmals konnte über einen längeren Zeitraum gewählt werden, die Stimmen konnten in mehr Betrieben direkt oder auch per Briefwahl abgegeben werden. Das hat sicherlich zur hohen Wahlbeteiligung beigetragen. Beigetragen hat aber auch die Einschätzung, dass es politisch wichtig war, an der Wahl teilzunehmen, die Arbeiterkammern zu stärken und in ihrer Politik gegenüber den unsozialen Maßnahmen der Regierung zu unterstützen. Dadurch haben auch die Mitglieder gewonnen. Denn die AK kann jetzt gestärkt für die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eintreten. Wir haben konsequente Interessenpolitik gemacht, wir sind immer auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestanden. Das wissen unsere Mitglieder auch und das wurde letztlich honoriert.

A&W: Die Stimme für die AK war also eine Stimme gegen die Regierung?

Tumpel: Die Stimme für die AK war zum einem eine Stimme gegen die unsozialen, einseitigen Belastungen und gegen den geplanten Kahlschlag bei Sozialleistungen. Zum anderen haben unsere Mitglieder gespürt: Es geht um ihre Interessenvertretung. Das Ergebnis ist auch eine klare Absage an alle, die auf eine Zerschlagung der Arbeiterkammer abzielen oder die Arbeiterkammer mundtot machen wollen. Unser Weg wurde bestätigt: Wir haben die Belastungspläne der Regierung aufgezeigt, wir haben jede einzelne Maßnahme auf ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer geprüft. Und wir haben den Menschen gesagt, was auf sie zukommen wird, und haben Alternativen aufgezeigt. Unsere Botschaften sind angekommen und die Mitglieder haben uns verstanden und sind auf unserer Seite.

A&W: Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen also ein starkes Gegengewicht zur Regierung?

Tumpel: Ja, wir haben im Konflikt mit der Regierung die Sympathien unserer Mitglieder auf unserer Seite. Das zeigt deutlich, dass jene Stimmen gewinnen konnten, die gegen die Belastungspläne der Regierung aufgetreten sind, und jene Stimmen verloren haben, die den Kurs der Regierung unterstützen. Die Mitglieder wollen die AK als starkes Gegengewicht, das ihre und ausschließlich ihre Interessen vertritt. Fast zwei Drittel der Arbeitnehmer sagen: Diese Regierung belastet einseitig und unsozial die Arbeitnehmer. Und mehr als die Hälfte sagen, die Kritik an der Arbeiterkammer diene nur dazu, von den eigenen Problemen abzulenken. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befürchten massive Verschlechterungen durch die Maßnahmen der Regierung. Die Betroffenen wissen auch, dass Leistungskürzungen etwa bei Krankheit oder Unfall ins Haus stehen. Die Betroffenen wissen auch, was durch die Anhebung des Pensionsalters auf sie zukommt. Dass sie unter Umständen länger arbeitslos sein werden und dass sie weniger Pension bekommen werden.

A&W: Die Angriffe auf die AK gehen weiter ...

Tumpel: Die Regierung will über uns drüberfahren, will uns finanziell aushöhlen. Aber wir werden uns nicht mundtot machen lassen. Das wird auch von uns erwartet. Die Mehrheit - das hat erst kürzlich eine Umfrage ergeben - verlangt, dass die Arbeiterkammer das Belastungspaket der Regierung nicht einfach hinnimmt. Und die Mitglieder wissen, dass eine Kürzung der finanziellen Mittel der Arbeiterkammer nicht ohne Folgen für die Interessenvertretung bleiben kann. Wenn die Regierung ihre unsozialen Pläne umsetzt, werden die Mitglieder ihre AK mehr und nicht weniger brauchen. Auch das wissen die Mitglieder. Zwei Drittel sind daher auch der Meinung, dass die Höhe der Beiträge gerade richtig ist. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wollen und brauchen den Rat und die Hilfe der AK und sie wollen eine AK, die politisch handelt. Das ist für die Regierung natürlich nicht bequem. Aber wir werden auch weiterhin konsequent auf der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein. Die Arbeiterkammer wird weiter gegen die einseitigen Belastungen durch die Regierung auftreten. Wir müssen Arbeit schaffen, Arbeit schützen. Beruf und Familie dürfen kein Widerspruch sein. Die Arbeitnehmer brauchen mehr Chancen zur Weiterbildung, und die Jugendlichen brauchen ein Recht auf Ausbildung. Wir haben Alternativen und wir haben sie auf den Tisch gelegt. Es ist höchste Zeit, dass die Regierung diese Konzepte ernst nimmt und berücksichtigt.

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(Mit Herbert Tumpel sprach Thomas Angerer.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Jul 2000 00:00:00 +0200 1201819047266 Flexomania | Wie man sich mit ideologischen Scheuklappen den Arbeitsmarkt vermiest Im Folgenden wird auf den Teilbereich des Arbeitsmarkts eingegangen. Wobei die drei größten Irrtümer in der Diskussion um die Flexibilität des Arbeitsmarkts beseitigt werden sollen.

  1. Je flexibler die Arbeitszeiten, umso besser.
  2. Je flexibler die Kündigungsbestimmungen, umso besser.
  3. Je flexibler die Lohnabschlüsse von Betrieb zu Betrieb erfolgen, umso besser.

Dem marktgläubigen Zeitgeist folgend soll zunächst festgestellt werden, was auf dem Arbeitsmarkt gehandelt wird:

Was wird auf dem Arbeitmarkt gehandelt?

Auf dem Arbeitsmarkt sind die Arbeitnehmer die Anbieter, im Gegensatz zum umgangssprachlichen Gebrauch. Sie bieten an, ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die Arbeitgeber sind die Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt und sie kaufen gegen einen gewissen Lohn die angebotene Arbeitskraft.
Der Grundregel eines Marktes folgend sollte auch klar sein, dass von Anbietern nur dann erwartet werden kann, dass sie etwas verkaufen, wenn sie im Gegenzug etwas dafür bekommen. Obwohl es aus vielfältigen Gründen wichtig ist, dass alle Menschen, die arbeiten wollen, auch eine Arbeit finden, so darf doch nicht übersehen werden, dass es sich dabei um ausreichend bezahlte Arbeit handeln muss. Denn unbezahlte Arbeit gibt es genug, nur eigenständig erhalten kann man sich davon nicht (wie viele Frauen tagtäglich feststellen).
Gleichzeitig sollte man auch beachten, dass Firmen nur dann Leute einstellen (also Arbeitskraft kaufen), wenn sie damit rechnen, mit den von diesen Arbeitskräften produzierten Gütern und Dienstleistungen Gewinne erzielen zu können. Menschen Arbeit zu geben ist in einer Marktwirtschaft keine Frage der Gnade, sondern eine Frage der Gewinnaussichten bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen.
Im Gegensatz zu allen anderen Waren müssen wir aber festhalten, dass Arbeitskraft eine ganz besondere Ware ist. Diese Erkenntnis ist zwar so alt wie die ökonomische Wissenschaft, aber es scheint, als würde sie aufgrund ihres Alters zeitweise in Vergessenheit geraten.

Arbeitszeit ist Lebenszeit

Das wesentlichste Merkmal der Arbeitskraft im Gegensatz zu anderen Gütern ist die Unmöglichkeit, seine Arbeitskraft zu verkaufen, ohne damit auch gleichzeitig die Verwendung der eigenen Lebenszeit festzulegen. Kapital kann man, so man welches besitzt, durchaus verleihen, verpachten oder vermieten, Zinsen dafür bekommen und gleichzeitig die Freizeit genießen, Arbeitskraft nicht.

Auch Humankapital klebt am Eigner

Die Verwendbarkeit der eigenen Arbeitskraft ist praktisch immer davon abhängig, ob man etwas gelernt hat bzw. etwas kann, moderner ausgedrückt, vom Humankapital einer Person.
Leider hat aber auch Humankapital im Gegensatz zu Sach- oder Finanzkapital die unangenehme Eigenschaft der Arbeitskraft, praktisch am Menschen zu kleben. Man kann sein Humankapital nicht verwerten, ohne dabei seine eigene Zeit zu verbrauchen. Auch die beste Ausbildung kann man nicht verpachten und sich aufs Ruhekissen legen.

Die meisten Menschen müssen arbeiten!

Bedenkt man nun, dass der Verkauf der eigenen Arbeitskraft für die meisten Menschen die einzige Möglichkeit ist, überhaupt ein Einkommen zu erzielen, so ist es nicht weit bis zur Erkenntnis, dass die Lebenszeit des Großteils der Bevölkerung darauf verwendet werden muss, um gegen Lohn zu arbeiten.
Nachdem klar ist, was auf dem Arbeitsmarkt verkauft wird, soll nun an die Beseitigung der flexomanischen Irrtümer herangegangen werden.

»Die Arbeitszeiten sind zu unflexibel«

In Diskussionen mit Wirtschaftsforschern (häufig Universitätsprofessoren) und Wirtschaftskommentatoren über den österreichischen Arbeitsmarkt ist die Klage über die Unflexibilität der Arbeitszeiten und insbesondere der Ladenöffnungszeiten ein fixer Bestandteil. Meist untermalt von der Standarderzählung: »Als ich letztens in (wahlweise London, New York) war (hier folgt meist eine Erläuterung über die Wichtigkeit der Reise), ging ich um zehn am Abend noch einkaufen.« Da sich üblicherweise keiner der Anwesenden als Provinzkleber outen will, folgt dann meist zustimmendes Nicken, eventuell noch ein, zwei weitere, im Wesentlichen gleiche Erzählungen, um abschließend festzustellen, dass eines der großen Probleme des österreichischen Arbeitsmarkts die Tatsache ist, dass Institutsleiter und Chefredakteure ihre Einkäufe nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit tätigen können.

Wessen Flexibilität?

Wird allerdings das weiter oben zu den Besonderheiten der Arbeitskraft Gesagte berücksichtigt, so kann man ­ und als Ökonom muss man sogar ­ eine etwas differenziertere Sicht der Dinge einnehmen. Da man zu seinen Arbeitszeiten nicht auch gleichzeitig schlafen, Hausarbeit erledigen oder mit den Kindern spielen kann, hat die Festlegung der Arbeitszeit den unangenehmen Nebeneffekt, dass mit ihr die Zeit für alle sonstigen Aktivitäten ebenso, quasi als Restzeit, festgelegt wird.
Sobald von flexiblen Arbeitszeiten geredet wird, drängt sich daher die Frage auf: Flexibel für wen? Heißt eine flexible Arbeitszeit, dass sich die Beschäftigten aussuchen können, wann sie ihre Zeit mit Arbeiten verbringen oder heißt es, dass die Firma kurzfristig festlegt, wann gearbeitet wird und wann nicht? Während Ersteres einen Gewinn an Lebensqualität für die Beschäftigten darstellt, den sich nicht wenige über geringere Löhne erkaufen (»Ich verdiene zwar weniger, aber dafür haben wir Gleitzeit« oder »mehr Urlaub«), stellt letztere Variante einen Gewinn für die Betriebe dar. Er kann dann das Risiko der Auslastungsschwankungen auf die Arbeitnehmer abwälzen. Firmenbestimmte flexible Arbeitszeiten stellen eine Einschränkung der Lebensqualität für die Beschäftigten dar.
Bei Kapitalanlagen hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Anleger, welche ein höheres Risiko tragen, üblicherweise dafür auch höhere Zinsen erhalten. Schließlich kann es ihnen ja passieren, dass derjenige, dem sie ihr Geld anvertrauen, zahlungsunfähig wird und sie fast gar nichts bekommen (darum werden z. B. von Entwicklungsländern höhere Zinsen verlangt als von Industriestaaten).
Auf dem Arbeitsmarkt hieße das, dass Firmen, die den Arbeitnehmern zur Einschränkung der Lebensqualität auch noch das Risiko aufbürden, zu manchen Zeiten gar kein Einkommen zu haben, dafür höhere Löhne zahlen müssten. Wenn der Arbeitsmarkt nicht gerade rosig aussieht, braucht es aber keine höheren Löhne, um den Arbeitnehmern solche Bedingungen aufzubürden. Denn es reicht der Druck, Einkommen zu erzielen, der auf fast allen Unselbständigen liegt.

Machtungleichgewicht

Nun argumentieren viele Firmen, es sei doch vernünftig, die Beschäftigten dann arbeiten zu lassen, wenn viel zu tun ist, und die Freizeit dann konsumieren zu lassen, wenn gerade nichts los ist.
Sofern diese Vereinbarung für beide Seiten Vorteile hat, ist nichts dagegen einzuwenden, allerdings liegt eben genau hier der springende Punkt, denn in der Regel haben die Beschäftigten gegenüber ihrem Arbeitgeber eine schwächere Position. Die berühmte Frage: »Sie wollen doch eh noch länger bleiben?«, vom Chef um 18 Uhr gestellt, ist kein ausreichendes Mittel, um beiderseitiges Einverständnis festzustellen.
Eine faire Aufteilung von Risiko und Erträgen ist zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nur dann möglich, wenn die rechtliche Situation der Arbeitnehmer ausreichend gesichert ist!
Wer als Arbeitnehmer beliebig austauschbar ist, kann nicht verhandeln, sondern nur zustimmen oder gehen.
Es ist notwendig, bei derartig gravierenden Eingriffen in die Lebensplanung der Beschäftigten, wie es die Festlegung der Arbeitszeit ist, nachvollziehbare und verlässliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Ein fixer Zeitraster, wie die berühmten freien Wochenenden, hat darüber hinaus für die Gesellschaft und auch für die Unternehmen Vorteile. Damit ist es einfacher, gemeinsame Aktivitäten zu koordinieren. Bei voller Flexibilität der Arbeits- und Betriebszeiten wird es fast unmöglich, gemeinsame Aktivitäten zu koordinieren (Verwandtenbesuche, freiwillige Feuerwehr, Musikkapellen etc.), die im Interesse der Gesellschaft liegen. Wer jemals versucht hat, mit fünf halbwegs ausgelasteten freien Mitarbeitern einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren, weiß, was damit gemeint ist.

Kündigungsbestimmungen

Je nach Art der Beschäftigung und nach Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gibt es gewisse, in Österreich übrigens sehr moderate Beschränkungen, unter welchen diese vom Arbeitgeber aufgelöst werden können. Die übliche Klage ist, dass jede Firma bei einer Neueinstellung mit der Angst lebt, die Leute nicht mehr los zu werden, und daher weniger Leute einstellt.

Lernen für die Firma

Dabei wird übersehen, dass die Firma viele Vorteile hat, wenn sie den Beschäftigten verspricht, sie oder ihn nicht nach Belieben wieder auf die Straße zu setzen. Beschäftigte sind erst unter diesen Umständen bereit und in der Lage, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen, die für diese Firma wichtig sind, für andere Firmen aber keinen Wert haben.
Die Zeit, die gebraucht wird, um sich solches Wissen anzueignen, ist schlecht angelegt, wenn man beim ersten Rückgang der Gewinne wieder gekündigt wird und bei der Arbeitssuche wieder mit Null beginnen muss. Kündigungsschutzbestimmungen haben also für die Firmen den großen Vorteil, dass sie glaubhafte und einklagbare Versprechen an ihre Beschäftigten machen können und diese daher nicht gezwungen sind, sich stets darauf zu konzentrieren, im Zweifelsfall auch in anderen Betrieben wieder eine Beschäftigung finden zu können.

Sicherheit gegen Lohnhöhe

In Zeiten der Hochkonjunktur ist den Firmen auch durchaus bewusst, dass sie vom besseren Kündigungsschutz profitieren. Viele Arbeitgeber versprechen in diesen Zeiten als Kompensation für niedrigere Löhne einen sicheren Arbeitsplatz. Wenn in Zeiten einer weniger guten Konjunktur versucht wird, diese Versprechen zu brechen, so wird sich das durch geringere Firmentreue und höherer Lohnforderungen in besseren Zeiten rächen.
Auch hier geht es wieder darum, wer die Risiken der Auslastungsschwankungen und betrieblicher Fehlentscheidungen trägt. Gerade in einer Phase, in der sich die Arbeitsmarktlage langsam entspannt, tun die Befürworter einer Lockerung der Vertrauensbasis, die in Kündigungsschutzbestimmungen steckt, den Firmen einen Bärendienst.

Die Lohnfestlegung

Als dritten und im Moment zunehmend bedrohlichen flexomanischen Irrtum soll noch etwas zur Lohnfestsetzung gesagt werden.
Das häufig geäußerte Argument, wenn es einer Firma gut geht, sollen die Löhne höher sein, und wenn es der Firma schlecht geht, soll es auch möglich sein, geringere Löhne zu zahlen, hat in seiner schlichten Einfachheit eine gewisse Attraktivität. Allerdings liegt die Attraktivität vor allem in der Schlichtheit.

Risiko auf Arbeitnehmer abwälzen

Wie schon bei der Arbeitszeit und dem Kündigungsschutz, geht es auch hier wieder um die Frage, wer das Risiko von Auslastungsschwankungen oder betrieblichen Fehlentscheidungen (4 von 5 Pleiten sind laut KSV selbstverschuldet) trägt. Ob es einem Betrieb gut oder schlecht geht, hängt wesentlich von der Qualität der unternehmerischen Entscheidungen ab. Da Chefsachen aber nun mal Chefsachen sind und Arbeitnehmer nur sehr wenig oder gar keinen Einfluss auf diese Entscheidungen haben, ist es nicht vernünftig, ihre Entlohnung vom Erfolg dieser Entscheidungen abhängig zu machen. Eine Verlagerung der allgemeinen Lohnsetzung auf die betriebliche Ebene würde aber bedeuten, dass Arbeitnehmer die Konsequenzen dieser Fehlentscheidungen voll mittragen müssten. Und zwar nicht nur im Extremfall der Insolvenz, wo die Arbeitnehmer auch jetzt schon die Hauptleidtragenden sind, sondern auch dann, wenn das Unternehmen aufgrund von Managementfehlern einmal weniger Gewinne macht. Diese Regelung würde dazu führen, dass Unternehmen wesentlich riskanter agieren, da sie, wenn etwas danebengeht, ohnehin die Löhne kürzen könnten.
Dass umgekehrt auch im Erfolgsfall die Löhne steigen würden, gleicht zwar im statistischen Durchschnitt die Verluste der Arbeitnehmer wieder etwas aus. Allerdings ist es eine schlechte Kompensation, in einem Jahr mehr zu verdienen, wenn man stets befürchten muss, im nächsten Jahr die fixen Ausgaben wie Wohnungskosten usw. nicht mehr bestreiten zu können. Ökonomisch formuliert macht es wenig Sinn, Risiko auf Personen abzuwälzen, die keinen Einfluss auf die relevanten Entscheidungen haben, kein ausreichendes Vermögen besitzen, um in schlechten Zeiten davon leben zu können und ihre Einkommensquellen nicht diversifizieren können. Während ein Aktionär Aktien von vielen Unternehmen halten kann, und wenn es einer Firma schlecht geht, darauf hoffen kann, dass es den anderen besser geht, können Arbeitnehmer ihre Arbeitskraft in aller Regel nur einer Firma verkaufen und sind damit dieser auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Die Lohnhöhe ist nicht nur ein individuelles Problem

Gerade Firmenvertreter tendieren dazu, die Frage der Lohnkosten nur aus betrieblicher Sicht zu betrachten. Sie gehen also von der irrigen Annahme aus, dass ihr Betrieb von Änderungen der Lohnkosten nur über die Lohnzahlungen an die eigene Belegschaft betroffen ist. Dabei übersehen sie, dass sowohl die Kosten für ihre Vorprodukte als auch die Einnahmen für ihre Güterverkäufe ganz wesentlich von der Lohnentwicklung insgesamt abhängen. Werden diese beiden Tatsachen berücksichtigt, so entsteht bei einer Verlagerung der Lohnfestsetzung auf die betriebliche Ebene das Problem, dass eine Firma, die gerade eine schwierige Phase durchmacht, zwar ihre eigenen Lohnkosten niedrig halten kann, dieser Vorteil allerdings über die Steigerungen bei einem Zulieferer wieder zunichte gemacht werden kann. Andererseits kann eine Firma Probleme bekommen, wenn die Arbeitgeber ihrer Kunden beginnen, die Löhne zu senken und damit ihre Umsätze zurückgehen. Ersteres ist als Teil des Problems der Lohn-Preis-Spiralen bekannt, Letzteres ist als Problem des Nachfragemangels in die ökonomische Literatur eingegangen.
Bei einer betrieblichen Lohnpolitik kann von den Arbeitnehmern nicht verlangt werden, zur Vermeidung von Lohn-Preis-Spiralen in guten Zeiten Lohnzurückhaltung zu üben. Schließlich sind hohe Lohnsteigerungen in Zeiten, in denen es dem Betrieb gut geht, die einzige Möglichkeit für diese Arbeitnehmer, die Einkommensverluste in schlechten Zeiten zu kompensieren. Ebenso wenig kann von ihnen verlangt werden, auf die Entwicklung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie der Preisstabilität Rücksicht zu nehmen. Als kleine betriebliche Einheit sind sie stets der Gefahr ausgesetzt, dass andere Betriebe sich nicht an dieser moderaten Lohnpolitik beteiligen und damit ihre eigenen Bemühungen nur zu geringeren Reallöhnen für sie selbst führen und keine positiven Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft haben.

Nicht alles, was für einen Betrieb gut ist, ist gut für die Gesamtwirtschaft

Sobald man sich also von der irrigen Ansicht verabschiedet, dass alles, was gut für die Unternehmen ist, auch gut für die gesamte Wirtschaft ist, erkennt man, dass es vernünftig ist, die Lohnfestsetzung nicht ausschließlich an die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens anzupassen, sondern an die Erfordernisse der Gesamtwirtschaft.
Dass dies nicht nur theoretische Überlegungen sind, zeigt der Vergleich der österreichischen Wirtschaftsentwicklung mit jener in Großbritannien, wo eine weitere Dezentralisierung der Lohnpolitik keineswegs zu stabileren Preisen und höherer Beschäftigung geführt hat, sondern zu wesentlich stärkeren Schwankungen in den Lohnkosten und zu einem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Die häufig zitierten »Erfolgsmodelle« europäischer Beschäftigungspolitik wie Dänemark, Holland oder Irland begannen ihre positive Entwicklung jeweils mit einem Sozialpartnerabkommen zur überbetrieblichen Koordination der Lohnpolitik.
Die im EU-Vergleich extrem niedrige österreichische Arbeitslosenrate ist eine Folge der an den Erfordernissen der Gesamtwirtschaft ausgerichteten Lohnpolitik.
Bei Lohnverhandlungen nehmen die Gewerkschaften auf die gesamte wirtschaftliche Entwicklung der jeweiligen Branchen Rücksicht. Der KV-Lohn nimmt Rücksicht auf die Entwicklung der schwächeren Betriebe in der Branche ­ die gut gehenden Betriebe können ja dann noch beim Ist-Lohn nachbessern. Nur so kommen die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht zu kurz, weder bei den Branchen-Schlusslichtern (der KV sichert ihnen ja eine Lohnerhöhung) noch bei den Branchenführern.
Es ist bei genauerer Überlegung logisch, dass eine Lohnpolitik, welche die Interessen der Gesamtwirtschaft im Auge hat, langfristig erfolgreicher ist als eine, die von den Ereignissen in jedem einzelnen Betrieb dominiert wird.

Zusammenfassung

Hinter den Forderungen nach mehr Flexibilität auf Seiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steht in allererster Linie das Bedürfnis der Unternehmen und des Managements, die Konsequenzen von Auslastungsschwankungen und betrieblichen Fehlentscheidungen unmittelbar auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. Da Arbeitnehmer weder Einfluss auf diese Entscheidungen haben noch über die Möglichkeit verfügen, ihre Arbeitskraft an mehrere Unternehmen gleichzeitig zu verkaufen, müssen sie in diesem Fall Risiken tragen, die sie nicht beeinflussen können und gegen die sie sich auch nicht absichern können. Aus menschlicher, aber auch aus ökonomischer Sicht ist dies unsinnig.
Für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Stabilität der Preise und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ein System, das nur die Situation der einzelnen Betriebe im Auge hat und die Zusammenhänge auf der Seite der Vorprodukte und auf der Seite der Nachfrage nicht einbezieht, in jedem Fall schlechter als ein System, das die Interessen der Gesamtwirtschaft verfolgen kann.
Die Bemühungen, das derzeitige österreichische Lohnsetzungssystem durch ein System nach dem Vorbild des nicht übermäßig erfolgreichen Großbritannien umzubauen, die von der derzeitigen Regierung unternommen werden, dürften viel mehr ideologische als rationale Gründe haben.
Möglicherweise brauchen die »jungen Wilden« in der Vereinigung der Österreichischen Industrie ähnlich wie in Holland eine Phase von Streiks, instabilen Lohnabschlüssen und abnehmender internationaler Wettbewerbsfähigkeit, um nach einigen Jahren die Sozialpartnerschaft und koordinierte Lohnverhandlungen wieder neu zu erfinden. Wenn die neue Regierung und ihre Lobbyisten aus der Industrie diese Lektion jedoch aus den Erfahrungen anderer Länder lernen könnten, bliebe Österreich ein hohes Lehrgeld erspart.

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Sepp Zuckerstätter (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften in der AK-Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Jul 2000 00:00:00 +0200 1201819047216 Weg mit den Alpen - freie Sicht aufs Mittelmeer! Manchmal glaube ich, dass wir in der augenblicklichen politischen Situation versuchen, diese Karikaturen politischen Handelns zum Leben zu erwecken. Unter »wir« verstehe ich uns Gewerkschafter, aber auch unsere derzeitigen Gegner, nämlich unseren Sozialpartner Wirtschaftskammer und natürlich die Bundesregierung. Es ist nicht uninteressant, dass es derzeit für über die Medien Informierte nichts Lustigeres gibt, als zusammenzuzählen, wie oft man sich wechselseitig »Realitätsverlust« vorwirft: Täglich!
Die Desinformation ist zum politischen Stilmittel geworden und die einzige Gruppe, die aus dieser unglaublichen Ignoranzorgie Nutzen zieht, ist die Bundesregierung, die mit so wenig Wasser kocht, dass der Topfboden schon beginnt durchzuglühen. Wir haben dem nichts Erfrischendes entgegenzusetzen. Wir sind oft zu geschockt, zu verletzt, zu entsetzt über die Kaltschnäuzigkeit, mit der eine Wende in der österreichischen Politik »durchgezogen« wird. Es geht nicht mehr ums Land und seine Menschen, es geht darum, »Handlungsfähigkeit« zu beweisen, um jeden Preis. An diese neue Form der Politik müssen wir »konsensverwöhnte Sozialpartner« uns erst gewöhnen.
Die neue Bundesregierung hat mit Sozialpartnerschaft nichts am Hut. OK. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und nicht in weinerliche Nostalgie verfallen. Die Bundesregierung will den Konflikt und diktiert ihre Vorstellungen, wie noch keine Regierung vor ihr. Allerdings zeigte sich dieser Stil auch schon in den letzten Jahren der ÖVP-SPÖ-Regierung. Was jetzt noch dazukommt, ist die Teilnahme einer autoritären Partei an der Regierung, deren Gangart auf die Gesamtregierung deutlich abfärbt. Nicht alle Österreicherinnen und Österreicher lehnen das ab. Manche rufen schon lange nach einem »starken Mann« und, ob wir es wollen oder nicht, wir österreichischen Gewerkschafter sind zur Normalität der Gewerkschaften Westeuropas zurückgekehrt. Aus ist es mit Österreich als dem Eldorado des Korporatismus und der Insel der Seligen. Wir werden wieder kämpfen müssen. Kämpfen kann man aber nur mit »brennendem Herzen« und großer Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Position. Die Grundvoraussetzungen für eine Kampfbereitschaft sind meiner Meinung nach folgende:

  1. Nur Solidaritätserlebnisse machen uns bereit zum Kampf, sonst sind wir viel zu feige.
  2. Schlecht informierte und wenig betroffene Funktionäre sind keine Multiplikatoren. Wir brauchen aber Multiplikatoren!
  3. An der Nabelschnur einer politischen Partei müssen Gewerkschafter versagen. Daher gehen wir einen eigenen Weg.

Wir müssen beginnen, deutlicher zu werden und nicht nur dauernd unsere Wunden zu lecken. Diese Regierung ist keine Regierung für die Arbeitnehmer. Na und? Wir sind stark genug, Gewerkschafter bei jedem Wetter zu sein. Lasst uns also beginnen, neue Strategien zu entwickeln.
Sagen wir was »Sache« ist!
Die wichtigste Kampagne, die wir Gewerkschafter führen müssen, ist die Kampagne »Zurück zum Arbeitnehmer«. Wir informieren viel zu oberflächlich und nur, was in den Printmedien geschrieben wird und um 19.30 Uhr über den Bildschirm flimmert, wird angenommen. Das aber ist oft zu wenig! Wir müssen daher sagen, was »Sache« ist und nicht zulassen, dass sich der Neidkomplex und die Desinformation Bahn brechen.
Die Eisenbahner sind schlecht bezahlte Arbeitszeitexoten und keine Privilegienritter!
Die Kolleginnen und Kollegen bei den ÖBB haben auf Grund der Tatsache, dass das Arbeitszeitgesetz für sie nicht gilt, unregelmäßig hohe »Arbeitszeitpakete« ohne Zeitausgleich zu schlucken. Würde man in den ÖBB Zeitausgleich gewähren, bräuchte man mindestens ein Drittel mehr Personal.
Diese wie in der Privatwirtschaft »stehen gebliebenen Ausgleiche« werden durch den früheren Ruhegenussbezug (Pensionsantritt mit zirka 54 Jahren) abgegolten. Wer einen der Berufe der ÖBB ergreifen möchte, kann das ja tun. Man erkauft sich damit ein chaotisches Privatleben, mäßige Bezüge und gesundheitliche Belastungen. Schon im Jahr 1997 mussten die Eisenbahner ihren eigenen Zeitausgleichersatz mit hohen Pensionsbeiträgen abstützen (ein Witz an sich!), weil der Neidkomplex zugeschlagen hatte. Um ihre Rechte abzusichern, wurden für die »aussterbenden Restbeamten« die Rechte in ihren Dienstverträgen verankert. Jetzt macht man ein Gesetz, dass in privatrechtliche Verträge eingreifen soll. Wer würde sich so etwas in anderen Bereichen gefallen lassen? Keine Rede von Privilegien! Sagen wir, was Sache ist: Es geht um die Zerschlagung des Rechtsprinzips »pacta sunt servanda« (Verträge sind einzuhalten), das ein wesentliches Element der Rechtssicherheit in einem Rechtsstaat ist. Wer sich aber mit dem Rechtsstaat anlegt, bricht die Verfassung. Dagegen werden wir kämpfen. Nicht mit billigem Aktionismus, sondern vor dem Verfassungsgerichtshof.
Die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes ist eine Aktion gegen alle Mieter und geht nur bedingt gegen die Hausbesorger
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass die ÖVP ihr eigenes Gesetz abschafft, das unter Bundesministerin Grete Rehor zum Schutz der Mieter und zur Aufwertung deren Rechte beschlossen wurde. Für die Hausbesorger ist das Hausbesorgergesetz (HBG) eine klare Norm, die ihren atypischen Beruf regelt. Das Entgelt für sie ist in einer Verordnung des Landeshauptmannes geregelt und nicht im Hausbesorgergesetz. Die Dienstverhältnisse werden künftig unklarer und unflexibler werden, aber der Pflichtenkatalog des Hausbesorgers, der Rechtssicherheit für die Mieter bedeutete, ist weg, wenn das Hausbesorgergesetz abgeschafft wird. Die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes ist daher eine Aktion zur Stärkung der Macht der Hausverwaltungen, eine Aktion zur Rechtsunsicherheit für die Hausbesorger und eine Aktion gegen die Mieter. Die Abschaffung des Gesetzes ist so sinnvoll wie ein »Kropf« und keine Abschaffung von Privilegien. Sagen wir das doch!
Die von der Regierung begonnenen Pensionsreformen sind notwendig, aber schlecht gemacht, schlampig durchdacht und daher kontraproduktiv!
Hören wir auf zu jammern, dass wir in Zukunft später in die vorzeitige Pension gehen. Jede Regierung hätte über kurz oder lang diese Maßnahme setzen müssen und die Anpassung der Witwen- und Witwerpensionen, sowie die Abschaffung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ist notwendig. Wie das Ganze aber gemacht wurde, ist kontraproduktiv. Man hätte das verhandeln müssen, denn zu jeder neuen Systemimplementierung gehören synchrone Maßnahmen, wie die Informatiker sagen.
Also in etwa: Wenn schon später in Pension, dann muss man auch länger arbeiten können (man muss gesund sein) oder dürfen. Was aber entweder eine Anpassung der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen, einige Arbeitsmarktinitiativen und Härteklauseln vorausgesetzt hätte, die wirken. Der ÖGB hat da grundgescheite Vorschläge unterbreitet, die offenbar von Regierungsseite mangels Feldkenntnis nicht verstanden wurden. Sagen wir was Sache ist! Eine Regierung, die sich grobe Inkompetenz leistet, darf nicht auch noch stur sein! Außerdem sind überfallsartig geplante Pensionsmaßnahmen absolut abzulehnen, weil sie keine Lebensplanung zulassen. Dagegen werden wir auch Klage führen müssen, in einem Rechtsstaat ist das ein adäquates Mittel. Und so könnte man die Beispiele fortsetzen, ich möchte aber noch etwas anderes ansprechen.

Solidaritätserlebnisse und Information sind der Boden jeder Aktion. Wir brauchen eine Informationskampagne!
Die Konkurrenz der Medien ist für uns Gewerkschafter nicht zu bewältigen. Wir müssen unser Potential und unsere Kraft aus uns selbst schöpfen. Wir müssen einander treffen, um zu sehen, wie viele wir sind, und wir brauchen gute, ausreichende Information und gewerkschaftliche Strategien. »Klotzen statt kleckern« heißt hier die Devise.
Nicht »1000 sinnlose Nadelstiche«, nicht Aktionen, die gut gemeint sind, sondern gute Aktionen, adäquate, einer Bewegung würdige Aktionen brauchen wir. Nicht gegen die Regierung geht es, sondern gegen deren inkompetente Kommunikationsunfähigkeit und gegen kontraproduktive Maßnahmen. Lösen wir uns von den Nabelschnüren der Parteien. Die haben mit uns nichts Gutes im Sinn. Gehen wir den gemeinsamen Weg der Gewerkschaftsbewegung. Ohne Panik, ohne nostalgische Wehmut, mit ganzer Kraft und strategisch neuen Konzepten. Es war schon immer richtig, sich klar zu überlegen, ob man Gegner schlagen kann oder ob man sie nicht umzingeln sollte!
Karl Klein ist Leiter des Referats für Kollektivverträge des ÖGB und Bundessekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB

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Karl Klein http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Jul 2000 00:00:00 +0200 1201819047038 Arbeiterkammerwahlen: Die Arbeitnehmer wollen eine starke Interessenvertretung! Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Österreich haben ein deutliches Zeichen für die Funktionsfähigkeit der demokratischen Selbstverwaltung in den Arbeiterkammern gesetzt, und sie haben durch ihr Votum klare Mehrheitsverhältnisse in allen Arbeiterkammern geschaffen:

  • Rund 370.000 Wahlberechtigte mehr als bei der AK-Wahl 1994 haben ihre Stimme abgegeben, die Wahlbeteiligung ist im bundesweiten Durchschnitt von 31 Prozent im Jahr 1994 auf fast 50 Prozent gestiegen!
  • In allen Bundesländern konnte die jeweilige Mehrheitsfraktion ihre Mehrheit noch weiter ausbauen, in sechs Bundesländern (Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark und Wien) erreichten die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen absolute Mehrheiten von über 60 Prozent, in einem (Salzburg) nur knapp weniger, in zwei Bundesländern (Tirol und Vorarlberg) konnte der ÖAAB seine führende Position ebenfalls mit Mehrheiten jenseits der 60 Prozent deutlich ausbauen.

Insgesamt lassen die Ergebnisse der Arbeiterkammerwahlen nur eine Deutung zu:
Die Arbeitnehmer wollen starke Arbeiterkammern, die klar und konsequent ihre Interessen (auch) gegenüber der Regierung vertreten.

Gelungene Wahlrechtsreform

Den Arbeiterkammerwahlen 1999/ 2000 war eine grundlegende Wahlrechtsreform vorangegangen. Aufbauend auf den positiven Erfahrungen der Mitgliederbefragung im Jahr 1996 wurde 1998 das Arbeiterkammergesetz geändert und eine völlig neue Wahlordnung erlassen. Vorrangiges Ziel der Wahlrechtsreform:
Die AK sollte mit der Wahl zu den Wählern kommen und ihnen die Teilnahme an der Wahl so einfach wie möglich machen. Dadurch sollte die Wahlbeteiligung, die bei der AK-Wahl 1994 auf ein bedenkliches Ausmaß zurückgegangen war, wieder deutlich gesteigert und die demokratische Legitimation der AK gefestigt werden.
Jetzt, nach Vorliegen aller Wahlergebnisse, kann wohl mit Genugtuung festgestellt werden:

  • Das wichtigste Ziel der Wahlrechtsreform ist erreicht worden.
  • Die Wahlbeteiligung ist in allen Bundesländern deutlich gestiegen.

Im österreichweiten Durchschnitt stieg die Wahlbeteiligung von 31 Prozent im Jahr 1994 auf 49,1 Prozent bei den Wahlen 1999/2000. Nach Bundesländern liegt die Bandbreite zwischen 43,5 Prozent in der Steiermark und 59,7 Prozent in Tirol, wo es auch im Vergleich zur AK-Wahl 1994 den stärksten Anstieg der Wahlbeteiligung, nämlich um 33 Prozentpunkte (!) gab. In den übrigen Bundesländern liegt die Steigerungsrate zwischen rund 6 Prozentpunkten im Burgenland und über 19 Prozentpunkten in Wien.
Das Wiener Ergebnis ist besonders bemerkenswert, weil es bekanntlich im großstädtischen Bereich bei allen Wahlen niedrigere Wahlbeteiligungen gibt als anderswo. Bei der AK-Wahl 2000 haben allein in Wien fast 100.000 Arbeitnehmer mehr als im Jahr 1994 ihre Stimme abgegeben!
Im Detail wird erst eine genaue Analyse des Wahlablaufs über Qualität und Wirkung der Änderungen des Wahlrechts Aufschluss geben. Einige Schlussfolgerungen kann man aber wohl schon jetzt ziehen:

Wählererfassung
Das neue System (automatische Aufnahme der am Stichtag Beschäftigten und Möglichkeit zur »Selbstveranlagung« für andere Kammerzugehörige, wie Lehrlinge, Arbeitslose, Karenzurlauber, Präsenz- und Zivildiener) hat sich grundsätzlich bewährt. Verbesserungen beim Datenmaterial und verstärkte Information, vor allem bei Lehrlingen, sind aber bei künftigen AK-Wahlen notwendig.

Wahltermin und Wahlzeitraum
Das Abgehen vom früher bundeseinheitlichen Wahltermin am Sonntag/ Montag und die Festlegung unterschiedlicher Wahltermine innerhalb eines längeren Wahlzeitraums in den einzelnen Bundesländern war in Verbindung mit dem Schwerpunkt Betrieb ein entscheidender Beitrag zum Gelingen der Wahlrechtsreform. Auf diese Weise konnten in Abstimmung mit den Arbeitnehmern und ihren Vertretungen in den Betrieben die jeweiligen Bedürfnisse weitestgehend berücksichtigt werden. Weitere Verbesserungen in der Organisation und Information sind aber auch hier noch möglich.

Betriebswahl
Mit der Einrichtung von Wahlsprengeln in möglichst vielen Betrieben konnte die AK-Wahl den Arbeitnehmern im doppelten Wortsinn »näher gebracht« werden: näher an ihren Arbeitsplatz und näher in der Bedeutung für ihre Interessenvertretung. Eine flexible Wahlorganisation unter Bedachtnahme auf die Bedürfnisse in den einzelnen Betrieben, konkrete Vereinbarungen mit Betriebsräten oder mit anderen Arbeitnehmern, die sich um die Durchführung der Wahl in ihrem Betrieb angenommen haben und gezielte Informationen haben entscheidend zur Steigerung der Wahlbeteiligung beigetragen.
Der Anteil der Wahlberechtigten, die in ihrem Betrieb wählen konnten, war in allen Bundesländern relativ groß. Eine Ausnahme bildete hier nur Tirol, wo der weit größere Teil Briefwähler waren und trotzdem die höchste Wahlbeteiligung erreicht werden konnte.
In Wien wurden mehr als die Hälfte der insgesamt 610.596 Wahlberechtigten in Betriebssprengeln erfasst. Die Wahlbeteiligung in den Betrieben lag mit durchschnittlich zirka 60 Prozent deutlich über dem Anteil der Wähler insgesamt, die von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben (46,7 Prozent). In einzelnen Betrieben gingen sogar mehr als 90 Prozent der Arbeitnehmer zur AK-Wahl.
Ähnlich gute Erfahrungen mit der Betriebswahl konnten auch in anderen Bundesländern gemacht werden. So lag zum Beispiel die Wahlbeteiligung in den Kärntner Betrieben über 65 Prozent, in der Steiermark fast bei 63 Prozent.

  • Zusammenfassend betrachtet hat sich die AK-Wahl in den Betrieben jedenfalls als richtige und wichtige Maßnahme erwiesen. Sie muss auch in Zukunft beibehalten und nach Möglichkeit weiter ausgebaut werden.
  • Die im Zuge der Wahlvorbereitung und -durchführung gepflogenen Kontakte mit den Arbeitnehmern in den Betrieben sollten auch über die Wahl hinaus fortgesetzt werden. Sie bieten die Chance, die Kommunikation zwischen den Arbeiterkammern und ihren Mitgliedern nachhaltig zu verstärken.

Briefwahl
Erstmals konnte bei einer AK-Wahl auch per Post mit Wahlkarte gewählt werden: Alle Wahlberechtigten, die nicht in einem Betriebswahlsprengel erfasst wurden, konnten ihre Stimme im »Allgemeinen Wahlsprengel« entweder brieflich oder in einem der öffentlichen Wahllokale persönlich abgeben. Zur Vermeidung von Doppelabstimmungen waren diese Wahllokale online mit der Wählerliste verbunden.
Nach der ersten Analyse der Erfahrungen mit der Briefwahl kann festgestellt werden:

  • Das Experiment Briefwahl ist gelungen. Die Wahlberechtigten haben von dieser Möglichkeit in relativ großer Zahl Gebrauch gemacht. Sorgen wegen allfälliger Missbräuche waren unbegründet. Das Wahlverfahren ist auch bei der Briefwahl geordnet und korrekt abgelaufen.

Selbstverständlich gab es beim ersten Mal auch Fehlerquellen und Mängel, die bei künftigen Wahlen beseitigt werden müssen. Vor allem muss die Kombination von Betriebs- und Briefwahl noch verbessert werden. Wahlberechtigte, die in einem Betriebssprengel erfasst sind, sollten die Möglichkeit haben, auch dann noch eine Wahlkarte zu bekommen, wenn sie erst unmittelbar vor dem Wahltag erfahren, dass sie während der Wahlzeit nicht im Betrieb sein können. Umgekehrt: »Betriebswähler«, denen eine Wahlkarte ausgestellt wurde, sollten damit auch im Betrieb wählen können.
Die Wahlbeteiligung lag bei der Briefwahl im Durchschnitt zwar deutlich unter jener bei der Wahl in den Betrieben, die Briefwähler haben aber trotzdem maßgeblich zur Steigerung der Wahlbeteiligung insgesamt beigetragen.
In den meisten Bundesländern haben etwa 25 bis 30 Prozent der Briefwahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. In Wien war die Beteiligung an der Briefwahl mit über 32 Prozent überdurchschnittlich, insgesamt haben fast 100.000 Arbeitnehmer per Brief gewählt.
Sonderfälle waren die Bundesländer Burgenland mit einer Wahlkartenwähler-Beteiligung von über 70 Prozent und Tirol, wo die Wahlbeteiligung bei den Briefwählern mit fast zwei Dritteln ebenfalls weit über dem Durchschnitt der anderen Bundesländer lag.

  • Aufgrund der positiven Erfahrungen wird die Briefwahl jedenfalls weiterhin Bestandteil des AK-Wahlsystems bleiben.

Politisches Ergebnis: Die Mehrheiten in den Arbeiterkammern wurden noch stärker!

Betrachtet man die Wahlergebnisse in den einzelnen Bundesländern, so fällt vor allem auf:

  • In allen Bundesländern hat die jeweilige Mehrheitsfraktion ihre Mehrheit noch weiter ausbauen können.

In sieben Bundesländern (Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien) die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter, in Tirol und Vorarlberg der ÖAAB.

  • In allen Bundesländern gibt es jetzt klare absolute Mehrheiten, mit Ausnahme von Salzburg, wo die FSG fast 60 Prozent erreichte, sogar durchwegs über der 60-Prozent-Marke.

Den relativ größten Stimmenanteil hat die FSG in Kärnten mit 66,4 Prozent erreicht, gefolgt von der FSG in Oberösterreich mit fast 66 Prozent, dem ÖAAB in Tirol mit 64,4 Prozent, der FSG im Burgenland, in Niederösterreich und in Wien mit jeweils um die 64 Prozent. In der Steiermark beträgt der FSG-Anteil jetzt 61,2 Prozent und in Vorarlberg hat der ÖAAB seine absolute Mehrheit auf knapp über 60 Prozent ausgebaut.
Den größten prozentuellen Zuwachs als Mehrheitsfraktion konnte der ÖAAB in Tirol erzielen: Mit einem Plus von 18,8 Prozentpunkten konnte aus der vorher relativen Mehrheit jetzt eine klare absolute Mehrheit gemacht werden. Besonders beachtlich sind auch die Zuwächse der FSG als Mehrheitsfraktion in Oberösterreich (+9,5 Prozentpunkte), in Niederösterreich (+8), in Steiermark (+7,4) und in Wien (+6,4). In Kärnten hat die FSG zwar einen etwas geringeren Zuwachs erreicht, allerdings von der höchsten Ausgangsbasis noch dazugelegt auf fast zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen.

Wahlsieger Sozialdemokraten - Verlierer Freiheitliche

Eindeutiger Sieger der Arbeiterkammerwahlen 1999/2000 ist die »Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen«. Sie gewann bundesweit gegenüber der AK-Wahl 1994 rund 240.000 Stimmen dazu, vergrößerte ihren Stimmenanteil von 54,3 auf 57,5 Prozent und erreichte um 21 Mandate mehr als 1994.
Ihr bestes Wahlergebnis erzielte die FSG in Kärnten mit nunmehr 66,4 Prozent (+3,4 Prozentpunkte), die Steigerung beim Stimmenanteil war in Oberösterreich mit +9,5 Prozentpunkten am größten, der Zuwachs an Stimmen in Wien mit +77.000.
In den sieben Bundesländern mit FSG-Mehrheit konnte die FSG ihren Stimmenanteil um 1,5 Prozent (Salzburg) bis 9,5 Prozent (Oberösterreich) erhöhen. In Tirol und Vorarlberg ­ dort allerdings noch unter anderen politischen Rahmenbedingungen ­ musste die FSG dagegen schwere Verluste hinnehmen: in Tirol rund 17 Prozentpunkte, in Vorarlberg 11,7 Prozentpunkte.
Dennoch schlägt sich das insgesamt positive Wahlergebnis auch in der Zusammensetzung der Gremien nieder: In den Vorständen aller Arbeiterkammern zusammengerechnet verfügt die FSG nunmehr über 74 Sitze (+3), der ÖAAB stellt 34 Vorstandsmitglieder (+1), die Freiheitlichen Arbeitnehmer sind zwar mit Ausnahme des Burgenlandes weiterhin in den Vorständen der Arbeiterkammern vertreten, haben aber von ihren vorher 13 Vorstandsmandaten 4 verloren. In der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer lautet das neue politische Stärkeverhältnis: FSG 46 (+3), ÖAAB 18 (­1), Freiheitliche Arbeitnehmer 3 (­2).
Das Wahlergebnis des ÖAAB ist differenziert zu betrachten: Aufgrund der höheren Wahlbeteiligung konnte der ÖAAB zwar bundesweit gegenüber 1994 fast 100.000 Stimmen dazugewinnen (davon fast 50.000 allein in Tirol!) und seinen Stimmenanteil mit 26,2 Prozent geringfügig (+0,1) erhöhen, er verlor aber trotzdem bundesweit 6 Mandate in den Vollversammlungen.
Die Zusammenrechnung der Ergebnisse auf Bundesebene verzerrt allerdings die tatsächlichen politischen Verhältnisse in den einzelnen Bundesländern: Während der ÖAAB in Vorarlberg (+3,9 Prozent Stimmenanteil, +2 Mandate) und vor allem in Tirol (+18,8 Prozent Stimmenanteil, +13 Mandate!) klare Wahlsiege einfahren konnte, musste er in sechs Bundesländern zum Teil deutliche Verluste hinnehmen: im Burgenland ­5,4 Prozent (­2 Mandate), in Niederösterreich ­5,5 Prozent (­8 Mandate), in Oberösterreich ­5,3 Prozent (­6 Mandate), in Salzburg ­2,6 Prozent (­2 Mandate), in der Steiermark ­1,2 Prozent (­3 Mandate) und in Wien ­0,5 Prozent (­1 Mandat). Eine besondere Situation gab es in Kärnten, wo der ÖAAB nach einer Listenspaltung bei der Wahl 1994 jetzt wieder einheitlich kandidierte und 1,9 Prozent Stimmenanteil bzw. 1 Mandat mehr erreichte.
Insgesamt hat also der ÖAAB in den beiden Bundesländern, wo er schon vor der AK-Wahl 1999/2000 die Mehrheit hatte, 15 Mandate in den Vollversammlungen dazugewonnen, in den übrigen Bundesländern aber 21 Mandate verloren.
Die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) sind die großen Verlierer der AK-Wahlen. Mit Ausnahme von Vorarlberg, wo schon im April 1999 ­ also noch unter anderen politischen Rahmenbedingungen ­ gewählt worden war, gab es in allen Bundesländern erhebliche Verluste an Stimmenanteilen und Mandaten: In Wien wurde der Stimmenanteil der FA nahezu halbiert (­7 Prozentpunkte), von den vorher 28 Mandaten in der Vollversammlung verloren sie 12; starke Verluste gab es auch in der Steiermark (­6,5 Prozent, ­7 Mandate), in Oberösterreich (­5,2 Prozent, ­6 Mandate), in Tirol (­4,5 Prozent, ­3 Mandate) und in Niederösterreich (­3 Prozent, ­3 Mandate). Im Burgenland verloren die FA 2,5 Prozent (­2 Mandate), in Salzburg 2,2 Prozent (­1 Mandat) und in Kärnten 1,9 Prozent (­1 Mandat). Nur in Vorarlberg konnten sie ihren Stimmenanteil um 1,2 Prozentpunkte vergrößern und zwei Mandate dazugewinnen.
Insgesamt haben die Freiheitlichen Arbeitnehmer bei den AK-Wahlen gegenüber der Wahl 1994 bundesweit 4,7 Prozentpunkte Stimmenanteil eingebüßt und 33 Mandate in den Vollversammlungen, 4 Vorstandssitze und 2 Sitze in der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer verloren.
Beachtlich ist dagegen das Abschneiden der Grün-Gruppierungen bei den abgelaufenen AK-Wahlen: Die Gruppe »Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG)« kandidierte in Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien und erreichte fast 35.000 Stimmen und insgesamt 21 Mandate in den Vollversammlungen (+12 gegenüber 1994). Am stärksten ist diese Gruppe in der Vollversammlung der AK Wien mit nunmehr 8 Mandaten (+3) vertreten. Die Liste »Grüne Arbeitnehmer« kandidierte nur in Wien und erreichte hier 4 Mandate (­1). Weitere Grün-Gruppen konnten in Tirol und Vorarlberg eine Vertretung in den Vollversammlungen erreichen.
Sonstige wahlwerbende Gruppen, darunter solche, die erstmals bei einer AK-Wahl kandidierten und sich vor allem für die Interessen ausländischer Arbeitnehmer engagierten (z. B. »Bündnis Mosaik«, »Bunte Demokratie für Alle«), erreichten bundesweit insgesamt 22 Mandate (+6).

Wahlanfechtung in Vorarlberg und Wien

In Vorarlberg und in Wien wurde die AK-Wahl wegen der Nichtzulassung der Kandidatur von ausländischen Arbeitnehmern angefochten.
In Vorarlberg waren türkische Staatsbürger durch die Hauptwahlkommission von der Kandidatenliste gestrichen worden. Die dagegen eingebrachte Wahlanfechtung ist in der Zwischenzeit vom (damals noch zuständigen) Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales zwar abgewiesen worden, weil nach Meinung des Ministeriums das Wahlergebnis durch die Streichung der türkischen Kandidaten nicht beeinflusst werden konnte. Gleichzeitig hat aber das BMAGS das passive Wahlrecht der türkischen Kandidaten eindeutig bejaht. Gegen die Entscheidung des Ministeriums ist inzwischen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden.
In Wien haben drei wahlwerbende Gruppen die Wahl angefochten, weil andere ausländische Kandidaten von der Hauptwahlkommission nicht zugelassen worden waren. Anders als bei türkischen Arbeitnehmern, bei denen ein Assoziationsabkommen die Gleichbehandlung mit EU-Bürgern gewährleistet, gibt es für das passive Wahlrecht von Angehörigen anderer Staaten derzeit keine Rechtsgrundlage. Die Wahlanfechtung ist daher wohl eher als politische Aktion anzusehen.

Votum für eine starke politische Interessenvertretung

Auskunft über die Motive des Wahlverhaltens der Arbeitnehmer können nur fundierte sozialwissenschaftliche Untersuchungen geben. Klar scheint aber jedenfalls zu sein:

  • Die Arbeitnehmer haben bei der AK-Wahl ein klares Votum für eine konsequente Interessenpolitik abgegeben. Die AK sollte in der politischen Auseinandersetzung um die Wahrung der Arbeitnehmerrechte gestärkt werden.
  • Zugleich sind die Wahlergebnisse als eindeutige Absage der Arbeitnehmer an das Belastungs- und Umverteilungsprogramm der Regierung zu werten.

Diese Aussagen werden auch durch eine Nachwahlanalyse des »Institute for Social Research and Analysis« (SORA) bestätigt. Danach sind

  • 85 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Meinung, dass Arbeitnehmer gerade in der jetzigen politischen Situation eine starke Arbeiterkammer brauchen. Sie erwarten von der AK, dass sie die Maßnahmen der Regierung nicht einfach akzeptiert, sondern aktiv gegen einzelne Punkte für die Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer auftritt.
  • 69 Prozent sind der Meinung, dass die Bundesregierung einseitig die Arbeitnehmer belastet, und 61 Prozent finden es zutreffend, dass die Kritik der Regierung an der AK dazu dient, von eigenen Problemen abzulenken.
  • Fast 70 Prozent sind mit der Politik der AK einverstanden. Sogar 22 Prozent der Freiheitlichen-Wähler und 45 Prozent der ÖVP-Wähler kündigen an, nicht mehr FPÖ bzw. ÖVP zu wählen, wenn die Regierung gegen die AK vorgeht.

Eine besondere Rolle bei der Wahlentscheidung dürfte auch die vor allem von der FPÖ geforderte Kürzung der finanziellen Mittel der AK gespielt haben.

  • Mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer sind der Meinung, dass die Höhe der Arbeiterkammerumlage gerade richtig ist, 8 Prozent halten sie sogar für zu niedrig.
  • 68 Prozent sprechen sich dezidiert gegen die Kürzung der Geldmittel der AK aus.
  • Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben also den Absichten, der AK durch eine Kürzung der finanziellen Mittel die Grundlage für deren Leistungen zu entziehen, eine klare Absage erteilt!

Die überwiegend kritische Haltung der Arbeitnehmer zur Politik der Bundesregierung hat sich offensichtlich in den Wahlergebnissen zugunsten der FSG, aber auch der Grün-Gruppierungen niedergeschlagen. Das hervorragende Ergebnis des ÖAAB in Tirol steht dazu keineswegs im Widerspruch, sondern passt genau in dieses Bild: AK-Präsident Dinkhauser hat in der Wahlauseinandersetzung klare Interessenpositionen, zum Teil in offener Ablehnung von Regierungsvorhaben, vertreten (siehe das Interview in »A&W« 2/2000, Seite 10). Die Wähler haben also auch dort für eine konsequente Arbeitnehmerpolitik und gegen Maßnahmen zu Lasten der Arbeitnehmer votiert. Ähnlich kann wohl auch die Stärkung des ÖAAB in Vorarlberg erklärt werden, obwohl die AK-Wahl in diesem Bundesland schon vor dem Regierungswechsel stattgefunden hat (siehe dazu das Interview mit Präsident Fink in »A&W« 3/99, Seite 30).

Wählervotum als Auftrag und Verpflichtung für die AK

Für die künftige Politik der Arbeiterkammern sind die Ergebnisse der Arbeiterkammerwahlen Auftrag und Verpflichtung, weiterhin konsequent und mit allen demokratischen Mitteln für die Wahrung der Arbeitnehmerinteressen einzutreten. Das bisherige Verhalten der Bundesregierung, die Weigerung, interessenpolitische Positionen der Arbeitnehmerorganisationen in Verhandlungen einzubeziehen, Versuche, das gesetzlich gewährleistete Begutachtungsrecht der Arbeiterkammern einzuschränken oder überhaupt auszuschalten, der Umgang mit Gewerkschaften und die »Androhung« einer Umlagenkürzung bei der AK lassen erwarten, dass der erfolgreiche Weg des sozialpartnerschaftlichen Interessenausgleichs nicht mehr begangen und stattdessen eine stärker konfliktorientierte Politik betrieben werden soll.
Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer werden sich dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu stellen haben. Nach der traditionellen Rollenverteilung innerhalb der Arbeitnehmerorganisationen sind die Gewerkschaften Träger des Kampfes um die Wahrung und Durchsetzung der Arbeitnehmerinteressen. Die Arbeiterkammern haben sie dabei zu unterstützen, und sie werden das, gestärkt von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der AK-Wahl, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln tun.

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Josef Cerny (Direktor der Wiener Arbeiterkammer und Vorsitzender des Redaktionskomitees von »Arbeit&Wirtschaft«) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819046714 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819046727 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819046765 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Jul 2000 00:00:00 +0200 1201819046466 Pension - der unfinanzierbare Moloch? | Übersicht über die aktuelle Entwicklung unseres Pensionsrechts und Diskussion der Argumente Seit einigen Jahren läuft fast nonstop eine Diskussion um unser Pensionssystem ab, deren Aussagen gebetsmühlenhaft wiederkehren: Die Menschen werden zu alt, bald müsse jeder Aktive mindestens einen Pensionisten erhalten (was er bei privaten Pensionen übrigens immer muss) und spätestens in dreißig Jahren werde unser Pensionssystem unfinanzierbar sein, die heute Jungen werden daher im Alter unversorgt sein, obwohl sie heute immer stärker zur Kasse gebeten werden, um die Pensionen der heute Alten zu zahlen. Die Generationensolidarität erfordere daher, erstens bei den heute Alten zu sparen und zweitens die heute Jungen langsam in ein neues System überzuführen.
Bevor wir uns der aktuellen Entwicklung um unser Pensionsrecht und der Diskussion dieser Argumente zuwenden, sei ein kurzer Blick in die Vergangenheit gestattet. Denn die Diskussion, dass unser Pensionssystem nicht zu »finanzieren« sei, ist fast so alt wie das Pensionssystem selbst. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) war seit seiner Beschlussfassung von ­ allesamt unbegründeten ­ Ängsten um Verarmung begleitet: So haben am Tag der Beschlussfassung des Stammgesetzes im Jahr 1955 die österreichischen Ärzte am Ring demonstriert, weil sie der Überzeugung waren, durch das neue System zu den Verlierern zu gehören und rasch zu verarmen. Heute wissen wir, dass das Gegenteil eingetreten ist. Aber auch den ­ jeweils zukünftigen ­ Pensionistinnen und Pensionisten ist immer wieder gesagt worden, dass sie dieses System an den Bettelstab bringen werde. So lesen wir etwa in den sechziger Jahren in einigen Zeitungen, die österreichischen Pensionisten werden spätestens um 1980 alle auf die Sozialhilfe angewiesen sein, weil die Pensionen da nicht mehr reichen werden (wir wissen, das Gegenteil ist eingetreten).

Totgesagte leben länger

1978, als mit dem Sozialversicherungs-Änderungsgesetz die ersten Umschichtungsmaßnahmen beschlossen worden sind, wurde das »rasche Ende« des Pensionssystems genauso prophezeit wie in den Jahren 1984 und 1987, wo mit der 40. und 44. ASVG-Novelle große Änderungen eingeleitet worden sind. Dieselbe Diskussion haben wir 1991 erlebt, als es um die Netto-Anpassung gegangen ist, und 1997, als im Ergebnis des (für das österreichische System keineswegs ­ wie heute gerne kolportiert ­ vernichtende) Rürup-Gutachtens die Pensionsreform 2000 verabschiedet worden ist. Offensichtlich gilt auch für Pensionssysteme der alte Spruch: Totgesagte leben länger. Und wie, möchte man anfügen, wenn man sich das älteste auf dem Umlagesystem basierende Pensionssystem Österreichs, die Angestelltenpension ansieht: 1905 wurde die Angestelltenpension beschlossen, im Jänner 1909 wurden die ersten Pensionen ausgezahlt, und seit diesem Monat konnte in jedem Monat die Angestelltenpension ausgezahlt werden ­ trotz zweier vernichtender Weltkriege, trotz 12 Jahren Diktatur und einer zehnjährigen Besatzung, trotz vieler Wirtschaftskrisen, Inflationsperioden und Regierungswechsels, trotz mehrmaliger Währungsumstellungen (von der Krone auf den Schilling, dann auf die Reichsmark, wieder auf den Schilling und nun auf den Euro). Keine private Pension kann in Österreich auf eine ähnlich beeindruckende Leistungsgeschichte verweisen!
Wenn es auch nicht das zentrale Problem ist, sollte man daher in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass es bei der Pensionsdebatte in Vergangenheit und Gegenwart immer einen stillen Gewinner gibt: die Anbieter privater Pensionsmodelle. Immer dann, wenn die Menschen glauben, ihre staatliche Pension sei in Gefahr, nehmen die Abschlüsse privater Pensionsverträge sprunghaft zu. Und die Versicherungswirtschaft nutzt diesen Effekt ihrerseits durch massive und gezielte Werbung aus. Von vielen speziellen Angeboten ist da die Rede, maßgeschneidert und richtig »geschweizert«, und das Pensionsgeschäft boomt, besonders wichtig in einer Zeit, wo weder im Kfz-Versicherungsgeschäft noch bei den privaten Krankenzusatzversicherungen das große Geld zu machen ist.
Damit kein Missverständnis entsteht: Das ist kein Vorwurf an die Versicherungsgesellschaften, denn sie müssen (bei Strafe ihres ökonomischen Untergangs) so handeln, sie tragen Verantwortung für ihre Beschäftigten und ihre Aktionäre. Aber es soll als Mahnung an jene verstanden werden, die leichtfertig und um kurzfristige politische Ziele zu erreichen, dazu beitragen, dass die Menschen das Grundvertrauen in ihre gesetzliche Alterssicherung verlieren.

Die Pensionsreform des Kabinetts Schüssel

Aktueller Auslöser der Pensionsdebatte ist die Pensionsreform des Kabinetts Schüssel, die dieser Tage entgegen den Mahnungen der Fachleute und der Interessenvertretungen und trotz des Widerstands der parlamentarischen Opposition mit hoher Geschwindigkeit beschlossen wird, und zwar einige Monate, nachdem die 1997 gemeinsam von Regierung und Sozialpartnern erarbeitete Pensionsreform überhaupt erst am 1. Jänner 2000 zu wirken begonnen hat und man naturgemäß noch gar nicht sagen kann, welche positiven Effekte sich bereits aus dieser alten Reform für unser Pensionssystem tatsächlich ergeben. Aber darum geht es dieser Bundesregierung nicht.
Im Zentrum ihrer Bemühungen stehen vielmehr zwei Ziele: Erstens soll die Kraft der Gewerkschaften und der gestaltende, auf Kompromiss der Interessen von Dienstnehmern und Dienstgebern gerichtete Einfluss der Sozialpartner gebrochen werden. Und zweitens sollen aus dem Pensionssystem rasch mehr als zehn Milliarden Schilling und noch einmal fünf Milliarden aus der Alterssicherung des öffentlichen Dienstes für das Budget abgezweigt werden, um die Wahlversprechen der neuen Regierung an Familien und an Betriebe finanzieren zu können.
Eine rechtzeitig geschürte Angst in der Bevölkerung, die Pensionen seien nicht sicher, hilft ungemein, diese Ziele zu erreichen. Und man will ja schließlich nicht mit leeren Händen dastehen bei der nächsten Wahl.
Die Pensionspläne der Regierung, wie sie auch im Koalitionsabkommen festgelegt sind, bestehen aus kurzfristigen und aus langfristigen Zielen. Derzeit stehen vor allem die kurzfristigen Ziele im Mittelpunkt der Diskussion, sollen sie ja schon am ersten Oktober dieses Jahres in Kraft treten.

Säulen und Weichen

Aber auch die langfristigen Ziele verdienen eine entsprechende Beachtung, plant doch die neue Bundesregierung nichts anderes als die Ersetzung unseres bisherigen staatlichen Pensionssystems durch eine »3-Säulen-Versorgung«. Dabei soll die staatliche Pension zu einer »1. Säule« degenerieren und nur noch eine minimale Grundversorgung garantieren, während der Einkommensersatz durch eine als »2. Säule" bezeichnete verpflichtende Firmenpension und als »3. Säule« durch freiwilliges, steuerbegünstigtes Sparen auf dem Kapitalmarkt abgesichert werden soll. Die Weichen wurden schon gestellt, erstens mit der Steuerreform 2000, wo sich die ÖVP gegenüber der SPÖ mit einer großzügigen Steuererleichterung für Privatpensionen durchsetzen hat können, und zweitens mit der »Abfertigung neu«, jenem Rucksackmodell, das die Grundlage einer später auszubauenden kapitalgedeckten Firmenpension bilden soll.
Die Pensionsgesetze dieses Jahres haben jedoch nur ein vorrangiges Ziel: Entlastung des Bundeshaushalts, um die Budgetgeschenke der Regierung an ihre Klientel (Unternehmer, Bauern, Familien) auch finanzieren zu können. Wie gesagt sollen innerhalb von 3 Jahren rund 15 Milliarden Schilling eingespart werden, davon 10 Milliarden aus der Sozialversicherung ­ durch ein Anheben des Anfallsalters für vorzeitige Alterspensionen um 1,5 Jahre in raschen Schritten ab 1. Oktober, durch eine deutliche Erhöhung der Abschlagszahlen bei diesen Pensionen und durch einen sofortigen Wegfall der vorzeitigen Alterspension wegen Erwerbsminderung.
Die zukünftigen Hinterbliebenenpensionen sollen bei einem eigenen Einkommen der Witwe (des Witwers) ab einer gewissen Grenze wegfallen. Auf der anderen Seite sollen Alterspensionistinnen und Pensionisten (also Männer ab 65 und Frauen ab 60 Jahre) unbeschränkt zur Pension dazuverdienen dürfen, schließlich wird der Berufsschutz im Gewerbe und bei den Bauern deutlich verbessert.
Auch im öffentlichen Dienst soll das Pensionsanfallsalter um 1,5 Jahre erhöht werden, was der Regierung (und den Beamten) besondere Probleme bringt. Denn im öffentlichen Dienst bedeutet ein erhöhtes Pensionsantrittsalter im Gegensatz zum ASVG keine Verbilligung, sondern eine Verteuerung! Denn bei Beamten wird nicht nur der Ruhegenuss (in der Regel 80 Prozent vom Verdienst), sondern logischerweise auch der Verdienst vom Bund getragen. Im Falle eines erhöhten Anfallsalters bedeutet das, dass nunmehr der volle Gehalt eineinhalb Jahre länger zu zahlen ist, eventuell sogar noch eine weitere Vorrückung. Daher wäre es für den Bund gewiss billiger, wenn das Anfallsalter im öffentlichen Dienst nicht erhöht würde. Das aber, so meint die Regierung, könne man den ASVG-Versicherten nicht zumuten. Um daher die Kosten für das erhöhte Pensionsalter der Beamten und die geforderten 5 Milliarden für das Budget zu bekommen, wird hier doppelt belastet werden.

Die Auswirkungen dieser Pensionsreform

Neben dem bereits Gesagten sind zwei wesentliche Probleme zu benennen: Die negativen Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung und auf den Arbeitsmarkt. Wir erwarten einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, trotz der versprochenen Verbesserungen für Ältere auf dem Arbeitsmarkt. Die Größe des zu erwartenden Problems wird deutlich, wenn man sich ansieht, woher die Menschen kommen, die eine vorzeitige Alterspension in Anspruch nehmen. Nur die Hälfte wechselt aus dem Erwerb in die Pension (siehe Tabelle 1: »Wege in die Pension«).
Wird das Pensionsantrittsalter um eineinhalb Jahre erhöht, verlängert sich der Bezug in diesen Transfersystemen. Da aber das Krankengeld mit 52 Wochen befristet ist (oder bald sein wird), bedeutet das für kranke Menschen vor Pensionsantritt unter Umständen, einige Monate auf die Sozialhilfe angewiesen zu sein.
Die kurzfristige Anhebung des Pensionsalters ist schließlich auch ein unvertretbarer Eingriff in die Lebensplanung der Betroffenen und daher auch wahrscheinlich nicht einmal verfassungskonform. Besonders hart sind jedoch jene Menschen betroffen, die bereits in den Monaten vor Bekanntwerden der Pläne dieser Bundesregierung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und jetzt im Arbeitslosengeldbezug mit einer (in der Regel bis zum bisherigen Pensionsalter befristeten) betrieblichen Zusatzleistung versehen auf die Pension warten. Jetzt wird diese Wartezeit länger, auch wenn die Firma (verständlicherweise) nicht länger zahlt. Wen wundert es dann, wenn diese Menschen verbittert zu uns in die Rechtsberatung kommen und sagen: »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich im letzten Herbst sicher nicht unterschrieben, um einem Jüngeren Platz zu machen.« Eine Regierung, die so mit dem Vertrauen der Menschen umgeht, ist sicher nicht geeignet, die langfristige Stabilität der Alterssicherung glaubwürdig zu garantieren.

Das österreichische Pensionssystem

Bevor nunmehr die Frage nach der Zukunftssicherheit des österreichischen Pensionssystems und möglichen Alternativen zur Pensionspolitik der Bundesregierung nachgegangen werden soll, einige prinzipielle Worte zum österreichischen Pensionssystem.
Auch das österreichische Pensionssystem der Arbeiter und Angestellten, wie es 1955 im ASVG festgelegt wurde, kennt drei Säulen. Denn es steht gleichgewichtig auf den drei Beitragssäulen der Dienstnehmer, der Dienstgeber und des Bundes. Bis Ende der siebziger Jahre wurden die tatsächlichen Kosten der Pensionen auch tatsächlich zu je einem Drittel durch Beiträge der Dienstnehmer, der Dienstgeber und des Bundes getragen. Seitdem wurde (als Ergebnis einiger Pensionsreformen) der Anteil des Bundes kontinuierlich gesenkt und macht beim ASVG gegenwärtig gerade mal 15 Prozent aus. Wir dürfen aber nicht vergessen: Beim Bundesbeitrag handelt es sich um keine »Defizitabgeltung« des Bundes für ein System, das sich selbst nicht finanzieren könnte. Im Gegenteil, der Bundesbeitrag dient dazu, jene Pensionsleistungen abzudecken, die durch Beiträge nicht gedeckt, also von der Politik quasi »bestellt« worden sind. Mit dem Bundesbeitrag werden die Ersatzzeiten für Bundesheer/Zivildienst, für Krankengeldbezug, Arbeitslosigkeit und Kindererziehung finanziert; weil es den Bundesbeitrag gibt, werden diese Zeiten für die Pensionsbemessung wie Beitragszeiten herangezogen. Würde man die Ersatzzeiten abschaffen bzw. anderweitig finanzieren, wäre im ASVG gar kein Bundesbeitrag nötig.
Anders in den Pensionssystemen der Selbständigen. Gewerbetreibende (GSVG) und Bauern (BSVG) zahlen etwa den halben Beitragssatz, erhalten aber die gleichen Pensionsleistungen wie im ASVG.
Dadurch kommt ein deutlich höherer Bundesbeitrag in diesen Systemen zustande, wie Tabelle 2 (»Bundesbeiträge an den Pensionen«) zeigt.
Da es bei Selbständigen und Bauern keinen Dienstgeber gibt, hat der Gesetzgeber ursprünglich einen »fiktiven Dienstgeberbeitrag« in Form spezieller Steuern für diese Gruppen erfunden. Die Bauern zahlen nach wie vor eine landwirtschaftliche Abgabe, deren Ertrag als fiktiver Dienstgeberbeitrag vom reinen Bundesbeitrag abzuziehen wäre. Bei den Gewerbetreibenden hatte die Gewerbesteuer diese Funktion. Seit deren Abschaffung wird auch der fiktive Dienstgeberbeitrag aus dem allgemeinen Steueraufkommen (zu dem bekanntlich Arbeiter und Angestellte am meisten beitragen) finanziert. So wird eine durchschnittliche ASVG-Pension vom Steuerzahler mit 1677,21 Schilling oder 17 Prozent bezuschusst, während eine durchschnittliche Bauernpension im Monat 4545,93 Schilling oder 79,9 Prozent und eine durchschnittliche Gewerbepension im Schnitt monatlich 6275,79 Schilling oder 60,8 Prozent aus dem Bundesbudget erhält.
Um Missverständnissen vorzubeugen, es geht hier nicht darum, einzelne Personengruppen gegeneinander auszuspielen und Neid zu erzeugen, aber es müsste einmal klargelegt werden: Es kann nicht angehen, dass eine Reform, deren hauptsächlichstes Ziel die Reduktion der Bundesmittel ist, schwerpunktmäßig die ASVG-Pensionen belastet, während es im GSVG und im BSVG teilweise Verbesserungen (Berufsschutz) gibt.

Unser System ist leistungsfähig

Dass das österreichische Pensionssystem durchaus leistungsfähig ist und über viele Reserven für zukünftige höhere Anforderungen verfügt, kann an folgender Gegenüberstellung (für den ASVG-Bereich) gezeigt werden:

  • Im ASVG wurden die Leistungen seit 1978 deutlich ausgebaut: Die Pensionsanpassung erfolgte in den achtziger Jahren mehrmals höher als die Inflation, die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden deutlich stärker erhöht, was nahezu zu einem Verschwinden der Altersarmut geführt hat, die Witwerpension wurde eingeführt und die Anrechnung von Kindererziehungszeiten und schließlich wurde 1993 das modernste Pflegegeldsystem der Welt geschaffen.
  • Gleichzeitig ist die Lastquote der ASVG-Versicherungen deutlich gestiegen: Kamen 1978 noch 469 Pensionisten auf je 1000 Aktive, so waren es im Jahr 1999 bereits 593.
  • Trotzdem konnte die Eigenfinanzierungsquote im ASVG deutlich verbessert werden: Der Bundesbeitrag zu den Pensionen betrug im Jahr 1978 im ASVG noch 25 Prozent, während er im Jahr 1999 nur noch 17 Prozent ausmachte. Ein System, das es in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit und langsamer Wirtschaftsentwicklung zuwege bringt, trotz ausgebauter Leistungen und steigender Lastquote dennoch die Eigenfinanzierung von 75 auf 83 Prozent zu erhöhen, verdient es nicht, krankgeredet zu werden. Von niemandem! Kein privates Pensionssystem kann mit ähnlichen Bilanzen aufwarten.

Die Probleme des Pensionssystems

Das Hauptproblem des Pensionssystems ist die demographische Entwicklung. Während derzeit rund 20 Prozent der ÖsterreicherInnen älter als 60 Jahre sind, werden es im Jahr 2010 rund 23 Prozent und im Jahr 2030 bereits 33 Prozent sein; der Anteil der Jugendlichen (unter 15 Jahre) geht im selben Zeitraum von gegenwärtig 17 Prozent auf 15 Prozent und dann 14 Prozent zurück. Ursache für diese Entwicklung sind die geburtenstarken Jahrgänge der sechziger und siebziger Jahre. Erst nach dem Jahr 2050 wird der Anteil älterer Menschen wieder zurückgehen, wenn nunmehr die geburtenschwachen Jahrgänge der achtziger und neunziger Jahre ins Seniorenalter treten werden.
Ob sich diese unzweifelhaft vorhandene demographische Verschiebung in der gleichen Dramatik auf das Pensionssystem auswirken wird, ist aber noch lange nicht ausgemacht. Denn erstens kann diese Entwicklung durch eine veränderte Wanderbewegung von Arbeitskräften, etwa im Zuge der bevorstehenden EU-Ostöffnung verringert werden. Es könnte auf dem ostösterreichischen Arbeitsmarkt durchaus ein Effekt eintreten, wie wir ihn in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in der Habsburger Monarchie erlebt haben. Wenn man berücksichtigt, dass sich diese demographische Entwicklung (Ausscheiden einer großen Zahl von Menschen aus dem Erwerbsleben) auch auf dem Arbeitsmarkt auswirkt und wir daher bereits um das Jahr 2010 mit einem Arbeitskräftemangel in Österreich rechnen müssen, scheint es nicht unrealistisch, eine stärkere Zuwanderung anzunehmen.
Schließlich darf nicht vergessen werden, dass eine demographische Betrachtung nur die Entwicklung der erwerbsfähigen zur älteren Bevölkerung vergleicht, also nur Jahrgangsgruppen. Entscheidend für die Finanzierung eines Pensionssystems ist jedoch die Frage, wie viele von den Erwerbsfähigen tatsächlich einem Erwerb nachgehen. Dabei muss man bedenken, dass in Österreich bei nahezu gleicher Einwohnerzahl im Jahr 1970 nur 2 Millionen Menschen unselbständig erwerbstätig waren, während es heute bereits 3,2 Millionen sind, und weiters muss man berücksichtigen, dass wir nach wie vor eine geringe Frauenerwerbsquote, aber eine relativ hohe Teilzeitquote haben. Den erwarteten Arbeitskräftemangel im Auge kann durchaus davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahrzehnten die Erwerbsquote weiter steigen wird. Dann wird aber die tatsächliche Belastung des Pensionssystems weit weniger dramatisch steigen als die vorerst demographisch vermutete.
Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Finanzierung des Pensionssystems nicht nur von der Zahl der Aktiven, bezogen auf die Pensionisten, abhängig ist, sondern auch von ihrer Leistungsfähigkeit. Wenn die Produktivität der Wirtschaft weiter in vergleichbarem Ausmaß steigt wie bisher (und damit ist angesichts einer sinkenden Arbeitslosigkeit zu rechnen), so kann ein Teil der demographisch bedingten Finanzierungsschwierigkeiten der Pensionen durch die gestiegene Wertschöpfung abgedeckt werden. Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur Pensionsfinanzierung könnte diesen Zusammenhang fördern und würde überdies zur Senkung der Lohnnebenkosten beitragen.
In einer ökonomischen Denkweise darf nicht vergessen werden, dass Zahlungen an Pensionisten nicht als »verlorene Kosten« zu bewerten sind, sondern reale, meist im Inland nachfragewirksame Kaufkraft verursachen und somit die Wirtschaft stimulieren. Umgekehrt kann ein sinkendes Leistungsniveau der Altersversorgung gerade in einer Zeit, in der auch die Aktivbevölkerung zurückgeht, zu ersten Kaufkraftverlusten und damit zu Nachteilen für die heimische Wirtschaft führen.
Überdies muss berücksichtigt werden, dass es sich bei den demographischen Problemen, die heute als das Übel schlechthin beschworen werden, um ein vorübergehendes Problem handelt. Denn aufgrund des Ausscheidens der geburtenstarken Jahrgänge und des Eintritts der geburtenschwachen Jahrgänge der letzten beiden Jahrzehnte in das Pensionsalter wird die demographische Belastung in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts zurückgehen. Wenn die Dauer der Belastungsspitze aber absehbar ist (und wahrscheinlich nicht länger als drei Jahrzehnte dauern wird), so kann man sich bereits heute durch das Bilden von Rücklagen bei den Pensionsversicherungsträgern darauf vorbereiten bzw. einen Teil der Mehrkosten über Kredite in den siebziger und achtziger Jahren des 21. Jahrhunderts, wenn der Anteil der Aktiven wieder höher ist, zurückzahlen.

Auch kapitalgedeckte Pensionen sind demographieabhängig

In jeder Volkswirtschaft kann nur das Produkt des laufenden Monats oder Jahres umverteilt werden, sei es über ein Umlagesystem, wie es unserer Pension zugrunde liegt (die Beiträge des laufenden Monats werden als laufende Pensionen ausgezahlt) oder über das Kapitaldeckungssystem der privaten Pensionskassen (Beiträge werden individuell veranlagt und in der Pension ausgezahlt). Wer uns weismachen will, das Kapitaldeckungssystem privater Pensionen sei im Gegensatz zu unserem gesetzlichen Pensionssystem demographieunabhängig, der kennt sich entweder nicht wirklich aus oder verfolgt andere Ziele.
In einem kapitalgedeckten Pensionssystem werden die Beiträge der Aktiven individuell veranlagt. Es werden Fonds gebildet, die Beiträge werden in Wertpapieren, Aktien, Grundstücken, Immobilien usw. angelegt. Nach dem Pensionsantritt werden diese individuellen Fonds wieder aufgelöst, die Aktien, Wertpapiere, Immobilien und so weiter stückweise wieder verkauft, um mit deren Erlös die Pensionen zu finanzieren. So weit, so gut. Aber wenn die demographische Entwicklung tatsächlich dazu führt, dass um das Jahr 2030 weitaus mehr Menschen in die Pension gehen, also den Verkauf ihrer Anlagen zur Finanzierung ihrer Pension erwarten, als dann neu ins Erwerbsleben eintreten und daher neu anlegen werden, dann passiert dasselbe wie auf allen Märkten: Ein Gut, das im Überfluss vorhanden ist, verliert an Preis. Wenn mehr Menschen ihre Fondsanteile verkaufen wollen als es Nachfrage gibt, sinkt der Erlös. Das bedeutet: Aus demographischen Gründen wird die kapitalgedeckte Pension deutlich niedriger sein als ursprünglich erwartet.

Notwendige Fragen stellen

Hohe Zahlungen und später eine niedrige Pension ­ das sagt man auch unserem gesetzlichen System nach. Wo ist also der Unterschied? Während ein (möglicher) Wertverlust eines staatlichen Pensionssystems immer ein politisches Problem bleibt und sich in diesem Fall der Gesetzgeber daher darum kümmern wird, dass die Pensionisten nicht verarmen, ist der Wertverlust privater Anlagen und Ersparnisse zum privaten Problem geworden. So ist eben der Markt und da ist niemand verantwortlich außer dem Marktteilnehmer. Der Umstieg von einem gesetzlichen zu einem privaten Pensionssystem bringt daher keine höhere Sicherheit, im Gegenteil, er privatisiert das Risiko. Nicht mehr der Staat ist für die soziale Sicherheit verantwortlich, sondern jeder Einzelne selbst. Und da wollen wir wirklich hin?
Übrigens sollten sich jene, die darüber klagen, dass in dreißig Jahren »bald ein Pensionist auf jeden Beitragszahler« kommen werde und wir uns das nicht mehr leisten könnten, weswegen wir rasch auf das »sichere« Kapitaldeckungssystem umsteigen müssen, vor Augen halten, was sie da eigentlich empfehlen: Denn im Kapitaldeckungsverfahren kommt immer und per Definition ein Beitragszahler auf einen Versicherten. Denn jeder zahlt sich ja seine Pension selbst. Und hier soll gehen, was das andere System zum Zusammenbruch bringen wird? Wenn, dann nur mit vergleichbar höheren Beiträgen oder mit deutlich niedrigeren Leistungen.

Alterssicherung braucht Vertrauen

Die Probleme unseres Pensionssystems sind möglich. Wir stehen ja auch nicht in einer »Stunde null«, es haben vielmehr die bisherigen Regierungen bereits in hoher Verantwortlichkeit viele Maßnahmen gesetzt, die oft erst in zehn oder zwanzig Jahren (dann, wenn sie notwendig sein werden) ihre Wirkung entfalten werden, etwa die 1991 beschlossene Nettoanpassung oder die 1997 beschlossene Pensionsreform. Aber es sind auch in der Zukunft weitere Maßnamen nötig.
So muss etwa rasch das Problem angegangen werden, dass Budgetpolitik auf Kosten der Pensionen gemacht werden kann. Daher sollte der jetzige allgemeine Bundesbeitrag auf eine personenbezogene Finanzierung konkreter Ersatzzeiten umgestellt werden. Dann müssten die Ersatzzeiten für den Heeresdienst aus dem Heeresbudget, für den Zivildienst aus dem Innenbudget, für die Kindererziehungszeiten aus dem Familienbudget usw. gezahlt werden und die Begehrlichkeit des Finanzministers, vom großen Einzelbetrag »Bundeszuschuss zu den Pensionen« ein Kuchenstück abzuschneiden, würde sinken.
Es müsste aber auch endlich dem Prinzip »Gleiche Leistungen nur bei gleichen Beitragssätzen« zum Durchbruch verholfen werden. Insbesondere im Bereich neuer Beschäftigungen ist das nötig. Denn heute kann die gleiche Beschäftigung (etwa eine Beratungstätigkeit) im ASVG angemeldet mit 22,8 Prozent Pensionsbeitrag versehen sein; oder es handelt sich um eine »Neue Selbständigkeit«, dann werden 16 Prozent fällig; unterliegt diese Tätigkeit aber dem FSVG, sind es 20 Prozent. Hat der/die Betreffende aber einen Gewerbeschein, sind für diese Tätigkeit nur 14,5 Prozent Pensionsversicherungsbeiträge abzuführen. Die Pensionsleistungen sind in allen Fällen in etwa gleich. Mit diesem Unfug muss Schluss gemacht werden, freilich ohne die kleinen Gewerbetreibenden oder neuen Selbständigen über Gebühr zu belasten. Hier ist (wieder) eine Umverteilung innerhalb der Selbständigen nötig, um endlich Beitragsgerechtigkeit zu erreichen.
Auch die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe könnte einen wesentlichen Beitrag zu einer langfristigen Stabilisierung der Pensionsversicherung leisten und würde gleichzeitig die Lohnnebenkosten senken, also die österreichische Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen.
Aber eines muss uns klar sein: Das gesetzliche Pensionssystem, das auf dem ideellen Vertrag der beitragszahlenden mit der leistungsbeziehenden Generation aufgebaut ist, kann nicht bestehen, wenn es sein wertvollstes Gut verliert: das Vertrauen!
Unser gesetzliches Pensionssystem kann letztlich ökonomisch und demographisch noch so stabil sein, wenn eine ernst zu nehmende Zahl von Menschen das Vertrauen verliert, selbst jemals eine Pension zu erhalten, die in einem vertretbaren Verhältnis zu den geleisteten Beiträgen steht, werden sich die Menschen scharenweise aus dieser Solidargemeinschaft verabschieden und letztlich jene politische Option unterstützen, die ihnen eine Alternative verspricht.
Wer diese Zerstörung unseres leistungsfähigen, sicheren und guten Systems nicht will, muss dieser Vertrauensgefährdung wirkungsvoll Einhalt gebieten und dazu beitragen, das Vertrauen der Menschen in das gesetzliche Pensionssystem zu erhalten und zu verbessern. Diese Aufforderung gilt auch für Bundesregierungen.

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Tom Schmid (Politikwissenschafter und Leiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819046317 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819046326 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Sep 2000 00:00:00 +0200 1201819041440 Zwischen Rot und Grün | Bemerkungen zur Zukunft des Beschäftigungsproblems »Es gilt, aus dem Teufelskreis auszubrechen, dass wir immer mehr an Produktion, an Leistung aus uns herauspressen, um den Wert jener Freizeit zu steigern, der ja doch infolge der Arbeitsbelastung sinkt«.
(Erwin Weissel 1997)

Die siebziger Jahre brachten eine entscheidende Zäsur in der ökonomischen und politischen Nachkriegsentwicklung der kapitalistischen Staaten. Ein gesellschaftlicher Konsens ermöglichte in den Nachkriegsjahren eine breite Akzeptanz wohlfahrtsstaatlicher Konzepte. Insbesondere sollten Arbeitslosigkeit und extremer Protektionismus zurückgedrängt werden. Dieser Konsens konnte zustande kommen, weil auf ökonomischer Seite mehrere günstige Bedingungen (Nachkriegs-Wiederaufbau, rückgestaute Konsum- und Investitionsnachfrage etc.) sowie erweiterte theoretische und wirtschaftspolitische Erfahrungen zur Verfügung standen und auf politischer Seite ein durch die soziale Aufbruchstimmung der dreißiger und vierziger Jahre verschrecktes Bürgertum eine größere Konzessionsbereitschaft in Richtung einer aktiveren Sozial- und Beschäftigungspolitik an den Tag legte.

»Goldene« Sechziger

Dieser Konsens führte zu jener »goldenen« Periode der sechziger Jahre, die eine für die Geschichte des Kapitalismus ungewöhnlich lange Zeitspanne hohen Wachstums und hoher Beschäftigung mit sich brachte. Sehr bald zeigte sich jedoch, dass diese willkommenen Resultate zum Teil mit anderen ökonomischen Zielen und Erfordernissen, insbesondere Preisstabilität und Zahlungsbilanzgleichgewicht, in Konflikt kommen können. Daraus entstand das Problem der so genannten »magischen Vielecke«, das heißt der Schwierigkeit, mehrere miteinander in Konflikt stehende Ziele gleichzeitig zu verfolgen. Aber im Rahmen des Konsenses für die grundlegenden Ziele der Beschäftigung und des Wachstums bemühte man sich, möglichst tragbare wirtschaftspolitische Wege und Kompromisse zu finden (zum Beispiel Lohn- und Preispolitik), um eventuell notwendige Abstriche in der einen oder anderen Zielsetzung in Grenzen zu halten.

Im Laufe der siebziger Jahre begann dieses System allmählich abzubröckeln und schließlich ganz zusammenzubrechen: Die expansiven Kräfte des nachkriegsbedingten Aufbau- und Nachholbedarfs waren erschöpft und erste Anzeichen eines wiederauflebenden Konjunkturzyklus machten sich schon zu Ende der sechziger Jahre bemerkbar; die andauernd hohe Beschäftigung und die inflationistische Finanzierung des amerikanischen Vietnamkriegs verschärften das Inflationsproblem und führten zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems; und schließlich versetzte der Ölpreisschock (1973) der bereits labilen Situation einen weiteren Stoß. Diese äußeren Umstände mussten wohl unweigerlich eine Störung des »goldenen« Zustands der sechziger Jahre herbeiführen. Aber nichts sprach dagegen, dass man nach einigen notwendigen Korrekturen wieder einigermaßen auf den früheren wirtschafts- und sozialpolitischen »Erfolgskurs« zurückkehren könne.1)

Dass dies nicht geschah, hatte seinen entscheidenden Grund in tief greifenden Umschichtungen in der gesellschaftlichen Macht- und Interessenlage. Zu Beginn der siebziger Jahre hatte die Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit mit ihrem starken Druck für Reformen ihren Schwung verloren, und die konservativen Strukturen früherer Jahre hatten wieder Fuß gefasst. Dies bedeutete, den Sozialstaat und die Gewerkschaften mit ihren Ansprüchen auf hohe Beschäftigung und materielle Absicherung zurückzudrängen und es den privaten Kapitalinteressen zu ermöglichen, auf »freien« Märkten Gewinn bringend disponieren zu können. Gestützt auf zum Neoliberalismus aufpolierte alte liberale ökonomische Ideen und Forderungen wurde der Konsens der sechziger Jahre aufgekündigt. Vollbeschäftigung und soziale Sicherheit verschwanden aus der aktuellen Agenda mit vagen Andeutungen, dass diese Ziele - soweit sie »effizient« und wünschenswert seien - automatisch vom funktionierenden Markt abgedeckt werden würden.

Störungsanfälligkeit der »freien« Marktwirtschaft

Wie nicht anders zu erwarten, konnten diese Aussichten nicht realisiert werden. Die historisch belegte Störungsanfälligkeit einer »freien« Marktwirtschaft kam wieder deutlich zum Zug und schlug sich bei wachsender weltweiter Deregulierung (GATT, WTO, IMF, OECD etc.) und insbesondere in der Europäischen Union mit ihrem extrem einseitigen kapitalfreundlichen Maastricht- und Stabilitätsprogramm in wachsenden Einkommensdifferenzen, Armutsproblemen und vor allem in einer von Konjunkturzyklus zu Konjunkturzyklus steigenden Arbeitslosigkeit nieder.

Insbesondere in Westeuropa, wo die offizielle Propaganda ihre radikal-neoliberale Wirtschafts- und Währungspolitik in einem »Crash-Kurs« unterstützte, lässt sich diese Diskrepanz zwischen interessenorientierter Aktivität und politisch opportunen Versprechungen besonders deutlich erkennen. Zu Beginn der neunziger Jahre, als eine Beschleunigung des Deregulierungs- und Integrationsprozesses und die Einführung einer gemeinsamen Währung in Angriff genommen wurde, häuften sich die optimistischen Prognosen und Versprechungen, wie positiv sich diese konservativen »wirtschaftsfreundlichen« Maßnahmen schon nach wenigen Jahren auswirken würden. Die Realität sah und sieht anders aus. Die Arbeitslosigkeit war im Verlauf dieser Jahre nicht nur nicht gesunken, sondern in nahezu allen Ländern weiter gestiegen.

Eklatante Misserfolge im Beschäftigungsbereich zudecken?

Um die Wirkung dieser enttäuschenden (aber von manchen Ökonomen vorhergesagten) Entwicklung zu entschärfen, wurde noch mehr als zuvor eine dominierende Priorität des Preisstabilitätsziels und der Budgetbeschränkungen in den Vordergrund geschoben und die Beschäftigungsfrage vernachlässigt. Die Erfolge auf dem Gebiet der Inflationsbekämpfung und der Jubel über die Geburt des EURO sollten den eklatanten Misserfolg im Beschäftigungsbereich zudecken. Aber die Realität der Arbeitslosigkeit konnte schließlich nicht weiter heruntergespielt werden. Sie bewirkte einen politischen Druck, der sich allmählich in den Wahlergebnissen niederschlug und schließlich dazu führte, dass die Beschäftigungsfrage wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde.

Dort nimmt sie jetzt wieder einen breiteren Raum ein. Zunächst allerdings überwiegend nur in der politischen Rhetorik. Politisch und wirtschaftspolitisch hat sich bisher noch wenig bewegt. Nach wie vor wird eine Wirtschaftspolitik verfolgt, die neoliberal orientiert und auf die Interessen der großen Industrie- und Finanzkonzerne zugeschnitten ist. Verstärkte Anstrengungen, die Probleme allein durch Flexibilisierung und Schulung der Arbeitskräfte sowie Lohnsenkungen in den Griff zu bekommen, scheitern am Mangel einer makroökonomischen Beschäftigungspolitik. Sie führen vielfach nur zu zusätzlicher Frustration, wenn »lebenslanges Lernen« und der Verzicht auf soziale Errungenschaften seitens der Arbeitnehmer nicht die erwünschte Landung auf einem Arbeitsplatz ermöglichen.

Drei gesellschaftliche Strömungen

Die rahmenbedingten Beschränkungen beschäftigungspolitischer Initiativen durch die herrschende neoliberale Ausrichtung kann nicht genügend betont werden. Ohne eine Reform der Rahmenbedingungen können die Anstrengungen einzelner Regierungen nur sehr beschränkt erfolgreich sein. Zwei Folgerungen ergeben sich aus dieser Situation. Die erste betrifft vor allem die politische Szene. Europäische Parteien und Regierungen, die aufgrund ihrer Bereitschaft, die Arbeitslosigkeit drastisch zu reduzieren, demokratisch gewählt wurden, sind zu Misserfolgen verurteilt. Wenn sie zudem nicht bereit sind, die neoliberalen Rahmenbedingungen und die hinter ihnen liegenden Interessen und Kräfte anzugreifen, müssen sie früher oder später diskreditiert werden. Das öffnet populistischen und demokratiefeindlichen Entwicklungen Tür und Tor. Die zweite Folgerung, die mit der ersten eng verknüpft ist, läuft darauf hinaus, dass wirksame Vorschläge und Strategien zur »Lösung« der Arbeitsmarktprobleme nur von gesellschaftlichen Gruppen kommen können, welche nicht vor einer zumindest teilweise kapitalismuskritischen (Kapitalismus in der heutigen neolibera- len Globalform) Haltung zurückschrecken.

In dieser Richtung bieten sich heute drei gesellschaftliche Strömungen an: 1. die traditionelle Gewerkschaftsbewegung (einschließlich dem linken Flügel sozialistischer Parteien); 2. die Frauenbewegung und 3. die ökologische Bewegung.

Gemeinsames: Kritik am »Turbo«-Kapitalismus

Die Gemeinsamkeit der drei Strömungen besteht in einer kritischen und reformorientierten Einstellung gegenüber der herrschenden Dominanz eines neoliberal inspirierten deregulierten »Turbo«-Kapitalismus. Aber wenn es um konkrete Kritikpunkte und anzustrebende Reformen geht, so lassen sich deutliche Unterschiede in den Perspektiven der drei Gruppen erkennen. Für die Arbeiterbewegung steht die gegenwärtige hartnäckige immer wiederkehrende Tendenz zu Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt: Die sofortige und dauernde Beseitigung dieser Bedrohung der gesamten Arbeiterschaft durch die ökonomisch und sozial negativen Wirkungen der Arbeitslosigkeit. In der Frauenbewegung geht es vor allem um ein Verteilungsproblem. Die Diskriminierung der Frauen soll beseitigt werden. Bei der ökologischen Perspektive schließlich geht es um die Herstellung eines ökologisch verträglichen Wirtschafts- und Arbeitsprozesses, der ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ermöglichen soll.

Konflikte zwischen »Rot« und »Grün«

Dies sind drei verschiedene Zielpunkte, die aber nicht unbedingt in Widerspruch zueinander stehen. So ist zum Beispiel Vollbeschäftigung für alle Beteiligten als wünschenswerter »Hintergrund« akzeptiert. Die Forderungen der Frauen können im Prinzip ohne Schwierigkeit in die beiden anderen Zielsetzungen eingebaut werden, wenn die politischen Widerstände seitens der davon betroffenen Unternehmen und/oder Berufsgruppen überwunden werden. Eine prinzipielle Schwierigkeit ergibt sich hingegen bei einer Konfrontation der Ziel- und Strategievorgaben der »Arbeiter« einerseits und der »Ökologen« andererseits. Hier treffen wir auf einige schwer vereinbare Anforderungen und Perspektiven, welche verschiedene nicht leicht lösbare Probleme aufwerfen. Diese Probleme sollen jetzt behandelt werden.2)

Will man die Ursachen für Konflikte zwischen »Rot« und »Grün« in komprimierter Form andeuten, so entspringen sie letzten Endes Unterschieden in der Gewichtung alternativer zeitlicher Perspektiven. Für das rote Vollbeschäftigungsziel steht der unmittelbare sozio-ökonomische Druck der Arbeitslosigkeit im Vordergrund. Die »Grünen« hingegen, mit ihrer Betonung des längerfristigen Konflikts einer im heutigen Stil ständig wachsenden Wirtschafts- und Arbeitswelt und einer begrenzten Natur, sehen vor allem die Dringlichkeit von Änderungen in den Grundlagen der Wachstums- und Arbeitsphilosophie.

Humanistische Ziele

Beides sind offensichtlich humanistische Ziele, welche es mit dem beliebten Bekenntnis, dass »der Mensch im Mittelpunkt stehe«, ernst nehmen. Es sind auch nicht prinzipiell unterschiedliche Ziele. Aber wenn es zu praktischen Fragen der Arbeitswelt und der Wirtschaftspolitik kommt, stellt sich heraus, dass die unterschiedliche Gewichtung der Perspektiven zu schwer überbrückbaren Gegensätzen führen kann oder muss.

Ein Hauptproblem, das hinter all den noch zu besprechenden Schwierigkeiten steht, betrifft eine gewisse »time-inconsistency« welche eine kombinierte »rot-grüne« Strategie mit sich bringt. Es ist ja nicht so, dass wir es mit einem einfachen, klar abgegrenzten Zweiperiodenschema zu tun haben, mit dem gegenwärtigen Kapitalismus mit seinen Wachstumserfordernissen als Grundlage für Gewinne, Investitionen, Konkurrenzfähigkeit und eine darauf aufbauende Vollbeschäftigungspolitik, dem dann später eine neue Ära folgen muss, in der der Produktionsfortschritt einerseits und ökologische Zwänge andererseits (nebst sozialen Erfordernissen) entscheidende Änderungen erzwingen werden, durch die Wachstum und Erwerbsarbeit zum Teil reduziert und zum Teil umgemodelt werden müssen, mit dem Ziel, ausreichende Ressourcen- und Energieersparnisse zu ermöglichen. Wenn dem so wäre, so könnte man wenigstens einigermaßen konsistente Pläne entwerfen, welche zunächst eine »rote« Beschäftigungsstrategie unterstützen, von der man dann auf »grüne« Strategien umsteigt. In Wirklichkeit haben wir es jedoch mit allmählichen Übergängen in einer dynamischen Welt zu tun.

Diese Umstände schaffen selbstverständlich Probleme für viele in die Zukunft reichende Überlegungen, wie zum Beispiel Fragen der öffentlichen Infrastruktur, langfristiger Investitionen usw. Aber sie erhalten eine besonders einschneidende Bedeutung, wenn es um Fragen der Arbeitspolitik geht. Und dies aus dem einfachen Grund, weil es hier im Gegensatz zu Sachinvestitionen um Menschen geht. Intensiviert wird dieser Unterschied durch den Umstand, dass den Menschen betreffende Umstellungen, wie sie der Arbeitsprozess erfordert, emotionelle und soziale Effekte ins Spiel bringt. All dies hat einen Einfluss bei jeder Änderung in den äußeren Umständen des Arbeitsmarkts. Aber während das normalerweise nur kleinere Probleme und Anpassungen nach sich zieht, gewinnen diese bei einem so umwälzenden Prozess, wie wir ihn hier im Auge haben, weit bedeutendere Dimensionen.

Schwierigkeiten und Möglichkeiten einer beschäftigungsorientierten Politik

Es geht hier um die Frage, welche Schwierigkeiten bzw. welche Möglichkeiten für eine beschäftigungsorientierte Politik bestehen, wenn man sowohl das »rote« als auch das »grüne« Anliegen im Auge hat. Dabei wird angenommen, dass sich die kommende »ökologische« Periode, begleitet von weiterem technischen Fortschritt und einer wachsenden Arbeitsproduktivität, von der heutigen Situation, was den Arbeitssektor betrifft, vor allem dadurch unterscheiden wird, dass ressourcenverzehrende Produktions- und Konsumtendenzen eingebremst werden und die Erwerbsarbeit drastisch zugunsten von Freizeit verringert wird, die (eventuell verknüpft mit einem Grundeinkommen) für Eigenarbeit, Bildung, Muße etc. verwendet werden kann. Die Erwerbsarbeit wird weiterhin durch den technischen Fortschritt vielfach rasch wechselnde Formen annehmen und eine hohe Flexibilität erfordern, wie dies zum Teil schon heute der Fall ist.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die »ökologische« Welt nicht nur andere Institutionen und Technologien brauchen wird, sondern auch einen anderen Menschen. Der heutige »moderne« Mensch ist zu einem Individuum sozialisiert worden, das die Erwerbsarbeit als einen Lebensmittelpunkt empfindet. Ausreichende und möglichst ertragreiche Erwerbsarbeit wird nicht nur Mittel zum Zweck, sondern ein unmittelbares Lebensziel. Für diesen Menschen und auf diesen Menschen ist eine unmittelbare (»rote«) Vollbeschäftigungspolitik genau zugeschnitten.

Die Zukunft des »postmodernen« Menschen

Eine ökologisch und auch technisch veränderte Zukunft muss sich von dieser unqualifiziert expansionshungrigen kapitalistischen Erwerbsgesellschaft unterscheiden und mit ihr auch der arbeitende Mensch. Dieser »postmoderne« Mensch wird weniger Zeit für Erwerbsarbeit aufbringen müssen und weit mehr Zeit für andere Tätigkeiten zur Verfügung haben. Lebenserfüllung und Arbeitszufriedenheit erfordert dann Menschen, die nicht mehr in der Erwerbsarbeit ihren dominierenden Lebensinhalt und die Bestätigung ihres sozialen Status suchen, sondern diese bloß als einen manchmal mehr, manchmal weniger geliebten Teil eines viel umfangreicheren Tätigkeitsbereichs sehen, mit dem die gewachsene Freizeit ausgefüllt wird. Die Formung solcher Menschen und Zustände erfordert aber tief greifende Änderungen in traditionellen Institutionen und Einstellungen. Erwerbsarbeit wird ihren hohen Stellenwert als Statusmerkmal verlieren müssen und mehr der Frage nach Sinn oder Unsinn von Tätigkeiten Platz machen. Weiters müssten Bildung und Ausbildung wieder weit mehr an alte humanistische Zielsetzungen anknüpfen und an den »ganzen« Menschen und seine Entwicklung denken, der es lernt, frei von Langeweile und Pensionsschock seine ihm zur Verfügung stehende Freizeit in einer für ihn sinnvollen Weise »lustbetont« auszufüllen.

Trägheit

Das entscheidende »Rot-Grün«-Dilemma ist nun die extreme Trägheit in der Wandlung gesellschaftlicher und individueller Wertvorstellungen und Normen. Die Gegenwart und die auf sie ausgerichtete Vollbeschäftigungsperspektive erzeugt und benötigt Menschen mit einer nicht nur ökonomisch bedingten starken Motivierung zur Teilnahme an der traditionellen Erwerbsarbeit. Dies mag für die mittlere und ältere Generation noch einigermaßen angemessen sein. Jüngere und künftige Jahrgänge werden in Bildung, Zeitplanung, Motivierung und Werthierarchien ganz andere Fähigkeiten und Vorstellungen haben müssen. Andererseits benötigt eine breite Umstellung auf die kommende alternative Welt einen langwierigen Lern- und Umdenkungsprozess. Die Spannweite zwischen diesen Positionen zeigt sich zum Beispiel in dem Gegensatz zwischen den weit verbreiteten gereizten Reaktionen gegen ein Grundeinkommen einerseits und der extremen Ablehnung traditioneller Berufskarrieren durch einige »Aussteiger« andererseits, welche die »Brüchigkeit« einer einseitigen Erwerbsphilosophie bereits avantgardistisch vorwegnehmen.3)

Zusammenfassung

Die Ausführungen haben versucht zu zeigen, dass es in dieser Hinsicht offensichtlich keine einfachen Rezepte geben kann. »Rot« und »Grün« sind beides humanistisch motivierte Entwürfe, die aber zum Teil auf einen schwer überbrückbaren »trade-off« in der Gewichtung der notwendigen Schritte und ihrer Periodisierung stoßen. Es sollte aber nicht übersehen werden, dass über weite Bereiche die beiden »Farben« durchaus problemlos im Gleichschritt marschieren können (bzw. könnten). Wie schon eingangs erwähnt wurde, vereint die beiden Gruppen eine Bereitschaft, die ihren Reformvorschlägen entgegenstehende Vorherrschaft der neoliberalen Philosophie eines völlig deregulierten Kapitalismus zu bekämpfen. Aber auch in positiver Hinsicht gibt es Gemeinsamkeiten. So ist die Forderung nach einer Fortsetzung der historischen Tendenz zu einer Kürzung der (Erwerbs-) Arbeitszeit sowohl im Sinne unmittelbarer Arbeitsplatzvermehrung wie im Sinne längerfristiger Akzeptanz sinnstiftender nicht erwerblicher Tätigkeitsmöglichkeiten von Bedeutung. Auch Flexibilität ist generell erwünscht, allerdings auch hier wieder mit unterschiedlichen Gewichten: kurzfristige Flexibilität der Qualifikation (»lebenslanges Lernen«?) zwecks größerer Beschäftigungseignung (Anpassung an heutige Wirtschaftsbedürfnisse) auf der einen Seite, (zusätzlich dazu) längerfristige Flexibilität in der Wahl alternativer Lebensstile (zum Beispiel geteilte Hausarbeit) auf der anderen. Letztendlich soll noch betont werden, dass bei allen Unterschieden, die es bezüglich der Reihung und Periodisierung von Zwischen- und Endzielen bei »Rot« und »Grün» gibt, beide doch im Prinzip dem gleichen »Endziel«, der gleichen »Utopie« zustreben:4) Die Schaffung einer Welt mit hoher ökonomischer Produktivität und hohem solidarischen Zusammenhalt, in der sich alle Menschen in ihrer Tätigkeit voll entfalten können.

LITERATURVERZEICHNIS
Bosch, G. (Hrsg.) (1998): Zukunft der Erwerbsarbeit. Strategien für Arbeit und Umwelt, Frankfurt/Main.
Falk, R. (1997): State of Siege: Will Globalization Win Out?, in: International Affairs vol. 73/1, 123-136.
Greenpeace und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (1999): Wirtschaft ohne Wachstum?, Wiesbaden.
Kurz-Scherf, I., Senghaas-Knobloch, E. (1993): Arbeit zwischen Rationalisierung und gesellschaftlicher Modernisierung, Bonn.
Weber, F., Venus, T. (Hrsg.) (1993): Austro-Keynesianismus in Theorie und Praxis, Wien.
Weissel, E. (1997): Diskussionsbeitrag in Paul-Horn, I. (Hrsg.): Transformation der Arbeit. Prozesswissenschaftliche Erforschung einer Grundkategorie, Wien.
Dieser Beitrag ist leicht gekürzt aus der Festschrift für Erwin Weissel:
»Politische Ökonomie, Macht und Arbeitnehmerinstitutionen im Kapitalismus.«
Herausgegeben von Josef Schmee, Metropolis-Verlag Marburg 2000, Preis ca. S 480,-

1) Die in Österreich verfolgte Kreisky'sche »austro-keynesianische« Politik einer anhaltend beschäftigungsorientierten Strategie basierte auf dieser Annahme und versuchte, die Rückschläge durch ein »Durchtauchen« zu mildern bzw. zu vermeiden (Weber und Venus 1993).
2) Siehe dazu auch die verschiedenen Perspektiven in den Beiträgen in Greenpeace und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (1999)
3) Ansätze zu einem Wertewandel beginnen sich, wie Umfrageergebnisse zeigen, seit den achtziger Jahren auf etwas breiterer Ebene bemerkbar zu machen (Kurz-Scherf und Senghaas-Knobloch 1993, 23 ff.). 4) Zu dieser Utopie haben sich so verschiedene »große Geister« wie Marx, John Stuart Mill und Keynes bekannt.

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Kurt Rothschild (emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften der Universität Linz) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Sep 2000 00:00:00 +0200 1201819041406 ÖIAG: Rausverkauf - der letzte Akt? | Hintergründe und Alternativen 1) in die ÖIAG (Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft) festgelegt. Erklärtes Ziel: Endgültiger Abbau der Schulden durch umfassende Privatisierungen. Notwendigkeit oder Vorwand?]]> Mit 122.571 Beschäftigten, einem Umsatz von 326 Milliarden Schilling (ohne PSK), einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) von 16,8 Milliarden Schilling sowie einem ÖIAG-Börsenindex, der in den letzten Jahren im Schnitt 20 Punkte über dem ATX lag, nimmt die ÖIAG eine wichtige und erfolgreiche Position in der österreichischen Wirtschaft ein.2)

Wollt ihr die totale Privatisierung?

Was bedeutet nun die von der FPÖVP-Koalition letztlich geplante Totalprivatisierung der in der ÖIAG zusammengefassten Staatsbetriebe und der ehemaligen Verstaatlichten Industrie?

Zunächst stellt sich die Frage, warum überhaupt weiter privatisieren, wenn die Betriebe - wie ersichtlich - erfolgreich wirtschaften?

So lag im Geschäftsjahr 1999/2000 z. B. des VOEST-ALPINE (VA) Stahl Konzerns der Betriebserfolg vor Abschreibungen bezogen auf den Umsatz (EBITD-Marge) bei 13,1 Prozent. Damit war die VA Stahl im vergangenen Jahr der beste europäische Stahlkonzern. Zum Vergleich: Der deutsche Stahlkonzern Thyssen-Krupp erreichte nur eine EBITD-Marge von 10 Prozent. Was die Privatisierungsdebatte der neuen Regierung bisher angerichtet hat und was beim Privatisieren konkret herauskommen könnte, sei wieder am Beispiel der VA Stahl veranschaulicht: Obwohl zur Zeit wirtschaftlichstes Stahlwerk Europas, betrug Ende März dieses Jahres ihr Börsenwert 14,531 Milliarden Schilling und lag damit um 5,146 Milliarden niedrieger als ihr Eigenkapital in Höhe von 19,677 Milliarden Schilling.3) Allein diese - schon bei einem Betrieb anfallende - Differenz von 5,146 Milliarden Schilling wäre ein enormer Privatisierungsverlust, Veräußerung von Volksvermögen weit unter seinem Wert.

Darüber hinaus gehen dem Staat bei jedem Verkauf seines Eigentums an Private die laufenden Erlöse (Dividendenzahlungen) verloren. Und schließlich bedeutet Privatisierung in Österreich letztlich auch Ausverkauf ans Ausland, weil so viel inländisches Privatkapital nicht vorhanden ist.

»Wir haben in Österreich, anders als in fast allen anderen europäischen Ländern, keine anderen strategischen Investoren als den Staat«, weiß auch der frühere ÖVP-Finanzstaatssekretär und Wirtschaftsminister sowie nunmehriger ÖIAG-Finanzvorstand Johannes Ditz.4)

Genau diese von Ditz angesprochene Problematik stand eigentlich auch schon Pate für die - politisch halbherzige - Zustimmung der ÖVP zur von SPÖ und ÖGB forcierten Verstaatlichung im Jahr 1946. Kein Privater hätte das Kapital für den Wiederaufbau solch gewaltiger Wirtschaftszweige aufbringen können.

Zukunftskonzept für die ÖIAG

Auszug aus der Resolution des ÖGB-Bundesvorstands vom 8. Juni 2000

Der ÖGB fordert:

- Die dauerhafte Kernaktionärsrolle der ÖIAG mit einem Mindestanteil von 25 Prozent plus einer Aktie.

Damit wird die Voraussetzung geschaffen, dass die wesentlichen Entscheidungen über Investitionsprogramme, Forschung und Entwicklung, den Ausbau industrienaher Dienstleistungen und von Aus- und Weiterbildungsprogrammen weiterhin in Österreich zu Gunsten der österreichischen Standorte getroffen werden. Dies gewährleistet in weiterer Folge den Ausbau der Wertschöpfung und die Schaffung neuer bzw. die Sicherung bestehender hochwertiger Arbeitsplätze in unserem Land.

Das Privatisierungsprogramm der Bundesregierung führt dagegen zu einem Ausverkauf von strategisch bedeutenden österreichischen Unternehmen ans Ausland. Das neue ÖIAG-Gesetz gefährdet Tausende Arbeitsplätze. Darüber hinaus drohen deutliche Verschlechterungen bei den betrieblichen und überbetrieblichen Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

In deutschen Händen ...

Doch nicht nur die Kapitalschwäche der einzelnen österreichischen Industriellen war die Triebkraft dafür, dass Österreichs Schlüsselindustrie nach dem Zweiten Weltkrieg verstaatlicht wurde: Da Österreichs Großindustrie zwischen 1938 und 1945 beinahe zur Gänze in deutsche Hände gelangt war, fast vollständig unter der Leitung nazideutscher Direktoren und Ingenieure bzw. in der Rüstungsindustrie unter militärischer Aufsicht stand, waren viele ihrer Betriebe mit Ende des Kriegs »herrenlos« geworden.5) Zum anderen drohte Österreich bei einer großzügigen Auslegung des Begriffs »Deutsches Eigentum« durch die Alliierten die Beschlagnahme zu Reparationszwecken, das heißt, der Verlust eines Großteils seines Wirtschaftspotentials.6)

Als Lieferant von Rohmaterial und halbfertigen Waren für die weiterverarbeitende Industrie haben die verstaatlichten Betriebe dem Wiederaufbau der Privatwirtschaft einen schätzenswerten Dienst geleistet, stellte der ehemalige ÖVP-Bundeskanzler Alfons Gorbach fest. Tatsächlich haben die Preisnachlässe der Verstaatlichten für die österreichischen Privatunternehmer von 1946 bis 1955 8,4 Milliarden Schilling ausgemacht.7)

Trotzdem entwickelte sich die Verstaatlichte in der Nachkriegszeit im Rahmen der Gemeinwirtschaft zum Motor der österreichischen Wirtschaft. So führte sie zwischen 1956 und 1982 allein rund 157 Milliarden Schilling an Steuern ab und investierte im gleichen Zeitraum 131,1 Milliarden Schilling.8)

Doch mit dem weltwirtschaftlichen Konjunktureinbruch Mitte der 70er Jahre bekam die Verstaatlichte die ihr aufgebürdeten Lasten der Vergangenheit zu spüren.

So war es der Verstaatlichten bis in die 70er Jahre hinein untersagt, in die Finalproduktion einzusteigen, um für die Privatunternehmen keine Konkurrenz zu werden. Die Verstaatlichte hat so jahrzehntelang die Privatwirtschaft subventioniert, wodurch ihr kein Geld für eigene Investitionen blieb. Als sie dieses aufgrund der konjunkturellen Schwankungen benötigte, selbst dann gewährte der Eigentümer Staat der ÖIAG keine nennenswerten Zuschüsse. Während der Stahlkrise wurde beispielsweise die EG-Stahlindustrie mit 750 Schilling je Tonne Stahl, die österreichische Stahlin-dustrie hingegen nur mit 60 Schilling je Tonne Stahl subventioniert.9) Aber nicht nur das. Zusätzlich führte die Art und Weise der Mittelzuführung dazu, dass die ÖIAG unverschuldet zum »Verlustunternehmen« gemacht wurde.
Anfang der siebziger Jahre: Erzeugnisse der VOEST gingen in alle Welt. Hier wird einer der beiden größten LD-Tiegel mit einer Kapazität von 300 Tonnen für ein Hüttenwerk in Toronto montiert

Wer ist schuld an den Schulden?

Per Ende Juli 2000 betrugen die Schulden der »ÖIAG-neu« etwa 74,5 Milliarden Schilling, davon entfallen rund 30 Milliarden Kredite auf die nunmehr mit der ÖIAG verschmolzene PTBG. Bis heute brachten diese beiden Privatisierungswellen von ÖIAG-Tochtergesellschaften (1987-1993, 1994- 2000) Erlöse von 27,70 und 75,83 Milliarden Schilling, also insgesamt 103,53 Milliarden Schilling.10)

Während in allen anderen Ländern die in Bedrängnis geratenen Firmen Direktzahlungen aus dem Budget erhielten, hat die österreichische Regierung der ÖIAG bloß genehmigt, Kredite aufzunehmen. Der Bund ist nur eine Refundierungsverpflichtung und eine Haftung eingegangen, bedient hat er diese Kredite aber nicht. Das hat nicht nur dazu geführt, dass die Kredite, sondern auch teure Kreditzinsen zurückgezahlt werden mussten, die bei Direktsubventionierung aus dem Budget bei der ÖIAG nicht angefallen wären.11)

Für jede aufgenommene Milliarde musste so fast eine zweite an Zinsen zurückgezahlt werden. Das heißt, die »Verluste« der Betriebe und die Opfer, die die Beschäftigten in Form von Lohn- und Gehaltskürzungen sowie Arbeitsplatzverlust zu erbringen hatten, waren und sind die Gewinne der in- und ausländischen Banken.

Überdies erfolgte bei der ÖIAG - entgegen der üblichen Usancen für den öffentlichen Bereich - eine Doppelzählung der Finanzierungen. Während etwa bei der CA, bei der Landwirtschaft oder auch bei General Motors nur der gegebene Betrag als Förderung gezählt wird, werden bei der ÖIAG die Zinsen mit einberechnet, was die »Subventionierung« der Verstaatlichten im österreichischen Vergleich natürlich horrend aussehen lässt. Komplettiert wurde diese verquere Darstellung dadurch, dass die so berechneten »Verluste« mit den damals tatsächlich entstandenen Verlusten aus Spekulationsgeschäften (Intertrading-Ölgeschäfte) in einen Topf geworfen wurden.12) Obendrein machten die Medien die »privilegierten Arbeiter«, die zu teuer, zu viele und zu langsam seien, von der VOEST in Linz bis zur VOEST-Alpine im steirischen Donawitz für die »Verluste« verantwortlich. Man mobilisierte die »Steuerzahler-Öffentlichkeit«, die doch ein Recht darauf hätte, dass die »Verluste« der »defizitären Arbeiter« ein Ende haben müssten. So wurde von den Massenmedien in Wirklichkeit eine Öffentlichkeit für die Zinsgewinne der Banken, denn nichts anderes war die Großzahl der »Verluste«, und eine Stimmung gegen die Verstaatlichte geschaffen.13)

Massiver Arbeitsplatzabbau So kamen - bei tatsächlich 61 Milliarden aufgenommenen Mitteln - die bis heute kolportierten 100 Milliarden ÖIAG-»Schulden« zustande. Diese dienten dann als Vorwand für den massiven Arbeitsplatzabbau von Zehntausenden in der Verstaatlichten Beschäftigten und auch zur Auflösung der »Austrian Industries« (AI) als einheitlicher Industriekonzern und sollten die Privatisierung von Teilen der Verstaatlichten auch über die 50-Prozent-Grenze hinweg legitimieren (ÖIAG-Gesetz 1993).

Dass die ÖIAG-Betriebe hochprofitabel sind und weder dem Steuerzahler noch dem Budget auf der Tasche liegen, zeigt die Dividendenleistung für das Jahr 1998 14): So werfen allein die noch verbliebenen Bundesbeteiligungen, welche die ÖIAG an den Firmen hält, Dividenden in der Gesamthöhe von 6,2 Milliarden Schilling ab, davon allein die noch zu 75 Prozent im Besitz der ÖIAG stehende Telekom Austria 4,6 Milliarden. Wären alle im Jahr 1998 Dividenden ausschüttenden Firmen noch zu 100 Prozent im Besitz der ÖIAG, hätte die Dividendenleistung 10 Milliarden Schilling betragen. Nach dem geplanten Totalverkauf von Austria Tabak, PSK und Telekom wird die Dividendenleistung mehr als halbiert. Einmalerlösen aus den Verkäufen stehen langfristige Einnahmeausfälle gegenüber. Abgesehen von den negativen Auswirkungen bei Abwandern der Konzernzentralen im Falle eines Ausverkaufs für Arbeitsplätze, Forschung, Entwicklung, Infrastruktur oder Bildung, die volkswirtschaftliche Milliardenverluste nach sich ziehen.

Notabene: Vergleiche

Zum Vergleich die Landwirtschaft: Hier betrug allein für das Jahr 1998 das Ausmaß der Agrarförderung von Bund, Ländern und EU fast 25,5 Milliarden Schilling (ohne Zinsen).15) Das heißt, die Landwirtschaft bekommt bloß in einem Jahr eine so hohe Summe an Förderungen wie ein Viertel der Gesamtschulden der ÖIAG ausmacht.

Zum weiteren Vergleich das der breiteren Öffentlichkeit völlig unbekannte »Ausfuhrförderungs-Ausfuhrfinanzierungsgesetz«, mit dem die Exportkredite der Wirtschaft garantiert, dass die Ausfallshaftungen vom Staat übernommen und im Zweifelsfall auch bezahlt werden, wie das ja schon öfter in der Vergangenheit (z. B. Ostkredite) der Fall war. Der aktuelle Haftungsrahmen beträgt 481,9 Milliarden Schilling16), also das Fünffache der ÖIAG-Schulden. Einmal ganz abgesehen von den vielen inländischen Kredit- und Zinsstützungsaktionen für die gewerbliche Wirtschaft (ERP, Bürges usw.). Motto: Verstaatlichte Wirtschaftspolitik pfui, staatlich subventionierte Privatwirtschaft hui!

Ein-, Aus- und Umgliederungen

In zwei weiteren die Entwicklung prägenden Spannungsfeldern hatte sich die verstaatlichte Industrie zu bewegen. Einmal im innerösterreichischen politischen Kräfteverhältnis, zum anderen auf dem internationalen Markt, insbesondere in der EWG/EG/EU-Integration.

1946 wurde das nazideutsche Eigentum verstaatlicht. Die Firmen unterstehen dem Ministerium für Vermögenssicherung und Wirtschaftsplanung (ÖVP, Krauland). 1949, nach dem Wahlsieg der SPÖ, werden die Betriebe dem Bundesministerium für Verkehr und verstaatlichte Betriebe unterstellt. 1956 gliedert die ÖVP die Unternehmen in die Holding IBV (Industriebeteiligungsverwaltung) aus. 1959, nach dem SPÖ-Wahlsieg werden die Firmen der Sektion IV des Bundeskanzleramtes einverleibt. 1966 gründet der Wahlsieger ÖVP die Industrieverwaltungsgesellschaft (ÖIG), deren Chef Josef Taus wird. 1970, mit dem Wahlsieg der SPÖ, wird aus der ÖIG die Österreichische Industrieaktiengesellschaft (ÖIAG). 1989 werden nach dem Intertrading-Skandal von 1985/86 die Gewinn bringenden Unternehmen in die Austrian Industries AG (AI) ausgegliedert. Nachdem der geplante Börsengang scheitert, werden 1993 die AI aufgelöst und die ÖIAG als Holding mit einem gesetzlichen Privatisierungsauftrag über 50 Prozent beauftragt. Tochtergesellschaften werden kräftigst »privatisiert«, sprich in der Regel ans Auslandskapital verkauft. Im Jahr 2000 wird vom FP-Finanzminister Grasser der alte Aufsichtsrat entlassen, und mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 und einen neuen, sich fortan selbst erneuernden Aufsichtsrat die Totalprivatisierung angestrebt.17)

Missbrauchte Melkkuh?

Vom österreichischen Privatkapital - wie bereits gezeigt - als Melkkuh missbraucht, kam die Verstaatlichte mit dem 1974 in Kraft getretenen Freihandelsvertrag mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) vom Regen in die Traufe. Am Inlandsmarkt ausgelaugt, damit veraltet und unterkapitalisiert, wurde die Verstaatlichte nun den großen Stahlmonopolen in der EG ausgesetzt, vor allem denen Deutschlands. Das Abkommen bedeutete zwar die Aufhebung der Preisnachlässe für die österreichische Privatwirtschaft, aber damit auch den Entfall von bisher sicheren Kunden. Stattdessen wurden aber von der EG Mindestpreise für Massenstahl festgesetzt, die nicht unterboten werden durften. Weiters wurden maximale Produktionsmengen (Kontingentierungen) sowie die schrittweise Abschaffung der staatlichen Preisstützungen und der staatlichen Beihilfen für »Umstrukturierungen« (EG-Stahlmarktordnung) festgelegt.18) Damit wurde vor allem die österreichische Stahlindustrie in ein Korsett gepresst, an das sie sich selbst penibel hielt, während sich die großen EG-Stahlkonzerne aber nie daran hielten.19) Aber vielleicht war das kein Zufall, denn die deutsche Konkurrenz saß ja mitten im ÖIAG-Aufsichtsrat, so wie heute auch,20) und konnte so ihre Interessen von innen heraus platzieren. Die seit 20 Jahren laufenden Zusperr- und Ausverkaufskonzepte haben vor allem der deutschen Konkurrenz genützt. So ist z. B. die österreichische Stahlindustrie nach der Ostöffnung (1998/89) und dem EU-Beitritt (1994) zum Großteil nur mehr nach Westeuropa orientiert und Zulieferer für deutsche Automobilkonzerne, also in einer einseitigen Abhängigkeit.

Gefundenes Fressen für die Multis ...

Die bisherige Verstaatlichtenpolitik hat Zehntausenden Menschen in diesem Bereich und im Umfeld ihren Arbeitsplatz gekostet und brachte für einige Standorte das Aus. Die nunmehrige Totalprivatisierung gefährdet direkt und indirekt 120.000 Arbeitsplätze und bedeutet, die »Verstaatlichte zu einem gefundenen Fressen für die Multis zu machen«, wie es einer, der es wissen muss, OMV-Generaldirektor Richard Schenz, unlängst ausdrückte.21)

Gegen die zahlreichen Schließungs- und Umstrukturierungspläne in der Verstaatlichten haben in der Vergangenheit die Arbeiter und Angestellten der Betriebe gemeinsam mit den Menschen der Standorte schon in der Vergangenheit oft demonstriert und gekämpft. In Erinnerung ist sicherlich die Demonstration der 60.000 Beschäftigten in Linz und in der Obersteiermark im Jänner 1986. Dort wo sie sich nicht auf Versprechungen von Firmenleitung oder Politikern verließen, sondern selbst die Sache in die Hand nahmen und sich die Unterstützung von Gewerkschaften und ÖGB sicherten, waren sie erfolgreich, konnten Abbaupläne vereiteln oder Schlimmeres verhindern.

Oft folgten aber den Protesten trotzdem die Abbau- oder Zusperrprogramme, so dass heute viele noch in den ÖIAG-Betrieben Beschäftigte entmutigt sind.

Klare Position

Gegenüber dem neuen ÖIAG-Gesetz 2000 ist die Position von ÖGB und AK klar und findet sich auch in der Stellungnahme der Betriebsräte der ARGE ÖIAG-Gruppe wider: Der Ausverkauf von Kernunternehmungen wird abgelehnt, weil damit der Abverkauf der österreichischen Unternehmen, Arbeitsplatzabbau und durch die schnelle Privatisierung ein Preisverfall befürchtet wird. Kritisiert wird weiters der Verlust des strategischen Einflusses auf österreichische Unternehmen und der Verkauf von wichtigen Infrastrukturunternehmen ins Ausland (z. B. Telekom Austria). Schließlich wird von der Regierung verlangt, die ÖIAG von einer reinen Privatisierungsagentur in eine Beteiligungsgesellschaft des Bundes umzuwandeln.22)

Am Beispiel Semperit lässt sich eindringlich nachvollziehen, wohin die Aufgabe einer strategischen Eigentümerfunktion (Kernaktionär) führt: dortselbst, aber auch in den Zulieferbetrieben sind insbesondere hoch qualifizierte Arbeitsplätze vernichtet worden.23)

Ausverkauf bis hin zur völligen Auslandsdominanz über die österreichischen Schlüsselindustrien und Massenarbeitslosigkeit bildeten in der Ersten Republik die Machtbasis des Faschismus.

Die Verstaatlichung wurde zu Beginn der Zweiten Republik von SPÖ und Gewerkschaften gegen den Widerstand von ÖVP und Unternehmern berechtigt auch damit begründet, dass durch eine Industrie in österreichischem Eigentum einer neuerlichen Rechtsentwicklung vorweg der Nährboden entzogen werden soll.

Stimmung

Abschließend möchte ich noch jene Stimmung wiedergeben, die ich zwischen März und Juli 2000 bei meinen Recherchen und Gesprächen zum Thema mit Betriebsräten aus Wien, Oberösterreich, der Steiermark und Vorarlberg, vor allem in noch oder ehemals verstaatlichten Betrieben oder der Gemeinwirtschaft feststellen konnte:

Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass das Nachgeben gegenüber den Begehrlichkeiten des in- und ausländischen Privatkapitals nur der Arbeitnehmerseite geschadet hat: Arbeitsplatzverlust, Lohn- und Gehaltseinbußen, Verlust von Volksvermögen, wirtschaftlicher Eigenständigkeit und politischer Unabhängigkeit. Bei Wahlen drückte sich das Ergebnis dieser Politik dann auch in Zugewinnen bei den Rechtsparteien aus.

Die Analyse der Gründergeneration der Zweiten Republik hat sich bewahrheitet, nur die sozialdemokratische Politik hat sich nicht an die eigenen Analysen gehalten, während die ÖVP, die FPÖ und die Unternehmerseite nie von ihren Plänen ließen. Die Ergebnisse dieser Politik liegen vor, die Ursachen sind einsehbar, einen neuen Weg zu beschreiten scheint unumgänglich oder die Selbstaufgabe ist der Preis. Zum Schaden aller arbeitenden Menschen, zum Schaden Österreichs.

Die jüngsten AK-Wahlen haben gezeigt, dass die arbeitenden Menschen eine Politik in ihrem Interesse gutheißen. Diesen Vertrauensvorschuss für die Zukunft zu nutzen und in Taten umzusetzen ist die neue Chance, aber auch eine Bringschuld der Arbeitnehmervertretungen AK und Gewerkschaften.

1) Die PTBG war die Holding der Telekom Austria, der Post AG und der PSK, die nunmehr Tochtergesellschaften der ÖIAG sind. Über die Auswirkungen dieser Neuordnung wurde in der Nummer 5/2000 von »Arbeit & Wirtschaft« berichtet: Wilfried Leisch: »Ab die Post? Der Ausverkauf geht weiter: im Namen der Steuerzahler gegen Beschäftigte und Konsumenten ...«
2) ÖIAG-Geschäftsbericht 2000, S. 5 u. 21.
3) Daten von und Gespräch mit ÖIAG-Gen.-Dir. Rudolf Streicher am 1. 8. 2000.
4) Profil, 28. Juni 1999, S. 75.
5) Fritz Klenner: Die Österreichischen Gewerkschaften; Eine Monographie, Wien 1974, S. 154.
6) Otto Klambauer: Die Frage des Deutschen Eigentums in Österreich, Jahrbuch für Zeitgeschichte 1978, S. 143.
7) JG in der SPÖ: Verstaatlichte Industrie, o. J., S. 9.
8) Vgl. Industrie, Nr. 6, 23. 3. 2000
9) Vgl. Herbert Tieber/Rudolf Spitzer: Verstaatlichte Industrie zwischen gestern und morgen, Wien 1983.
10) lt. ÖIAG-Generaldirektion
11) Gespräch mit ÖIAG-Generaldirektor Rudolf Streicher am 1. 8. 2000
12) Gespräch mit Dr. Oskar Grünwald, langjähriger Mitarbeiter der ÖIAG in führenden Funktionen.
13) Vergleiche z. B. »Kronen-Zeitung« der letzten Monate 1985 und der ersten Monate 1986.
14) Vergleiche Bundesvoranschlag, Teilheft 1999, Ansatz 2/54214; 2/54219.Anfang der siebziger Jahre: Erzeugnisse der VOEST gingen in alle Welt. Hier wird einer der beiden größten LD-Tiegel mit einer Kapazität von 300 Tonnen für ein Hüttenwerk in Toronto montiert
15) Quelle: Grüner Bericht 1998; vgl. auch: Matthias Schneider, Wifo, Land- und Forstwirtschaft: Entwicklung 1999/2000 und mittelfristige Tendenzen
16) Österreichische Kontrollbank, OeKB, Juni 2000. 60.000 Beschäftigte der Verstaatlichten demonstrierten im Jänner 1986 gegen Schließungspläne in der Verstaatlichten in Linz und Donawitz
17) Siehe diverse Geschäftsberichte der ÖIAG, Wien.
18) Österreichisches Solidaritätskomitee: Österreich braucht die Verstaatlichte Industrie, Wien 1989, S 14 f.
19) Wochenpresse, 31. 5. 1983
20) Siehe Format, Nr. 15/2000, S 70 f.
21) Presse, 14. 4. 2000.
22) Siehe Resolution der Arge ÖIAG-Gruppe, 9. 3. 2000.
23) Volkswirtschaftliches Referat im ÖGB: Stellungnahme zum ÖIAG-Gesetz 2000, 3. 4. 2000, Wien, S. 3.

Unser Katechismus ist das Aktienrecht

Interview mit ÖIAG-Generaldirektor Rudolf Streicher

A&W: Was ist neu an dem ÖIAG-Gesetz 2000?
Rudolf Streicher: Weder das Privatisieren noch das Entpolitisieren ist wirklich neu. Von 1986 bis 1993 hat es schon Privatisierungen im Ausmaß von 27,7 Milliarden Schilling gegeben. 1993 ist der gesetzliche Privatisierungsauftrag gekommen, alle verstaatlichen Unternehmungen zu mehr als 50 Prozent zu privatisieren - das ist mit weiteren 75,8 Milliarden übererfüllt worden.

Was bringt das neue ÖIAG-Gesetz?
Im Wesentlichen ist es das Instrument für die weitere Privatisierung und legt die Rolle der ÖIAG dabei fest. Dieses Gesetz 2000 ist ziemlich wortgleich mit dem, was auch schon mit Finanzminister Edlinger und mit Minister Molterer ausgemacht war. Der spezifische Privatisierungsauftrag wird allerdings von der Regierung nur einmal in der Regierungsperiode festgelegt. Das ist für diese Periode die 100-Prozent-Privatisierung von Telekom, PSK, Austria Tabak, Flughafen Wien, Dorotheum, Staatsdruckerei, Print Media AG. Es ist allerdings zu prüfen, ob auch andere Privatisierungen sinnvoll und möglich sind. In diesem Punkt hat sich der Eigentümervertreter, der Finanzminister, dahingehend festgelegt, dass dies erst in der nächsten Regierungsperiode der Fall sein wird.

Bei den Belegschaften geht trotzdem die Angst des Totalausverkaufs um.
Bei der ÖIAG ist es völlig klar. Man hat sich festgelegt, dass man sich zu 100 Prozent von den vorgegebenen Bereichen trennt. Ansonsten bin ich ein Verfechter der Kernaktionärsidee. Weil aus meiner Erfahrung dort, wo der betriebliche Leistungsprozess einer Firma gesteuert wird, auch die attraktiven Aufgaben der Unternehmensführung bis hin zur Forschung, Entwicklung oder Einkauf zu finden sind und die ganze Infrastruktur und damit Arbeitsplätze und Wertschöpfung dranhängen. Ob sich diese Idee, die im Übrigen keine partei-, sondern eine wirtschaftspolitische ist, sich schließlich durchsetzen wird, kann ich nicht sagen.

Wie kommen Sie als passionierter Dirigent mit dem neuen »Aufsichtsrats- Orchester« aus?
Damit habe ich überhaupt kein Problem. Bitte, da sind Profis unter sich.

Was halten Sie von der Entpolitisierung des Aufsichtsrats?
Die ist schon im ÖIAG-Gesetz von 1986 gestanden. Nach dem Motto: Das Eigentum ist für den Eigentümer da. Die Republik Österreich ist der Eigentümer der ÖIAG, nicht die einzelnen Betriebe. Der Finanzminister ist der Eigentümervertreter. Dieser wiederum bestellt den Aufsichtsrat, das einzige Organ, auf das er bisher Einfluss hatte, jetzt nicht mehr, weil sich dieser in Zukunft selbst erneuert. In diesem Sinne kann man sagen, ist es eine weiter gehende Entpolitisierung als früher. Allerdings hat auf die Einzelfirmen seit 1986 kein Politiker mehr Einflussmöglichkeit. Unser Katechismus ist das Aktienrecht, das ja ohnehin jeder Gesellschaft eine Unternehmensführung unter Berücksichtigung des sozialen Umfeldes vorschreibt. Allerdings kommt es immer auf die handelnden Personen an.

Die Zeit des Redens ist fast abgelaufen

Interview mit Helmut Oberchristl, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der VOEST-ALPINE STAHL LINZ GmbH, Vorsitzender der Konzernvertretung der VOEST-ALPINE STAHL AG, Vorsitzender der ARGE ÖIAG-Gruppe (Betriebsräte der ÖIAG-Betriebe)


A&W: Kollege Oberchristl, wie ist die Stimmung in den Betrieben?
Helmut Oberchristl: Die Beschäftigten haben Sorge um ihre Arbeitsplätze. Sie haben immer für die Erhaltung der Betriebe gearbeitet und Opfer gebracht und mussten erleben, dass seit Jahren jeder Versprechung immer nur weitere Belastungen folgten.

Was sagt ihr dazu?
Unsere Position ist klar und basiert auf dem Grundsatzpapier zwischen ÖGB, AK und ARGE ÖIAG. Wir waren und sind gegen den Ausverkauf unserer Betriebe. Ist einmal alles verkauft, sind wir nicht mehr Herr im eigenen Haus. Was bleibt, wären einige mittlere Betriebe in Österreich. Das hat fatale Folgen für die Arbeitsplätze und den Standort Österreich. Von den jetzigen Plänen sind direkt und indirekt 120.000 Menschen betroffen.

Worum geht es?
Nicht um Privatisierung oder Nicht-Privatisierung, denn die Mehrheiten unserer Unternehmen sind längst privatisiert. Schon in den letzten Jahren hat es immer wieder Privatisierungen gegeben. Die neue Regierung macht's nur schneller und totaler. Es geht uns um die Erhaltung des strategischen Einflusses in Österreich durch die Absicherung einer Kernaktionärsrolle durch die ÖIAG. Das heißt, dass zumindest 25 Prozent und eine Aktie der jeweiligen Unternehmen in österreichischer Hand bleiben sollen. Die ÖIAG sollte das Mittel dazu sein und nicht eine bloße Ausverkaufsagentur. Wandern die Mehrheiten ins Ausland, gehen hier z. B. auch die Wertschöpfung, die Forschung und Entwicklung, die Firmenzentralen und vor allem Arbeitsplätze ans Ausland verloren. Man kann nicht ans Ausland verkaufen und dann sagen, dass alles erhalten und trotzdem in österreichischem Einfluss bleibt. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, wie gerade beim Verkauf der Bank Austria.
Der Staat darf nicht zum Nachtwächterstaat werden. Er hat eine soziale Verpflichtung. Besonders in Österreich, wo es keinen großen privaten Kapitalgeber im Inland gibt. Für die Industrievertreter ist die EU zwar kein Ausland. Aber dass das Privatisierungsprogramm negative Auswirkungen auf die »EU-Region Österreich« hat, konnte uns bisher keiner widerlegen: weder Finanzminister Grasser noch die politischen Vertreter der Länder noch der neue Aufsichtsrat der ÖIAG von der Wirtschaftskammer.
Es geht um die Absicherung der Arbeitsplätze. Wer gibt uns Sicherheiten? Es ist doch absurd, jetzt alles zu verkaufen, wo doch derzeit das Eigenkapital in den Firmen oft höher ist als der Börsenwert. Und außerdem: Warum sollen eigentlich gut gehende Betriebe, wie z. B. VA Stahl, VA Tech, OMV usw., verkauft werden und dem Staat gehen dann noch die Einnahmen verloren?

Aber geschehen muss doch etwas, die Schulden sind doch da?
Auch wir wollen einen modernen Industriestandort und damit sichere Arbeitsplätze. Aber das mit den Schulden ist die größte Sauerei. So hat z. B. Österreichs Stahlindustrie in Europa am wenigsten Zuschüsse erhalten. Das ist erwiesen. Von den ÖIAG-Schulden wird andauernd geredet, aber nicht davon, dass gleichzeitig die Landwirtschaft jährlich viel höher und nicht rückzahlbar subventioniert wird oder das private Gewerbe und die Industrie jährlich Zinsstützungen und Förderungen erhalten. Die ÖIAG-Schulden werden auch etwa dadurch mehr, dass die Regierung lieber das Geld für die Erfüllung der EU-Kriterien (Maastricht) ausgibt und die ÖIAG-Schulden stehen lässt, was zirka drei Milliarden Schilling jährlich mehr an Zinsen bedeutet.
Trotzdem haben wir überlebt - die VA-Stahl-Linz ist z. B. eines der modernsten und wirtschaftlichsten Stahlwerke Europas - während z. B. in der BRD und in Frankreich ganze Stahlwerke zugesperrt wurden.

Ist der Zug bereits abgefahren?
Bei der Privatisierung hat sich schon in der Vergangenheit herausgestellt, dass entscheidende Kernbereiche zu billigem Geld die Eigentümer wechselten, während »Ladenhüter« beim Staat verblieben. Damit das in Zukunft nicht geschieht, ist ein strategischer Kernaktionär notwendig. Wir könnten uns dabei auch vorstellen, dass eine bessere Absicherung österreichischen Eigentums über Mitarbeiter-Management-Beteiligungsmodelle usw. erfolgt, so dass ein Aktionärsblock entstehen könnte, der wirksam eingreifen kann. Viele Details sind dabei aber noch zu klären.

Ihr habt immer gesagt, wenn so etwas kommt, was die jetzige Regierung umsetzen will, dann ... Was geschieht jetzt?
Ja. Die Zeit des Redens ist fast abgelaufen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr verunsichert. Sie fragen: Was tun wir? Man hat uns informiert, aber was kommt jetzt? Unsere Strategie ist, das Vorgehen der Betriebsräte mit AK, ÖGB und Gewerkschaften zu koordinieren. Jeder Betrieb muss für sich definieren, wie er sich für den Fall des Falles entscheidet. Dann weiß jeder woran er ist und wir können und werden dann gemeinsam und abgestimmt vorgehen, wenn es den ersten Betrieb trifft.

WIRTSCHAFT KURZ

Voest Alpine Industrieanlagenbau

Großauftrag aus Brasilien

Die Voest Alpine Industrieanlagenbau, eine Tochterfirma der VA Tech, hat von einem brasilianischen Unternehmen den Auftrag erhalten, ein LD-Stahlwerk zu errichten. Das Auftragsvolumen beträgt 2,8 Milliarden Schilling, wovon 1,7 Milliarden auf Österreich entfallen. Erstmals hat die VAI auch die gesamte Finanzierung übernommen, wobei der Kredit durch die Erlöse zurückgezahlt werden wird, die aus dem Export der Stahlbrammen entstehen werden. Die Rückfinanzierung holt sich die VAI bei den österreichischen Banken P.S.K., Bank Austria und Raiffeisen.

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Wilfried Leisch (studierter Politologe und freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819041323 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819041348 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Sep 2000 00:00:00 +0200 1201819041228 Die Gewerkschaft war immer eine Kampforganisation Es geht schlicht und einfach darum, die Gewerkschaftsbewegung zu schwächen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen dadurch wieder zum leicht verfügbaren, leicht austauschbaren und leicht kontrollierbaren »Menschenmaterial« auf dem »freien Markt« werden. Die Angriffe auf die Arbeiterkammern, der Versuch, ihnen ihre Handlungsfähigkeit zu nehmen, das ist eines der Ziele dieser arbeitnehmerfeindlichen Politik. Ein anderes, besonders gefährliches Ziel ist die Absicht, den Kollektivverträgen den Zahn zu ziehen, indem man sie nur noch für einen einzelnen Betrieb gelten lassen will. Was das für Folgen haben würde, zeigt das Beispiel Großbritannien. Als die neoliberale Regierung Thatcher ihr Deregulierungskonzept durchzog und Brachenkollektivverträge durch Firmenkollektivverträge ersetzt wurden, sank der Kollektivvertragsschutz für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dramatisch: Vor 1980 galt noch für 70 Prozent ein Kollektivvertrag, 1990 nur noch für 43 Prozent. Und es liegen mehr als ausreichend Beweise dafür vor, dass das soziale Ungleichgewicht in Ländern ohne umfassende Kollektiverträge sehr groß ist. Die sozial Schwächeren werden noch schwächer und das Betriebsklima ist wesentlich konfliktgeladener.

Die Gewerkschaften in Großbritannien haben sich massiv gegen die Deregulierungspolitik ihrer Regierung zur Wehr gesetzt. Einer der Vorwürfe, denen man den britischen Gewerkschaften damals machte, war der, sie seien zu kämpferisch. Uns österreichischen Gewerkschaftern wirft man im Regelfall gerne das Gegenteil vor.

Es gilt ja zurzeit mancherorts geradezu als ein Ausweis für Fortschrittlichkeit, die Gewerkschaftsbewegung und ihre Institutionen zu kritisieren. Die Kritiker der Gewerkschaftsbewegung, das sind naturgemäß ihre Gegner, aber auch so manche Leute, die von sich selbst glauben, dass sie ihre Freunde sind. Einer der Hauptangriffspunkte der Kritiker ist eben die vorgeblich »mangelnde Kampfbereitschaft« des ÖGB und seiner Gewerkschaften. Was dabei fast schon wie in einem Kabarett wirkt: Sie widersprechen sich bei ihrer Kritik ständig selbst - häufig geradezu in einem Atemzug.

Sie sagen etwa: Die österreichischen Gewerkschaften haben das Kämpfen verlernt, weil sie es sich im österreichischen Sozialstaat bequem eingerichtet hätten. Und sie verweisen dabei auf die sehr niedrige Streikrate in unserem Land. Streikhäufigkeit wird da als einziges Zeichen für die Ernsthaftigkeit gewertet, mit der eine Gewerkschaftsbewegung für die Interessen der Arbeitnehmer eintritt. Es fällt auf, dass dieser Kurzschluss besonders gerne von jenen gezogen wird, die auf den »gesellschaftlichen Wertewandel« verweisen. Sie meinen, dass die Zeit der Gewerkschaftsbewegung eigentlich vorbei sei, weil die Menschen ihre Interessen lieber als Einzelkämpfer wahrnehmen würden und nicht bereit wären, gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen aktiv zu unterstützen. Zum Glück ist bei jenen, die das Ende der Gewerkschaftsbewegung herbeireden wollen, wohl nur der Wunsch der Vater des Gedankens. Die Zustimmung einer absoluten Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher zu den gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen am 28. Juni 2000 beweist das Gegenteil.

Wenn Streik das Mittel ist, um die Arbeitnehmerinteressen in einer konkreten Situation am besten zu vertreten, dann werden wir keineswegs zögern, es auch einzusetzen. Wenn andere Kampfmittel mehr bringen, dann werden wir diese nutzen. Aber eines werden wir sicher nicht tun: Denen, welche die Gewerkschaftsbewegung kaltstellen wollen, um den Arbeitnehmern Rechte zu nehmen und den sozialen Ausgleich unmöglich zu machen, zu sagen, wie wir unseren Kampf führen werden und mit welchen Mitteln.

Dass sehr viele der Kämpfe der Gewerkschaftsbewegung in der Zweiten Republik erfolgreich waren, ohne das Instrument »Streik« einzusetzen, ist auch, was einen Teil unserer Kritiker besonders stört. Deshalb geben sie dem ÖGB - völlig im Widerspruch zum Vorwurf der mangelnden Kampfbereitschaft - die Schuld daran, dass Österreich noch nicht so »modern« ist wie andere Länder. Weil die österreichischen Arbeitnehmer z. B. noch nicht drei oder vier Jobs brauchen, um davon leben zu können, wie es anderswo bereits eingerissen ist - und wie man es uns als (nachweislich falsches) Patentrezept gegen die Arbeitslosigkeit zu verkaufen versucht. Oder weil sich die Gewerkschaftsbewegung gegen Privatisierung ohne Rücksichtnahme auf Beschäftigung und die Lebensbedingungen für die betroffenen Arbeitnehmer stemmt und gegen eine Privatisierungspolitik, die wirtschaftliche Vernunft auf die Seite schiebt.

Diese Privatisierungspolitik ignoriert auch eine der Grundüberzeugungen, auf denen unsere Zweite Republik als lebenswertes Gemeinwesen aufgebaut wurde: nämlich, dass gemeinwirtschaftliche Leistungen einen eigenen Stellenwert haben - unabhängig von ihrem kommerziellen Nutzen. Es wird gerne vergessen, dass die Leistungen des öffentlichen Dienstes auch Transferleistungen für die sozial Schwachen sind. Bei Privatisierungen und Auslagerungen kommt es aber oft zu empfindlichen Tariferhöhungen und Leistungskürzungen, wie wir das ja auch bei uns in Österreich schon zu spüren bekamen. Eine solche Politik führt darüber hinaus zu Lohndumping, Einkommensverlusten und letztlich auch zu Arbeitsplatzverlusten. Wenn wir, die Gewerkschaftsbewegung, das nicht einfach hinnehmen, dann sind wir plötzlich zu kämpferisch, da sind wir plötzlich zu wenig »staatstragend«!

Andersherum kommt wieder die gegenteilige Kritik: Wir würden uns zu »staatstragend« verhalten. Der ÖGB habe zu viel auf die Sozialpartnerschaft gesetzt, und damit auf Kompromisse, die beim Einbringen der unterschiedlichen Interessen in Verhandlungen zwischen Arbeitnehmervertretungen, Arbeitgebervertretungen und Staat gefunden werden. Die Gewerkschaftsbewegung sei deshalb, so heißt es, nicht nur gegenüber den Arbeitgebern zu wenig kämpferisch aufgetreten, sondern auch gegenüber der jeweiligen Regierung.

Man ignoriert dabei die Tatsachen, die anders aussehen. Denn sonst müsste man sich daran erinnern, dass es die Gewerkschaftsbewegung war, die für Österreich und Europa eine Beschäftigungspolitik eingefordert hat, die sich nicht damit begnügt, Arbeitslosigkeit zu verwalten, sondern dafür antritt, dass sie beseitigt wird. Es war das Verdienst des Europäischen Gewerkschaftsbundes, dass Beschäftigungspolitik in Europa zum Thema wurde. Und die österreichische Gewerkschaftsbewegung - unter Einschluss der Arbeiterkammer - spielte dabei eine ganz entscheidende Rolle, auf die wir mit Recht stolz sein dürfen.

Man müsste auch zur Kenntnis nehmen, dass es die Gewerkschaftsbewegung war, die bei der letzten Pensionsreform soziale Verantwortung eingefordert hat - und im Vergleich zu dem, was ursprünglich geplant war, viel Schlimmes verhindern konnte. Wir haben - das ist ja bekannt und wurde auch von manchen Freunden zunächst nicht verstanden - dem Plan eines Regierungsabkommens eine eindeutige Absage erteilt, das für die Kolleginnen und Kollegen nach einem langen Arbeitsleben unzumutbare Belastungen vorsah - und nicht für sie allein. Dass wir gegenüber der jetzt amtierenden Regierung keine andere Haltung einnehmen, ist wohl selbstverständlich - einer Regierung gegenüber, die unvergleichlich größere Belastungen und Ungerechtigkeiten für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Programm hat als alle vorangegangenen in der Zweiten Republik.

Die Gewerkschaft war immer eine Kampforganisation und wird es bleiben, weil das ihre Funktion ist! Sie ist im Kampf für menschenwürdige Lebens- und Arbeitsbedingungen entstanden, hat in diesem Kampf ihre Bedeutung erlangt und ihre Aufgabe erfüllt - bis heute. Und sie wird diese Aufgabe so lange haben, so lange der Interessengegensatz zwischen »Arbeit« und »Kapital« Realität ist.

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Günter Weninger (Vizepräsident des ÖGB und Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Sep 2000 00:00:00 +0200 1201819041152 »Pensionsreform 2000« | Die Verschlechterungen im Pensionsrecht konkret Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben sich strikt gegen die Pensionspläne der Bundesregierung ausgesprochen, im Wesentlichen aus drei Gründen:

1. Die von der Regierung geplanten, zum Teil dramatischen Verschlechterungen im Pensionsrecht sind eine grobe Missachtung des verfassungsrechtlich garantierten Vertrauensschutzes (überfallsartige Anhebung des Pensionsalters beginnend ab dem 1. 10. 2000, Wegfall der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit und Reduktion der Witwen-/Witwerpensionen auf bis zu 0 Prozent etc.).

2. Die Bundesregierung geht von der Fehleinschätzung aus, dass es in der Entscheidungsfreiheit der Betroffenen liegt, ob sie über die derzeitigen Pensionsaltersgrenzen hinaus im Erwerbsleben bleiben oder ob sie es vorziehen, mit Erreichung dieser Altersgrenze in Pension zu gehen. Die Realität sieht leider anders aus: Aktive Arbeitnehmer haben in sehr vielen Fällen bereits Jahre vor Erreichung des (Früh-)Pensionsalters am Arbeitsmarkt keine Chance mehr. Über 50 Prozent aller Pensionseintritte erfolgen nicht unmittelbar im Anschluss an Erwerbsarbeit, sondern nach Arbeitslosigkeit, Krankenstand etc.

Das nunmehr auch im Rahmen des SRÄG getroffene Maßnahmenpaket für ältere Arbeitnehmer ist ungeeignet, hier Abhilfe zu schaffen. Das Paket der Bundesregierung ist viel zu eng gefasst und kommt darüber hinaus viel zu spät, um jenen zu helfen, die bereits knapp vor Erreichung des Pensionsalters stehen. Sie sind zu einem Gutteil bereits arbeitslos bzw. aus gesundheitlichen Gründen nur mehr beschränkt arbeitsfähig (siehe Kasten »Arbeitslosenversicherungs- und arbeitsrechtliche Begleitmaßnahmen«).

3. Die Bundesregierung gab vor, bei den Pensionen 15 Milliarden als Beitrag zur Konsolidierung des Staatshaushaltes einsparen zu müssen. Parallel zu den Pensionskürzungen werden allerdings Kostenentlastungen zu Gunsten von Unternehmen und Landwirtschaft im Ausmaß von 20 Milliarden Schilling und neue Sozialleistungen wie das Karenzgeld für alle ohne Einkommensgrenzen angekündigt. Hier wird nicht der Staatshaushalt konsolidiert, sondern gezielt umverteilt.

Letztlich: Auch die immer wieder von der Bundesregierung ins Treffen geführte Begründung einer Sicherung der langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionen kann wenig überzeugen. Wesentliche Ansätze für eine dauerhafte Sicherung der Pensionen sind vernachlässigt worden. So wurden die von ÖGB und AK vorgebrachten Alternativen (Maßnahmenpaket zur Ermöglichung eines längeren Verbleibs im Erwerbsleben, gerechter Beitragsanteil auch für Selbständige und Bauern, kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung etc.) von der Bundesregierung niemals ernsthaft aufgegriffen.

Die Maßnahmen im Einzelnen:

1. Anhebung des Pensionsalters bei vorzeitigen Alterspensionen
Das Anfallsalter für die vorzeitigen Alterspensionen1) (derzeit 55 Jahre für Frauen und 60 Jahre für Männer) wird, beginnend mit 1. Oktober 2000, jedes viertel Jahr für Personen, die in diesem Vierteljahr das derzeitige Anfallsalter erreichen, um zwei Monate erhöht, so dass im Dauerrecht ein Anfallsalter von 56,5 Jahren für Frauen und 61,5 Jahren für Männer erreicht wird (siehe Tabelle 1).

2. Verschärfung der Abschläge bei Pensionsantritt vor dem 60./65. Lebensjahr
Der Pensionsabschlag bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Pension wird von derzeit 2 Prozent- auf 3 Prozentpunkte erhöht (siehe Tabelle »Pensionsabschläge im Dauerrecht«).

Höchstens darf der Abschlag 10,5 Prozentpunkte oder 15 Prozent der Pension betragen. Der Abschlag tritt parallel mit der Erhöhung des Anfallsalters stufenweise in Kraft (siehe Tabelle Pensionsabschläge im Übergangsrecht«).

Personen, die erst nach Erreichung des Regelpensionsalters 60 (Frauen) bzw. 65 (Männer) in Pension gehen, erhalten in Zukunft pro Jahr des späteren Pensionsantrittes 4 Prozent Bonus. Bisher gab es je nach Alter Bonifikationen zwischen 2 und 5 Prozent. Wurden bereits 80 Prozent erreicht, so beträgt der Bonus auch in Zukunft nur 2 Prozent pro Jahr. Maximal können mit dem Bonus 90 Prozent der Bemessungsgrundlage als Pensionsanspruch erreicht werden.

3. Befristete Ausnahmeregelung für 55-jährige Frauen mit 40 Beitragsjahren und 60-jährige Männer mit 45 Beitragsjahren
Für männliche Versicherte mit 45 Beitragsjahren, für weibliche Versicherte mit 40 Beitragsjahren wird weder die Verschärfung des Abschlags noch die Hinaufsetzung des Pensionsanfallsalters wirksam. Kindererziehungszeiten sind dabei bis zu 5 Jahre, Präsenzdienst (Zivildienst) bis zu 12 Monate zu berücksichtigen. Die Ausnahmeregelung kommt allerdings entgegen ursprünglichen Ankündigungen nur für Personen zum Tragen, die vor dem 1. Oktober 1950 (Frauen) bzw. vor dem 1. Oktober 1945 (Männer) geboren wurden. Für später Geborene gelten diese Regelungen nicht.

4. Härtefonds und Härteklausel
Die Pensionsversicherungsträger werden für die Jahre 2001 und 2002 ermächtigt, zum Ausgleich von besonderen Härten, die durch die Anhebung des Pensionsanfallsalters entstehen, auf Antrag Unterstützungen vorzusehen (Härtefonds). Die Mittel des Unterstützungsfonds der Pensionsversicherungsträger werden dazu auf 250 Millionen Schilling aufgestockt. Kriterien für die finanziellen Zuwendungen des Härtefonds fehlen derzeit. Als Höchstgrenze gilt jedenfalls die fiktive Pension, was schon klarmacht, dass die Pensionsverschlechterungen gegenüber dem alten Recht durch den Härtefonds nicht einmal ansatzweise ausgeglichen werden können.

Für Versicherte, die nach bisheriger Rechtslage Anspruch auf vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer mit Stichtag zwischen 1. Oktober 2000 und 1. Februar 2001 hätten und deren Arbeitsverhältnis nachweislich bis zum 30. Juni 2000 zu einem Termin zwischen dem 31. August 2000 und dem 31. Dezember 2000 wegen Inanspruchnahme der Pension gelöst wurde, bleibt das bisherige Antrittsalter und die bisherigen Abschläge erhalten (Härteklausel).

Darüber hinaus ist zu beachten: In der Praxis bestehen in manchen Unternehmen Vorruhestandsmodelle in Form von Sozialplänen, die vor dem Hintergrund eines Frühpensionsalters von 55/60 entstanden sind. Die in diesem Zusammenhang mit der »Pensionsrechtsreform 2000« entstehenden Probleme beantwortet der Gesetzgeber allerdings nicht. Für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gibt es keinerlei rechtliche Hilfe bei etwaigen Nachverhandlungen auf betrieblicher Ebene.

Die überfallsartige Anhebung des Pensionsalters, Wegfall der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, Reduktion der Hinterbliebenenpension etc. bringt eine dramatische Verschlechterung im Pensionsrecht für Arbeitnehmer

5. Anhebung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit
Bisher konnte die vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit von Frauen ab dem 55. bzw. Männern ab dem 57. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Bereits mit dem »Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2000« (SVÄG 2000) vom Juni ist diese vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit seit 1. Juli 2000 abgeschafft. Negativ betroffen sind damit bekanntermaßen Tausende gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitnehmer, in der Mehrzahl Hilfsarbeiter.

Parallel zur Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wird eine Ergänzungsbestimmung zur allgemeinen Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension eingeführt. Personen, die 57 Jahre alt sind, gelten als berufsunfähig bzw. invalid, wenn sie nicht mehr im Stande sind, einer Tätigkeit, die er (sie) in den letzten 10 Jahren ausgeübt hat, nachzugehen. Ausgenommen von dieser Pensionsart sind allerdings Personen, denen im konkreten Fall noch eine Änderung dieser Tätigkeit zugemutet werden kann.2)

Nach der Neuregelung sind rückwirkend alle nach dem 23. Mai und vor dem 2. Juni 2000 gestellten Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ausgeschlossen, wenn die Antragstellerinnen und Antragsteller noch nicht das 57. Lebensjahr vollendet haben.3)

Alle eingebrachten Anträge auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, die nach dem 23. 5. 2000 gestellt wurden, sind bereits als Anträge auf Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspension im Sinne der oben beschriebenen neuen Bestimmungen zu werten.

6. Kürzungen bei Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen
Während der Diskussion um die Pensionen in den letzten Monaten wurde von Regierungspolitikern immer wieder ausgeschlossen, dass es auch zu Verschlechterungen bei den »allgemeinen Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen« kommt. Entgegen diesen Ankündigungen gibt es allerdings auch hier Kürzungen.

Nach bisherigem Recht gibt es bei der Berechnung der Höhe der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen, die nicht mehr als 60 Prozent der Bemessungsgrundlage betragen, ein »Auffangnetz«. Sie werden nicht nach der allgemeinen Pensionsberechnung berechnet, also 2 Prozent Steigerungsbetrag pro Versicherungsjahr und Abschlag, sondern günstiger, mit 1,8 Prozent Steigerungsbetrag pro Versicherungsjahr, aber ohne Abschlag. Diese günstigere Pensionsberechnungsart mit 1,8 Prozent Steigerungsbetrag wird nunmehr beseitigt, was im Vergleich zum alten Recht zu mehreren Tausend Schilling weniger Pension pro Jahr führen kann.

Im Rahmen von Übergangsbestimmungen wird der Wert von 1,8 Prozent 2001 auf 1,78 Prozent, 2002 auf 1,76 Prozent, 2003 auf 1,74 Prozent und 2004 auf 1,72 Prozent reduziert. Ab 2005 kommt dann auch bei Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen nur noch die allgemeine Pensionsberechnungsformel zur Anwendung.

7. Kürzungen bei Witwen-/Witwerpensionen
Derzeit beträgt die Witwen-/Witwerpension mindestens 40 Prozent und höchstens 60 Prozent des/der Verstorbenen. Ab 1. Oktober 2000 wird eine Spreizung zwischen 0 Prozent und 60 Prozent der Pension des/der verstorbenen Ehegatten/-gattin eingeführt. Andererseits wird der Schutzbetrag von derzeit 16.936 auf 20.000 Schilling angehoben. Ist bei einer Hinterbliebenenpension unter 60 Prozent das Einkommen des Überlebenden somit unter 20.000 Schilling, wird die Hinterbliebenenpension bis auf 60 Prozent, höchstens jedoch bis zu 20.000 Schilling, erhöht. Die neue Regelung hat konkret folgende Auswirkungen:

Ist die Bemessungsgrundlage des/der Verstorbenen um die Hälfte höher als die Bemessungsgrundlage des/der Überlebenden, soll die Hinterbliebenenpension zukünftig 55 Prozent (bisher 60 Prozent) betragen.

Hat die/der Überlebende die zweifache Bemessungsgrundlage des/der Verstorbenen, soll die Hinterbliebenenpension 10 Prozent (bisher 40 Prozent) betragen, sind beide Bemessungsgrundlagen gleich hoch, soll die zukünftige Hinterbliebenenpension 40 Prozent (bisher 52 Prozent) betragen.

8. Pensionsanpassung
Während im Regierungsprogramm der Bundesregierung als Ziel der Pensionsanpassung Wertsicherung angesprochen war, bleibt es jetzt beim gegenwärtigen System der so genannten »Nettoanpassung«. Kommt der errechnete Anpassungsfaktor in einzelnen Jahren unter dem Verbraucherpreisindex zu liegen, wird für den Inflationsverlust ein Wertausgleich in Form einer Einmalzahlung gewährt.4) Die Höhe wird dabei politisch durch Verhandlungen zwischen Seniorenvertretern und Bundesregierung festgelegt.

9. Aufhebung der Ruhensbestimmungen
Geht der Bezieher (die Bezieherin) einer Alterspension einer Erwerbstätigkeit nach und übersteigt das Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit 8312 Schilling monatlich und hat der Pensionist/die Pensionistin weniger als 35 Beitragsjahre erworben, so wird die Alterspension derzeit bloß als Teilpension in der Höhe von mindestens 85 Prozent der sonst gebührenden Alterspension ausgezahlt. Diese Bestimmung wird nunmehr ersatzlos gestrichen.

Mit Klagen beim Verfassungsgerichtshof wird die nächste Runde eingeläutet:

Am 5. Juli des Jahres hat das Plenum des Nationalrats mit den Stimmen der Abgeordneten der Regierungsparteien die »Pensionsreform 2000« beschlossen. Menschen, die seit Jahrzehnten gearbeitet und Beiträge in die Pensionsversicherung einbezahlt haben, werden plötzlich mit einer massiven Verschlechterung ihrer Rechtsposition konfrontiert und in sehr vielen Fällen in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt.

Wie schon die vielen Diskussionen um die Pensionsmaßnahmen 2000 gezeigt haben, werden vor allem auch die Arbeiterinnen und Arbeitnehmer schwer betroffen sein. Gerade bei dieser Gruppe gibt es besondere soziale Risiken und oft ein Zusammentreffen von unsicheren Arbeitsplätzen und krankheitsbedingten Problemen.

Aus unserer Sicht verletzt diese »Pensionsreform« die Kriterien des Vertrauensschutzes und damit die Planbarkeit für die Menschen in der Alterssicherung. Damit ist die nächste Runde beim Verfassungsgerichtshof bereits eingeläutet.

1) vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer, bei Arbeitslosigkeit sowie für die Gleitpension
2) Vor allem auch diese nicht gerade klare Gesetzesbestimmung macht klar, dass es gegenüber dem alten Recht zu deutlichen Einschränkungen beim so genannten Tätigkeitsschutz kommt.
3) Auch diese rückwirkend getroffenen Bestimmungen bezüglich Anträgen auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit sind verfassungsrechtlich äußerst bedenklich!Die überfallsartige Anhebung des Pensionsalters, Wegfall der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit, Reduktion der Hinterbliebenenpensionen etc. bringt eine dramatische Verschlechterung im Pensionsrecht für Arbeitnehmer
4) Die bisher vorgesehenen Bandbreiten bei der Pensionsanpassung entfallen.

Arbeitslosenversicherungs- und arbeitsrechtliche Begleitmaßnahmen

Arbeitslosengeld
Die längst mögliche Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (derzeit 52 Wochen) soll vorübergehend auf 78 Wochen angehoben werden. Die neue Regelung soll zwischen 1. Juli 2000 und dem 31. Dezember 2002 für Versicherte, die knapp vor Pensionsantritt arbeitslos werden, gelten.

Bildungskarenz
Während der Bildungskarenz erhält ein Arbeitnehmer (eine Arbeitnehmerin) derzeit Weiterbildungsgeld in der Höhe des Karenzgeldes. Ab 1. Oktober 2000 sollen Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen) ab 45 Weiterbildungsgeld in der Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes erhalten. Auch diese Maßnahme ist befristet bis 31. Dezember 2003.

Altersteilzeit
Altersteilzeitgeld soll zukünftig auch ohne Einstellung einer Ersatzkraft gewährt werden können. Die Arbeitszeitverringerung soll nicht mehr starr 50 Prozent betragen müssen, sondern innerhalb einer Bandbreite von 40 Prozent bis 60 Prozent der Normalarbeitszeit liegen (z. B. bei 40-Stunden-Woche 16 bis 24 Stunden). Die neuen Regelungen sollen für Vereinbarungen gelten, deren Laufzeit nach dem 30. September 2000 beginnt.

Bonus-Malus
Der Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung soll bei Einstellung von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, zur Gänze entfallen. Der bestehende Malus (Verpflichtung zur Zahlung eines einmaligen Arbeitslosenversicherungsbeitrags bei Freisetzung von Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben) soll angehoben werden. Die neue Bonus-Malus-Regelung soll ab 1. Oktober 2000 gelten.

Frühanzeige
Beabsichtigt ein Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer (eine Arbeitnehmerin), der über 50 ist und bereits 6 Monate im Betrieb beschäftigt ist, zu kündigen, muss er dies dem AMS spätestens am Tag der Kündigung anzeigen. Dadurch soll das Arbeitsmarktservice Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung im bisherigen oder in einem anderen Betrieb prüfen können. (Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht bleibt in den meisten Fällen sanktionslos.) Auch diese Regelung ist befristet bis 2002.

Ersatzzeiten bei Ausschluss von Leistungsbezug
Gebührt wegen Anrechnung des Partnereinkommens keine Notstandshilfe, so sollen diese Zeiten für Männer der Jahrgänge 1940 bis 1942 und für Frauen der Jahrgänge 1945 bis 1947 trotzdem als Ersatzzeiten zur Pensionsversicherung angerechnet werden.

Rahmenfristerstreckung
Bauern und Selbständige, die einmal in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, sollen Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erhalten, wenn sie die selbständige Tätigkeit (unter Umständen Jahrzehnte später) wieder aufgeben.

Kündigungsanfechtung von älteren Arbeitnehmern (Arbeitnehmerinnen)
Nunmehr soll auch ein Arbeitnehmer (eine Arbeitnehmerin) in einem nicht betriebsratspflichtigen Unternehmen (unter 5 Beschäftigte) die Möglichkeit haben, eine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit anzufechten. Dieses Recht steht jedoch nur Männern der Jahrgänge 1935 bis 1942 und Frauen der Jahrgänge 1940 bis 1947 zu. Die neue Regelung trat mit 1. Juli in Kraft.

(Zusammengestellt von Bernhard Achitz, Leiter des Referats für Sozialpolitik im ÖGB)

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Richard Leutner (Leitender Sekretär des ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819041071 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819041102 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1201819041115 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Oct 2000 00:00:00 +0200 1200959091521 Bildung als wichtiger Standortfaktor im globalen Wettbewerb In den drei Jahrzehnten, die seither vergangen sind, haben sich auch die vertrauten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig verändert. »Wenn heute von Globalisierung gesprochen wird, dann ist in der Regel nicht das alte System einer vergleichsweise starren und stabilen räumlichen Arbeitsteilung gemeint, sondern gerade dessen Auflösung zugunsten einer dynamischen Weltwirtschaft, die von den globalen Aktivitäten wirtschaftlicher Akteure (den so genannten global players) gesteuert wird.« (Brock 1997)

Wandel wie nie zuvor

Die Wirtschafts- und Arbeitswelt ist von einem beispiellosen Strukturwandel ergriffen. So viel grundlegenden Wandel in so kurzer Zeit scheint es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gegeben zu haben.

Zu nennen sind: - der (welt-)politische Wandel (Fall der Sowjetunion, der europäische Integrationsprozess, die deutsche Einheit); - die technologischen Entwicklungssprünge (Mikroelektronik, Digitalisierung, I- und K-Technik, Mikrosystemtechnik, Biotechnik, Bionik, Laser, neue Werkstoffe, Umwelttechnik, Hochgeschwindigkeitsverkehr); - die wirtschaftlichen Veränderungen (Wettbewerb der Triade, Erfolg der Schwellenländer Asiens und Lateinamerikas, Anschlusssuche der mittel- und osteuropäischen Länder als Niedriglohnländer und Wettbewerber auf hohem qualitativem Niveau); - Veränderungen auf Arbeitsmärkten und Arbeitsplätzen (Standortverlagerungen, neue Betriebsorganisation); - der sich beschleunigende Marsch in die Dienstleistungsgesellschaft; - die globalen ökologischen Veränderungen (Klimaverschiebungen, zunehmende Verknappung von gesundem Boden, reiner Luft und Trinkwasser); - Verschiebungen in den Werthaltungen, Lebensauffassungen und Zielsetzungen der Gesellschaft.

Bildung muss auf solche Veränderungen reagieren und das notwendige Rüstzeug bieten, das Leben unter den Bedingungen der Zeit meistern zu können. Zugleich ist Bildung auch selbst ein Motor für Fortschritt und Wandel.

Bildung als Motor für Fortschritt und Wandel

Im Wettbewerb auf vernetzten Märkten wächst die Bedeutung qualitativer, insbesondere so genannter »weicher« Standortfaktoren: Neben Institutionen, Normen und Werten geht es um Forschung und Entwicklung, um Qualifikation, Kreativität und Motivation der Menschen. Treffen aktuelle Prognosen zu, werden schon im nächsten Jahrzehnt vier Fünftel der Arbeit aus Tätigkeiten bestehen, bei denen Daten »Rohstoff, Werkzeug und Resultat« sind - daher die Bezeichnung Informationsgesellschaft.

Schon heute beträgt dieser Anteil mehr als 50 Prozent: beraten, informieren, entwickeln, organisieren, vernetzen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen sind heute nur noch 20 Prozent des wirtschaftlichen Produktivitätszuwachses auf gestiegenen Kapitaleinsatz zurückzuführen. Dagegen sind 80 Prozent des Produktivitätszuwachses durch Bildung, Forschung und innovative Organisationskonzepte von Arbeit und von Unternehmensstrukturen zu erklären.

Vor diesem Hintergrund müsste die wirtschaftsnahe österreichische Bundesregierung Impulse für eine Kursänderung geben, anstatt wie die Unternehmen Mittel für Forschung und Entwicklung sowie für die Ausbildung zu kürzen. In den vergangenen Jahren ergaben internationale Vergleichsstudien in der Triade (Europa, Japan, USA) wiederholt, dass österreichische Unternehmen hinsichtlich ihrer Innovationspotentiale auf den hinteren Rängen liegen, was in erster Linie auf Defizite bei diesen innerbetrieblichen Faktoren zurückgeführt wurde.

Dass die daraus resultierende organisatorische Lernschwäche ein Hauptproblem der österreichischen Wirtschaft ist, zeigt auch die Liste der ursprünglich aus Österreich stammenden Erfindungen, die aber nicht hier, sondern im Ausland erfolgreich vermarktet worden sind (z. B. das ABS-System wurde in Österreich erfunden und in Kanada vermarktet).

Bildung als internationaler Wettbewerbsfaktor

Vor diesem Hintergrund erkennt man, dass es nicht genügt, die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes mit Indikatoren der Technologiepolitik zu bewerten, z. B. F&E-Quote des Bruttoinlandsprodukts, Anteil der technologiegestützten Branchen an der Wertschöpfung, Dichte von Forschungspersonal in den österreichischen Unternehmen, Verflechtung zwischen Wirtschaft und universitärer Forschung.

So meinte Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister der Clinton-Regierung: »Die moderne Industriepolitik eines Landes muss auf die eigenen strategischen Vorteile setzen. Und das ist vor allem die Ausbildung, um in der sich dynamisch verändernden Wirtschaft Themenführerschaft zu gewinnen und zu halten.« Amerika hat dies in den Bereichen der Medizin, Gentechnik und der New Economy eindrucksvoll bewiesen.

Die österreichische Wirtschaft kann nicht auf Marktgröße gegenüber amerikanischen oder europäischen Industriegiganten setzen, mit Qualität, Kreativität und Flexibilität kann sie sich jedoch behaupten. Einige österreichische Marken haben bereits einen europäischen Namen, z. B. Manner, Lenzmoser, Geiger, Gösser usw. Strategische Industriepolitik bedeutet somit vorausschauende Berufsbildung und Qualifikationsforschung.

Selbst österreichische Wirtschaftsforscher gestanden in der Fachkräftehysterie der heimischen Wirtschaft im Bereich New Economy, die in diesem Sommer durch die Green-Card-Diskussion Gerhard Schröders ausbrach, kleinlaut ein, dass in Österreich eine effiziente Qualifikationsforschung fehlt. Die Industriellenvereinigung glaubt mit einer Analyse der Stellenangebote heimischer Zeitungen Qualifikationsforschung zu betreiben. Doch System ist keines dahinter.

Die Zeit des Reagierens muss durch tatkräftige Aktionen abgelöst werden. Die Kraftanstrengung der indischen Politik in die Ausbildung von Softwarespezialisten trägt heute Früchte. Doch begonnen hat ihre Ausbildung bereits vor Jahren, als bei uns über den Bedarf von IKT-Experten noch gestritten wurde.

Dynamische Veränderungen in der Wirtschaft benötigen Bedarfsanalysen und eine Qualitätssicherung in der Ausbildung. Während zwischen 1990 und 1999 die Lehrstellen in Österreich um insgesamt 18.000 Plätze reduziert wurden, klagt die Wirtschaft heute über einen Mangel zwischen 6000 und 100.000 fehlenden Fachkräften.

Und Herbert Böhm, Vorstandsmitglied des Arbeitsmarktservice Österreich, meinte vor kurzem: »War zu Beginn der 90er Jahre noch fast die Hälfte der 15-Jährigen in der dualen Ausbildung, so liegt dieser Anteil derzeit bereits unter 40 Prozent, die Tendenz ist weiter sinkend. Die Folge daraus ist der Fachkräftemangel, der sich in der Zukunft noch weiter verschärfen wird.«

Fatale Fehler in der neuen österreichischen Bildungspolitik

Nachdem versucht wurde, die Bedeutung der Bildung im globalen Wettbewerb und den sich daraus ergebenden Strukturwandel darzustellen, soll auf die geplanten Sünden des Bildungsprogramms der FPÖ/ÖVP eingegangen werden.

Diese Vorstellungen gehen nicht nur auf die Kosten der Jugend und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern langfristig auch auf die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen. Auch wenn die Wirtschaft dies zurzeit noch nicht wahrhaben will.

1. Hilfskräfte statt Fachkräfte

Ende Juni beschloss die neue Koalitionsregierung FPÖ/ÖVP ein Paket zur Lehrlingsausbildung, welches junge Menschen zu Hilfskräften abstempelt - ohne jegliche Chance auf eine zukunftsreiche Ausbildung. - Das Auslaufen der Lehrlingsstiftungen raubt vielen jungen Menschen die Möglichkeit auf Ausbildungsplätze.

In diesem Herbst werden die ersten Lehrlingsschicksale auftreten - ausbildungswillige Jugendliche, die trotz Begabung in die Vorlehre gehen müssen, da sie auf dem regulären Lehrstellenmarkt keinen Ausbildungsplatz finden. Durch die weite Definition der Vorlehre sind 19.000 jugendliche Schulabgänger betroffen. Bei 40.000 Jugendlichen, die jährlich eine Lehrstelle suchen, ist das fast die Hälfte. - Der politische Tod der Stiftungen kappt das Bildungsmodell der Arbeitsassistenz. Individuelle Förderpläne erhöhten die Lernkurve von lernschwachen, behinderten oder verhaltensgestörten Jugendlichen.

Dazu kommt noch die Effizienz dieser Maßnahmen: Nach der Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich (Stichtag: 31. 12. 1999) wurden von 1852 neuen Lehrstellen nur 352 Plätze in der Wirtschaft geschaffen, während 1500 Jugendliche in Stiftungen und Lehrgängen untergekommen sind.

Diese 352 Plätze wurden mit 2,3 Milliarden Steuerzuckerln und mit arbeits- und sozialrechtlichen Flexibilisierungen erkauft. Die Schaffung von zusätzlichen 4000 Ausbildungsplätzen in den JASG-Maßnahmen waren demgegenüber noch sehr billig: 700-800 Millionen Schilling pro Jahr. - Die Vorlehre wurde 1997 als Anreiz für Unternehmen eingeführt, besonders lernschwachen bzw. behinderten Jugendlichen durch Ausweitung ihrer Ausbildungszeit den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Das 1. Ausbildungsjahr und die Lehrlingsentschädigung des 1. Jahres wurden auf 2 Jahre ausgeweitet. Nun soll die Vorlehre zu einer selbständigen Ausbildungsmöglichkeit und auf 3 Jahre ausgedehnt werden. Ob danach für die Jugendlichen eine »normale« Lehre möglich ist, liegt in der Willkür des Unternehmers. Ergebnis: billige Arbeitskräfte (z. B. 3 Jahre lang ein Entgelt des 1. Lehrjahrs im Gastgewerbe - Ersparnis für das Unternehmen: 55.790 Schilling) ohne Zukunft für den Jugendlichen.

Die Degradierung der Lehrlingsausbildung wird mittelfristig einen negativen Anreiz für Jugendliche und ihre Eltern darstellen, viel Schweiß und Zeit in eine Beschäftigung ohne Ausbildung zu stecken. Sobald die schlechten Zukunftsaussichten derartiger Schmalspurausbildungen offensichtlich werden, wird die Nachfrage bei der Schulausbildung steigen.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die es nicht schaffen, werden die strukturelle Arbeitslosigkeit in Österreich erhöhen oder zur neu entstehenden Klasse der »Working Poor« in Österreich gehören. Das ist keine Politik für eine moderne Wende, sondern eine Politik eines neuen Herrschaftssystems.

2. Schulausbildung »made by FPÖ«

Neben dem Solidarbeitrag der Lehrer (1 Stunde Lehrverpflichtung gratis) plant die FPÖ-ÖVP-Regierungskoalition lineare Kürzungen in Höhe von mehreren Milliarden Schilling im Schulbereich.

Die negativen Folgen sind klar: - keine zusätzlichen Ausbildungsplätze für Jugendliche, die sich mit der Verschlechterung der Lehre zunehmend in die Schulausbildung begeben; - Abweisungen der Schülerinnen und Schüler von ihrer »Wunschschule« wegen überfüllter Klassen wie auch Ansteigen der negativen Leistungsbeurteilung (»Nichtgenügend«, heuer rund 40.000 Betroffene); - Wiederholungsprüfungen, Klassenwiederholungen und Schulabbrüche belasten den Staat mit rund 4 Milliarden Schilling; - Förderkurse, Tutorien und die individuelle Betreuung einzelner Schüler werden eingeschränkt bzw. nicht mehr angeboten; - Arbeitsmarktprobleme für Vertragslehrer; - keine Chance für Junglehrer.

Das Ergebnis der Misere: Eltern müssen die Bildung ihrer Kinder mehr und mehr aus der eigenen Tasche finanzieren. Die schlechte Qualität der Bildung in überfüllten Klassen kostet Eltern heute schon 2 Milliarden Schilling an Nachhilfeunterricht. Der im internationalen Vergleich anerkannt hohe Bildungsstandard Österreichs wird mit solchen Maßnahmen sinken, die Chancengleichheit im Bildungswesen bleibt auf der Strecke.

Wahrscheinlich ist eine politische Debatte, die wie im Hochschulbereich die Probleme der Schulausbildung mit zu wenig Markt und Wettbewerb begründen wird. Qualität in der Schulausbildung wird nur noch durch Privatschulen garantiert werden, deren Management natürlich seinen Preis hat. Die Bildungsverantwortung wird mehr und mehr auf den Einzelnen übertragen werden.

Wahrscheinlich ist eine Schulgebührendebatte, so wie wir sie im Hochschulbereich für Studiengebühren seit Jahren kennen. Die FPÖ hat bereits einen derartigen Vorschlag mit dem Bildungsscheck versucht. Staatliche Schulen werden durch private Schulen abgelöst. Die Eltern erhalten Bildungsschecks, mit denen sie die Kosten des Schulbesuchs ihrer Kinder finanzieren können. In einem solchen System würden die Schulen um Schüler konkurrieren, und sie müssten Eltern von der Qualität ihres Bildungsangebotes überzeugen. Nicht einfach ist es, den Wert des Bildungsschecks festzulegen. Solange es staatliche Vergleichsschulen gibt, können jeweils deren Kosten die Vorgabe liefern.

In einem System mit privaten Schulen ist die Feststellung der Höhe der zu ersetzenden Kosten schwieriger. Die Kosten der Schulausbildung werden je nach sozialem Umfeld bzw. Bedarf des Auszubildenden verschieden sein, z. B. für die Finanzierung zusätzlicher Sprachkurse für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen. Das heißt, Chancengleichheit für den Zugang zu hochwertiger Bildung wird es nicht mehr geben.

Will die FPÖ dazu noch umsetzen, dass dieser Bildungsscheck durch die Entlohnung im späteren Berufsleben zurückgezahlt wird, dann muss folgende Frage ge-stellt werden: Ist durch die Steuer- last auf das Lebenseinkommen des Arbeitnehmers die indirekte Finanzierung seines Bildungskonsums nicht schon gegeben?

Eine Aufrechnung »Konsum der Bildung - Steuerlast während der gesamten Erwerbstätigkeit eines Arbeitnehmers« wurde bis heute von keinem einzigen Politiker bzw. Experten diskutiert.

3. Die Universitäten - eine neue Elite ist das Ziel

Die FPÖ-ÖVP-Regierung plant eine Einsparung bei den Hochschulen von einer Milliarde Schilling bis 2003. 300 Millionen Schilling sollen jedes Jahr beim Personal gekürzt werden, nachdem bei den Investitionsausgaben alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Das heißt, Grundlage genug für eine neue Studiengebührendebatte.

Gleichzeitig will sich diese Bundesregierung »Karenzgeld für alle«, Steuer- und Subventionsanreize für Unternehmen und Landwirte sowie die Entlastung der Unternehmen bei den Lohnnebenkosten leisten. Da walten keine Sachzwänge, sondern Menschen, die ihre Entscheidungen gegen soziale Schichten und Klassen ausrichten. Die Budgetkonsolidierungsdebatte scheint in der Öffentlichkeit dem Leitbild des Sparens und der Effizienzsteigerung verpflichtet zu sein.

In Wahrheit geht es um eine Veränderung der Rekrutierung der nationalen Intelligenz, d. h. eine neue Elitegesellschaft. Führungsstile, Umgruppierung der Medien und Umgestaltung des Bildungsapparats sind das Ziel. Einfacher gesagt: In der Bildungspolitik tritt an die Stelle von sozialer Integration, Förderung, Durchlässigkeit und Persönlichkeitsentwicklung das Motiv verschärfter individueller Selektion nach Leistungskriterien.

Dieser neoliberale Umbau des Sozialstaats führt zu Modernisierungsgewinnern und -verlierern. Will man zu den Modernisierungsgewinnern zählen, muss man sich am Wettlauf um die besten Plätze beteiligen. Die Folge: Individualisierung bzw. Vereinzelung der Studentinnen und Studenten. Je schneller im Studium - desto besser; je an- gepasster an vorgegebene Leistungsstandards, desto erfolgreicher.

Die vor kurzem eingeführten Fachhochschulen in Österreich sind für mich persönlich ein Ausdruck dieser Politik. Kritik- und Reflexionsfähigkeit, Selbständigkeit und ganzheitliches Denken sowie Argumentations- und Artikulationsfähigkeit können sich durch Spezialisierungen und verschulte Systeme kaum entwickeln.

Mit der Taktik der Erzeugung von Vorurteilen wird die derzeitige Bundesregierung versuchen, einschneidende Reform- und Sparmaßnahmen anzustreben. So könnte der Interessenkonflikt zwischen den Menschen an den Hochschulen und den Arbeitern und Angestellten geschürt werden, denn Letztere zahlen mit ihren Steuern die Hochschulen: So könnte die Studiengebührendebatte mit Vorurteilen aufgerollt werden.

Etwa: »Die haben Semesterferien, Forschungssemester. Es gibt die schwarzen Schafe, es gibt Bummel- oder Langzeitstudenten - also viele Privilegien.« Hier spielt Blauschwarz wieder die eine Gruppe gegen die andere aus. Die Gewerkschaften dürfen sich nicht von dieser Gruppe distanzieren, sondern müssen dies kritisch aufzeigen.

Mit der Privatisierung der Universitäten erfolgt eine Ausrichtung der Forschung und Lehre auf die Gewinnmaximierung für die Wirtschaft. »Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing.« Privates Sponsoring ist nur unter weiterer Aufgabe kritischer Wissenschaft möglich. Das Recht auf Bildung wird von unserer Regierung immer mehr als Wissenserwerb nach den wirtschaftlichen und technischen Erfordernissen definiert und nicht mehr nach dem Interesse des Einzelnen.

Bildungsverantwortung wird zunehmend auf den Einzelnen übertragen, genauso wie zurzeit die Debatte über die private Altersvorsorge den Gedanken der solidarisch organisierten Pension mehr und mehr sprengt.

4. Die österreichische Wettbewerbsfähigkeit wird leiden

Der schwarzblaue so genannte »Pakt für die Jugend« bedeutet eine Degradierung der betrieblichen Erstausbildung. Die Diskussion um eine marktwirtschaftliche Führung der Schulen und Hochschulen bedeutet, die politische Bildungsverantwortung aufzugeben. Die Ausbildung soll dem Einzelnen überlassen werden. Investition in die Ausbildung wird ein Privileg der Einkommensstarken.

Billige Tagelöhner und superreiche Jungmanager - das amerikanische Sozial- und Beschäftigungsmodell im »neuen Österreich«. Diese Sünden sind aber nicht nur sozialpolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch gesehen fatale Fehler, sieht man sich die neuen Arbeitsorganisationsstrategien an, die aus Amerika kommend auch immer mehr in unseren Unternehmen eingesetzt werden.

Der Markt wird auf das Unternehmen übertragen

Bei Microsoft gibt es keine Job-Beschreibung für den einzelnen Mitarbeiter mehr, d. h., für die Zuständigkeit und Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters gibt es keine Grenzen. Und der Druck kommt nicht mehr vom Management, sondern vom Team als »peer-group-pressure«. 1)

Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers hängt immer mehr vom Ergebnis des gesamten Unternehmens ab. Dieser Leistungsdruck bedingt, dass Arbeitnehmer ihre Karriere wie Selbständige oder Freischaffende organisieren.

Für die Arbeitenden gibt es nur noch »Sachzwänge« ...

Die direkte Lenkung des Unternehmers ist weg, die Arbeitnehmer sollen selbst handeln und erfolgreich auf dem Markt sein. Verantwortlich für den Erfolg auf dem Markt sind jetzt sie selbst - und niemand sonst
... aber sie müssen profitabel sein! »Eine Produktionseinheit, die zwei Jahre hintereinander rote Zahlen schreibt, wird zugemacht!«

Das ist jetzt das Problem der Arbeitenden auf der Betriebsebene - also nicht mehr das Problem des Unternehmers! Diese neue Arbeitsorganisation kommt aus der japanischen Wirtschaftsführung. Lean production (schlanke Produktion) ist die Übertragung der Verantwortung vom Bereichsmanager zu teilautonomen Gruppen.

Der Erfolg dieser Arbeitsorganisation hängt von einer höheren Qualifizierung des Einzelnen ab, der mehrere oder sogar alle Fertigungsschritte kennen muss, um Verantwortung übernehmen zu können. Beschäftigungsfähigkeit (Employability) und Unternehmergeist (Entrepreneurship) werden auch über die Europäische Beschäftigungsstrategie (Nationale Aktionspläne - NAPs) zu den Anforderungen der Arbeitnehmer von morgen!

Vom Arbeitnehmer wird erwartet: - Selbständigkeit und Unternehmergeist, - Beschäftigungsfähigkeit, das heißt, den gewünschten Anforderungen des Unternehmens zu entsprechen. Das bedeutet: Die Erstausbildung muss sich diesen Veränderungen stellen.

Neben dem beruflichen Wissen werden die Schlüsselqualifikationen für Fachkräfte immer wichtiger. Selbständigkeit im Beruf, die Bereitschaft zur Weiterbildung, Kommunikations- und Artikulationsfähigkeit, Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein sind die Qualifikationen der Zukunft.

Das benötigt eine breite Erstausbildung mit einer Erhöhung des Allgemeinwissens. Die Meinung des neuen Chefs der Österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, dass die Erstausbildung in ihrer Bedeutung hinter die betriebliche Weiterbildung fällt, ist völlig absurd. Bildungsdefizite müssen vom ersten Tag der Ausbildung an geschlossen werden.

Ansonsten wird es immer ein Zweiklassensystem der betrieblichen Weiterbildung geben, d. h., die gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden prioritär von ihren Unternehmen gefördert, da ihr Bildungserfolg höher ist als bei weniger qualifizierten Kollegen. Die Politik muss in Zeiten der New Economy Verantwortung übernehmen - für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für unsere Wirtschaft.

Denn die zentralen Probleme der Innovationspolitik Österreichs liegen nicht nur in fehlender technischer Kompetenz. Während die Wachstumsschwellen der Vergangenheit auf Technologien beruhten, die große Sachinvestitionen auslösten, spielen bei modernen Techniken komplexe Kommunikationsbezüge und das lebensbegleitende Lernen der Beschäftigten eine größere Rolle.

Wissen, Einfallsreichtum und Motivation der Menschen waren schon immer die ausschlaggebenden Produktions-, Wettbewerbs- und Engpassfaktoren. ÖGB-Präsident Verzetnitsch drückte die Bedeutung der Bildung kürzlich so aus: »Der wichtigste Produktionsfaktor der Neuen Ökonomie ist nicht mehr das Sachkapital, sondern Wissen, über das die Arbeitnehmer selbst verfügen.«

1) Peergroup - Bezugsgruppe eines Individuums, die aus Personen gleichen Alters, gleicher oder ähnlicher Interessenlage und ähnlicher sozialer Herkunft besteht und es in Bezug auf Handeln und Urteilen stark beeinflusst.

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Ortun Gauper (Leiterin des Referats für Berufsbildung im ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959091499 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Oct 2000 00:00:00 +0200 1200959091440 35-Stunden-Woche in Frankreich | Zwei Jahre Erfahrung Bei ihrer Amtsübernahme im Juni 1997 war die Regierung der »pluralen Linken« (Sozialisten, Kommunisten und Grüne) mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 3,1 Millionen konfrontiert gewesen: Das entsprach 13 Prozent der aktiven Bevölkerung. Mehr als 20 Jahre hindurch hatte es zahlreiche Maßnahmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen gegeben. Die Erfolge waren jedoch trotz hoher Kosten eher bescheiden.

Das Übel, das die französische Gesellschaft untergräbt, konnte nicht beseitigt werden. Arbeitslosigkeit und Unterstützungsgelder kosteten mehr als 350 Milliarden Franc (700 Milliarden Schilling) pro Jahr aus dem Haushaltsbudget. Fast jeder vierte Jugendliche (unter 25) war ohne Arbeit, Frauen und Ältere waren besonders betroffen. Das bedrohte Gleichgewicht der politischen Gesellschaft Frankreichs zeigte sich am Aufstieg einer extrem rechten Partei, die in zahlreichen Gemeinden an die Macht kam und in vielen Regionen die herrschenden Koalitionen von Rechten oder Linken gefährdete.

Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandelten schon seit über fünfzehn Jahren über die Senkung der Arbeitszeit: ohne Ergebnis. Ein neuerlicher Versuch war 1995 unternommen worden, mit eher mageren Resultaten. Die sozialistische Regierung rief im Sommer 1997 neuerlich die sozialen Akteure zusammen. Weil sie zu keinem Einverständnis gelangten, beschloss die Regierung, den legislativen Weg in Richtung 35-Stunden-Woche einzuschlagen.

Ein legislativer Weg in drei Etappen - ein experimentelles Gesetz vor den definitiven Gesetzen

Die Idee, auf gesetzlichem Weg eine Arbeitszeitsenkung von 39 auf 35 Stunden zu erlassen, erschien »extravagant« und geschah abseits der laufenden politischen Prozesse. Die Linksregierung stützte sich auf die Erfahrung eines Gesetzes, das bereits 1996 1) von der Rechtsregierung verabschiedet worden war.

Dieses hatte die Unterzeichnung von etwa 1500 Verträgen ermöglicht und die öffentliche Meinung und sozialen Kräfte auf das Interessante und die Schwierigkeiten dieser Vorgangsweise aufmerksam gemacht. Die Regierung schlug vor, den Weg zur Arbeitszeitverkürzung in drei Etappen einzuteilen. Ein Gesetz vom Juni 1998 legte die Bedingungen einer experimentellen Verhandlungsperiode von 18 Monaten fest. In dieser Zeit sollten Unternehmen oder Branchen über die Senkung der Arbeitszeit von 39 auf 35 Stunden verhandeln.

Wurde dies erreicht und konnten zudem neue Arbeitsplätze geschaffen werden, gewährte der Staat fünf Jahre hindurch finanzielle Unterstützung. Bezüglich der Löhne sah das Gesetz nichts vor. Die Verhandlungspartner hatten über deren Anpassung an die neuen Arbeitszeiten zu entscheiden.

Die zweite Stufe war der Evaluierung gewidmet; ein zweites Gesetz per Anfang 2000 legte die allgemeinen Bedingungen (Jahres- und Wochenarbeitszeit, Flexibilitätspielräume) fest, in deren Rahmen Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern die 35 Stunden verhandeln sollten. Ein drittes Gesetz regelt, wie die kleineren Unternehmen die Arbeitszeitverhandlungen ab Anfang 2002 praktizieren werden.

Staatsinterventionismus?

Die Arbeitgeberorganisationen konnten diesem Gesetz, das vorwiegend »experimentellen« Charakter hat, nichts abgewinnen. Sie lehnten es strikt ab, über eine allgemeine Senkung der Arbeitszeit zu verhandeln. Beklagt wurde auch der »Staatsinterventionismus« im sozialen Bereich bei gleichzeitiger Verwendung öffentlicher Gelder, um Arbeitszeitverkürzung zu erleichtern.

Die Unternehmerseite erwartete sich von all dem keine Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt, sondern fürchtete durch weitere Verpflichtungen eine Stagnation der Wirtschaft. Auch auf Seite der Gewerkschaften dominierte die Skepsis. Die einen fürchteten kümmerliche Ergebnisse der Verhandlungen in den Unternehmen durch Arbeitgeberdruck. Die anderen eine Verschlechterung sozialer Normen zugunsten dezentralisierter Verhandlungen.

Besondere Skepsis galt den Verhandlungen in kleinen Unternehmen ohne Gewerkschaft 2). In diesem Fall gestattet es das Gesetz, dass Arbeitnehmerdelegierte das Einverständnis der Gewerkschaften mit den Klauseln des Vertragsprojektes einholen. Das Gesetz brachte trotzdem viele Unternehmen dazu, über eine Senkung der Arbeitszeit zu verhandeln: Schließlich war damit eine finanzielle Unterstützung verbunden.

Die Gewerkschaften sind daran wegen der Schaffung von Arbeitsplätzen interessiert. Zwei wesentliche Folgen: Einerseits sind die nationalen Berufs- oder Branchenverbände, die gegen das Gesetz sind, de facto durch ihre Mitglieder desavouiert. Andererseits müssen die Unternehmen mit ihren Arbeitnehmern verhandeln, um Unterstützung zu bekommen - kein Abkommen, keine Finanzspritze.

Die Glaubwürdigkeit der Arbeitgeber

Die Arbeitgeberorganisationen der Branchen sahen sich so quasi zu Verhandlungen gezwungen. Sie fürchteten, dass die erzielten Ergebnisse einzelner Unternehmen als Grundlage zur Erarbeitung des zweiten Gesetzes herhalten könnten. Deutlich wurde auch, dass jene Unternehmen, die in dieser Periode Verhandlungen eröffneten, besser um die sozialen Bedingungen Bescheid wussten.

Es ging also auch um die organisatorische Glaubwürdigkeit. Schließlich war ein Diskurs gegen das Gesetz nicht aufrechtzuhalten, der von den Einzelorganisationen nur aufgrund von Partikularinteressen geführt wurde. Daher starteten hunderte Branchen vom Erscheinen des Gesetzes an mit den Verhandlungen, um nationale Standards an die Unternehmensverhandlungen zu knüpfen.

Aber die erzielten Abkommen zur Senkung der Arbeitszeit konnten auf dieser Ebene nur allgemeinen Charakter haben. Meist waren die Besonderheiten der einzelnen Unternehmen zu markant, als dass Branchenabkommen einfach von Tausenden betroffenen Unternehmen übernommen werden konnten.

Daher kamen relativ wenig Branchenabkommen zustande, die eine Gewährung staatlicher Hilfe durch deren direkte Anwendung autorisierten. Eine ergänzende Verhandlung auf Unternehmensebene war dafür nötig. Im Verhandlungsprozess stehende Unternehmen meinten zudem, dass die Auswirkung der Branchenverhandlungen auf ihre eigenen sehr schwach waren (MES. 1999, Seite 30).

Die Bilanz des ersten Gesetzes im Herbst 1999

Eine Bilanz der experimentellen Periode wurde angesichts des zweiten Gesetzes im September 1999 gezogen. Zu dieser Zeit waren mehr als 15.000 Unternehmensabkommen unterzeichnet. Sie betrafen 2,2 Millionen Lohnabhängige (von 12 Millionen aus der Privatwirtschaft, einschließlich Kleinbetrieben) und sie ermöglichten die Schaffung von 108.000 und die Erhaltung von 12.000 Arbeitsplätzen.

Die Arbeitszeit wird im Allgemei- nen auf Jahresbasis berechnet; die Abkommen berührten nicht die vorheri-gen sozialen Errungenschaften bezüglich des Jahresurlaubs (fünf Wochen) und die Feiertage. Gegebenenfalls werden Urlaubstage oder -wochen zusätzlich gewährt, um auf durchschnittlich 35 Wochenstunden zu kommen.

Die Verhandlungen kombinierten im Allgemeinen mehrere Arten von Stundenregelungen in ein und demselben Unternehmen oder demselben Dienstleistungssektor (Senkung der Tages- oder Wochenarbeitszeit, Ansammlung von Freistunden auf Tage oder Wochen etc.). Die Zeitberechnung blieb äußerst vage; die interne Organisation war stark gefordert, wollte sie diese neuen Zeitpläne umsetzen.

Die große Mehrheit der Abkommen war offensiv und brachte neue Arbeitsplätze. In fast allen Fällen, nämlich zu 90 Prozent, blieben die Gehälter unangetastet, was de facto einen Anstieg des Stundenlohnes von 11,4 Prozent bedeutete. Im Gegenzug wurden die Lohnverhandlungen vertragsmäßig über einen mehr oder weniger längeren Zeitraum unterbrochen. Klauseln zum Wirtschaftsergebnis wurden oft formuliert, um die Wiederaufnahme von Verhandlungen anzukurbeln.

Die Dauer der Arbeitswoche wurde manchmal flexibel auf das Jahr berechnet gehalten, um komplexere oder spezifischere Anpassungen zu ermöglichen. Die vorgesehene maximale Wochenarbeitszeit wurde häufig mit 42 Stunden begrenzt und erreichte in seltenen Fällen die frühere Grenze von 48 Stunden.

Die neu geschaffenen Arbeitsplätze wurden in die neue Stundenlohntabelle einbezogen. Neue Arbeitsplätze kommen oft qualifizierten Arbeitnehmern zugute. Fachkräfte in wichtigen fachlichen oder hierarchischen Funktionen unterliegen nicht dem Stundenabzug.

Für sie sind freie Tage vorgesehen, die sie über das Jahr gemäß einem Durchrechnungszeitraum nehmen können (das werden im zweiten Gesetz 217 Tage sein). Fast die Hälfte der Unternehmen, die in dieser Phase verhandelt haben, beschäftigt weniger als zwanzig Arbeitnehmer, 70 Prozent weniger als fünfzig, wobei das zweite Gesetz nicht vorsieht, sie einzuschließen.

Diese Verhandlungen folgten häufig der oben erwähnten Vorgangsweise. Abkommen wurden in etwa hundert Branchen unterzeichnet, wo die Bestimmungen nur in seltenen Fällen im Widerspruch zu den allgemeinen Tendenzen in den Unternehmen stehen.

Das zweite Gesetz: die wichtigsten Bestimmungen

Das zweite Gesetz griff diese Erfahrungen auf, um den möglichen Diskussionsrahmen in Branchen und Unternehmen abzustecken. Die wichtigsten Bestimmungen: Ein Durchrechnungszeitraum von 1600 Stunden ist die offizielle Jahresarbeitszeit, die offizielle Wochenarbeitszeit beträgt 35 Stunden.

Die gesetz- liche Urlaubsdauer und die Feiertage bleiben unangetastet. Jährlich können 130 Überstunden geleistet werden. Überstunden von zwischen 35 und 43 Stunden sind um 25 Prozent hinaufgesetzt (oder Zeitausgleich von 125 Prozent). Ab der 43. Stunde liegt die Rate bei 50 Prozent (oder äquivalenter Zeitausgleich). Branchenverhandlungen können den Überstundensockel anheben. Aber ab der 130. Überstunde muss der Zeitausgleich genommen werden.

Hat ein Unternehmen ein Zeitmodell, wo die Wochenarbeitszeit im jährlichen Durchrechnungszeitraum berechnet wird, werden die Überstunden auf 90 pro Jahr reduziert. Dieses Zeitmodell muss verhandelt wer- den und leitet sich nicht, wie vorher, einfach von der Anwendung des Gesetzes ab. Das zweite Gesetz sieht Unterstützung beim Übergang zur 35-Stunden-Woche vor.

Je geringer der Lohn, umso geringer die Lohnnebenkosten: Niedrigere Einkommen werden demnach bevorzugt. Sie können Unternehmen zugute kommen, die mit den Arbeitnehmervertretern ein Abkommen zur Arbeitszeitsenkung unterzeichnen, ohne sofortige Arbeitsplatzbeschaffung.

Das monatliche Mindestentgelt (vom Staat festgelegt: bei etwa 6800 Franc) wird nur bei Senkung der Arbeitszeit abgeändert. Die Verhandlungen um die anderen Löhne bleiben offen.

Die Ergebnisse für den Arbeitsmarkt und die wirtschaftlichen Folgen

Anfang März 2000 zählte das Arbeitsministerium 27.000 Unternehmensabkommen, die drei Millionen Lohnabhängige und 175.000 neue oder bewahrte Arbeitsplätze betrafen. Dazu gehören die zahllosen Unternehmen, die direkt die 132 Branchenabkommen - betreffend zehn Millionen Erwerbstätige - angewendet haben.

Die Arbeitszeitverhandlung kam in einem für die nationale Wirtschaft besonders günstigen Moment; sie brachte seit 1997 durchschnittlich mehr als 300.000 Arbeitsplätze pro Jahr. Über die Qualität der durch Arbeitszeitsenkung geschaffenen Arbeitsplätze kann man diskutieren.

Außer Diskussion aber steht, dass sie keineswegs die befürchtete wirtschaftliche Katastrophe verursacht hat:Das Wachstum war in Frankreich während dieser Verhandlungsphase stärker als in den meisten anderen europäischen Ländern und wurde durch anhaltenden internen Konsum gestützt.

Die Vielfalt der Unternehmensverhandlungen zeigt, dass die Senkung der Arbeitszeit relativ unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der einzelnen Unternehmen ist: Die Senkung der Arbeitszeit um mehr als 11 Prozent, mit neuen Arbeitsplätzen, verlangt eine komplette Umorganisierung der Produktion, die sehr wohl zum Vorteil von Unternehmen sein könnte, die sich in Schwierigkeiten befinden.

Sie ermöglicht substantielle Verbesserungen der Produktivität. Durch sie werden Maschinen und Anlagen besser ausgelastet (viele Unternehmen öffnen sechs Tage pro Woche statt wie früher fünf), ohne dass die Arbeitnehmer gezwungen sind, mehr Wochentage zu arbeiten:

Im Gegenteil!

Allein durch Arbeitszeitverkürzung werden neue Kräfte auf den Arbeitsmarkt geholt oder dort behalten, die früher oft durch die lange Arbeitszeit davon ferngehalten wurden (besonders Frauen). Die Arbeitszeitverkürzung schadet keineswegs dem verfügbaren Arbeitsvolumen im Wirtschaftsgefüge.

Sicher braucht die Arbeitszeitverkürzung vor allem soziales Know-how innerhalb der Unternehmen. Die soziale Akzeptanz steigt, je eher die Lohnabhängigen an den Verhandlungen beteiligt werden. Umfragen zeigen, dass nach einem Jahr der Praxis 80 Prozent jener Arbeitnehmer, die 35-Stunden-Wochen haben, mit den neuen Bedingungen zufrieden sind. Und die französische Wirtschaft wird 2000 eine Wachstumsrate zwischen 3,7 und 3,9 Prozent haben, also weit über dem europäischen Durchschnitt.

Die Arbeitslosigkeit wurde dank des Wachstums, der Maßnahmen zur Jugendbeschäftigung und der Arbeitszeitverkürzung seit Juni 1997 von 13 auf zehn Prozent gesenkt.

1) Im Mai 1996 brachte der liberale Abgeordnete G. de Robien in der Nationalversammlung ein Gesetzesvorhaben zur Abstimmung, das die Arbeitszeitverkürzung, kompensierende Personaleinstellungen und staatliche Subventionen miteinander verband. Arbeitgeberverbände und einige Gewerkschaften kritisieren es als verdeckte Form von Arbeitsplatzsubvention.

2) In Frankreichs Unternehmen sind es die Gewerkschaften, die verhandeln, und nicht die gewählten Instanzen, die es ab zehn Arbeitnehmern gibt. Gleichzeitig ist aber der gewerkschaftliche Organisationsgrad sehr gering (durchschnittlich neun Prozent, im Privatsektor sicher nicht über fünf Prozent) und in Kleinbetrieben im Allgemeinen überhaupt bei null.

Bibliographie

Dufour Christian (1999): Die 35-Stunden-Frage in Frankreich - Verhandlung oder Zwang? Kurswechsel 4/1999, S. 79-89

Dufour Christian, Adelheid Hege, Catherine Vincent, Mouna Viprey (1999):
Le mandatement dans le cadre de la loi du 13 juin 1998, Paris. IRES.

MES (Ministère de l’Emploi et de la Solidarité, 1999): Les enseignements des accords sur la réduction du temps de travail, Tome I, septembre.

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Christian Dufour (Soziologe und stellvertretender Direktor des französischen Wirtschafts- und Sozialforschungsinstitutes IRES; Übersetzung: Gabriele Müller) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959091340 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959091382 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Oct 2000 00:00:00 +0200 1200959091279 Krankensteuer: Wie die Kranken zur Kasse gebeten werden... Darüber hinaus sieht das Sozialrechts-Änderungsgesetz im Bereich der sozialen Krankenversicherung auch die gesetzliche Ermächtigung zu Leistungskürzungen bei satzungsmäßigen Mehrleistungen, die Informationspflicht der Kassen über die jährlichen Behandlungskosten des Versicherten und dessen Angehörigen und Ausgabensenkungen beim Verwaltungsaufwand vor.

Grundsätzliches zu Selbstbehalten

Da Selbstbehalte oder - anders ausgedrückt - Zuzahlungen der Patienten zu den Behandlungskosten im Mittelpunkt der Reformen stehen, ist es sinnvoll, sich etwas näher mit ihnen zu befassen. Im Gesundheitswesen wird die Nachfrage (des Patienten) nach Gesundheitsgütern und -dienstleistungen (wie ärztliche Hilfe, Spitalsbehandlung, Medikamente) in erster Linie von den behandelnden Ärzten (also von den Leistungsanbietern) bestimmt.

Im Allgemeinen werden Patienten die Anweisungen ihrer Ärzte befolgen und keine Verschlechterung der Krankheit riskieren. Lediglich beim ersten Arztkontakt hat der Patient eingeschränkte Wahlmöglichkeiten, z. B., ob er einen Arzt und gegebenenfalls welchen (einen praktischen Arzt, niedergelassenen Facharzt oder eine Spitalsambulanz) aufsucht. In diesen Fällen soll der Selbstbehalt Kranke dazu verhalten, sich für billigere Behandlungsalternativen (z. B. Naturheilmittel, Selbstbehandlung anstelle eines Arztbesuches) zu entscheiden.

Zu bedenken ist allerdings, dass Patienten medizinische Laien sind und infolge des Selbstbehalts ihre Krankheitssymptome ignorieren könnten. Daher ist es falsch, den Zugang zu medizinischen Leistungen durch eine Kostenbeteiligung des Patienten an den Behandlungskosten zu erschweren. Ein solcher Selbstbehalt kann nämlich, wenn er zu hoch angesetzt wird, dazu führen, dass eine notwendige Behandlung aus Kostengründen nicht in Anspruch genommen wird.

Die gesundheitspolitischen Folgekosten (z. B. einer teuren Folgebehandlung) bei einer Chronifizierung der Erkrankung wären enorm. Demgegenüber hat die Anhebung der Rezeptgebühr keine Steuerungswirkung, weil die Verschreibung von Medikamenten nicht im Ermessen des Patienten, sondern des Arzts liegt. Gleiches gilt bei Selbstbehalten für Heilbehelfe und beim Kostenbeitrag im Spital (derzeit 70 Schilling pro Spitalstag).

In diesen Fällen dient der Selbstbehalt ausschließlich der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung, eine Lenkungsfunktion hingegen kommt ihm nicht zu. Insgesamt werden heute immerhin rund 10 Milliarden Schilling über Selbstbehalte aufgebracht. Abgesehen von diesen problematischen Wirkungen auf das Verhalten kranker Menschen bestehen folgende wichtige Vorbehalte gegen Selbstbehalte: Ihrem Wesen nach stehen Selbstbehalte im krassen Gegensatz zur solidarischen Finanzierung der sozialen Krankenversicherung.

Das bedeutet: Je höher das Einkommen des Versicherten ist, desto höher ist auch dessen Beitrag zur Krankenversicherung. Die Leistungen hingegen richten sich - unabhängig vom Einkommen oder von allfälligen höheren Erkrankungsrisiken - ausschließlich nach dem jeweiligen Bedarf.

Der Selbstbehalt indes trifft gerade die Kranken. Er wirkt wie eine »Krankensteuer«. Besonders belastet werden chronisch Kranke, Alte und sozial Schwache sowie kinderreiche Familien. Selbstbehalte verstoßen aber nicht nur gegen diesen Grundsatz, sondern auch gegen das Prinzip der Beitragsparität. Beitragsparität heißt, dass die Versicherten und deren Dienstgeber jeweils zur Hälfte mit ihren Beiträgen das Beitragsaufkommen bestreiten.

Bei Selbstbehalten ist es dann nur mehr der Versicherte, der einseitig mit »Beiträgen« belastet wird. Aus diesen Gründen haben sich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer gegen neue Selbstbehalte in der Krankenversicherung ausgesprochen. Im Folgenden werden die einzelnen Änderungen dargestellt:

Neuerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung

Rezeptgebühr In der gesetzlichen Krankenversicherung wird diese Form des Selbstbehalts noch verstärkt. Die Rezeptgebühr wird von 45 auf 55 Schilling angehoben. Künftig soll aber nicht nur der Entfall, sondern - zusätzlich - auch eine Herabsetzung der Rezeptgebühr in der Richtlinie des Hauptverbands ermöglicht werden.

Die Erhöhung tritt mit 1. 10. 2000 in Kraft.

Selbstbehalt bei psychotherapeutischer Behandlung

Bei Inanspruchnahme psychotherapeutischer und klinisch-diagnostischer psychologischer Leistungen ist, sofern ein Gesamtvertrag vorliegt, ein Behandlungsbeitrag in der Höhe von 20 Prozent des jeweiligen Vertragshonorars zu zahlen. Anzumerken ist, dass für die Psychotherapie derzeit kein Gesamtvertrag besteht.

Unklar ist auch, warum gerade bei diesen Leistungen ein Behandlungsbeitrag festgelegt wird; führt ein Arzt die Psychotherapie durch, sind vom Patienten keine Zuzahlungen zu leisten. Der Selbstbehalt tritt am 1. 10. 2000 in Kraft.

Ambulanzgebühr

Für jede Inanspruchnahme einer ambulanten Behandlung in Krankenanstalten (Anstalten, die über Landesfonds finanziert werden, oder Vertragsanstal-ten der Kassen) sowie in eigenen Einrichtungen der Kassen (Kassenam- bulatorien) ist pro Ambulanzbesuch ein Behandlungsbeitrag - Ambulanz (weniger technisch: eine Ambulanzge- bühr) zu zahlen.

Nur Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation der Versicherungsträger und Ambulatorien für physikalische Medizin sind davon ausgenommen. Die Ambulanzgebühr beträgt bei Überweisung durch einen niedergelassenen Arzt 150 Schilling, sonst 250 Schilling. In Summe werden damit Kranken Mehrbelastungen im Ausmaß von einer Milliarde Schilling auferlegt.

Dieser Betrag wird dem Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zur Verfügung gestellt. Der Behandlungsbeitrag darf pro Versicherten (Angehörigen) 1000 Schilling im Kalenderjahr nicht übersteigen. Er ist einmal im Kalenderjahr durch die Kasse einzuheben. Die Krankenanstaltenträger haben die zur Einhebung erforderlichen Daten (z. B. das Vorliegen einer Überweisung bzw. eines Notfalls) dem Hauptverband elektronisch zu übermitteln. In medizinischen Notfällen darf der Behandlungsbeitrag nicht eingehoben werden.

Ein medizinischer Notfall liegt vor, wenn Lebensgefahr besteht oder wenn die ambulante Behandlung unmittelbar eine stationäre Behandlung nach sich zieht. Davon ausgenommen sind weiters von der Rezeptgebühr befreite Personen; Personen, die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft oder Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in Anspruch nehmen; Personen, die Körperteile oder Blut(plasma) spenden.

Ausnahmen bestehen auch dann, wenn Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erforderlich sind, die außerhalb der Ambulanz in angemessener Entfernung vom Wohnort nicht in geeigneter Weise oder nur unzureichend zur Verfügung stehen. Der Behandlungsbeitrag ist einzuheben, wenn der Ambulanzbesuch durch eine schuldhafte Beteiligung an einem Raufhandel bedingt war oder sich als unmittelbare Folge von Trunkenheit oder Suchtgiftmissbrauch erweist.

Wie wenig die Ambulanzgebühr zur Finanzierung der Krankenversicherung beitragen wird, ergibt sich daraus, dass durch die Verlagerung medizinisch notwendiger Behandlungen in den niedergelassenen Bereich und durch höhere Verwaltungskosten die zusätzlichen Einnahmen aus den Ambulanzgebühren aufgezehrt werden. Die Ambulanzgebühr ist - entgegen früheren Versprechungen - nunmehr auch für Kinder zu entrichten.

Die Ausnahmen (Notfall, keine nahe gelegenen Behandlungseinrichtungen außerhalb der Ambulatorien) sind unbestimmt. Es stellen sich viele Fragen. Was ist unter Lebensgefahr zu verstehen? Oder: Wie soll geklärt werden, ob eine Behandlung auch anderswo möglich wäre? Die Einhebung der Ambulanzgebühr soll durch die Krankenkassen einmal jährlich vorgenommen werden.

Die Vorschreibung erfolgt jeweils im Nachhinein. Es liegt auf der Hand, dass damit Patienten den Eindruck erhalten, der Selbstbehalt werde ihnen von der Sozialversicherung auferlegt, obgleich die Sozialversicherung diese Maßnahme vehement abgelehnt hat.

Die Regelung wird mit dem 1. 1. 2001 wirksam.

Ausweis der Krankheitskosten

Die Krankenversicherungsträger werden verpflichtet, die Versicherten über die Kosten der von ihnen und ihren Angehörigen in Anspruch genommenen Sachleistungen zu informieren. Politisch gesehen und in technischer Hinsicht werden damit die Voraussetzungen für den Einstieg in eine noch stärkere Ausweitung des Selbstbehalts geschaffen werden.

Auf dieser Grundlage könnten dann leicht prozentuelle Selbstbehalte (z. B. 20 Prozent der Arztkosten) vorgeschrieben werden. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist in Erwartung weiterer Sparmaßnahmen kaum bewältigbar. Anstatt der Sozialversicherung mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Datenübermittlung (von Honoraren, Heilmittelpreisen etc.) durch die Vertragspartner zu Hilfe zu kommen, ist diese weiterhin auf die händische Bearbeitung der Schriftstücke angewiesen.

Völlig unklar ist, worin der Nutzen dieser Maßnahme bestehen soll. So wäre es durchaus sinnvoll, den Patienten unmittelbar nach dem Arztbesuch eine Honorarnote mit allen erbrachten Leistungen auszufolgen, um den Patienten eine Leistungs- und der Kasse eine Preiskontrolle zu ermöglichen. Wenn der Patient aber erst Monate nach der Behandlung eine Kostenaufstellung erhält, kann von einer »Stärkung des Kostenbewusstseins« keine Rede sein.

Vielmehr wird damit sogar eine Brüskierung der Patienten bewirkt, indem kranke Menschen in einer für sie ohnehin sensiblen Situation von der Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht, dass sie trotz jahrelanger Beitragszahlung Kosten verursachen.

Diese Regelung tritt erst am 1. 1. 2003 in Kraft.

Mustersatzung und satzungsmäßige Mehrleistungen in der Krankenversicherung

In der Mustersatzung des Hauptverbands ist für die Satzungen der Krankenversicherungsträger unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung eine für alle Kassen verbindliche Bandbreite für satzungsmäßige Mehrleistungen (wie z. B. Krankengeld, Zahnersatz und Kieferregulierungen, Heilbehelfe und Hilfsmittel etc.) festzulegen.

Diese Bestimmung läuft sowohl auf eine Vereinheitlichung als auch auf eine Verringerung (»Konvergenz«) von Satzungsleistungen hinaus, weil nur mehr auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der sozialen Krankenversicherung Bedacht zu nehmen ist, während das Kriterium der sozialen Bedürftigkeit fortan unbeachtet sein soll.

Aufgrund der aktuellen finanziellen Probleme wird damit zu rechnen sein, dass etwa der abnehmbare Zahnersatz einheitlich in einem geringeren Ausmaß als heute von den Kassen bezuschusst werden wird. Ähnlich könnte es den bestehenden Satzungsregelungen über den Transport von Kranken ergehen. Zuständig für die Mustersatzung ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

An ihn richtet sich die Aufforderung, diese Veränderungen rasch vorzunehmen, die dann bis Ende 2001 in die Satzungen der einzelnen Kassen aufgenommen werden müssten. Darin wird ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Kassen gesehen.

Die Regelung wurde am 1. 7. 2000 wirksam.

Verwaltungsaufwand

Darüber hinaus wird in den Geschäftsjahren 2000 bis 2002 der Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand der Sozialversicherungsträger auf das Niveau des Verwaltungs-(Verrechnungs) Aufwands des Jahres 1999 »eingefroren«. Für die gesetzliche Krankenversicherung würde die Maßnahme zu einer Verminderung der Aufwendungen um rund 265 Millionen Schilling im Jahr 2002 (2000: 100 Millionen Schilling, 2001: 175 Millionen Schilling) führen.

Wie diese Ausgabensenkung letztlich vorgenommen wird, ist den Kassen bzw. dem Hauptverband überlassen. Außer einem Beschäftigungsabbau kommen auch dienstrechtliche Maßnahmen in Frage. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass das Dienstrecht im Bereich der Sozialversicherung auf Kollektivverträgen beruht und daher nicht einseitig vom Dienstgeber geändert werden kann.

Eine Personalreduktion wäre nicht nur arbeitsmarktpolitisch verfehlt, es würde auch die Dienstleistungsqualität (längere Wartezeiten bei Untersuchungen und Erledigungen) darunter leiden.

»Zielvereinbarungen«: Controlling, Monitoring und Reporting

Das Gesetz sieht vor, dass die Verbandskonferenz des Hauptverbands (vergleichbar den Generalversammlungen der Kassen) zur »Koordinierung des Verwaltungshandelns der Versicherungsträger« Zielvereinbarungen über die kurz- und mittelfristigen sozial- und gesundheitspolitischen Ziele zu treffen hat.

Diese Zielvereinbarungen sind spätestens im Dezember eines jeden Jahres zu beschließen. Neu ist, dass die beschlossenen Ziele mit der Bundesregierung abgestimmt werden müssen. Damit werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Bundesregierung faktisch umfassende und verbindliche Zielvereinbarungen für das Handeln der Selbstverwaltung formulieren kann. Die neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Regierung werden durch die Einrichtung einer »Controllinggruppe«, der neun Mitglieder angehören (fünf davon sind Vertreter der Bundesregierung!), abgesichert.

Dieser Gruppe obliegt anhand der von den Versicherungsträgern vorzulegenden Berichte (Monitoring) die Prüfung, ob die Praxis der Selbstverwaltung den Zielvereinbarungen entspricht. Ihr sind auf Verlangen alle Unterlagen der Versicherungsträger und des Hauptverbands vorzulegen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben hat ein entsprechendes Management zu sorgen, das sich aus zwei qualifizierten Mitarbeitern des leitenden Diensts der Versicherungsträger zusammensetzt.

Der Hauptverband hat vierteljährlich dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen einen Finanzcontrollingbericht sowie halbjährlich einen Kosten- und Leistungsbericht zu übermitteln (so genanntes »Reporting«). In der Tendenz gehen all diese Maßnahmen in Richtung einer »Aushebelung« der Selbstverwaltung. Die Regierung erhält die gesetzliche Ermächtigung, starken Einfluss auf Belange der selbst verwalteten Sozialversicherung nehmen zu können.

Alle diese Maßnahmen werden mit dem 1. 10. 2000 wirksam.

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung

Ohne eine adäquate Gegensteuerung ist für das Jahr 2000 mit Abgängen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Ausmaß von bis zu 6 Milliarden Schilling zu rechnen, die im Folgejahr auf 9 Milliarden Schilling wachsen werden. Die maßgeblichen Ursachen des Defizits sind Kostensteigerungen bei den Medikamenten und - in den letzten Jahren - die ungünstige Einnahmenentwicklung der Kassen.

Selbst wenn man die finanziellen Erträge aller von der Bundesregierung zur Finanzierung dieses Versicherungszweiges geplanten Maßnahmen zusammenzählt - darunter fallen auch Änderungen in der Preisgestaltung von Medikamenten im Wert von bis zu einer Milliarde Schilling -, wird das vorliegende Maßnahmenbündel bei weitem nicht ausreichen, das Kassendefizit auszugleichen.

Die Regierung hat somit vor allen Dingen ein Krankenbelastungspaket geschnürt, das zur Sanierung der Krankenkassen wenig beitragen wird und die Unternehmen entlastet (Senkung des Dienstgeberbeitrags für Arbeiter trotz steigender Abgänge!), die Versicherten aber insgesamt teuer zu stehen kommt.

Die eigentlichen Ursachen der steigenden Gesundheitskosten (Mehrfachuntersuchungen, Qualitätsmängel, Spitalslastigkeit etc.) werden jedoch nicht angegangen. Somit stellt sich die für die Zukunft der Krankenversicherung wesentliche Frage, ob sich die Bundesregierung anstelle einer solidarischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin nur für »Krankensteuern« und Leistungskürzungen entscheiden wird.

ÖGB und AK

Die Arbeiterkammer und der ÖGB haben der Bundesregierung Vorschläge für eine einnahmen- und ausgabenseitige Finanzierung der sozialen Krankenversicherung unterbreitet, die am Solidarprinzip festhalten. Zur Kategorie der einnahmensteigernden Maßnahmen zählen:

  • Einführung von Gesundheitsabga-ben (z. B. durch Zweckwidmung von Tabak-, Alkohol- und/oder Mineralölsteuern);
  • Ersatz für den weggefallenen Vorsteuerabzugbei Heilmitteln;
  • Abgeltung von »versicherungsfremden« Familienleistungen in der Krankenversicherung (Wochengeld, Entbindungskosten, In-vitro-Fertilisation) durch den Familienlastenausgleichsfonds, der auch für einen angemessenen Beitrag für die mitversicherten Angehörigen aufzukommen hat. Der Wert der Familienleistungen liegt bei rund 25 Milliarden Schilling.

Maßnahmen dieser Art sollen in erster Linie den aktuellen Finanzierungsbedarf abdecken. Den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer ist selbstverständlich bewusst, dass die Ausgaben für die »Gesundheit« aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts und der demographischen Entwicklung auch in Zukunft wachsen werden.

Umso dringender ist es, »Wirtschaftlichkeitsreserven« auszuschöpfen, letztlich auch, um damit zu verhindern, dass Gesundheitsleistungen rationiert (z. B. indem älteren Patienten bestimmte Behandlungen vorenthalten werden) oder zum Teil privatisiert werden. Das Vorhandensein von »Wirtschaftlichkeitsreserven« bedeutet, dass die Versorgung von Kranken gleich effektiv wie heute, aber mit geringerem Kostenaufwand bewerkstelligt wird.

Auch im Gesundheitssystem sind solche Rationalisierungen möglich, wenngleich dieses nicht mit einem privatwirtschaftlichen Betrieb verglichen werden darf. Darunter fallen unter anderem Preis- und Spannensenkungen im Heilmittelsektor, aber auch langfristige Maßnahmen wie eine neue Arbeitsteilung im Gesundheitswesen (Beispiel: Was sind die Aufgaben niedergelassener Ärzte und von Ambulanzen?), datensichere Kommunikationswege zwischen verschiedenen Behandlungsstellen, Qualitätssicherung, Ökonomiekontrollen und - nicht zuletzt - auch so genannte Budgets. Idealerweise sollten diese auf »Zielgrößenvereinbarungen« zwischen Leistungserbringern, also in erster Linie Ärzten, und der Sozialversicherung beruhen. Kommen solche Vereinbarungen aber nicht zustande, wäre auch der Gesetzgeber gefordert.

Bezogen auf Medikamente würde ein »Budget« auf eine Deckelung der entsprechenden Aufwendungen für die Sozialversicherung hinauslaufen, wobei dieser »Deckel« jährlich mit der Zuwachsrate der Beitragseinnahmen valorisiert werden müsste. Ein solches Modell einer »einnahmenorientierten Ausgabenpolitik« hat sich bei der Spitalsfinanzierung bewährt und könnte sowohl bei Heilmitteln als auch bei den Aufwendungen für ärztliche Hilfe Anwendung finden.

Strukturelle Änderungen wie neue Technologien im Gesundheitswesen müssten dabei berücksichtigt werden. Werden Budgets überschritten, kann sich die Sozialversicherung an den Verursachern schadlos halten.

Hier sind nur die wichtigsten Reformziele angeführt. Man kann aber nicht von »Strukturreformen« im Gesundheitswesen reden, wenn diese Ziele aus (klientel)politischen Gründen nicht einmal anvisiert, dafür aber Kranke zur Kasse gebeten werden.

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Helmut Ivansits (Leiter der Abteilung Sozialversicherung in der Wiener Arbeiterkammer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Oct 2000 00:00:00 +0200 1200959091252 Mitwirken, nicht einlullen lassen! »Arbeit & Wirtschaft«: Lieber Kollege Verzetnitsch, in der Öffentlichkeit heißt es immer wieder, wann wird der ÖGB endlich aktiv, die Rede ist von Streiks, und alle warten auf ...

Fritz Verzetnitsch: Viele, die das Wort Streik in den Mund nehmen, wollen in Wirklichkeit eigentlich nur eine Show haben. Streik ist das letzte Mittel der Arbeiterbewegung, um Dinge hintanzuhalten. Man muss auch die politische Situation sehen.

Wir haben seit Anfang dieses Jahres die derzeitige Bundesregierung, die aus meiner Sicht nicht aufgrund von vorher erkennbaren Wahlergebnissen, sondern aus demokratiepolitisch möglichen Zusammenschlüssen von zwei Parteien entstanden ist. Diese Parteienkombination hat eine politische Linie in das Land gebracht, wo es nicht darum geht, den bewährten Weg fortzusetzen, indem man die Entwicklung des Landes miteinander diskutiert und nach gemeinsamen Lösungen sucht, sondern sie sagt bisher, uns ist es völlig egal, was die eine oder andere Gruppe sagt, Hauptsache, wir sind schneller am Ziel.

Die Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung war und ist es, völlig klar und deutlich zu sagen und aufzuzeigen, wo die Belastungen für den Einzelnen liegen. Wir machen auch bewusst, dass sich Gewerkschaftsarbeit nicht von selbst erledigt. Nicht durch Vorsitzende von Gewerkschaften, nicht durch Sekretäre, nicht durch Betriebsratsvorsitzende allein, sondern wir brauchen die Beteiligung aller.

Und ich halte fest, dass wir sehr bewusst auch andere Wege gezeigt haben, zum Beispiel bei der Pensionsreform. Diese derzeitige Regierung hat vorgeschlagen, wir verschärfen den Eintritt in die Pension, wir erhöhen das Pensionsalter. Unsere Konzeption war, das Problem zu bewältigen.

Das Problem lautet, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als zu alt für den Arbeitsmarkt bezeichnet werden und auf der anderen Seite zu jung für die Pension.

Was also sollen die Gewerkschaften tun?

Es ist nicht unsere Aufgabe als Gewerkschaftsbewegung, die Regierung zu stürzen. Es ist nicht unsere Aufgabe, politische Wahlen anders zu definieren. Das ist Aufgabe der politischen Parteien und Aufgabe des Wahlvolkes selbst. Sie wählen die Regierungsform, sie wählen letztendlich auch die Parteien. Unsere Aufgabe als Gewerkschaften ist es aufzuzeigen, wenn es gegen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht. Auch hier ist es uns ja doch gelungen, dass manche Ansagen der Regierung nicht so verwirklicht wurden, wie sie es ursprünglich vorgehabt haben. Wenn ich an die Abschläge bei der Pension denke, da hat sehr wohl eine Veränderung Platz gegriffen.

Bewusst machen!

Es ist mehr denn je unsere Aufgabe, auch bewusst zu machen, dass - auch wenn das so schleichend kommt - die Belastungen, die die Regierung plant, hauptsächlich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgerichtet sind. In der aktuellen Diskussion erweckt man jetzt den Eindruck, dass zwar Budgetdefizitbekämpfung oberste Priorität hat, aber gleichzeitig wird auch öffentlich angekündigt: »Davon ist der kleine Mann, die kleine Frau nicht betroffen! Verdienste unter 30.000 Schilling sind überhaupt nicht betroffen!«

Das kommt mir in etwa so vor, wie wenn man in ein Gasthaus geht und dann die Rechnung verlangt, da steht sehr wohl auf der einen Seite das Essen, auf der anderen Seite die Getränke, aber die Summe bezahlt man doch in ihrer Gesamtheit. Und wenn ich festhalte, dass seit 1. Juni die Kfz-Steuern, Verkehrssteuern erhöht worden sind, die Mautgebühr ab dem 1. Jänner erhöht werden wird, die Tarife erhöht wurden, zum Beispiel bei Pässen, Führerscheinen, dass Verträge für Genossenschaftswohnungen jetzt teurer werden und die Steuerfreiheit in dem Ausmaß nicht mehr da ist, dass die Energieabgabe eingeführt wird, dann ist die erste Belastungswelle bereits über die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes hereingebrochen.

Gleichzeitig wurde aber den Unternehmen zugestanden, dass man die Urlaubsaliquotierung einführt und dass man den Postensuchtag entfallen lässt. Also in Wirklichkeit wurden Unternehmen bereits entlastet. Was jetzt zum Beispiel bei der Budgetkonsolidierung andiskutiert worden ist, wo gesagt wird, da wird »der kleine Mann« nicht belastet, da wird »die kleine Frau« nicht belastet, führt in der Praxis dazu, dass der kleine Verdiener oder die kleine Verdienerin in Wirklichkeit ein Monatsgehalt in eine Pensionssparform bringen muss, damit er oder sie die geplanten steuerlichen Belastungen von 750 Schilling nicht spürt. Das beginnt aber bereits bei einem Einkommen von 4000 Schilling wirksam zu werden.

Andere Konzepte zeigen!

Das ist unsere Aufgabe als Gewerkschaften, aufzuzeigen und auf andere Konzepte der Ausgewogenheit hinzuweisen. Was ist zum Beispiel mit den Steuerschulden? 34 Milliarden Schilling aushaftende Steuerschulden, die bereits bezahlt worden sind. Was ist mit dem Schwarzunternehmertum, wo zwei bis drei Milliarden an Steuern und Sozialabgaben hereingebracht werden könnten, wenn man dort effizient bekämpft? Ich glaube, das ist auch eine Verpflichtung gegenüber Hunderten, ja Tausenden Betrieben in Österreich, die ordnungsgemäß entlohnen, ihre Steuern und auch die Sozialabgaben abführen. Und da schaut man dem Schwarzunternehmermarkt zu, man sagt sogar, das ist ein Volumen von zwei bis drei Milliarden Schilling, aber effiziente Maßnahmen es dagegen nicht gibt. Auch das sehe ich als unsere Aufgabe.

Da sind jetzt unsere Leute, die überzeugte Gewerkschafter sind und Arbeitnehmervertreter, die sagen: Da müssen wir doch was tun, das können wir uns nicht mehr gefallen lassen, das kann ja nicht mehr so weitergehen ...

Was tun?

Das heißt aber meiner Meinung nach auch, dass das Tun vordringlich darin besteht, einmal bewusst zu machen, um was es eigentlich geht, welche Gegenkonzepte es gibt. Ich bin nach wie vor immer wieder sehr überrascht, dass trotz der klaren Informationen der Gewerkschaftsbewegung wir immer wieder in Diskussionen hören: »Na ja, lasst sie doch in Ruhe arbeiten.« Zum Beispiel wirft man uns vor, wir machen da Parteipolitik.

Wir sollen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es eine andere Regierungsform gibt und wir sollen nicht protestieren. Das höre ich ab und an, da wird auch mit Austritten gedroht etc. Meine Antwort zu solchen konkreten Vorhaltungen ist: »Hier gibt es ein Regierungsprogramm, schauen Sie sich das selber an, sagen Sie, wo wir zustimmen sollen.« Seltsamerweise höre ich danach immer wieder: »Na, das sollen wir nicht unterstützen.«

Das heißt aber auch, dass der Einzelne, ob Funktionär, ob Mitglied, bewusst auch an der Öffentlichkeitsarbeit mitwirken muss. Wir dürfen uns da nicht einlullen lassen. Das ist nicht nur Aufgabe eines einzelnen Repräsentanten, sondern es ist in Wirklichkeit Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung insgesamt. Bewusstseinsbildung ist jetzt unser Schwerpunkt.

Auch jede Aktivität hängt in Wirklichkeit davon ab, wie weit es gelingt, das Bewusstsein für oder gegen eine Maßnahme zu schaffen. Es geht uns ja nicht darum, eine bestimmte Regierungsform abzulehnen. Wir sagen: Hier werden Maßnahmen gegen die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gesetzt. Jede Aktion bedarf der Mitarbeit vieler. Es reicht nicht aus, ein Inserat aufzugeben, sondern es muss das Bewusstsein da sein, dann wird das auch funktionieren.

Kampfmittel

In den letzten Jahren oder Jahrzehnten haben unsere Funktionäre es doch relativ leicht gehabt. Viele haben diesen Wechsel noch nicht realisiert, dass wir jetzt mehr kämpfen müssen als früher. Früher hat man verhandelt ...

Nein, ich glaube nicht, dass das ein richtiges Argument ist, zu sagen, vieles ist leicht gewesen. Nichts wurde der Gewerkschaftsbewegung geschenkt, aber schon gar nichts. Alles muss erkämpft werden, aber wahrscheinlich sind die Kampfmittel heute neu zu definieren.

Wir haben es, so glaube ich, kraft unserer Stärke, kraft auch unserer Argumente immer wieder zustande gebracht, dass zum Beispiel im Lohn- und Sozialrecht sich etwas verbessert hat. Wenn wir jährlich etwa 1500 Milliarden an Lohnsummen bewegen, so bin ich überzeugt davon, dass die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher das als gegeben hinnimmt und einfach als völlig selbstverständlich.

In Wirklichkeit ist das harte Arbeit von Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben, Betriebsräten, Personalvertretern, Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, um hier zu einem Ergebnis zu kommen. Wir haben das so rationalisiert, dass der Einzelne oft gar nicht merkt, welche Anstrengungen dahinter stecken.

Ich bin überzeugt davon, dass jetzt mehr denn je sichtbarer wird, dass Gewerkschaftsarbeit nicht nur eine Erfolgskette ist, sondern dass sicherlich die Auseinandersetzung, die Darstellung, was der richtige Weg ist, welchen Erfolg gibt es, jetzt wesentlich bewusster wird. Das ist verbunden mit der Herausforderung, das auch jedem Einzelnen wesentlich bewusster zu machen, dass sich eben nichts von selbst verändert. In dem Prozess stecken wir zurzeit ...

Die Stoßrichtung der derzeitigen Regierung ist ja nicht nur, dass irgendwie das Belastungspaket ungleichgewichtet den Leuten serviert wird, die Stoßrichtung ist klar und deutlich auch die Absicht, die Gewerkschaften zu schwächen...

Das Modell der Gewerkschaften ist ein europäisch anerkanntes Modell. Daher wird es keinen geben, der vordergründig sagt: »Wir wollen keine Gewerkschaften.« Aber Faktum ist, dass man in Wirklichkeit Gewerkschaften schwächen will und sie in eine - neudeutsch gesagt - Just-in-time-Gewerkschaft verwandeln will. Dingfest gemacht zum Beispiel an Aussagen der Frau Vizekanzlerin Riess-Passer. Ich habe das und das vor, und wenn die Gewerkschaft nicht sagt: »Okay, das unterstützen wir«, dann sind wir Bremser, dann sind wir Verteidiger von Privilegien.

Ist nicht auch eine Diffamierungskampagne gegen den ÖGB erkennbar?

Im Sommer wurde vom Bundesministerium für Soziales veröffentlicht, dass nicht nachvollziehbare Förderungen dem ÖGB für die EU-Aktivitäten zugekommen sind. Faktum ist, dass ein Regierungsübereinkommen der Koalitionsregierung aus dem Jahr 1994 besteht, in dem die Sozialpartner Unterstützungen finanzieller Art dauerhaft zugestanden bekommen für EU-Aktivitäten.

Und dass man sieht, dass hier eigentlich der politische Gedanke des Skandalisierens im Vordergrund ist, ist ja auch bezeichnend, dass die derzeitige Bundesministerin dem ÖGB in einem Schreiben für die letzte Abrechnung aus 1998 attestiert, dass das ordnungsgemäß abgewickelt worden ist und daher auch die Entlastung erteilt.

Irgendwas bleibt schon hängen?

Also man sieht hier, dass da sehr wohl Kritiker mundtot gemacht werden sollen. Auch im Sinne von »Wir werden irgendetwas behaupten und irgendwas bleibt dann schon hängen«. Faktum ist, dass der ÖGB in keiner Weise bereit ist, irgendetwas zu vertuschen oder unter den Tisch zu kehren.

Aber umgekehrt bin ich auch nicht bereit, den ÖGB dauernd in die Skandalzeilen bringen zu lassen. Da werden wir ganz konkret, klar und deutlich sagen, was die Hintergründe sind. Und diese EU-Förderung basiert darauf, dass alle Sozialpartner in Brüssel vor Ort mit dabei sein sollen, und dass diese Aufwendungen für Brüssel auch finanziell unterstützt werden.

Das waren ÖGB und AK und auf der anderen Seite die ...

... Landwirtschaftskammer und die Wirtschaftskammer, die auch - in dem Vertrag steht das drinnen - die Industriellenvereinigung miteinbinden muss.

Ja warum werden die nicht untersucht?

Da ist die politische Absicht leicht erkennbar. Da gibt’s nämlich ein Europaabkommen, wo der damalige Bundeskanzler Vranitzky und Vizekanzler Busek gemeinsam unterschrieben haben. Da steht das drinnen unter Punkt 13 »dauerhafte finanzielle Förderung«.

Wofür steht also unsere Bewegung?

Es ist Aufgabe der Gewerkschaften zu schauen, wie kann ich die Grundelemente soziale Sicherheit, ein Einkommen, mit dem man auskommen kann, wie kann man Weiterentwicklung und Mitbestimmung aufrechterhalten?

Es gibt nicht a priori eine Gegnerschaft gegen neue Entwicklungen, sondern ich bin überzeugt davon, dass zum Beispiel geringfügige Beschäftigungen, neue Arbeitszeitformen, neue Formen der Arbeitsvertragsrechte auch Gewerkschaften herausfordern.

Nehmen wir nur das Beispiel Mobilkom her, wo es einen neuen Kollektivvertrag gibt, der auch die innerbetriebliche Weiterbilung absichert, also zukunftsorientiert ist. Das sind Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung!

Ja und Amen!

Aber es ist nicht Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, zu allem »Ja und Amen« zu sagen, was auf den Tisch gelegt wird. Es ist Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung zu sagen: Welche zukünftigen Aspekte will ich?

Wenn da zum Beispiel die wirklich erfreuliche positive Entwicklung des Arbeitsmarktes dargestellt wird und dann der Titel noch dazu kommt »Das ist Vollbeschäftigung«, dann erlaube ich mir das kritische Wort: »Das ist keine Vollbeschäftigung, was wir zurzeit haben!« Es ist ein hohes Maß an Beschäftigung, aber ist weit entfernt von dem, was man in den 70er Jahren unter Vollbeschäftigung verstanden hat, denn da hat man die Formel geboren: Vollbeschäftigung besteht dann, wenn Vollzeitarbeitskräfte Arbeit haben und die Arbeitslosigkeit unter drei Prozent sinkt.

Das war Anfang der 70er Jahre die Formel. Niemand tritt mit der Forderung in die Öffentlichkeit: Es darf überhaupt keine Arbeitslosigkeit geben. Das ist unrealistisch, das ist eine völliger Nonsens, das gibt es in der Realität nicht. Aber jetzt so zu tun, als ob wir die Vollbeschäftigung hätten und keine Probleme, das ist es nicht. Da taucht auf einmal das Wort »Green Card« auf. Es ist in Wirklichkeit auch ein Faktum dafür, dass wirtschaftliche Entwicklungen nicht so geplant oder vorhersehbar waren und daher jetzt eine Situation da ist, dass man auf einmal die Fachkräfte nicht hat, die man dafür braucht.

Ein Versagen der Bildungspolitik?

Ich würde nicht sagen, Versagen der Bildungspolitik allein, sondern ich würde auch sagen, es ist ein Versagen der Darstellung zukünfiger Entwicklungen im Wirtschaftsleben.

Die Bildungspolitik kann ja nur eine gewisse Orientierung mitunterstützen, aber es muss auch die Wirtschaft aus ihrer Sicht sagen: »Wir sehen diese Entwicklung, wir brauchen in diesem Bereich Fachkräfte.« Die Bildungspolitik hat nicht die Aufgabe, Just-in-Time-Fachkräfte zur Verfügung zu stellen mit ganz bestimmten Qualifikationen, sondern meiner Meinung nach muss die Bildungspolitik übergreifend über verschiedene Wirtschafts- und Gesellschaftstrends hinweg Bildungssysteme entwickeln, die den Menschen auf dieses Leben vorbereiten, möglichst umfassend vorbereiten.

Eine Spezialisierung auf eine ganz bestimmte Tätigkeit liegt dann im Interesse der jeweiligen Branche, des jeweiligen Unternehmens. Es kann nicht so sein, dass man jetzt sagt: Bildungspolitik: Ab morgen brauchen wir drei Informatiker und übermorgen brauchen wir sechs Eisverkäufer und überübermorgen brauchen wir vier Fassadenmontierer. Ich glaube, die Trends müssen erkennbar sein und darauf muss die Bildungspolitik aufbauen.

Und jetzt habe ich schon das Gefühl, dass man mit dem Ruf »Green Cards!« glaubt, das Problem beseitigen zu können. Ich wende mich überhaupt nicht gegen die Green Cards, aber sie sind nur eine Teillösung. Wirklich wichtiger wäre es, die Anpassung der Ausbildungssysteme in Österreich vorzunehmen, von der Lehrlingsausbildung über die schulische Ausbildung der Weiterbildung bis hin zur universitären Ausbildung.

Na ja, aber da ist es eher schlimm. Die Lehrlinge, die die Wirtschaft hat, die lässt sie sich vergolden durch Förderungen, und darüber hinaus will sie billige Hilfsarbeiter in Form dieser Vorlehre.

Das ist völlig korrekt dargestellt, und ich glaube daher, dass es wichtig und notwendig ist, wenn die Gewerkschaften - und im Besonderen die Gewerkschaftsjugend - jetzt unter dem Titel »Fight for Your Future!« diese Kampagne macht. Es geht um die zukünftige Ausbildung.

Da geht’s ja auch darum, die Basis zu bilden, dass junge Menschen oder Menschen, die in das Berufsleben eintreten wollen, jenes Grundwissen vermittelt bekommen, mit dem sie im modernen Wirtschaftsleben auch ihre Existenz sichern können und das letztendlich auch zum Wohlstand dient.

Information und Wissen

Welche Bedeutung haben die neuen Herausforderungen für die gewerkschaftliche Organisation?

Gewerkschaftliche Strukturen müssen sich anpassen. Wir können nicht mehr in der getrennten Welt agieren, hier der Angestellte, dort der Arbeiter, da der öffentlich Bedienstete. Es sind in Wirklichkeit heute Berufe und Tätigkeiten gar nicht mehr so einfach einer bestimmten traditionellen Berufsgruppe zuzuordnen. Das geht quer über alle Bereiche.

Aus diesem Grund glaube ich auch, dass die Gewerkschaftsbewegung rascher als je sich diesem strukturellen Wandel stellen muss und zum Beispiel auch, verbündet durch Fusionen, durch Kooperationen hier Antworten geben kann. Wir sollen nicht warten, bis uns Arbeitgeber eine neue Struktur vorzeigen, sondern wir sollen eigentlich aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung eine Antwort sowohl in den Kollektivverträgen als auch in der Organisationsform finden.

Es muss unser Anliegen sein, dass Mitbestimmung nicht im traditionellen Industriebereich allein begrenzt bleibt und die neuen kleinen Unternehmungen, die New Economy, in Wirklichkeit mitbestimmungslos in die Zukunft treten. Da ist meiner Meinung nach auch die Gewerkschaftsbewegung organisatorisch gefordert. Das heißt auch wieder »Wissen«, das heißt zum Beispiel auch »Arbeit und Wirtschaft« lesen.

Danke, auch für das Gespräch!

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(Mit Fritz Verzetnitsch sprach Siegfried Sorz) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959091254 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Oct 2000 00:00:00 +0200 1200959091068 Mythos Nulldefizit | Hauptfragen der aktuellen Budgetdebatte
  • Auch die sehr restriktiven EU-Kriterien erlauben ein Budgetdefizit von ein bis zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr. Wer ein Nulldefizit anstrebt, will sich als Musterschüler profilieren - zum Schaden der eigenen Volkswirtschaft.
  • Ein Staat muss kein ausgeglichenes Budget haben. Wichtig ist, was der Staat mit dem Budget macht - von wem er Einnahmen nimmt und wofür er Ausgaben tätigt. Ob der Saldo aus Einnahmen und Ausgaben positiv, negativ oder ausgeglichen ist, ist dabei weniger wichtig, solange die richtigen Maßnahmen für Bevölkerung und Wirtschaft gesetzt werden.

Staatsschulden sind ökonomisch nicht automatisch schlecht, sondern oft notwendig: Wenn die Privaten zu wenig ausgeben, muss der Staat einspringen. Investitionen sind Voraussetzung zukünftigen Wohlstands. Mit den derzeitigen Staatsschulden wurde Österreich zu einem der reichsten Länder der Welt. Mit dem geborgten Geld wurde gearbeitet - Bildung, Wohnbau, Verkehrsinfrastruktur und vieles andere finanziert.

Deshalb sollte die Rückzahlung auch von denen mitgetragen werden, die diese Vorteile in 20, 30 Jahren nutzen - indem man heute Schulden aufnimmt, deren Bedienung von zukünftigen Generationen übernommen wird, legt man auch den Grundstein des Wohlstandes für künftige Generationen.

Steht der Staat vor dem Bankrott?

Das österreichische Budgetdefizit ist so niedrig wie seit Jahren nicht. Das Defizit und der Gesamtschuldenstand sind im internationalen Vergleich alles andere als dramatisch. Der Staat genießt nach wie vor die höchste Kreditwürdigkeit, und es gibt keine Anzeichen, dass diese in Gefahr wäre.

Muss der Staat sparen wie jeder private Haushalt?

Die Analogie zu privater Haushaltsführung ist verführerisch, aber falsch. Es gibt zwei wesentliche Unterschiede:

  1. Der Staatshaushalt soll nicht wie Haushalte oder Unternehmen Gewinne machen, sondern hat öffentliche Aufgaben zu erfüllen - Wohlfahrt, Verteilung, Infrastruktur etc. Nur daran ist er zu messen - ein Nulldefizit ist kein Qualitätsmerkmal. Gute Budgetpolitik kann hohe Defizite bedeuten, und ein ausgeglichenes Budget kann Ergebnis einer desaströsen Budgetpolitik sein. Auf die aktuelle österreichische Regierung trifft Letzteres zu. Wer beim Staatshaushalten nur auf den Saldenausgleich schaut, macht schlechte Budgetpolitik, weil er die Hauptaufgabe - gesamtwirtschaftliche Lenkung mittels Einnahmen und Ausgaben - vernachlässigt.
  2. Für die Übernahme öffentlicher Aufgaben und die daraus oft entstehende Notwendigkeit, sich zu verschulden, ist der Staat bestens gerüstet. Anders als ein Privater muss der Staat seine Schulden de facto nie zurückzahlen - denn er hat »ewiges Leben«. Er muss nur die laufenden Zinsen auf Staatsschulden zahlen, die Kreditsumme kann er immer wieder durch neue Kredite abdecken. Das ist ohne Probleme möglich, solange die Zinsen und die jährliche Neuverschuldung nicht schneller wachsen als die Steuereinnahmen.

Steht durch die Staatsverschuldung jeder
Österreicher mit Millionen in der Kreide?

Der österreichische Staat ist zu mehr als 50 Prozent im Inland verschuldet. Das heißt, mehr als die Hälfte seiner Verbindlichkeiten schuldet der Staat österreichischen Banken, Versicherungen, Fonds und privaten Vermögensbesitzern. Wenn man die Staatsverschuldung schon auf die Gesamtbevölkerung aufteilt, sollte man fairerweise dazu sagen, dass diesen zugeschriebenen Schulden noch weit höhere private Finanzvermögen gegenüberstehen.

Was heißt »gerecht sparen«?

Die österreichische Regierung ist dafür, vor allem bei den Ausgaben zu sparen. Die Aussage »der Staat spart bei sich selbst« ist aber irreführend. Denn jede Änderung von Einnahmen und Ausgaben trifft (Teile der) Bevölkerung. Die Einnahmen des Staates (die Steuern) sind Ausgaben für die Bürger, umgekehrt sind die Ausgaben des Staates Einnahmen der Bürger.

Die Anhebung von Einkommensteuer und Vermögensteuer etc. (also »einnahmenseitig sparen«) trifft eher Besserverdienende, weil die Einkommensteuertarife mit höherem Einkommen steigen und nur Wohlhabendere Vermögen besitzen. Staatsausgaben kommen eher unteren Einkommensschichten zugute, »ausgabenseitig sparen« (Kürzung von Sozialausgaben, Abbau des öffentlichen Dienstes etc.) trifft daher vor allem Ärmere. Die VP-FP-Budgetpolitik hat untere Einkommensschichten bislang stark belastet. Sie nützt die Budgetkonsolidierung, um nach oben umzuverteilen.

Ist das Defizit das Budgetproblem Nr. 1?

Im österreichischen Staatshaushalt gibt es viele Probleme, die weitaus gravierender sind als der negative Budgetsaldo. Es sind Defizite, die die Hauptaufgaben der Budgetpolitik betreffen:

  • Es wird sehr wenig umverteilt, im Sozialbereich gibt es enorme Versorgungslücken;
  • es wird kaum auf geschlechtsspezifische Problemlagen Rücksicht genommen;
  • die niedrige Vermögens- und Kapitalbesteuerung macht Österreich zu einem Steuerparadies für Unternehmen und Vermögen;
  • die Budgetprozesse sind sehr intransparent.

Die Maßnahmen der FP-VP-Regierung, die mit der Losung »Nulldefizit« gerechtfertigt werden, decken diese Probleme zu und verschärfen sie noch. Die Hauptaufgaben der Budgetpolitik werden zurzeit aufs Gröblichste zugunsten der Nebenbedingung Nulldefizit und Klientelpolitik vernachlässigt.

Warum ist der Regierung das Nulldefizit so wichtig?

Für die neue Bundesregierung ist das Nulldefizit das zentrale Vehikel, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen umzusetzen. Hinter der Forderung nach Beseitigung des Defizits steht der Wunsch der Regierung, bestimmte staatliche Aufgaben zu privatisieren oder überhaupt zu eliminieren.

Statt sozialer Rechte sollen alle und alles nur nach dem marktwirtschaftlichen Konkurrenzprinzip funktionieren. Wer sich auf dem Markt nicht durchsetzen kann, soll nicht mehr vom Sozialstaat aufgefangen werden. Die Funktion des Sozialstaats soll wieder von der Familie übernommen werden. Mit der Aufwertung von Familienaufgaben wird unausgesprochen auf vermehrte unbezahlte Frauenarbeit gesetzt.

Alternative Budgetpolitik

Budgetpolitik ist Gesellschaftspolitik. Ihre Aufgabe ist gesamtgesellschaftliche Lenkung mittels Einnahmen und Ausgaben.

Ausgabenseite: Ausgaben sollen sich auf die Verbesserung der Lebens- und Entwicklungschancen breiter gesellschaftlicher Gruppen konzentrieren, insbesondere jener, die durch andere Finanzierungsquellen (Arbeits- und Vermögenseinkommen) vernachlässigt werden.

Einnahmenseite: Die Finanzierung von gesellschaftlichen Freiräumen und öffentliche Abfederung der Folgen privaten Wirtschaftens sind vermehrt von jenen zu tragen, die von Letzterem profitieren. Daraus folgt eine Erhöhung der Besteuerung von Ressourcenverbrauch, Besitz und Kapitaleinkommen.

Budgetprozess: Öffentliche Aufgaben wie Budgetpolitik grundsätzlich und die Verwaltung einzelner Aufgabengebiete (insbesondere der Sozialbereich) müssen demokratisiert werden. Alle budgetpolitischen Maßnahmen sind einer gesellschaftlichen und geschlechtsspezifischen Folgenabschätzung zu unterwerfen.

EU: Auf EU-Ebene muss gegen die ständige Verschärfung der Budgetkriterien eingetreten werden.

Anstelle eines Leitartikels drucken wir diesmal einen Text der BEIGEWUM ab, der hoffentlich endgültig mit den Fehlinformationen zum Budget aufräumt. Der Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen (BEIGEWUM) ist ein Verein von österreichischen Sozialwissenschaftern aus unterschiedlichen Disziplinen, der das Ziel verfolgt, Ergebnisse kritischer Forschungstätigkeit in die laufende politische Debatte einzubringen.

Anfang Oktober erscheint zum Thema »Budget« ein Taschenbuch. Bestelladresse: BEIGEWUM, Postfach 162, A-1015 Wien oder beigewum@iname.com

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Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959090981 Ende der Parität? | Überlegungen zum veränderten Handlungsrahmen der Gewerkschaft I.

Für Österreichs politisches System bedeutet der 4. Februar 2000 eine scharfe Zäsur mit Auswirkungen weit über die Lebensdauer der Mitte-Rechts-Koalition hinaus. Ein Begleiteffekt der veränderten politischen Lage ist die gesellschaftliche Polarisierung, von der auch die Sozialpartnerschaft erfasst worden ist.

Die Zukunft der für die Zweite Republik prägenden Konsensdemokratie mit ihrer Betonung des Interessenausgleichs zwischen den großen sozioökonomischen Gruppen ist mit einem Mal ungewiss.

Dabei hatte die Sozialpartnerschaft noch im Oktober 1999, wenige Tage vor der Nationalratswahl, ein sehr kräftiges Lebenszeichen von sich gegeben. In einer gemeinsamen Pressekonferenz hatten die Präsidenten von Wirtschaftskammer, Landwirtschaftskammer, Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer vor der »Zerstörung der Sozialpartnerschaft« und einer drohenden »Unregierbarkeit des Landes« gewarnt. Indirekt ein Bekenntnis zur Fortsetzung der Koalition von SPÖ und ÖVP, war der Aufruf zugleich die erste gemeinsame Stellungnahme der vier Verbände zur politischen Situation im Land.

Sozialpartnerschaft ade?

Das Wahlergebnis wurde dann auch, zumindest von Seiten der Wirtschaft, als Niederlage für die Sozialpartnerschaft interpretiert. Und tatsächlich wurden in das Regierungsprogramm der Koalition aus ÖVP und FPÖ eine Reihe von Punkten aufgenommen, die nicht über den Weg des sozialpartnerschaftlich koordinierten Interessenausgleichs, sondern nur durch parlamentarische Kampfabstimmungen realisierbar sind. Namentlich Eingriffe in die rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit - etwa die Pläne zu einer »betrieblichen Sozialpartnerschaft«, zu deren Realisierung das Kollektivvertragsrecht geändert werden muss - haben unvermeidlich auch Auswirkungen auf die sozialpartnerschaftliche Architektur als solche.

Auf die explizite Zurückweisung des Verbändeeinflusses wird sowohl im Programm als auch in der Regierungspraxis verzichtet. Zwar gehören die Attacken gegen die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern zum fixen Repertoire der FPÖ. Dass sich aber im Regierungsprogramm kein Wort dazu findet, überrascht nicht. Immerhin ist sie Partner einer Partei, deren Bünde untrennbar mit den Kammern - hier allerdings besonders den Selbständigen-Kammern - verflochten sind. Mit den Arbeitnehmerverbänden sind beide Koalitionsparteien wesentlich weniger verflochten, als das bei der SPÖ der Fall ist. Von Beginn an - erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik - legt eine Regierung eine klare Neigung an den Tag, die Verbändeparität in zumindest dreifacher Hinsicht zu ignorieren:

Soziale Schräglage: Die bisher umgesetzten bzw. in Vorbereitung stehenden Maßnahmen des Regierungsprogramms zielen, soweit es das Arbeits- und Sozialrecht betrifft, fast durchgängig auf eine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte ab und können von Arbeiterkammer und Gewerkschaft als nichts anderes als eine Kampfansage begriffen werden. Am meisten provoziert hat wohl die Formulierung »Änderung aller Regelungen, die eine (...) unverhältnismäßig große Belastung für die Betriebe darstellen«.

Bruch mit zentraler Spielregel: Bei der Umsetzung ihres Programms bricht die Regierung mit einer zentralen Regel, nämlich der umfassenden Einbindung der Sozialpartner in wirtschafts- und sozialpolitische Entscheidungsabläufe. Gerade im Sozialrecht ist es bisher üblich gewesen, dass zunächst die Verbände eine konsensuale Lösung aushandeln und diese dann von Regierung und Parlament rezeptiv übernommen wird. Das hat der Sozialpartnerschaft den Ruf der Präjudizierung parlamentarischer Entscheidungen eingetragen, unbestritten aber hat sie damit über ein halbes Jahrhundert den sozialen Frieden im Land gesichert und positiv zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen. Diese Funktionen kann sie unter der gegenwärtigen Regierung kaum erfüllen, da deren Vorgaben keinen Spielraum für Verhandlungen offen lassen.

Privilegierung und Ausschluss: Inhaltlich trägt das Regierungsprogramm unverkennbar die Handschrift des Wirtschaftsflügels der ÖVP. Unter der gegenwärtigen Regierung genießen die wirtschaftlichen Interessenverbände - Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung - einen betont privilegierten Zugang zu den politischen Entscheidungskanälen; die Arbeitnehmerverbände dagegen sehen sich vermehrt von der Politikgestaltung ausgeschlossen. Die Ungleichbehandlung der Verbände droht die Sozialpartnerschaft zu sprengen. Sowohl der Inhalt des Regierungsprogramms als auch die Art der Umsetzung treiben einen Keil zwischen die Interessenverbände und konterkarieren die österreichische Konsenskultur in einer bisher nicht gekannten Weise.

Positivsumme: Nullsumme

Die Grundphilosophie der Sozialpartnerschaft ist immer gewesen, dass keiner der Beteiligten sein aktuelles Machtpotential voll ausschöpft, sondern den Ausgleich mit dem Partner sucht ­ im Idealfall ein »Positivsummenspiel«, bei dem jeder einen Vorteil hat. Die aktuelle Entwicklung dagegen zeigt in Richtung Neuverteilung - ein »Nullsummenspiel«, bei dem der eine etwas verlieren muss, damit der andere etwas gewinnen kann. Die tripartistischen Beziehungen zwischen Arbeit, Kapital und Staat erreichen damit eine neue Qualität: Gewerkschaft und Arbeiterkammer werden nicht mehr als gleichberechtigte Partner im Spiel anerkannt, ihre Rolle als Mitgestalter in der Wirtschafts- und Sozialpolitik wird abgewertet und ­ bei eng gestecktem Verhandlungsspielraum - auf die Abfederung von Teilaspekten der Zielvorgabe beschränkt.

Dieser Beitrag war ursprünglich ein Referat am VI. Forum Jägermayerhof, veranstaltet von AK und ÖGB Oberösterreich und der Johannes-Kepler-Universität. Das Forum stand unter dem Motto: »Jenseits von Eden? Vor der Neudefinition des Verhältnisses von Gewerkschaften und Arbeiterkammern zu Parteien und Regierung(en) in Österreich.« Die Beiträge und zentralen Überlegungen des Forums erscheinen als Buch: Bitte blättern Sie zu Seite 47 dieses Heftes, dort gibt es ein Subskriptionsangebot. Hervorhebungen und Zwischentitel von der Redaktion.

Auch wenn einigen der ursprünglich geplanten Maßnahmen die Schärfe genommen wurde und sich vermehrt wieder jene zu Wort melden, die an einer Fortsetzung der kooperativen Beziehungen interessiert sind - die Attacken auf Gewerkschaft und Arbeiterkammer haben das jahrzehntelang bestehende Vertrauensverhältnis nachhaltig ramponiert. Noch vor weniger als zwei Jahren, unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft, wurde die Sozialpartnerschaft als mögliches Vorbild für den sozialen Dialog auf europäischer Ebene diskutiert. Mittlerweile kann von einem »österreichischen Modell« nicht mehr die Rede sein, eine Rückkehr zum status quo ante erscheint wenig wahrscheinlich. Es muss paradox erscheinen, dass in Österreich mit der ÖVP-FPÖ-Regierung die Entwicklung in Richtung Ende der Konsensdemokratie zeigt, während in allen anderen europäischen Ländern seit Ende der achtziger Jahre erkannt wurde, dass die EU nicht nur ein ökonomisches Projekt sein kann, sondern auch eine soziale Dimension hat.

II.

Auch wenn eingangs wesentliche Impulse für die rasche Veränderung der Verbändebeziehungen bzw. der Staat-Verbände-Beziehungen dem Regierungswechsel zugeschrieben wurden, ist in Erinnerung zu rufen, dass sich bereits davor die Konzessionsspielräume empfindlich verengt hatten. Lässt man die Entwicklung der neunziger Jahre Revue passieren, fällt zunächst der Autoritätsverlust der Spitzenverbände ins Auge. Vor allem auf der Arbeitgeberseite entzogen sich immer wieder Innungen und Fachverbände den zentralverbandlich abgeschlossenen Kollektivverträgen, der innerverbandliche Druck in der Wirtschaftskammer, ausgedrückt vor allem in einer breiten Kritik an Pflichtmitgliedschaft und Beitragshöhe, nahm bedrohliche Ausmaße an, denen die WKÖ durch ein Laisser-faire gegenüber aus dem Tarifverbund ausscherenden Arbeitgebergruppen zu begegnen versuchte. Die internen Schwierigkeiten der Verbände - zentrifugale Tendenzen bei der Wirtschaftskammer, Mitgliederverluste beim ÖGB - blieben nicht ohne Folgen für die sozialpartnerschaftlichen Beziehungen. Es wurde zunehmend schwieriger, den Ausgleich zwischen optimaler Zielverwirklichung im institutionellen Gefüge einerseits und organisatorischer Hinwendung zur sozialen Basis andrerseits herzustellen. Unvermeidlich wurde der Ton zwischen den Verbänden schärfer, im sozialpartnerschaftlichen Verhandlungssystem kam es immer wieder wenn nicht zu Krisen, so doch zu ernsten Turbulenzen.

Za wos brauch ma des?

In der ersten Hälfte des Jahrzehnts bildete die gemeinsame Initiative für einen EU-Beitritt Österreichs gleichsam das einigende Band, durch das andere Interessengegensätze entschärft wurden. Im Rückblick der vergangenen fünf Jahre wird allerdings eine beschleunigte Abkoppelung ökonomischer Interessen von sozialen Gestaltungsinteressen sichtbar, auf deren Ursachen (Strukturwandel, Internationalisierung etc.) hier nicht näher eingegangen werden muss. Die Forderungen nach mehr Deregulierung und Flexibilisierung haben weiter zugenommen, parallel dazu hat sich das Kräfteverhältnis nachhaltig zugunsten der Arbeitgeberseite verschoben. Paradoxerweise stehen aber gerade Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung unter einem besonderen Druck, eben weil ihre Mitglieder eine Umsetzung dieses Vorteils in konkrete Politik einfordern. Einem Teil der Wirtschaft erschließt sich der Nutzen sozialpartnerschaftlicher Verhandlungskultur nur noch eingeschränkt. In der Industrie ebenso wie im Gewerbe ist die Liste arbeits- und sozialrechtlicher Änderungswünsche (Senkung der Lohnnebenkosten, Abfertigung, Lockerung von Schutzbestimmungen usw.) immer länger geworden. Immer häufiger wird auch die Semantik des Begriffs Sozialpartnerschaft hinterfragt, mehr oder weniger ernsthaft wird der Wunsch nach einer Umbenennung geäußert, von Standort- und Innovations- bis Zukunfts- oder Modernisierungspartnerschaft. Was immer das Motiv für Vorschläge dieser Art ist, es dokumentiert sich darin vor allem das markant gesunkene Interesse am traditionellen Verhandlungssystem.

Ein Vergleich der wirtschafts- und sozialpolitischen Abschnitte des Koalitionsprogramms der Mitte-Rechts-Regierung mit dem Aktionsprogramm des Wirtschaftsbunds für die Kammerwahl im März 2000 macht eine weit gehende Übereinstimmung bei zahlreichen Zielsetzungen sichtbar. Vieles der von der Gewerkschaft gegen das Regierungsprogramm vorgebrachten Kritik könnte ebenso gegen Kammer oder Industriellenvereinigung gerichtet werden. Es ist anzunehmen, dass die Wirtschaftsverbände in einer politischen Ausnahmesituation ihren - interessenpolitisch legitimen - Einfluss für eine Koalitionsvariante geltend machten und damit wesentlich ihre Chancen erhöhten, eine Reihe von Zielen zu realisieren, die bei einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung nicht oder nur mit Einschränkungen durchsetzbar wären.

III.

Österreich weist eine ungewöhnlich enge Verflechtung der Verbände mit den politischen Parteien auf. Die Sozialpartnerschaft verdankt ihre Erfolgsgeschichte zu einem Gutteil diesem Ineinandergreifen unterschiedlicher Stränge von Interessenvertretung, das ein leichteres »Übersetzen« von Verhandlungspositionen und kürzere Verhandlungswege möglich machte. Die sich teilweise überlappenden personellen und finanziellen Ressourcen erlauben überdies die Nutzung von Synergien, was wiederum das Verbändesystem insgesamt stärkt.

Verflechtungen

Das Ausmaß der Verflechtungen ist im internationalen Vergleich einzigartig und nur mit den besonderen Bedingungen, unter denen der »Neustart« der Republik 1945 erfolgte, zu erklären, auf die ich hier nicht näher eingehe. Hingewiesen sei nur auf die nun volle Entfaltung der beiden Lagerparteien SPÖ und ÖVP, mit ihrem umfassenden Organisationsverständnis, gestützt auf ein eng geknüpftes Netz von Vorfeldorganisationen, zu dem naturgemäß auch die sozioökonomischen Verbände zählen. Besonders begünstigt wurde die Verflechtung im Bereich der Kammern, die durch das Listenwahlrecht eine parteipolitische Durchdringung erlauben. Die Selbständigen-Kammern wurden zur Domäne der ÖVP, die Arbeiterkammern zur Domäne der SPÖ.

In der Gewerkschaftsbewegung gelang es mit der Gründung des ÖGB, einen parteienübergreifenden Dachverband ins Leben zu rufen und damit die richtungsgewerkschaftliche Fragmentierung zu überwinden. Zweifellos ein historischer Erfolg, der vielen europäischen Gewerkschaften bis heute versagt geblieben ist. Allerdings formierten sich innerhalb des ÖGB, anfangs nur informell, schon sehr bald Parteifraktionen mit eigenen Ressourcen und Funktionsansprüchen, und nur zwei Fraktionen erreichten eine relevante Größe - prädominant die FSG insgesamt und, dominant nur im öffentlichen Dienst, die FCG. Damit waren (und sind) die beiden Lagerparteien auch in der Gewerkschaft tonangebend.

Kontrollierenden Einfluss haben indessen nicht nur die Parteien auf die Verbände, es haben umgekehrt auch die jeweiligen Verbandsfraktionen ihren festen Platz in der Parteistrukur. Die FSG ist als sozialdemokratische Organisation mit einem statutarisch festgelegten Schlüssel auf den Parteitagen der SPÖ vertreten. ÖAAB, Wirtschaftsbund und Bauernbund sind Teilorganisationen der ÖVP, jedoch mit eigener Rechtspersönlichkeit und direktem Zugriff auf die Mitgliedsbeiträge.

Mandatare

Die Verschränkung von Verbands- und Parteistrukturen und die damit verbundenen Interdependenzen finden ihren Niederschlag in der Zusammensetzung der gesetzgebenden Körperschaften, in welchen die Verbände traditionell ein Gutteil der politischen Mandatare stellen. Grundsätzlich ist eine personelle Verflechtung von Parteien und Verbänden, wenn auch nicht so weit reichend wie in Österreich, auch in anderen Ländern zu beobachten. Das trifft insbesondere auf die Gewerkschaften - etwa in Frankreich, Italien, auch Deutschland - zu. Die österreichische Besonderheit lag lange Zeit aber darin, dass die personelle Verflechtung von Verbands- und Parteifunktionen in-tegraler Bestandteil eines historisch gewachsenen politischen Karrieremodells war.

Eine politische Laufbahn hatte die größten Erfolgsaussichten im Rahmen eines »lagerinternen« Wettbewerbs, was heißt, dass es für das persönliche Fortkommen von Nutzen war, sich auf mehrere Karriereorte gleichzeitig zu stützen. In den achtziger und frühen neunziger Jahren war das Phänomen der »Ämterkumulierung« eines der Einfallstore für die Kritik am Parteienstaat. Die gestiegene Sensibilisierung der Öffentlichkeit in dieser Frage ist nicht ohne Auswirkungen auf politische und verbandliche Karriereverläufe geblieben, am anschaulichsten ausgedrückt wohl in der Präsenz von Spitzenfunktionären der Verbände im Nationalrat. (Hatten die Verbände noch in den siebziger Jahren mehr als die Hälfte der Mandatare gestellt, so ging ihr Anteil bereits in der darauf folgenden Dekade deutlich zurück und liegt mittlerweile bei weniger als einem Fünftel.)

Lange Zeit betrachteten auch die Präsidenten der vier großen Sozialpartner-Dachverbände (ÖGB, AK, WKÖ, LWK) ihre persönliche Anwesenheit im Parlament als unverzichtbar (verblieben ist, nach dem Rückzug der Präsidenten von AK, WK und LKW, nur noch der ÖGB-Präsident). Unbestreitbar ist, dass aus den Reihen der Verbände routinierte Parlamentarier kommen, deren Aktivitäten sich durchaus nicht auf die wirtschaftliche Interessenvertretung beschränken. Nicht zuletzt deshalb aber sind die Verbändevertreter im österreichischen Parlament immer häufiger einem Rollenkonflikt zwischen Parteiräson und Verbändeinteressen ausgesetzt. Da gerade der gewünschte Effekt, nämlich durch unmittelbare Präsenz am Entscheidungsort mehr Einfluss auf politische Prozesse nehmen zu können, dadurch konterkariert wird, ist anzunehmen, dass die Verbände sich weiter aus den legislativen Körperschaften zurückziehen werden. Im europäischen Kontext sind Funktionsverflechtungen dieser Art ohnedies unüblich oder sogar verpönt, und vielfach werden sie durch Unvereinbarkeitsregeln in den Organisationsstatuten unterbunden.

Vorteile versus Nachteile

Die Vorteile einer Verflechtung der Verbände mit dem Parteiensystem haben sich in den neunziger Jahren wiederholt, etwa bei den Auseinandersetzungen um die so genannten Sparpakete, in das Gegenteil verkehrt. Bildete diese Verflechtung in der Vergangenheit das Einfallstor für die Reklamation einer umfassenden Gestaltungskompetenz im politischen System, so wird sie im Kontext der Neuformierung der österreichischen Parteienlandschaft für die Verbände zunehmend zur Hypothek, namentlich dann, wenn diese von den Mitgliedern für die Regierungspolitik mit haftbar gemacht werden.

Die turbulente Vorgeschichte der Bildung einer schwarzblauen Koalition wirft ein Schlaglicht auf die angespannte Situation zwischen Gewerkschaft und Parteien, insbesondere bei FSG und SPÖ: Schon lange hatte sich in der Gewerkschaft Frustration breit gemacht, dass die Modernisierungskosten notorisch zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Die Neuauflage der rot-schwarzen Koalition zeigte eine weitere Verschärfung an. Dass der Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP nicht zustande kam - auch wegen des Widerstands gewerkschaftlicher Verhandlungsteilnehmer -, hat daher gerade im unteren und mittleren Funktionärebereich zumindest kurzfristig ein beinah befreites Aufatmen ausgelöst.

Das Kernproblem der Gewerkschaft ist damit aber keineswegs gelöst. Das von der Mitte-Rechts-Regierung in Angriff genommene politische Programm ist alles andere als ein gewerkschaftsfreundliches Unternehmen, und namentlich die FPÖ ist ein erklärter Gegner des ÖGB. Dennoch - der ÖGB ist nicht gemeinsam mit der SPÖ in Opposition - so wie er davor nicht mit ihr gemeinsam in der Regierung war. Gewerkschaften sind Interessenvertretungen für eine bestimmte, wenn auch sehr große gesellschaftliche Gruppe, Parteien sind darauf angewiesen, weit über diese Gruppe hinaus Zustimmung zu finden.

Gordischer Knoten

Zweifellos können Gewerkschaften nicht zu allen Parteien Äquidistanz halten, schon aus ideologischen Gründen stehen manche Parteien den gewerkschaftlichen Anliegen näher als andere. Allerdings, im Kontext einer völlig veränderten Parteienlandschaft, die sich längst nicht mehr allein entlang sozioökonomischer Cleavages formiert, lassen sich die Verbände nicht mehr umstandslos politischen »Lagern« zuordnen. Die Partei und die Gewerkschaft als etwas Zusammengehörendes zu behandeln ist ein Anachronismus, der sich entweder aus ideengeschichtlicher Romantik oder aus machtpolitischen Kalkülen speist. Wenn in Österreich die politischen »Lager« Geschichte sind, warum verabschiedet sich nicht auch die Gewerkschaft von der Lagermentalität und leitet die Trennung zwischen Partei(en) und Gewerkschaft in die Wege? Bei manchen ÖGB-Gewerkschaften stimmt der fraktionelle Verteilungsschlüssel längst nicht mehr mit den politischen Präferenzen der Mitglieder, ja nicht einmal ­ siehe GPA - der Betriebsräte überein.

Der Abschied von der Fraktionierung im ÖGB - sofern dies von der Mehrheitsfraktion überhaupt angestrebt wird - gleicht einem gordischen Knoten, schwieriger zu lösen als das Problem der Neugruppierung der Einzelgewerkschaften. Eine Anpassung an geänderte Rahmenbedingungen scheint aber dringlich geboten, will die Gewerkschaft in ihrem Verhältnis zu den Parteien beweglicher werden. Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass mit den Grünen eine Partei mit großem sozialen Engagement das politische Spektrum bereichert, als Partner der Gewerkschaft aber nur begrenzt in Frage kommen kann, weil fraktionelle Rücksichtnahmen und Hürden den offenen Dialog blockieren.

IV.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Handlungsrahmen der Gewerkschaft sich schon über einen längeren Zeitraum verändert hat, durch die politische Wende sind die Koordinaten aber sehr abrupt neu gesetzt worden. Die Gewerkschaft sieht sich einer Regierung gegenüber, die nicht nur inhaltlich mit der sozialpartnerschaftlichen Tradition bricht, sondern sich auch anschickt, auf legistischem Weg die Regeln zu ändern. Und sie hat gleichzeitig einen »Sozialpartner«, der den Nutzen des sozialpartnerschaftlichen Verhandlungsmusters zwar weiterhin zu schätzen weiß, sich aber nicht abgeneigt zeigt, auch andere strategische Optionen zu wählen, wenn diese mehr Nutzen versprechen. Die Bedingungen für eine sozialpartnerschaftlich orientierte Gewerkschaftspolitik haben sich damit innerhalb kurzer Zeit gravierend verschlechtert. Sicher ist, dass es für eine Partnerschaft zwei braucht. Um auf die neue Lage adäquat reagieren zu können, braucht die Gewerkschaft sehr viel Flexibilität. Und gerade bei der »Wahl der Mittel« besteht offenkundig eine gewisse Ratlosigkeit, die sich zu einem Gutteil aus der fraktionellen Verflechtung des ÖGB mit den politischen Parteien herleitet. Die Fraktionsfrage weiterhin außer Diskussion zu stellen, könnte sich vor diesem Hintergrund mittel- bis langfristig als Fehler erweisen.

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Ferdinand Karlhofer http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959090905 Verbraucherpreisindex
Nationale VPI Harmonisierte VPI
Aug. 00 Sept. 00 Aug. 00 Sept. 00
Belgien
Dänemark
Deutschland
Griechenland
Spanien
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Finnland
Schweden
UK
2,9
2,4
1,8
3,0
3,6
1,8
6,2
2,6
-
2,5
2,7
2,3
3,8
1,3
3,0
3,4
2,7
2,5
3,1
3,7
-
-
-
-
2,9
3,0
2,4
4,2
1,3
3,3
3,9
2,7
2,6
3,0
3,7
2,3
-
2,6
4,2
2,9
2,2
3,6
3,4
1,3
1,0
3,1
2,8
2,0
2,6
3,7
2,0
5,9
2,6
4,7
2,8
2,0
3,3
2,9
1,3
1,0
Island
Norwegen
4,7
3,5
4,0
3,5
3,4
3,6
5,1
3,4
Schweiz
USA
Japan
1,3
3,4
-
2,3
3,5
-0,5
2,3

Datenquellen: Statistik Österreich/EUROSTAT, lfd. Monat; OeNB

Anm.: Der Harmonisierte VPI ist der zentrale Indikator für die Währungspolitik der EZB (Europäische Zentralbank). Er stellt auch die beste statistische Basis für internationale Vergleiche unter europäischem Gesichtspunkt dar.

- Bei Redaktionsschluss keine Werte verfügbar.

Der Arbeitsmarkt im September 2000
Veränderungen zum
Vormonat
Vorjahresmonat
Unselbständig Beschäftigte
ohne KUG/Präsenzdiener
Arbeiter
Angestellte und Beamte
Männer
Frauen
Ausländer
Inländer
3,175.784
3,106.594
1,331.126
1,844.658
1,789.494
1,386.290
333.372
2,842.412
-31.830
-31.286
-19.595
-12.235
-16.018
-15.812
-374
-31.456
25.375
26.808
8.612
16.763
28
25.347
14.169
11.206
Vorgemerkte Arbeitslose
Männer
Frauen
Ausländer
Inländer
Jugendliche (bis unter 19)
Jugendliche (19 bis unter 25)
Ältere (50 bis unter 55)
Ältere (55 bis unter 60)
Ältere (über 60)
153.646
75.557
78.089
18.241
135.405
4.066
20.513
19.077
14.685
1.592
- 2.353
-533
-1.820
2.113
-4.466
155
933
-740
-704
66
-26.097
-13.437
-12.660
-767
-25.330
-224
-2.524
-4.235
- 5.544
37
Arbeitslosenquote in Prozent
Offene Stellen
Lehrstellensuchende
Offene Lehrstellen
4,60
36.291
4.906
3.098
0,0
-2.213
-2.158
-292
-0,8
2.201
-51
482

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959090841 Verschleuderte Lehrlinge | Die Lehrlingspolitik der derzeitigen Bundesregierung Drei Monate lang hatte der Sonder- und Heilpädagoge Johannes Gstach die Auswirkungen der Maßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes (NAP) für Jugendliche untersucht. Befragt wurden Ausbildner, Sozialarbeiter und die Jugendlichen der einjährigen Lehrgänge und der dreijährigen Ausbildung in Stiftungen. Für den Pädagogen »erfreulich war, dass junge Menschen, die sonst vermutlich nicht einmal in die Nähe berufsbildender Maßnahmen gekommen wären, betreut wurden. Und das sogar sehr gut.« Das Unerfreuliche: Die Stiftungen, die als besondere Einrichtung die längerfristige Ausbildung Lehrstellensuchender gewährleisteten, sind gestrichen. Für jene, die auf dem freien Markt nicht unterkommen, werden lediglich zehnmonatige Lehrgänge bereitgestellt. Die Voraussetzung zur Teilnahme ist allerdings ein positiver Abschluss der achten oder neunten Schulstufe.

Jugendliche im Dilemma

Die wissenschaftliche These zitiert Gstach in seiner Studie: In westlichen Industriegesellschaften ist »die Adoleszenz eine lang gestreckte Lebensperiode, in denen die Erwachsenenrolle durch langwierige Identifikationsprozesse erworben werden muss. Dabei werden soziale Handlungsstrategien verfestigt und mit dem Erwerb eines Schulabschlusses oder einer beruflichen Qualifikation auch die spätere soziale Platzierung, der berufliche Status und damit auch die gesellschaftliche Anerkennung weitgehend vorentschieden.«

Das Dilemma: So mancher Jugendliche hat Probleme mit seinen Identifikationsobjekten. Er muss dies gar nicht so deutlich zeigen wie Vince1), der als gepiercter Punk zu schockieren trachtet. Bei einem »normalen Lehrherrn« könnte ihm das gelingen, sofern ihn dieser nicht gleich vor die Tür gesetzt hat. Er kann auch so unauffällig erscheinen wie Michael1), der bloß inhaltlich nichts mitzubekommen scheint. Oder so »ohne Bock« sein wie Alex1), der nur mehr tatenlos herumhängt. Derartig unproduktive Verhaltensweisen zu verändern braucht Zeit, Einfühlung und vor allem geschultes Personal. Dabei geht es nicht um »over-protection«, meint Johannes Gstach, sondern um die Förderung von Eigeninitiative. »Und diese Chance besteht für viele nur in diesen stützenden Maßnahmen, nicht auf dem so genannten freien Markt.«

Sparen: Ausbildung gestrichen!

Eine Tatsache: Nicht nur schwer vermittelbare Problemfälle waren im Auffangnetz untergekommen. Im Gegenteil. Laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreichs hat sich der Gesamtstand der Lehrlinge zwischen 1998 und 1999 um 1852 erhöht. Ein Anstieg, der durch erfolgreiche Vermittlung von rund der Hälfte der 4000 Stiftungs- und Lehrgangsteilnehmer des Ausbildungsjahres 1998/99 erzielt wurde. »Dabei haben die Stiftungen nur rund 800 Millionen Schilling gekostet«, verweist Ortrun Gauper, ÖGB-Referentin für Berufsbildung, auf eine gemeinsam mit der ÖGJ und der AK-Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz durchgeführte Analyse.2) Die Treffsicherheit des Programmes ist auch an den Rücklagen abzulesen, aus denen die Regierung nun die zehnmonatigen Berufslehrgänge finanzieren will.

Die Rücklagen aus alten Programmen sind das Geld, »das die Regierung nun verbrät«, bedauert Walter Schaffraneck, Geschäftsführer der Berufsbildungseinrichtung »Jugend am Werk«. Immerhin hatten die »niederschwelligen« Ausbildungsjahre in Stiftungen 54 Prozent Vermittlungsquote gebracht.

Nicht nur »Problemfälle«

Auch Wissenschafter Gstach fand durchwegs ausbildungsbereite Jugendliche vor. Der augenfällige Unterschied zu »völlig normalen« Jugendlichen war, dass sie eben bis zum Eintritt in eine NAP-Maßnahme trotz intensiver Bemühungen keinen Lehrplatz gefunden hatten. Gstach stieß im Wesentlichen auf drei Gruppen innerhalb des Auffangnetzes:

  • Kinder ausländischer Herkunft,
  • Schulabbrecher und
  • benachteiligte Jugendliche aufgrund von familiären Problemen und/oder Lern- und Leistungsproblemen.

Für die wenigen »NAP-Jugendlichen« mit Verhaltensdefiziten ist zu befürchten, dass sie trotz aller Unterstützung keine Lehrstelle finden. Johannes Gstach: »Die Erziehungswissenschaften schlagen seit langem vor, jene Jugendlichen, für die keine Garantie auf kontinuierliche Beschäftigung besteht, zumindest temporär einzugliedern. Diese Menschen müssen auf die Brüche in ihrer Berufsbiographie vorbereitet werden und lernen, wie sie mit Phasen von Arbeitslosigkeit oder unqualifizierter Tätigkeit umgehen, ohne zu scheitern.«

Bei den einjährigen Berufslehrgängen standen die Jugendlichen unter dem großen Druck, binnen einem Jahr eine Lehrstelle finden zu müssen. Der wurde umso vehementer, je mehr Kameraden in der Gruppe fehlten, weil sie einen regulären Ausbildungsplatz gefunden hatten.

»Da ist die Politik sehr kurzsichtig ...«

Die Regierung begründet die Reduzierung der NAP-Maßnahmen mit der »Entspannung« auf dem Lehrstellenmarkt. Gstach: »Die rein quantitativen Zahlen weisen angeblich darauf hin, dass der Lehrstellenmarkt befriedigt werden könnte. Es geht aber zentral darum, dass Jugendliche ihre eigenen beruflichen Pläne und Wünsche umsetzen können. In den einjährigen Berufslehrgängen mussten sie da sehr jonglieren und extrem flexibel sein. Radikal seine Lebenspläne revidieren zu müssen, kann für unbegleitete Jugendliche dramatische Folgen haben. Da ist die Politik sehr kurzsichtig, wenn sie aufgrund momentaner quantitativer Aspekte alle Jugendlichen wieder auf den freien Markt entlässt. Das ist pädagogisch und letztlich ökonomisch äußerst kurzsichtig.

Aus pädagogischer Sicht ist es untragbar, bestimmte Jugendliche auf den freien Lehrstellenmarkt zu werfen und zu sagen: 'Schaut's, dass ihr irgendwie unterkommt.' Weil viele unverschuldet unter die Räder geraten.«

Für den Erziehungswissenschafter Gstach ebenso dramatisch ist, dass nun die Aufnahme in Berufslehrgänge an den positiven Hauptschulabschluss geknüpft ist. »Ausgeschlossen werden nun gerade die, die eine Stütze bräuchten. Sie sind die Belastung der Zukunft für das Sozialsystem, denn wo die Nachfrage nach unqualifizierter Arbeit schwindet, bleiben keine legalen Tätigkeitsfelder für sie.«

1) Name geändert

2) Grundsatzpapier »Die berufliche Zukunft der Jugend sichern«, ÖGB, Referat für Berufsbildung, ÖGS, AK, Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz (erstellt von Baier, Gauper, Kugi), August 2000

Stigmatisierung, Verhaltensauffälligkeiten und Arbeitstugenden

Der NAP aus der Sicht eines Erziehungswissenschafters

»Zur psychosozialen Situation von Jugendlichen in den Maßnahmen zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes (NAP).« Auszüge aus der Studie des Erziehungswissenschafters Johannes Gstach:

»Im Jugendalter werden nicht nur soziale Handlungsstrategien verfestigt, sondern durch Schulabschluss oder berufliche Qualifikation auch die spätere soziale Platzierung, der berufliche Status und somit die gesellschaftliche Anerkennung weitgehend vorentschieden. Der Bruch in der eigenen Biographie durch Arbeitslosigkeit hat weit reichende Selbstwertprobleme zur Folge. Keine Arbeit zu haben, heißt auch für Jugendliche nicht, nun genügend Zeit für ein freies, unabhängiges Leben zu haben. Es heißt vielmehr eine Zeit der - unausgefüllten - Isolation, der belasteten Familienbeziehung und der Gefühle von Diskriminierung und Stigmatisierung.

Erfolglose intensive Bemühungen

Die Tatsache, dass die Jugendlichen sich erfolglos intensiv bemüht hatten, lässt die Vermutung zu, dass sich ihre Lage von der Lage derer unterscheidet, die mehr Erfolg hatten. Eltern und andere Verwandte haben sich immer wieder an NAP-Einrichtungen gewandt und sich besorgt erkundigt, wie Jugendliche dort aufgenommen werden könnten. Manche Jugendlichen haben auch schrittweise ihre Wünsche zu revidieren versucht, um wenigstens 'irgendetwas' zu finden.

Durchgängig sind es Jugendliche, die keine schulische Ausbildung wollen, sondern sich beruflich-praktisch bewähren. Immer wieder wurde auf die Schwierigkeiten der Jugendlichen hingewiesen, die Berufsschule öfters als ihre Alterskollegen besuchen zu müssen. Da der späte Beginn der NAP-Maßnahme im November 1998 intensivere Berufsschule nötig machte, verschlechterte sich bei manchen die psychische Verfassung. Einzelne mussten schlechte Erfahrung machen. 'Arbeitslose' wurden sie von ihren Kameraden gehänselt. Das zeigt, dass vermutlich auch NAP-Jugendliche, insbesondere wenn sie einen Lehrgang besuchten, ihre Teilnahme als etwas nicht ganz Normales erlebten.

Die Probleme der benachteiligten Jugendlichen greifen ineinander über: problematische Familienverhältnisse, schulische Defizite mit Lern- und Leistungsproblemen und Probleme durch Verhaltensauffälligkeiten. Arbeitslosigkeit gehört in der Familie zum Alltag, durch Partnerwechsel der Eltern haben sie es mit wechselnden Bezugspersonen zu tun gehabt.

Wissen und ahnen...

Fähigkeiten, die für eine berufliche Ausbildung wichtig sind, haben sie oft nur mangelhaft kennen gelernt. Sie haben Schwierigkeiten im Umgang mit Konflikten, mit Aggressionen, mit Nähe, Distanz und fixen Regeln. Fähigkeiten, die unter dem Be-griff der Arbeitstugenden versammelt werden, gehören bei ihnen nicht zum normalen Verhaltensrepertoire.

Auch Jugendliche mit Lern- und Leistungsproblemen brauchen Unterstützung. Einerseits stellen sie hohe Ansprüche an den Beruf: garantiert er doch soziales Ansehen, besonders im Freundeskreis. Andererseits erwarten sie Handlungsorientierung und möglichst keine Theorie. Hier besteht die Gefahr, dass ihre zu hohen oder falschen Erwartungen zum Scheitern führen. Der Versuch, eigene Defizite in Größenwahn zu kompensieren, funktioniert jedoch nicht. Denn die Jugendlichen wissen um ihre geringen Chancen im Lehrstellenbereich. Sie ahnen, dass sie den wachsenden beruflichen Anforderungen nicht so leicht gewachsen sein werden. Das führt dazu, dass sie einerseits versuchen, dem Anpassungsdruck in Schule und beruflicher Ausbildung nachzukommen, andererseits dort, wo sie an ihre Leistungsgrenzen stoßen, auf Protesthaltung ausweichen.«

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073752 Einsparungen und Sozialabbau | »Soziale Treffsicherheit« als Geldregen für den Finanzminister Es wird nämlich so getan, als wäre das allen bewusst. Es wird vorausgesetzt, dass alle die sozialen Ziele, die hier »sicher getroffen« werden sollen, nicht nur kennen, sondern sich auch darüber einig sind. Denn nirgends definiert die Regierung, was sie eigentlich damit erreichen will.

Aber vielleicht kann man ja anhand der Maßnahmen Rückschlüsse auf die zu treffenden Ziele ziehen.

Förderung der Mutterschaft?

Gehen wir sie also im Einzelnen durch. Da wäre zunächst die Streichung der beitragsfreien Mitversicherung für Ehepartner ohne Kinder, wobei das Vorhandensein von erwachsenen Kindern ausreicht (also das »Kinder gehabt haben«), um den Anspruch auf Mitversicherung nicht zu verlieren. Wie nicht anders zu erwarten, bestätigt die Statistik, dass der Großteil der Mitversicherten Frauen sind. Mütter sind ausgenommen, während andere Frauen, unabhängig von Arbeitsmarktchancen und Familieneinkommen, von heute auf morgen die Leistung verlieren sollen. Das »soziale Ziel« könnte hier heißen: »Förderung der Mutterschaft ohne Berücksichtigung anderer Faktoren.« Dieses Ziel ist jedenfalls nicht unumstritten. Arbeiterkammer und Gewerkschaft formulieren hier beispielsweise ein anderes Ziel: »Familie und Beruf dürfen kein Widerspruch sein.« Ein adäquates Mittel, dieses Ziel durchzusetzen, wäre unter anderem natürlich auch ein Überdenken der Mitversicherung, da die Mitversicherung die Anreize senkt, selbst erwerbstätig zu sein. Aber: Um dieses Ziel »sozial treffsicher« zu erreichen, bräuchte es einerseits längere Übergangsfristen, da man nicht erwarten kann, dass Frauen über vierzig oder gar fünfzig so ohne weiteres Zugang zum Arbeitsmarkt finden. Andererseits müsste man für Jüngere das Anrecht auf Mitversicherung viel stärker an zeitaufwendige Pflegetätigkeiten koppeln. Das Vorhandensein von Kindern schränkt ohne Zweifel zumindest für ein Elternteil die zeitliche Verfügbarkeit auf dem Arbeitsmarkt ein. Es sind aber nur wenige Jahre (wenn überhaupt), wo gar keine Erwerbstätigkeit möglich ist.

Analog zur Sondernotstandshilfe könnte man zum Beispiel die Mitversicherung gewähren, wenn nachweisbar kein zumutbarer Teilzeitarbeitsplatz zu finden ist (dies nur als laut gedachter Diskussionsvorschlag). Tatsache bleibt, dass die derzeit beschlossene Maßnahme, soll sie nicht dem Ziel »Mütterförderung« dienen, einzig und allein dem Ziel dient, leere Kassen zu füllen. »Sozial treffsicher«?

»Invalidensteuer«

Nächstes Beispiel: Die Besteuerung von Unfallrenten. Als Argument wird vorgebracht, dass Unfallrenten steuerlich gleichzubehandeln wären wie Invaliditätspensionen. Das ist noch kein Ziel. Tatsache ist, dass Unfallrenten relativ niedrig sind (die durchschnittliche Höhe beträgt 3669 Schilling). Ein Grund, warum diese Sozialleistungen so niedrig angesetzt sind, ist, dass sie eben bislang nicht besteuert wurden.

Da Unfallrenten in den allermeisten Fällen zu einem anderen Einkommen (sei es aus Erwerbstätigkeit oder öfter noch aus Pension) hinzukommen, würden sie sehr hohen Grenzsteuersätzen unterworfen. So wäre es keine Ausnahme, würden mehr als 40 Prozent wegbesteuert (dies gilt bereits in den unteren Einkommensbereichen). Das sind enorme Einbußen für die Betroffenen. Was könnte also das Ziel sein? Da nicht angenommen werden soll, dass die Regierung behaupten will, Invalide erhielten zu viel Geld vom Staat, kann als Motiv abermals nur die leere Kasse des Finanzministers gesehen werden. »Sozial treffsicher«?

Alle Arbeitslosen sind potentielle »Sozialschmarotzer«?

Maßnahme Nummer 3 ist die Kürzung der Familienzuschläge in der Arbeitslosenversicherung. Statt bislang 670 Schilling im Monat gibt es nur mehr 400 Schilling. Eine Regierung, die sich eigentlich als Ziel die besondere Förderung der Familien gesetzt hat, muss in Erklärungsnotstand kommen, will sie die »soziale Treffsicherheit« dieser Maßnahme erklären. Je geringer das Arbeitslosengeld ist, umso stärker kommt diese Kürzung des Einkommens zum Tragen: Man stelle sich beispielsweise eine Frau vor, die mit Teilzeitarbeit 6000 Schilling nach Hause brachte und zwei Kinder zu versorgen hat, die arbeitslos wird. Sie verliert aufgrund der Regelung über 11 Prozent ihres Arbeitslosengeldes. Die Begründung, dass es hier zu einer Vereinheitlichung mit den Kinderzuschüssen für Pensionistinnen und Pensionisten käme, ist mehr als fadenscheinig: Erstens sind es nicht so viele Pensionisten, die Kinderzuschüsse beziehen und zweitens sind die Durchschnittspensionen um einiges höher als das durchschnittliche Arbeitslosengeld.

Gepaart mit den weiteren, bislang noch gar nicht so publiken Sparvorstellungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung, wird hier massiver Sozialabbau betrieben. Diesen Maßnahmen kann nur die Vorstellung zugrunde liegen, dass alle Arbeitslosen potentielle Sozialschmarotzer sind. Durch geschickte Manipulation werden Anwartschaftzeiten erworben und dann der Sozialstaat nach Strich und Faden ausgenützt - das ist das Bild, das die Regierung von den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zeichnet (die Formulierung, dass Beschäftigungsverhältnisse oftmals bloß zur Erlangung oder zum Erhalt von Anwartschaftzeiten eingegangen werden, findet sich auch im so genannten Mazal-Bericht, dem Expertenbericht, der den Regierungsbeschlüssen zugrunde lag). Da mag es natürlich sozial treffsicher wirken, dieser Gruppe harte Einschnitte zuzumuten. Geht man aber von der Realität aus, so ist man von sozialer Treffsicherheit weit entfernt.

Es soll hier keineswegs bestritten werden, dass auch im Bereich der Arbeitslosenversicherung Reformen dringend notwendig sind. Im Gegensatz zur Regierung wird aber hier behauptet, dass Reformen nicht gleichzusetzen sind mit Mittelkürzungen. Reformen können auch etwas kosten. Beispielsweise könnte die Aktivierungsschiene noch verbessert werden (Schulungen, Wiedereinstiegsprogramme...) oder die Forderung nach einem Mindestarbeitslosengeld aufgestellt werden. Die Ziele hinter solchen Maßnahmen wären klar und könnten auch als »sozial treffsicher« bezeichnet werden, nämlich Abbau von Armut und rasche (Re-)Integration auf dem Arbeitsmarkt. Eine undifferenzierte Kürzung der Familienzuschläge hingegen bringt nur dem Finanzminister Geld. »Sozial treffsicher«?

Leicht durchschaubar...

Maßnahme Nummer vier ist die Krankenversicherungsbeitragspflicht für Zusatzpensionen aus rechnungshofgeprüften Institutionen. Auch wenn über eine Beitragspflicht für Zusatzpensionen sicher grundsätzlich diskutiert werden kann, stellt sich doch die Frage, welches Ziel wohl hier hinter der Forderung steht, dass nur rechnungshofgeprüfte Institutionen betroffen sind. Ist das gar ein wenig versteckter Hieb auf die Kammern? Es gibt nämlich keinen offensichtlichen, sozial gerechtfertigten Grund, warum Zusatzpensionen in anderen Unternehmen nicht ebenfalls beitragspflichtig werden sollten. Auch derart leicht durchschaubare Manöver haben als Nebeneffekt noch eine Füllung der leeren Kassen. »Sozial treffsicher«?

Zwei Monate ohne Lohn und ohne Arbeitslosengeld

Bei Maßnahme Nummer 5 (der Ausdehnung der Wartezeiten auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung auch bei einvernehmlicher Lösung oder Ablauf eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses) protestieren selbst einfache FP-Parteimitglieder. Geplant ist, Arbeitnehmern die ersten vier Wochen ihrer Arbeitslosigkeit kein Arbeitslosengeld zu zahlen, auch wenn sie nicht selbst gekündigt haben. Hiervon sind natürlich Arbeitnehmer in saisonabhängigen Branchen viel stärker betroffen. Ihnen kann es passieren, dass sie zweimal im Jahr freigesetzt werden und daher zwei Monate pro Jahr ohne Lohn und ohne Arbeitslosengeld dastehen.

Nun mag es stimmen, dass es in der Fremdenverkehrs- und der Baubranche ein Missverhältnis zwischen Beitragsaufkommen und Leistungsvolumen gibt. Aber ist das die Schuld der dort Beschäftigten? Und wo bleibt der Solidarausgleich zwischen bedrohteren und weniger bedrohten Gruppen, der schließlich Grundprinzip der Pflichtversicherung ist? Ist es sozial treffsicher, diese Personen, die meist ohnehin eher unterdurchschnittlich verdienen, dafür zahlen zu lassen?

Ein anderer Vorschlag wäre das auch im Expertenbericht vorgeschlagene »experience rating«, mit dem auch in den USA gute Erfahrungen gemacht wurden - hier geht es darum, dass Arbeitgeber, deren Einfluss auf die Beschäftigungsdauer schließlich um einiges höher ist, Beiträge für ihre Arbeitnehmer in Abhängigkeit von der Beschäftigungsdauer zahlen müssen. Wer es schafft, Arbeitnehmer durchgängig zu beschäftigen, zahlt niedrigere Beiträge als jemand, der befristet einstellt und dazwischen die Leute freisetzt.

Das Modell ist nicht ganz unumstritten, vor allem wegen des Verwaltungsaufwandes, wäre aber als sozial treffsicherer zu bezeichnen, wenn das Ziel wäre, Arbeitnehmer kontinuierlicher am Arbeitsmarkt zu halten. Fürs Budget bringt es aber weniger. Daher hat die Regierung den Weg der Bestrafung der Arbeitnehmer gewählt. Diese können sich kaum wehren und durch die Leistungskürzung werden die Kassen gefüllt. »Sozial treffsicher«?

»Zurück zur Eliteuniversität«

Und schließlich bleibt noch Maßnahme Nummer 6: die Einführung von Studiengebühren. Ohne dass das Angebot an den Universitäten besser geworden wäre (im Gegenteil, es wird ja auch beim Mittelbau, also bei den Assistenten, die den Großteil der Lehre bestreiten, erheblich gekürzt), werden von allen Studierenden 10.000 Schilling im Jahr eingehoben. Die angekündigte Ausweitung der Stipendien kann sich finanziell kaum ausgehen, daher ist davon auszugehen, dass diese Maßnahme vor allem Studierende trifft, die entweder neben dem Studium erwerbstätig sind und daher länger studieren müssen, oder die von den Eltern finanziert werden, wo sich diese die zusätzlichen Kosten nicht mehr leisten können. In beiden Fällen handelt es sich nicht um die Kinder aus wohlhabenden Familien. Es wirkt daher so, als ob das Ziel hier laute »Zurück zur Eliteuniversität«, oder sind es doch wieder die zusätzlichen Milliarden fürs Budget, die locken? »Sozial treffsicher«?

Etikettenschwindel und Sparwahn

Bei allen sechs Maßnahmen konnte also die soziale Treffsicherheit klar in Frage gestellt werden. Im Mindesten kann der Regierung daher Etikettenschwindel vorgeworfen werden, wenn mit den Begriffen »Reformen« und »soziale Treffsicherheit« einfach nur Einsparungen und Sozialabbau gemeint sind. Des Weiteren sollte dieser Beitrag aber auch gezeigt haben, dass die Maßnahmen nicht nur nicht sozial treffsicher sind, sondern in vielen Fällen wirklich die Falschen treffen und Leistungen dort gekürzt werden, wo sie dringend benötigt würden.

Die Regierung will uns in ihrem Sparwahn glauben machen, dass der österreichische Sozialstaat durch eine generelle Überversorgung gekennzeichnet wäre, wahr ist aber, dass es in vielen Bereichen deutliche Unterversorgungen gibt (was auch im Mazal-Bericht dargelegt wird). Hier müssen Ziele formuliert werden, wie mit diesen Problembereichen umgegangen werden soll, und dann kann im Zuge einer neuen »Treffsicherheitsdebatte« über Strukturänderungen diskutiert werden: Wo Leistungen obsolet geworden sind oder zu Überversorgungen führen, muss man selbstverständlich über Einschränkungen reden, wo Leistungen aber ungenügend sind, muss es im Gegenzug zu Ausweitungen kommen.

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Agnes Streissler http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073725 Österreich ist kein »Sanierungsfall«: Wer trägt die Last? Der Weg zur Erreichung des Nulldefizits blieb zunächst völlig offen, erst nach und nach gab die Regierung die Sparpläne bekannt. Ist dieser Katastropheneinsatz notwendig? Was bedeutet er für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Das sind die zentralen Fragen, die in diesem Beitrag näher beleuchtet werden sollen.1)

1. Nulldefizit in zwei Jahren - ökonomisch nicht begründbar

Begründet wurde das Nulldefizit damit, dass Österreich innerhalb der EU-Staaten das höchste Budgetdefizit habe und dass es an der Zeit sei, die Schuldenpolitik der sozialdemokratischen Ära zu beenden. Bewusst ausgeklammert wird hier die ÖVP, die ja alle budgetpolitischen Entscheidungen seit dem Budget 1987 mitzuverantworten hat. Nun ist es zwar richtig, dass nach den vorliegenden Budgetprognosen Österreich innerhalb der EU zurzeit das Land mit dem höchsten Budgetdefizit ist, richtig ist aber auch, dass es eine Reihe von Ländern gibt, die einen wesentlich behutsameren Konsolidierungskurs einschlagen. Frankreich und Deutschland etwa streben im Jahr 2003 ein Budgetdefizit von 0,5 Prozent des BIP an. Weiters fällt auf, dass von den sieben EU-Ländern mit Budgetüberschüssen

  • vier eine höhere Abgabenquote (Schweden, Dänemark, Finnland und Luxemburg)
  • und alle höhere Gewinnsteuern bei Kapitalgesellschaften haben als Österreich.

Mit der Gewinnsteuerquote Finnlands hätte Österreich bereits heuer ein ausgeglichenes Budget, mit jener der Niederlande sogar einen Überschuss von etwa 17 Milliarden Schilling.

Musterschüler?

Aber selbst die restriktiven Budgetkriterien der EU verlangen kein Nulldefizit. Die Regierung preschte also von sich aus vor und will sich zum Musterschüler emporarbeiten. Im Zusammenhang mit den Schulden versucht die Regierung andauernd zu vermitteln, der Staat stünde vor einem Bankrott und sei daher ein Sanierungsfall. In Wirklichkeit liegt der österreichische Schuldenstand im internationalen Vergleich unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Die Zunahme der Staatsschuld war in den neunziger Jahren in Österreich ebenfalls unter dem EU-Durchschnitt. Auch die hohe Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Finanzmärkten steht keineswegs auf dem Spiel.

In der Argumentation der Regierung bleibt ausgeklammert, dass den Staatsschulden bedeutende Vermögenswerte gegenüberstehen. Dem Schuldenaufbau stand ein kontinuierlicher Ausbau der Infrastruktur gegenüber (Straßen, Schienenausbau, Kanäle, Telekommunikation, Schulen, Krankenhäuser ...), ebenso haben in den letzten Jahrzehnten die Investitionen in die Bildung stark zugenommen. Da von diesen Investitionen und dem dadurch erlangten Wohlstand auch künftige Generationen profitieren, ist es nur fair, wenn sie über die Staatsschulden einen Teil der Investitionen mitfinanzieren. Die Schulden wurden eingegangen, um in die Zukunft zu investieren. Ein BIP-pro-Kopf-Vergleich mit Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA zeigt, dass Österreich in den letzten drei Jahrzehnten in der Wirtschaftsentwicklung gewaltig aufgeholt hat (siehe Tabelle).

Immer wieder wird der Staat mit einem privaten Haushalt verglichen, der sich ja auch nicht beliebig verschulden kann. Das mag auf den ersten Blick zwar einleuchtend sein. Es wird jedoch übersehen, dass der Staat sich in zweierlei Hinsicht von einem privaten Haushalt grundlegend unterscheidet:

  • Anders als ein privater Haushalt hat der Staat eine gesellschaftspolitische Funktion. Er hat nicht Gewinne zu machen, sondern er muss öffentliche Aufgaben erfüllen, d. h. in Infrastruktur investieren, für eine gerechte Verteilung und eine Stabilisierung der Konjunktur sorgen. Das ist der Qualitätsmaßstab, der an den Staat anzulegen ist und nicht so sehr die Höhe des Budgetdefizits und der Staatsschulden.
  • Der Staat unterscheidet sich aber zweitens auch dadurch von einem privaten Haushalt, dass er »unsterblich« ist. Das bedeutet, dass er seine Schulden praktisch nie zurückzahlen muss, weil er sich immer wieder neu verschulden kann. Wohl aber belastet wird er durch die daraus resultierende Zinsenbelastung. Droht die Zinsbelastung aus der Bedienung der Staatsschulden zu hoch zu werden, dann besteht eine Notwendigkeit für die Konsolidierung des Staatshaushalts, weil der Spielraum für andere wichtige Aufgaben eingeengt wird. Auch verteilungspolitische Argumente sprechen dafür, weil die höheren Einkommensgruppen als Kreditgeber von dieser Situation profitieren.
  • Vor dem Hintergrund dieser Argumente gibt es in der gegenwärtigen österreichischen Situation keinen Anlass, das Budgetdefizit innerhalb von nur zwei Jahren durch ein »crash-Programm« auf null zu reduzieren. Die hohe Zinsbelastung spricht aber dafür, den bisher eingeschlagenen Weg der Budgetkonsolidierung behutsam fortzusetzen, wobei aus verteilungspolitischer Sicht die Konsolidierung einer sozialpolitischen Leitlinie folgen sollte, bei der jeder Bürger, jede Bürgerin nach Maßgabe seiner oder ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage einen Konsolidierungsbeitrag leisten soll. Es geht also um eine gerechte Verteilung der Lasten. Das Ziel, innerhalb von nur zwei Jahren ein Nulldefizit zu erreichen und es noch dazu zur höchsten wirtschaftspolitischen Priorität hinaufzustilisieren, kann - so Professor Rothschild2) - ökonomisch nicht begründet werden.

    Opferbereitschaft und Konzeptlosigkeit

    Sparen wird aber dann besonders bedenklich, wenn die Erreichung des Nulldefizits zum alleinigen Erfolgskriterium wird. Dann gelten alle Maßnahmen, die zur Zielerreichung beitragen, als Erfolg. Es wird dann nicht mehr unterschieden, ob es sich um Steuererhöhungen für die Reichen handelt oder um Ausgabenkürzungen, die zu Lasten der ärmsten Bevölkerungsschichten gehen. Weitaus wichtiger als die Erreichung des Nulldefizits wäre die Frage, welche wirtschaftspolitischen Ziele angestrebt werden, wofür der Staat sein Geld ausgibt und welche Prioritäten er setzt (Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Vorrang für bildungspolitische Maßnahmen, Forschung und Entwicklung etc.). Anstelle dessen versteifte sich die Regierung darauf, das Budgetdefizit vor allem über die Ausgabenseite zu verringern. Da eine sozial ausgewogene Konsolidierung über die Ausgabenseite unmöglich ist, weil sozial Schwache stärker getroffen werden als Reiche, wird deutlich worum es geht: um einen schlanken Staat und damit um eine Absage an den Wohlfahrtsstaat.

    Wenn schon nicht ökonomisch, so macht die Vision vom Nulldefizit zumindest politisch einen Sinn. Denn mit der permanenten Forderung nach einem Nulldefizit und nach einem Ende des Schuldenmachens soll offensichtlich in der Bevölkerung die Opferbereitschaft erzeugt werden, um so die Zustimmung zu einem Belastungspaket zu erhalten.3) Weiters kann dadurch - zumindest kurzfristig - die Konzeptlosigkeit der Regierung in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik überdeckt werden.

    2. Die Sparpläne zur Erreichung des Nulldefizits

    In Teil zwei des »Reformdialogs für Österreich« wurde am 1. September der Konsolidierungspfad im Detail festgelegt und daraus ein unplausibel hohes Konsoliderungserfordernis von 101 Milliarden Schilling bis 2002 abgeleitet (siehe Tabelle).

    Etwa 28 Milliarden Schilling dieses Erfordernisses sollten durch Steuererhöhungen (Regierungsjargon: »Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit«), 42 Milliarden Schilling durch Einsparungen bei den Ausgaben des Bundes (darunter jene zur »Erhöhung der sozialen Treffsicherheit«) und die restlichen 30 Milliarden Schilling sollten durch die Länder und Gemeinden aufgebracht werden. Diese Aufteilung der Lasten sei fair und sozial treffsicher, argumentierte die Regierung. Ein Blick in wichtige Punkte dieser Belastungspakete soll zeigen, was die Regierung unter fair und sozial treffsicher versteht.

    Das Steuerbelastungspaket - Arbeitnehmer werden erneut zur Kasse gebeten

    Die Arbeitnehmer werden durch eine Reihe von Maßnahmen zusätzlich zu den schon vor dem Sommer beschlossenen Maßnahmen getroffen.

    Der allgemeine Absetzbetrag soll bei einem Monatsgehalt zwischen 30.000 und 49.000 Schilling eingeschliffen werden. Durch die geplante Neuregelung besteht bereits bei einem Brutto-Monatseinkommen ab 32.000 Schilling eine erhebliche Mehrbelastung, die die Folge eines in diesem Bereich inakzeptabel hohen Grenzssteuersatzes (45 Prozent) ist. Zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen sind bei einer Gehaltserhöhung in diesem Einkommensbereich mehr Abgaben zu bezahlen (nämlich 55 Prozent) als von einem Spitzeneinkommen. Ein Einkommensbezieher mit 45.000 Schilling verliert durch die geänderte Einschleifregelung mehr als fünf Mal so viel wie einer mit 70.000 Schilling.

    Der Arbeitnehmerabsetzbetrag soll von derzeit 1500 Schilling auf die Hälfte reduziert werden, wenn keine private Pensionsvorsorge getroffen wird. Erst im Gesetzesentwurf wurden die kleinsten Einkommen zwischen 4000 und 12.000 Schilling ausgenommen, indem klargestellt wurde, dass die Steuergutschrift aus der Negativsteuer nicht entfallen soll. Dennoch benachteiligt diese Maßnahme tendenziell die Niedrigverdiener, weil nur jene keinen finanziellen Nachteil haben, die sich eine private Pensionsvorsorge in der Höhe von 1000 Euro (=13.760 Schilling) jährlich leisten können.

    Vorgesehen ist die Beseitigung des festen Steuersatzes auf die Urlaubsentschädigungen und der Entfall des begünstigten Belastungsprozentsatzes bei der Besteuerung von Kündigungsentschädigungen, Nachzahlungen aufgrund arbeitsrechtlicher Verfahren und Zahlungen aus dem Insolvenz-Ausfallgeldfonds. Die Anwendung der vollen Steuerprogression führt in diesen Fällen für die Betroffenen zu hohen Nettoeinkommensverlusten.

    Ab einem monatlichen Bruttobezug von 20.000 Schilling wird der Pensionistenabsetzbetrag durch eine Einschleifregelung reduziert und fällt ab etwa monatlich 26.000 Schilling brutto zur Gänze weg. Für Pensionen darüber wirkt sich zusätzlich die Einschleifregelung des allgemeinen Absetzbetrages aus, sodass bei ca. 42.000 Schilling brutto ein Einkommensverlust von 8500 Schilling erreicht wird.

    Im Gegensatz zum Belastungspaket vom Frühjahr werden diesmal auch die Unternehmen und Selbständigen mit höheren Steuern belastet. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Abschaffung des Investitionsfreibetrages, Einschränkungen bei der Bildung von Rückstellungen, die Verlängerung der Abschreibung von Betriebsgebäuden von 25 auf 331/3 Jahre, die Begrenzung von Verlustvorträgen, die Verzinsung von Steuernachzahlungen und die Anhebung der Kfz-Steuer für Lkw als Vorstufe für die Einführung des »road pricing«, die für das Jahr 2003 vorgesehen ist.

    Die österreichischen Privatstiftungen werden nur geringfügig höher besteuert. Im nun vorliegenden Gesetzesentwurf wird die höhere Besteuerung von Kapitalerträgen in Stiftungen gegenüber den ursprünglichen Absichten deutlich reduziert, indem die Zwischenbesteuerung auf Zinserträge aus Einlagen- und Forderungswertpapieren beschränkt wird. Da Aktien und Unternehmensanteile nicht erfasst werden, bleiben die Privatstiftungen das, was sie auch bisher waren, ein Steuerparadies für wirklich Reiche. Die Zinserträge auf kleine Sparguthaben werden auch in Zukunft mit 25 Prozent höher besteuert bleiben als jene in Stiftungen. Die geplanten Mehreinnahmen der entschärften Stiftungsbesteuerung sind mit 2 Milliarden Schilling daher maßlos überschätzt. Das Steuerpaket wurde in einem weiteren Punkt aufgeschnürt: Die zunächst vorgesehene Besteuerung von Kapitalerträgen für Ausländer wird nun doch nicht kommen.

    Die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll - über die Erhöhung der Stiftungen hinaus - mit einer Milliarde Schilling zur Konsolidierung beitragen. Grundbesitz wird in Zukunft mit dem Dreifachen des geltenden Einheitswertes angesetzt werden. Da eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen erst mit Verzögerung zu wirken beginnen, fallen im Jahr 2001 zusätzlich 15 Milliarden Schilling an Einkommensteuer vorweg durch erhöhte Vorauszahlungen an.

    Bei den Unternehmen und Selbständigen muss bei einer Beurteilung der Belastungswirkungen der Umstand berücksichtigt werden, dass ab 2001 der 14-prozentige Umsatzsteuersatz auf Speisen (»Schnitzelsteuer«) wieder auf 10 Prozent zurückgenommen wird und dass die Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung und zur Insolvenz-Entgeltsicherung - beide zusammen im Ausmaß von knapp 5 Milliarden Schilling - gesenkt werden. Werden die Speisen ab Jahresbeginn nicht billiger, lukrieren die Unternehmen ein nettes Körberlgeld von etwa 1,5 Milliarden Schilling. Darüber hinaus werden den Unternehmungen für 2003 weitere Lohnnebenkostenentlastungen sowie eine Senkung der Körperschaftsteuer in Aussicht gestellt. Die Belastungen für die Arbeitnehmer hingegen sind dauerhaft.

    Das Sozialabbaupaket - erhöhtes Verarmungsrisiko

    Nur wenige Stunden nach Vorliegen des Expertenberichts4) über die Treffsicherheit des Sozialsystems präzisierte die Regierung mit Ministerratsbeschluss vom 19. September5), was sie unter sozialer Treffsicherheit versteht. Obwohl im Bericht festgestellt wird, dass das soziale Netz eindeutige Lücken hat, wurde ein Sozialabbauprogramm beschlossen, das mit einigen Maßnahmen das Verarmungsrisiko treffsicher erhöht.

    Das gilt im Besonderen für die Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung. Dort ist eine vierwöchige Sperre des Arbeitslosengeldes auch bei einvernehmlicher Kündigung sowie eine Kürzung der Familienzuschläge vorgesehen. Von der Sperre des Arbeitslosengeldes sind vor allem Saisonarbeiter (unter Umständen sogar zweimal im Jahr),6) Bauarbeiter und Karenzvertretungen betroffen. Die Kürzung der Familienzuschläge betrifft vor allem Arbeitnehmer mit Kindern. In diesen Fällen bringt der Verlust des Arbeitsplatzes sehr häufig eine Armutsgefährdung mit sich.

    Der Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose Ehepartner/LebensgefährtInnen betrifft fast ausschließlich Frauen in Pensionisten- und Arbeitnehmerhaushalten mit niedrigen Einkommen. Der betroffene durchschnittliche Arbeiterhaushalt verliert jährlich ca. 14.600 S, der durchschnittliche Angestelltenhaushalt etwa 16.800 S. Die ärmsten 25 Prozent der Betroffenen verlieren noch immer 11.000 (Arbeiter) bzw. 12.000 Schilling (Angestellte). Hinsichtlich der Zahl der Betroffenen herrscht Unklarheit.

    Die Besteuerung der Unfallrenten kann insofern als Systembruch gesehen werden, als es sich dabei um eine Versicherungsleistung handelt, die einen Schadenersatz bei dauerhaft körperlicher Beeinträchtigung durch einen Arbeitsunfall darstellt. Die Besteuerung führt dazu, dass die Nettogesamteinkommen [=Erwerbs(Pensions)einkommen und Unfallrente] der Betroffenen erheblich gekürzt wird, und zwar bei einer durchschnittlichen Teilrente von unter 50 Prozent um 7 Prozent und bei einer durchschnittlichen Vollrente um knapp 18 Prozent.

    Zusätzlich wird eine Krankenversicherungspflicht für Zusatzpensionen in rechnungshofgeprüften Institutionen eingeführt (z. B. Kammern).

    Völlig überfallsartig plant die Regierung die Einführung von Studiengebühren in der Höhe von 10.000 Schilling pro Studienjahr. Experten warnen, dass damit die ohnehin schon niedrige Akademikerquote - Österreich gehört mit der Türkei und Portugal zu den Schlusslichtern in der OECD - weiter absinken wird. Was wir bräuchten, wären daher bessere Bildungschancen und Studienbedingungen und nicht Studiengebühren, die viele vom Studium abschrecken und die für viele Studenten das Studium verlängern werden, weil bereits jetzt mehr als zwei Drittel der Studierenden berufstätig sind.

    In Summe erwartet sich die Regierung von diesem Paket nicht wie ursprünglich vorgesehen 5 Milliarden Schilling, sondern 7,7 Milliarden Schilling. Eine Milliarde davon soll nach Absichtserklärungen der Regierung den Universitäten zufließen, die ihnen allerdings vorher im Zuge des Sparkurses entzogen wurde. Weiters soll eine Milliarde Schilling zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte ausgegeben werden. Ein Teil der Einnahmen aus den Studiengebühren soll für höhere Stipendien zur Verfügung gestellt werden. Konkrete Umsetzungsentwürfe stehen aber noch aus!

    Weitere Einsparungen bei den Ausgaben

    Auf der Ausgabenseite ist eine Reihe von weiteren Einsparungen vorgesehen. Hinter dem Titel »Verwaltungsreform« verbirgt sich ein Abbau von 11.000 Planstellen7) - die Schulen ausgenommen. Um - wie geplant - den Personalaufwand am Niveau des Jahres 2000 einfrieren zu können, bedarf es weiterer bisher noch nicht bekannter Maßnahmen. In Diskussion ist die Kürzung von Zulagen und eben eine - inhaltlich bisher nicht konkretisierte - Verwaltungsreform. In den beiden nächsten Jahren sollen wie schon heuer Fondsüberschüsse abgeschöpft werden: 2001 ca. 15 Milliarden Schilling und 2002 knapp 11 Milliarden Schilling. Betroffen ist davon insbesondere die Arbeitslosenversicherung, der Familienlastenausgleichsfonds (nur 2001) und die Siedlungswasserwirtschaft. Von den ÖBB werden Einsparungen von rund 3 Milliarden Schilling erwartet. Das wird vermutlich die Nebenbahnen betreffen. Und schließlich sollen Privatisierungserlöse zum Abbau von Staatsschulden verwendet werden, was in der Folge den Zinsaufwand senken wird.

    Die Länder sollen mit 30 Milliarden Schilling zur Konsolidierung beitragen. Davon abzuziehen sind aber 15 Milliarden Schilling, weil die Länder schon bisher einen Überschuss in dieser Höhe haben. 7 Milliarden Schilling an Einsparungen müssen in den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen erst konkretisiert werden. Große Strukturreformen (Stichwort Landeslehrer, Zweckbindungen etc.) in den Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften sind entgegen allen Ankündigungen nicht zu erwarten. Wie die restlichen 8 Milliarden Schilling eingespart werden sollen, ist völlig offen. Die Rede ist von »budgettechnischen Maßnahmen«.

    Kosten der Belastungspakete - Wer trägt die Last?

    Die Tabelle gibt einen Überblick darüber, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. die Unternehmen und Selbständigen durch die bisherigen Belastungspakete - einschließlich der bereits in diesem Jahr beschlossenen - belastet werden. Es zeigt sich sehr klar, dass die Arbeitnehmer den Hauptteil der Konsolidierungslasten zu tragen haben (siehe Tabelle: »Was die Belastungspakete kosten - und wer sie zahlt«).

    Die verteilungspolitische Schieflage zwischen den Arbeitnehmern sowie Unternehmen und Selbständigen kommt deshalb zustande, weil die Unternehmen zwar durch das Steuerpaket 2001/2002 belastet werden, aber gleichzeitig durch eine Senkung der Lohnnebenkosten entlastet wurden und werden. Werden im Jahr 2003 die Lohnnebenkosten noch weiter abgesenkt und wird - wie versprochen - die Körperschaftsteuer gesenkt, dann sind dadurch sämtliche Belastungen im Unternehmensbereich mehr als rückgängig gemacht, während die Arbeitnehmer weiterhin die volle Last der sie betreffenden Maßnahmen zu tragen haben. Die kleineren und mittleren Einkommen werden durch die geplanten Maßnahmen stärker belastet als die hohen und höchsten. Die wirklich Reichen tragen extrem wenig zur Konsolidierung bei. Durch die Pensionsreform und die Einschleifregelung des Pensionistenabsetzbetrages werden auch die Pensionisten nachhaltig belastet.

    3. Zusammenfassung

    Die öffentlichen Haushalte stellen in Österreich keinen Sanierungsfall dar. Die Schulden Österreichs liegen unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Der öffentlichen Verschuldung stehen Vermögenswerte gegenüber, deren Aufbau in den letzten Jahrzehnten wesentlich zum Aufholprozess in der Wirtschaftsentwicklung Österreichs beigetragen hat. Aus ökonomischer Sicht ist ein Nulldefizit innerhalb von zwei Jahren nicht begründbar. Selbst die restriktiven Budgetkriterien der EU verlangen kein Nulldefizit. Die hohe Zinsbelastung spricht aber für eine behutsame, sozial ausgewogene Budgetkonsolidierung.

    Die Belastungspakete der Regierung sind sozial unausgewogen und führen zu einer massiven Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Belastungen der Unternehmen und Selbständigen sind nur vorübergehend, weil sie durch versprochene Senkungen der Lohnnebenkosten und der Körperschaftsteuer ab 2003 zur Gänze rückgängig gemacht werden sollen. Die Reichsten des Landes werden im Gegensatz zu den kleineren und mittleren Einkommen nur geringfügig zur Budgetsanierung beitragen. Die sozial schwachen Bevölkerungsgruppen werden durch die Sozialabbaumaßnahmen einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Durch die Unterordnung der Sozial- und Wirtschaftspolitik unter die Priorität des Nulldefizits - das zum alleinigen Erfolgskriterium gemacht wird - werden die sozial Schwachen weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

    1) Maßnahmen, die nach dem 1. Oktober konkretisiert, geändert oder beschlossen wurden, konnten in diesem Beitrag nicht mehr berücksichtigt werden.

    2) Kurt Rothschild, Defizite: Realität und Hysterie, in: Der Standard vom 22. 8. 2000

    3) Die Wirksamkeit der »Nulldefizit-Kampagne» lässt sich an den Umfragedaten erkennen. Noch ehe die Sparmaßnahmen bekannt waren, hielten 47 Prozent der Bevölkerung die Budgetsanierung für sehr wichtig, 42 Prozent für wichtig und 71 Prozent würden ein Scheitern bedauern.

    4) Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems, redigiert von Wolfgang Mazal, 18. September 2000

    5) Die Kürze des Entscheidungszeitraums deutet darauf hin, dass die Maßnahmen bereits im Vorfeld akkordiert waren und dass der Bericht lediglich als Legitimationsinstrument benutzt wurde.

    6) Bei Redaktionsschluss war davon die Rede, einen zweimaligen Entfall auszuschließen.

    7) Weiters sollen die Planstellen durch Ausgliederungen um weitere 4000 Köpfe reduziert werden.

    Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Prozent von Österreich
    Österreich USA Deutschland Großbritannien Niederlande
    1970 100 40 62 89 79
    1998 100 79 105 113 104

    Budgetdefizit in Prozent des BIP Konsolidierungser-fordernis in Mrd. S
    2000 1,60
    2001 0,75 90
    2002 0,00 101

    Was die Belastungspakete kosten - und wer was zahlt

    Stand 20. Oktober 2000 - Berechnungen nach den vorgelegten Budgetbegleitgesetzen, dem Kapitalmarktpaket und dem Regierungsübereinkommen1)
    (Beträge in Milliarden Schilling pro Jahr)

    2001 2002 2003
    Arbeitnehmer
    Belastungspaket 1
    Gebühren und Abgabenerhöhungen:
    Motorberzogene Versicherungssteuer
    Energiesteuer
    Autobahnvignette
    Gebührenerhöhungen
    Tabaksteuer
    Urlaubsaliquotierung bei Gegenrechnung der Entgeltfortzahlung
    Entfall des Postensuchtags
    Selbstbehalt in der Krankenversicherung



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    -2,7
    -1,3
    -0,7
    -1,0
    -3,0
    -0,3
    -1,0
    Belastungspaket 2
    Neue Steuererhöhungen:
    Urlaubs-, Kündigungsentschädigung
    Allgemeiner Absetzbetrag
    De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages
    Erbschafts- und Schenkungssteuer
    Abzugssteuer für Vortragende


    -4,0
    -2,0
    -1,6
    -0,3
    -0,5


    -4,5
    -2,2
    -1,8
    -0,6
    -0,6


    -4,5
    -2,2
    -1,8
    -0,6
    -0,6
    Belastungspaket 3
    Sozialabbau2):
    Beitragsfreie Mitversicherung
    Besteuerung der Unfallrenten
    Senkung der Nettoersatzrate inkl. Kürzung der Familienzuschläge
    Krankenversicherungspflicht für Zusatzpensionen
    Wartezeiten in der Arbeitslosenversicherung
    Studiengebühren


    -0,7
    -1,2
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -0,8


    -0,7
    -1,3
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -1,6


    -0,7
    -1,3
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -1,6
    Kapitalmarktpaket
    Abschaffung Börsenumsatzsteuer
    Besteuerung Substanzgewinne Investmentfonds
    Freibetrag für steuerfreie Ausgabe von Mitarbeiterbeteiligungen

    +0,2
    -0,4
    +0,2

    +0,2
    -0,4
    +0,2

    +0,2
    -0,4
    +0,2
    Geplante Entlastungen Ausweitungen beim Karenzgeld
    Prämie für Pensionsvorsorge
    Summe
    Pensionskürzungen inkl. Erhöhung des Pensions(sicherungs)beitrags

    0,0
    -27,9
    -5,8
    +4,4
    +0,8
    -25,0
    -11,8
    +4,4
    +0,8
    -25,0
    -18,4
    Summe inklusive Pensionen -33,7 -36,8 -43,4
    Pensionisten
    Belastungspaket 2
    Absetzbetragsenkung


    -1,5


    -1,9

    -1,9

    1) Belastungen: Vorzeichen -, Entlastungen: Vorzeichen +
    2) Anteil der Arbeitnehmer am Sozialabbauprogramm

    2001 2002 2003
    Unternehmen und Selbständige
    Belastungspaket 1
    Motorberzogene Versicherungssteuer
    Energiesteuer
    Autobahnvignette
    Gebührenerhöhungen
    Tabaksteuer
    Getränkesteuer-Ersatzlösung (inkl. Abschaffung der »Schnitzelsteuer«)
    Werbeabgabe
    Urlaubsaliquotierung
    Entfall des Postensuchtags
    Senkung Krankenversicherungsbeitrag


    -0,5
    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

    +3,1
    +0,9
    +3,0
    +0,3
    +1,0


    -0,5
    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

    +3,1
    +0,9
    +3,0
    +0,3
    +1,0


    -0,5
    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

    +3,1
    +0,9
    +3,0
    +0,3
    +1,0
    Belastungspaket 2
    Besteuerung der Privatstiftungen
    Kfz-Steuer
    Road-pricing(?)
    Einschleifung allgemeiner Absetzbetrag
    Abschaffung des Investitionsbetrages
    Einschränkung von Rückstellungen
    Gebäude der AFA-Verlängerung
    Begrenzung des Verlustvortrages
    Erbschafts- und Schenkungssteuer
    Verzinsung von Steuernachzahlungen
    Erhöhung der Vorauszahlung
    Senkung des IESG-Beitrages
    Senkung des Beitrags zur Unfallversicherung

    -0,7
    -0,7
    0,0
    0,0
    0,0
    0,0
    0,0
    0,0
    -0,3
    -0,2
    -15,0
    +3,2
    +1,7

    -0,7
    -0,9
    0,0
    -0,3
    -6,0
    -3,0
    -2,5
    -2,5
    -0,6
    -0,5
    0,0
    +3,2
    +1,7

    -0,7
    0,0
    -3,0
    -0,3
    -6,0
    -3,0
    -2,5
    -2,5
    -0,6
    -0,5
    0,0
    +3,2
    +1,7
    Belastungspaket 3
    Beitragsfreie Mitversicherung
    Besteuerung der Unfallrenten
    Studiengebühren

    -0,2
    -0,6
    -0,2

    -0,2
    -0,7
    -0,4

    -0,2
    -0,7
    -0,4
    Kapitalmarktpaket
    Abschaffung der Börsenumsatzsteuer
    Besteuerung Substanzgewinne Investmentfonds
    Steuerl. Erfassung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerungen an Körperschaften
    Wegfall Erbschaftssteuer beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften
    Steuererleichterungen im Bereich Stock Options

    +0,8
    -0,4

    -1,0

    +0,1
    +0,1

    +0,8
    -0,4

    -1,0

    +0,1
    +0,1

    +0,8
    -0,4

    -1,0

    +0,1
    +0,1
    zusätzliche weitere Entlastungen Weitere Lohnnebenkostensenkung zur bereits erfolgten
    Urlaubsaliquotierung und zur Senkung des
    IESG-Beitrags und des Beitrags zur Unfallversicherung
    Versprochene Senkung der Körperschaftsteuer 2003
    Ausweitungen beim Karenzgeld
    Prämie für Pensionsvorsorge






    0,0





    +0,9
    +0,3



    +6,8
    +5,0
    +0,9
    +0,3
    Summe -7,1 -6,3 +3,4

    ]]> Bruno Rossmann http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073716 »... wenn es im Geldbörsel spürbar wird« Arbeit & Wirtschaft: Lieber Kollege Rudi Kaske, vor einigen Wochen wurdest du in manchen Medien als Brandstifter tituliert. Ich war selbst bei dieser Pressekonferenz dabei und dort ist es eigentlich um den Sozialabbau und die Betroffenheit der österreichischen Bevölkerung gegangen. Wie siehst du jetzt nachträglich die Affäre »Brandstiftung«?

    Rudi Kaske: Der Sager »Wenn das Arbeitslosenheer marschiert, dann brennt die Republik« ist so dargestellt worden, wie wenn der Kaske mit der großen Fackel im Land herumrennt. Angemerkt sei, dass die wahren Zündler ganz woanders sitzen. Wir dürfen uns dann immer als Feuerwehr betätigen. Zweitens möchte ich zu dem Halbsatz erwähnen, was ich vorher gesagt habe, nämlich, ich warne die Regierung vor Entwicklungen, die wir alle nicht wollen. Und es war außerdem ein Wenn-Dann-Satz. Der Wenn-Dann-Satz war insofern zu verstehen, umgemünzt natürlich auf die Situation der Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe, dass hier übers Jahr, und das sind keine Zahlen aus der 1. Republik, sondern Zahlen aus dem Jahr 1999, 23 Prozent der Beschäftigten arbeitslos sind. Das heißt, das, was Herr Khol, der Klubobmann der ÖVP, zum Beispiel kürzlich gesagt hat, dass es gar kein Arbeitslosenheer gibt und dass wir so tolle Arbeitsmarktzahlen, also fast gar keine Arbeitslosigkeit haben. Ich meine, dass dies eine Schönfärberei ist. Ich frag mich halt, ob 200.000 Menschen nicht auch genug sind in der Republik, aber, wenn ich meinen Bereich hernehme, wo knapp 23 Prozent arbeitslos sind, dann ist es schon etwas vermessen, wenn Herr Khol sagt, es gibt keine Arbeitslosen. Bei uns sind das über 30.000 Menschen, die mindestens einmal im Jahr arbeitslos sind.

    18.500 brutto

    A&W: Ist es so, dass eine Gewerkschaft erst mit Kraftsprüchen da irgendwie sozusagen verbal auf den Tisch hauen muss, damit man überhaupt gehört wird? Andererseits haben sich ja die Medienleute nur aufs »Brennen« konzentriert und nicht auf die wirklichen sozialen Umstände, auf die du aufmerksam machen wolltest.

    Kaske: Das war das Nächste. Ich habe in der Pressekonferenz versucht, die Situation der Beschäftigten darzustellen. Erstens einmal das Thema Arbeitslosigkeit, zweitens, dass die Leute knapp 31 Prozent weniger verdienen als der Durchschnittsösterreicher und drittens eben das Paket, das die Bundesregierung jetzt auf den Tisch geknallt hat. Nämlich jene Menschen, die eh schon zu den ärmsten in diesem Lande zählen - wenn ich mir anschau, unsere Durchschnittsverdienste liegen sehr niedrig -, die Leute verdienen, ich rede jetzt von Hilfskräften und von fachlich Qualifizierten, wenn sie beginnen, zwischen 12.500 und 15.000 brutto. Und denen, so war es der Ansatz der Regierung, bei dem so genannten »Sozialpaket« oder »Treffsicherheitspaket«, wo auch - und ich empfinde das als blanken Hohn -, wo man gesagt hat, man muss doch die Überversorgung in dem Bereich abbauen. Es ist darum gegangen, dass man den Leuten noch bis zu zweimal pro Jahr das Arbeitslosengeld wegnimmt. Das heißt also, bei Leuten, die eh einen Schmarrn verdienen, die dann aus der Saison kommen und dann nach der Saison - egal, ob Winter- oder Sommersaison - einen Monat lang kein Geld kriegen. Da wurde dann beschwichtigt. Man hat gesagt, naja, so war es nicht gemeint, man will, dass es die Leute nur einmal trifft. Aber ich empfinde das auch als blanken Wahnsinn, wenn man sagt, na gut, statt zweimal kein Geld gibt es halt nur einmal kein Geld. Die Miete, die Kosten, welche die Arbeitnehmer zu tragen haben, laufen ja weiter, egal, ob in zwei Monaten oder in einem Monat. Das war ein Aufschrei von mir, als ich gesagt habe, mit dieser Politik der Bundesregierung, die sich bis vor kurzem auch nicht zum Verhandlungstisch gesetzt hat, mit der sind wir nicht einverstanden.

    Sozialpartnervereinbarung

    A&W: Du hast gerade den Verhandlungstisch erwähnt. Überstunden können jetzt auf eine Fortbeschäftigung angerechnet werden, oder wie schaut dieses Modell jetzt aus?

    Kaske: Mit einigem Selbstbewusstsein kann ich dazu sagen, dass aufgrund der veröffentlichten Diskussion, wo sich zwar die Medien hauptsächlich auf den Sager geschmissen haben, dürften doch manche munter geworden sein in der Bundesregierung. Es hat dann auch eine ziemliche Diskussion vom Neusiedler See bis zum Bodensee über das Sozialpaket gegeben. Diese Diskussion hat es vorher nicht gegeben. Und Ausfluss dessen war, dass es dann auf einmal auch Verhandlungen gegeben hat. So wie wir es gefordert haben. Aus meiner Sicht gibt es eine sensationelle Vereinbarung der Sozialpartner. Wir haben uns geeinigt auf ein Saisonverlängerungsmodell, das von drei Grundsätzen ausgeht: Erstes Element ist: Es soll ein Teil des Urlaubs, der in der Saison entsteht, in dieses Saisonverlängerungsmodell eingebracht werden. Zweites Element: Dass auf freiwilliger Basis maximal ein Drittel der Überstunden in dieses Modell eingebracht werden. Und drittes Element: Dass für Ausbildung und Qualifizierungszwecke Ausbildungszeit mit eingebracht wird.

    Das heißt, wir gehen davon aus, dass pro Saison die Menschen mindestens 14 Tage länger angemeldet sind. Das heißt, wir wollen damit erreichen, dass die Leute im Tourismus insgesamt übers Jahr gesehen einen Monat länger beschäftigt sind. Und das ist ein Vorteilsmodell für alle. Erstens einmal das Ziel der Bundesregierung wurde damit erreicht, dass also ein Monat Arbeitslosenversicherung gespart wird, weil die Leute länger angemeldet sind im Betrieb.

    Für die Arbeitnehmer wäre es ein Vorteil, weil sie ein Mehr an Versicherungszeiten haben. Und ein Mehr an Versicherungszeiten heißt ja in der späteren Folge, sie haben mehr Versicherungsmonate für die Pension. Und das Dritte ist, die Unternehmer haben die Gewähr, dass die Leute nicht so wie bisher eh schon drama- tisch aus der Branche flüchten, sondern dass die Personalkapazitäten gesichert sind. Ich meine, genauso gesichert wie bisher. Nicht mehr und nicht weniger.

    Wenn das Modell der Bundesregierung gekommen wäre und wenn die Leute zweimal im Jahr einen Monat lang kein Geld gesehen hätten, dann hätte sich die Personalflucht noch mehr verstärkt. Wir haben jetzt unser Modell der Bundesregierung präsentiert.

    A&W: Der Herr Arbeitsminister Bartenstein hat die Freiwilligkeit für dieses Modell kritisiert ...

    Kaske: Wir lassen uns unser hervorragendes Modell nicht kaputtreden, auch nicht von Bundesminister Bartenstein. Was die Freiwilligkeit betrifft, werden wir das mit unserem Verhandlungspartner natürlich abstimmen. Ich sehe kein Problem, diese Vereinbarung in den Kollektivvertrag mit aufzunehmen. Damit ist die Verbindlichkeit gegeben, dass es auch umgesetzt wird. Aber auf der anderen Seite sage ich auch eines ganz klar und deutlich: Wir haben eine Vereinbarung zustande gebracht - die für die Sozialpartnerschaft in dem Bereich Tourismus spricht - und wir lassen uns auch von der Bundesregierung dieses Modell nicht heruntermachen.

    Wir fürchten keine Auseinandersetzung

    A&W: Also ein Monat wird den Leuten trotzdem weggenommen, und zwar den Ärmsten, den am schlechtesten Verdienenden offensichtlich? Weil mit einem Bruttogehalt von 12.500 bis 15.000 kann man wirklich keine großen Sprünge machen.

    Kaske: Wir haben Folgendes gesagt, und das ist auch ganz klar in der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern festgehalten: Wenn die Vereinbarung greift, sprich, wenn es zu einer Saisonverlängerung kommt, dann müssen die Maßnahmen, die die Bundesregierung vorschlägt - nämlich die Sperre des Arbeitslosengeldes auf 4 Wochen -, fallen. Das ist Grundvoraussetzung, dass dieses Modell in Kraft tritt. Im Prinzip ist unser Modell ein Zug-um-Zug-Geschäft mit der Regierung. Unsere Vereinbarung tritt in Kraft, und daher muss die 4-wöchige Sperre beim Arbeitslosengeld fallen. Also wenn die Bundesregierung jetzt glaubt, die Sozialpartner setzen das in den Kollektivvertrag hinein und auf der anderen Seite gibt es aber trotzdem eine Sperre, vielleicht zwar nicht von 4 Wochen, vielleicht nur von 10 Tagen, 5 Tagen oder wie auch immer, da sind wir nicht dabei. Und das haben wir aber auch ganz klar in der Vereinbarung artikuliert

    A&W: Ich glaube, in der jetzigen Situation ist die Aufgabe, die sich uns stellt, vor allem einmal Aufklärung über die Auswirkungen der Maßnahmen der Bundesregierung. Ich glaube, dass es dem Großteil der Bevölkerung noch nicht klar ist.

    Kaske: So ist es. Also ich seh' das genauso. Gerade was die Frage Sperre des Arbeitslosengeldes, aber auch viele andere Maßnahmen betrifft, so glaube ich, dass es bei der Bevölkerung noch einige Zeit dauern wird, bis sie im Detail informiert ist, wie es den Einzelnen persönlich trifft. Wenn es in der Geldbörse spürbar wird begreifen es die Leute erst richtig. Ich werde immer wieder von Journalisten gefragt, naja, wie wird denn der ÖGB weitertun. Also, ich sag es ganz offen: Wir setzen natürlich einerseits auf Verhandlungen, aber auf der anderen Seite fürchten wir auch nicht die Auseinandersetzung. Und das sage ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Das haben wir in der Vergangenheit bewiesen und da kann ich auf einige Beispiele unserer Gewerkschaft in den letzten Jahren zurückgreifen. Also die Bundesregierung soll sich nicht täuschen, wenn sie glaubt, nur Scheinverhandlungen führen zu wollen, dann wird sie auch dementsprechend die starke Hand des ÖGB spüren.

    Kollege Kaske, wir danken für das Gespräch.

    Rudolf Kaske- Kämpfer für Kellnerinnen und Hausbesorger

    HGPD-Chef verhandelt die Löhne für rund 150.000 Beschäftigte im Tourismus

    Rudolf Kaske ist innerhalb des ÖGB der oberste Vertreter der Köche und Kellnerinnen, der Friseure und Hausbesorgerinnen. Seine Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) ist eine der kleineren Teilorganisationen des ÖGB und vertritt bundesweit knapp 51.000 Arbeitnehmer, rund zwei Drittel davon weiblich.

    Kaske gilt unter Beobachtern als Medienprofi, der sich »sehr gut verkaufen kann«. »Sager« wie »Die Regierung will Nackten in die Tasche greifen« und »Ohne Geld ka Musi« belegen Kaskes Hang zur bildhaften Rede. Im Kampf gegen die Benachteiligung der Saisonarbeiter durch die neue Arbeitslosenregelung ist er ebenso engagiert wie in jenem gegen die in seiner Branche wohl nicht seltenen »schwarzen und grauen« Arbeitsverhältnisse.

    Rudolf Kaske, geboren 1955 in Wien, arbeitete bis 1970 als Kochlehrling im Hotel Intercontinental und blieb bis Ende 1973 Koch in diesem Betrieb. Daneben war er als Jugendfunktionär der Gewerkschaftsbewegung tätig. 1977 bis 1978 absolvierte er die Sozialakademie der Wiener Arbeiterkammer.

    1987 wurde Kaske zum Zentralsekretär der Gewerkschaft HGPD gewählt und wurde im selben Jahr Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes. Kaske verhandelte seitdem sämtliche Kollektivvertragserhöhungen für die rund 150.000 Mitarbeiter des Hotel- und Gastgewerbes in den Sozialpartnerrunden aus. Ein Meilenstein war die von ihm vehement betriebene Einführung der Fünftagewoche im Tourismus im Mai 1992. Seit April 1995 ist Kaske Vorsitzender der Gewerkschaft HGPD.

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    Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073704 »Eine Regierung gegen die Arbeitnehmer« Arbeit &Wirtschaft: Kollege Tumpel, das Budget liegt auf dem Tisch. Drei Viertel der Arbeitnehmer sind laut Finanzminister von den drastischen Sparmaßnahmen nicht betroffen ...

    Tumpel: Wir haben immer gesagt, eine Budgetkonsolidierung, der wir zustimmen, muss wichtige Voraussetzungen erfüllen: Sie darf nicht zu Lasten von Beschäftigung und Wachstum gehen und vor allem muss die soziale Ausgewogenheit gewährleistet sein. Wir haben uns das Budget ganz genau angeschaut. Nichts von alldem hat der Finanzminister umgesetzt. Im Gegenteil: Das Crash-Budget der Regierung führt zu einer Rekordinflation und gefährdet massiv Wachstum und Beschäftigung. Die ersten Auswirkungen liegen ja bereits auf dem Tisch: Die Wachstumsprognosen für das nächste Jahr mussten nach unten revidiert werden. Einen guten Teil an der Rekordinflation machen die Steuer- und Gebührenerhöhungen der Regierung aus. Die Beschäftigung wird in den kommenden Jahren schwächer ansteigen als zuletzt prognostiziert. Und das massive Zurückfahren von Investitionen und der Rückgang an Kaufkraft wegen der Steuererhöhungen kann tausende Arbeitsplätze kosten.

    Kleine zahlen treffsicher ...

    Von einer sozialen Ausgewogenheit kann beim Budgetprogramm der Regierung überhaupt keine Rede sein. Den Preis zahlen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - und zwar alle. Denn, auch wenn es der Finanzminister noch so oft wiederholt: Es stimmt einfach nicht, dass drei Viertel der Bevölkerung von den Maßnahmen der Regierung nicht betroffen sind. Die Bezieher kleiner oder mittlerer Einkommen zahlen treffsicher für das Crash-Programm: Maßnahmen wie die überfallsartig eingeführten Studiengebühren, die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die Kürzung der Familienzuschläge, die Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages oder die Einschränkung der kostenlosen Mitversicherung treffen gerade und vor allem die Bezieher niederer und mittlerer Einkommen. Die Besteuerung der Unfallrente etwa belastet gesundheitlich beeinträchtigte Arbeiter mit Einkommen von 12.000 bis 15.000 Schilling. Bereits 2001 werden Arbeitnehmer und Pensionisten mit 33 Milliarden Schilling belastet.

    Auf der anderen Seite fällt der Beitrag der Reichen und Superreichen bescheiden aus. Die oft milliardenschweren Privatstifter sind gegenüber dem normalen Sparbuchbesitzer noch immer privilegiert. Und mit der Senkung der Lohnnebenkosten für die Wirtschaft und dem Kindergeld für alle, also auch für die, die es nicht brauchen, hat die Regierung schon neue Geschenke versprochen. Wie das mit einem Sparprogramm zusammenpasst, kann ich nicht erkennen.

    Leistungskürzungsprogramm

    A&W: Also »Nein« zu einem Nulldefizit auf Kosten der Arbeitnehmer?

    Tumpel: Selbstverständlich sind auch wir für ein ausgeglichenes Budget. Und es ist grundsätzlich richtig, in Zeiten guter Wirtschaftslage zu sparen. Aber ein und dasselbe Ziel kann man auf verschiedenen Wegen erreichen. Die Regierung will bis 2002 ein Nulldefizit. Dieses Ziel hat sich die derzeitige Regierung willkürlich selbst gesetzt, niemand verlangt das von uns. Der Preis dafür ist ein einzigartiges Belastungspaket und Leistungskürzungsprogramm. Noch nie war die Steuerquote so hoch, noch nie wurde den Menschen eine derartige Belastungswelle zugemutet. Eine Budgetkonsolidierung wäre auch langsamer gegangen, ohne massivste Belastungen, ohne Gefährdung von Wachstum und Beschäftigung. Denn gerade diese Faktoren und eine wirkliche Strukturreform sind notwendig, um das Budget tatsächlich sanieren zu können, und zwar nachhaltig. Die Regierung bewegt sich von einer nachhaltigen Budgetkonsolidierung immer weiter weg. Davor warnen nicht nur die Experten der AK.

    Und wie schon vorher gesagt: Zahlen für diese Maßnahmen müssen vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie tragen weit mehr bei als die Arbeitgeber. Die Regierung kürzt bei den Leistungen für Pensionen, sie spart bei der aktiven Beschäftigungspolitik, sie verteuert für Pendler den Weg zur Arbeit, sie verschlechtert die Ausbildungssituation bei den Lehrlingen und treibt die Kosten für das Studium in die Höhe. Für viele wird Studieren also wieder zum Luxus, viele werden sich das nicht mehr leisten können. Und die Maßnahmen sind großteils höchst unsozial, denn sie treffen jene, die auf Grund ihrer Lage Hilfe und Unterstützung besonders brauchen. Die erhöhten Selbstbehalte oder die neuen Ambulanzgebühren und die Besteuerung der Unfallrenten sind nur zwei Beispiele dafür. Die Regierung redet vom Sparen und Schulden reduzieren und treibt gleichzeitig Teile der Bevölkerung in die Verschuldung. Das ist eine Regierung gegen die Arbeitnehmer.

    Arbeitnehmer brauchen starke AK

    A&W: Die Angriffe von Teilen der FPÖ auf die AK gehen weiter. Im Parlament hat die FPÖ einen Antrag auf Kürzung des AK-Budgets eingebracht.

    Tumpel: Die AK bekommt kein Geld vom Staat, sondern nur von ihren Mitgliedern. Die AK ist daher auch nur ihren Mitgliedern verpflichtet. Das ist ihre Stärke und gleichzeitig eine wichtige Basis für die Sozialpartnerschaft. Der FP-Antrag, dass der AK das Budget per Gesetz gekürzt werden soll, ist daher nichts anderes als ein Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ein Versuch, die Sozialpartnerschaft zu zerschlagen. Die AK soll als Interessenvertretung gegenüber der Regierung und der Wirtschaft und in ihren Leistungen für die Mitglieder geschwächt werden. Dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber eine starke AK wollen, das hat die Mitgliederbefragung 1996, das hat die heurige AK-Wahl gezeigt und das bestätigen aktuelle Umfragen. Dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine starke AK gerade in der jetzigen politischen Situation dringender denn je brauchen, das zeigt ein Blick in unsere Beratungsstatistiken: Im heurigen Jahr hat die Inanspruchnahme der AK sprunghaft zugenommen. Die Arbeitnehmer sind verunsichert und brauchen mehr Beratung über die Gesetzesänderungen - vom Auffangnetz für Lehrlinge über die massiven Verschlechterungen bei den Pensionen bis hin zum »Dauerbrenner«, wie Beruf und Familie vereinbart werden können.

    Bereits jetzt hilft die AK jährlich in zwei Millionen Fällen - mit Rat und Tat, mit Rechtsschutz, persönlich oder am Telefon, direkt oder indirekt durch die Unterstützung von Betriebsräten, gemeinsam mit den Gewerkschaften. Für jeden Schilling, den die Mitglieder in ihre Kammer einzahlen, fließen rund drei Schilling wieder an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurück. Die AK sorgt dafür, dass ihre Mitglieder nicht nur Rechte haben, sondern auch Recht bekommen.

    »AK plus«

    Seit 1992 hat die AK ihre Leistungen enorm ausgebaut: kostenloser Rechtsschutz, neue Beratung bei Insolvenzen, Ausbau des Konsumentenschutzes, Ausbau der Bildungsangebote, mehr Angebote im Arbeitnehmerschutz oder die Vertretung der Arbeitnehmer in Brüssel. Das alles hat die AK mit gleich hoher Umlage, nur durch den sparsamen Einsatz ihrer Mittel, finanziert. Allein in den vergangenen fünf Jahren hat die AK die Zahl der Beratungen verdoppelt!

    Jeder Schilling weniger für die Arbeiterkammern bedeutet weniger Schutz, weniger Rechte und weniger Leistungen für die Arbeitnehmer.

    Unsere Mitglieder wollen aber mehr und nicht weniger Leistungen. Dem werden wir Rechnung tragen: Gleich nach den AK-Wahlen hat die AK österreichweit das nächste Entwicklungsprogramm gestartet. AK plus - das heißt mehr Leistungen, neue Leistungen und auch für neue Arbeitnehmergruppen, die kein reguläres Arbeitsverhältnis mehr bekommen. Wo die Regierung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kürzt, etwa bei der Aus- und Weiterbildung, wird die Arbeiterkammer einspringen. Bis zur AK-Hauptversammlung Ende November werden Arbeitsgruppen die neuen Schwerpunkte erarbeiten. Wir werden unser Angebot ausbauen und wir werden es nicht hinnehmen, dass die Arbeiterkammer als unabhängige Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mundtot gemacht wird. Gerade in der jetzigen politischen Situation brauchen die Arbeitnehmer eine starke Interessenvertretung.

    A&W: Kollege Tumpel, wir danken für das Gespräch.

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    (Mit Herbert Tumpel sprach Christian Spitaler) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073693 Mit sozialen Reformen die Zukunft gestalten Der ÖGB wendet sich entschieden gegen die Vorgangsweise der Bundesregierung, die ohne notwendigen Konsens mit den Interessenvertretungen Belastungspakete vor allem gegen die Ärmsten schnürt.

    Gegen den Belastungskurs der Regierung

    • Der ÖGB lehnt jede geplante Sperre des Arbeitslosengeldes für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab. Diese Sperre trifft nicht nur Saisonbeschäftigte, sondern alle Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis zu Beginn befristet ist, und speziell jene, die aus organisatorischen Gründen Zeitverträge haben, wie zum Beispiel Karenzvertretungen, Künstler, Projektmitarbeiter u. v. a. m. Der ÖGB hat als Alternative eine Sozialpartnervereinbarung für eine Verlängerung der Saisonbeschäftigung und Qualitätsverbesserung im Tourismus ausverhandelt.
    • Die Besteuerung der Unfallrenten wird vom ÖGB genauso abgelehnt wie die geplante Absenkung der Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung. Der ÖGB setzt sich für die Beibehaltung der hohen Qualität der Unfallprävention, Heilbehandlung und Rehabilitation ein.
    • Der ÖGB ist gegen Leistungskürzungen in der Arbeitslosenversicherung, die vor dem Hintergrund hoher Überschüsse in der AL-Versicherung stattfinden. Wir sind gegen das Ausräumen der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zum Stopfen von Budgetlöchern. Gleichzeitig lehnt der ÖGB das Karenzgeld für alle ab.
    • Der ÖGB ist grundsätzlich gegen Ambulanzgebühren und unterstützt alle Initiativen zu deren Abschaffung. Er wendet sich gegen die Senkung des Krankenversicherungsbeitrages der Arbeitgeber.

    Weiters lehnt der ÖGB ab:

    • den Wegfall des begünstigten Steuersatzes auf Urlaubs- und Kündigungsentschädigung;
    • die Steuererhöhung durch Reduzierung der Absetzbeträge;
    • die Senkung des PensionistInnen-Absetzbetrages;
    • die Einschränkung der Mitversicherung;
    • die Einführung von Studiengebühren;
    • die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und
    • die Streichung der Bildungskarenz nach der Elternkarenz.

    Gegen die Senkung der AK-Umlage

    Die geplante Senkung der AK-Umlage ist für den ÖGB nichts anderes als ein Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade wenn die Interessen der Arbeitnehmer berührt sind und Politik gegen sie gemacht wird, brauchen die Arbeitnehmer eine starke Arbeiterkammer und nehmen sie auch mehr denn je in Anspruch. Jährlich zwei Millionen Mal werden die Leistungen der AK in Anspruch genommen. Wer das AK-Bud- get kürzt, will die Arbeitnehmer und ihre Interessenvertretung gegenüber dem Staat treffen.

    Belastungspolitik inakzeptabel

    Für den ÖGB ist diese Belastungspolitik inakzeptabel. Sie trifft einkommensschwache Familien, Arbeitslose, Unfallopfer, Pensionisten und Familien mit studierenden Kindern. Der ÖGB fordert die Regierung auf, die Konsolidierung des Staatshaushaltes sozial ausgewogen zu gestalten und alle Belastungen, die sich einseitig gegen die sozial Schwachen in diesem Land richten, zurückzunehmen bzw. zu unterlassen. Diese Konsolidierung darf auch nicht zu einem willkürlichen Abbau von Sozialleistungen im öffentlichen Dienst führen.

    Statt der beschlossenen und geplanten unsozialen Belastungen der derzeitigen Regierung fordert der ÖGB mehr soziale Gerechtigkeit im Bereich der Steuern und Abgaben. Ein Expertenbericht zur sozialen Treffsicherheit bei Steuern und Abgaben wäre durchaus angebracht.

    Der ÖGB will mehr soziale Gerechtigkeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer insbesondere durch:

    • eine breite Basis der Erstausbildung;
    • faire Finanzierung der Ausbildungskosten durch die Wirtschaftstreibenden;
    • gezielte Bekämpfung des Schwarzunternehmertums;
    • effektives Eintreiben von Steuerschulden;
    • Umbasierung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung in Richtung Wertschöpfungsabgabe;
    • eine schnellere Rechtsdurchsetzung in arbeits- und sozialrechtlichen Verfahren;
    • die Fortsetzung des Weges der Arbeitszeitverkürzung;
    • den Ausbau des »ArbeitnehmerInnenschutzes«;
    • eine tatsächliche Angleichung der Arbeiter an die Angestellten;
    • ein solidarisch finanziertes Gesundheitswesen, das auch künftig unabhängig vom sozialen Status und vom Einkommen den Zugang zur medizinischen Betreuung sichert;
    • Festlegung medizinischer und pflegerischer Qualitätsstandards;
    • Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes für SpitalsärztInnen und
    • die Wertsicherungen der Pensionen statt Einmalzahlungen.

    Sozialverträgliche EU-Osterweiterung

    Der Österreichische Gewerkschaftsbund bekennt sich zur Erweiterung der Europäischen Union. Diese stellt eine historische Chance für Frieden und Stabilität in Europa dar, wenn sie mit Augenmaß, unter Beteiligung der Gewerkschaften und im Einklang mit den Interessen der ArbeitnehmerInnenschaft erfolgt.

    In Zusammenarbeit mit seinen mittel- und osteuropäischen Partnerorganisationen nimmt der ÖGB daher aktiv an einer gewerkschaftlichen Vorbereitungsinitiative auf die Erweiterung teil. Den laufenden Kooperationen zwischen den einzelnen Gewerkschaften des ÖGB sowie den Landesexekutiven und ihren Partnerorganisationen in den angrenzenden Regionen Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens kommt in diesem Rahmen eine große Bedeutung zu. Diesem Ziel diente auch die am 8. November 2000 in Wien abgehaltene dritte Beratung der Gewerkschaftspräsidenten Polens, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarns, Sloweniens und Österreichs.

    EGB-Demonstration in Nizza

    Vor dem EU-Gipfel in Nizza wird der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) am 6. Dezember 2000 in Nizza eine europaweite Demonstration abhalten. Der EGB ruft dabei auf, eine Wende zur Vollbeschäftigung zu vollziehen. Die vom EU-Gipfel zu verabschiedende Charta der Grundrechte betrachtet der EGB als einen Schritt in die richtige Richtung. Dieser Schritt geht allerdings nicht weit genug. Der EGB fordert eine Charta mit einklagbaren Rechten wie dem Recht auf gewerkschaftliche Aktionen und dem Streikrecht. Der ÖGB unterstützt die Forderungen des EGB.

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    Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073617 Wenn ja, warum? Die Regierung benützt das »Nulldefizit« als Vorwand, um ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen umzusetzen. »Hinter der Forderung nach Beseitigung des Defizits steht der Wunsch der Regierung, bestimmte staatliche Aufgaben zu privatisieren oder ganz zu eliminieren. Statt sozialer Rechte sollen alle und alles nur nach dem marktwirtschaftlichen Konkurrenzprinzip funktionieren. Wer sich auf dem Mark nicht durchsetzen kann, soll nicht mehr vom Sozialstaat aufgefangen werden. Mit der Aufwertung von Familienaufgaben wird unausgesprochen auf vermehrte unbezahlte Frauenarbeit gesetzt.«1)

    Kürzlich war ich im Parlament bei einer Pressekonferenz des Herrn Ingenieurs Westenthaler und seines Partners, des Herrn Professors Andreas Khol. Auf die Fragen der anwesenden Journalisten, ob wirklich der Großteil der Arbeitnehmer durch das Belastungspaket nicht betroffen sei, erklärte der Herr Ingenieur: »Vor allem werden die Arbeitnehmer durch die Kürzung der Kammerumlage wesentlich entlastet werden.« Milde lächelte dazu der Professor Khol.

    Die Rede war von einer Kürzung der Kammerumlage von 40 Prozent. Durchschnittlich zahlen die Arbeitnehmer 70 Schilling, rund die Hälfte sogar weniger.

    Fühlen Sie sich auch verarscht vom Herrn Ingenieur Westenthaler? 40 Prozent von 70 Schilling? Na das ist doch eine wesentliche Entlastung - oder etwa nicht?

    Wie ist das mit der Kammerumlage?

    Die Erfüllung der vielfältigen Aufgaben der AK wäre ohne ein solides finanzielles Fundament nicht möglich. Deshalb gibt es die Arbeiterkammerumlage.

    Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die zu einer AK gehören, leisten einen Beitrag zur Finanzierung ihrer Arbeiterkammern, außer sie sind (wie z. B. die Lehrlinge) davon befreit. Die »Arbeiterkammerumlage« beträgt 0,5 Prozent des Bruttolohnes. Das heißt: Wer zum Beispiel 15.000 Schilling brutto verdient, zahlt im Monat 75 Schilling, wer einen Bruttolohn von 20.000 Schilling bezieht, zahlt 100 Schilling. Der Höchstbeitrag ist von der Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung abgeleitet.

    Durch die Beiträge von rund 2,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wurden in Österreich zum Beispiel 1999 rund 3,5 Milliarden Schilling für die Tätigkeit der Arbeiterkammern aufgebracht. Das Jahresbudget aller Arbeiterkammern zusammen entspricht damit nicht einmal der Hälfte von jenem, das der Wirtschaftskammer Österreich und den Wirtschaftskammern in den Bundesländern pro Jahr zur Verfügung steht.

    Über 3 Milliarden Schilling sind sehr viel Geld. Und die vertretenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf die bestmögliche Kontrolle über die ordentliche Verwendung dieser Mittel. Diese Kontrolle ist über ein im AK-Gesetz festgeschriebenes umfangreiches Instrumentarium gewährleistet.

    Die Eigenfinanzierung einer Kammer durch ihre Mitglieder ist neben der demokratischen Wahl der Organe der Selbstverwaltung durch die Mitglieder die beste Garantie für eine Interessenpolitik, die nur der sozialen Gruppe verpflichtet ist, deren Mitglieder in der Kammer zusammengefasst sind. Jede Beschränkung der finanziellen Mittel würde die Unabhängigkeit der AK einschränken, die Erfüllung ihrer Aufgaben erschweren und die Durchsetzungskraft der Arbeitnehmervertretung gegenüber der Unternehmervertretung und dem Staat schwächen.2)

    Die Beobachtung der Repräsentanten

    Es gibt Hobbyornithologen, deren Leidenschaft das Beobachten von Vögeln ist, das »Birdwatching«. Andere beobachten die Sterne oder generell die Natur. Wir aber, die wir für die Interessen der Lohnabhängigen eintreten, wir beobachten unsere Parlamentarier und ihr Abstimmungsverhalten. Dazu hat der ÖGB Fragen vorgelegt:

    Werden Sie für die Einschränkung der Mitversicherung stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Besteuerung der Unfallrenten stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Kürzung der Familienzuschläge stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Krankenversicherungspflicht von Zusatzpensionen stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Wartezeiten in der Arbeitslosenversicherung bei einvernehmlicher Lösung und Fristablauf stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Einführung von Studiengebühren stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für die Senkung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für Eingriffe in die Kollektivverträge der Sozialversicherungsträger stimmen? Wenn ja, warum?

    Werden Sie für Verschlechterungen beim Insolvenzausfallsgeld für Arbeitnehmer stimmen? Wenn ja, warum?

    Die Beobachtung unserer Volksvertreter ist aber nicht nur ein »Hobby«, sondern zur Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch zur Belebung unsere Demokratie unerlässlich. Wissen Sie, wie die Abgeordneten ihres Wahlkreises abgestimmt haben?

    1) »Mythos Nulldefizit - Alternativen zum Sparkurs«. Preis S 120, Bestellung unter »http://www.beigewum.at« oder BEIGEWUM, Postfach 162, A-1015 Wien

    2) Diese Angaben stammen aus der Lehrbriefserie »Gewerkschaftskunde«, und zwar aus dem von Brigitte Pellar verfassten Lehrbrief »Die Kammern für Arbeiter und Angestellte« (GK 7), erhältlich über das ÖGB-Referat für Bildung, Freizeit und Kultur, 1011 Wien, Hohenstaufengasse 10, Telefon 01/534 44/444 DW

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    Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Nov 2000 00:00:00 +0100 1200959073614 Hinterfragen, diskutieren, kritisieren! Dieser Text steht klein gedruckt auf der gegenüberliegenden (linken) Seite (2 dieses Heftes) ganz unten im Impressum. Der Grund, warum ich ihn (wieder einmal) hier wiederhole, sind unsere Beiträge und die Missverständnisse, die sich manchmal daraus bei unseren Lesern ergeben. Wenn wir hier eine Resolution des ÖGB-Bundesvorstands wiedergeben, so können Sie versichert sein, dass der Text in diesem Gremium so beschlossen wurde. Er ist sozusagen offiziell oder, wenn man so will, »amtlich«. Andere Beiträge, und besonders Kommentare oder Diskussionsbeiträge, geben Meinungen wieder, die in der Person des Autors begründet sind. Diese Meinungen sollten kritisch überprüft, hinterfragt oder gegebenenfalls auch widerlegt oder zumindest diskutiert werden.

    Da ist zum Beispiel der Beitrag von Ferdinand Karlhofer »Ende der Parität? - Überlegungen zu einem veränderten Handlungsrahmen der Gewerkschaften« (Seite 36). Der Politikwissenschaftler konstatiert für die Verbändevertreter im Parlament einen »Rollenkonflikt zwischen Parteiräson und Verbändeinteressen«, spricht einem »Abschied von der Fraktionierung« im ÖGB das Wort und stellt fest, dass als einziger (der Verbändechefs) noch der ÖGB-Präsident im Parlament vertreten sei.

    Wie schlüssig diese Argumentation ist, kann jeder kritisch denkende Leser selbst entscheiden. Ich persönlich glaube, im Parlament sitzen nur Interessenvertreter, doch wessen Interessen sie wie oder auf welche Weise vertreten, davon kann auch jeder sich selbst ein Bild machen (z. B., wenn er bei den »Links« in der ÖGB-Homepage »Parlament« anklickt und dort die Protokolle liest oder einfacher auf der ÖGB-Homepage den »Klickcheck« macht: Nachsehen!). Aber auch für jene (altmodischen?) Menschen, denen das Internet nicht zugänglich ist, hat der ÖGB Informationen über das Abstimmungsverhalten der jeweiligen Abgeordneten in ihren Wahlbezirken veröffentlicht (manchen Volksvertretern war das gar nicht recht ...). Leopold Maderthaner sitzt zwar im Parlament, ist aber - wegen irgendwelcher Finanzgeschichten - als Wirtschaftskammerpräsident zurückgetreten. Sein Nachfolger Christoph Leitl kann nicht ins Parlament, weil er auf keiner Liste war ... Landwirtschaftskammerpräsident Schwarzböck hat sich zwar aus persönlichen Gründen aus dem Parlament zurückgezogen, in seiner Abschiedsrede aber ausdrücklich betont, wie wichtig es ist, dass Sozialpartner im Parlament sitzen.

    Man könnte hier noch viele Argumente bringen, aber ich will der Leserdiskussion nicht vorgreifen ...

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    Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959073563 Integration: Mehr als ein Schlagwort Es ist keine unbeschwerte Touristentour, mit Multikultitrubel oder gönnerhafter Freundlichkeit dem Fremden gegenüber. Konkretes leistet hier das »Unterstützungskomitee zur Integration von AusländerInnen« (UKI). »Die Landessprache und arbeiten können«, lautet das Motto des Vereins, »sind Grundvoraussetzungen für das Zusammenleben.«

    Kluge Freunde hegen Grenzen, um sich nicht selbst aufzugeben, sagt der deutsche Politikwissenschafter Ulrich von Alemann. Grenzen müssen sein, zur Einfriedung von Identitäten und dem Entstehen eines Wir-Gefühls. Hier hat die Wirklichkeit die dumpfe Politik künstlicher Ein- und Ausgrenzung lange schon eingeholt. Bekanntlich sind auch die Menschen mobil geworden, nicht nur Waren und Dienstleistungen. Kinder aus zwei oder noch mehr Kulturen, die auch Wiener Dialekt sprechen, sind keine Seltenheit mehr. Da gibt es die Herzeigbaren, die Globalisierungsgewinner, die Arabella Kiesbauers zum Beispiel, die Gebildeten, die mit dem Scooter die Strecke von der U1 zur UNO-City flitzen, die Reichen, die ohnehin überall willkommen sind.

    Die anderen Fremden: Sie sind nicht unbedingt das Gegenteil der Schönen und Klugen, sondern entsprechen eher der Realität. Es sind Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit verschlungenen Biographien, die nicht immer einfach und oft tragisch waren, mit der Gemeinsamkeit, nun in Österreich zu leben. Der gemeinnützige Verein UKI, »Unterstützungskomitee zur Integration von AusländerInnen« in der Wiener Felbigerstraße, leistet hier einen wichtigen Beitrag zur sozialen Integration von Zuwanderern. Deutschkurse und Berufsorientierung sind die beiden Schwerpunkte. Für Jugendliche gibt es zudem die Möglichkeit, ihre Hauptschulabschlussprüfung nachzuholen.

    Damoklesschwert Finanzierung

    Das breite Angebot, darunter auch die berufliche Orientierung und Deutsch für behinderte Migranten, wird auf einem etwas komplizierten Subventionsweg finanziert, der die Mitarbeiter alljährlich vor neue Probleme stellt (siehe Kasten). Der Leiter des Unterstützungskomitees, Nasser Alizadeh: »Wir wissen nie, ob wir im kommenden Jahr noch existieren. Jedes Jahr sage ich dem Vermieter unserer Räumlichkeiten, dass wir nur um ein weiteres den Vertrag verlängern.«

    Auch für die Kursleiter ist die Arbeit im Verein nicht leicht, was ihr Engagement keineswegs schmälert. Was es heißt, in einer so genannten NPO, Non-Profit-Organisation, tätig zu sein, weiß Judith Nana-Schönherr, die den Berufsorientierungskurs für behinderte Migranten leitet. Obwohl die Nachfrage das Angebot übersteigt, ist sie nie sicher, ob und wann ein Kurs stattfindet. Wie auch ihre Kollegen legt Nana-Schönherr daher »öfter eine Zwangspause« ein, in der sie selbst auf die Arbeitslose zurückgreifen muss.

    Durch budgetäre Einsparungen wird künstliche Konkurrenz zu anderen Organisationen geschaffen, die ebenfalls Deutschkurse anbieten. Wo politische Richtlinien fehlen, helfen gute Verbindungen. Eine Mitarbeiterin: »Persönliche Kontakte können es ermöglichen, einen Kurs auf die Beine zu stellen. Andererseits: Wenn die Chemie nicht stimmt, ist oft einer ganzen Institution der Weg versperrt. Und eigentlich sollte man nicht bitten und betteln müssen, um Arbeitnehmer beruflich zu orientieren und Sprachkenntnisse zu vermitteln.«

    Angst

    »Deutsch ist der Schlüssel zur Integration«, meint Susanne Empacher, die sowohl die Kursteilnehmer als auch die Öffentlichkeitsarbeit betreut. UKI-Leiter Nasser Alizadeh lebt seit 30 Jahren hier, spricht Deutsch und Wiener Dialekt, wenn es sein muss. »Vor dem Fremden haben die Österreicher Angst. Wenn ich Dialekt spreche, akzeptieren mich die Leute besser. Sie haben das Gefühl, das ist einer von uns, der versteht mich, die Angst geht weg.« Ein Umgang ohne gemeinsame Sprache schafft Angst und Missverständnisse auf beiden Seiten. Viele Kursteilnehmer fürchten die Vorstellungsgespräche bei künftigen Arbeitgebern, weil sie nicht genügend Deutsch können.

    Nana-Schönherr: »Es ist nicht immer gleich Rassismus, wenn Firmen keine Ausländer nehmen. Oft haben Arbeitgeber schlechte Erfahrungen gemacht, weil die Leute sprachlich so schwach sind. Sie selbst einzuschulen wäre eine kostspielige Sache.« In vielen Branchen sind Sprachkenntnisse unwichtig. Küchenhilfen brauchen nicht zu sprechen beim Karottenschneiden. So manch einer, der jahrelang als »integrierter« Arbeiter lebt, taucht etwa bei Schließung der Firma plötzlich an die Oberfläche. So wie Hassan, der 24 Jahre ausschließlich mit Landsleuten am Bau beschäftigt war.

    Gabi Gfader, die im Auftrag des »Arbeitsmarktservice NÖ« die Deutsch- und EDV-Kurse für Teilnehmer von Korneuburg bis Melk abhält: »Plötzlich hat sich herausgestellt, dass der überhaupt kein Wort Deutsch konnte.« Obwohl fehlende Sprachkenntnisse die größte Hürde bei der Integration sind, sind die Kurse nicht immer voll ausgelastet. Denn für eine Teilnahme ist die Zuweisung vom Arbeitsmarkt oder der Status als Konventionsflüchtling nötig.

    »Dulden« und »mögen«

    Dem Unterstützungskomitee geht es nicht allein darum, den Teilnehmern die Nennform auszutreiben, »ich kommen morgen und machen« oder Küchenhilfen zu vermitteln. Mit anderen Organisationen, die zwar bei den Subventionsvergaben Konkurrenten, aber sonst Mitstreiter sind, wird reger Austausch gepflegt. Die Diskussion um Integration, etwa bei der Integrationskonferenz, die im Mai in Wien stattfand, ist keine rhetorische Fragestellung, keine Trockenübung in Diskursen, sondern muss immer neu an die freie Bewegung der Menschen angepasst werden. Wie sind Widersprüche zu versöhnen: hier gesellschaftliche Integration, da kulturelle Verschiedenartigkeit? Wie viel Differenz erträgt eine Gesellschaft? Vielfalt würde eigentlich weniger Toleranz brauchen (ein Wort, das bekanntlich »dulden« heißt und nicht »mögen«), sondern eher, Konflikte offen zu benennen. Wie kommt auch einer dazu, dass ihm jemand verbal auf die Schulter klopft, nur weil er nicht im selben Land geboren ist?

    Geheime Ängste vor Unbekannten sind auch nicht gleich rassistisch: Vielleicht stehe ich vor einem besonders krassen Exemplar, einem jener Importeure balkanischer Macho-Kultur, der seine Frau daheim einsperrt, während er seinen Raki im Beisl kippt. Vielleicht ist die Frau, die da im Kursraum von einem Wort zum anderen über die mühsamen Hürden deutscher Sätze springt, eine jener »Duckmäuse«, die uns im Kampf um Gleichberechtigung um Lichtjahre zurückwirft?

    Die Frage der Toleranz stellt sich neu, wie vor allem die Diskussionen im religiösen Bereich zeigen, die die Einwanderungsländer der Europäischen Union seit langem führen.

    Um Lichtjahre in einer erhellenden Diskussion um Toleranz und Integration wirft uns dumpfe Panikmache zurück. Wie kommt eine Gesellschaft etwa dazu, dass jeder Schwarze durch infame Kampagnen der FPÖ (die auch in der bürgerlichen Presse als Werbeeinschaltung veröffentlicht wurden), als potentieller Drogenhändler betrachtet werden könnte?

    Kluge Freunde hegen Grenzen, um sich nicht aufzugeben. Grenzziehungen können auch neurotisch werden und eine lebendige Kultur der Abgrenzung, die auf Kommunikation beruht, verhindern. »Die soziale Integration ohne die politische ist eine karitative Maßnahme«, meint Nasser Alizadeh. »Wie alle Menschen wollen auch Einwanderer die Zukunft mitgestalten. Viele haben am Aufbau dieses Landes mitgearbeitet und werden nun als Schmarotzer dargestellt. Österreich ist das einzige Land in der Europäischen Union, wo das passive Wahlrecht auf Kommunalebene nicht üblich ist. Es fehlt auch an Information, wie viel Österreich von den Einwohnern profitiert.«

    Demokratische Weiterbildung

    Integration bedeutet für den Verein UKI auch, den jungen Menschen eine Chance zu geben. Jugendliche zwischen 15 und 19, Österreicher mit Lernschwierigkeiten, Kinder der zweiten Generation oder Neuankömmlinge können ihren fehlenden Hauptschulabschluss nachholen. In zehn Monaten werden sie in den Hauptgegenständen blockweise unterrichtet und zwei Monate nachbetreut. Firmen werden kontaktiert, wo die Jugendlichen, betreut von Sozialarbeiter Michael Hoffmann, 27, schnuppern können, was sie »überhaupt wollen«.

    Was passiert, wenn junge Serben, Kosovoalbaner, Chinesen, Österreicher und Tunesier zusammen in einem Raum sind? Nichts, es hat tadellos funktioniert. Michael Hoffmann: »Auf der Schiene Mensch zu Mensch. Jede einzelne Gruppe ist schon ein Beispiel für gelungene Integration. In der Vorbereitungsphase ist ein Therapeut präsent: Nicht die Nationalitäten sind das Problem, sondern die erlebte Geschichte: Kriegstraumata, familiäre Probleme, Drogen und Gewalt. Denn wer den Hauptschulabschluss nicht schafft, hat meist eine krisengeschüttelte Vorgeschichte.«

    Integration ist für Sozialarbeiter Hoffmann auch demokratische Weiterbildung. Einige Jugendliche in den Kursen dürfen bereits wählen. Nach den vergangenen Wahlen verspürten die Betreuer Angst unter den Jugendlichen, »aus Österreich raus zu müssen. Eine Angst, die nicht von allein entsteht. Es ist schwer für viele, hier eine Heimat zu finden. Da hilft selbst die Staatsbürgerschaft nichts, sie allein ist noch kein Zeichen für Integration«.

    Die Nachfrage nach dem Vorbereitungskurs für den Hauptschulabschluss ist größer als das Angebot: Aus 80 Bewerbungen können nur etwa 20 Jugendliche aufgenommen werden. Die Voraussetzungen zur Teilnahme sind genügend Deutschkenntnisse, um den Unterricht zu verstehen, und die finanzielle Situation. Hoffmann: »Wer es sich leisten kann, wird anderswohin geschickt.«

    Im Kellergeschoss der Volkshochschule Rudolfsheim, wo das UKI einen Kursraum angemietet hat, sitzt eine Gruppe Jugendlicher. Christian, mit Gel-Igelhaarfrisur, ist der Einzige hier geborene Österreicher. Die Gruppe erinnert an die Prognosen, die Soziologen ausführlich in den Feuilletons westeuropäischer Zeitungen beschreiben: An die kommende Ära multipler Identitäten und mobiler Menschen. Piz, der mollige Tunesier, der sich gegen Fragen mit seinem Walkman schützt, Milan, der Fesche, mit der Frisur eines Pulli-Models auf H&M-Plakaten, Zia Wong, die zierliche Chinesin, die ihre Geschichten mit deftigen Dialektwörtern unterlegt.

    Ferrari?

    Bestimmte Fragen dürften die Kids bereits ziemlich nerven. Milan, der Spaßvogel, zeigt, was er von der ewigen Leier von verständnisvoll-mitfühlenden Fragen hält. Wie es damals gewesen sei, als er nach Österreich gekommen ist? »Also«, sagt Milan, »es war so: schon die alten Ägypter ...«

    Was er werden will? »Drogenhändler«, sagt er und lacht. »Nein, Spaß: Einfach Geld verdienen, irgendetwas, wo man sich nicht schmutzig macht. Ein Auto haben. Einen Ferrari, einen neuen.«

    Das ist sein Traum, sagt Ermine aus der Türkei. Sie sieht aus, wie eben viele Österreicher heute ausschauen: türkisch. In der Begegnung mit den »anderen« Österreichern schwingt oft die unausgesprochene Frage mit, wie das ist, mit der »Zerissenheit der Seelen zwischen zwei Kulturen«. Ermine braucht man diese Frage gar nicht erst zu stellen. »Meine Eltern sind auch Meles, eine Mischung. Sie kommen aus zwei verschiedenen Städten in der Türkei. Da sind die Unterschiede genauso groß.«

    Dusan, 16, hat seine blaue Kappe tief ins Gesicht gezogen. Bisweilen quetscht er unter dem Kappenschirm hervor eine Bemerkung auf Serbisch in Richtung Milans Ohr, der dann breit und offen grinst. »Für mich«, sagt Dusan, »Österreicher und Ausländer sind alle gleich. Besch...« Dusan spricht ein wenig, als würde er boxen: Der erste Satz ist wie ein patziger Schlag in Richtung Zuhörer, mit dem nächsten schwächt er die Wirkung ab. »Ich bin ein Mensch, der nicht arbeiten will.« Dusans Eltern leben seit 25 Jahren hier, er selbst musste noch nie arbeiten. »Mein Vater hat gesagt, das ist nicht nötig. Er kommt von der Baustelle am Abend, mit kaputtem Rücken und kaputten Knien.«

    Grüne Grenze

    Zia Wong, 19, hat in China die Mittelschule gemacht. »Hier muss ich Einzelhandelskauffrau werden. Ein blöder Job. Aber soll ich noch weiter lernen? Dann bin ich 40 und eine alte Frau.« Bei ihrer Ankunft in Österreich war sie »gleich in die Hauptschule gekommen. Das Deutsch war ein Problem«. Jetzt ist es keines mehr, und Zia erzählt ihre Geschichte wie einen Film, den sie vor kurzem gesehen hat. »Meine Mutter war fleißig, die hatte drei Jobs und viel Geld. Aber der Vater hat nichts gemacht, der ist immer nur im Bett gelegen. Eine Scheidung dauert in China sechs Jahre, meine Mutter war schon 37, als sie nach Österreich ging.«

    Zia Wong, die Zierliche, wirkt diszipliniert, fast ein wenig hart. Was hält sie eigentlich von den Österreichern, die hier geboren sind? »Urpenner«, meint sie, »so viele sind besoffen in der U-Bahn. So viele Arbeitslose, die wollen gar nicht arbeiten.«»Die können nicht«, meint Ermine.

    »Politiker sind alle Abzocker«, schießt es unter Dusans Kappe hervor. Wen er wählen würde? »SPÖ, weil die haben nie etwas gegen Ausländer gesagt. Die Grünen können nicht viel machen, die haben zu wenig Stimmen.« Dusan liest keine Zeitung, denn Politik interessiert ihn nicht. Eine vage Meinung hat er trotzdem: »Haider wird nie Bundeskanzler.«

    Die Kosovarin Gjeljane, 19, hört nur zu. Ihr Deutsch ist noch nicht sehr gut. Der Vater ist vor einem Jahr gestorben, die Mutter lebt im Kosovo. Sie blickt mit ihren großen Augen aufmerksam und traurig zugleich in die Runde. »Sie ist über die grüne Grenze gekommen«, erklärt Ermine für sie. Grenzen sind das Ende einer Sache, die hier aufhört. Aber dahinter beginnt immer das Unbekannte neu.

    Kursangebot des Vereins UKI in Wien

    • Vorbereitungslehrgang für den Hauptschulabschluss für Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren. Gefördert vom Bundesministerium für Unterricht und Kunst.
    • Berufsorganisationskurse für Migranten aus Niederösterreich, Schwerpunkte Deutsch und EDV, gefördert vom AMS/NÖ.
    • Deutschkurse im Rahmen der Sprachoffensive im Auftrag des Wiener Integrationsfonds.
    • Berufsorganisation, Deutsch und EDV für behinderte, erwerbslose Zuwanderer und anerkannte Konventionsflüchtlinge. Gefördert vom Bundessozialamt und dem Europäischen Sozialfonds. Voraussetzung: Ein Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent bei Arbeitslosen. Bei Konventionsflüchtlingen sind bloß 30 Prozent für die Teilnahme erforderlich.
    • In Vorbereitung: Kurse für sprachbehinderte und gehörlose Migranten.

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    Gabriele Müller (freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959073533 Die Europäische Zentralbank in der Euro-Falle? Was die Situation - nicht nur - für die Europäische Zentralbank (EZB) zurzeit allerdings tatsächlich etwas schwieriger macht, ist der gleichzeitige Anstieg von Dollar und Ölpreis. Trotzdem sollte die EZB, die Hüterin des europäischen Geldes, eher gelassen bleiben. Weitere Zinserhöhungen in der Absicht, den Wechselkurs des Euro zu stützen, würden mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr Schaden anrichten, als sie Nutzen stiften könnten.

    Instabile Wechselkurse prägten die neunziger Jahre

    Zwei große europäische Währungskrisen und der schwache Dollar haben in Europa in der ersten Hälfte der neunziger Jahre zur Wachstumsschwäche beigetragen. 1992 mussten die italienische Lira und das britische Pfund aus dem Wechselkursmechanismus des Europäischen Währungssystems genommen werden. Die Lira wertete in wenigen Monaten um rund 30 Prozent ab. Für die traditionellen Hartwährungsländer und insbesondere für Österreichs Exporteure führte dies zu Marktanteilsverlusten und einem Konjunktureinbruch - unsere Exporte nach Italien, unserem zweitwichtigsten Handelspartner, waren faktisch über Nacht um 30 Prozent teurer geworden; zusätzlich hat uns noch die gleichzeitige Abwertung in Skandinavien getroffen -, der österreichische Außenhandel geriet so in eine Art Zangengriff. Nur drei Jahre später, 1995, bot sich innerhalb Europas ein ähnliches Bild, nur dass sich diesmal der schwache Dollar hinzugesellte, der den Außenhandel ganz Europas unter Druck brachte. Für die USA freilich war der schwache Dollar eine willkommene Stütze, um nicht zu sagen eine Säule des langen Aufschwungs, der zu dieser Zeit noch nicht fest genug für einen starken Dollar war.

    Die Währungsturbulenzen hatten in Europa zu steigender Unsicherheit und sinkenden Investitionen geführt. Zudem verlagerten sich die Investitionen eben aufgrund der Unsicherheit immer stärker weg von Sachkapital hin zu Finanzkapital.

    Genau das waren auch die Hauptmotive für die Einführung des Euro. Der Handel innerhalb Europas sollte nicht mehr durch häufige Ab- und Aufwertungen der Wechselkurse zwischen wichtigen Handelspartnern gestört werden. Dies sollte die Integration innerhalb Europas vorantreiben, und Investitionen sollten durch bessere Planbarkeit gestärkt werden. Bei aller Kritik, die mit der Vorgangsweise verbunden war - etwa das Hinterherhinken der Integration bei anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik, aber vor allem im Bereich der Sozialpolitik - muss man eingestehen, dass sich in diesem Bereich die Erwartungen zum größten Teil bereits erfüllt haben. Heute braucht sich kein Exporteur mehr über den Lirakurs den Kopf zu zerbrechen.

    Der Dollar ist der neue Wechselkurs, »auf den man schaut«. Vielleicht hat der Wechselkurs des Dollar auch deshalb so rasch Platz in den wirtschaftspolitischen Überlegungen und Diskussionen gefunden, obwohl der Außenhandel Europas nur etwa zehn Prozent beträgt. Diesen Wert erreichen auch die USA, für die der Wechselkurs des Dollar aber eine weit geringere Bedeutung in der wirtschaftspolitischen Diskussion hat. Über die letzten dreißig Jahre hinweg betrachtet vollführte der Dollar nämlich unter weit geringerem »euro-öffentlichem« Interesse viel größere Sprünge als in den letzten beiden Jahren.

    Entwicklung des Dollars

    Betrachtet man die Entwicklung des Euro seit seiner Einführung (Abbil-dung 1), kann es einem tatsächlich passieren, dass man in das Lamento über den Euro einstimmt. Verlässt man allerdings den Rahmen des Kurzzeitgedächtnisses, so zeigt sich, dass die gegenwärtige Kursentwicklung keineswegs einzigartig ist und der Dollar von seinen historischen Höchstständen doch ein gutes Stück entfernt ist. Verglichen mit den Sprüngen, die der US-Dollar gegenüber dem Schilling vollführt hat, ist der jetzige Anstieg noch relativ moderat (Abbildung 2). So schwankte er allein in den letzten zwanzig Jahren zwischen rund 21 Schilling (1985) und 10 Schilling (1995) oder davor zwischen 26 Schilling (1971) und 13 Schilling (1980). Der »Einstieg« in den Euro erfolgte also zu einer Zeit, als der Dollar dem unteren Ende seiner Schwankungsbreite näher war.

    Stille Freude für die Exporteure...

    Es liegt vermutlich in der Natur des Menschen, dass man über die Vorteile, die man aus einer Situation ziehen kann, weniger laut spricht als über die Nachteile, die man durch sie erleidet. Wie stark die Erfolge im Export (auch) vom Wechselkurs abhängen, zeigt die Abbildung 3: Hier wird der Marktanteilsgewinn der österreichischen Exportwirtschaft mit jenem der amerikanischen Exportwirtschaft verglichen: Liegt der Balken über der Nulllinie, konnte Österreich seinen Marktanteilen entsprechend besser am Weltmarkt reüssieren als die USA (A-USA). Legt man den Wechselkurs (ATS/USD) darüber, so zeigt sich, wie sehr die USA vom schwachen Dollar profitiert haben und wie sehr Österreich vom starken Dollar.

    ...und lautes Jammern über den Importpreisanstieg

    Die Kehrseite der Medaille zeigt sich natürlich bei der Verteuerung von Importen. Was die gegenwärtige Dollarstärke erst »richtig« spürbar macht, ist freilich die Kombination mit dem enorm gestiegenen Rohölpreis. Nach wie vor ist für das Rohöl der Dollar die Handelswährung und so spürt Europa den Ölpreis eben jetzt noch stärker als die USA (siehe Abbildung 4). Aber ebenso wie es davon abhängt, ob man in der Exportwirtschaft seinen Arbeitsplatz hat oder ob man einen Florida-Urlaub gebucht hat, ist das derzeitige Dollar-Niveau des einen Freud und des anderen Leid. Wenn aber die gestiegenen Energiepreise nicht nachhaltig auf die Inflation durchschlagen, was voraussetzt, dass der Ölpreis nicht viel weiter steigt, ist in Summe aufgrund der Wachstumsimpulse über die Exporte mit einem positiven Saldo aus dem starken Dollar zu rechnen.

    Leistungsbilanz

    Volkswirtschaftliche Daten, die den Wechselkurs bestimmen

    Eine Größe, die Währungsexperten und Händler »normalerweise« in ihre Analysen einbeziehen, ist die Leistungsbilanz. Dabei geht man davon aus, dass ein Land, das ein hohes Leistungsbilanzdefizit aufweist, unter Abwertungsdruck kommen sollte, weil seine Importe zu billig und seine Exporte zu teuer sind. Der Wechselkurs einer Währung sollte dann so lange fallen, bis die Exporte so billig sind und die Importe so teuer sind, dass die Leistungsbilanz wieder ausgeglichen wird. Zurzeit scheint aber das hohe Leistungsbilanzdefizit von den Devisenmärkten ignoriert zu werden, denn den hohen Defiziten in der Leistungsbilanz der USA und der leicht positiven Leistungsbilanz von Europa zum Trotz ist der Dollar munter weiter gestiegen (siehe Tabelle 1).

    Eine weitere wichtige Messgröße für die Entwicklung einer Währung stellt die Inflation dar - beziehungsweise die Differenz zwischen den Inflationsraten zwischen zwei Währungen. Dort wo die Inflation höher ist, müsste zum Ausgleich der Wechselkurs sinken. Von diesen Größen blieb der Dollarkurs ebenso unbeeindruckt wie von den Leistungsbilanzsalden (Tabelle 1).

    Im Wirtschaftswachstum schließlich steckt die »Ertragskraft« einer Volkswirtschaft. Höhere Wachstumsraten in den USA scheinen daher am meisten zur gegenwärtigen Stärke des Dollars beigetragen zu haben (Tabelle 1). Dabei war es vor allem das beinahe ständige Übertreffen der Prognosen in den USA, also das Eintreffen neuer Informationen, das dem Dollar Auftrieb verlieh, und immer wenn es Unsicherheiten darüber gab, ob die Konjunktur in Europa tatsächlich hält, was sie verspricht, oder wenn es Unsicherheiten über den weiteren Fortschritt bei der europäischen Integration gab, kam der Euro unter Druck.

    Demgegenüber waren die Zinserhöhungen der EZB eher wirkungslos oder sogar kontraproduktiv, und zwar insofern, als sie zur Unsicherheit über die Stabilität der Konjunktur in Europa beigetragen haben (Abbildung 1).

    Fixe Wechselkurse für den Euro?

    Angesichts der schwachen Wechselkursentwicklung wurden Stimmen laut, die forderten, den Euro an den erfolgreichen Dollar zu binden und so die Erfolgsstory zu »importieren«.

    Zum rechtlichen Rahmen für die EZB: Artikel 2 der Statuten des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) beschreibt die Ziele und Aufgaben des ESZB: »...vorrangiges Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft.«

    Wechselkursziele sind also keine festgehalten, es geht vor allem um die »innere« Stabilität des Euro, also die Erhaltung der Kaufkraft durch niedrige Inflationsraten. Nicht zuletzt würde aber eine Bindung des Euro an eine Drittstaatenwährung die Unabhängigkeit der europäischen Geldpolitik aushebeln.

    Allerdings kann der Europäische Rat (die Regierungschefs) ein Wechselkursregime für den Euro beschließen. In der gegenwärtigen Situation - und auch in der Zukunft, wenn nicht die Konjunkturbilder der USA und Europas zufällig zusammenpassen - wäre dies allerdings äußerst problematisch, weil die EZB im Falle eines Abwertungsdrucks mit prohibitiv hohen Zinsen das Wechselkursziel verteidigen müsste oder im Falle eines Aufwertungsdrucks über niedrigere Zinsen oder stabilisierende Interventionen Inflation in Europa zulassen müsste. Die USA und Europa bilden beide große, relativ geschlossene Volkswirtschaften. Wenn der Außenhandel aber nur 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht, ist auch der Einfluss auf die gesamte Tätigkeit und das gesamte Preisniveau einer Wirtschaft relativ gering. In einer solchen Situation den Wechselkurs zur zentralen wirtschaftspolitischen Größe werden zu lassen hieße, den Schwanz mit dem Hund wedeln zu lassen. In den USA ist dieses Bewusstsein jedoch historisch bedingt viel stärker ausgeprägt als in Europa, wo Ökonomen, Wirtschaftspolitiker, Wirtschaftsjournalisten und nicht zuletzt auch Konsumenten über Jahrzehnte gelernt haben, in Modellen kleiner, offener Volkswirtschaften zu denken, in denen Wechselkursschwankungen viel stärker durchschlagen.

    Zur Politik der Europäischen Zentralbank (EZB)

    Die EZB hat ihre »Karriere« mit einer eher laut gehaltenen Ankündigung einer »konsequenten« (um nicht zu sagen: dogmatischen) Verfolgung ihrer Ziele begonnen. Anstatt sich, wie es die für die Glaubwürdigkeit wichtige Transparenz erfordert hätte, auf eine möglichst breite Erläuterung ihrer Sichtweise wirtschafts- und geldpolitischer Zusammenhänge unter Einbeziehung der wichtigsten wirtschaftspolitischen Akteure zu konzentrieren, hat sie sich von Anfang an weitestgehend darauf beschränkt, einige wenige statische Größen zu verlautbaren und aus ihrer Sicht zu kommentieren.

    Zum Geldmengenziel:

    In der Verfolgung eines Geldmengenziels kommt die monetaristische Überzeugung zum Ausdruck, dass Geldpolitik keine realwirtschaftlichen Effekte hat, also nichts zum Wirtschaftswachstum beitragen kann. Inflation wird hier als ein Phänomen angesehen, das im Wesentlichen vom Geldmengenwachstum geprägt ist. Es gäbe demnach keinen Zusammenhang zwischen Geldkreislauf und dem realen Wirtschaftskreislauf.

    Nach einem kurzen monetaristischen Experiment in den achtziger Jahren hat die Federal Reserve Bank (die Notenbank der USA) das Geldmengenziel völlig aufgegeben. Die deutsche Bundesbank argumentierte in der Öffentlichkeit zwar bis zuletzt mit der Geldmenge, folgte aber im Wesentlichen einem pragmatischeren Weg, der von den Finanzmärkten und den Tarifpartnern als ausreichend glaubwürdig aufgenommen wurde. Für die restriktive Politik Mitte der neunziger Jahre ist daher weniger eine Geldmengendogmatik ausschlaggebend gewesen, sondern Spannungen innerhalb des Europäischen Währungssystems sowie Konflikte in Deutschland über den Weg der deutschen Wiedervereinigung, welche die deutsche Bundesbank zu Lasten des europäischen Wachstums für sich entschieden hat.

    Geldmengenziele gelten also an sich wie gesagt als überholt. Noch problematischer wird ein Geldmengenziel in Zeiten, in denen sich Spielregeln und Gewohnheiten in der Wirtschaft ändern, so wie dies im Falle der Einführung des Euro der Fall ist. Hinzu kommt, dass mit steigender internationaler Bedeutung eine Währung ein Geldmengenziel noch mehr obsolet wird, weil im Ausland gehaltene (Parallelwährungs-) Dollar oder -DM/Euro sich völlig der Kontrolle der Zentralbanken entziehen. Die europäische Wirtschaft ist zudem von großen Integrationsschritten, Strukturwandel und von der für die Wirtschaft bereits zum Teil erfolgten Erweiterung der Union geprägt. Ganz zu schweigen von der Umstellung des Finanzsystems auf den Euro. Die Konzentration auf ein Geldmengenziel kann also nicht Bestandteil einer konsistenten Geldpolitik sein, die sich nicht der Gefahr aussetzen will, Entscheidungen zu treffen, die auf falschen Grundlagen basieren. Dass die EZB dennoch in der Öffentlichkeit das Geldmengenziel hervorhebt, kann ihrer Glaubwürdigkeit nicht zuträglich sein.

    Zum Inflationsziel von 0 bis 2 Prozent:

    Betrachtet man die statischen Messmethoden und ihre Ungenauigkeiten, spricht gegen ein Inflationsziel, das so wenig von null verschieden ist, dass man leicht in die Gefahr kommt, dass bei einer Inflationsrate nahe null eigentlich nicht mehr Preisstabilität vorliegt, sondern bereits ein sinkendes Preisniveau. Bei der Messung der Inflation sind zum Beispiel Qualitätsverbesserungen nicht ausreichend berücksichtigt, Rabatte, Preise bei Schlussverkäufen und in Outlet-Filialen werden nicht mit erhoben, der Warenkorb ändert sich. Dies führt dazu, dass die gemessene Inflation höher liegen kann als die tatsächliche. In den USA versucht man dies durch ständige Korrekturen des Verbraucherpreisindex zu verbessern, was aber seinerseits wieder viele Fragen aufwirft. Jedenfalls muss man davon ausgehen, dass das Risiko besteht, eine andere als die tatsächliche Inflationsrate abzubilden. Entscheidungen könnten so auf falschen Grundlagen basieren.

    Dadurch und durch den Umstand, dass die EZB keine Inflationsprognose abgibt, erhöht sie die Unsicherheit über ihre künftige Politik. So weit dies aus den bisherigen Veröffentlichungen hervorgeht, hat sich die EZB nicht klar genug dazu geäußert, wie sie mit importierter Inflation umgeht. Die jetzige Inflationsrate ist angesichts der enormen Steigerung der Ölpreise in heimischer Währung eigentlich erstaunlich gering. Das heißt, innerhalb der EU herrscht weit gehend Preisdisziplin - nicht zuletzt aufgrund der unternommenen Liberalisierungsschritte auf den hiefür relevanten Gütermärkten. Die Bekämpfung der importierten Inflation könnte nur zu Lasten des Wachstums in der EU erfolgen.

    Wenn das Preisniveau einmal zu fallen beginnt (»Deflation«), so zeigt das Beispiel Japan, wie schwer es ist, wieder auf einen Wachstumspfad zu kommen. Trotz einer jahrelangen Nullzinspolitik und einer äußerst aktiven Fiskalpolitik - in 6 Jahren ist die öffentliche Verschuldung von rund 60 auf rund 120 Prozent und damit auf einen doppelt so hohen Wert wie jene Österreichs gestiegen - kommt die japanische Konjunktur nicht wirklich auf Trab.

    Die Kunst des bedeutungsvollen Nuschelns...

    Alan Greenspan, der Gouverneur der Federal Reserve Bank, hat es mit einer pragmatischen und umsichtigen Politik geschafft, wirksam Vorgaben zu geben. Die öffentlichen Reden, insbesondere vor dem Ausschuss des Repräsentantenhauses, beschränken sich da-bei keineswegs auf die Bekanntgabe einiger weniger statistischer Daten und deren Erläuterung, sondern beinhalten umfassende Erklärungen der Einschätzung der Lage der Wirtschaft, und wie die Geldpolitik darauf zu reagieren gedenkt. In Anspielung auf seine verhaltene Art zu sprechen und aufgrund der Art, wie er die Überlegungen in seine Aussagen zur Sicht der Zukunft verpackte, entstand der Ausdruck »die Kunst des bedeutungsvollen Nuschelns«.

    ...und mangelnde Transparenz der EZB

    Während es die amerikanische Notenbank also versteht, erwartungsbildend auf die Finanzmärkte einzuwirken, erweckt die EZB eher den gegenteiligen Eindruck, dass sie den Erwartungen, die auf den Finanzmärkten gebildet werden, hinterher läuft. Damit gerät die EZB zunehmend in Widerspruch zu ihren dogmatischen Signalen, die sie ohne ausreichend aufbereitende Begleitkommunikation bezüglich der Bedeutung und Gewichtung der Zielgrößen zu Beginn ihrer Tätigkeit ausgesandt hat. Das Problem des Euro ist also auch ein Kommunikationsproblem der Europäischen Zentralbank.

    TABELLE 1: Leistungsbilanz, Inflation und Wirtschaftswachstum EU 11 und US

    Leistungsbilanz in Prozent des BIP Inflation Wirschaftswachstum
    EU 11 USA EU 11 2) USA EU 11 USA
    1996 1,1 -1,4 2,2 2,9 1,4 3,6
    1997 1,7 -1,5 1,6 2,3 2,3 4,4
    1998 1,2 -2,3 1,1 1,6 2,7 4,4
    1999 0,6 -3,5 1,1 2,2 2,3 4,2
    2000 1) 0,4 -4,1 2,1 2,4 3,5 5,0
    2001 1) 0,5 -4,2 2,1 2,2 3,0 2,8

    1) Prognose

    2) Inflationsprognose für EU 15

    Quelle: WIFO, OeNB, OECD

    Dollarstärke...

    Den meisten Analysten zufolge liegt der Hauptgrund der Dollarstärke im nach wie vor vorhandenen Wachstumsgefälle USA zu Europa. Der Grund ist aber vor allem darin zu suchen, dass die Wachstumsraten in den USA die Prognosen übertroffen haben. So lange das Wachstum in den USA stärker ist als in Europa und es in den USA immer wieder positive »Überraschungen« gibt, kann auch von steigenden Profitraten und Aktienkursen ausgegangen werden. Der Budgetüberschuss in den USA lässt im langfristigen Bereich die Anleihezinsen weiter sinken, so dass die US-Anleihen trotz des lang anhaltenden Booms ihr hohes Kursniveau halten, wenn nicht steigern konnten. Das ließ die Nachfrage sowohl nach US-Aktien als auch nach US-Anleihen - und mit ihr den Dollarkurs - weiter steigen.

    ...und Euroschwäche

    Widersprüche in der Politik und der Kommunikation der EZB sowie mangelnde Transparenz der EZB tragen wesentlich zur Euroschwäche bei. Der Widerspruch zwischen lauten, dogmatischen Ankündigungen und dem Versuch, gleichzeitig eine relativ pragmatische Politik ohne ausreichender Kommunikation zu fahren, verstärkt durch den Umstand, dass es die EZB - anders als die Federal Reserve Bank - bisher nicht geschafft hat, erwartungsbildend auf die Finanzmärkte einzuwirken, führt ebenso wie widersprüchliche Kommentare von Euro-pas Finanzministern zu steigender Unsicherheit in der Einschätzung des Euro.

    Klare Signale für den Markt

    Der bisherige erfolgreichste Schritt zur Stabilisierung des Marktes erfolgte durch eine entschlossene, konzertierte Intervention der Notenbanken Europas, der USA, Englands und Japans: Euros wurden gekauft, Dollar, Pfund und Yen verkauft, um den Euro-Kurs zu stützen. Bei dieser Aktion haben einige, die gegen den Euro spekuliert haben, erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Das Signal war unmissverständlich: bis hierher und nicht weiter. Der Markt hat sich danach weitgehend stabilisiert. Fehlen klare Signale aber, steigt die Unsicherheit wieder.

    Weitere Zinserhöhungen bedeuten Stagflationsrisiko

    Gegenüber kurzfristigen, zum Teil eher in der Psychologie liegenden Schwankungen des Wechselkurses sollten die Zentralbanken Gelassenheit zeigen, da die Geldpolitik im Rahmen ihrer »normalen« Instrumente ohnehin auf die mittlere Frist angelegt sein muss. Für Rohölpreisschwankungen sind weder Zentralbank noch Tarifpartner verantwortlich. Die bisherigen wirkungslosen oder zum Teil sogar kontraproduktiven Zinserhöhungen der EZB haben dies auch gezeigt (Abbildung 1).

    Kommt es zu weiteren Zinserhöhungen durch die EZB, bedeutet dies ein ernstes Risiko für die Konjunktur. Die gegenwärtigen optimistischen Einschätzungen der Konjunktur sind zum Teil auf die kräftige Exportnachfrage zurückzuführen, während in Europa insbesondere in der BRD die Konjunktur noch nicht so gefestigt ist, dass man auf einen allein tragenden Aufschwung vertrauen kann. Weiter steigende Zinsen würden zu einer erheblichen Belastung für die Konjunktur. Für den Wechselkurs EUR/USD würden verminderte Wachstumsaussichten aber eine mittelfristige Fortsetzung des Abwärtstrends des Euro bedeuten, der in Verbindung mit dem Rohölpreis tatsächlich das Risiko einer Stagflation - also Inflation bei gleichzeitiger Stagnation - in sich trägt.

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    Thomas Zotter (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der Wiener Arbeiterkammer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959073484 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959073515 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959068484 Ein schwacher Euro? Bei dem inneren Wert einer Währung geht es um ihre Kaufkraft, darum, was man sich für diese Währung kaufen kann. Konkret nennt man eine Währung nach innen dann stark, wenn ihre Kaufkraft im Inland über längere Zeit stabil bleibt, wenn es wenig oder keine Preissteigerungen gibt, wenn es (anders gesagt) wenig oder keine Inflation gibt. Eine Währung ist also dann nach innen schwach, wenn sie einer starken Inflation unterliegt, wenn die Preise - in dieser Währung ausgedrückt - stark steigen.

    Innere und äußere Werte

    Bei dem äußeren Wert einer Währung geht es um ihr Austauschverhältnis gegenüber anderen Währungen. Konkret nennt man eine Währung nach außen dann stark, wenn ihr Austauschverhältnis, ihr Wechselkurs gegenüber anderen Währungen stabil bleibt oder sogar zunimmt. Eine Währung ist nach außen dann schwach, wenn ihr Wechselkurs gegenüber den Währungen, mit denen man sie vergleicht, zurückgeht.

    Manchmal laufen die beiden Entwicklungen parallel und hängen sogar ursächlich miteinander zusammen: Weil es in einem Land eine starke Inflation gibt, geht auch der Wechselkurs ihrer Währung zurück. Doch dieser Zusammenhang muss nicht bestehen. Es gibt Situationen, in denen ein Land (oder ein Währungsgebiet) ein sehr stabiles Preisniveau hat und der Außenwert seiner Währung ist dennoch rückläufig. Genau das ist derzeit beim Euro der Fall.

    In den (seit 2001 zwölf) Ländern, in denen der Euro als Währung gilt, ist der Preisauftrieb bemerkenswert gering, wenn er auch im zweiten Halbjahr etwas zugenommen hat. So gesehen (also nach innen) ist der Euro eine starke, sogar eine sehr starke Währung. Gegenüber dem amerikanischen Dollar hat der Euro aber seit seiner Schaffung Anfang 1999 stark an Wert eingebüßt. So gesehen (also nach außen) ist der Euro zumindest derzeit eine schwache Währung.

    Gut und gerne streiten ...

    Was ist aber wichtiger? Worauf kommt es wirklich an? Wieder eine Frage, auf die es keine ganz eindeutige Antwort gibt und über die Volkswirte gut und gerne streiten können. Einiges ist immerhin unbestritten: Eine starke Währung nach innen, also möglichst wenig Preissteigerungen, ist sicher ein volkswirtschaftlicher Vorteil. Beim Außenwert gilt es dagegen sowohl Vorteile als auch Nachteile zu beachten.

    Die europäischen Staatsmänner, die für die Schaffung des Euro verantwortlich waren, haben jedenfalls nicht den geringsten Zweifel darüber gelassen, was ihnen am wichtigsten ist. Sie haben es im Vertrag (dem so genannten Vertrag von Maastricht) ganz genau festgeschrieben: Die neu geschaffene Europäische Zentralbank hat als zentrale Aufgabe in ihrem Statut verankert, dass sie für einen stabilen inneren Wert des Euro zu sorgen hat. Der Außenwert ist demgegenüber ein untergeordnetes Ziel.

    Die Erfinder des Euro

    Haben die Erfinder des Euro hier einen entscheidenden Fehler gemacht? Hätten sie ihre Prioritäten anders setzen sollen? Sind nicht gerade wir in Österreich jahrzehntelang mit einem Wechselkurs-Ziel (nämlich der Bindung des Schilling an die Deutsche Mark) besonders gut gefahren? War das alles falsch? Sicher nicht! Denn unser altes Wechselkurs-Ziel war für unsere damaligen Bedürfnisse, für ein kleines Land mit einem sehr hohen Anteil der Außenwirtschaft (Warenverkehr und Tourismus), das Richtige. Und wir haben unseren Schilling nicht an irgendeine Währung gebunden, sondern an die Deutsche Mark, die über Jahrzehnte einen starken inneren Wert (also wenig Inflation) hatte und noch dazu die Währung unseres wichtigsten Außenwirtschaftspartners war. In einer solchen Situation spielt der Wechselkurs der eigenen Währung wirtschaftlich eine entscheidende Rolle und es war vernünftig und erfolgreich, den Schilling völlig an die Mark zu binden. Wir haben damit die gleiche innere Stärke unseres Schillings wie jene der Mark erreicht und sind damit auch in der Außenwirtschaft gut gefahren.

    Im Euroraum sehen die Dinge allerdings wesentlich anders aus. Der Anteil der Außenwirtschaft (also des Handels in Waren und Dienstleistungen mit Ländern außerhalb des eigenen Währungsraumes) ist weit, weit geringer, als er es beim kleinen Österreich war. Schwankungen des Wechselkurses des Euro sind daher für die Euroländer leichter zu verkraften, sie betreffen im Falle Österreichs nicht einmal mehr zehn Prozent unserer Wirtschaftsleistung. Die so erreichte geringere Abhängigkeit von einem nur schwer unverändert zu haltenden Wechselkurs war ja einer der wesentlichsten Gründe, warum wir für die Schaffung des Euro waren. Aber die Nachteile einer inflationären Entwicklung gelten auch in einem großen Wirtschaftsraum. Deshalb haben wir dem stabilen inneren Wert des Euro so große Bedeutung beigemessen.

    Leichte Beschleunigung des Preisauftriebs

    Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Wechselkurs der Währung und dem Preisniveau im Inland. Sinkt der Wechselkurs der Währung, werden Einfuhren teurer und die teureren Einfuhren erhöhen das Preisniveau im Inland. Das gilt besonders bei Rohstoffen. Wir erleben es gerade jetzt bei Erdöl, dessen Preis in Dollar verrechnet wird und das daher auch deswegen teurer wird, weil der Wert des Dollar gegenüber dem Wert des Euro gestiegen ist - wobei beim Erdöl allerdings die Verteuerung am Weltmarkt (auch in Dollar ausgedrückt) noch schwerer ins Gewicht fällt als die Wechselkursveränderung. Doch ohne Zweifel spielt der gestiegene Wechselkurs des Dollar gegenüber dem Euro eine Rolle bei den Preisen jener etwa 5 bis 10 Prozent aller von uns verbrauchten Güter und Leistungen, die Österreich aus dem Dollarraum bezieht. Das ist eine wesentliche Ursache für die leichte Beschleunigung des Preisauftriebs.

    Erhöhte Gebühren und Steuern treiben die Preise ...

    Viel wichtiger für unser Preisniveau sind aber andere Umstände. Vor allem kommt es auf die Konjunkturlage an. Bei einer überhitzten Nachfrage, also wenn die Nachfrage stärker ist als das Angebot - was sowohl für Teilmärkte als auch für die gesamte Volkswirtschaft gilt -, kommt es erfahrungsgemäß häufig zu Preissteigerungen. Dem versuchen Zentralbanken (wie die Europäische Zentralbank) durch eine vorsichtige Geldmengen- und Zinspolitik entgegenzusteuern. Wenn aus welchen Gründen immer öffentliche Gebühren und Steuern erhöht werden, treibt das die Preise an. Wenn (oft in Situationen eines allzu angespannten Arbeitsmarktes) die Löhne zu stark ansteigen, versuchen die Unternehmer, diese Kostensteigerungen in Form von Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben. Deshalb berücksichtigen verantwortungsbewusste Gewerkschaften wie der ÖGB die Wirtschaftslage bei ihren Lohnforderungen sehr genau. Es wurden schon viele Bücher über die Ursachen von Preissteigerungen und von Inflationen geschrieben, aber lassen wir es bei diesen wenigen Beispielen bewenden.

    In den Euroländern gibt es jedenfalls derzeit keine Inflation, die Preissteigerungsrate ist sogar deutlich geringer als jene in den USA. Müsste da nicht der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar zumindest stabil sein, wenn nicht sogar steigen? Noch vor wenigen Jahrzehnten hätte jeder Volkswirt diese Frage eindeutig bejaht. Devisengeschäfte, also der Tausch einer Währung gegen eine andere, wurden vor allem zur Bezahlung von Waren und Dienst- leistungen im internationalen Wirtschaftsverkehr abgeschlossen. In einem Land mit starker Inflation wurden die Ausfuhren teurer, die Einfuhren wurden billiger. Die Ausfuhr nahm daher ab, die Einfuhr nahm zu. Die Währung dieses Landes wurde weniger nachgefragt und ihr Wechselkurs ging daher zurück.

    Devisengeschäfte und Kapitalverkehr

    Doch heute werden nur noch weniger als ein Zehntel aller Devisengeschäfte zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen abgeschlossen. Heute ist der entscheidende Faktor der so genannte Kapitalverkehr. Devisen werden angekauft und verkauft, weil Kapitalbesitzer in fremden Ländern investieren wollen. In Unternehmen, in Wertpapieren, in Grundstücken usw. Weil sie sich davon einen besseren Ertrag erhoffen oder weil sie glauben, dass sie die Investition später (womöglich schon sehr bald) zu einem höheren Preis wieder verkaufen können. Oder auch nur, weil sie auf oder gegen eine Währung spekulieren wollen: Sie nehmen an, dass sich der Wechselkurs schon bald ändern wird und versuchen, an dieser Änderung zu verdienen. Konkret: Jetzt Dollars um Euro kaufen, um sie nach einem Kursrückgang des Euro wieder in (dann mehr) Euro zurückzuwechseln.

    Die Kapitalströme bestimmen also die Nachfrage nach den einzelnen Währungen und damit ihre Wechselkurse. Diese Kapitalströme hängen aber von vielen Umständen ab: zum Beispiel, welche Börsenentwicklungen die Anleger in den einzelnen Märkten erwarten, wie hohe Zinsen man für Anlagen in den verschiedenen Währungen bekommt, wie die Konjunkturaussichten der Länder von den Anlegern beurteilt werden oder wie sich die Außenwirtschaft entwickelt und voraussichtlich entwickeln wird. Von oft entscheidender Bedeutung für den Wechselkurs ist die Einschätzung der zukünftigen Wechselkursentwicklung durch die Anleger.

    Die Stärke liegt in der Schwäche

    Sehr wichtig ist die Erwartung, ob die jeweilige Zentralbank, eventuell sogar gemeinsam mit anderen Zentralbanken, für (oder sogar gegen) den Wechselkurs der eigenen Währung am Markt intervenieren, das heißt, die Währung kaufen (oder verkaufen) wird. Macht eine solche Intervention aber überhaupt Sinn und erreicht man damit das gewünschte Ziel? Vorerst zum Sinn: Ein starker Wechselkurs hat Vor- und Nachteile. Zu den Nachteilen gehört ohne Zweifel der Umstand, dass Importe dadurch teurer werden. Zu den Nachteilen rechnet man aber auch, dass eine starke Währung mit nationalem Prestige verbunden ist, eine schwache dagegen als »nationale Schwäche« ausgelegt wird. Das mag kein sehr wirtschaftliches Argument sein, ein politisches ist es aber immer wieder.

    Der wichtigste Vorteil eines nicht so starken Wechselkurses ist, dass dieser die Exporte erleichtert. Denn der gleiche Preis in Euro ist heute ein niedrigerer Preis in Dollar, als er es noch vor wenigen Monaten war. Das erleichtert die Konkurrenz im Export. Der derzeit etwas schwächere Euro hat den europäischen Export begünstigt und damit zum Konjunkturaufschwung nicht unmaßgeblich beigetragen. Der lange Konjunkturaufschwung in den USA in den neunziger Jahren wurde ebenfalls durch den damals verhältnismäßig schwachen Dollarkurs gefördert. Und die derzeitigen Schwierigkeiten der englischen Exportwirtschaft werden von dieser nicht zu Unrecht zu einem erheblichen Teil dem überstarken Pfund zugeschrieben.

    Vage absehbare Zeit

    Also ist ein nach außen schwacher Euro für uns gut? Nicht unbedingt. Auf bedeutende Nachteile wurde schon hingewiesen. Man sollte auch nicht übersehen, dass die europäischen Währungen zum Zeitpunkt ihrer Verschmelzung in den Euro gegenüber dem Dollar gerade ein Rekordhoch zu verzeichnen hatten. Die Mark und der Schilling sind auch nach allen Kursrückgängen der letzten Monate gegenüber dem amerikanischen Dollar noch immer viel mehr wert, als sie es etwa 1985 waren. Die meisten Fachleute nehmen auch an, dass der Eurokurs gegenüber dem Dollar in absehbarer Zeit (aber das ist ein sehr vager Begriff) wieder ansteigen wird.

    Inzwischen müssen wir uns mit der gegebenen Situation zurechtfinden. Wir haben einen nach innen sehr starken Euro, der aber nach außen, vor allem gegenüber dem amerikanischen Dollar, weit schwächer ist, als die meisten Beobachter erwartet hatten. Der Versuch, das durch Interventionen der Zentralbanken zu ändern, war nicht sehr erfolgreich. In den nächsten Monaten wird nicht mit einem stärkeren Kursanstieg des Euro gerechnet. Seien wir daher mit dem starken inneren Wert unserer Währung zufrieden und nützen wir jetzt die Vorteile des Wechselkurses im Export. Lassen wir uns aber auch in Zukunft nicht allzu sehr von den Klagen jener irritieren, die bei einem Wiederanstieg des Euro jammern werden, wie schwer ihre Wirtschaftslage geworden sei.

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    Thomas Lachs ist Pensionist in Wien (vormals Direktor der Oesterreichischen Nationalbank) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959068428 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959068422 Missbrauchsdebatte im neuen Outfit | Der Sozialstaat und seine Leistungen und die Diskussion über Aus-, Um- oder Abbau 1) Diese Ziele firmieren unter dem Titel »Erhöhung der sozialen Treffsicherheit«.]]> Wie aus nebenstehendem Zitat ersichtlich, soll der von der Bundes-regierung neu in Diskussion gebrachte Begriff der »sozialen Treffsicherheit« wohl als ein Anliegen verstanden werden, das so-ziale Gerechtigkeit mit einem wirtschaftlich vertretbaren Mitteleinsatz verknüpft. Soziale Treffsicherheit soll also heißen, jene, die »wirklich« bedürftig sind, sollen in den Genuss staatlicher Sozialleistungen kommen. Jene, die Sozialleistungen nicht brauchen, weil sie aus eigenem Bemühen zur Selbsterhaltung in der Lage sind, sollen keine Sozialleistungen (mehr) bekommen. Regelmäßige

    Überprüfung der Effizienz von Sozialleistungen ist sinnvoll

    Unbestritten und politischer Konsens ist wohl, dass die Zielsetzung einer Überprüfung sozialstaatlicher Leistungen auf Effizienz, Aktualität, Wirtschaftlichkeit und Anpassung an die Bedürfnisse und Erfordernisse der Zielgruppen in regelmäßigen Abständen erfolgen muss, soll der Sozialstaat nicht aus den Fugen geraten. Wer will, dass bestimmte Leistungen weiterbestehen, muss sich auch der Auseinandersetzung über die Ziele, die Entwicklungsperspektiven, die Betroffenheiten stellen. Es kann nicht einfach darauf vertraut werden, dass sich im heute häufig schwer durchschaubaren System der sozialen Sicherheit einzelne Leistungen von selbst legitimieren. So ist es meiner Ansicht nach zum Beispiel wichtig, sich der Frage zu stellen, ob Unfallrenten die gewünschte Personengruppe unterstützen, ob es heute andere oder bessere Ansätze zur Abgeltung von Behinderungen oder Beeinträchtigungen nach Arbeitsunfällen gäbe, ob das Ausmaß der Leistung ausreicht und vieles andere mehr. Oder ob das Arbeitslosengeld für eine angemessene Existenzsicherung während Arbeitslosigkeit ausreicht oder ob das Karenzgeld auch auf nichtbeitragsleistende Gruppen ausgedehnt werden soll.

    Eckpfeiler des Sozialstaates

    In einer immer schnelllebigeren Zeit mit groben Umbrüchen in der Arbeitswelt und ihren zum Teil folgenschweren Auswirkungen auf die soziale Sicherheit (siehe etwa sozialversicherungslose Beschäftigung) ist ein derartiges Unterfangen nicht nur wichtig. Es ist notwendig, um die Legitimität und das Vertrauen zu und in verschiedene Eckpfeiler des Sozialstaats österreichischer Prägung nicht erodieren zu lassen, sondern vielmehr in Umbruchzeiten zu festigen und zu stärken.

    Die jetzige Diskussion um die soziale Treffsicherheit geht über reine Anpassungen hinaus. Sie wirft Grundfragen über die Ausrichtung der Sozialpolitik auf.

    Und es ist ja auch keineswegs falsch, derartige Grundfragen immer wieder daraufhin abzuklopfen, wie Betroffene, politische Parteien, Interessenvertretungen darüber denken. Ja, eine derartige Diskussion soll und muss geführt werden.

    Überschneidungen und Überlappungen

    Eine ernsthafte Diskussion über Sozialleistungen stellt sich der Frage nach Über- und Unterversorgung. Und bedeutsam sind in meinen Augen hier weniger die einzelnen Sozialleistungen an und für sich, sondern vielmehr Überschneidungen und Überlappungen, seltener auch Fragen nach der konkreten Ausgestaltung von Leistungen wie Bezugsobergrenzen, Anspruchsverlust, Geltungsbereich.

    Gibt es aus verschiedenen Quellen stammende Sozialleistungen, die kumulieren? Und ist ein solches Zusammentreffen berechtigt? Wie sollen Einkommen und Sozialleistung zueinander stehen? Sollen Sozialleistungen (immer? sofort?) wegfallen, wenn jemand ein Einkommen erzielt? Einkommen aus anderen Quellen als Erwerbsarbeit (siehe etwa Vermietung, Verpachtung, Finanzvermögen...) sollen wie berücksichtigt werden?

    Es soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, diese Fragen wären heute nicht geregelt. Sie sind es, allerdings mit einem Problem: Die Regelungen sind weitgehend unbekannt und sie werden in der Öffentlichkeit erst dann akzeptiert werden können, wenn über einen - offensichtlich immer zu wiederholenden - gesellschaftlichen Aushandlungsprozess klargelegt wird, warum eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde.

    In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, wieder darauf hinzuweisen, dass das österreichische System der sozialen Sicherheit weitgehend über Versicherungsleistungen (Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Pensionsversicherung, Unfallversicherung...) organisiert ist und die Versorgungsleistungen (Familienleistungen, Pflegegeld, Sozialhilfe...) ergänzend wirken.

    Risiko

    Das heißt, das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Beiträge für ihre Versicherungen einzahlen, um dann daraus im Risikofall abgesichert zu sein. So treffen Leistungen zusammen, die einerseits aus dem Versicherungsfall »Erwerbsunfähigkeit« wie etwa eine Invalididätspension und aus einer Versorgungsleistung wie dem Pflegegeld wegen Pflegebedürftigkeit stammen. Dies sind folgerichtig Leistungen, deren Anspruchsberechtigung eindeutig ist. Nicht klar ist, ob das, was heute Recht ist, auch als gerecht empfunden wird.

    Denn dem Zusammentreffen mehrerer Leistungen stehen eine Reihe von Lücken im System der sozialen Sicherheit gegenüber.

    Zum einen entstehen neue Lücken, die sich daraus ergeben, dass mehr und mehr sozialversicherungslose Beschäftigungsformen entstehen und in der Folge im Krisenfall keine Sozialversicherung das entfallene Einkommen überbrückt. Dieser Trend wurde im Rahmen der Pensionsreform 1997 über die Einbeziehung »aller« Erwerbseinkommen in die Sozialversicherung einzudämmen gesucht. Ausreichend waren diese Maßnahmen allerdings noch nicht. Insbesondere in der Arbeitslosenversicherung wurde für viele der neuen Beschäftigungsformen noch keine Lösung gefunden.

    Ehe und Familie

    Zum anderen verliert der Schutz der Ehe und Familie -als zweite Sicherungssäule - an Bedeutung, weil auch privates Zusammenleben starken Veränderungen unterworfen ist. Das bedeutet vielfach, dass Menschen ohne Krankenversicherungsschutz sind, weil es nach einer Scheidung keine Mitversicherung mehr gibt oder es bedeutet, dass eine Lebensgemeinschaft keine Hinterbliebenenpension nach sich zieht und vieles andere mehr. Und schließlich wird sichtbar, dass das zweite soziale Netz, die Sozialhilfe, weitgehend dann nicht greift und äußerst ungenügend funktioniert, wo jetzt ihre Schutzfunktion besonders gefragt ist.

    Das bedeutet zusammengefasst: Ja, möglichst breit, möglichst offen, möglichst tabulos sollte endlich eine Auseinandersetzung über Ziele, Wege, Methoden in der Sozialpolitik geführt werden. Nicht zurückweichen vor etwaigen unangenehmen Fragen kann Sozialabbaupläne stoppen. Im Wettstreit der Entwicklungsalternativen kann das Terrain für einen auf Solidarität basierenden Sozialstaat (wieder-)aufbereitet werden.

    Missbrauchsdebatte im neuen Outfit?

    Was nun das »Treffsicherheitsthema« betrifft, sind derartig grundlegende Auseinandersetzungen im Interesse der Bundesregierung nun offensichtlich wiederum nicht. Denn: In der Öffentlichkeit wird zwar gerne der Eindruck erweckt, als handle es sich bei dieser Diskussion neutral um eine Frage der Evaluierung von Über- und Unterversorgung im Sozialnetz. Allerdings ist allein schon durch die Festlegung eines Kürzungsziels die Intention, etwa Unterversorgung durch Leistungsausweitungen aufzuheben, wohl nicht ernsthaft in Betracht gezogen worden. Das einzig ernstliche Bestreben war es, Einsparungen zu erzielen.

    Kürzungsziel in Milliardenhöhe vor Expertengruppen festgelegt?

    Ursprünglich legte sich die Bundesregierung im Regierungsübereinkommen auf ein Kürzungsvolumen von »3 Milliarden bei Sozial- und Familientransfers, Leistungsrecht der Arbeitslosenversicherung, der Unfallversicherung, der Kranken- und Pensionsversicherung«2) fest. Nach dem Ministerratsbeschluss vom 19. September 2000 belaufen sich die Kürzungen auf eine Größenordnung von 7,7 Milliarden Schilling.

    Da gab es nach Ansicht der Bundesregierung also schon vor jedweder Evaluierung - lange vor jeder Expertengruppe, zum Zeitpunkt der Regierungsbildung - die Überzeugung, milliardenschwere Beträge können im Sozialbereich eingespart werden.

    Die von der Regierung eingeladene Expertengruppe kommt im zusammenfassenden Bericht »Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems«3) zum Schluss, dass neben von einzelnen Experten geäußerten Kürzungsvorschlägen eine Reihe von Ausbaunotwendigkeiten im Sozialsystem gegeben sind.

    Zur Durchsetzung der Kürzungsabsichten der Bundesregierung in der öffentlichen Meinung hingegen bedurfte und bedarf es des Aufzeigens von Beispielen, die an die Gefühle der Bevölkerung rühren. Standardbeispiele sind die im Umfeld der Debatte viel zitierte Ärztin Finanzminister Grassers, die kein Karenzgeld braucht; die Hoteliersgattin, die sich in der Zeit zwischen den Saisonen arbeitslos meldet; die Hofratswitwe, die in der riesigen »Friedenszinswohnung« mit einer Beamtenpension ihre Hündchen füttert. Das ist Politik der Gefühle, die das Anlegen klarer Beurteilungsmaßstäbe verhindert.

    Und diese Beispiele kennen wir schon aus einer Debatte der 80er Jahre, wo die »Treffsicherheitsdebatte« noch »Missbrauchsdebatte« hieß. Erst kürzlich war das erlösende Wort zu hören.

    Überleitung in die wiederaufgeflammte Sozialmissbrauchsdebatte

    So sprach FPÖ-Klubobmann Westenthaler in der ORF-Sendung »Betrifft«4) erstmals von Missbrauch, der zu bekämpfen wäre, am Beispiel des Zusammentreffens von Erwerbseinkommen und Unfallrente. Genau in dasselbe Horn stieß der Kärntner Landeshauptmann Haider mit seiner Aussage, die Sperre des Arbeitslosengeldes nach der Beendigung von Saisonarbeitsverhältnissen wäre nicht Missbrauch. Nicht der Inhalt ist in diesem Zusammenhang interessant, nein, sondern dass der Boden von der vermeintlich »neutralen« Untersuchung sozialer Treffsicherheit über Über- und Unterversorgung nunmehr bis zur Missbrauchsdebatte gespannt ist.

    Alle Leistungsverbesserungsvorschläge ignoriert

    Wie bereit erwähnt sind alle Vorschläge der Experten zu notwendigen Umschichtungen innerhalb des Sozialsystems, des unerlässlichen Ausbaus unterversorgter Systeme wie etwa der Sozialhilfe, offensichtlich unter die Räder gekommen.

    Sie ist also wieder da: die Missbrauchsdebatte. Sie tritt uns in einem neuen Outfit entgegen und nennt sich jetzt soziale Treffsicherheit.

    Ein Kennzeichen der Missbrauchsdebatte ist, dass dort Missbrauch geortet wird, wo eigentlich sozialpolitischer Regelungsbedarf wäre. Das Paradebeispiel der 80er Jahre war das erhöhte Karenzgeld, wo bis zum heutigen Tag die Mär umgeht, junge Paare würden nicht heiraten, um an das erhöhte Karenzgeld heranzukommen. Der Zugang zu einem höheren Karenzgeld ohne Trauschein existiert schon lange nicht mehr. Der Umgang mit Sozialleistungen bei Familien, die keine staatliche Erklärung zur Leistung gegenseitigen Unterhalts (Ehe!) abgegeben haben, ist weiterhin problematisch. Paradebeispiel der 90er Jahre ist das Arbeitslosengeld, das angeblich massenhaft unrechtmäßig neben Schwarzarbeit (Zitat »Anstehen um Arbeitslosengeld mit der Billa-Schürze«) aus Faulheit zum Schaden der »Braven und Fleißigen« bezogen wird. Die überdurchschnittlichen Arbeitslosenraten älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, behinderter Arbeitnehmer und von Arbeitnehmerinnen mit Betreuungspflichten für kleine Kinder, denen über lange Zeit keinerlei entsprechende Arbeitsplätze gegenüberstanden, finden in der Missbrauchsdebatte keinen Platz. Die Reihe der Beispiele ließe sich seitenlang fortführen.

    Über die Begrifflichkeit hinaus gibt es noch ein untrügliches Zeichen des Anknüpfens der Treffsicherheit an die Missbrauchsdebatte: Es gibt keine einzige Stellungnahme eines Regierungsmitglieds, das öffentlich erklärt hätte, es gäbe Unterversorgung, die gezielt zu bekämpfen wäre. Zwar liegen Antiarmutsbekenntnisse von Regierungsmitgliedern zuhauf vor, aber es gibt bislang keinen einzigen5) Lösungsvorschlag, der sich auf armutsgefährdete Gruppen bezogen hätte. Das wäre auch schwierig, öffentlich zu bewältigen. Denn: Dort wo jetzt gekürzt werden soll, sind die armutsgefährdeten Gruppen zu finden.

    Viel Gerede über Armut, keine einzige Hilfsmaßnahme für Armutsgefährdete, Armutsgefährdete von »Treffsicherheitspaket« besonders negativ betroffen

    (Langzeit-)Arbeitslose sind erwiesenermaßen überdurchschnittlich armutsgefährdet. Dort werden die Familienzuschläge gekürzt; dort soll eine (allgemeine) Wartezeit für den Leistungsbezug eingeführt werden; dort soll die Leistungshöhe gekürzt werden6).

    Anderes Beispiel: Alleinerzieherinnen sind erwiesenermaßen armutsgefährdet. Nicht nur, dass kein einziges Wort über deren Lage gefallen ist; sie werden getroffen durch Notstandshilfedeckelungen oder Kürzung der Karenzgeldfamilienzuschläge oder auch durch die Einführung von Studiengebühren für studierende Kinder. Eine Reform der Unfallrenten wäre möglicherweise sinnvoll, doch in der vorliegenden Form wird einfach von bereits einkommensschwachen Erwerbsgeminderten ein Teil der Abgeltungsleistung wegbesteuert.

    Ohne öffentliche Diskussion, ohne Prüfung der Einkommenslage ganz einfach die beitragsfreie Mitversicherung für kinderlose Ehepartner abzuschaffen, lässt völlig außer Acht, wer betroffen ist und wie die soziale Lage der Familie aussieht. (Zur Einschätzung der weiteren Maßnahmen des Treffsicherheitspakets der Bundesregierung siehe auch die Beiträge von Josef Wöss in diesem Heft und von Bruno Rossmann und von Agnes Streissler im Novemberheft).

    Grundsatzdebatte um künftige Ausrichtung des Wohlfahrtsstaates wäre notwendig

    Noch einmal zurück zum Ausgangspunkt: Was meiner Ansicht nach an der Treffsicherheitsdebatte bedeutsam und demokratiepolitisch maßgebend ist, ist das Aufwerfen der Grundsatzfrage, wohin der Wohlfahrtsstaat sich entwickeln soll.

    Soll der Sozialstaat in Richtung »schlanker Staat« geschrumpft werden, soll er wieder hin in Richtung Armenfürsorge, zu »jenen, die es wirklich brauchen« abgebaut werden?

    Erwerbszentriert und Bismarck'schen Versicherungsprinzipien gehorchend entstand in der 2. Republik ein System, das in seiner konkreten Ausprägung - entgegen vielfacher Polemik und Schlechtmacherei - 90 Prozent der Bevölkerung erfasst und ausreichend versorgt. So kommen etwa der Expertenbericht »Einbinden statt Ausgrenzen« 19997) und verschiedene Untersuchungen des WIFO8) zum - meiner Meinung nach überaus positiven - Schluss, dass ohne explizite Zielsetzung von Umverteilung und Armutsvermeidung über sozialstaatliche Leistungen dennoch eine groß angelegte Umverteilungswirkung erreicht wird.

    Soll dieses Ziel der Umverteilung weiter verfolgt werden, so erscheint es nahe liegend, das bestehende System mit seinen guten Noten schwerpunktgemäß auszubauen, Umverteilungseffekte zu verstärken, ohne dass zu einem demütigenden System der Wohltätigkeit, zur Armenfürsorge übergegangen werden müsste.

    Grundsatzfragen erneut diskutieren?

    Aber auch bei grundsätzlicher Fortschreibung des bestehenden Systems stellen sich drängender als in der Vergangenheit entscheidende Fragen. Umverteilung ist gewährleistet, wenn die Einkommensstarken überproportional zum System beitragen, damit die Einkommensschwachen stärker unterstützt werden können. Wie weit kann ein System in der Zugangseinschränkung wohlhabender Teile der Bevölkerung zu Sozialleistungen gehen, ohne den Grundkonsens, das Ja zum System grundlegend zu gefährden? Die Befürworter der Einkommensstaffelung von Sozialleistungen treten sogar für den völligen Ausschluss wohlhabenderer Teile der Bevölkerung von Sozialleistungen ein. Im Fall der in Österreich vorherrschenden Versicherungsleistungen ist dieser Zugang überaus problematisch. Es kann wohl nicht ernsthaft daran gedacht werden, von Einkommensstarken Beiträge zu verlangen, die auch bei Eintritt des Risikofalles keine Absicherung bieten. Zudem erscheint ein derartiger Zugang gleichheitswidrig.

    Umgekehrt drängt sich eine andere Frage im gleichen Atemzug auf: Ist das Prinzip der Lebensstandardsicherung von Sozialversicherungsleistungen weiterhin sinnvoll und ist es weiterhin finanzierbar? Im Besonderen die Pensionsversicherung wird mit dieser Frage unter Druck gesetzt.

    Entpolitisierung und Entsolidarisierung

    Ein kleiner Teil von Sozialleistungen hat in Österreich den Charakter einer Beihilfe. Ohne individuell zurechenbare Beitragsleistung erhalten Anspruchsberechtigte in bestimmten Lebenslagen finanzielle Zuwendungen. Das sind im Wesentlichen das Pflegegeld und die Familienbeihilfe. Hier stehen Effizienzfragen im Vordergrund. Inwiefern sind Leistungen, die Beihilfencharakter haben, in der Lage, einen messbaren Ausgleich in der spezifischen Lebenslage zu bieten? Wie viel an Ausgleich ist überhaupt gesellschaftlich erwünscht? Am Beispiel Familienförderung konkret formuliert: Ist die Erziehung und Betreuung von Kindern eher ein Privatvergnügen oder sollen sie finanziell abgegolten werden? Inwieweit sind Geldleistungen ein geeignetes Unterstützungsmittel? Was wäre ein sinnvoller Mix von Geld-, Sach- und Dienstleistungen? Wie können sich Versicherungs- und Beihilfenleistungen sinnvoll ergänzen?

    Wie bereits angesprochen, erscheint mir die wiederholte Diskussion um Ziele und grundlegende Ausrichtung in der Sozialpolitik notwendig und wesentlich, soll nicht schleichend wachsenden Entpolitisierungs- und Entsolidarisierungsprozessen in der Gesellschaft der Sozialstaat zur Aushöhlung überlassen bleiben.

    Die Treffsicherheitsdebatte der Bundesregierung jedoch hat dieses Ziel vollkommen verfehlt.

    Einfach, weil das Ziel nicht Effizienzsteigerung, sondern simples Abbauen des Sozialstaates ist.

    Alternativen zum Regierungskurs: Umbau statt Abbau

    Die Aufrechterhaltung eines Wohlfahrtsstaatstyps österreichischer Prägung bedeutet kein starres Festhalten am Erreichten. Unbehagen und Unsicherheit, Einstellungen nicht zu unterschätzender Größenordnung von großen Teilen der österreichischen Bevölkerung gegenüber dem Sozialstaat, dürfen keineswegs ignoriert werden. Wo notwendige Reformen ansetzen sollten und wo eingeschlagene Wege weiter begangen werden sollten, lässt sich an drei Eckpunkten festmachen.

    • Die Entwicklung der Arbeitswelt - und dabei die Einbeziehung der Erwerbstätigen, neuer Arbeitsformen, neuer Arbeitsorganisation - ist zentral für die Aufrechterhaltung eines hohen Sozialleistungsniveaus. Hier bedarf es zeitgemäßer Anpassungen. Stichworte: neuer Arbeitnehmerbegriff, Entlastung des Faktors Arbeit, Verbreiterung der Finanzierungsbasis des Sozialstaates.
    • Der Sozialstaat bedarf einer Demokratisierung. Unübersichtlichkeit, Unüberschaubarkeit, Bürokratismus führen vielfach zu schwer überwindlichen Zugangshürden zu Rechtsansprüchen. Wenn sich mehr und mehr ein Gefühl breit machen kann, dass jene Leistungen bekommen, die »sich's richten können« und gleichzeitig Missbrauch dort geortet wird, wo eigentlich sozialstaatlicher Regelungsbedarf wäre (etwa beim Thema Lebensgemeinschaften versus Ehe), wackeln die Fundamente des Sozialstaats. Eine öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn, Ziele und Wirkungen von Sozialleistungen ist unvermeidlich, sollen Vertrauen und Glaubwürdigkeit in den Sozialstaat wiedergewonnen werden.
    • Eine Reihe von Neu- oder auch Reorientierungen einzelner sozialstaatlicher Systeme ist vonnöten. Sach- und Dienstleistungen - vielfach Voraussetzung von Erwerbsbeteiligungsmöglichkeiten ausgegrenzter Gruppen - sind unterentwickelt und werden durch die Diskussion über monetäre Transfers weiter an den Rand gedrängt. Stichworte: Kinderbetreuung, Altenpflege, zweiter Arbeitsmarkt. Eine Langfristplanung für die gesetzliche Pensionsversicherung zur Wiederherstellung von Planbarkeit und Sicherheit ist gefragt. Der Stellenwert der Familienförderung, besonders wichtig Alternativen zur derzeitigen Dominanz von Geldleistungen, und die konkrete Ausgestaltung in Zusammenhang mit veränderten Familienstrukturen muss verbindlich festgelegt werden. Über die Grenzen der einzelnen Subsysteme hinweg sollte eine bedarfsorientierte Mindestsicherung, die jedenfalls Teilhabe am gesellschaftlichen Leben garantiert, gesellschaftlichen Brüchen und Ausgrenzungen Rechnung tragen und die Wiederintegration fördern.

    1) Budgetprogramm 2000-2003, Programm der Bundesregierung, Juli 2000, BMF, S. 8

    2) »Österreich neu regieren«, Regierungsübereinkommen ÖVP-FPÖ, Februar 2000

    3) Der Bericht wurde am 18. September 2000 veröffentlicht und am 19. September gingen die Kürzungsmaßnahmen durch den Ministerrat.

    4) Betrifft vom 24. September 2000 in ORF 1

    5) Das einzige Leistungsausweitungsvorhaben ist das Karenzgeld für alle. Dies dient allerdings nicht der Armutsbekämpfung, sondern soll - wie schon der Name sagt - für alle ohne jede Berücksichtigung der ökonomischen Notwendigkeit erfolgen.

    6) Die Debatte um die mögliche Kürzung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung ist noch nicht abgeschlossen.

    7) Expertenbericht im Auftrag des BMAGS zum Thema Armutsgefährdung in Österreich.

    8) vgl. Guger A. »Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich«, WIFO, Wien 1996, oder auch Guger/Muhm »Die Verteilungswirkungen des Familienpakets 1998«

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    Gabriele Schmid (Mitarbeiterin der sozialpolitischen Abteilung der AK Wien.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959068415 Sozialabbau treffsicher | Eine Bestandsaufnahme der Sozialpolitik der neuen Bundesregierung Die Regierung versucht, das Ganze als »Sparkurs« zu verkaufen. In Wahrheit steht bei dieser Art von Politik aber nicht einmal das Sparen im Vordergrund. Hier wird ganz gezielt umverteilt, und das zu Lasten der Arbeitnehmer und der sozial Schwächeren!

    Es verwundert nicht, dass die Regierung zur Umsetzung dieser Politik den Einfluss von ÖGB und AK durch extrem kurze Stellungnahmefristen usw. so weit wie möglich zurückschrauben will. Der Versuch, die AK-Umlage zu senken, liegt auf dieser Linie.

    1. Bereits beschlossene Rechtsänderungen

    Neuordnung der Kompetenzen der Ministerien - Wirtschaftsministerium zuständig für Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, usw.; Frauenministerin abgeschafft

    Eine der ersten Maßnahmen der neuen Bundesregierung war die Neuordnung der Zuständigkeit der Ministerien. Was bereits im Regierungsabkommen erkennbar war, fand hier seine erste Bestätigung: Die neue Bundesregierung setzt auf eine klare Unterordnung der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Interessen der Wirtschaft. Die Zuordnung von Arbeitsrecht, Arbeitnehmerschutz, Arbeitsinspektion und Arbeitslosenversicherung zum Wirtschaftsminister macht das mehr als deutlich.

    Eine zweite wesentliche Änderung brachte der Wegfall der Frauenministerin - die Frauenagenden nimmt seither das »Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen« wahr. Auch das ein klares Signal: Frauenpolitik wird von der neuen Bundesregierung nicht als eigenständige Aufgabe gesehen. Seit die Ressortleitung im »Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen« von einem Mann übernommen wurde, wird das Abwegige dieser Situation besonders deutlich.

    Arbeitsrechtspaket - »Aktion Unfairness« kostet die Arbeitnehmer 3 Milliarden Schilling

    Seit vielen Jahren wird von der Gewerkschaft eine Beseitigung der Schlechterstellung der Arbeiter im Arbeitsrecht gefordert. Anfang der 90er-Jahre entstand die auf dieses Ziel ausgerichtete gewerkschaftliche »Aktion Fairness«. 1996 wurden vom ÖGB mehr als 300.000 Unterstützungsunterschriften vorgelegt. Eine Umsetzung ist am Widerstand der Wirtschaft gescheitert.

    Die neue Bundesregierung hat nunmehr die Gegenforderungen der Wirtschaft zu 100 Prozent erfüllt und gleichzeitig die Rechtsangleichung auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall reduziert! Alle anderen Schlechterstellungen der Arbeiter (Kündigungsfristen, Kündigungstermine etc.) blieben unangetastet. Und selbst bei der Entgeltfortzahlung erfolgte keine volle Angleichung! So sind z. B. die Fortzahlungszeiträume bei den Arbeitern auf ein Jahr, bei den Angestellten hingegen auf ein halbes Jahr bezogen.

    Im Gegenzug wurde der Arbeitnehmeranspruch auf volle Urlaubsabgeltung bei Arbeitgeberkündigung beseitigt. Beseitigt wurde auch der Anspruch auf Postensuchtage bei Selbstkündigung. Daneben wurden noch der Arbeitgeberbeitrag zur Krankenversicherung (für Arbeiter) gesenkt und der Entgeltfortzahlungsfonds aufgelöst. Für Arbeiter mit Gesundheitsproblemen wird das Risiko des Arbeitsplatzverlustes durch die Fondsauflösung steigen.

    Im Ergebnis wurde mit diesen Rechtsänderungen aus der ursprünglichen »Aktion Fairness« eine »Aktion Unfairness«, eine riesige Umverteilungsaktion von den Arbeitnehmern hin zu den Arbeitgebern. Die Arbeitgeber steigen mit einem Plus von etwa 3 Milliarden Schilling aus, entsprechend hoch liegt der Verlust bei den Arbeitnehmern.

    Im Budgetbegleitgesetz 2001 ist als zusätzliche Belastung für die Arbeitnehmer vorgesehen, dass noch verbleibende Abgeltungen offener Urlaubsansprüche und sonstige Beendigungszahlungen mit Ausnahme der Abfertigung in Zukunft wesentlich höher besteuert werden sollen.

    Verpackt in einer Novelle zum Wohnrecht erfolgte eine weitere Arbeitsrechtsänderung, diesmal zu Lasten einer einzelnen Berufsgruppe. Für Hausbesorger, die ab Juli 2000 in ein neues Arbeitsverhältnis eintreten, wurden die Schutzbestimmungen des Hausbesorgergesetzes ersatzlos gestrichen.

    »Pensionspaket« - 15 Milliarden Schilling fürs Budget von denen, die in den nächsten 3 Jahren das Pensionsalter erreichen

    Die »Pensionsreform 2000« bedeutet eine grobe Missachtung des Vertrauensschutzes gegenüber zigtausend älteren Menschen und ist aller Voraussicht nach in etlichen Punkten verfassungswidrig.

    Die plötzliche Anhebung der Altersgrenzen um eineinhalb Jahre lässt sehr vielen Menschen, die knapp vor Erreichung der seit Jahrzehnten gültigen Altersgrenzen stehen, keine Chance, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Die volle Anhebung um 1,5 Jahre gilt bereits für derzeit 53-jährige Frauen und für derzeit 58-jährige Männer! Und für sie kommt auch die Anhebung der Pensionsabschläge bereits voll zum Tragen.

    Enorme Härten bringt auch die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit. Es wird damit gerechnet, dass etwa die Hälfte der bisher pro Jahr etwa 13.000 Bezugsberechtigten keine Möglichkeit haben wird, in eine andere Pension auszuweichen. Welche Arbeitschancen sie haben, kann man sich leicht ausmalen ­ es geht da fast ausschließlich um ungelernte Arbeiter, die aufgrund jahrzehntelanger schwerer Arbeitsbelastung Gesundheitsprobleme haben und älter als 57 sind.

    Insgesamt wird damit gerechnet, dass mehr als 20.000 ältere Arbeitnehmer durch die »Pensionsreform 2000« in die Altersarbeitslosigkeit abgedrängt werden. Die ­ zeitlich eng befristeten - Härtefallregelungen im Pensionsrecht und in der Arbeitslosenversicherung sind völlig unzureichend, um dem entgegenzuwirken.

    Sozialpolitisch nicht vertretbar ist auch die Kürzung der bereits jetzt sehr niedrigen Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen. Gleiches gilt für die Kürzung von Witwen-/Witwerpensionen. Allfällige Rücknahmen bei Witwenpensionen wurden bisher immer im Konnex mit dem Ausbau der eigenständigen Alterssicherung der Frauen diskutiert. Die Regierung hat diesen Konnex verlassen und beschränkte sich auf eine reine Abbaumaßnahme.

    In Summe soll durch das »Pensionspaket« der Bundeszuschuss zu den Pensionen bereits im Jahr 2003 um beinahe 15 Milliarden Schilling reduziert werden. Zur Kasse gebeten werden vor allem diejenigen, die in den nächsten 3 Jahren das Pensionsalter erreicht hätten.

    Aber auch die Pensionisten bleiben nicht verschont. Nach Änderungen bei der Pensionsanpassung im Rahmen des »Pensionspakets« erfolgt im Rahmen des »Budget-Begleitgesetzes 2001« nunmehr noch eine Abschleifung des Pensionistenabsetzbetrages (5500 Schilling) und damit ein unmittelbarer Eingriff in bestehende Pensionen. Ab einer Pensionshöhe von 20.000 Schilling brutto wird der Absetzbetrag schrittweise bis auf null reduziert.

    Wieso diese Art von Pensionsreform? Die Regierung führt im Wesentlichen zwei Gründe dafür ins Treffen: »Abbau des Budgetdefizits« und »langfristige Sicherung der Finanzierbarkeit der Pensionen«.

    Eingriffe in das Leistungsrecht der Pensionsversicherung sind allerdings ein denkbar ungeeignetes Mittel für den kurzfristigen Abbau eines Budgetdefizits. Die massive Schlechterstellung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und Beiträge bezahlt haben, ist nicht verantwortbar und untergräbt das Vertrauen in die Pensionsversicherung. Mindestens ebenso wenig stichhaltig ist das genannte Langzeitziel. Es entbehrt jeder Logik, dass die Finanzierbarkeit der Pensionen in 20 oder 30 Jahren extrem kurze Übergangsfristen notwendig macht.

    Von ÖGB und AK wurde eine Alternative zu den Regierungsplänen vorgelegt, sie wurde aber nicht aufgegriffen. Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben vor allem wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitschancen älterer Arbeitnehmer eingefordert. Durch eine Beendigung des Hinausdrängens älterer Arbeitnehmer aus dem Arbeitsleben könnte ein mindestens ebenso hoher Anstieg des durchschnittlichen Pensionsantrittsalters erreicht werden wie durch die Hinaufsetzung der gesetzlichen Altersgrenzen. Darüber hinaus wurde vor allem eine kostendeckende Finanzierung der Ersatzzeiten und eine Erhöhung der Eigenfinanzierungsgrade bei den Pensionen der Selbständigen gefordert.

    Gesundheitspaket - Kranke Menschen massiv belastet

    Gemeinsam mit dem »Pensionspaket« wurden einige Änderungen im Gesundheitsbereich beschlossen. Im Wesentlichen erfolgte eine Erhöhung der Rezeptgebühr von 45 auf 55 Schilling, also um mehr als 20 Prozent(!), und die Einführung von Ambulanzgebühren in Höhe von 150 bzw. 250 Schilling.

    Beides sind Maßnahmen, die die Heilungskosten für kranke Menschen beträchtlich in die Höhe treiben. Besonders betroffen sind Familien mit Kindern.

    Mit den Ambulanzgebühren soll unter anderem dem Ärztewunsch entsprochen werden, eine Verlagerung von den Ambulanzen hin zu den niedergelassenen Ärzten zu erreichen. Dabei wird aber übersehen, dass die Ärzte bei weitem nicht in der Lage sind, ein vergleichbares Leistungsangebot wie die Ambulanzen zu bieten (Öffnungszeiten, Ausstattung mit medizinischen Geräten etc.). Überdies sind 80 Prozent der Ambulanzfälle Behandlungen, Kontrolluntersuchungen usw., die überhaupt nur in Ambulanzen erbracht werden.

    2. In parlamentarischer Behandlung - das »Treffsicherheitspaket«

    Leistungskürzungen um 7,7 Milliarden Schilling - treffsicherer Sozialabbau

    Das »Treffsicherheitspaket« bringt den nächsten dramatischen Schritt gegen Arbeitnehmer und gegen sozial Schwache.

    In klarem Widerspruch zu den Ergebnissen der von der Regierung selbst eingesetzten Arbeitsgruppen sollen unter der Bezeichnung »Erhöhung der Treffsicherheit« Sozialabbaumaßnahmen in einem Volumen von etwa 7 Milliarden Schilling durchgeführt werden. Der im Regierungsabkommen genannte Wert von 3 Milliarden Schilling wurde damit im Handumdrehen mehr als verdoppelt.

    Da die einzelnen Maßnahmen zum Zeitpunkt der Endredaktion dieses Beitrags noch in Bearbeitung waren, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, was letztlich konkret beschlossen wird. An der Grundausrichtung des Pakets dürfte sich aber aller Voraussicht nach nur noch wenig ändern.

    Besteuerung der Unfallrenten

    Durch die Besteuerung der Unfallrenten sollen für das Budget 2 Milliarden Schilling eingebracht werden. Da für Unfallrenten in Summe 6 Milliarden Schilling ausgegeben werden, bedeutet das im Schnitt eine Rentenkürzung um ein Drittel. Zum Vergleich: Die von der Regierung angekündigte Senkung der Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung bedeutet einen beinahe ebenso hohen Einnahmenverzicht!

    Wie stark die Wirkung dieser Maßnahme im Einzelfall ist, zeigt folgendes Beispiel: Ein Pensionist mit 12.000 S brutto Alterspension und 3.000 S Unfallrente verliert durch die vorgesehene Besteuerung der Unfallrente im Jahr mehr als 10.000 S netto. Betroffen von der Besteuerung sind 108.000 Bezieher einer Unfallrente.

    Nach heftigen Protesten der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer und der Pensionistenverbände kam es zu einem ersten Einlenken der Regierung. Nach aktuellem Stand sollen Schwerversehrte mit einer Erwerbsminderung von zumindest 70 Prozent eine Aufstockung der Unfallrenten um 30 Prozent erhalten. Dadurch soll der aus der Besteuerung entstehende Verlust wettgemacht werden. Für die Abfederungsmaßnahme sind 185 Millionen Schilling veranschlagt - der Vergleich mit dem Gesamtvolumen der Mehreinnahmen aus der Besteuerung macht das bescheidene Ausmaß der Änderung deutlich.

    Völlig offen ist einstweilen, in welcher Form die im Gegenzug in Aussicht gestellte Behindertenmilliarde zum Einsatz kommen soll. Eine Verbesserung der Unterstützungen für Behinderte wäre sicherlich zu begrüßen, allerdings kann das auf keinen Fall die massiven Einkommenskürzungen für fast alle Unfallrentner rechtfertigen.

    Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose Ehepartner

    Nach Schätzungen gibt es etwa 100.000 beitragsfrei mitversicherte Ehepartner bzw. Lebensgefährten ohne Kinder. Es handelt sich fast ausschließlich um Frauen.

    In Zukunft soll für den Krankenversicherungsschutz dieser Frauen ein Zusatzbeitrag in Höhe von 3,4 Prozent des Partnereinkommens bezahlt werden. Die Einnahmen aus dem Zusatzbeitrag sollen - über Umwege ­ ins Bundesbudget fließen! Was die zusätzliche Beitragszahlung bedeutet, zeigt folgendes Beispiel: Bei einem Bruttomonatseinkommen des Ehepartners in Höhe von 20.000 Schilling ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 9520 Schilling netto pro Jahr zu bezahlen (S 680,- x 14).

    Die Beitragspflicht soll unabhängig vom Alter der betroffenen Personen gelten. Selbst wenn eine Frau z. B. bereits 80 ist und - mangels eigenen Pensionsanspruchs - mit ihrem Gatten mitversichert ist, soll dieser die Beiträge entrichten müssen. Übergangsregelungen sind nicht vorgesehen!

    Ähnlich wie bei der Besteuerung der Unfallrenten kam es erst nach massiven Protesten zu einem gewissen Einlenken. »Besonders sozial Schutzbedürftige« (Einkommen unter dem Ausgleichszulagen-Richtsatz etc.) sollen nach aktuellem Stand von der Beitragspflicht ausgenommen werden bzw. soll für sie der Beitragssatz gesenkt werden können. Ausnahmen soll es nun auch für bestimmte Formen der Pflege geben.

    Massive Abschöpfungen aus dem Budget der Arbeitslosenversicherung

    In engem Zusammenhang mit dem »Treffsicherheitspaket« stehen diverse Finanztransaktionen zu Lasten der Arbeitslosenversicherung.

    So sollen z. B. im Jahr 2001 rund 6,5 Milliarden Schilling unter dem Titel »Überschuss-Abschöpfung« an die Pensionsversicherung weitergeleitet werden - und das zusätzlich zur laufenden Überweisung von 4,9 Milliarden Schilling pro Jahr.

    Der »Überschuss« von 6,5 Milliarden Schilling wird zu einem erheblichen Teil erst durch die im Folgenden dargestellten Leistungskürzungen ermöglicht, sie sollen mehr als eine Milliarde Schilling bringen! Aber selbst unter Einrechnung der Kürzungseinsparungen dürfte sich die Rechnung nicht ausgehen. Zu befürchten ist, dass eine »Überschuss-Abschöpfung« in diesem Ausmaß die Arbeitslosenversicherung ins Defizit führt. Dringend erforderliche Arbeitsmarktprogramme für ältere Arbeitnehmer, Wiedereinsteigerinnen etc. müssen auf alle Fälle zurückstehen - es besteht sogar die Gefahr, dass laufen-de Programme zusammengestrichen werden.

    Neben den erwähnten Überweisungen an die Pensionsversicherung soll die Arbeitslosenversicherung in Zukunft auch den Wegfall von 2,5 Milliarden Schilling Bundeszuschuss zur Arbeitsmarktpolitik verkraften. Dieser Zuschuss soll ersatzlos gestrichen werden, was zur europaweit einmaligen Situation führt, dass aus dem allgemeinen Budget kein Schilling mehr für allgemeine Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wird.

    Kürzung der Familienzuschläge zu Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und Karenzgeld

    Als Teil des Maßnahmenpakets »Erhöhung der Treffsicherheit« sollen auch die Familienzuschläge gekürzt werden - von 660 auf 400 Schilling im Monat, was eine Kürzung um 40 Prozent bedeutet. Und das, obwohl im Expertenbericht auf die hohe Bedeutung der Familienzuschläge zur Armutsvermeidung ausdrücklich hingewiesen wurde!

    Von der Kürzung der Familienzuschläge sind pro Jahr mehr als 200.000 Menschen betroffen. Für eine allein erziehende Mutter in Elternkarenz mit 2 Kindern bedeutet die Rechtsänderung einen Einkommensverlust von mehr als 3000 S im Jahr.

    Geradezu zynisch ist, dass die Kürzung der Familienzuschläge parallel zur Ankündigung erfolgt, dass man die Familienleistungen durch ein ohne jede Bedarfsprüfung zu zahlendes »Kinderbetreuungsgeld für alle« erheblich ausbauen will.

    Sperre des Arbeitslosengeldbezugs für 4 Wochen bei einvernehmlicher Auflösung eines Arbeitsverhältnisses und bei Auflösung durch Ablauf einer Befristung

    Insgesamt erfolgen pro Jahr 350.000 bis 400.000 Übertritte in die Arbeitslosigkeit aufgrund des Auslaufens einer Befristung oder aufgrund einer einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. Davon rund 60.000 im Fremdenverkehr und 15.000 bis 25.000 in der Bauwirtschaft.

    In der Regierungsvorlage war vorgesehen, betroffene Arbeitnehmer mit einer 4-Wochen-Sperre des Arbeitslosengeldes zu bestrafen - und das, obwohl die Verursacher von einvernehmlichen Lösungen und der Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge in aller Regel die jeweiligen Arbeitgeber sind! Nach heftigen Protesten der Gewerkschaften und Vorlage eines Konzepts der Sozialpartner zur Verlängerung der Saisonbeschäftigung in der Tourismuswirtschaft wurde von diesem unvertretbaren Vorhaben abgegagen.

    Im Gegenzug zum »Verzicht« auf die 4-Wochen-Sperre bei Ablauf einer Befristigung und bei einvernehmlicher Lösung haben die Regierungsparteien dem Wirtschaftsminister eine äußerst problematische Verordnungsermächtigung eingeräumt. Er soll in Zukunft in bestimmten Fällen das Recht haben, branchenbezogen eine generelle Sperre des Arbeitslosengeldes in den ersten beiden Wochen der Arbeitslosigkeit zu verfügen! Dieses Mittel soll dem Minister offenstehen, wenn Saisonverlängerungsmodelle seiner Einschätzung nach keine wirksame Entlastung der Arbeitslosenversicherung bringen.

    Im letzten Augenblick eingebracht wurde weiters, dass bei wiederholter Arbeitslosigkeit 28 statt bisher 26 Arbeitswochen für einen erneuten Arbeitslosengeldanspruch erforderlich sein sollen. Vor allem in Saisonbranchen wird das zu vielen Härtefällen führen. Schließlich wurde noch die bereits bisher gegebene 4-Wochen-Sperre bei Selbstkündigung auf Fälle des berechtigten Austritts ausgedehnt! In Zukunft soll in derartigen Fällen nur bei Einwilligung des Regionalbeirats ein sofortiger Anspruch entstehen.

    Weitere Rechtsverschlechterungen für Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verlieren

    Zusätzlich zu den bereits genannten Punkten sind noch etliche weitere Rechtsverschlechterungen für Arbeitslose im »Treffsicherheitspaket« vorgesehen:

    • Einschränkung der Jugendanwartschaft;
    • Entfall des Weiterbildungsgeld-Anspruchs nach Ablauf der Elternkarenz;
    • Entfall der Aufwertungsbestimmungen;
    • Einschränkung der Leistungsobergrenze (inklusive Familienzuschlägen) auf 80 Prozent des Netto-Aktiveinkommens - Umstellung auf wöchentliche Kontrollmeldungen;
    • Erhöhung der Strafbestimmungen;
    • Auslaufen der Sonderunterstützung für Bergbaubetriebe.

    Ursprünglich waren auch eine erhebliche Senkung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld und massive Verschlechterungen bei der Insolvenzentgeltsicherung vorgesehen. Auch hier hat der Widerstand der Gewerkschaften Wirkung gezeigt. Die in der Regierungsvorlage vorgesehenen Leistungskürzungen wurden in wichtigen Punkten zurückgenommen.

    Eine gewisse Verbesserung soll es für bestimmte Arbeitslose mit sehr niedrigem Leistungsanspruch geben: Liegt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter dem Ausgleichszulagen-Richtsatz, so sollen in Zukunft 60 Prozent des Netto-Aktiveinkommens an Arbeitslosengeld zustehen. Bei Mehrkindfamilien kommt es aber auch bei 60 Prozent Arbeitslosengeld aufgrund der Reduktion der Familienzuschläge zu einer Verringerung des Gesamtanspruchs.

    Einführung vom 10.000 S Studiengebühr pro Studienjahr

    Durch diese - sowohl bildungspolitisch als auch verteilungspolitisch verfehlte - Maßnahme wird für sehr viele Kinder aus Arbeitnehmerfamilien der Universitätsbesuch erheblich erschwert. Für eine Familien mit einem studierenden Kind und einem Monatseinkommen von 20.000 Schilling netto bedeutet das den Verlust eines halben Monatslohns! Die in Aussicht gestellten Verbesserungen bei den Stipendien sind bei weitem nicht ausreichend, um die Einführung von Studiengebühren »abfedern« zu können.

    Durch die Studiengebühren sollen 2 Milliarden Schilling für das Budget eingenommen werden.

    3. Resümee

    Abschließend ist nochmals zu betonen, dass viele der hier aufgelisteten Maßnahmen nicht nur unvertretbare soziale Härten bringen, sondern dass sie in wesentlichen Teilen dazu dienen, die von der Regierung gegebenen Wahlversprechen (Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber, Einführung eines ohne jede Bedarfsprüfung gezahlten »Kinderbetreuungsgeldes für alle«) finanzieren zu können. Ganz klar ist das z. B. bei den Kürzungsmaßnahmen in der Arbeitslosenversicherung, wo den Arbeitgebern eine Senkung ihrer Beiträge um 0,5 Prozent versprochen wurde. Ohne die massiven Leistungskürzungen könnte dieses Volumen nicht realisiert werden - es sei denn, man würde die gleichzeitig gestellten Budgetziele sofort wieder aufgeben.

    Ähnlich verhält es sich in anderen Bereichen: Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechte werden zusammengestrichen und parallel dazu gibt es Beitragssenkungen für die Arbeitgeber. Die Senkung des Arbeitgeberbeitrags zur Krankenversicherung der Arbeiter um 0,3 Prozent wurde bereits beschlossen (Einnahmenverzicht: 1 Milliarde Schilling). Eine Senkung der Arbeitgeber-beiträge zur Unvallversicherung um 0,2 Prozent (Einnahmenverzicht: 1,7 Milliarden Schilling) und zum Insolvenzfonds um 0,4 Prozent (Einnahmenverzicht: 3,2 Milliarden Schilling) soll laut Regierungsabkommen in Kürze folgen. Für das Jahr 2003 ist schließlich die bereits erwähnte Senkung des Arbeitgeber-beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,5 (Einnahmenverzicht: 3,5 Milliarden Schilling) in Aussicht gestellt.

    Eine solche Form der Sozialpolitik kann von den Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur abgelehnt werden.

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    Josef Wöss (Leiter der Abteilung Sozialpolitik der Wiener Arbeiterkammer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959068374 Die Dreistigkeit und das freiheitliche Prinzip der Treffsicherheit Angesichts der in dieser Publikation immer wieder berichteten Auswirkung der einseitigen Budgetsanierung klingt diese Meldung aus dem »Freiheitlichen Pressedienst« wie blanker Hohn. Am 5. Dezember hatten Gewerkschafter eine Menschenkette rund um das Parlament geschlossen. Rudolf Nürnberger, ÖGB-Vizepräsident und Vorsitzender der Gewerkschaft Metall - Textil, hatte dazu erklärt:

    »Heute und morgen werden im Nationalrat zahlreiche soziale Verschlechterungen für die Österreicherinnen und Österreicher beschlossen. Besonders betroffen sind Arbeitslose, Kranke, Pensionisten, Wenig-Verdiener und Jugendliche. Wir werden nicht zusehen, wie man diese Gruppen einseitig belastet und den Unternehmern Geschenke macht.«

    Als Beispiele für die negativen Maßnahmen nannte Nürnberger unter anderem: Besteuerung der Unfallrenten, Verschlechterungen im »ArbeitnehmerInnenschutz«, Verschlechterungen im Urlaubsrecht, Eingriff in Pensionen, Einführung von Ambulanzgebühren, Erhöhung der Rezeptgebühren, Erhöhung der Gebühren für Pass, Führerschein, Verteuerung der Autobahnvignette, Erhöhung der Kfz-Steuer, Erhöhung der Tabaksteuer.

    Der ÖGB habe, entgegen den Behauptungen von Regierungsseite, zahlreiche Vorschläge zu den verschiedensten Themen gemacht, sie wurden aber bisher verleugnet oder ignoriert. Nürnberger: »Unsere Vorschläge würden die soziale Gerechtigkeit im Land erhalten, sie würden jenen helfen, die es wirklich brauchen, sie würden von denen, die es sich leisten können, einen stärkeren Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft fordern. Was jetzt passiert, ist das genaue Gegenteil.«

    Nürnberger nennt einige Bereiche, für die der ÖGB detaillierte Vorschläge gemacht hat: für aktive Arbeitsmarktpolitik, für Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, für zukunftsorientierte Lehrlingsausbildung, für Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, für verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung, für die Erhöhung von Pendlerpauschale und Kilometergeld, für die Aufrechterhaltung der Bildungskarenz, für die Einführung von einkommensabhängigem Karenzgeld, für höhere Besteuerung der Stiftungen, für die Bekämpfung der Schwarzarbeit.

    Nürnberger: »Mit der Menschenkette wollen wir auch die Abgeordneten daran erinnern, dass sie jene zu vertreten haben, die sie gewählt haben. Und die sind zum allergrößten Teil von den unsozialen Maßnahmen betroffen.«

    In den Worten des blauen Sprechers heißt das im »Freiheitlichen Pressedienst«: »Nun besitzen sie (die Gewerkschafter, Anm. der Red.) noch die Dreistigkeit, die notwendige, aber sozial ausgewogene Konsolidierung des Budgets durch die neue Regierung durch undifferenzierte Attacken innerhalb und außerhalb des Parlaments zu diffamieren und sich in der Erteilung weiser Ratschläge zu überschlagen, wie man es doch besser machen könne.«

    Na, sind die nicht dreist, diese Gewerkschafter? Vielleicht vor allem der Blaue von den »Freiheitlichen Arbeitnehmern«, der in den ÖGB-Bundesvorstand kooptiert ist und dort der Demonstration wie auch dem »Überschlag« bei der »Erteilung von Ratschlägen« zugestimmt hat!

    Arbeitsminister schützt die Unternehmer vor Abeitsinspektoren

    Wenn's nicht so traurig wäre, möchte man fast lachen. Da ist zum Beispiel die vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, dem Industriellen Martin Bartenstein (der neue »Arbeitsminister«), eingebrachte Neuerung im Arbeitsschutz: »Arbeitsinspektorate ohne Amtskappeln«. Was heißt das? Ganz einfach: Arbeitsinspektoren sollen ihre Kontrollen »in der Regel vorher ankündigen«! Na, ist das nicht a Hetz?

    So fragt Erich Gupfinger, Arbeitsschutzexperte von der AK Oberösterreich, »ob auch die Polizei Razzien und Hausdurchsuchungen im Voraus ankündigen muss«.

    »Der Arbeitsinspektor weiß, dass alles viel zügiger geht, wenn der Besuch vorbereitet wird. Wir leben nicht in einer Arbeitswelt, in der Verstecken gespielt werden muss«, so Bartensteins Begründung für seinen Vorstoß. Für Erich Gupfinger ist das blanker Zynismus: »Wir alle wissen, dass Verstecken gespielt wird. Man kann zum Beispiel davon ausgehen, dass bei einer angekündigten Kontrolle in einer Spedition genau an diesem Tag die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer stimmen werden.« »Wenn nicht kontrolliert wird, geht der Arbeitnehmerschutz flöten«, erklärt Gupfinger. Die Arbeitsagenden beim Wirtschaftsministerium anzusiedeln, war falsch und wurde von den Arbeitnehmerorganisationen von Anfang an kritisiert. »Jetzt zeigt sich, was es bedeutet, wenn ein Unternehmer für Arbeitsschutz zuständig ist!«

    Was tut eigentlich der Herr Arbeitsminister in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister? Na, auch dort trifft er einsame Entscheidungen gegen die Arbeitnehmer in unserem Lande. »Da hat die Wintersaison noch gar nicht richtig begonnen und schon bewilligt Wirtschaftsminister Bartenstein 5730 zusätzliche Saisonniers aus Mittel- und Osteuropa für den Tourismus«, empört sich der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD), Rudolf Kaske: »Anstatt dass man sich bemüht, inländische und sich bereits im Lande befindende ausländische Arbeitnehmer wieder in Beschäftigung zu bringen, werden tausende Billigstarbeitskräfte geholt.«

    Der Beispiele wären noch viele, Fazit aber ist: Diese Regierung agiert gegen die Arbeitnehmer! Es liegt an uns allen, die Kollegenschaft aufzuklären!

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    Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Dec 2000 00:00:00 +0100 1200959068364 Besorgnis erregend und peinlich Parlamentsabgeordneter Fritz Verzetnitsch erklärte dazu: »Vom Bundeskanzler höre ich, wir >belagern< das Parlament. Demonstrationen sind nicht verboten, wenn das Parlament tagt. Es muss in der Demokratie hinterfragt werden, warum Grenzblockaden und Bauerndemonstrationen erlaubt sind, aber wenn Arbeiter und Angestellte protestieren, dann ist ihnen das nicht recht.« Verzetnitsch stellte unmissverständlich klar: »Ich sage Ja zum sozialen Dialog, ich sage Nein zum sozialen Diktat!«

    Verzetnitsch nahm im Parlament auch zu den Vorwürfen von Blauschwarz Stellung, Gewerkschafter hätten E-Mail-Adressen und Heimadressen von Abgeordneten weitergegeben. Die vier Parlamentsparteien hätten sich dafür eingesetzt, dass eine Parlaments-Homepage im Internet eingerichtet wird. »Jeder Bürger kann diese Adressen abrufen!«, erklärte Verzetnitsch.

    »Mit der Menschenkette will der ÖGB zeigen, dass die Menschen in diesem Land in Zukunft noch stärker zusammenhalten müssen, denn diese Regierung lässt sie allein«, sagt Rudolf Nürnberger, ÖGB-Vizepräsident und Vorsitzender der Gewerkschaft Metall - Textil. »Der ÖGB nimmt sich das demokratische Recht, gegen unsoziale Pläne der Regierung mit einer Menschenkette zu protestieren«, sagt Nürnberger weiter. »Wenn Landeshauptmänner von Regierungsparteien gegen den Transit in Tirol oder gegen das AKW Temelin protestieren dürfen, dann ist das auch für den ÖGB und seine Gewerkschaften zulässig.«

    In diesem Heft gibt es zwei Beiträge, die ähnliche oder fast gleiche Themen behandeln, allerdings mit unterschiedlichem Ansatz. Sowohl Thomas Lachs, ehemaliger Direktor der Nationalbank, als auch Thomas Zotter, Mitarbeiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK, beschäftigen sich mit dem »Euro« und seiner Schwäche gegenüber dem Dollar. Der Leser kann selbst entscheiden, welcher Beitrag seinen Ansprüchen eher gerecht wird und für ihn der informativere ist. Wir hoffen, dass unsere Leserinnen und Leser auch in diesem Heft genügend grundsätzliche Informationen finden, die sie auch weitergeben können.

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    Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442210 Inhalt Ausgabe Jänner 2000 Editorial
    (Von Siegfried Sorz)

    Verzetnitsch: Vollbeschäftigung und sozialer Schutz stehen im Mittelpunkt

    »Menschenrechte 2000«

    Frieden: Vom Saulus zum Paulus

    Seitenbisse
    Hirnlos

    Vorschau und Redaktionsschluss

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    AK-Befragung: Mehr Zukunftsoptimismus - Verzetnitsch: Menschen sind mehr wert als Geld - Sportler: Berufliche Rahmenbedingungen regeln! - Pensionen 2000: Kein Verlust der Kaufkraft - Wohnbauförderung: Zweckbindung muss aufrecht bleiben * AK kritisiert Cyber-Apotheken - Kärnten: Kinderscheckdebatte endlich beendet

    Frauen barfuß ins Gewächshaus
    (Kommentar von Frank Braßel)

    Jugend
    ÖGJ: Frei(e) Fahrt für Jugendliche in Ausbildung

    Sozialpolitik auf dem Weg in ein neues Jahrtausend
    (Von Hans Sallmutter)

    Wirtschaft
    Die Konjunkturprognose der OECD: Jetzt geht's aufwärts!

    Lebensberatung
    Geld beherrscht die Welt! Beherrschen Sie Ihr Geld? - Frühaufsteher sind gestresster

    Gesundheit
    Wie viel Kontrolle braucht Hygiene? - Kampfansage aus Straßburg: »Rauchen tötet«. Goldene Zukunft für Bioprodukte

    WTO-Runde in Seattle: »Das Nirwana des weltweit freien Marktes...«
    Wie wirkt der WTO-Vertrag und was sind seine Zielsetzungen? (Von Ernst Tüchler)

    Konsumenten
    Geförderte private Pensionsvorsorge: ...und die Nachteile?

    Arbeitsverfassung
    DO & CO: Nervenkrieg vor der Betriebsratswahl

    O du mein Österreich

    Der Besuch des reichen Onkels
    Interview mit Franz Riepl, Zentralsekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie

    Genau betrachtet
    Das andere Österreich

    Europa
    Brüssel: EU-Kommission gegen Vogelhändler - Scharfe Rüge für EU-Finanzen - Schweiz: 88.000, 18.000, 17.000 - Wien/Brüssel: 16 Milliarden für österreichischen Arbeitsmarkt - Brüssel: Ortstelefonate zu teuer

    Damals in der A&W

    Frauen
    »Man hat nur ein Leben...« - Staatszirkus: Eisbären, Opfer der deutschen Einheit

    Wirtschaft kurz
    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    »Verankerung in den breiten Massen der Arbeiter und Angestellten...«
    Die ersten Arbeiterkammerwahlen in der Zweiten Republik (Von Walter Göhring und Agnes Broessler)

    Bücher

    Internationales
    Tokio: Schröder will »Bündnis für Arbeit« * Rom: 1785 S plus jährlich * Italien: IWF schlägt Alarm

    Kunst
    Photographie in Wien 1918-1938 - Eine Ausstellung im Bildungszentrum der AK

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442207 Inhalt Ausgabe Februar 2000  Streitpunkt »Pensionen«
    A&W-Gespräch mit AK-Präsident Herbert Tumpel

    Energisch gegen den Ausverkauf von Arbeitnehmerinteressen
    A&W-Gespräch mit dem oberösterreichischen AK-Präsidenten Hubert Wipplinger

    Wir sind den Arbeitnehmern verpflichtet und sonst niemandem
    A&W-Gespräch mit dem Salzburger AK-Präsidenten Alexander Böhm

    Mit aller Kraft für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
    A&W-Gespräch mit dem Tiroler AK-Präsidenten Fritz Dinkhauser

    Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Globalisierung muss ein menschliches Gesicht haben * Verzetnitsch: Plädoyer für passives Wahlrecht von Ausländern * Arbeitsrechtliche Mindeststandards erhalten * Beamtengehälter: Positiver Abschluss * Gewerkschaft Bau-Holz: Lkw-Maut oder Baustopp und Arbeitslosigkeit AK-Studie: Handelsangestellte sind unzufrieden

    Seitenbisse
    Bitte alle einsteigen!

    Genau betrachtet
    »Katzen« und Vorurteile

    Es gibt nur einen...
    ...der im Betrieb Ihre Rechte vertritt: Ihr Betriebsrat (Von Ernst Weber, Bernhard Achitz und Dinah Djalinous)

    Wirtschaft
    Fusionen: Small is beutiful? (Bericht von einer Diskussion)

    Wirtschaft kurz

    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    Damals in der A&W

    Bildung
    Die Zukunft der Mitbestimmung - 4. Franz-Senghofer-Symposium »Vertrauen ist gut - Betriebsrat ist besser« * Hugo Pepper: Mehr als ein halbes Jahrhundert gute Bildungsarbeit!

    Modell Neuseeland?
    Reformen zu Lasten ärmerer Bevölkerungsschichten (Von Bruno Rossmann)

    Europäische Union
    Helsinki: Ein Licht verheißt noch keinen Feierabend * Brüssel: Stagnierender Schuldenberg * Straßburg: Sozialrecht gilt en passant im Ausland * Brüssel: Klarheit bei Steaks * Brüssel: Paket für Diskriminierungsopfer * Bahn: EU akzeptiert Österreichs Weg

    O du mein Österreich

    Frauen
    Pipi Langstrumpf hat's gut!

    Das Jahrhundert des Faschismus
    (Ein zeitgeschichtlicher Überblick von Kurt Horak)

    Internationales
    Deutschland: Wie 57.000 Arbeitsplätze gerettet wurden * Deutschland: Tauziehen um Eisenbahnerwohnungen * Polizei stürmte Fabrik * US-Dauerkrieg gegen den Irak * Club of Rome: Kampf der Armut

    Buch
    Sozialleistungen im Überblick: Das Lexikon des Sozialstaats Österreich

    Man kann nicht alles wissen
    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

     

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442204 Inhalt Ausgabe März 2000 Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes

    Startveranstaltung »Land der Menschen - reden wir darüber«

    Leserforum

    Streitpunkt Arbeitsmarktpolitik
    A&W-Gespräch mit AK-Präsident Herbert Tumpel

    »Regierungspläne stellen 13. und 14. Gehalt in Frage«
    A&W-Gespräch mit dem Kärntner AK-Präsidenten Josef Quantschnig

    Für Arbeitnehmervertreter läuten die Alarmglocken
    A&W-Gespräch mit dem burgenländischen AK-Präsidenten Ernst Piller

    Seitenbisse
    Kampf der Generationen

    Vorschau

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Zerschlagung des Sozialministeriums: Arbeitnehmer der Wirtschaft ausgeliefert * Typische Haider-Ente

    Europäische Union Straßburg:
    Neue EU-Verfahren gegen Österreich * Lissabon: Beschäftigung: EU-Sondergipfel

    Redaktionsschluss

    Österreich »neu« und blauschwarz
    Autoritäre Wende in der Arbeitsmarktpolitik (Von Josef Wallner)

    Wirtschaft kurz
    Neues Produktionswerk: Funder investiert in Naturfasern * Erdbeben: Erfolgreiche Suchhunde in der Türkei * Spielbank: Casinos Austria erweitern in Palästina * Umsatzplus: Bene im In- und Ausland erfolgreich * Secession: Bestes Klima * Strom: Verbund liefert nach Sachsen

    Arbeitsmarkt/Verbraucherpreisindex

    Das Ende der Sozialpartnerschaft?
    (Kommentar von Karl Klein)

    Der Staatshaushalt
    Belastungen und Begünstigungen (Von Bruno Rossmann)

    Damals in der A&W

    Gesundheit
    Gegen einseitige Bestrafung der Kranken: Vernünftige Alternativen * Zur Frage des Selbstbehaltes: Nein zu jeder Krankensteuer

    Neoliberalismus
    Trendsetter gegen Gewerkschaftsbewegung und Sozialstaat (Von Brigitte Pellar)

    Betriebsrat - Recht und Praxis
    Betriebsänderung und Sozialplan

    Frauen

    Genau betrachtet
    Der »schwarze Freitag«

    Ausländer stinken
    Workshop des ÖGB-Bildungsreferats über »Migration und Integration auf dem Arbeitsmarkt«

    FPÖVP-Pakt
    Belastungspaket: In den Auswirkungen extrem unsozial und ungerecht (Von Richard Leutner)

    O du mein Österreich

    Ausstellung
    »Vollendet - Unvollendet«: Paul Cézanne in Wien

    Internationales
    Wien: Österreich übernahm OSZE-Vorsitz * Neu Delhi: WHO plant Stopp der Kinderlähmung bis Jahresende * Österreich: Trend: Weniger Kinder - mehr Ältere * Tokio: Der Welt droht ernster Wassermangel * Schweiz: Aus für Schmiergelder

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

     

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442201 Inhalt Ausgabe April 2000 Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Arbeiterkammerwahlen: Klarer Trend erkennbar

    Durchschaubares Manöver: Regierung will Kritikern Geld wegnehmen

    Die Menschen durchschauen dieses unehrliche Spiel
    A&W-Gespräch mit dem niederösterreichischen AK-Präsidenten Josef Staudinger

    Sozialabbau beginnt mit Zerschlagung der Interessenvertretung
    A&W-Gespräch mit dem steirischen AK-Präsidenten Walter Rotschädl

    Arbeiterkammerwahlen: Es geht um viel!
    (Von Josef Cerny)

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Regierung hält am Belastungspaket für Mieter fest * Etappensieg bei Urlaubsaliquotierung * AK-Präsident Tumpel kritisiert Regierungspläne * Kfz-Steuer und Mautvignette: Drastische Erhöhungen * Post: Personalvertreter setzen sich mit Klage beim Arbeitsgericht durch * Eisenbahnergewerkschaft: Arbeitskampf? * ÖGB-Vize Nürnberger: Kleine zahlen drauf, Kranke werden bestraft * Begutachtungsrecht: Regierung soll AK endlich zu Verhandlungen einladen * AK lehnt Belastungspaket ab, das auf Kosten der Öffi-Benutzer und Pendler geht * AK: Grundgebührenbefreiung muss gesichert bleiben * Rudolf Häuser: Er prägte die österreichische Sozialpolitik

    Konsument
    FPÖVP: Abschalten beim Konsumentenschutz

    Privatisierung
    Der Ausverkauf Österreichs: Die Regierung verkauft das Familiensilber * Scharfer Protest gegen Privatisierungspläne der Austria Tabak

    Damals in der A&W

    Sozialversicherung: Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung
    (Von Tom Schmid)

    Selbstverwaltung: Herzstück der Sozialversicherung
    (Kommentar von Hans Sallmutter)

    Wo bleibt die Menschlichkeit?
    (Kommentar von Franz Bittner)

    Frauenpolitik aufgegeben
    Das Regierungsprogramm aus frauenpolitischer Sicht

    Betriebsrat und Arbeitswelt
    Die Arbeitsmedizin hat Zukunft

    Genau betrachtet
    Schon wieder Opfer?

    Meinungsforschung
    Weiter große Mehrheit für Verbleib in der EU

    EU-Osterweiterung
    (Kommentar von Ernst Tüchler)

    Internationales
    Deutschland: Lohnangleichung Ost-West - notfalls Streik * Computerexperten gesucht * USA: Ford zahlt 53 Millionen S wegen Diskriminierung von Minderheiten * UNO warnt vor Überalterung Europas * Guatemala: Gewerkschaften in Wartestellung

    O du mein Österreich

    Bücher
    Kritik an der Sozialdemokratie - Oskar Lafontaine: Das Herz schlägt links * Paul Blau: Das Erbe verschleudert, die Zukunft verspielt

    Bildung
    Ferien: ÖGB-Kinderangebote in Wien * Kulturangebot für Betriebsaktionen

    Man kann nicht alles wissen

    An alle AK-Mitglieder und Betriebsräte: Resolution gegen Zerschlagung der Arbeiterkammern

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Titelbild: ÖIAG, Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442198 Inhalt Ausgabe Mai 2000 Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Leserforum

    Seitenbisse
    Scheinheilig

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Bahnbeschäftigte: Für fairen Wettbewerb zwischen Schiene und Straße * AK testet Reisebüros * AK kritisiert Verteuerungen der Wohnungen durch die Regierung: Tumpel lehnt Budgetsanierung auf Kosten der Mieter und Eigentümer ab

    Personelles
    Neue ÖGB-Pressechefin: Annemarie Kramser * Neuer Chef des Pichler Verlags

    Berufsbildung
    CEDEFOP

    Budget 2000
    »Ein Sparpaket ohne Schwerpunktsetzungen, aber mit negativen Auswirkungen auf Verteilung und Beschäftigung« nennt Autor Bruno Rossmann das neue Budget. Noch ehe Karl-Heinz Grasser bestellt wurde, zog er die vom scheidenden Finanzminister Edlinger vorgelegten Budgetprognosen in Zweifel. Erst ein Kassensturz sollte die budgetäre »Wahrheit« ans Tageslicht bringen. Für Insider und Experten kam es wenig überraschend, dass das von Grasser prognostizierte Nettodefizit und der Konsolidierungsbedarf für das Jahr 2000 fast punktgenau mit dem seines Vorgängers übereinstimmten. Der Wunsch der neuen Bundesregierung war es, an ihren Maßnahmen und Programmen gemessen zu werden. Für die Beurteilung des Budgets 2000 werden die traditionellen Zielsetzungen Wachstum, Beschäftigung, Preisstabilität, Verteilungsgerechtigkeit und Verbesserung der Umweltqualität herangezogen... (Von Bruno Rossmann)

    Genau betrachtet
    Einer gegen die Verhaiderung

    Betriebsrat und Arbeitswelt
    Arbeitnehmerschutz im Internet

    Konsumentenpolitik
    Weißbuch Lebensmittel

    Gesundheit
    Rehabilitation von Unfallopfern gefährdet

    Ab die Post?
    Der Ausverkauf geht weiter: im Namen der Steuerzahler gegen Beschäftigte und Konsumenten - heißt es im Untertitel dieses Beitrags von Wilfried Leisch. »Die derzeit bestehenden Verbindlichkeiten der ÖIAG (Österreichische Industrieholding Aktiengesellschaft) und PTBG (Post- und Telekom-Beteiligungsverwaltungsgesellschaft mbH) sind in der kommenden Legislaturperiode durch Privatisierungserlöse zu tilgen. Damit soll die Haftung der Steuerzahler für die Altschulden endgültig und dauerhaft entfallen.« So die scheinbar unauffällige und für den Steuerzahler nett klingende Passage unter dem Titel »Neuorganisation der ÖIAG« des FPÖVP-Koalitionsabkommens. Warum wirft der Finanzminister dabei im Besonderen ein begehrliches Auge auf Telekom, Post und P.S.K.? Was haben die Steuerzahler wirklich davon? (Von Wilfried Leisch)

    Soziales
    Wo lebt meine Spende?

    Personenfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit
    Bei der Erweiterung sind Probleme der Migration und des Pendelns besonders brisant. Mögliche negative Auswirkungen für den Arbeitsmarkt sollten weder verleugnet noch als übertrieben abgetan werden, meint die Autorin Angela Orsolits. Genauso wenig darf aber die Diskussion missbraucht werden, um fremdenfeindliche Gesinnung zu schüren oder gegen die Erweiterung insgesamt zu agitieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Den Gewerkschaften ist es ein wesentliches Anliegen, die ökonomischen und sozialen Konsequenzen zu verdeutlichen, sachlich zu diskutieren und Lösungen abzuleiten... (Von Angela Orsolits)

    Bücher
    Rosa Jochmann: Nie zusehen, wenn Unrecht geschieht * Roda Roda: Rote Weste und Monokel * Elisabeth Mann Borgese: Mit den Meeren leben

    Bildungsscheck & Bildungskonto
    Viele reden darüber - alle reden von etwas anderem. Dahinter steht die Frage, wie das Bildungssystem in Zukunft finanziert werden soll. Ein Vergleich der bestehenden Bildungsangebote ergibt, dass Teilnahmechancen an Weiterbildung in den Bundesländern unterschiedlich angeboten werden. Die Programme sollten harmonisiert werden, um allen Arbeitnehmern in allen Bundesländern gleiche Chancen einzuräumen, stellt Autor Michael Tölle fest. Er untersucht auch ausländische Modelle auf ihre Wirksamkeit und zeigt Vor- und Nachteile auf. (Von Michael Tölle)

    Wirtschaft kurz

    O du mein Österreich

    Europäische Gewerkschaftspolitik ist Innenpolitik
    A&W-Gespräch mit Dieter Schulte, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes

    Internationales
    Armut ohne Ende * Schlupfloch für Sozialdumping * 31 Millionen Amerikaner hungern * Kritik an Balkan-Stabilitätspakt

    Damals in der A&W

    Man kann nicht alles wissen

    Die Regierung will die Arbeitnehmer mundtot machen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Titelbild: ÖIAG, Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB, Titelbild: Buenos Dias

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442192 Inhalt Ausgabe Juni 2000 Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    »Ab die Post?« (letzter Stand)

    Arbeitsmarkt und Verbraucherindex

    »Und dann beschloss der König...«
    (Die aktuelle politische Karikatur)

    »Die Wähler haben uns gestärkt«
    Das aktuelle A&W-Gespräch mit Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel

    Seitenbisse
    Schnitzelverräter

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Hausbesorger-Kehraus * Metaller-Textiler-Fusion: Ein sinnvoller Weg für mehr Stärke! * AK-Beitragsdebatte: Taktische Kriegsführung * Getränkesteuer: Milliardenverluste für die Gemeinden drohen * ÖGB-Sekretär Leutner: Pensionsreform ist unsozial * Bildung: GPA befürchtet scharfe Kürzungen * Eisenbahner: Regierung plant Enteignung der Rücklagen

    Arbeitsverfassung
    Kontrollrechte des Betriebsrats

    Vollbeschäftigung in Zeiten der Globalisierung?
    (Von Heiner Flassbeck)

    Wirtschaft
    Neue Milliarden für den Agrarsektor?

    McJobs: Geringfügig dabei
    Aus dem Leben der 3977-Schilling-Menschen (Von Gabriele Müller)

    Damals in der A&W

    Die Verdammten des Cyberspace
    (Kommentar von Serge Halimi)

    Konsumenten
    Alternativen zu »Ex und hopp« gefragt

    Unfairness statt Aktion Fairness
    (Kommentar von Christoph Klein)

    Arbeitszeit
    Bei Bedarf rund um die Uhr

    Von der »Aktion Fairness« bleibt nicht einmal der Name
    (Kommentar von Bernhard Achitz)

    Arbeitszeit
    Arbeitszeitmodelle, die das Leben schreibt

    Frauen
    Netzwerke statt Netzstrümpfe * USA: Millionenbuße wegen Diskriminierung

    Bildung
    Brüssel: Internet für alle

    Buch
    E. Tálos: Atypische Beschäftigung - Internationale Trends und sozialstaatliche Regelungen, Europa-USA

    Genau betrachtet
    »Hump oder dump« und »Geblödel«

    Gebühren fürs Studieren?
    Neue Hürden für sozial Schwächere (Von Martha Eckl)

    Internationales
    Uni - eine neue Internationale für das 21. Jahrhundert * Deutschland: Die Mitbestimmung darf nicht gefährdet werden * IBFG-Kongress tagte in Südafrika: Verhaltensregeln für Multis * Österreich/BRD/Schweiz: Postgewerkschaften - Gemeinsame Strategien * Ungarn: Gegen Gewerkschaften * Brüssel: Öffentliche Dienste vor EU-weiter KV-Politik

    O du mein Österreich

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: J. Ulrich

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442189 Inhalt Ausgabe Juli/August 2000 Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Aus Kammern und Gewerkschaften
    ÖGB-Aktion »Zug des Grauens« * Im ÖGB sind 1,465.164 Arbeitnehmer organisiert * Gewerkschaft HGPD: Beschäftigungsskandal zu erwarten * Gemeindebedienstete: Schwere Rückschläge durch die Regierung. Historischer Gewerkschaftstag Metall - Textil: Erweiterung der EU ist unabdingbar

    Seitenbisse:
    Stülpen Sie sich nach außen

    Pension - der unfinanzierbare Moloch?
    (Von Tom Schmid)

    Umfrage:
    Mehrheit wollte eine andere Regierung

    Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000
    (Von Richard Leutner)

    Damals in der A&W

    Betriebsrat und Arbeitswelt
    Gesund bleiben in der Arbeitswelt * Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz in Gefahr * Sicherheitsfachkräfte: Vorwärts, es geht zurück

    Arbeiterkammerwahlen:
    Die Arbeitnehmer wollen eine starke Interessenvertretung!
    (Von Josef Cerny)

    Konsumentenpolitik
    Ökofrust und Konsumleidenschaft: Chancen für die Ökologisierung von Konsum?

    O du mein Österreich

    Weg mit den Alpen - freie Sicht aufs Mittelmeer!
    (Kommentar von Karl Klein)

    Wirtschaft kurz

    Internationales
    Papst: »Globalisiert die Solidarität!« * Norwegen: Fünfte Urlaubswoche erkämpft * Frankreich: Air France teilgelähmt * Paris: Streik im Louvre * Frankreich: Asylregion für verfolgte Literaten * Italien: 300.000 jugendliche Schwarzarbeiter

    Flexomania
    Wie man sich mit ideologischen Scheuklappen den Arbeitmarkt vermiest
    (Von Sepp Zuckerstätter)

    Arbeitsverfassung:
    Feststellungsklage durch den Betriebsrat

    Bücher
    Mit »Mehr privat« ist kein Staat zu machen (Erwin Weissel: Politik für Profiteure) * Chicago in beiderlei Bedeutung (José Piñera: Pensionsreform)

    Genau betrachtet:
    Haiders Rücktritt gefordert

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: PIX

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442183 Inhalt Ausgabe September 2000 Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Leserforum

    Seitenbisse:
    Tage der Tage

    Redaktionsschluss, Vorschau

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    GPA auf neuen organisatorischen Schienen

    Das Herz der Bewegung
    Interview mit Roswitha Bachner, neue Leitende Sekretärin im ÖGB

     Pensionsreform 2000
    Die Verschlechterungen im Pensionsrecht konkret (Von Richard Leutner)

    Damals in der A&W

    Zivildiener in Not
    (Kommentar von Albert Maringer)

     Die Gewerkschaft war immer eine Kampforganisation
    (Kommentar von Günter Weninger)

    Soziales
    Luxemburg: Keine Diskriminierung aus Budgetnöten

    Wirtschaft
    OECD-Prognose: Wirtschaftsaussichten weiter verbessert • Finanzausgleich: Abgestufter Bevölkerungsschlüssel

    Buch
    Lehrend und nicht belehrend (André Fourçans: Die Welt der Wirtschaft)

    Bildung
    »Wissen ist Macht« - Luitpold-Stern-Preise 2000

     ÖIAG: Rausverkauf - der letzte Akt?
    Hintergründe und Alternativen (Von Wilfried Leisch)

    Unser Katechismus ist das Aktienrecht
    Interview mit Rudolf Streicher

    Die Zeit des Redens ist fast abgelaufen
    Interview mit Helmut Oberchristl

    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    Konsumentenpolitik
    Schmuck und Lebensmittel: Das »Aus« für die amtliche Überwachung

    Arbeitsrecht
    Arbeit ohne Schutz: Zur Situation atypischer Berufe

    Betriebsrat und Arbeitswelt
    Arbeitnehmerschutz in schwierigen Zeiten

    Arbeitsverfassung
    »Rücktrittt« von einvernehmlicher Auflösung

    Bildung
    ÖGB/AK-Fernlehrgang 2000: Lernen für die Arbeit im Betrieb

    O du mein Österreich

     Zwischen Rot und Grün
    Bemerkungen zur Zukunft des Beschäftigungsproblems (Von Kurt W. Rothschild)

    Internationales
    Brüssel: Website für EU-Bürger - »Europe direct« • Washington: Kluft zwischen Arm und Reich wächst • Straßburg: Europarat rügt herrschenden Rassismus • Genf: UNO will Armut halbieren • Brüssel: Athen zahlt täglich 275.000 Schilling Strafe

    Genau betrachtet:
    Ungeliebte Volksbefragung

    Man kann nicht alles wissen

    Ist das »Fairness«?
    (Arbeitsrechtsänderungsgesetz 2000)

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: PIX

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442139 Inhalt Ausgabe Oktober 2000  Kommentar:
    Mythos Nulldefizit

    Leserforum

    Seitenbisse:
    Im Tal der Tränen

    Redaktionsschluss, Vorschau

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Bundesländertheater: Kurz vor dem Aus • ÖGB-Sekretär Leutner: Regierung verursacht massive soziale Schräglage • ÖGB-Vize Johann Driemer: Massive Auftragseinbrüche in der Bauwirtschaft • Gewerkschaft Öffentlicher Dienst: Null-Lohnrunde ist indiskutabler Vorschlag

    Mitwirken, nicht einlullen lassen!
    Das aktuelle A&W-Gespräch mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch

    Jugend
    Sind Lehrjahre Kehrjahre?

    Krankensteuer:
    Wie die Kranken zur Kasse gebeten werden (Von Helmut Ivansits)

    Arbeitsverfassung
    Der allgemeine Kündigungsschutz I

    Frauen
    ...und manche sind doch gleicher

    Arbeitswelt
    »InForm« - Gute Haltungen und Bewegungen bei der Arbeit

    Kampf gegen rechts
    ( Kommentar von Albert Kaufmann)

    Buch
    Das Schreckgespenst Wettbewerbsunfähigkeit (Paul Krugmann: Der Mythos vom globalen Wirtschaftskrieg)

    35-Stunden-Woche in Frankreich
    (Von Christian Dufour)

    Rassismus
    Die deutschen Neonazi und wir

    Wirtschaft kurz
    Neuorientierung: Zwei Druckriesen unter einem Dach • Marktführer: Mobilkom auf dem Balkan aktiv • Expansion: Faserplatten für Autos

    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    Genau betrachtet
    »Einer von uns«

    O du mein Österreich

    Bildung als wichtiger Standortfaktor im globalen Wettbewerb
    (Von Ortrun Gauper)

    Damals in der A&W

    Zeitgeschichte
    Adolf Czettel: Pragmatiker mit Visionen • Oktober 1950: Generalstreik oder Putsch?

    Bildung
    AK-Sozialakademie: Projekte und Themen

    Internationales
    Ungarn: Gewerkschaften wehren sich • Deutschland: Ladenschluss: Streik vor Weihnachten? • Deutschland: Der Adel vertreibt die Adler • USA: Rote Karte für Nike

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442133 Inhalt Ausgabe November 2000 Editorial

    Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Resolution
    Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes vom 9. November 2000

    »Eine Regierung gegen die Arbeitnehmer« 
    A&W-Gespräch mit AK-Präsident Herbert Tumpel
    Das »Crash-Budget« der Regierung führt zu einer Rekordinflation und gefährdet massiv Wachstum und Beschäftigung, erklärt Tumpel, der sich auch mit den Angriffen auf die AK und den Leistungen dieser Institution beschäftigt ...

    Seitenbisse
    Hexensprüche

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    AK: Massiver Protest gegen Sozialabbau * Osterweiterung: AK plädiert für Umsicht * Ärzte klagen über katastrophale Arbeitsbedingungen * GPA: Heißer Herbst * Arbeitnehmerschutz: Rückkehr ins vorige Jahrhundert

    Redaktionsschluss, Vorschau

    »...wenn es im Geldbörsel spürbar wird«
    A&W-Gespräch mit HGPD-Vorsitzendem Rudolf Kaske
    Der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) gilt als Medienprofi, der immer für »einen Sager« gut ist und der provokant wichtige Diskussionen ausgelöst hat, wie zuletzt zum Beispiel über die Saisonniers.

    O du mein Österreich

    Gesundheit
    Fünf gute Gründe - Rechnungshof befürwortet die Erhaltung der Kassen-Ambulatorien * Wer krank ist, ist selber schuld?

    Wer trägt die Last?
    Österreich ist kein »Sanierungsfall« - Mit einem sozial unausgewogenen Belastungspaket zum »Nulldefizit« (Von Bruno Rossmann)
    Bereits ab dem Jahr 2002 soll Österreich ein ausgeglichenes Budget haben. Der Weg zur Erreichung des Nulldefizits blieb zunächst völlig offen, erst nach und nach gab die Regierung die Sparpläne bekannt. Ist dieser Katastropheneinsatz notwendig? Was bedeutet er für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Das sind die zentralen Fragen, die in diesem Beitrag näher beleuchtet werden sollen ...

    Rund um das Ölpreistheater
    (Kommentar von Erwin Weissel)

    Einsparungen und Sozialabbau
    »Soziale Treffsicherheit« als Geldregen für den Finanzminister (Von Agnes Streissler)
    Die Regierung hat ihr am 19. September im Ministerrat beschlossenes Maßnahmenpaket mit den Worten »Erste Schritte zur Hebung der sozialen Treffsicherheit« übertitelt. Abgesehen von der wenig versteckten Drohung, dass »ersten« Schritten ja meist auch noch weitere folgen, stellt sich vor allem die Frage, was denn diese in den letzten Monaten so viel beschworene »soziale Treffsicherheit« sein könnte ...

    Genau betrachtet
    Die Regierung provoziert

    Frauen
    Ganzer Lohn

    Buch
    Keine Demokratie ohne starke Gewerkschaften (Herbert Marcuse: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie)

    Wirtschaft
    Achtung: Steuersenkung

    Damals in der A&W

    Verschleuderte Lehrlinge
    Die Lehrlingspolitik der derzeitigen Bundesregierung (Von Gabriele Müller)
    Betrachtet man Jugendliche als Humankapital, beginnt das Ausbildungsjahr 2000/2001 mit bedenklicher Verschleuderung. Die tragenden Fäden des Auffangnetzes für jugendliche Lehrstellensuchende (einer der Schwerpunkte des Nationalen Aktionsplanes NAP) wurden durch die Streichung der Ausbildungsstiftungen gezogen. Aus sozialpädagogischer Sicht »eine Katastrophe«, urteilt der Wiener Erziehungswissenschafter Johannes Gstach, »die auch volkswirtschaftlich belastende Konsequenzen haben wird«.

    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    Bildung
    Bildungschancen statt Studiengebühren

    Ende der Parität
    Überlegungen zum veränderten Handlungsrahmen der Gewerkschaft (Von Ferdinand Karlhofer)
    Dieser Diskussionsbeitrag sollte Anstöße zum Nachdenken geben: Wie geht's den Gewerkschaften jetzt? Wie verhalten sich die »Partner« zueinander? Wie ist das Gleichgewicht der Verbände und wie ihr Verhältnis zur derzeitigen Regierung? Wie steht es um die Fraktionen und Mandatare? Vielleicht haben gerade Sie, werter Leser und werte Leserin, eine ganz andere Meinung dazu?

    Arbeitsverfassung
    Betriebsrat: Recht und Praxis - Der allgemeine Kündigungsschutz (II)

    Konsumenten
    Augen auf beim Blumenkauf! - Rosen aus fairen Arbeitsbedingungen jetzt auch in Österreich

    Internationales
    Brüssel/Wien: Verzetnitsch fordert Garantie für EU-Charta * Deutschland: Multis brauchen transnationale Gegenmacht * Brüssel: Ineffizient wie vor 30 Jahren

    Leserforum

    Man kann nicht alles wissen

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

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    [startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166442129 Inhalt Ausgabe Dezember 2000 Editorial

    Leitartikel
    (Von Siegfried Sorz)

    Leserforum 

    Bildung und Solidarität
    A&W-Gespräch mit Franz Mrkvicka

    Frauen 
    »Viel Überzeugungsarbeit ist notwendig«

    Seitenbisse
    Das Innenleben der Hühner

    Redaktionsschluss, Vorschau

    Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
    Ladenschluss: Erneute Debatten * Pensionisten: Kalter Winter steht bevor * Stiftungssteuer: Nur ein PR-Gag? * Arbeitnehmerschutz: Keine Lockerung der Kontrollen

    Sozialabbau treffsicher
    Eine Bestandsaufnahme der Sozialpolitik der derzeitigen Bundesregierung
    (Von Josef Wöss)
    Die neue Bundesregierung ist seit Februar im Amt. Inzwischen sind 9 Monate vergangen - 9 Monate, die in der Sozialpolitik tiefe Spuren hinterlassen werden. Auf der einen Seite werden Pensionen, Unfallrenten, Arbeitslosengeld, Urlaubsentschädigungen etc. massiv gekürzt, auf der anderen Seite wird eine Senkung der Sozialbeiträge der Arbeitgeber um insgesamt fast 10 Milliarden Schilling in Aussicht gestellt, milliardenteure neue Sozialleistungen sollen ohne jede Bedarfsprüfung eingeführt werden...

    Die Gewerkschaftsbewegung trauert um Prof. Josef Eckl

    Globalismus - Vom Kopf auf die Füße
    (Kommentar von Wolfgang Weinz)

    Missbrauchsdebatte im neuen Outfit
    Der Sozialstaat und seine Leistungen und die Diskussion über Aus-, Um- und Abbau
    (Von Gabriele Schmid)
    Die Bundesregierung hat sich in ihrem Budgetprogramm 2000 bis 2003 vorgenommen, »sich im sozialen Bereich auf strukturelle Anpassungen bei den Pensionen und die Verbesserung der Zielerreichung bei Sozialleistungen zu konzentrieren«. Und: »Die Zielsicherheit öffentlicher Leistungen wird erhöht, indem die Sozialleistungen stärker auf die tatsächlich Hilfsbedürftigen konzentriert werden.« Titel dieser Ziele: »Erhöhung der sozialen Treffsicherheit«...

    Internationales
    Wien: »Zensur brutal«: 87 Journalisten getötet * New York: UNO: Menschen werden immer älter

    Buch
    Gefährliche Halbgelehrtheit (Georg Mautner Markhof: Der verspielte Wohlstand. Falsche Politik gefährdet unsere Zukunft)

    Genau betrachtet
    Bröckelt die »Front«?

    Ein schwacher Euro?
    (Von Thomas Lachs)
    »Aus dem Euro ist aber eine recht schwache Währung geworden!« - diese Meinung hört und liest man immer wieder. Doch schon eine kurze Gegenfrage zeigt, dass die wenigsten Kritiker überhaupt eine Vorstellung davon haben, wann man eine Währung als stark oder schwach bezeichnet. Ganz einfach ist die Sache auch nicht. Denn wie so oft in der Sprache der Volkswirtschaft wird auch hier für völlig unterschiedliche Dinge das gleiche Wort verwendet. Wenn man eine Währung als stark bezeichnet, kann man damit den inneren oder den äußeren Wert dieser Währung meinen. Und das ist durchaus nicht immer dasselbe, es ist sogar oft ganz verschieden...

    O du mein Österreich

    Die Europäische Zentralbank in der Euro-Falle?
    (Von Thomas Zotter)
    Der Euro hat seit seiner Einführung gegenüber dem Dollar rund fünfundzwanzig Prozent verloren. Ist er, wie ein österreichischer Landespolitiker ihn einmal nannte, »eine Fehlgeburt«, leidet er an einem Schwächeanfall, oder gibt es jenseits des Atlantiks Gründe für die spiegelbildliche Stärke des Dollars? Auf jeden Fall sollten wir eines nicht vergessen: »Ein Euro ist ein Euro.« Seine »innere« Stärke liegt in der Kaufkraft in Europa, und die ist relativ stabil. Sein Außenwert ist nur eine Seite der Medaille...

    Damals in der A&W

    Betriebsrat und Arbeitswelt
    CD-ROM: Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

    Integration: Mehr als ein Schlagwort
    (Von Gabriele Müller)
    In der Diskussion um die Integration von Ausländern hat die Gesellschaft eine Chance, die Fundamente neu zu prüfen, auf denen sie stehen will. Statt neue Freund-Feind-Bilder zu produzieren, wäre es Zeit, die Politik einer Entwicklung anzupassen, aus der es keine Umkehr gibt: einer Reise in das unbekannte Land, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft leben. Es ist keine unbeschwerte Touristentour mit Multi-Kulti-Trubel oder gönnerhafter Freundlichkeit dem Fremden gegenüber. Konkretes leistet hier das »Unterstützungskomitee zur Integration von AusländerInnen« (UKI).

    Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

    Internationales
    BDI folgt dem DGB: Deutsche Industrie gegen Rechtsradikale * Berlin: Jeder elfte Deutsche ist arm

    Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Korp.

     

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