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Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959068354 Zukunft auch für sozial Benachteiligte? | Über die Verteilungswirkungen der geplanten Maßnahmen zur Erreichung des Nulldefizits auf die Arbeitnehmer Verteilungswirkungen sind nicht leicht zu quantifizieren, besonders wenn es so eine unzureichende Datenlage wie in Österreich gibt. Da es bis heute aufgrund der schlechten Erfassung der selbständigen Einkommen keine seriösen Untersuchungen zum Thema Verteilungswirkungen des öffentlichen Haushalts auf Selbständige bzw. Landwirte gibt, konnte die Unternehmensseite hier nicht miteinbezogen werden. In diesem Artikel wird der Versuch unternommen, die Auswirkungen der errechneten Belastungspakete auf untere, mittlere und obere Einkommensgruppen von Arbeitnehmern einzuschätzen.

Umverteilung durch Staatsausgaben

Dies geschieht folgendermaßen: Erst wird die Summe aller Arbeitnehmerhaushalte (einschließlich Pensionisten) errechnet und dann durch drei dividiert. Dies wird dann zum Einkommen dieser Haushalte in Verhältnis gestellt. Die WIFO-Verteilungsstudie 19961) errechnete nach diesem Muster, dass das untere Drittel der Arbeitnehmerhaushalte nur 12 Prozent der Bruttoeinkommen erhält, das mittlere Drittel 28 Prozent und das obere Drittel 60 Prozent. Von den Staatsausgaben erhalten die unteren Einkommen aber 29 Prozent, die mittleren 31 Prozent und die oberen 40 Prozent, d. h., Umverteilung passiert in Österreich hauptsächlich über Ausgaben, im Besonderen über soziale Transfers. Soziale Transfers sind beispielsweise die Gelder aus der Arbeitslosenversicherung, die Notstandshilfe, das Karenzgeld und die Familienbeihilfe.

Ausgabenseitiges Sparen muss also sehr umsichtig erfolgen, um nicht die sozial Schwachen besonders zu treffen. Genau das Gegenteil hat aber die Regierung bei ihren so genannten »Maßnahmen zur Erhöhung der sozialen Treffsicherheit« gemacht!

Verbrauchsteuern belasten kleine Einkommen!

Auf der Einnahmenseite, das heißt auf der Steuer- und Abgabenseite, gibt es in Österreich wenig Umverteilung. Die oberen Einkommen zahlen zwar 70 Prozent der Lohnsteuern, aber dies wird zum Gutteil dadurch wettgemacht, dass die unteren und mittleren Einkommen bei der Umsatzsteuer, bei Verbrauchsteuern, Gebühren und Sozialversicherungsbeiträgen kräftig zur Kassa gebeten werden.

Die geringere Belastung der Besserverdiener mit letztgenannten Steuern hängt damit zusammen, dass einerseits bei den Sozialversicherungsbeiträgen der Beitrag nach oben hin begrenzt ist und andererseits die oberen Einkommen mehr Geld auf die Seite legen können und sich damit bei diesem Teil ihres Einkommens alle Steuern ersparen, die durch das Konsumieren anfallen. Bezieher unterer Einkommen müssen meist fast ihr ganzes Einkommen ausgeben, um ihre Lebenserhaltungskosten zu decken, deshalb treffen sie die Erhöhungen wie z. B. der Rezeptgebühren, der Autobahnvignetten oder der Energieabgabe, gemessen am Einkommen, ungleich mehr. Und genau diese negativen Wirkungen kommen bei den jetzigen Belastungspaketen zum Tragen.

Tabelle 1: Verteilungswirkungen der Erhöhung der Verbrauchsteuern und Gebühren für die Haushalte (Belastungspaket1)
Milliarden Schilling Unteres Dritte lin % d. Einkommens Mittleres Dritte lin % d. Einkommens Oberes Dritte lin % des Einkommens
Tabakabgabe 1,2 0,13 0,11 0,07
Elektrizitätsabgabe 3,2 0,45 0,29 0,18
Motorbezogene Versicherungssteuer 5,3 0,52 0,45 0,37
Umsatzsteuer1) 0,7 0,08 0,06 0,04
Autobahnvignette 1,5 0,20 0,13 0,09
Sonstige Gebühren 1,0 0,14 0,10 0,07
Insgesamt 13,0 1,55 1,15 0,80
Einkommen netto in Milliarden Schilling 1266,0 192,4 384,4 689,2
Belastung in % des Einkommens (gerundet) 1,0 1,6 1,1 0,8
Quelle: Marterbauer/Walterskirchen 1) Diese Erhöhung ergibt sich aus der Erhöhung der Tabaksteuer und der Energieabgabe.

Auswirkungen der Belastungspakete:

Belastungspaket 1

Die ersten budgetären Maßnahmen, die die neue Bundesregierung zu Beginn ihrer Amtszeit getroffen hat, waren vor allem Gebühren- und Abgabenerhöhungen: höhere Tabaksteuer, Verteuerung der Autobahnvignette, Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer, Gebührenerhöhung für den Reisepass usw.

Die Wirtschaftsforscher Marterbauer/Walterskirchen2) errechneten in einer Studie, dass durch die Anhebung dieser Steuern und Gebühren im ersten Belastungspaket das untere Einkommensdrittel einer doppelt so hohen Belastung ausgesetzt wird wie das oberste Drittel. Dieselbe Wirkung haben übrigens auch die Selbstbehalte in der Krankenversicherung. Aus der Tabelle 1 ist dies ersichtlich: Bezogen auf ihr Nettoeinkommen zahlen die unteren Einkommen dem Staat 1,6 Prozent, die oberen nur 0,8 Prozent!

Belastungspaket 2

1. Nicht ganzjährig Beschäftigten kann es passieren, dass sie gleich viermal zusätzlich zum Handkuss kommen!

Die Urlaubsaliquotierung und der Entfall des Postensuchtages wirken sich finanziell negativ für sie aus, genauso wie die Besteuerung der Urlaubs- und Kündigungsentschädigung und der verlängerte Durchrechnungszeitraum im Rahmen der Arbeitslosenversicherung. Nun haben aber gerade Arbeitnehmer in Branchen, wo Beschäftigungsunterbrechungen und -beendigungen besonders häufig sind, Einkommen, die 10 bis 15 Prozent unter dem Durchschnitt liegen.3) Das heißt, Personen in instabilen Beschäftigungsverhältnissen werden durch die Belastungspakete noch zusätzlich ausgesackelt!

2. Steuerliche Maßnahmen: Auch Einkommen unter 30.000 Schilling sind betroffen!

Mit der Kürzung der Absetzbeträge in der Lohnsteuer werden besonders kleine und mittlere Einkommen getroffen. Einerseits gibt es eine De-facto-Halbierung des Arbeitnehmer-Absetzbetrages. Damit der Arbeitnehmer-Absetzbetrag nicht um die Hälfte gekürzt wird, muss ein Arbeitnehmer mindestens 1000 E (= 13.706 Schilling) private Pensionsvorsorge im Jahr leisten. Es ist aber unwahrscheinlich, dass das untere Einkommensdrittel diese Maßnahme der privaten Pensionsvorsorge nützen wird können. Bei einem Einkommen ab 10.000 Schilling brutto verliert man damit über ein halbes Prozent des Nettoeinkommens im Monat.

Andererseits gibt es auch eine Kürzung des Allgemeinen Absetzbetrages und des Pensionistenabsetzbetrages. Dies schmerzt vor allem mittlere Lohneinkommen. Durch den Verlust des Pensionistenabsetzbetrages entsteht bei einer Bruttopension von 30.000 Schilling eine Mehrbelastung von 6600 Schilling. Bei Lohneinkommen macht die Kürzung des Allgemeinen Absetzbetrages bis über 3700 Schilling Entlastung der mittleren Einkommen aus der Einkommensteuer-Reform 2000 rückgängig. Dies vor allem bei Einkommen rund um 45.000 Schilling brutto. Mit 70.000 Schilling brutto beträgt die Belastung mit 1250 Schilling nur noch knapp ein Drittel davon.

Belastungspaket 3

Obwohl der Finanzminister behauptet, dass von den Maßnahmen, die er zur Erreichung des Nulldefizits vorgesehen hat, 75 Prozent der Bevölkerung nicht betroffen sein werden, ist er uns den Wahrheitsbeweis schuldig geblieben!

Soziale Treffsicherheit trifft die Einkommensschwachen!

Die so genannten Sparmaßnahmen im Rahmen der sozialen Treffsicherheit, insbesondere die Kürzung der Familienzuschläge, der Valorisierungsstopp und die Wartefrist in der Arbeitslosenversicherung sowie die Besteuerung der Unfallrenten, treffen alle Einkommensgruppen und sie treffen die unteren Einkommensgruppen besonders hart.

1999 hatte jeder zweite Bezieher einen Bezug von Arbeitslosengeld/Notstandshilfe unter dem Alleinstehendenrichtsatz (Ausgleichszulage, netto zirka 9100 Schilling). Bei den Notstandshilfebeziehern waren es gar geschätzte 75 Prozent!4). Dies zeigt, dass die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung keineswegs überzogen sind und wie willkürlich diese Kürzungen vorgenommen wurden. Noch dazu weist die Arbeitslosenversicherung Überschüsse in Milliardenhöhe auf, die gebraucht werden, um das heroische Ziel des Nulldefizits zu erreichen.

Alle Arbeitnehmer werden zur Kassa gebeten

Die Fülle der Maßnahmen der Regierung trifft alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eher mittlere und obere Einkommensschichten trifft die Einführung der Studiengebühren hart, ebenso die Erhöhung der Einheitswerte im Zuge des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts. Auch die Besteuerung von Substanzgewinnen von Investmentfonds wird Besserverdienende treffen, weil sich nur diese solche Wertpapiere leisten können. Diese Belastung wird aber durch die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer deutlich gemildert. Insgesamt lässt sich zur Belastung oberer Einkommen sagen, dass auch diese spürbare finanzielle Nachteile haben, vom Volumen her - dies zeigt Tabelle 2 - sind diese Maßnahmen aber deutlich geringer als die Belastungen des unteren Einkommenssegmentes.

Resümee

Entgegen den Ankündigungen des Finanzministers zeigt sich, dass auch bei den geplanten Maßnahmen für 2001/2002 die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit kleineren Einkommen einen vergleichsweise überhöhten Beitrag leisten müssen. Summiert man die Belastungen für das untere Einkommensdrittel in der Tabelle 2, so sieht man, dass die geplanten Maßnahmen für 2001 etwa ein Gesamtvolumen von zirka 8,5 Milliarden Schilling annehmen, währenddessen die Maßnahmen, die insbesondere die Besserverdienenden treffen, ein Gesamtvolumen von zirka 3,3 Milliarden Schilling haben (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Übersicht über die Verteilungswirkungen der geplanten Maßnahmen auf Arbeitnehmer 2000-2002

Maßnahmen in Milliarden Schilling1) Unteres Einkommensdrittel

Mittleres Einkommensdrittel

Oberes Einkommensdrittel
Belastungen: 2001 2002 Belastung
Belastungspaket 2000:
Verbrauchsteuern, Gebührenerhöhung, Autobahnvignette 9,7 9,7 **
Selbstbehalte in der Krankenversicherung 1,0 1,0 **
Urlaubsaliquotierung, Postensuchtag 3,3 3,3 * *
Belastungspakete 2001/2002:
Besteuerung der Urlaubs- und Kündigungsentschädigung 4,0 4,5 ** *
Kürzung allgemeiner Absetzbetrag 2,0 2,2 ** *
Halbierung Arbeitnehmer-Absetzbetrag 1,6 1,8 * **
Erbschaft- und Schenkungsteuer 0,3 0,6 * *
Abzugssteuer für Vortragende 0,5 0,6 *
Kürzung beitragsfreie Mitversicherung 0,7 0,7
Besteuerung Unfallrenten 1,2 1,3 ** *
Kürzung Familienzuschläge 0,4 0,4 **
Krankenversicherung für Zusatzpensionen 0,3 0,3 **
Neuregelung der Wartefrist 0,8 0,8 ** *
Abschaffung Valorisierung und Einsparung Weiterbildungsgeld in der Arbeitslosenversicherung 0,5 0,5 * *
Studiengebühren 0,8 1,6 **
Besteuerung Substanzgewinn Investmentfonds 0,4 0,4 **
Entlastungen: 2001 2002 Entlastung
Abschaffung Börsenumsatzsteuer 0,2 0,2 **
Prämie Pensionsvorsorge 0,0 0,8 * *
Ausweitung Karenzgeld 0,0 4,4 ** *
Quelle: AK Wien
1) Berechnungen AK Wien
Erklärung: ** = Diese Maßnahme belastet/bevorzugt insbesondere dieses Einkommensdrittel
* = Diese Maßnahme belastet/bevorzugt dieses Einkommensdrittel

Wenn die Regierung also meint, es werde sich für Österreich auszahlen, das Nulldefizit zu erreichen, dann hat sie dabei sicherlich nicht die viel zitierten »kleinen Leute« im Auge gehabt. Inwiefern sollen sich denn massive Belastungen für Einkommensschwache auch nur irgendwie rechnen? Egal, ob beabsichtigt oder nicht, der überhastete Weg zum Nulldefizit untergräbt die Verteilungspolitik und stellt zunehmend die Frage, wie ernst die viel zitierte »soziale Gerechtigkeit« in diesem Lande noch genommen wird!

1) Guger et al. (WIFO): Umverteilung durch öffentliche Haushalte in Österreich, Wien 1996

2) Walterskirchen/Marterbauer: Verteilungseffekte des Regierungsprogramms, Wirtschaft und Gesellschaft, 2/ 2000

3) Siehe A&W 11/00, Seite 10, Interview mit Rudolf Kaske »Wenn es im Geldbörsel spürbar wird«

4) Berechnungen: AK Wien. Anmerkung: 1999 betrug die Ausgleichszulage 8112 Schilling (14-mal) bzw. 9464 Schilling (Jahreszwölftel). Davon wurden 3,75 Prozent Krankenversicherungsbeiträge abgezogen.

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Christa Schlager (Mitarbeiterin der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der Arbeiterkammer Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959068328 Mitarbeiter als strategische Eigentümer? | Privatisierungen: Möglichkeiten der Mitbestimmung über Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter Die Privatisierungswelle läuft. AK und ÖGB sind gegen den Totalverkauf und warnen vor zu großer Eile. Eine Variante ist, die Mitarbeiter am Eigentum ihres Betriebes zu beteiligen. Zwei Betriebswirte analysieren diese Möglichkeiten.

Die Austria Metall AG (AMAG) ist Österreichs bedeutendster Aluminiumkonzern. Sie hat ihren Schwerpunkt in der Herstellung von Aluminium-Halbzeugprodukten. Mit rund 1400 Mitarbeitern und einem industriellen Umsatz von rund 8 Milliarden Schilling ist die AMAG - laut ihrer eigenen Beschreibung - eine »flexible Unternehmensgruppe«, deren Stärken in Qualität und exzellentem Service liegen. 1998 erwirtschaftete die Gruppe ein Ergebnis der Gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von über 400 Millionen Schilling bei einem Umsatz von etwa 8 Milliarden Schilling.

Nun, dies war nicht immer so. Die AMAG hatte im letzten Jahrzehnt einige veritable Existenzkrisen zu bewältigen. Die Krise im Jahr 1996 war letztlich auch der Anlass, das Unternehmen zu privatisieren. Bei einem fiktiven Unternehmenswert von einem Schilling wurde die AMAG von ihrem Geschäftsführer, Klaus Hammerer, sowie dem österreichischen Industriellen Herbert Turnauer erworben, die insgesamt 80 Prozent des Stammkapitals erwarben. Ziel der Privatisierung war einerseits die Sicherung der Überlebensfähigkeit des Unternehmens und damit der Arbeitsplätze, andererseits aber auch, dass die AMAG in österreichischen Händen blieb. Das Beispiel der Semperit bot zu dieser Zeit gerade Anlass, die (negativen) Folgen einer zu großen Abhängigkeit von ausländischen Konzernen mit großer Skepsis zu beobachten.

Dem Betriebsrat gelang es, 20 Prozent des Nennkapitals, die zu diesem Zeitpunkt gerade mal 20 Groschen wert waren, in Form einer Mitarbeiterbeteiligung für die Belegschaft zu reservieren. Die Anteile der Belegschaft wurden in eine Privatstiftung eingebracht. Dies hat zur Folge, dass über die Aktien nicht frei verfügt werden kann. Die Belegschaftsaktionäre bekommen die Aktien erst ausgehändigt, wenn die Stiftung einmal aufgelöst werden sollte. Jährlich werden allerdings die Dividenden an die Beschäftigten überwiesen, die - abhängig von der wirtschaftlichen Lage - zu einem Zusatzeinkommen führen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit über die Aktien ist im Fall AMAG insofern kein Problem, als die Aktien der Belegschaft geschenkt wurden.

Was ist der Vorteil dieser Lösung?

Durch die Stiftungslösung wurde ein fester Kernaktionär geschaffen. Dabei geht es einerseits um einen Schutz vor feindlichen Übernahmen, andererseits haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine gewichtige Stellung als »strategischer Eigentümer«. Bei wichtigen Unternehmensentscheidungen kann über sie nicht hinweggesehen werden. Mit 20 Prozent Anteilen spielte die Belegschaft lange Zeit das berühmte Zünglein an der Waage zwischen den beiden Großaktionären, wobei sich die Belegschaft für eine Syndizierung ihrer Anteile mit einem der beiden Großaktionäre, nämlich ihrem Vorstand Hammerer, entschied.

Kapitalmarktoffensive der Bundesregierung

Im Rahmen der Kapitalmarktoffensive plant die Bundesregierung ein Maßnahmenbündel an gesetzlichen Veränderungen, die eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den österreichischen Kapitalmarkt herbeiführen sollen. Ausgangspunkt ist die derzeitige Kapitalmarktsituation, wonach es etwa 500.000 Aktienbesitzer gibt und nur jeder dreißigste Beschäftigte an seinem Unternehmen beteiligt ist.

Die Maßnahmen - im Zusammenhang mit Mitarbeiterbeteiligung - im Einzelnen:

  • Verdoppelung des Freibetrages von 10.000 auf 20.000 Schilling pro Jahr für die verbilligte Abgabe von Unternehmensanteilen.
  • Entfall der Sozialversicherungspflicht für Belegschaftsanteile (bis 20.000 Schilling).
  • Neuregelung von Belegschaftsbeteiligungsstiftungen: Zuwendungen bis 20.000 Schilling an die Begünstigten (Arbeitnehmer) unterliegen der KEST. Darüber hinaus sind Zuwendungen des Dienstgebers an derartige Stiftungen als Betriebsausgabe abzugsfähig.
  • Stock-Options (Aktienoptionen) bis zu einem Wert von 500.000 Schilling werden unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich begünstigt. Bei 5-jähriger Behaltedauer kann die Steuer halbiert werden.


AK und ÖGB stehen vor allem der Begünstigung bei Aktienoptionen sehr kritisch gegenüber. Diese sind in erster Linie für Führungskräfte gedacht. Bei einer positiven Entwicklung der Aktienkurse können durch die Neuregelung beträchtliche Kursgewinne lukriert werden und es muss nur die halbe Steuer bezahlt werden. Stellt man dem gegenüber das Belastungspaket vor allem für Bezieher von niedrigen und mittleren Einkommen, entsteht hier der Eindruck einer massiven Ungleichbehandlung. Reiche werden begünstigt, Ärmere dagegen zur Kasse gebeten.

Die derzeit laufende Privatisierungsdebatte

Die schwarz-blaue Regierung plant in den nächsten Jahren, einen Großteil der ÖIAG-Unternehmen über die Börse zu privatisieren und mit den Einnahmen das Budgetdefizit abzudecken. Der Privatisierungsreigen wurde bereits im Sommer mit dem Verkauf der P.S.K. eröffnet, im Herbst wurde mit der Teilprivatisierung der Telekom Austria der nächste Privatisierungsschritt unternommen. Die nächsten Kandidaten wie Austria Tabakwerke, Flughafen Wien, Dorotheum, AUA, VA-Tech etc. sollen nach den Plänen des Finanzministers möglichst bald an die Reihe kommen und insgesamt etwa 130 Milliarden Schilling Privatisierungserlöse bringen.

Arbeiterkammer und ÖGB lehnen den Totalverkauf wichtiger österreichischer Unternehmen ab und warnen immer wieder davor, die angestrebten Privatisierungen zu rasch über die Bühne zu bringen und damit einen Aufruf zum Ausverkauf von österreichischen Unternehmen zu starten. Abgesehen davon, dass durch einen derart massiven Verkauf unter großem Druck der zu erzielende Erlös erheblich nach unten gedrückt werden könnte, bedeutet ein derartiges Vorgehen eine Gefährdung von Österreich als Standort von wichtigen Unternehmen, vor allem von Konzernzentralen. Damit verbunden wäre ein Verlust von Wertschöpfung und in der Folge von Arbeitsplätzen, wie das Beispiel Semperit ja eindrucksvoll bewiesen hat. Aus diesem Grund finden sich die Unternehmen eines strategisch bedeutenden Sektors in fast allen Industrieländern mehrheitlich in inländischem Besitz.

Unternehmensentscheidungen

Mit welchem Anteil in der Hauptversammlung wichtige Unternehmensentscheidungen beeinflusst werden können:

Entscheidend ist das in der Hauptversammlung anwesende Kapital!

Die folgenden erforderlichen Mehrheiten (5 Prozent, 10 Prozent, drei Viertel) beziehen sich immer auf das Kapital, das in der Hauptversammlung anwesend ist. Je weniger Kapital in der Hauptversammlung anwesend ist, desto größeres Gewicht hat der eigene Anteil. Minderheitsaktionäre können somit bei geringer Anwesenheit der übrigen Aktionäre (etwa bei hohem Streubesitz) entsprechend mehr Gewicht erlangen.

Die Handlungsmöglichkeiten von Minderheitsaktionären

5% ...
... können die Hauptversammlung einberufen.

10% ...
... können eine Sonderprüfung beantragen, wenn sie einen begründeten Verdacht wegen Unredlichkeiten oder grober Verletzungen haben.
... können verhindern, dass sie aus dem Unternehmen rausgekauft werden. Etwa bei einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz (UmwG) § 2, bei der der Hauptgesellschafter (mindestens 90 Prozent) eine Minderheit von 10 Prozent oder weniger aus dem Unternehmen auskaufen kann (allerdings mit Barabfindung), oder bei einer nicht verhältniswahrenden Spaltung laut Spaltungsgesetz (SpaltG), bei der ein Teil des Unternehmensvermögens abgespaltet und bei den neuen Gesellschaften eine andere Anteilsverteilung vorgenommen wird.

25% ...
... können unter anderem folgende Beschlüsse der Hauptversammlung beinflussen/verhindern (Sperrminorität):

  • Satzungsänderungen
  • Beschluss einer Kapitalerhöhung
  • Ausschluss des Bezugsrechts
  • Verschmelzungen (Fusionen)
  • Spaltung
  • Umwandlung einer AG in eine GmbH.

Mitarbeiterbeteiligung als strategisches Eigentum?

Diese Überlegungen führen nun dazu, die Schaffung von strategischem Eigentum mit Hilfe von Mitarbeiterbeteiligung in Erwägung zu ziehen. Dabei eröffnen sich unter anderem folgende Fragestellungen:

Fragen

Können und sollen die Arbeitnehmer nun in die Rolle des Staates schlüpfen und dessen Rolle als »Strategischer Eigentümer« übernehmen? Welches Risiko übernehmen sie dabei? Wie sollen die Beschäftigten den Anteilsverkauf finanzieren, der zum Teil ein erhebliches Volumen verlangen würde, damit tatsächlich ein »strategischer Einfluss« erreicht werden kann? Und letztlich, was sind eigentlich die Aufgaben von strategischen Eigentümern?

Über diese Fragen haben sich in den letzten Wochen viele Leute den Kopf zerbrochen. Die Antworten darauf sind nicht einfach und die Wünsche und Erwartungen der Beteiligten nicht einheitlich. Management und Betriebsräte der betroffenen Unternehmen haben zum Teil einen sehr unterschiedlichen Zugang zu diesem Thema. Einige Unternehmen wollen ihren Beschäftigten im Zuge der Privatisierung Aktienpakete anbieten, ergreifen allerdings keine zusätzlichen Maßnahmen, um die Belegschaftsaktien zukünftig auch strategisch zu nützen. In diesen Fällen - etwa der Telekom-Privatisierung - ist zu erwarten, dass die neuen Aktionäre ein gutes Börsenklima nützen und ihre Anteile relativ rasch in bare Münze umwandeln werden. Eine Bündelung von Aktionärsinteressen wird nicht angestrebt bzw. gefördert und der Belegschaftsanteil wird sich aller Voraussicht nach mit der Zeit »verflüchtigen«. Erfahrungen von früheren Mitarbeiterbeteiligungsmodellen etwa bei der AUA oder der OMV, die in dieser Form durchgeführt wurden, zeigen, dass strategisches Eigentum auf diese Art nicht geschaffen werden kann.

Bei anderen Privatisierungen - etwa dem Flughafen Wien oder der VA Stahl - wird dagegen versucht, die Anteile der Mitarbeiter fest - etwa in einer Stiftung - zu verankern und damit das strategische Eigentum auf lange Sicht hinaus zu stabilisieren, was aber andererseits wieder den Nachteil für die Beschäftigten bringt, dass sie nicht frei über die Belegschaftsaktien verfügen können.

Die Voraussetzungen für strategisches Eigentum

Strategisches Eigenum setzt voraus, dass

  • der strategische Beteiligungsblock »stabil« ist und nicht durch Anteilsverkäufe - etwa in Folge von Gewinnmitnahmen (Kurssteigerungen) oder Fluktuation - geringer wird;
  • die Eigentümer des strategischen Eigentümerblocks Stimmrechte haben und diese auch tatsächlich gebündelt wahrgenommen werden können;
  • ein ausreichend großer Kapitalanteil erreicht wird, um wichtige Entscheidungen - unter Umständen gemeinsam mit anderen strategischen Eigentümern (Syndikat) - beeinflussen zu können.

Verschiedene Modelle

Soll strategisches Eigentum geschaffen werden, müssen also Begleitmaßnahmen ergriffen werden, damit der Belegschaftsanteil über einen längeren Zeitraum erhalten bleibt und damit auch die Stimmrechte der Belegschaft aktiv wahrgenommen werden können.

Prinzipiell gibt es drei mögliche Varianten, wie diese Bündelung erreicht werden kann:

Variante A: Stimmenbündelung

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwerben die Aktien, übertragen das Stimmrecht allerdings einem Treuhänder. Dieser Treuhänder kann etwa ein Belegschaftsverein, eine Person oder auch eine Stiftung sein. Damit der Treuhänder das Stimmrecht ausüben kann, ist weiters eine Syndizierung der Stimmen erforderlich. Diese Lösung ist eine sehr einfache und relativ unbürokratische Alternative, die jedoch nicht verhindern kann, dass Anteile verkauft werden und sich das strategische Eigentum damit allmählich »verflüchtigt«.

Variante B: Anteilspool

Um die Ausdünnung des strategischen Anteilsblocks zu verhindern, wird eine Zwischengesellschaft (Verein etc.) als Anteilspool eingerichtet. Wollen Arbeitnehmer ihre Anteile verkaufen, so schaltet sich die Zwischengesellschaft als »Parkplatz« für die Anteile ein, erwirbt diese und verkauft sie an den nächsten Beschäftigten weiter. Als Problem erweist sich bei dieser Variante vor allem die Frage, wie sich der Anteilspool finanzieren kann.

Variante C

Hier wird die Verfügbarkeit über die Anteile eingeschränkt. Die Aktien werden etwa in eine Stiftung eingebracht und nur in bestimmten - vorher definierten - Fällen (z. B. Beendigung des Dienstverhältnisses, Pensionierung etc.) an den Arbeitnehmer weitergegeben. Die Beteiligten erhalten inzwischen die Dividende aus der Aktie.

Wovon die Wahl des Modells abhängt...

Welche dieser Varianten gewählt wird, hängt von den Zielen der Betroffenen ab. Sollen die Anteile frei verfügbar sein, wird eine Einbringung in eine Stiftung wohl nicht sinnvoll sein. Soll umgekehrt hingegen ein möglichst stabiles strategisches Eigentum geschaffen werden, wird man um die Stiftungslösung wohl nicht herumkommen.

Daneben spielen aber noch eine Reihe von zusätzlichen Faktoren eine wichtige Rolle. An deren Spitze ist sicherlich der steuerrechtliche Aspekt. Die Modelle sollen in der Regel möglichst steuerschonend sowohl für den Arbeitgeber als auch die Beschäftigten angelegt sein. Daraus ergeben sich in der Praxis relativ komplexe - wenn nicht sogar abenteuerliche - Konstruktionen. Die steuerrechtlichen Bestimmungen werden gerade im Rahmen der Kapitalmarktoffensive der Bundesregierung verändert, wobei AK und ÖGB einigen Punkten sehr kritisch gegenüberstehen (siehe Kasten »Kapitalmarktoffensive«).

Auch die Frage, in welcher Rechtsform die Zwischengesellschaft gestaltet sein soll, ist ein wichtiges Element. Hier kommen etwa Vereine, Gesellschaften Bürgerlichen Rechts oder aber Stiftungen in Frage. Vor allem die Stiftungen haben hier - vor allem wegen ihrer Steuerbegünstigungen - in letzter Zeit an Bedeutung gewonnen. Auch das Stiftungsrecht wird gerade novelliert mit dem Ziel, Arbeitnehmerstiftungen steuerlich zu begünstigen (siehe Kasten »Unternehmensentscheidungen«).

Und letztlich ist auch die Frage der Finanzierung der Belegschaftsanteile eine nicht unbedeutende. Es macht einen Unterschied, ob die Arbeitnehmer die Aktien aus ihrem Privatvermögen erwerben sollen oder ob der Arbeitgeber die Aktien finanziert. Im ersten Fall wäre eine Einschränkung der Verfügbarkeit etwa durch Einbringung in eine Stiftung undenkbar, im zweiten Fall dagegen kein Problem. In Überlegung sind derzeit vor allem Modelle, die über die Verteiloption oder über den Verzicht auf Prämien finanziert werden.

Aktuelle AK-Broschüre

Mitarbeiterbeteiligung

Motive - Modelle - Risiken - Tipps
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Bestellung: 01/501 65-2650 oder
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Die Sicht von AK und ÖGB

Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer begrüßen die Schaffung von strategischem Eigentum und sehen in der Mitarbeiterbeteiligung durchaus einen Weg, wie dieses geschaffen werden kann. Es muss jedoch klar sein, dass die Anteile der Belegschaft in der Regel nur sehr gering sind (im Durchschnitt maximal 5 Prozent), sodass in der Praxis eine Syndizierung mit anderen strategischen Eigentümern notwendig sein wird, um ein entsprechendes Gewicht in der Hauptversammlung zu erlangen. Es muss jedoch auch klar herausgestrichen werden, dass Aktien Risikokapital darstellen und die Gefahr von Vermögensverlusten daher immer besteht. Bei der Modellgestaltung ist daher darauf zu achten, dass das Risiko für die Beschäftigten in einem übersehbaren Rahmen bleibt. Weiters wird auch darauf geachtet werden müssen, dass die Verfügbarkeit des Einkommens durch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle nicht unzumutbar eingeschränkt wird, da dadurch gewerkschaftspolitische Grundprinzipien durchbrochen werden würden. Und letztlich wird der Erfolg von Beteiligungsmodellen auch davon abhängen, ob es gelingt, die Stimmrechte im Sinne einer arbeitnehmerorientierten Strategie wahrzunehmen und damit dem Shareholder-Value-Denken vieler institutionellen Anleger entsprechend entgegenzuwirken.

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Heinz Leitsmüller und Ruth Naderer (Mitarbeiter der Abteilung »Betriebswirtschaft« in der Arbeiterkammer Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959068071 Budget 2001 | Beschleunigter Defizitabbau bringt Steuerbelastungen sowie Personal- und Sozialabbau Diese Beschleunigung der Konsolidierung machte Sparmaßnahmen notwendig, die im Budget ihren Niederschlag finden und gravierende Auswirkungen auf Inflation und Wachstum, insbesondere aber auf die Einkommensverteilung haben1).

1. Wirtschaftliche Ausgangslage und Grunddaten

Die Budgetkonsolidierung fällt in eine günstige Phase der Konjunktur. Der Konjunkturaufschwung erreicht in Österreich heuer einen Höhepunkt. Mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von ca. 3,5% hat Österreich die höchste Wachstumsrate seit 1990. Der Aufschwung wird vom Export, den Investitionen und vom Konsum getragen. Das Budget wirkt heuer aufgrund der Steuerreform und des Familienpakets - beides von der alten Regierung beschlossen - expansiv, das heißt nachfragesteigernd. Im Gegensatz dazu gehen vom Budget 2001 nachfragedämpfende Effekte aus, weil unter anderem die Lohnsteuereinnahmen erhöht und Sozialleistungen gekürzt werden, höhere Steuervorauszahlungen geleistet werden müssen und bei den öffentlich Bediensteten sowie den Pensionen gespart wird. Aufgrund des Sparpakets hat das Wirtschaftsforschungsinstitut seine Wachstumsprognose für 2001 und 2002 um je einen Viertel Prozentpunkt gesenkt. Zusätzliche Dämpfungen, ebenfalls um einen Viertel Prozentpunkt, resultieren aus der Steigerung der Rohölpreise. Diese Verlangsamung des Wirtschaftswachstums (2000: 3,5%, 2001: 2,8%) wird das Tempo der Beschäftigungsausweitung senken. Dennoch wird die Arbeitslosenquote weiter zurückgehen (2000: 5,9%, 2001: 5,3%). Die Inflationsrate dürfte im nächsten Jahr wieder auf 1,5% zurückgehen (2000: 2,3%).

Der Entwurf des Bundeshaushalts 2001 sieht Ausgaben in der Höhe von 813,5 Milliarden Schilling und Einnahmen von 780,7 Milliarden Schilling vor. Damit ergibt sich ein Nettoabgang auf administrativer Basis in der Höhe von 32,8 Milliarden Schilling. Gegenüber dem Bundesvoranschlag (BVA) 2000 wird das Defizit um 21,8 Milliarden Schilling gesenkt. Diese Senkung war möglich, weil die Einnahmen weit stärker steigen (+7,4%) als die Ausgaben (+4,1%). Das Wachstum der Ausgaben entspricht fast punktgenau dem des nominellen BIP (4,2%; siehe Tabelle 1: »Die wichtigsten Kennzahlen der Budgetentwicklung«).

Tabelle 1: Die wichtigsten Kennzahlen der Budgetentwicklung Allgemeiner Haushalt auf administrativer Basis, in Milliarden Schilling

BVAE 2001

BVA 2000 1999 1998 Zuwachs 01/00 in %
Ausgaben 813.452 781.458 787.764 777.600 4,1
davon: Personalausgaben für Aktive inklusive Landeslehrer 152.101 148.734 146.720 140.728 2,3
Bruttoinvestitionen 13.600 7.600 9.600 10.600 78,9
Einnahmen 780.685 726.810 719.750 711.573 7,4
Defizit (administrativ) -32.767 -54.648 -68.014 -66.027
Defizit in % des BIP -1,12 -1,94 -2,53 -2,53
Zinsenaufwand 93.220 90.685 91.388 90.117 2,8
Zinsenaufwand in % der Steuereinnahmen (netto) 19 19,8 20,3 19,6
Brutto-Inlandsprodukt (BIP) 2.935.500 2.818.100 2.688.700 2.610.914 4,2
Bund (nicht bereinigt) in % des BIP
Ausgabenquote 27,7 27,7 29,3 29,8
Einnahmenquote 26,6 25,8 26,8 27,3
in % des BIP
Defizit des Staates nach Maastricht -0,75 -1,6 -2,1 -2,3
Bundessektor -1,50 -2,1 -2,4 -3,0
Länder, Gemeinden, Sonstige -0,75 0,5 0,3 0,7
Annahmen für die Budgeterstellung in %
WIFO Prognose vom Oktober 2000 (in %) 2000 2001
BIP real 3,5 2,8
BIP nominell 4,8 4,2
Bruttoverdienste je Arbeitnehmer 2,0 2,6
Verbraucherpreise 2,3 1,5
Unselbständig Beschäftigte 1,0 0,8
Arbeitslosenquote (nationale Abgrenzung) 5,9 5,3
Quelle: BM für Finanzen, eigene Berechnungen

Das Maastricht-Defizit liegt mit ca. 43 Milliarden Schilling oder 1,5% des BIP um mehr als 10 Milliarden Schilling über dem administrativen Defizit. Diese relativ hohe Abweichung kann vor allem dadurch erklärt werden, dass die im Budget 2001 in der Höhe von 10,6 Milliarden Schilling vorgesehenen Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen an die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) als nicht Maastricht-defizitsenkend angenommen wurden. Unter Berücksichtigung der Vereinbarungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Länder erbringen ab 2001 einen Überschuss von 0,75% des BIP, Gemeinden haben in Summe ausgeglichene Haushalte) ergibt sich für den Gesamtstaat für 2001 ein Maastricht-Defizit von 0,75%. Das entspricht der Zielsetzung, die im »Reformdialog« angekündigt wurde.

2. Einnahmenseitige Budgetkonsolidierung dominiert - höchste Abgabenquote aller Zeiten

Die Regierung, die den Konsolidierungsbedarf für das Jahr 2001 mit 90 Milliarden Schilling angegeben hat, behauptet immer wieder, dass die Konsolidierung zu 62% über die Ausgabenseite und zu 38% über die Einnahmenseite realisiert wurde, also wie geplant überwiegend über die Ausgabenseite. Diese Behauptung ist nur haltbar, weil eine Reihe von einnahmenseitigen Maßnahmen willkürlich der Ausgabenseite zugerechnet werden, obwohl es sich um Einnahmen handelt; das sind insbesondere die Abschöpfungen von Fondsüberschüssen (ca. 14 Milliarden Schilling), Teile der Pensionsreform (Erhöhung der Pensions[sicherungs]beiträge; ca. 1 Milliarde Schilling) und die Reduktion der Ertragsanteile für die Länder (3 Milliarden Schilling; siehe Tabelle 2: »Dauerhafte Konsolidierungsmaßnahmen 2001-2002«).

Tabelle 2: Dauerhafte Konsolidierungsmaßnahmen 2001-2002 in Milliarden Schilling

Ausgabenseitige Maßnahmen

2001

2002
Verwaltungsreform inklusive Landeslehrer 5,0 11,1
Pensionsreform inklusive öffentlicher Dienst 3,5 9,9
Soziale Treffsicherheit 1,8 1,8
davon
Neuregelung Familienzuschlag 0,4 0,4
Neuregelung der Wartefrist bei Arbeitslosen 0,8 0,8
Zinsenentlastungen durch Schuldenreduktion
Zinsenaufwand in % der Steuereinnahmen (netto) 3,0
Finanzausgleich
Strukturreformen ohne Landeslehrer 2,0 2,0
Ausgabenseitige Maßnahmen insgesamt 12,3 27,8
in % der Konsolidierungsmaßnahmen 24,6 40,5

Einnahmenseitige Maßnahmen

Änderung Absetzbeträge 6,1 6,2
Abschaffung Investitionsfreibetrag 0,0 6,0
Einschränkung der Rückstellungen 0,0 3,0
Verlängerung der Abschreibung von Gebäuden 0,0 2,5
Begrenzung des Verlustvortrags 0,0 2,5
Erweiterung des Lohnsteuerabzugs 0,5 0,6
Änderung bei Einmalzahlungen 4,0 4,5
Privatstiftungen inklusive Schenkungsteuer 2,1 2,2
Erhöhung der Einheitswerte in der Erbschaftsteuer 0,5 1,0
Kfz-Steuer für Lkw 0,7 0,9
Zinsen für Rückstände/Guthaben 0,2 0,5
Erhöhung der Vorauszahlungen 15,0 0,0
Besteuerung der Unfallrenten 1,8 2,0
Reduktion der Ertragsanteile der Länder 3,0 3,0
Besteuerung der Substanzgewinne von Investmentfonds 0,7 0,8
steuerliche Erfassung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerungen 0,0 1,0
Einnahmen aus Pensions(sicherungs)beiträgen 1,0 1,0
Soziale Treffsicherheit 2,2 3,2
davon
Studienbeiträge 1,0 2,0
Einschränkung der Mitversicherung in der Krankenversicherung 0,9 0,9
Krankenversicherungsbeiträge für Zusatzpensionen 0,3 0,3
Einnahmenseitige Maßnahmen insgesamt 37,8 40,9
in % der Konsolidierungsmaßnahmen 75,4 59,5
Summe dauerhafter Konsolidierungsmaßnahmen 50,1 68,7
Quelle: Budgetbegleitgesetz 2001 inklusive Abänderungsanträgen

Stellt man auf die wichtigere Frage der Dauerhaftigkeit der Konsolidierungsmaßnahmen - also ohne Fondsabschöpfungen - ab, so zeigt sich ein völlig konträres Bild. Demnach liegt die Summe der dauerhaften ausgabenseitigen Maßnahmen im Jahr 2001 bei 12,3 Milliarden Schilling (2002: 27,8 Milliarden Schilling), jene der einnahmenseitigen Maßnahmen bei 37,8 Milliarden Schilling im Jahr 2001 (2002: 40,9 Milliarden Schilling). Bei ökonomisch sinnvoller Betrachtungsweise ergibt sich somit, dass die ausgabenseitigen Maßnahmen mit ca. 25% und die einnahmenseitigen Maßnahmen mit rund 75% dauerhaft zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes beitragen. Das Überwiegen einnahmenseitiger Maßnahmen spiegelt sich in einem Anstieg der Steuer- und Abgabenquote von 43,8% (2000) auf knapp 46% (2001) wider, die damit einen historischen Höchstwert erreicht.

3. Die Entwicklung der Ausgaben

Im Gegensatz zum Budgetvoranschlag 2000 steigen die Budgetausgaben 2001 trotz des Sparkurses mit 4,1% wieder deutlich stärker an. Tabelle 3 zeigt die (unterschiedliche) Entwicklung wichtiger Ausgaben in ökonomischer Gliederung (siehe Tabelle 3: »Einnahmen und Ausgaben in ökonomischer Gliederung«).

Tabelle 3: Einnahmen und Ausgaben in ökonomischer Gliederung Allgemeiner Haushalt auf administrativer Basis, in Milliarden Schilling

1998 Erfolg 1999 Erfolg 2000 BVA 2001 BVA-E

Zuwachs gegenüber 2000 in %

Einnahmen 711,6 719,6 726,8 780,7 7,4
öffentliche Abgaben brutto 670,2 669,8 684,7 749,9 9,5
Lohnsteuer 193,7 203,0 194,0 222,0 14,4
Steuern auf sonstige Einkommen und Gewinne 94,3 84,8 89,1 106,0 19,0
Umsatzsteuer 216,3 227,0 235,9 246,0 4,3
abzüglich Überweisungen und Steueranteile 183,8 191,0 193,9 213,0 9,9
abzüglich Überweisungen EU 26,2 29,1 32,5 32,5 0,0

öffentliche Abgaben netto

460,2 449,7 458,2 504,4 10,1
Überweisungen an Bundesfonds*) 19,6 19,8 21,3 21,0 -1,4
steuerähnliche Einnahmen**) 89,1 94,1 94,1 97,8 3,9
sonstige Einnahmen (bis 1999 inklusive Bundesbetriebe) 142,7 156,0 153,2 157,5 2,8
Ausgaben 777,6 787,8 781,4 813,5 4,1
Aktivitätsaufwand inkl. Landeslehrer 140,7 146,7 148,7 152,1 2,3
Pensionen inklusive Landeslehrer 39,6 41,0 42,4 44,3 4,5
laufender Sachaufwand 65,2 64,8 63,2 70,3 11,2
Bruttoinvestitionen 10,6 9,6 7,6 13,6 78,9
Transferausgaben 377,0 383,1 375,1 395,0 5,3
Zinsaufwand 106,8 113,9 121,9 119,5 -2,0
sonstige Ausgaben 37,7 28,7 22,5 18,7 -16,9
administrativer Nettoabgang -66,0 -68,2 -54,6 -32,8

*) vor allem Beiträge zu FLAF und Arbeitslosenversicherung
**) FLAF, Katastrophenfonds, Siedlungswasserwirtschaft
Quelle: BM für Finanzen, eigene Berechnungen

Personalabbau gefährdet die Qualität der Leistungserbringung

Die Dynamik des Personalaufwands wird deutlich gebremst, wenngleich die Zielsetzung, den Aufwand für die Aktiven inklusive Landeslehrer auf dem Niveau des Jahres 2000 einzufrieren, nicht realisiert werden konnte. Verschiedene Faktoren sind für diese Entwicklung verantwortlich. Die Gehälter werden 2001 bei einer Inflationsrate von 2,3% »nur« um 500 Schilling, das sind durchschnittlich 1,6%, erhöht. Ursprünglich war eine Nulllohnrunde in Aussicht gestellt worden.

Der zweite entscheidende Faktor ist der Planstellenabbau im Ausmaß von 11.000 Personen bis zum Ende der Legislaturperiode. Der Lehrbereich an Universitäten und Schulen ist davon ausgenommen. Im Schulbereich kommen allerdings die dort ergriffenen Einsparungen (fixe Zulagen für die Klassenvorstandstätigkeit und für Kustodiate, Einsparungen bei Überstunden und Supplierungen) einer Kürzung an Lehrerstellen gleich, weil der mit diesen Maßnahmen verbundene Mehrunterricht negative Auswirkungen auf die Beschäftigung junger Lehrer haben wird. Bei den Landeslehrern wird sich zusätzlich die stufenweise Verringerung der Schüler-Lehrer-Relation auswirken.

Im Universitätsbereich werden die Prüfungstaxen gestrichen. Der im Rest der Verwaltung angestrebte Personalabbau, der nach der Rasenmähermethode linear über alle Ressorts erfolgt, wird durch den natürlichen Abgang ohne Begleitmaßnahmen nicht zu realisieren sein. Zum anderen ist zu befürchten, dass die bisherige Qualität der Leistungserstellung der öffentlichen Verwaltung Einbußen erleiden wird.

Der Pensionsaufwand einschließlich der Landeslehrer steigt mit 4,5% stärker als die Gesamtausgaben. Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters führt demnach 2001 noch nicht zu einer merkbaren Verringerung der Pensionsdynamik.

Der kräftige Anstieg des laufenden Sachaufwands hängt damit zusammen, dass hohe Vorsorgen für Eventualereignisse getroffen wurden und dass die Mietenzahlungen der Schulen und Universitäten 2001 nicht mehr unterbudgetiert sein werden. Ersteres führt vor allem zu einer Aufblähung des Budgets.

Steigende Investitionen

Die Bruttoinvestitionen steigen mit einem Zuwachs von 6 Milliarden Schilling gegenüber dem BVA 2000 kräftig an. Das ist vor allem auf das so genannte Offensivprogramm der Bundesregierung in der Höhe von 10 Milliarden Schilling zurückzuführen. 3 Milliarden Schilling davon sind für konkrete Investitionen im Investitions- und Infrastrukturbereich und 7 Milliarden Schilling für die Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsquote vorgesehen2). Bei dem Offensivprogramm handelt es sich um kumulative Summen für die nächsten drei Jahre, der starke Anstieg der Investitionen im Jahr 2001 entspricht daher nicht der Wirklichkeit.

Weiters erhalten die Universitäten gegenüber dem Budget 2000 zusätzliche Investitionsmittel in der Höhe von 832 Millionen Schilling (Universitätsmilliarde).

Unterschiedliche Entwicklung bei den Transferausgaben

Die Ausgaben für familienpolitische Leistungen bleiben nahezu konstant gegenüber dem Vorjahr. Die Überschüsse des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) in Höhe von 6,4 Milliarden Schilling werden an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger überwiesen und führen dort zu einer Entlastung des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung. Zusätzlich wurde dafür Sorge getragen, dass aus dem FLAF ab dem Jahr 2002 das Kinderbetreuungsgeld finanziert werden kann. Er wird 2002 Minderausgaben von 4,75 Milliarden Schilling haben, da das Karenzgeld im Jahr 2001 zur Gänze aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung getragen werden muss. Das bedeutet, dass die Arbeitslosenversicherung (ALV) dafür herhalten muss, die Finanzierung des Kinderbetreuungsgeldes zu ermöglichen.

Gleichzeitig müssen aus der ALV neben den jährlich zu zahlenden 4,9 Milliarden Schilling im Jahr 2001 zusätzlich 6,4 Milliarden Schilling3) an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger überwiesen werden. Die Abschöpfungen aus der Arbeitslosenversicherung haben damit ein nie da gewesenes Niveau erreicht. Sie sind in dieser Höhe nur möglich, weil gleichzeitig Einsparungen auf der Leistungsseite (Maßnahmen zur Erhöhung der »sozialen Treffsicherheit«) vorgenommen werden. Als Folge der hohen Abschöpfungen ist in der ALV ein Defizit von etwa 1,7 Milliarden Schilling zu erwarten, das im Kreditwege finanziert werden muss. Gleichzeitig wird der Beitrag des Bundes zur Arbeitslosenversicherung gestrichen. Darüber hinaus soll die Arbeitslosenversicherung mit knapp 500 Millionen Schilling zur Wirtschaftsförderung beitragen - ein weiteres Indiz für eine gezielte Umverteilung durch die Bundesregierung.

Obwohl mit den Überweisungen aus dem FLAF und der ALV der Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung in erheblichem Ausmaß entlastet wird, steigt er trotz Pensionsreform mit +9,5% gegenüber dem Vorjahr noch immer überdurchschnittlich an4). Die vorgesehene Pensionsanpassung beträgt im Jahr 2001 1,5%.

Die sonstigen Transferleistungen steigen um knapp 5 Milliarden Schilling an. Dieser Anstieg ist auf die Höherdotierung der Kosten für die Eisenbahn-Infrastruktur (ÖBB/SCHIG) zurückzuführen. Im Gegensatz zu den Vorjahren sind diese Kosten für 2001 mit knapp 17 Milliarden (1999: 9,9 Milliarden Schilling, 2000: 9,35 Milliarden Schilling) realitätsnäher dotiert. Im Gegenzug müssen die ÖBB in den nächsten beiden Jahren 2 bzw. 3 Milliarden Schilling einsparen. Das könnte zu Schwierigkeiten bei den ÖBB führen.

Die Förderungen an Unternehmungen inklusive Landwirtschaft haben die stärkste Dynamik unter allen Ausgabenkategorien (+25,3%).

Die Ausgaben für Zinsen steigen bereinigt von 117,7 Milliarden Schilling auf 119,5 Milliarden Schilling an. Angesichts eines zu finanzierenden Nettoabgangs von knapp 33 Milliarden Schilling, gestiegener Zinsen sowie eines durch die Aufwertung des Yen um ca. 20 Milliarden Schilling gestiegenen Schuldenstandes dürfte der Zinsenaufwand eher unterbudgetiert sein.

Klientelorientierte Schwerpunktsetzungen statt zukunftsorientierter Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik

Bei Durchsicht der einzelnen Budgetkapitel lassen sich nur wenige Schwerpunktsetzungen erkennen. Es handelt sich vorwiegend um ein Sparbudget mit fehlenden oder verfehlten Strukturreformen. Am deutlichsten kommt eine Prioritätensetzung bei den Förderungen und hier wiederum bei jenen an die Wirtschaft und an die Land- und Forstwirtschaft zum Ausdruck. Die Gesamtausgaben für die Land- und Forstwirtschaft steigen aufgrund stark steigender Förderungen überdurchschnittlich stark an und kommen vorwiegend Großbauern zugute. Der von der Regierung angekündigte Vorrang für die Bildung von Humankapital und Forschung ist aus dem Voranschlagsentwurf nicht erkennbar. Die Bildungsausgaben wachsen mit 1,7% deutlich schwächer als die Gesamtausgaben. Ein zukunftsweisendes Bildungsbudget müsste für den Bereich der Berufsausbildung Antworten auf die Strukturänderungen (hohe Nachfrage nach Ausbildungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien, erhöhter Bedarf an einer mittleren schulischen Ausbildung durch den Rückgang auf dem Lehrstellenmarkt) geben. Die dafür notwendigen Strukturreformen fehlen aber.

Im Bereich Wissenschaft steigen zwar die Investitionen der Universitäten durch die so genannte aus Studiengebühren finanzierte Universitätsmilliarde, sie liegen aber damit nur knapp über dem Niveau des Jahres 1999. Das von der Regierung geplante »Zukunftsprogramm >Modern studieren und forschen<« bedeutet in der Praxis einen bildungspolitischen Rückschritt, weil

  • keine ausreichende Dotierung beim Personal- und Sachaufwand gegeben ist,
  • die »Universitätsmilliarde« von den Studierenden finanziert werden soll,
  • mit der Einführung von pauschalen Studiengebühren neue Bildungsbarrieren für sozial Schwächere und Berufstätige geschaffen werden,
  • mit einem Absinken der Bildungsbeteiligung im Hochschulbereich gerechnet werden muss,
  • die angekündigte soziale »Abfederung« im Stipendienbereich völlig unzulänglich ist
  • und zudem keinerlei positiven Struktureffekte im Universitätsbereich zu erwarten sind.

Mit den im Budget vorgesehenen Mitteln für Forschung und Entwicklung (7 Milliarden Schilling für drei Jahre) wird sich keine nennenswerte Technologieoffensive in Gang setzen lassen, geschweige denn in absehbarer Zeit die F&E-Quote von derzeit 1,6% auf 2,5% des BIP anheben lassen.

Besonders negativ stechen das Sozialabbaupaket (Regierungsjargon: »Maßnahmen zur Erhöhung der sozialen Treffsicherheit«) und die Abschöpfungen der Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung (ALV) ins Auge. Obwohl der Expertenbericht zur »sozialen Treffsicherheit« eine Fülle von Reformvorschlägen zur Verbesserung des österreichischen Sozialsystems enthält, gibt es keine strukturellen Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut. Im Gegenteil, vor allem durch die Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung wird das Verarmungsrisiko trotz einer Entschärfung bei der vierwöchigen Sperre des Arbeitslosengeldes5) treffsicher erhöht. Die Konsequenzen der Fondsabschöpfungen in der ALV bewirken einen erheblichen Druck in Richtung Rücknahme der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik. Der Rückzug des Bundes aus der Arbeitsmarktpolitik ist EU-weit einzigartig.

Auch die finanziellen Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften sind ein Bereich, wo strukturelle Reformen gänzlich fehlen. Der Finanzausgleich 2001 bis 2004 wurde nicht für eine Modernisierung nach in vielen Ländern verwirklichten Prinzipien des öffentlichen Managements genutzt, obwohl die Chancen größer denn je waren. Gemessen an den Ausgangsvorstellungen von Minister Grasser muss der neue Finanzausgleich als Erfolg für die Länder gewertet werden.

4. Die Entwicklung der Einnahmen

Steuererhöhungen führen zur höchsten Abgabenquote aller Zeiten

Die Bruttoeinnahmen steigen gegenüber dem BVA 2000 um ca. 65 Milliarden Schilling oder 9,5% an. Dieser Zuwachs ist das Spiegelbild der guten Konjunktur und der geplanten Steuererhöhungen zur Erreichung des Nulldefizits. Diese Maßnahmen haben zur höchsten Abgabenquote in der Zweiten Republik geführt.

Da die Mehreinnahmen bis auf eine Milliarde Schilling ausschließlich dem Bund zugute kommen, steigen auch die Nettosteuereinnahmen des Bundes kräftig an (+10%).

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Steuerschätzungen - abgesehen von den Privatstiftungen - solide, ja sogar eher vorsichtig sind. Die Zuwächse einzelner Steuern liegen jedoch weit über den Gesamtzuwächsen. Mit einem Zuwachs von 14,4% (= 28 Milliarden Schilling) gegenüber dem BVA 2000 wird die Lohnsteuer 2001 das Niveau vor der Steuerreform 2000 erheblich überschreiten. Die Zunahmen bei der Einkommensteuer und vor allem bei der Körperschaftsteuer (zusammen +19%) sind 2001 insbesondere auf die stark erhöhten Steuervorauszahlungen zurückzuführen. Sie dienen der Überbrückung bis zum Wirksamwerden diverser steuerlicher Maßnahmen (Streichung des Investitionsfreibetrags etc.). Der Anstieg der Umsatzsteuer entspricht der wirtschaftlichen Entwicklung. Trotz gestiegener Zinsen nimmt die Kapitalertragsteuer auf Zinsen mit 4,7% nur mäßig zu. Die Mineralöl- und Tabaksteuer haben ebenfalls nur mäßige Zuwächse. Da die Mineralölsteuer eine Mengensteuer ist, schlagen sich die höheren Ölpreise nicht in Mehreinnahmen nieder.

Bei Betrachtung der Steuerstruktur fällt auf, dass die Lohnsteuer und die Steuern vom Aufwand und Verbrauch nach wie vor die bei weitem dominierenden Einnahmequellen sind. Die Vermögensteuern machen nur noch 0,36% des BIP aus - Österreich liegt damit am untersten Ende der OECD-Staaten. Die Anhebung der Einheitswerte in der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die Maßnahmen bei den Privatstiftungen haben diese Quote nur geringfügig erhöht.

Der Zuwachs der steuerähnlichen Einnahmen (Dienstgeberbeiträge zum FLAF und zur Arbeitslosenversicherung) erscheint aufgrund der Entwicklung der Lohn- und Gehaltssumme und der Beschäftigung in dieser Höhe plausibel.

Weiterhin viele Maßnahmen mit Einmaleffekten

Die sonstigen Einnahmen sind eine sehr heterogene Größe, in der unter anderem die Einnahmen aus Veräußerungserlösen, die Rücklagenentnahmen, die OeNB-Gewinnabfuhr, die Rückflüsse aus der EU, Ersätze für Pensionen für die ÖBB und die Post und Telekom (bei Letzterer auch für den Aktivitätsaufwand) und Einnahmen aus Haftungen im Rahmen der Exportförderung enthalten sind. An Veräußerungserlösen aus Liegenschaften sind für 2001 12,6 Milliarden Schilling veranschlagt (2000: 5 Milliarden Schilling), darunter 10,6 Milliarden Schilling für die Bundesimmobiliengesellschaft und 1,5 Milliarden Schilling für Liegenschaftsverkäufe der Bundesforste. An Rücklagenentnahmen sind 3,8 Milliarden Schilling vorgesehen (2000: 7,5 Milliarden Schilling). Die Gewinnabfuhr der Nationalbank ist mit 12 Milliarden Schilling veranschlagt (2000: 10,4 Milliarden Schilling), darunter eine Sonderdividende in der Höhe von 4 Milliarden Schilling. Die Maßnahmen mit Einmaleffekten tragen somit auch im Budget 2001 bedeutend zur Zielerreichung bei. Die Dauerhaftigkeit der Budgetkonsolidierung ist somit keineswegs garantiert.

5. Wirtschaftliche Beurteilung des Budgets 2001

Sparpakete führen zu Wachstumseinbußen und steigender Inflation

Auf die Herabsetzung der Prognose des Wirtschaftswachstums als Folge des Sparpakets und der hohen Ölpreise wurde bereits eingangs hingewiesen. Nach eigenen Einschätzungen dürfte es sich bei den errechneten Wachstumseinbußen eher um eine Untergrenze handeln.

Die Steuer- und Gebührenerhöhungen machten im August bereits mehr als ein Fünftel (0,55 Prozentpunkte) der Steigerung des Verbraucherpreisindex (VPI) aus (2,7% im August). Die bereits beschlossene Erhöhung des Preises für die Autobahnvignette (wirksam mit 1. 1. 2001) wird die Inflation weiter ansteigen lassen.

Starke Belastungen für die unteren und mittleren Einkommen - Steuererhöhungen für Superreiche haben Alibicharakter

Grasser behauptet immer wieder, dass 75 Prozent der Bevölkerung durch die Sparpakete nicht belastet werden. Das ist ebenso wenig haltbar wie die Einschränkung, dass Bruttoeinkommen unter monatlich 30.000 Schilling von den einkommensteuerlichen Maßnahmen nicht betroffen sind. Die Sparpakete haben tatsächlich eine massive Breitenwirkung.

Eindeutig belastend für niedrigere Einkommen wirken die Erhöhung der Verbrauchsteuern und Gebühren, die Selbstbehalte in der Krankenversicherung, die De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrags, die Besteuerung der Unfallrenten, die Kürzung der Familienzuschläge beim Arbeitslosengeld sowie Teile der Pensionsreform.

Tendenziell belastend für niedrigere Einkommen sind weiters die Urlaubsaliquotierung, der Entfall des Postensuchtags, die Besteuerung von Urlaubs- und Kündigungsentschädigung und die Neuregelung der Wartefrist beim Arbeitslosengeld (da Personen mit höherem Risiko der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Einkommen haben, die 10 bis 15% unter dem Durchschnitt liegen).

Tendenziell belastend für mittlere und höhere Einkommen wirken die Kürzung des allgemeinen Absetzbetrags, die Kürzung des Pensionistenabsetzbetrags, die Krankenversicherungspflicht für Zusatzpensionen sowie die Besteuerung der Substanzgewinne von Investmentfonds.

Zugunsten höherer Einkommen wirken die Abschaffung der Börsenumsatzsteuer und die Prämie für private Pensionsvorsorge.

Unklar in der Verteilungswirkung sind Studiengebühren (in statischer, auf die Eltern bezogener Sicht belastend für höhere Einkommen, in dynamischer Sicht, bezogen auf Zugangsmöglichkeiten und künftige Akademikereinkommen, belastend für niedrigere Einkommen), die Streichung der Mitversicherung für kinderlose Angehörige sowie die Abzugssteuer für Vortragende.

Während somit insgesamt die kleineren Einkommen einen vergleichsweise hohen Konsolidierungsbeitrag leisten müssen, werden die Besserverdienenden vergleichsweise geschont. Der Beitrag der Reichen und Superreichen hingegen ist bescheiden, weil die ursprünglich geplante Besteuerung der Privatstiftungen dramatisch entschärft wurde.

5. Zusammenfassung

Das Budget 2001 steht ganz im Zeichen der Erreichung des Nulldefizits bis 2002, eines von der Regierung selbst gewählten Zieles. Es wurde nicht -; wie oft behauptet - vom Ecofin-Rat vorgegeben. Damit einher ging ein massives, vorwiegend einnahmenseitges Belastungspaket, das negative Auswirkungen auf die Inflation, das Wachstum und vor allem die Verteilung hat. Die unteren Einkommensschichten müssen einen vergleichsweise hohen Konsolidierungsbeitrag leisten, weit zögerlicher wurde bei den Besserverdienenden vorgegangen. Der Beitrag der Superreichen ist extrem gering. Der geplante Abbau an Planstellen im öffentlichen Dienst gefährdet die Qualität der Leistungserstellung. Anstelle einer zukunftsorientierten Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik ist deutlich Klientelpolitik erkennbar. Beleg dafür sind die Prioritätensetzungen. Vorrangig ausgeweitet werden die Förderungen, insbesondere an die Landwirtschaft, während der Vorrang für die Bildung von Humankapital und Forschung nicht wirklich erkennbar ist. Programme zur Armutsbekämpfung fehlen, im Gegenteil, die Maßnahmen zur Erhöhung der »sozialen Treffsicherheit« steigern treffsicher das Verarmungsrisiko. Die Budgetansätze sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen - realistisch, aufgrund des hohen Anteils an Einmaleffekten und der Ungewissheit über die Sparmaßnahmen und Strukturreformen der Länder ist die Erreichung des Nulldefizits 2002 für den Gesamtstaat keineswegs gesichert. Auch die Europäische Kommission zweifelt in ihrer jüngsten Prognose an der Erreichung des Nulldefizits im Jahr 2002. Diese Skepsis verstärkt sich umso mehr, wenn die Regierung wie geplant ihr Koalitionsprogramm mit zahllosen Geschenken an ihre Klientel umsetzt.

1) Über die Sinnhaftigkeit des Ziels, die Sparmaßnahmen und deren Auswirkungen auf die Arbeitnehmer wurde bereits in der letzten Ausgabe von Arbeit & Wirtschaft ausführlich berichtet: B. Rossmann, »Österreich ist kein Sanierungsfall: Wer trägt die Last? Nulldefizit als Alibi für ein sozial unausgewogenes Belastungspaket«.

2) Zunächst war eine Aufteilung 50:50 vorgesehen.

3) Ursprünglich waren 7,18 Milliarden Schilling geplant.

4) Mit Abänderungsantrag zum Budgetbegleitgesetz 2001 vom 15. 11. 2000 werden aus dem Insolvenzausfallgeldfonds 2001 einmalig 3,7 Milliarden Schilling an die SVA der gewerblichen Wirtschaft überwiesen. Diese Überweisung steht im Zusammenhang mit dem Nationalfonds für Entschädigungsopfer.

5) Die Senkung der Nettoersatzrate ist weggefallen. An die Stelle einer vierwöchigen Sperre des Arbeitslosengeldes treten nun verschärfte Sanktionen, eine Verlängerung der Anwartschaften von 26 auf 28 Wochen, der Verfall von Restansprüchen bei neuer Anwartschaft sowie eine Verordnungsermächtigung für bestimmte Wirtschaftszweige, durch die das Arbeitslosengeld für zwei Wochen ruhend gestellt werden kann.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften in der Arbeiterkammer Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959067931 Der Lohnabschluss - Argumente und Widerlegungen | Die Lohnrunde 2000/01 und die Haltung der Arbeitnehmer, der Sozialpartner und der derzeitigen Bundesregierung Erwartungsgemäß gestalteten sich die KV-Verhandlungen in der Metallindustrie diesmal in manchen Phasen schwierig, doch konnte zeitgerecht vor dem In-Kraft-Treten des neuen Kollektivvertrags (1. November 2000) eine Einigung erzielt werden. Die Reaktionen waren von Seiten der Medien fast nur positiv ­ die meisten Kommentare vermerkten anerkennend, dass mit 3,4% Ist- und 3,7% KV-Lohnerhö-hung das richtige Maß gefunden wurde. Vor allem wurde der Abschluss aber auch als Ausdruck einer funktionierenden Sozialpartnerschaft im Verhältnis Arbeitnehmer - Arbeitgeber interpretiert, und dies durchaus mit einer gewissen Erleichterung. Lediglich der Generalsekretär der Industriellenvereinigung fühlte sich zur Kritik an den angeblich zu hohen Abschlüssen bemüßigt, wobei solche Behauptungen in den letzten Jahren schon routinemäßig von dieser Seite geäußert werden. Wie ist die Lohnverhandlungsrunde 2000 in der Metallindustrie aus gewerkschaftlicher Sicht zu bewerten? Dabei müssen sowohl wirtschaftliche wie politische Aspekte berücksichtigt werden.

Die Ziele der Lohnpolitik des ÖGB beziehungsweise der Gewerkschaften, die am 14. ÖGB-Bundeskongress (1999) formuliert wurden, sind:

  • Sicherung der Kaufkraft;
  • Orientierung an der gesamtwirtschaftlichen Produktivität;
  • solidarische Lohnpolitik, das heißt, möglichst gleichmäßige Teilhabe aller Gruppen am Produktivitätszuwachs der österreichischen Wirtschaft, bei etwas stärkerer Anhebung der Mindestlöhne;
  • Tarifautonomie: Lohnpolitik ist Sache der Sozialpartner.

Produktivitätsorientierung

Aus einer nicht nur kurz-, sondern auch mittel- und längerfristigen Sicht ist die Produktivitätsorientierung die wichtigste Zielsetzung. Bei jährlichen realen Wachstumsraten unserer Wirtschaft von durchschnittlich nur knapp mehr als 2% im letzten Jahrzehnt ist nicht jedes Jahr ein realer Einkommenszuwachs für die Arbeitnehmer drinnen gewesen. Über einen längeren Zeitraum sollte sich aber eine merkbare Einkommenserhöhung ergeben. Dabei ist es klar, dass Schwankungen in der laufenden Konjunktur-, Preis- und Arbeitsmarktentwicklung, ob sie nun erwartet oder unerwartet (derzeitige Ölpreiserhöhung!) eintreten, dazu führen, dass Löhne und Produktivität sich nicht von Jahr zu Jahr parallel entwickeln.

In den letzten fünf Jahren war das Wirtschaftswachstum eher schwach, erst 2000/01 ist wieder eine stärkere Belebung eingetreten. Unter diesen Bedingungen verlief auch die reale Lohnentwicklung im Durchschnitt sehr gedämpft, 1999 lag der reale Durchschnittslohn nur etwa 3% über dem Niveau von 1994. Der reale Lohnzuwachs lag in einzelnen Jahren (1998 und 1999) auch über, insgesamt jedoch unter dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs. Das Jahr 2000 war zweifellos durch besondere Faktoren geprägt: Der Preisanstieg war durch Ölpreiserhöhung sowie Steuer- und Gebührenerhöhungen (»Belastungspaket«)1) erheblich stärker, als zum Beginn der letzten Lohnrunde erwartet worden war. Das Wirtschaftswachstum war erfreulicherweise sogar etwas stärker. So kam es dazu, dass im Vorjahr der Reallohn deutlich hinter der Produktivität zurückgeblieben ist (siehe Tabelle).

Mit einer Lohnerhöhung von effektiv zirka 3,6%2), was real je nach Inflationsrate 2001 zwischen 1,75 und 2% bedeuten dürfte, entspricht der Lohnabschluss in der Metallindustrie ungefähr der für 2001 prognostizierten Produktivitätszunahme.

Weder in kurz- noch in mittelfristiger Sicht kann man daher diesen Lohnabschluss als »überhöht« kritisieren, wenn die Produktivitätsentwicklung als Maßstab genommen wird.

Von Arbeitgeberseite ist in den letzten Jahren die Produktivitätsorientierung immer wieder in Frage gestellt worden, wobei vor allem zwei Arten von Gründen genannt werden:

  • »Die Unternehmungen müssen bei Industriegütern immer stärkere Preiskonzessionen machen, sodass die Industrie die Produktivitätszuwächse nicht an die Arbeitnehmer weitergeben kann.«

Dazu ist zu sagen, dass die Lohnerhöhungen in der Industrie ohnehin meist niedriger sind als der Produktivitätszuwachs, der mit zirka 5% in der Industrie mehr als doppelt so hoch wie im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt ist. Wenn der Lohnzuwachs damit immer noch über dem Wachstum der nominellen Wertschöpfung liegen würde, müssten die Gewinne sinken. Das war aber in dem hier betrachteten Zeitraum keineswegs der Fall.3) Also entspricht die Behauptung der Unternehmerseite nicht den Tatsachen.

  • »Lohnerhöhungen unter dem Produktivitätswachstum ermöglichen die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.«

Damit wollen sich die Unternehmervertreter sogar als die wahren Wohltäter der Arbeitnehmer darstellen. Abgesehen davon, dass sie natürlich damit primär erreichen wollen, dass vom Umsatz mehr für den Gewinn übrig bleibt, übersieht das Argument, dass Löhne gleichzeitig Nachfrage sind und ein geringerer Lohnzuwachs auch weniger Nachfrage bedeutet und daher an sich nicht zu einer Ausweitung der Beschäftigung führt. Auch hat die Entwicklung der neunziger Jahre in Europa, als die Löhne deutlich schwächer gestiegen sind, gezeigt, dass diese Rechnung nicht aufgeht, da die Beschäftigung sich praktisch nicht erhöht hat, wohl aber die Arbeitslosigkeit. Am besten kann durch einen Gleichschritt von Reallöhnen und Produktivität eine ausreichende Nachfrage gesichert werden, die mittel- und längerfristig auch wieder zu mehr Wachstum des BIP und der Beschäftigung führt.

Kaufkraftsicherung

Ein brisantes Thema bei den Lohnverhandlungen war diesmal die Inflation. Von Unternehmerseite, aber auch von mehreren Ökonomen wurde die Meinung vertreten, dass die Inflation, soweit sie auf Preissteigerungen für Importgüter (Rohöl und Ölprodukte) zurückzuführen ist, nicht in der Lohnerhöhung abgegolten werden sollte, da ansonsten die Gefahr besteht, dass eine Preis-Lohn-Spirale in Gang gesetzt wird. Stattdessen wurde immer eine so genannte »Kerninflationsrate« als maßgeblicher Indikator genannt.

Als sich Österreich nach dem ersten und zweiten Ölpreisschock (1973 und 1979) in einer ähnlichen Situation befand, hatte die Inflation allerdings deutlich höhere Werte erreicht (im Extremfall sogar knapp über 10%). Von einer solchen dramatischen Beschleunigung waren wir diesmal weit entfernt, der bisherige Höchstwert der Preissteigerungen wurde im September 2000 mit 3% erreicht. Im Jahresdurchschnitt wird die Inflationsrate für 2000 etwa 2,4% betragen. Für 2001 wird mit einem Rückgang der Inflation auf unter 2% gerechnet. Für das Jahr 2000 hat sich der Umstand, dass die Inflation tatsächlich doppelt so hoch war, wie zum Zeitpunkt der vorletzten Lohnrunde im Herbst 1999 prognostiziert, in der Reallohnentwicklung niedergeschlagen, ohne dass eine Korrektur im Nachhinein erfolgt ist. Für 2001 ergibt der Lohnabschluss in der Metallindustrie etwa den Wert, der sich aus erwarteter Inflationsrate und Produktivitätssteigerung addiert. Von einer doppelten Abgeltung der Inflation, wie dies von der Industriellenvereinigung behauptet wurde, kann daher keine Rede sein. Es geht auch nicht an, unter dem Titel »Kerninflation« sich diejenige Inflationsrate für die Lohnverhandlungen auszusuchen, welche interessenpolitisch am besten ins Konzept passt. Es ist leicht vorherzusehen, dass die Vorliebe der Unternehmervertreter für die Kerninflation als Maßstab sehr schnell abnehmen wird, wenn 2001 die Kerninflationsrate über der allgemeinen Inflationsrate liegen wird, was sich aus der erwarteten Ölpreisentwicklung ergibt. Die Gewerkschaft hat auch in Zeiten sinkender Ölpreise in den Jahren nach 1987 dies nicht als Argument für höhere Lohnforderungen verwendet. Am besten ist es, die ganze Debatte wieder zu vergessen.

Solidarische Lohnpolitik

In Zeiten zunehmender Ungleichheit in der Einkommensverteilung insgesamt sowie in der Verteilung der Löhne und Gehälter hat dieses Ziel eine besondere Bedeutung. Es ist leider wenig bekannt, dass die österreichischen Gewerkschaften sich in ihrer Lohnpolitik vergleichsweise erfolgreich gegen diese Tendenz gestemmt haben, wenn man die Entwicklung in anderen Ländern betrachtet. Vor allem in den USA und in Großbritannien ist es in den letzten zwanzig Jahren zu einer massiven Erhöhung der Lohnspreizung gekommen. In den anderen EU-Ländern hat sich diese Tendenz nur in deutlich abgeschwächtem Ausmaß geltend gemacht, Länder praktisch ohne Zunahme der Lohnspreizung sind Frankreich und Deutschland. Auch in Österreich hat die höhere Arbeitslosigkeit in der Verteilung der Löhne und Gehälter ihre Spuren hinterlassen. Der Wert für das Einkommen der untersten 25% der Arbeiter und Angestellten in Prozent des obersten Viertels sank von 53,8% 1988 auf 52,4% 1998.4) Dass sich die Zunahme der Ungleichheit der Verteilung der Löhne und Gehälter in Österreich in vergleichsweise engen Grenzen gehalten hat, ist vor allem dem flächendeckenden System der Kollektivverträge und der solidarischen Lohnpolitik des ÖGB zuzuschreiben. Das bedeutet nicht, dass auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren nichts zu tun wäre. Mit dem vereinbarten Mindestbetrag von 650 Schilling im letzten Lohnabschluss wurde von den Gewerkschaften ein deutliches Zeichen für eine stärkere Erhöhung der unteren Lohn- und Gehaltsgruppen gesetzt. Gleichzeitig sollte die Wirkung der solidarischen Lohnpolitik in einem zu mehr Ungleichheit tendierenden Umfeld nicht unterschätzt werden.

Von Unternehmerseite- lautstark von einzelnen Vertretern, eher vorsichtig von den führenden Repräsentanten der Fachverbände der WKÖ - wird immer wieder die Forderung nach eine stärkeren Dezentralisierung und Verbetrieblichung der Lohnverhandlungen erhoben. Die Befürworter einer solchen Änderung in der Lohnpolitik sind sich dabei wahrscheinlich nicht bewusst, dass eine gesamtwirtschaftliche Orientierung der Lohnpolitik (durchschnittliche Produktivitätsentwicklung, Inflation, Arbeitsmarkt, Außenwirtschaft) nur durch eine umfassende Koordinierung der Lohnverhandlungen, wie sie in Österreich praktiziert wird, gewährleistet werden kann. Dies war für die mittelfristige Sicherung und Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Sachgüterproduktion (gemessen an der Lohnstückkostenentwicklung) von entscheidender Wichtigkeit - ein Faktum, das von vielen Unternehmern offenbar als Selbstverständlichkeit betrachtet wird.

Mit der auch dieses Mal wieder vereinbarten »Verteilungsoption« werden zusätzliche Spielräume für betriebsindividuelle Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.

Zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen

Eine Analyse der Entwicklung der österreichischen Wirtschaft in den neunziger Jahren zeigt, dass in Österreich das praktizierte Lohnverhandlungssystem voll den Anforderungen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft entspricht, deren Sicherung für eine positive Wirtschaftsentwicklung auch in Zukunft entscheidend sein wird. Der jüngste Lohnabschluss in der Metallindustrie zeigt, dass sich diese Anforderungen mit den zentralen gewerkschaftlichen Anliegen einer Reallohnerhöhung gemäß Produktivitätszunahme und Kaufkraftsicherung vereinbaren lassen. Das Herummäkeln an einzelnen Elementen des Kollektivvertragssystems von Unternehmerseite entpuppt sich bei näherem Hinsehen als interessenpolitisch motiviert und entbehrt einer volkswirtschaftlichen Fundierung.

Die Gewerkschaften sind auf richtigem Kurs, wenn sie bei künftigen Lohnverhandlungen wie bisher angebots- und nachfrageseitige Aspekte der Lohnentwicklung im Auge behalten. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Export ist ebenso zu beachten wie die Entwicklung der Binnennachfrage, für welche die Löhne der stärkste Bestimmungsfaktor sind. Bei einer Wirtschaftsstruktur, die sich langfristig immer weiter zu den Dienstleistungen verlagert, muss auch dieser Nachfrageaspekt ausreichend Berücksichtigung finden, und zwar durch Produktivitätsorientierung der Lohnpolitik.

Die Sozialpartnerschaft hat sich durch den Lohnabschluss einmal mehr als funktionsfähig erwiesen. Jedoch dürfen gerade in dieser Hinsicht die Gefahren, welche von der sozialen Konfrontationspolitik auf Regierungsebene ausgehen, nicht übersehen werden. Die Sozialpartnerschaft ist zugleich ein zweiseitiges (Arbeitnehmer/Arbeitgeber) und ein dreiseitiges Verhältnis (beide in Relation zur Regierung). In dem umfassenden dreiseitigen Verständnis wurde die Sozialpartnerschaft durch die Haltung der ÖVP-FPÖ-Regierung massiv in Frage gestellt, trotz gegenteiliger papierener Bekenntnisse, die für die tatsächliche Politik folgenlos blieben. Voraussetzung für eine Wiederherstellung eines stärker konsensualen Verhältnisses ist eine stärkere Bereitschaft der Regierung, auf Positionen von ÖGB und AK einzugehen.

Eine gewisse Neigung zu einer Verpolitisierung der Lohnpolitik ist bei Teilen der Unternehmerseite (vor allem in der Industriellenvereinigung angesiedelt) zu erkennen. Zwar sind bei den Lohnverhandlungen in der Metallindustrie Zurufe der Regierung unterblieben, doch enthält das Regierungsprogramm die Absichtserklärung, gesetzliche Änderungen in Richtung einer stärkeren Verbetrieblichung der Lohnverhandlungen vorzunehmen. Schritte zur Umsetzung dieser Absicht würden zweifellos eine schwere Beeinträchtigung des sozialpartnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber mit sich bringen.

1) Siehe dazu den Artikel »Wer trägt die Last - Österreich ist kein ðSanierungsfallĐ« von Bruno Rossmann in A&W 11/2000.

2) Die durchschnittliche rechnerische Auswirkung der Lohnerhöhung auf die Effektivlöhne muss zwischen dem Erhöhungsprozentsatz für die KV-Löhne (3,7%) und jenen für die Ist-Löhne (3,4%) liegen. Wegen des gleichzeitig vereinbarten Mindesterhöhungsbetrags von 650 Schilling liegen diese Auswirkungen diesmal sicher näher beim höheren Prozentsatz.

3) Der Cash-flow in Prozent des Umsatzes schwankt in den letzten Jahren zwischen 9 und 10% und zeigt keinerlei Tendenz zur Verschlechterung. Siehe Wifo-Monatsberichte Nr. 3/2000.

4) Eine ausführlichere Darstellung der Verteilung der Löhne und Gehälter und ihrer Entwicklung in den letzten zehn Jahren findet sich im Bericht »Die Lage der ArbeitnehmerInnen 1999« der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte.

KV-Abschluss Metallindustrie

Wichtigste Ergebnisse der KV-Verhandlungen der Gewerkschaften Metall-Textil und GPA für die Metallindustrie (24. Oktober 2000).

Folgende Erhöhungen treten mit 1. November 2000 (Laufzeit 1 Jahr) in Kraft:

  • plus 3,7% KV-Lohn
  • neuer Mindestlohn S 15.870,-
  • plus 3,4% Ist-Lohn
  • Verteilungsoption von 0,5% der Lohnsumme, mindestens 3,2%
  • Erhöhung jedenfalls um mindestens S 650,- im Monat
  • Erhöhung der Zulagen und Lehrlingsentschädigungen um 3,4%


Für die Angestellten einiger anderer Industriebranchen wurden andere, etwas niedrigere Prozentsätze vereinbart.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1200959067893 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959067682 Sozialschmarotzer Wer nun glaubt, in diesem so genannten »Mazal-Bericht« endlich eine Definition des viel strapazierten Begriffs der »Treffsicherheit« zu finden, der irrt. Von »Treffsicherheit« ist zwar fast auf jeder Seite des Berichts die Rede, aber dabei handelt es sich offensichtlich nur um ein Schlagwort unter vielen. Ein Verkaufstrick, wie zum Beispiel bei den Studiengebühren, die von der Regierung Studienbeiträge genannt werden, weil »Beitrag« nicht so harsch klingt wie »Gebühr« (über die Einführung von Studiengebühren findet sich übrigens im Mazal-Bericht kein Wort).

»Treffsicherheit und Gerechtigkeit werden synonym verwendet und dienen als Verschleierung des Sozialabbaus ...«, heißt es in Heft 4/2000 der im Orac-Verlag erscheinenden Zeitschrift »Wirtschaft und Gesellschaft«. »Synonym« kann man erklären als »mit einem Wort oder einer Reihe von Wörtern bedeutungsgleich, so dass beide in einem bestimmten Zusammenhang austauschbar sind - sinnverwandt«.

Was halten Sie, werte Leserin, werter Leser, von der Annahme, dass »Sozialschmarotzer« und »Arbeitnehmer« synonym sind? Sie sind empört? Warten Sie! Ich zitiere nochmals »Wirtschaft und Gesellschaft« 4/2000:

»Beschäftigungsverhältnisse werden, laut Mazal, >oftmals bloß zur Erlangung oder zum Erhalt von Anwartschaften eingegangen<;, Personen, die Notstandshilfe beziehen, tun dies, weil sie durch >geschickte Gestaltung eine Anwartschaft erworben< haben. Der Arbeitnehmer als potentieller Sozialschmarotzer, das ist das Bild, das hier gezeichnet wird. Statt dankbar für die Arbeit zu sein (bekanntlich adelt Arbeit ja, mancherorts edelt sie sogar ...), erhoffen sich die österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer doch wirklich auch noch, dadurch sozial abgesichert zu sein. Eine derartige Sicht darf nur zynisch genannt werden.«

Liebe Sozialschmarotzerinnen und Sozialschmarotzer, ach, tschuldigen, wollte sagen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, was ist nun von diesem Regierungsberater und seinem Bericht zu halten? Was ist von einer Regierung zu halten, die solche Berater hat? Aus diesem Bericht haben schließlich Ministerratsbeschlüsse resultiert ...

Die »Treffsicherheit« ist im Grunde nichts als eine leere Worthülse (zumindest solange das zu treffende Ziel nicht wenigstens genannt wird). Neben der »Treffsicherheit« war es das Nulldefizit-Ziel, das in der praktischen Politik als Deckmantel für ein unsoziales Belastungspaket herhalten musste:

»Das sieht man zunächst einmal an den Hauptzahlen, wenn man die Belastungen den einzelnen Gruppen zuordnet. Die Arbeitnehmerseite ist von der Summe der Maßnahmen her, vom Jahr 2001 ausgehend bis zum Jahr 2003, mit 42,6 Milliarden Schilling dauerhaft belastet. Im Gegensatz dazu steht die Situation bei den Unternehmern und Selbständigen. Sie werden im Jahr 2001 noch mit 8,3 Milliarden belastet, dann fällt die Belastung, und siehe da, im Jahre 2003 ist dann für die Unternehmen und Selbständigen schon ein Plus von 3,4 Milliarden Schilling da. Also Belastung für die Arbeitnehmer und Belastung für die Unternehmen. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen in geringeren Beiträgen der Unternehmer im Sozialbereich und in den bereits in Aussicht gestellten Körperschaftssteuersenkungen.« (Leitender ÖGB-Sekretär Richard Leutner in einem Interview im »Standard«)

Mittlerweile gibt es ja nicht ein Belastungspaket, sondern drei, erklärt Leutner. »Vor dem Sommer gab es eine ganze Reihe von Gebührenerhöhungen und Erhöhungen indirekter Steuern. Wir hatten weiters die Pensionsreform mit drei Maßnahmen im Leistungsrecht, insbesondere die Anhebung des Anfallsalters. Dazu kommen die ganzen Maßnahmen bei der sozialen Treffsicherheit ...«

Und diese Belastungen sind nicht gerecht verteilt, sind sozial ungerecht. Dass 75 Prozent der Bevölkerung nicht betroffen wären, wie behauptet wurde, stimmt einfach nicht, schon wenn man an die indirekten Steuern denkt, die ja die gesamte Bevölkerung unabhängig vom Einkommen betreffen, also auch sozial Schwächere.

Die soziale Ausgewogenheit bei den Einsparungsmaßnahmen als Eiertanz? Die Regierung kündigt Maßnahmen mit viel Getöse an, um sie dann halb zurückzunehmen und sich damit als »sozial gerecht« zu brüsten. Niemand kann von einer Verhältnismäßigkeit zwischen den Belastungen der Arbeitnehmer einerseits und Selbständigen beziehungsweise Landwirtschaft reden.

Während Teile der Wirtschaft über eine zu hohe Abgabenquote klagen, leisten die Arbeitnehmer den Löwenanteil bei den Abgaben - mit ihren Lohnsteuern, Umsatzsteuern und Sozialversicherungsbeiträgen. Effektiv zahlen die Unternehmer in Österreich so wenig Steuern wie in kaum einem anderen EU-Staat.

Wenn Österreich dieselbe Gewinnsteuer hätte wie Finnland, dann hätten wir jetzt ein ausgeglichenes Budget. Wenn wir dieselben Gewinnsteuern hätten wie Holland, dann hätten wir jetzt 17 Milliarden Überschuss.

Wo scheint die Sonne der Gerechtigkeit in unserem Land?

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Jan 2001 00:00:00 +0100 1200959067667 Machen wir uns noch stärker! Immer wieder hören wir Hiobsbotschaften, wie sehr die »kleinen« Leut' jetzt »ausg'sackelt« werden. Und allmählich spüren wir es auch in der Brieftasche, dass dort jetzt weniger drin ist.

»Aber wir müssen ja sparen«, heißt es dann. Leider sieht das aber hauptsächlich so aus, dass bei den Kleinen gespart wird und die Großen beschenkt werden.

»Take from the needy
and give to the greedy«,
formuliert dazu der Amerikaner Noam Chomsky die Maxime (in etwa: »Nimm von den Bedürftigen und gib den Gierigen«).

Der Einzelne kommt sich da ziemlich schwach und hilflos vor. Doch wir sind nicht allein: Wir Arbeitnehmer haben uns zusammengeschlossen, um gemeinsam unseren Interessen Gehör zu verschaffen und uns durchzusetzen. Dabei sind wir durchaus für eine Partnerschaft, allerdings sollte diese Sozial-Partnerschaft nicht einseitig sein und in diesen sozialen Dingen sollte es gerecht zugehen. Und wenn auch unsere »Partner« über mehr Macht und mehr Geld verfügen, so sind wir zahlenmäßig überlegen:

»Ye are many - they are few«
(Ihr seid viele - sie sind wen'ge) heißt das bei Shelley.

Mehrheiten haben in einer Demokratie grundlegende Bedeutung. Die Gehirnwäsche, welche die Minderheit der Mehrheit zu verpassen sucht, wird trotz medialer Übermacht auf Dauer nicht halten ...

Damit wir gemeinsam und solidarisch agieren können, ist es wichtig, unsere zahlenmäßige Stärke zu erhalten und auszubauen. Es gilt, noch mehr Kolleginnen und Kollegen vom Sinn und den Vorteilen einer gewerkschaftlichen Organisation zu überzeugen.

Vor allem die Betriebsräte sollten versuchen, direkt im Betrieb mit all jenen zu reden, die unseren Reihen noch fern stehen. Der ÖGB gibt dazu Hilfestellung: Er hat auch heuer wieder eine Werbekampagne gestartet, die einzelne Werber und Teams mit Materialien und zusätzlichen Argumenten versorgt.

Die heurige Werbeaktion hat der ÖGB in Anlehnung an sportliche Wettkämpfe »PowerCup 2001« genannt. Dabei wird den Teilnehmern sogar mit ansehnlichen Preisen gewunken. Wem es aber gelingt, unsere Reihen zu verstärken und Menschen von der Gewerkschaftsidee zu überzeugen, der hat auf jeden Fall schon gewonnen. In diesem Sinne: »Der Worte sind genug gewechselt«, sagte schon der alte Geheimrat Goethe.

Wie geht der Spruch weiter?
»Lasst mich (oder uns) nun endlich Taten sehen!«

PS. Wer hat für alle Fälle schon eine Mitgliedsanmeldung einstecken?

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Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995284988 Leben auf Pump: Für viele eine Sackgasse | Schuldnerberatungen, Privatkonkurs und Auswege für sozial Schwache »Vieles wird auf Pump gekauft. Vor allem junge Menschen stehen oft unter dem Druck, alles sofort besitzen zu müssen«, meint Margit Handschmann, Kreditexpertin und Juristin in der Abteilung für Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Wien. Auch wird die Kreditwerbung wieder auffallend aggressiver. »Ein Grund ist das Ansteigen der hohen Geldreserven und Spareinlagen bei den Kreditinstituten«, berichtet Josef Haslinger, Mitarbeiter der statistischen Dokumen- tation der »Arge Schuldnerberatung«, der Dachorganisation aller österreichischen Schuldnerberatungsstellen mit Sitz in Linz. An erster Stelle der Gläubiger rangieren Kreditinstitute, gefolgt von Versandhäusern. Rund ein Drittel der überschuldeten Haushalte haben Probleme mit den Wohnkosten, oft droht schon das Damoklesschwert der Delogierung, die Endstation heißt für manchen Obdachlosigkeit. »Leider kommen die meisten erst zu uns, wenn Alarmstufe Rot gegeben ist und die Schwierigkeiten überhand genommen haben. Oft können wir gerade noch das Schlimmste verhindern.« So Alexander Maly, Experte der Schuldner- beratung der Stadt Wien, bedauernd über die Kopf-in-den-Sand-Methode vieler Kleinschuldner. Er versteht sich auch als Pädagoge, der lehrt, welche Prioritäten zu setzen sind: »Unsere Klienten haben Fehlentscheidungen getroffen, daraus sollen sie lernen. Oft ist es wichtiger, zuerst einmal die Miete zu überweisen und alle weiteren Schulden hintanzustellen.«

Jeder Dritte

In Österreich hat jeder 6. Haushalt Kreditverbindlichkeiten. Für einige jedoch wurde dieser nur schlecht überlegte Schritt später zu einer unüberwindlichen Hürde: Viele Kleinschuldner bleiben auf ihrem Schuldenberg sitzen. »Oft wird zu knapp kalkuliert, es gibt keinen Spielraum. Wenn dann ein Kreditnehmer seine Arbeit verliert, geht schnell etwas schief«, berichtet Handschmann aus der Praxis. Weit mehr als 150.000 Haushalte - so interne Schätzungen der Schuldnerberater - sind überschuldet und damit zahlungsunfähig. Dies belegen die Eckdaten der Arge Schuldnerberatung: »Die letzten Zahlen der österreichischen Nationalbank - April 2000 - sprachen von einem Kreditvolumen von 763,4 Milliarden.« Davon dürften weit mehr als 50 Milliarden Schilling uneinbringlich sein.

Bei den Schuldnerberatungsstellen - 16 Zentralen mit 21 Regionalstellen - in ganz Österreich laufen die Telefone heiß. Jeden Tag ergreifen ratlose Menschen, die keinen Ausweg aus der Schuldenfalle mehr finden, diesen letzten Strohhalm. Gründe, warum jemand im Schuldenturm landet, gibt es viele. »Ein Drittel unserer Klienten sind gescheiterte Unternehmer, die sich mit einem Kleinunternehmen wie einem Espresso oder Transportunternehmen selbständig machen wollten«, berichtet Ronald Kutulski, Geschäftsführer des Wiener Vereins Schuldnerberatung KWH. Seit 1995 haben über 90.600 Personen ein Beratungsgespräch in Anspruch genommen. Im Durchschnitt stehen die Klienten mit 1,153.000 Schilling in der Kreide. Meistens sind es mehrere Faktoren, die das Fass zum Überlaufen bringen. Ein Ursachenranking zeigt: Viele können mit Geld nicht umgehen, sie leben über ihre Verhältnisse. An zweiter Stelle folgt eine zu hohe Risikofreudigkeit, gepaart mit schlechter Kalkulation - für viele Selbständige endete dieser Weg in der Sackgasse. Der Verlust des Arbeitsplatzes, eine schwere Krankheit, der Tod oder die Trennung vom Lebenspartner sind ebenfalls häufige Gründe für Zahlungsunfähigkeit. Und vor allem Frauen kommen oft mit einer leichtfertig unterzeichneten Bürgschaft für den Ehemann zum Handkuss.

Kreditvergabe ohne Reglementierung

Was viele nicht wissen: Jeder, der einen Kredit aufnimmt, gibt ein Verpfändungsrecht auf alle seine Bezüge ab. »Ich gebe damit der Bank die Möglichkeit, auch ohne gerichtliche Zustimmung mein Gehalt zu pfänden«, erläutert Maly, »und diese Klausel findet sich in jedem Kreditvertrag.« Der versierte Berater kritisiert ein spezifisch österreichisches Phänomen: Die extrem hohe Verschuldung einkommensschwacher Personen, beispielsweise Gastarbeiter, Arbeitslose, Familien mit Kindern. »40 Prozent unserer Klienten haben nicht Deutsch als Muttersprache. Da werden Jugoslawen oder Türken von den Kreditgebern oft eingeseift - noch dazu mit schlechteren Konditionen. Höhere Zinssätze zwischen 12 und 14 Prozent sind bei so genannten Risikokunden keine Seltenheit. Oft bekommen sie Kredite nur über Mittelsmänner oder Kredithaie.« Außerdem gäbe es eine unselige Mischung aus Marktwirtschaft und staatlicher Regelung, analysiert Maly: »Während die Kreditvergabe bei uns nahezu keiner Reglementierung unterliegt, mischt der Staat bei der Eintreibung der aushaftenden Beträge voll mit.«

Schweiz, USA

Als Vergleichsbeispiele nennt er die USA und die Schweiz. In den Vereinigten Staaten käme es zu einer Selbstregulierung, denn Einkommensschwache brauchen eine »credit-history«, um Geld geliehen zu bekommen, auch gäbe es weder Lohnpfändung noch staatliche Eintreibung. Die USA sind vor allem dafür bekannt, dass Kreditkarten den Einstieg in die Verschuldung erleichtern. In der Schweiz - hier schaltet sich der Staat im Krisenfall schon ein - gibt es strenge Beschränkungen bei der Kreditvergabe: Konsumkredite müssen innerhalb von drei Jahren zurückgezahlt werden, außerdem dürfen nicht zwei Kredite gleichzeitig vergeben werden. Zur Einhaltung dieser Kriterien sind die Banken verpflichtet, werden sie umgangen, gibt es schwere Sanktionen, welche die Gläubiger empfindlich treffen.

Lohnpfändungssystem

Österreich ist anders, erläutert Maly: »Seit 1986 gibt es aufgrund der Drittschuldneranfrage ein effizientes Lohnpfändungssystem - unter Umgehung des Datenschutzes. Der Gläubiger kann mit einer pauschalen Lohnpfändungsbewilligung beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger alle Daten über die Arbeitsstelle seines Kreditkunden erfragen. »Mit diesem Instrument wurde 1986 auch der Startschuss für die Verschuldung von Einkommensschwachen abgegeben«, berichtet der Schuldnerberater, »bis 1992 konnte alles bis zu einem Betrag von 3700 Schilling gepfändet werden.« Erst 1992 wurde das Existenzminimum mit 8310 Schilling dem Ausgleichszulagenrichtsatz angepasst. Dieser leichte Zugriff auf die Gehälter der Kunden ermöglichte den Banken die Vergabe von Konsumkrediten. Es entstand ein ziemlich risikoloses Geschäftsfeld, das ab diesem Zeitpunkt in Großproduktion beackert wurde.

Eine spezielle Rolle unter den Schuldnern nehmen Frauen ein, sie machen mit nahezu 42 Prozent einen erheblichen Anteil der Ratsuchenden aus. Rund ein Drittel von ihnen ist geschieden, die meisten sind Alleinerzieherinnen. 41 Prozent sind ohne Erwerbseinkommen und müssen von Transferleistungen ihr Leben bestreiten. In die Krisensituation schlittern die meisten, weil sie über die finanzielle Lage des Haushaltes nicht informiert waren, oftmals führte eine leichtfertig gesetzte Unterschrift auf dem Kreditvertrag des Ehegatten direkt in die Misere.

Eine kleine Auswahl bevorrechteter Beratungsstellen, diese sind gemäß Bescheid des Justizministeriums berechtigt, Schuldner in Konkursverfahren zu vertreten:

Dachorganisation Arge Schuldnerberatung (ASB)

4020 Linz, Scharitzerstraße 10
Tel. 0 73 2/65 36 31

grohs-asb@eunet.at
www.schuldnerberatung.at

Schuldnerberatung - KWH

1020 Wien, Leopoldsgasse 4/DG
Tel. 01/218 27 90

Sb.wien@eunet.at
www.schuldnerberatung-wien.at

Schuldnerberatung der Stadt Wien

1020 Wien, Obere Augartenstr. 26-28
Tel. 330 87 35
Fax 330 87 35 - 9985530

Schuldnerberatung NÖ

3100 St. Pölten, Linzer Str. 7
Tel. 0 27 42/355 42 00

Sbnoe@aon.at

Hauptproblem: steigende Zinsenlast

Hauptproblem der Verschuldung ist meist nicht der geliehene Betrag, sondern die Zinsenlast. Zusätzlich können die Banken jedes Schreiben ihres Anwaltes in Rechnung stellen. Dies treibt die Gesamtschuld bald in schwindelnde Höhen. Die Regel besagt: Die Schulden verdoppeln sich durch den Zinsendienst alle 5 Jahre - unter der Annahme, dass keine Rückzahlung erfolgen kann. »Haben Sie heute eine Million Schilling Schulden, so sind diese innerhalb von zehn Jahren auf vier Millionen angewachsen«, erklärt Maly die absurde, aber existierende Dynamik der Schuldenspirale, »dadurch sind wir häufig mit nahezu aussichtslosen Fällen konfrontiert.« Ein typischer Fall: Herr B. ist Straßenkehrer bei der Gemeinde Wien, mit einem monatlichen Einkommen von 15.000 Schilling netto. Er hat bei Unterzeichnung seines Kredits - den er sich leisten konnte - von 200.000 Schilling mit einer Laufzeit von zehn Jahren einen Zinssatz von sieben Prozent vereinbart. (Je nach Art des Vertrages gibt es eine Zinsanpassung oder eine fixe Verzinsung für die gesamte Laufzeit.) Die Rate beträgt 2313 Schilling pro Monat. Nachdem er fast ein Jahr lang seine Raten abgestottert hatte, kam Herr B. in Verzug und blieb zwei Raten schuldig. Daraufhin wurde der gesamte Kredit fällig gestellt und eine Klage eingereicht, die Kosten in der Höhe von 25.000 verursachte. Ab diesem Zeitpunkt darf die Bank Verzugszinsen in der Höhe von 5 Prozent zusätzlich verrechnen: Die Zinsenlast beträgt nun 12 Prozent und die Forderung liegt nun bei mehr als 200.000 - denn im ersten Jahr werden erst einmal Zinsen abgezahlt. »Und da es für diese Problemfälle keinen Konsumentenschutz gibt, kann die Bank an der 12-prozentigen Verzinsung für die Restschuld festhalten. Damit ist die Gesamtschuld aber erst nach rund 16 Jahren getilgt«, erläutert Maly das Phänomen des ewigen Kredites, »pro Monat entstehen jetzt Kosten bloß aufgrund der Zinsen von 2000 Schilling.« Die so genannte kontokurrentmäßige Verzinsung produziert Zinseszinsen, sodass bei manchen Unglücksschafen der Zinsendienst die einstmals geliehene Summe bei weitem übersteigt. »Sobald ein Anwalt in die Angelegenheit eingeschaltet wurde, ist der Kreditnehmer permanent Freiwild für dessen Begehrlichkeiten. Denn die Advokaten können dem Beklagenswerten permanent Kosten aufbrummen«, kritisiert Maly.

Grober Systemmangel

Der aushaftende Betrag kann lebenslang gepfändet werden. Dabei ortet der Krisenmanager einen groben Systemmangel, denn der Kunde im Verzug wird scheinbar zum besseren Kunden, weil er auf lange Sicht mehr einbringt. Von diesen »Wahnsinnigkeiten der Exekutivordnung«, wie sie von Maly auch bezeichnet werden, profitieren vor allem die Profi-Gläubiger wie Banken oder Versandhäuser, denn sie sind im Pfandrecht immer an erster Stelle gereiht, weil ihre Anwälte die besten Konditionen herausschlagen können. Die Reihung nach dem Prioritätenprinzip bedeutet: Der erste Gläubiger darf solange pfänden, bis die gesamte Schuld eingetrieben ist - und so weiter ad infinitum. »Natürlich gibt es auch die Möglichkeit, mit der Bank einen Zinsenstopp oder zumindest eine Zinsensenkung auszuverhandeln», weiß Handschmann. Doch dies erfordert das individuelle Verhandlungsgeschick des Kunden, das weniger redegewandten Personen oft fehlt.

Privatkonkurs: Nur für wenige eine Lösung

Seit 1995 existiert das gerichtliche Schuldenregulierungsverfahren, auch Privatkonkurs genannt: Es sollte Verschuldeten die Möglichkeit geben, noch einmal bei null anzufangen. »Doch für immer mehr Personengruppen sind die Hürden zu hoch«, weiß Schulden-Experte Kutulski. Ein wesentliches problematisches Detail: Auch beim Privatkonkurs bleiben die vertraglichen Pfandrechte noch zwei Jahre bestehen, allerdings wird der Zinsenlauf gestoppt. »Diese Sonderstellung der Verpfändungsklausel im Privatkonkurs ist in der Praxis der pure Wahnsinn, sie muss unbedingt fallen«, bekräftigt Maly: »Allerdings konnten die Banken, Nutznießer der Regelung, dies bislang erfolgreich verhindern.«

Farce?

Unter diesen Umständen wird auch für Hans Grohs, Geschäftsführer der Arge Schuldnerberatung, der Privatkonkurs zur reinen Farce: »Das Verfahren ist gerade für sozial Schwache ungeeignet. Auch Familien mit mehreren Kindern oder Alleinerzieherinnen bleiben in der Schuldenfalle gefangen.« Für rund 50 Prozent aller hoffnungslos Überschuldeten funktioniert der Privatkonkurs. »Es ist jedoch eine Menge Wissen erforderlich, da es sich um ein anspruchsvolles Verfahren handelt«, so Maly, der weiß, dass nur engagierte Schuldnerberater oder versierte Anwälte über ein solches verfügen. Außerdem brauchen die Klienten einen langen Atem, denn über einen Zeitraum von sieben Jahren bleibt ihnen bloß das Existenzminimum. Haben sie danach eine Quote von mindestens 10 Prozent erwirtschaftet, wird die Restschuld erlassen. Diese Mindestquote kann je nach Leistungsfähigkeit bis zu 50 Prozent betragen. So gut dieser Ausweg in der Theorie klingen mag, in der Praxis sehen doch nur wenige Licht am Ende des Tunnels. Nur die Hälfte der Betroffenen kann in Konkurs gehen, dem Rest - unter ihnen die bedürftigsten Gruppen - bleibt der gesamte Schuldenberg erhalten. »Viele bleiben lebenslang darauf sitzen«, zeichnet Grohs ein aussichtsloses Szenario.

Kein Ausweg für Franz G.

Franz G. ist 30 Jahre alt und verheiratet. Gemeinsam mit seiner Gattin, die in Karenz ist, sorgt er für ein kleines Kind. Für ein weiteres, außereheliches Kind hat er monatlich Unterhalt zu zahlen. Als Industriearbeiter verdient er etwa 11.500 Schilling im Monat, seine Frau bekommt Karenzgeld, die Familie hat somit kein pfändbares Einkommen. Herr G. hat bei acht Gläubigern insgesamt eine Million Schilling Schulden. Ein Teil entstand aufgrund eines teuren Kfz-Leasingvertrages, den er sich nicht leisten konnte. Der andere Teil stammt aus einem teuren Vaterschaftsprozess um sein außereheliches Kind, den er mit einem Kredit finanzierte und verlor. Nachdem er 1997 mit der Schuldnerberatung Kontakt aufnahm, wurde mit den Gläubigern versucht, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen - ohne Erfolg. Schließlich wurde als Ausweg der »Privatkonkurs« gesucht. Doch auch dieser Versuch scheiterte. Familie G. konnte nicht nachweisen, dass sie die regelmäßigen Zahlungen, mit denen mindestens 10 Prozent der Schulden innerhalb von 7 Jahren zu tilgen sind, erfüllen kann. Fazit: Die Schulden stiegen weiter, ein Ausstieg aus der Spirale ist nicht möglich.

Nicht für wirtschaftlich Schwache?

»Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass der Privatkonkurs gerade von wirtschaftlich schwachen Personen nicht in Anspruch genommen werden kann«, kritisiert Handschmann. Ein Wermutstropfen auch für jene, denen vom Gericht die Schuldenregulierung gestattet wurde: Auch hier gibt es einen Ausfall von nahezu der Hälfte. »Rund 50 Prozent der Personen, die in Privatkonkurs gingen, steigen nach sieben Jahren ohne Restschuldenerlass aus«, zitiert Grohs aus den Statistiken seiner Institution.

Forderungen

Die Fachleute der Schuldnerberatungsstellen und die Arbeiterkammern fordern deshalb vom Gesetzgeber eine Nachbesserung der Konkursregelung unter Berücksichtigung der sozial Schwachen. So müsse die 10-Prozent-Hürde unbedingt fallen. »Wenn sich jemand sieben Jahre lang kasteit, sollte er danach wenigstens von der Restschuld befreit sein. Es sollte ein Neuanfang auf alle Fälle möglich werden«, betont der Leiter der Dachorganisation. Weiters sollen die Gehaltspfändungen mit Konkurseröffnung verboten werden. Um die Explosion der Schulden zu verhindern, müssten die Rückzahlungen zuerst auf das Kapital und danach erst den Zinsen angerechnet werden. Ein zusätzlich verschärfender, absurder Umstand muss beseitigt werden: Die Zinsen sollen das Kapital nicht mehr übersteigen dürfen.

Damit Kleinschuldner in Not nicht vollends resignieren, verhandelt die Schuldner-Lobby schon seit mehr als einem Jahr in einer Arbeitsgruppe, der auch Bankenvertreter, Vertreter der Anwalts- und der Wirtschaftskammer angehören, im Justizministerium. »Wir hoffen, dass der politische Wille besteht, sozial Schwachen die untragbare Last zu nehmen«, lautet der Tenor der Schuldnerberater, die auf mehr als kosmetische Korrekturen beim Privatkonkurs pochen. Denn nur eine substanzielle Reform könnte »armen Schluckern« einen Ausweg aus der Sackgasse weisen.

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Veronika Gasser http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995284948 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995284876 Machtpolitik statt Gesundheitspolitik | Das sozialpartnerschaftliche System der Selbstverwaltung soll zerschlagen werden Das österreichische Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt (Rang 9 im World Health Report 2000). 99 Prozent der Bevölkerung sind im Krankheitsfall geschützt. Die Gesundheitsausgaben liegen im internationalen Vergleich günstig (8,3 Prozent des BIP im Vergleich zu 10,5 Prozent in Deutschland bzw. 10,1 Prozent in der Schweiz; USA 13,7 Prozent!). Und am wichtigsten: Jede und jeder hat gleichen Zugang zur Gesundheit.

Es geht um die Gesundheit

Den großen Herausforderungen im Gesundheitswesen begegnet die ÖVP/FPÖ-Regierung mit untauglichen Konzepten.

In der Arbeitslosenversicherung wurde die Ausgliederung 1994 begonnen. Nach den Vorstellungen der Regierung soll dieser Prozess nun weitergeführt werden und das AMS in Zukunft in der Rechtsform einer GmbH geführt werden. In der Sozialversicherung will man jetzt offenbar den gegenteiligen Weg gehen, sie in die staatliche Verwaltung eingliedern und damit dem direkten Zugriff der blauschwarzen Regierung unterwerfen. Führende FPÖ-Politiker wollen die Sozialversicherung überhaupt zerschlagen.

Mit reiner Machtpolitik wird damit konsequent an den tatsächlichen Problemen vorbeigedacht. Die Ursachen des 5-Milliarden-Defizits der Krankenkassen liegen vor allem in der Kostenexplosion bei den Medikamenten. Hier liegt das Problem und nicht bei den Verwaltungskosten oder bei der Selbstverwaltung. Die Milliardengewinne der Pharmakonzerne stören die Regierung nicht, sehr wohl aber die Fahrtkostenersätze der Versicherungsvertreter. Diese Verhältnisse sind ins rechte Licht zu rücken. Immer noch größere Geldmengen werden in die Entwicklung von immer noch besseren Medikamenten gepumpt. Gut so, solange es den Patienten nützt. Doch wer wird sich diese »Wundermittel« leisten können?

Noch drei Schritte zur Zweiklassenmedizin

In Österreich weist die medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung - noch - einen hohen Standard auf. Dafür steht die sozialpartnerschaftliche Selbstverwaltung in der Sozialversicherung. Klar ist aber, dass ein gutes Gesundheitswesen Kosten verursacht. Wenn wir uns dazu bekennen, die medizinischen Standards weiter zu verbessern, dann müssen wir auch bereit sein, dafür das erforderliche Geld zur Verfügung zu stellen. Der Hauptverband fordert von der Regierung einen gesetzlichen Rahmen zur Finanzierung der steigenden Aufwendungen. Die Regierung antwortet mit der Zerschlagung der Selbstverwaltung bzw. mit der Aushöhlung deren finanzieller Basis. Geht die ÖVP/FPÖ-Regierung diesen Weg, macht sie den ersten Schritt hin zu einer Zweiklassenmedizin. Der zweite Schritt ist eine Leistungsreduktion für »nur« gesetzlich Krankenversicherte und der dritte Schritt ist Spitzenmedizin für die, die es sich leisten können.

Einflussnahme der Politik

Die Krankenversicherungen weisen im Jahr 2000 ein Defizit von 5 Milliarden Schilling auf. Ein noch höheres Defizit wird 2001 erwartet. Die Gründe dafür liegen großteils außerhalb des Einflussbereichs der Selbstverwaltung in der Krankenversicherung, nämlich in der

  • rasanten Erhöhung der Medikamentenkosten, und in der
  • Erosion der Beitragseinnahmen (die Beiträge wachsen langsamer als die Ausgaben und das BIP, u. a. durch atypische Beschäftigung wie geringfügige Beschäftigung, Teilzeitbeschäftigung; Schwarzarbeit).

Diese Problemlagen werden durch die Regierung verschärft:

  • Den Arbeitgebern wurde bereits eine Beitragssenkung zugestanden. Ergebnis: Die Krankenversicherung hat einen Einnahmenausfall von 900 Millionen Schilling.
  • Die Einnahmen aus der neuen Beitragspflicht für kinderlose Ehegatten werden von der Regierung nicht in die Krankenversicherung, sondern ins Budget geleitet. Der Krankenversicherung verbleibt aber der Mehraufwand aus der Einhebung der Beiträge!

Demokratiepolitische und historische Fundierung der Selbstverwaltung

Die Äußerungen der ÖVP/FPÖ- Bundesregierung der jüngsten Zeit lassen die klare Absicht erkennen, das historisch gewachsene, auf Selbstverwaltung beruhende System der Sozialversicherung in Österreich zerschlagen zu wollen.

Die Sozialversicherung war in Österreich von Beginn an überwiegend von Arbeitnehmern organisiert. Und von Beginn an war dieser Umstand konservativen Regierungen ein Dorn im Auge. In einer viele Jahrzehnte währenden, zähen politischen Auseinandersetzung haben die Arbeitnehmer ihren demokratischen Willen auf Selbstverwaltung ihrer sozialen Absicherung durchgesetzt.

Die Selbstverwaltung hat sich in den großen Krisen des 20. Jahrhunderts, dem Ersten Weltkrieg, der Währungskatastrophe der Zwischenkriegszeit, dem Ständestaat und auch in der Nachkriegszeit ab 1945 für ihre Mitglieder bewährt und stellt bis heute eine beispiellose Erfolgsgeschichte dar.

Als 1876 aus den Vereinskrankenkassen der erste Krankenkassenverband gegründet wurde, gehörten ihm 16 Kassen mit ca. 30.000 Mitgliedern an. Heute vereinigen sich unter dem Dach des Hauptverbandes 27 Versicherungsträger, die 8 Millionen Personen bzw. 99 Prozent der Bevölkerung Sozialversicherungsschutz auf hohem Niveau bieten.

Während der Aufbauarbeit nach 1945 war es ein Hauptanliegen der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Sozialversicherungsträger, voreilige Weichenstellungen zu vermeiden. In einer mehrjährigen Diskussionsphase wurde auf der Basis eines breiten politischen Konsenses das bestehende System der Sozialversicherungsträger erarbeitet. Es ist gelungen, die unterschiedlichen Interessenlagen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern innerhalb der Sozialversicherung auszubalancieren. Soziale Absicherung aller Österreicher wurde damit zum gemeinsamen Ziel einer breiten politischen Basis.

Vorteile der Selbstverwaltung

  • Unabhängigkeit bei der Besorgung eigener Angelegenheiten gegenüber dem Staat
    Die Gesamteinnahmen der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung werden im Wesentlichen durch Beiträge der Dienstnehmer und der Dienstgeber erbracht. Dies in einer Größenordnung von rund 460 Milliarden Schilling für das Jahr 2000. Sowohl Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber haben ein berechtigtes, großes Interesse, in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger entsprechend vertreten zu sein, um ihre Interessen wirksam wahrnehmen zu können. Damit ist ein wesentliches Merkmal der Selbstverwaltung angesprochen: Die Unabhängigkeit bei der Besorgung eigener Angelegenheiten gegenüber dem Staat.
  • Grenzen der Staatsaufsicht
    Der Staat hat durch das zuständige Ministerium die gesetzmäßige Führung der Selbstverwaltung zu beobachten. In das Eigenleben der Selbstverwaltung soll aber nicht unnötig eingegriffen werden. Die Selbstverwaltungskörper haben das Recht auf Wahrung der gesetzlichen Grenzen der Staatsaufsicht. Sie treten dem Staat nicht als Unterbehörde gegenüber, sondern als Partei mit dem Anspruch auf Wahrung des Selbstverwaltungsrechtes. In Streitfällen entscheidet der Verwaltungsgerichtshof.
  • Demokratische Wahl der Organe
    Der politische Wille der Versicherten kommt in der demokratischen Wahl ihrer Interessenvertreter (Arbeiterkammerwahlen, Wirtschaftskammerwahlen, Landwirtschaftskammerwahlen) zum Ausdruck. Aufgrund dieser Wahlergebnisse werden so genannte Versicherungsvertreter in die Verwaltungskörper der einzelnen Versicherungsträger entsendet. Dort entscheiden sie im Interesse derjenigen, die sie gewählt haben. Die wiederum demokratisch gewählten Spitzenfunktionäre der einzelnen Versicherungsträger werden in den Hauptverband der Sozialversicherungsträger entsandt. Im Hauptverband tritt der politische Wille der Versicherten an seiner Spitze in den drei Präsidenten konzentriert in Erscheinung.
  • Demokratiepolitische Legitimierung der Präsidenten des Hauptverbandes
    Die Hauptverbandstätigkeit soll dem politischen Willen der Versicherungsträger - und damit dem der Versicherten - größtmögliches Gewicht verleihen, insbesondere als Ansprechpartner aller Versicherungsträger gegenüber der Staatsverwaltung (Aufsicht) und der Gesetzgebung oder als gewichtiger Verhandler mit der Pharmaindustrie.

Aus diesem Grund kommt der politischen Legitimierung der Verwaltungsgremien des Hauptverbandes entscheidende Bedeutung zu. Der Präsident und der 1. Vizepräsident sind aus dem Kreis der Dienstnehmer zu bestellen, der 2. Vizepräsident aus dem Kreis der Dienstgeber.

Die Bestellung der (Vize-)Präsidenten hat zwar durch den Bundesminister für Soziales in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde zu erfolgen. Das Bestellungsrecht des Ministers findet jedoch im durch den Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen seine Grenzen. Konkret im Konzept der demokratiepolitischen Willensbildung im Rahmen der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger.

Entsprechend dem Ergebnis der - demokratischen - Arbeiterkammerwahlen 2000 haben die Freiheitlichen Arbeitnehmer von 452 zu vergebenden Mandaten zum Versicherungsvertreter lediglich 29 Mandate erhalten.

Vor dem Hintergrund dieser Mandatsverhältnisse in den Sozialversicherungsträgern würde die Bestellung eines freiheitlichen Vizepräsidenten eine grobe Missachtung des Wählerwillens bedeuten, darüber hinaus würde der Minister durch eine derart politisch missbräuchliche Bestellung gegen die gesetzlich vorgegebenen demokratischen Organisationsprinzipien innerhalb der Sozialversicherungsträger verstoßen.

Macht und Kontrolle

Die Verwaltungsgremien der Versicherungsträger - Generalversammlung, Vorstand, Kontrollversammlung - sind so organisiert, dass einer Dienstnehmer(-geber)mehrheit im Vorstand oder der Generalversammlung in der Regel eine Dienstgeber(-nehmer)mehrheit in der Kontrollversammlung gegenübersteht.

  • Sozialer Friede
    Die von der Arbeiterkammer, den Gewerkschaften, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer in die Verwaltungsgremien der Sozialversicherungsträger entsendeten Versicherungsvertreter sind aufgrund des - in der Regel - ausgewogenen Verhältnisses von Macht und Kontrolle bemüht, Kompromisse anzustreben, mit denen alle beteiligten Gruppen leben können. Reformen werden so sachbezogen und behutsam vorgenommen, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden.
  • Lebensnahe Sachkompetenz
    Die Entsendung der Versicherungsvertreter durch die jeweilige Interessenvertretung verbürgt eine an den tatsächlichen Problemen der Versicherten orientierte Entwicklung der Sozialversicherung.
  • Die Kosten der Selbstverwaltung
    Dem politischen Motiv, die Sozialversicherungsträger entweder in den Machtbereich der FPÖ/ÖVP-Regierung einzubeziehen und/oder sie finanziell auszuhöhlen, wird regelmäßig das Kostenargument vorgeschoben. In Wahrheit sind es gerade die geringen Verwaltungskosten, die für die Selbstverwaltung und für die bestehende Struktur sprechen.
    Im Jahr 2000 betrugen die Kosten der Selbstverwaltung 81 Millionen Schilling (oder 0,02 Prozent des Budgets von 460 Milliarden) für Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder, Funktionsgebühren, Fahrtkostenersätze der 1017 Mitglieder. Lediglich 209 Funktionäre erhalten Funktionsgebühren. Dafür trägt die Selbstverwaltung die politische und soziale Verantwortung für 28.000 Beschäftigte und 8 Millionen Versicherte.
  • Die allgemeinen Verwaltungskosten der Versicherungsträger
    Der gesamte Verwaltungsaufwand der österreichischen Sozialversicherungsträger beträgt 2,6 Prozent der Ausgaben. Bei den Krankenversicherungsträgern 3,6 Prozent, bei den Pensionsversicherungsträgern 1,8 Prozent. Die Krankenversicherungsträger führen die Versicherten- und Dienstgeberevidenz für die gesamte Sozialversicherung, für das Arbeitsmarktservice, den Familien-Lasten-Ausgleichs-Fonds (FLAF), die Arbeiterkammern etc. Ein Teil des Verwaltungsaufwandes wird den KV-Trägern von diesen Institutionen vergütet. Die Verwaltungskosten der deutschen Krankenversicherung betragen 5 Prozent, die der im Wettbewerb stehenden schweizerischen Krankenversicherung 7,5 Prozent. Private Krankenversicherer haben einen Verwaltungskostenanteil von 15 bis 25 Prozent.

Lösungsstrategien zum Kassendefizit

Die Krankenkassen weisen im Jahr 2000 ein Defizit von 5 Milliarden Schilling aus. Eine der zentralen Erklärungen dafür sind die stark steigenden Medikamentenpreise und die ebenfalls stark steigende Zahl der Verschreibung von Medikamenten. Bei diesen Kostenfaktoren muss zuerst angesetzt werden. Dazu braucht es neue Partnerschaften im Gesundheitswesen zwischen Selbstverwaltung, Ärzten und der Pharmaindustrie. Gelingen kann eine solche Partnerschaft nur mit einer starken Selbstverwaltung. Aber selbst wenn dies gelingt, müssen in Zukunft mehr Mittel für das Gesundheitswesen bereitgestellt werden.

Deswegen braucht das Gesundheitswesen eine stabile Finanzierungsgrundlage. Dazu zählt eine Verbreiterung der Beitragsgrundlagen in Richtung Wertschöpfung der Betriebe ebenso wie die wirksame Bekämpfung der Schwarzunternehmungen.

Anstelle von Umschichtungen von Sozialbeiträgen in das Budget, anstelle von Beitragssenkungen zugunsten der Unternehmungen sprechen wir uns aus für einen gezielten Einsatz der verfügbaren Geldmittel im Gesundheitswesen.

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AK-Gruppe »Selbstverwaltung« (Bernhard Achitz, Sepp Wöss, Georg Ziniel, Helmut Ivansits, Wolfgang Panhözl, Gabriele Schmid) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995284517 Gegen Einheitsdenken und Zwangsarbeit | Zweiter Arbeitsmarkt und innovative Beschäftigungspolitik Die Auseinandersetzung über den so genannten zweiten Arbeitsmarkt besteht, seit es arbeitsmarkt- bzw. beschäftigungspolitische Maßnahmen gibt. Als zweiter Arbeitsmarkt wird jener Bereich des Arbeitsmarktes definiert, der ausschließlich zur Beschäftigung von Arbeitslosen geschaffen wird. Nicht das zu erstellende Produkt oder die Dienstleistung steht im Vordergrund, sondern die Schaffung von Arbeitsplätzen für Arbeitslose. Je nach Zielsetzung und politischer Grundstimmung gibt es zweite Arbeitsmärkte in sehr unterschiedlicher Ausprägung: Geschützte Werkstätten für Behinderte, »Notstandsarbeiten« wie Kanalisation, Autobahn etc., Arbeitshäuser zur Disziplinierung, reguläre Arbeitsplätze im Non-Profit-Bereich zur Befriedigung gesellschaftlich wichtiger Bedürfnisse usw.

Die Gestaltung des zweiten Arbeitsmarktes ist daher eine sehr sensible politische Angelegenheit. Je nach Machtverhältnis in der Gesellschaft ist der zweite Arbeitsmarkt mit Zwang oder Freiwilligkeit verbunden, mit »Taschengeld« oder regulärem Lohn, mit arbeitsrechtlicher Absicherung oder aber mit Disziplinierung oder Weiterbildungsmöglichkeit, mit demütigender Beschäftigung in gesellschaftlich geächteten Bereichen oder in sinnvollen attraktiven Beschäftigungsnischen. Die Mitte der 80er Jahre in Österreich eingeführte »Aktion 8000« war ein positives Beispiel für die Schaffung eines zweiten Arbeitsmarktes mit Arbeitsplätzen, die alles andere als zweitklassig waren. Die Teilnahme war freiwillig, es wurden gesellschaftlich sinnvolle und attraktive Arbeitsplätze geschaffen, die Entlohnung war regulär - mindestens jedoch kollektivvertraglich -, und nach Möglichkeit konnten die Teilnehmer sich während der Arbeitszeit beruflich höher qualifizieren.

Das Neue bzw. Innovative an diesem zweiten Arbeitsmarkt war, dass neben der Privatwirtschaft und der verstaatlichten Wirtschaft nun auch autonome Vereine, Gemeinden und für diesen Zweck geschaffene unabhängige Beschäftigungsinitiativen als Dienstgeber und auch als Förderungsnehmer in Erscheinung traten. Das Spektrum der Tätigkeitsfelder war entsprechend vielfältig und reichte von sozialen Dienstleistungen, Kultur und Kommunikation zu wissenschaftlichen Sektoren zur Dorferneuerung, Stadtsanierung und ökologischen Projekten.

Zweiter Arbeitsmarkt und dritter Sektor

Über 60 Prozent der TeilnehmerInnen erlangten im Anschluss an die Beschäftigung im zweiten Arbeitsmarkt eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt und nicht wenige Beschäftigungsprojekte konnten nach einer befristeten Zeit der Förderung sich eine Marktnische ohne öffentliche Subvention erkämpfen. Im Rückblick kann man behaupten, dass dadurch sehr effizient der dritte Sektor für die Beschäftigung von Arbeitslosen aktiviert wurde (Non-Profit-Organisation) und langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten im Umweltschutz, Sozialbereich bis hin zu Informationstechnologieprojekten geschaffen wurden. Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, Österreich ist Mitglied der EU und europaweit existiert seit langem Massenarbeitslosigkeit bei gleichzeitiger Arbeitskräfteknappheit im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie.

Keine Innovationen in Sicht

Von innovativer und experimenteller Arbeitsmarktpolitik redet niemand mehr. Dafür mehr von Rechten und Pflichten der Arbeitslosen, von Bürgergeld, von ehrenamtlicher Tätigkeit als Integrationschance für Arbeitslose, von übertriebenem Anspruchsdenken der Arbeiter und Arbeitslosen und von der Notwendigkeit, möglichst viel zu flexibilisieren und zu deregulieren.

Stellvertretend dafür einige Bemerkungen über das im Jahr 2000 unter der schwarz-blauen Koalitionsregierung gestartete Programm »Integra«, das sich die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen über die Beschäftigung in »Gemeinwesenarbeit« zum Ziel gesetzt hat.

Zwangsarbeit ohne Lohn

Entgegen der bisherigen Praxis werden bei dem Programm keine formalen Dienstverhältnisse geschaffen, sondern Beschäftigungsmöglichkeiten, die durch eine Art Taschengeld in der Höhe der Notstandshilfe abgegolten werden. Das ist ein Systembruch zur bisherigen Arbeitsmarktpolitik und lässt erahnen, wohin die Reise gehen soll: Arbeiten ohne Lohn und Durchsetzung von Zwangsarbeit. Mit dieser Art von zweitem Arbeitsmarkt wird weniger die Arbeitslosigkeit bekämpft als vielmehr die Arbeitslosen selbst. Das Projekt »Integra« wird zur Strafexpedition gegen Arbeitslose. Mit dem Vorhaben der Regierung soll (noch) nicht ein flächendeckendes Netz von Zwangsarbeit realisiert werden - es sind derzeit lediglich 1000 solcher Beschäftigungen vorgesehen -, aber es soll allen die Rute ins Fenster gestellt und Angst und Schrecken verbreitet werden. Absicht ist, dass Arbeitslose gezwungen werden, sich zu allen noch so schlechten Bedingungen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. Das heißt, dass Unternehmer die Löhne senken können, Arbeitnehmerschutzbestimmungen durchlöchert werden und Arbeiter genauso wie Arbeitslose sich mit Haut und Haar den Chefs ausliefern müssen.

Im Rahmen von »Integra« wird zynisch behauptet, dass sich dadurch »die Vermittlungschancen für Arbeitslose erhöhen« und dass dadurch die »Bereitschaft« für eine Arbeitsaufnahme attraktiver gemacht würde.

Im Gleichschritt mit der EU

Damit ist Österreich nicht allein. Derartige Programme sind das Ergebnis der EU-Beschäftigungspolitik, die zum offiziellen Ziel hat, die »Beschäftigungsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit« der Arbeitslosen und Beschäftigten zu erhöhen. Die genauen Vorgaben der Brüsseler Zentrale sind in den so genannten Nationalen Aktionsprogrammen für Beschäftigung (NAP) festgelegt. Darunter auch die Vorschläge, das Arbeitslosengeld zu reduzieren und die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu kürzen. Denn laut Parole der EU geht es um den Wechsel von »welfare to work«. Und plötzlich marschieren alle Politiker und Beschäftigungsexperten im europäischen Gleichschritt im Kampf gegen den Wohlfahrtsstaat.

In Österreich kommt noch dazu, dass die Einführung solcher Programme nicht aus budgettechnischen Gründen oder Sparmaßnahmen gemacht wird. Im Gegenteil: Der Förderungsfonds der Arbeitslosenversicherung ist höchst liquid und jährlich werden Milliardenbeträge an die Pensionsversicherung hinübergeschoben.

Es geht um Disziplinierung der Arbeitslosen und nicht um Einsparung von Fördergeldern.

Die Tür für die Einführung von Zwangsarbeit ist also bereits geöffnet. Das bedeutet auch mehr Kontrolle. Damit ist die Entwicklung von autoritären Strukturen in Richtung Polizeistaat vorprogrammiert. Es geht um die allgemeine Senkung des Lohnniveaus und um die Erhöhung der Profite. Nobler ausgedrückt heißt dies »Sicherung des Standortes Österreich«.

Das Ergebnis dieser Politik ist jetzt schon sichtbar: Trotz steigender Beschäftigungszahlen steigt auch die Armut. Beinahe eine Million Einwohner in Österreich leben an oder unter der Armutsgrenze. Wir müssen uns fragen: Was hat diese Regierung vor? Wie arm sollen die Leute noch gemacht werden? Wie gefügig und flexibel sollen die Menschen werden?

Neoliberaler Amoklauf

»Working Poor« ist jedenfalls jetzt schon fast eine Normalerscheinung, und dass jemand 2, 3 oder mehr Teilzeitjobs gleichzeitig braucht, um sich halbwegs über Wasser zu halten, ist leider auch keine Ausnahme mehr. Das ist das Ergebnis des neoliberalen Amoklaufs. Dazu kommen noch viel Moral und wenig Rechte. Zudem soll wieder die Familie als Ersatz für staatliche und andere sozialversicherungsrechtliche Transferzahlungen die Lücken füllen. Die »innovativen« Programme und Projekte der Arbeitsmarktpolitik haben sich in den letzten Jahren fast ausschließlich auf die Förderung des Niedriglohnbereiches bezogen, z. B. die Förderung von »Home-Service«-Projekten, wo moderne Dienstboten zu Dumpingpreisen zu mieten sind, Arbeitskräfteüberlassungsprojekte, die die Entsolidarisierung der Arbeiterschaft fördern, Psychokurse für Arbeitslose, in denen die Arbeitslosigkeit erst recht individualisiert wird, Arbeitszeitmodelle, bei denen die Arbeitslosenversicherung Geld spart und die Arbeitslosen/Beschäftigten diesen Betrag bezahlen müssen etc.

Die Handlanger

Die Experten der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik haben sich schamlos zu Handlangern des wild gewordenen Neoliberalismus machen lassen. Wenn dieser Prozess nicht gestoppt wird, stehen Armut und Barbarei mitten in den »zivilisierten« Gesellschaften.

Und was die Politik in Österreich betrifft, so wissen wir, dass nichts so schlecht sein kann, als dass man es nicht noch schlechter machten könnte. Das muss verhindert werden. Das bedeutet für die Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik die Notwendigkeit der Einführung von Mindeststandards:

  • Mindestlöhne (z. B. 15.000 netto) und Mindesttransferzahlungen (z. B. 10.000 netto) im Monat - darunter geht nichts.
  • Freiwilligkeit ist oberstes Prinzip für die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen.
  • Mehr Wahlmöglichkeiten für Arbeitslose und Beschäftigte.
  • Erleichterung von Übergängen zwischen verschiedenen Erwerbsformen, Pension, Arbeitslosigkeit, Ausbildung und anderen verschiedenen Kombinationen.
  • Einführung einer Ausbildungsgarantie für alle. Berufliche Höherqualifizierung muss voll finanziert werden für Beschäftigte und Arbeit Suchende.
  • Aufbau von Innovationswerkstätten zur Entwicklung innovativer Beschäftigungs- und Ausbildungsprojekte. l Weg mit dem utopievernichtenden Einheitsdenken!
  • Arbeitnehmerfreundliche Modelle zur gerechteren Aufteilung von Arbeitszeit und Einkommen.
  • Schaffung von politischen Rahmenbedingungen, die Solidarität und Individualisierung unter einen Hut bringen.
  • Nur solche Programme und Projekte akzeptieren, die man/frau auch seinen Eltern oder Kindern zumuten würde.

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Rainer Klien (Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995284467 Soziale Politik im neuen Kapitalismus Pierre Bourdieu/Erhard Eppler/ Renate Ohr/Klaus Zwickel u. a.
Neue Wege der Regulierung
Vom Terror der Ökonomie zum Primat der Politik

Herausgegeben von der Otto-Brenner-Stiftung (Februar); ca. 160 Seiten; ca. 181 S; ISBN 3-87975-804-2

Wenn ich von der europäischen sozialen Bewegung spreche und dazu einlade, sich ihr anzuschließen, so deshalb, weil ich seit langem darunter leide, dass in der europäischen Konstruktion eine solche soziale Bewegung fehlt, die die kritischen Forscher und die Gewerkschaften oder die Verbände miteinander verknüpft. Wir haben ein Europa der Banken und der Bankiers, ein Europa der Unternehmen und der Unternehmer, ein Europa der Polizei und der Polizisten, wir werden bald ein Europa der Armeen und des Militärs haben, doch obwohl es einen Europäischen Gewerkschaftsbund gibt, kann man nicht sagen, dass das Europa der Gewerkschaften und der Verbände wirklich existiert; desgleichen kann man zwar die Kolloquien nicht mehr zählen, auf denen Europa und die akademischen Institutionen erörtert werden, wo auf akademische Weise über europäische Probleme gesprochen wird, das Europa der Künstler, der Schriftsteller und der Wissenschaftler aber existiert noch kaum.

Ziele einer sozialen Bewegung in Europa

Das Paradox besteht darin, dass dieses Europa, das sich um die Macht und die Machthabenden herausbildet und das so wenig europäisch ist, in Wahrheit nur kritisierbar ist, indem man Gefahr läuft, mit den Widerständen eines reaktionären Nationalismus (der leider unbestreitbar auch existiert) verwechselt zu werden und dazu beizutragen, es als modern, wenn nicht fortschrittlich erscheinen zu lassen.

Es muss etwas Gestalt annehmen, was in der europäischen Tradition am stärksten europäisch ist, d. h. eine kritische soziale Bewegung, eine Bewegung der Sozialkritik, die fähig ist, die Arbeit der europäischen Konstruktion einer wirksamen Anfechtung auszusetzen, d. h. einer, die intellektuell und politisch stark genug ist, um sich bemerkbar zu machen und um echte Wirkung zu erzielen. Diese kritische Anfechtung zielt nicht darauf ab, das europäische Projekt rückgängig zu machen, es zu neutralisieren, sondern im Gegenteil es zu radikalisieren und dadurch den Bürgern näher zu bringen, insbesondere den jüngsten unter ihnen, die man oft als entpolitisiert bezeichnet, während sie einfach einer Politik überdrüssig sind, die ihnen von den Politikern geboten wird. Man muss der Politik wieder eine neue Bedeutung geben und dafür Zukunftsprojekte vorschlagen, die in der Lage sind, der ökonomischen und sozialen Welt, die im Laufe der vergangenen Jahre einem beträchtlichen Wandel unterlegen ist, einen Sinn zu verleihen.

Mit der scheinbaren Fatalität der ökonomischen Gesetze wird dagegen in Wahrheit eine - wenn auch vollständig paradoxe - Form von Politik bemäntelt, denn es handelt sich hier um eine Politik der Entpolitisierung; eine Politik, die darauf abzielt, den ökonomischen Kräften eine schicksalhafte Macht zu verleihen, indem sie diese von jeglicher Kontrolle und jeglicher Beschränkung »befreit«. Damit erreicht sie zudem eine Unterwerfung von Regierungen und Bürgern unter die solchermaßen »befreiten« ökonomischen und gesellschaftlichen Mächte. Alles, was mit dem zugleich deskriptiven wie normativen Begriff der »Globalisierung« umschrieben wird, ist aber nicht etwa das Ergebnis einer ökonomischen Fatalität, sondern einer ganz bewussten und wohl überlegten Politik, einer Politik, die die liberalen und selbst die sozialdemokratischen Regierungen einer ganzen Reihe von ökonomisch hoch entwickelten Ländern dazu gebracht hat, ihren Anspruch auf die Kontrolle ökonomischer Mächte aufzugeben, insbesondere derjenigen, die sich sehr bewusst in den »green rooms« der großen internationalen Organisationen organisiert haben, wie der WTO, oder aber im Rahmen all der »Networks« multinationaler Unternehmen (wie beispielsweise dem Investment Network, das aus 50 multinationalen Unternehmen wie Fiat, Daimler Benz, British Petroleum, Rhône Poulenc oder dem European Service Network besteht) und die insbesondere in rechtlicher Hinsicht höchst unterschiedliche Wege und Möglichkeiten haben, Staaten ihren Willen aufzuzwingen.

Entgegen dieser Politik der Entpolitisierung und Demobilisierung geht es vielmehr um die Wiederherstellung von Politik, d. h. eines politischen Denkens und Handelns, und es geht darum, hierbei den richtigen Ansatzpunkt zu fin- den - jenseits des Nationalstaats und seiner spezifischen Möglichkeiten sowie mit Hilfe politischer und gewerkschaftlicher Kämpfe innerhalb der Nationalstaaten.

Aus verschiedenen Gründen ist dies allerdings ein äußerst schwieriges Unterfangen: zunächst einmal deshalb, weil die politischen Instanzen, die es zu bekämpfen gilt, sehr weit entfernt, ja geradezu unerreichbar sind und weil sie, sowohl von ihren Methoden als von ihren Akteuren her, so gut wie nichts mit den politischen Instanzen gemein haben, gegen die sich die traditionellen Kämpfe gerichtet hatten. Und ferner auch deshalb, weil die Macht der Akteure und der Institutionen, die heute Wirtschaft und Gesellschaft beherrschen, auf einer außerordentlichen Konzentration sämtlicher Formen des Kapitals - in Wirtschaft, Politik, Militär, Kultur und Wissenschaft - basiert, die die Grundlage für eine nie da gewesene symbolische Form der Beherrschung bildet, die insbesondere durch den Einfluss der Medien wirksam wird.

Zugegebenermaßen liegen bestimmte Ziele eines realistischen politischen Handelns auf europäischer Ebene (wenigstens in dem Maße, wie die Unternehmen und die europäischen Organisationen ein zumindest negativ bestimmendes Element dieser weltweit herrschenden Kräfte darstellen). Daraus folgt, dass der Aufbau einer einheitlichen sozialen Bewegung in Europa, die imstande ist, die verschiedenen Bewegungen, die derzeit - national wie international - noch getrennt existieren, zusammenzufassen, das unstrittige Ziel aller derjenigen ist, die den herrschenden Kräften einen wirkungsvollen Widerstand entgegensetzen wollen.

Zusammenführen, ohne zu vereinheitlichen

Die sozialen Bewegungen, so unterschiedlich sie von ihrer Entstehung, ihren Zielsetzungen und Vorhaben her auch sein mögen, weisen unbestreitbar eine ganze Reihe gemeinsamer Merkmale auf, die ihnen etwas Familiäres, Vertrautes geben. Gerade weil sie häufig aus einer Ablehnung traditioneller Formen der politischen Mobilisierung entstanden sind - und ganz besonders der Formen, die für die kommunistischen Parteien sowjetischer Prägung kennzeichnend sind -, haben sie die Tendenz, jegliche Form der Monopolisierung einer Bewegung durch Minderheiten auszuschließen. Stattdessen legen sie besonderen Wert auf die direkte Beteiligung aller Betroffenen- in diesem Punkt stehen sie der anarchistischen Tradition sehr nahe - und fühlen sich den Formen einer spontanen, selbstbestimmten Organisation verbunden, die sich durch eine eher lockere Form des politischen Apparates auszeichnet und die es ihren Akteuren ermöglicht, sich ihre Rolle als aktive Subjekte wiederanzueignen (im Unterschied gerade zu den politischen Parteien, denen sie ein Monopol auf politische Intervention absprechen). Ein weiteres gemeinsames Merkmal besteht darin, dass sie sich an klar umrissenen, konkreten Zielen ausrichten, die für das Leben in einer Gesellschaft von Bedeutung sind (wie Wohnung, Arbeit, Gesundheit usw.). Ein drittes typisches Merkmal ist, dass sie tendenziell der direkten Aktion den Vorzug geben, wobei sie stets darauf achten, dass ihre Verweigerungen ebenso wie ihre Vorschläge in exemplarische Aktionen umgesetzt werden, die unmittelbar mit dem betreffenden Problem in Verbindung stehen. Ein viertes gemeinsames Unterscheidungsmerkmal ist, dass sie alle, als ein stillschweigend vorausgesetztes Prinzip eines Großteils ihrer Kämpfe, die Solidarität »auf ihre Fahnen geschrieben« haben.

Wo man eine solche Verwandtschaft der Ziele und Mittel des politischen Kampfes feststellt, da erstrebt man zwangsläufig, zwar nicht gerade die zweifellos unmögliche Vereinheitlichung sämtlicher gesondert bestehender Bewegungen - wie dies häufig von den militanten Kräften, besonders von den jüngsten unter ihnen, gefordert wird, die zunächst von der Gemeinsamkeit der Ziele und den vielen Überschneidungen frappiert sind -, aber doch zumindest eine gewisse Koordinierung von Forderungen und Aktionen, die jeglichen Willen der Aneignung ausschließen. Eine solche Koordinierung müsste die Form eines Netzwerks annehmen, das in der Lage ist, die Individuen und Gruppen so miteinander zu verbinden, dass keine die andere beherrschen oder einschränken kann, sodass der gesamte Erfahrungsschatz, der sich aus der Verschiedenartigkeit der Erfahrungen, Standpunkte und Programme ergeben hat, bewahrt werden kann. Die wichtigste Aufgabe dieser Koordination bestünde darin, die sozialen Bewegungen aus ihren fragmentierten und versprengten Aktionen herauszulösen und auf diese Weise zu vermeiden, dass sie sich in der Partikulärität lokaler, partieller und punktueller Aktionen abkapseln (ohne dabei wiederum einem bürokratischen Zentralismus zu verfallen), wobei es ihnen insbesondere gelingen sollte, die zeitweiligen Unterbrechungen oder das Abwechseln zwischen Augenblicken einer intensiven Mobilisierung und denen eher latenter oder verzögerter Zeiten zu überstehen. Diese Koordinierung sollte flexibel und dauerhaft sein und sich auf zwei verschiedenen Ebenen abspielen: Zum einen sollte es für Ad-hoc-Treffen oder dann, wenn besondere Umstände es erfordern, eine kurzfristige Planung sämtlicher auf ein klar umrissenes Ziel gerichteter Aktionen geben; zum anderen sollten in regelmäßigen Abständen mit Vertretern aller betroffenen Gruppen Diskussionen zu Themen von allgemeinem Interesse und zur Erarbeitung längerfristiger Programme durchgeführt werden. Denn es würde darum gehen, immer da, wo sich die Anliegen der verschiedenen Gruppen überschneiden, den Versuch einer Definition von allgemeinen Zielen zu machen, in denen sich alle wieder erkennen und bei denen sie zusammenarbeiten können, wobei sie ihre eigenen Fähigkeiten und Arbeitsmethoden mit einbringen könnten. Es ist ja auch nicht verboten zu hoffen, dass durch demokratische Auseinandersetzungen innerhalb einer Gesamtheit von Individuen und Gruppen, die alle von gemeinsamen Voraussetzungen ausgehen, vielleicht doch einmal eine vernünftige und kohärente Antwort auf bestimmte fundamentale Fragen gefunden wird, für die weder die Gewerkschaften noch die Parteien eine globale Lösung parat haben.

Erneuerung der Gewerkschaftsbewegung

Eine soziale Bewegung in Europa ist nicht denkbar ohne eine erneuerte Gewerkschaftsbewegung, die imstande ist, die inneren und äußeren Hindernisse, die ihrer Stärkung und Vereinheitlichung auf europäischer Ebene entgegenstehen, zu überwinden. Nur scheinbar ist es ein Paradoxon, wenn man den Niedergang der Gewerkschaftsbewegung für einen indirekten und lediglich aufgeschobenen Effekt ihres Triumphes hält. Zahlreiche Forderungen, die die Gewerkschaftskämpfe der Vergangenheit belebt haben, sind inzwischen zu festen Einrichtungen geworden, die - da sie an der Quelle der Privilegien (der Verpflichtungen oder Rechte), in Frankreich nach Art des ASSEDIC (Association pour l'emploi dans l'industrie et le commerce = etwa: Arbeitslosenversicherung), sitzen - selbst zum Spielball der Kämpfe zwischen den Gewerkschaften geworden sind. Die Gewerkschaftsbürokratien, die inzwischen selbst zu staatsähnlichen Instanzen geworden sind und häufig vom Staat subventioniert werden, partizipieren an der Umverteilung des Reichtums und sie garantieren den sozialen Kompromiss, indem sie verhindern, dass es zu Brüchen und Konfrontationen kommt. Und die gewerkschaftlichen Hierarchien, zu bloßen Verwaltungsorganen geworden, die sich weit von den Anliegen ihrer Schutzbefohlenen entfernt haben und die zu Garanten eines sozialen Friedens geworden sind, sind in mehr als nur einem Fall durch die Logik der Konkurrenz zwischen den Apparaten oder innerhalb der Apparate dazu geneigt, eher ihre eigenen Interessen zu verteidigen als die Interessen derjenigen, die sie eigentlich zu verteidigen hätten. Auch dies hat zum Teil dazu beigetragen, dass sich die Arbeitnehmer von der Gewerkschaft fern gehalten und die Gewerkschaftsmitglieder sich von der aktiven Beteiligung an ihren Aktivitäten zurückgezogen haben. Aber diese internen Gründe allein erklären noch nicht, warum die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder und ihrer Aktivitäten immer stärker zurückgeht. Die neoliberale Politik trägt ebenfalls zur Schwächung der Gewerkschaften bei. Die Flexibilität und vor allem die unsichere Lage einer wachsenden Zahl von Arbeitnehmern erschwert jegliches gemeinsame Handeln, ja selbst die einfache Informationsarbeit, während gleichzeitig durch die Überreste einer Sozialfürsorge weiterhin nur ein Teil der Arbeitnehmer begünstigt wird. Man sieht also, wie unerlässlich und auch wie schwierig es ist, zu einer Erneuerung der Gewerkschaftsarbeit zu gelangen, die die Einführung eines Rotationsprinzips in der Aufgabenverteilung und eine Infragestellung des Modells der bedingungslosen Delegierung zur Voraussetzung hätte, ebenso wie die Erfindung neuer Techniken, die für eine Mobilisierung der fragmentarisierten und in der Unsicherheit lebenden Arbeiter unerlässlich sind.

Die neue Organisation, die es zu schaffen gilt, muss in der Lage sein, die Aufsplitterung durch Zielvorgaben und Nationen zu überwinden ebenso wie die Trennung in Bewegungen und Gewerkschaften. Es müssen Institutionen geschaffen werden, die durch eine Konfrontation in den Instanzen der Konzertierung und Diskussion an Dynamik nur gewinnnen können. Durch die Existenz eines stabilen und effizienten Netzwerkes, das mit den offiziellen Organisationen, in denen die Gewerkschaften vertreten sind (wie der Europäische Gewerkschaftbund) nichts mehr gemein hätte und das die Aktionen sämtlicher Bewegungen zusammenfassen würde, die sich in bestimmten Situationen bekämpfen und von daher beschränken, müsste die Entwicklung eines internationalen Forderungskataloges möglich werden.

Forscher und Aktivisten

Was an Arbeit notwendig ist, um die Aufsplitterung der verschiedenen sozialen Bewegungen zu überwinden, um so alle verfügbaren Kräfte gegenüber den herrschenden Kräften zu bündeln, die ihrerseits sehr wohl bedacht und methodisch abgestimmt vorgehen (man denke nur an das Forum von Davos), muss sich auch noch gegen eine andere, ebenso unheilvolle Trennung richten, nämlich gegen die Trennung zwischen Forschern und Aktivisten. Angesichts eines ökonomischen und politischen Kräfteverhältnisses, bei dem die ökonomischen Kräfte die Möglichkeit haben, sich in einem nie da gewesenen Ausmaß wissenschaftliche, technische und kulturelle Ressourcen zunutze zu machen, ist die Arbeit von Forschern unerlässlich, um die von den großen multinationalen Konzernen und den internationalen Organisationen verfolgten Strategien aufzudecken, die, wie z. B. die WTO, mit einem universellen Anspruch Regelungen treffen und auferlegen, die geeignet sind, eine neoliberale Utopie Schritt für Schritt Realität werden zu lassen. Die gesellschaftlichen Hindernisse, die einer solchen Annäherung im Wege stehen, sind keineswegs weniger groß als diejenigen, die sich zwischen den verschiedenen Bewegungen oder zwischen diesen Bewegungen und den Gewerkschaften auftun: Bei aller Unterschiedlichkeit der Ausbildung und des gesellschaftlichen Werdegangs sowie ihrer gesamten Art zu denken und zu handeln müssen die (häufig international arbeitenden) Forscher und die (meist nationalen) Aktivisten es lernen, miteinander zu arbeiten und sämtliche negativen Vorurteile, die die einen gegenüber den anderen haben mögen, zu überwinden. Dies ist eine der Voraussetzungen dafür, dass es durch ein kritisches Vergleichen von Erfahrungen und Kompetenzen zu einer kollektiven Erarbeitung von Antworten kommt, die ihre politische Überzeugungskraft der Tatsache verdanken, dass sie auf systematischer wissenschaftlicher Arbeit beruhen und zugleich ihre Wurzeln in gemeinsamen Zielvorstellungen und Überzeugungen haben.

Die Politik neu erfinden

Die europäische soziale Bewegung, die wir gründen wollen, hat eine Utopie zu ihrem Zweck erklärt, nämlich ein Europa, in dem alle kritischen sozialen Kräfte, die heute noch sehr vielgestaltig und zersplittert daherkommen, hinreichend vereint und organisiert wären, um eine einheitliche Kraft kritischer Bewegung zu bilden. Diese Bewegung ist an sich selbst schon eine Utopie, wenn man bedenkt, wie zahlreich die sprachlichen, wirtschaftlichen und technischen Hindernisse auf dem Wege zu einer solchen Sammlungsbewegung sind.

Die Vielfalt und Verschiedenheit der Bewegungen, die sich ganz oder teilweise die von uns benannten Ziele gesetzt haben, ist in der Tat die höchste und wichtigste Rechtfertigung, ein solches kollektives Unternehmen anzugehen, das eben nicht die vielen Aktivitäten annektieren oder monopolisieren, sondern vereinen und integrieren soll, indem es Initiativen verknüpft und zusammenfügt und allen Einzelpersonen und Organisationen hilft, die sich auf diesem Terrain engagiert haben, um die Auswirkungen des vorhandenen Neben- und Gegeneinanders zu überwinden. Es geht also vor allem darum, ein kohärentes Ganzes von Alternativvorschlägen vorzustellen, die von Wissenschaftlern und Akteuren gemeinsam erarbeitet werden (dabei ist jede Instrumentalisierung der Ersteren durch Letztere und umgekehrt zu vermeiden) und die eine Vereinheitlichung der sozialen Bewegung dadurch in Gang bringen können, dass die Divergenzen zwischen den nationalen Traditionen und innerhalb der jeweiligen Nationen, die Divergenzen zwischen den Berufsgruppen (zumal zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen), zwischen den Geschlechtern, den Generationen, den ethnischen Gruppen (Migranten und Einheimischen) aufgehoben werden. Dies geht nur um den Preis einer umfangreichen kollektiven Arbeit organisatorischer Erfindungskraft, die notwendig ist, um die kritischen, theoretischen wie praktischen, Aktivitäten aller sozialen Bewegungen zu koordinieren, die darauf hinwirken, die Mängel des entpolitisierenden Denkens und Handelns der mit dem Regieren betrauten Sozialdemokratie zu beseitigen. Nur so können andere Strukturen der wissenschaftlichen Betätigung, der Diskussion und Mobilisierung auf unterschiedlichen Ebenen (international, national und lokal) erdacht werden, die allmählich in die Angelegenheiten und in die Denkweisen eine neue Art, Politik zu machen, hineinbringen.

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Pierre Bourdieu http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995256668 Bilanz der Regierungspolitik: Die Lasten tragen die Arbeitnehmer | ÖGB-Kritik an unsozialen Maßnahmen 1), beschert Österreichs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vier einseitige Belastungspakete. Aber nicht nur das: Es gibt eine ganze Reihe von Versuchen, die Entscheidungsverhältnisse in der Gesellschaft zugunsten der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmer zu ändern. Die Diskussionen um die Finanzierung der Arbeiterkammern sind dabei das wichtigste Beispiel. Aber auch die Zerschlagung des Sozialministeriums und die Zuordnung der arbeitsmarktpolitischen Kompetenzen einschließlich des Arbeitsrechts und des Arbeitnehmerschutzes an das Wirtschaftsministerium sind dafür klare Signale.]]> Die Einmaligkeit des Vorgehens der Bundesregierung bei der Budgetkonsolidierung besteht dabei darin, dass massiven Belastungen der Arbeitnehmer und Pensionisten Entlastungen der Unternehmen und Selbständigen gegenüberstehen. Dafür fehlt jede Begründung. Weder ist die Ertragslage der Unternehmen so Not leidend, dass sie durch Kürzung von Lohnansprüchen2) und durch großzügige Senkung von Arbeitgeberbeiträgen zum Sozialsystem saniert werden muss. Noch sind in der wirtschaftlichen Situation großzügige Steuersenkungen zugunsten der Wirtschaft notwendig. Mit einem Wort: Die Regierung verbindet die Budgetkonsolidierung mit einer massiven Umverteilungspolitik zugunsten von Unternehmen und Selbständigen und zu Lasten der Arbeitnehmer. Für den Österreichischen Gewerkschaftsbund und die Gewerkschaften ergeben sich aus der Regierungspolitik schwierige Herausforderungen. Ihre Kritik richtet sich dabei nicht gegen die Bundesregierung an sich, wohl aber gegen unsoziale Maßnahmen.

Obwohl eine ganze Latte von Alternativvorschlägen der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer zu Budget und Pensionen von der Regierung negiert wurden, konnten durch konsequentes Aufzeigen der Auswirkungen in den Belastungspaketen Veränderungen zu geplanten Vorhaben erreicht werden. Die wichtigsten Punkte waren:

  1. die Rücknahme der noch im Regierungsprogramm enthaltenen Urlaubskürzung (!) (der Anspruch auf Urlaubswochen im Jahr hätte nur noch aliquot entstehen sollen);
  2. die Rücknahme der Einführung eines generellen Selbstbehalts von 20 Prozent im gesamten Gesundheitsbereich (z. B. Arzt, Spital u. a. m.);
  3. die Rücknahme von progressiv steigenden Abschlägen bei Frühpensionen bis sogar 20 Prozent (jetzt gibt es eine Deckelung mit 10,5 Prozent);
  4. der Fall der Wartefrist beim Arbeitslosengeld, der dazu führt, dass alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch künftig vom ersten Tag der Arbeitslosigkeit an Anspruch auf Arbeitslosengeld haben;
  5. der Fall der Verpflichtung von Arbeitslosen, für ein »Bürgergeld«, das heißt für eine Entlohnung deutlich unter dem Kollektivvertragslohn, zu arbeiten;
  6. die Zurücknahme der Senkung der (Netto-)Ersatzquote im Niveau der Arbeitslosenunterstützung von derzeit 56 Prozent auf 53 Prozent.

Trotz dieser wichtigen positiven Veränderungen besteht allerdings kein Zweifel: Das erste Jahr der Regierungstätigkeit hinterlässt eine soziale Schieflage. Während man bei früheren »Sparpaketen« wenigstens immer einigermaßen bemüht war, Belastungen auf alle Bevölkerungsgruppen zu verteilen, werden jetzt Unternehmen und Selbständige entlastet, die Arbeitnehmer aber dauerhaft und massiv belastet. Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung und der beiden Regierungsfraktionen im Parlament, dass das »Nulldefizit« ein Alibi für sozial unausgewogene Belastungspakete geworden ist.

STEUERN: Die Arbeitnehmer werden geschröpft, um das Budget zu sanieren

Dass die Regierung zugunsten von Unternehmen und Selbständigen und zu Lasten der Arbeitnehmer handelt, zeigt die Frage, was die Belastungspakete kosten und wer sie zahlt. Während Arbeitnehmer und Pensionisten bis 2003 ansteigend und dauerhaft mit über 40 Milliarden Schilling belastet werden, müssen die Unternehmen nun zwar zur Absenkung des Budgetdefizits mitzahlen. Allerdings: Durch die ihnen von der Regierung versprochenen Senkungen der Arbeitgebersozialbeiträge und eine Gewinnsteuersenkung ab 2003 leisten die Unternehmen und Selbständigen ab 2003 nicht nur keinen Beitrag zum Budget, im Gegenteil: Sie werden per Saldo sogar mit über 3 Milliarden Schilling entlastet. Dabei darf man nicht übersehen, dass die im europäischen Vergleich ohnehin sehr niedrige Gewinn- und Vermögensbesteuerung in Österreich eine wichtige Ursache für das Budgetdefizit ist. Für die Arbeitnehmer und Pensionisten kommt es dabei - heuer spürbar - zu massiven Steuererhöhungen.

  1. Der Arbeitnehmerabsetzbetrag wird von 1500 Schilling auf 750 Schilling im Jahr halbiert3).
  2. Der den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zustehende allgemeine Steuerabsetzbetrag wird ab einem Monatsbruttogehalt von 30.000 Schilling stärker als bisher gekürzt und wird ab 49.000 Schilling völlig wegfallen (siehe Beispiel 1 »Angestellter«)4).
  3. Der Pensionistenabsetzbetrag wird von 5500 Schilling ab einer monatlichen Bruttopension von 20.000 Schilling linear gekürzt und fällt ab 26.000 Schilling gänzlich weg (siehe Beispiel 2 »Pensionist«).
  4. Künftig gibt es auch eine ganze Reihe von Steuererhöhungen für Gehaltsnachzahlungen und Abfindungen für Arbeitnehmer, die ihr Arbeitsverhältnis beenden.

Diese Steuererhöhungen kommen dabei zu denen, die schon im Juni 2000 mit dem Belastungspaket Nr. 1 festgelegt wurden:

  1. Erhöhung der Stromsteuer, die einen durchschnittlichen Haushalt 520 Schilling kosten wird.
  2. Erhöhung der Kfz-Steuer, die für ein durchschnittliches Familienauto 1300 Schilling jährlich ausmachen wird.
  3. Erhöhung der Autobahnvignette auf 1000 Schilling jährlich, das heißt, um 450 Schilling mehr.
  4. Eine ganze Reihe von Gebührenerhöhungen (Reisepass, Personalausweis, Führerschein).
  5. Erhöhung der Tabaksteuer pro Packung (bis zu 2 Schilling höhere Zigarettenpreise).

Während also Arbeitnehmer und Pensionisten und Unfallrentner stärker besteuert werden, gibt es für die Bessergestellten in der Gesellschaft bereits ab 2001 Steuergeschenke: Abschaffung der Börsenumsatzsteuer, Nichteinführung der Spekulationssteuer u. a. m. Auch hat die Diskussion der letzten Monate deutlich gezeigt, dass entgegen den Ankündigungen die Steuerprivilegien von Privatstiftungen in Wirklichkeit nicht angetastet wurden.

Beispiel 1: »Angestellte«

siehe Grafik 1

Ein bleibendes Geheimnis

In diesem Zusammenhang: Wie es zugehen soll, dass die beschriebenen Erhöhungen der Massensteuer zwei Drittel der Bevölkerung nicht treffen sollen, bleibt ein Geheimnis. Wie die Besteuerung der Unfallrenten oder die Ambulanzgebühren Einkommen unter 30.000 Schilling nicht treffen werden, kann - offenbar außer der Regierung - niemand nachvollziehen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. In Wahrheit gibt es nicht nur Umverteilungen von Arbeitnehmern zu Selbständigen und Unternehmen, sondern auch von Beziehern kleiner Einkommen zu einkommensstärkeren Gruppen.

PENSIONSPAKET: Ältere Arbeitnehmer die großen Verlierer

Die Eckpunkte des im Juni/Juli 2000 beschlossenen Pensionspaketes sind:

  1. die Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit;
  2. die überfallsartige Anhebung des Antrittsalters bei vorzeitigen Alterspensionen (60/55 um 1,5 Jahre);
  3. die Erhöhung der Pensionsabschläge von derzeit 2 auf 3 Prozentpunkte pro Jahr bei Pensionsantritt vor 60 (Frauen) bzw. 65 (Männer).

Dazu kommen Kürzungen von Witwenpensionen und bei Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen. Auch hier liegen die Folgen für die Arbeitnehmer auf der Hand: Allein mit der Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit will die Regierung jährlich bis zu 5 Milliarden Schilling einsparen. Dies geht auf Kosten von tausenden älteren Hilfsarbeitern, die diese Pension mit Gesundheitsproblemen und ihrer schlechten Lage im Beruf bisher mit 57/55 Jahren in Anspruch nehmen konnten. Die extrem kurzen Übergangsfristen für die Anhebung des Pensionsanfallsalters sind nicht nur ein schwerer Eingriff in die Lebensplanung von Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet und Beiträge gezahlt haben. Das Pensionspaket wird auch dazu führen, dass zigtausende ältere Arbeitnehmer zusätzlich mit Altersarbeitslosigkeit kämpfen werden.5) Die großen Verlierer der »Doppelmühle« - Pensionsalter rauf, Pensionshöhe runter - sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bereits heute kann nur etwa die Hälfte der Unselbständigen aus einer aufrechten Beschäftigung in die Pension gehen - es liegt eben nicht in ihrem Belieben, ob sie früher oder später aus dem Beruf ausscheiden (siehe Beispiel 3).

In den harten politischen Auseinandersetzungen um das Pensionspaket hat der Österreichische Gewerkschaftsbund immer wieder gesagt, dass überfallsartige Eingriffe in die Lebensplanung von zehntausenden Menschen kein Weg sind, ein Budgetdefizit zu bekämpfen. Es ist deshalb auch schwer wiegend, dass die Alternativkonzepte der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer von der Regierung auch hier nicht aufgegriffen worden sind.

Kurzfristige Herausforderungen in der Pensionsversicherung hätten durch Anhebung des faktischen Pensionsanfallsalters (Paket zur Erhöhung der Erwerbschancen älterer Arbeitnehmer), eine neue Ersatzzeitenfinanzierung und eine deutliche Erhöhung des Eigenfinanzierungsgrades bei Bauern und Gewerbetreibenden auf sozial verträgliche Weise gelöst werden können. Eine langfristige Weichenstellung für die Alterssicherung hätte als Aufgabe des Parlaments (»Optionenbericht«) vorbereitet werden können.

Es ist daher auch kein Wunder, dass das letzte Wort bei den Pensionen nunmehr der Verfassungsgerichtshof haben wird.

Beispiel 2: »Pensionisten«

siehe Grafik 2

»TREFFSICHERHEITSPAKET«: Es wird nicht gespart, sondern umverteilt

Neben den Verschlechterungen bei den Pensionen nimmt die Regierung unter dem Titel »Treffsicherheit« weitere drastische Kürzungen bei den Sozialleistungen vor. Auch hier kommt es in der politischen Diskussion zu dem nicht selten gewählten Weg des »Darüberfahrens« über Argumente. Nicht ganz einen Tag, nachdem die von der Regierung selbst eingesetzte Expertengruppe zur »Treffsicherheit der Sozialleistungen« einen an sich ausgewogenen Bericht vorgelegt hatte, wurde ein über 7 Milliarden Schilling betragendes Sozial- leistungskürzungsprogramm beschlossen.

Der Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose Ehepartner (Lebensgemeinschaften) wird 100.000 Menschen (fast ausschließlich Frauen) treffen.

Bei einem Arbeitseinkommen von 20.000 Schilling brutto sind im Jahr etwa 7900 Schilling für die Krankenversicherung zusätzlich zu zahlen. Mehr als 100.000 Personen trifft die Besteuerung der Unfallrenten. Ein Arbeitnehmer mit 25.000 Schilling brutto und 5000 Schilling Unfallrente verliert über 20.000 Schilling netto.

Direkt gegen die Bezieher von sehr niedrigen Einkommen richten sich zahlreiche Verschlechterungen bei der Arbeitslosenunterstützung: Absenkung der Familienzuschläge von derzeit 663 Schilling auf 400 Schilling, Verlängerung der Anwartschaft bei wiederholter Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes von 26 auf 28 Wochen, Entfall des günstigeren Fortbezugsanspruches bei neuer Anwartschaft u. a. m. - alles wesentliche Bestandteile der Existenzsicherung von arbeitslosen Familien (siehe Beispiel 4 »Familienerhalter«).

Ab dem Wintersemester 2001/2002 sind die rund 230.000 Studierenden an Österreichs Universitäten von Studiengebühren (5000 Schilling pro Semester) betroffen. Sie bedeuten zusätzliche Barrieren für Studierende aus einkommensschwächeren und bildungsferneren Schichten. Letztlich hat die Regierung schon im Juli 2000 im »GESUNDHEITSPAKET« die Selbstbehalte in der Krankenversicherung erhöht:

  1. Erhöhung der Rezeptgebühr von 45 auf 55 Schilling;
  2. Einführung von Ambulanzgebühren von 150 bis 250 Schilling;
  3. Selbstbehalte bei psychotherapeutischen und psychologischen Behandlungen.

Gerade auch die Erhöhung der Rezeptgebühr zeigt die generelle Wirkung von Selbstbehalten: Kranke bzw. chronisch Kranke werden im Vergleich zu Gesunden belastet, Selbstbehalte belasten Einkommensschwächere deutlich mehr als Vermögende.

Ein Resümee des Treffsicherheitspaketes zeigt, wer von der Regierungspolitik wirklich getroffen ist: Arbeitnehmer, Einkommensschwächere, Arbeitslosenfamilien, Kranke und Unfallrentner sowie Studenten. Besonders markant ist aber, dass gar nicht gespart, sondern umverteilt wird. So führt die Regierung Ambulanzgebühren ein, die 1 Milliarde Schilling »bringen« sollen. Gleichzeitig senkt sie die Arbeitgeberbeiträge zur Krankenversicherung der Arbeiter um 0,3 Prozent. Entlastung für Unternehmen ist 1 Milliarde Schilling. Die Regierung kürzt den Opfern von Arbeitsunfällen in Summe ihre Rechte um ein ganzes Drittel, es werden 2 Milliarden Schilling erwartet. Gleichzeitig werden die Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung gesenkt, was eine Entlastung für die Unternehmen von 1,7 Milliarden Schilling bedeutet. Während die Regierung die Arbeitslosenunterstützung für Arbeitslosenfamilien kürzt, stehen für die Arbeitgeber (ab 2002) Senkungen ihres Beitrages zur Arbeitslosenversicherung ins Haus (Entlastung über 3 Milliarden Schilling).


Beispiel für schwarzblaue »Pensionsanpassung«: 2001 gibt es ein Minus von 353 S

PRIVATISIERUNGSPOLITIK: Kurzsichtige Politik auf Kosten der österreichischen Arbeitnehmer

Schon zu Beginn des Jahres hat sich die Regierung - zwecks Schuldenabbau - das Ziel gesetzt, die wichtigsten österreichischen Unternehmen, an denen der Staat noch Anteile besitzt, zu verkaufen. Neben der Österreichischen Staatsdruckerei, dem Dorotheum und der Print Media Austria sollen der Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom Austria und die Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden.6) Bis zum Jahr 2003 soll dabei die erste Privatisierungsphase bereits abgeschlossen sein. In einer zweiten Phase wird seitens der Regierung auch die Privatisierung folgender Unternehmen in Erwägung gezogen: VA Stahl, OMV, Böhler Uddeholm, VA Technologie, Austrian Airlines und Österreichische Post AG.

Die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben schon früh davor gewarnt, eine derart kurzsichtige Politik auf Kosten von österreichischen Arbeitnehmern zu wagen. Die unbesehene Verkaufspolitik geht zu Lasten einer künftigen Industriepolitik, der Entwicklung der Unternehmungen sowie zu Lasten der Beschäftigten. Die Unternehmen eines strategisch bedeutsamen Wirtschaftssektors sind nahezu in allen Industrieländern mehrheitlich in inländischem Besitz. Bei uns fehlen auf Grund des im April 2000 beschlossenen ÖIAG-Gesetzes 2000 die Ansätze zu einer Standortsicherung von wichtigen Konzernzentralen in Österreich, insbesondere die Sicherung der erforderlichen dauerhaften Kernaktionärsrolle der ÖIAG.

Beispiel 3:

Herr B. arbeitet bis zum 61,5. Lebensjahr und verliert trotzdem

Herr B., Arbeiter, erreicht mit 61,5 Jahren 37,5 Versicherungsjahre und damit die Voraussetzungen für den Bezug einer vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer. Die Bemessungsgrundlage für seine Pension beträgt 38.185 Schilling (Höchstbemessungsgrundlage).
Pensionsanspruch nach geltendem Recht:
25.965 S ab 61,5

Pensionsanspruch nach Pensionsreform 2000 (Dauerrecht):
24.629 S ab 61,5

Herr B. verliert im Vergleich zur geltenden Rechtslage 1336 Schilling im Monat. Auf das Jahr bezogen bedeutet das einen Verlust von 18.704 Schilling.

Viele der Argumente der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben sich bei der begonnenen Umsetzung der Privatisierungsvorhaben der Regierung bereits bewahrheitet. Die Privatisierungserlöse der Telekom Austria blieben weit unter dem Plansoll. Dass die Österreicher über »Volksaktien« beim Börsegang profitieren würden, blieb Chimäre - mehr als 90 Prozent der Aktien gingen an institutionelle Anleger. Bei der bevorstehenden Privatisierung der Austria Tabak mit mehr als 4000 Beschäftigten und 500 Zulieferfirmen stellt sich unmittelbar die Gefahr einer ausländischen Übernahme, die Gefahr einer Versorgung Österreichs vom Ausland her und die Drohung von Arbeitsplatzverlusten.

Die Auswirkungen des Fehlens einer aktiven österreichischen Industriepolitik auf Qualität und Sicherheit der Arbeitsplätze sind mittlerweile unvorhersehbar geworden. Gerade deshalb müssen sich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer auch in den nächsten Monaten weiter konsequent dafür einsetzen, dass wichtige Industrien und Schlüsselsektoren in Österreich erhalten bleiben und zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Österreich beitragen. Davon wird zu einem wesentlichen Teil die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Beschäftigungssituation abhängen.

Schlussbemerkung - Es geht um Gesellschaftspolitik

Das erste Viertel der Regierungstätigkeit ist zu Ende. Eine erste Bilanz aus Arbeitnehmersicht zeigt, dass die Lasten dieser Politik die Arbeitnehmer zu tragen haben.

  • Die Regierung verbindet die Budgetkonsolidierung mit einer massiven Umverteilungspolitik zugunsten von Unternehmen und Selbständigen und zu Lasten der Arbeitnehmer und derzeitiger und künftiger Pensionsbezieher.
  • Steuer- und Sozialpolitik zeigen Verteilung zu Lasten von Beziehern kleiner Einkommen und Begünstigungen für Vermögende.
  • Eine ganze Vielzahl von Einzelmaßnahmen zeigt: Es geht zunehmend nicht nur um Kürzungspolitik, sondern um Gesellschaftspolitik. Die Entscheidungsverhältnisse in der Gesellschaft sollen zugunsten der Unternehmen und zu Lasten der Arbeitnehmer verändert werden.

Beispiel 4:

Ein alleinverdienender Familienerhalter

(Ehegatte und 2 Kinder) mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 20.000 Schilling wird arbeitslos.

Nach der bis 31. Dezember 2000 geltenden Rechtslage hatte dieser Arbeitnehmer einen Arbeitslosengeldanspruch (plus 3 Familienzuschläge) von 11.419 Schilling; nach der neuen Rechtslage erhält er lediglich 10.629 Schilling, also um 790 Schilling oder 6,9 Prozent weniger.

Für die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer gab es durch die fundamentalen Änderungen in der Politik große Herausforderungen. Während die Gesprächsbasis zu den Arbeitgeberorganisationen intakt blieb - das zeigen die erfolgreichen Kollektivvertragsrunden -, gab es harte politische Auseinandersetzungen mit der Politik der Bundesregierung. Kein Zweifel: Die großen Herausforderungen für die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer bleiben auch im neuen Jahr. Die bereits begonnenen Diskussionen um die Reform der Abfertigung und den Gesundheitsbereich - Stichwort »Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung« - machen das deutlich. Es gibt Erfolge in der Interessenvertretungstätigkeit für die Arbeitnehmer, aber klar ist auch, dass noch weit größere Bevölkerungsteile davon überzeugt werden müssen, dass es soziale Alternativen zur Regierungspolitik gibt: ein Gesellschaftsmodell der Gewerkschaften, das wirtschaftlichen Fortschritt mit einem hohen Grad an sozialer Sicherheit verbindet.

1) Bruno Rossmann: »Wer trägt die Last?« in »Arbeit&Wirtschaft« 11/2000.

2) Die Streichung der Urlaubsentschädigung allein wird den Arbeitnehmern gesamtwirtschaftlich 4 Milliarden Schilling zugunsten der Unternehmen kosten.

3) Nur wer eine steuerbegünstigte Pensionsvorsorge um rund 13.700 Schilling bezahlt, kann die verlorenen 750 Schilling als staatliche Prämie geltend machen.

4) Zu beachten ist, dass die Steuererhöhungen durch »Abschleifung« des allgemeinen Absetzbetrages zur Senkung des Arbeitnehmerabsetzbetrages hinzukommen.

5) Die von der Regierung nach massiver Kritik getroffenen Abfederungsmaßnahmen (Härteklauseln, Maßnahmen bei der Arbeitslosenunterstützung) sind völlig unzureichend, um soziale Härten zu beseitigen.

6) Die Privatisierungsmaßnahmen sind bei der Staatsdruckerei, der P.S.K., der Telekom Austria und beim Flughafen bereits abgeschlossen.Richard Leutner ist Leitender Sekretär des ÖGB

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Richard Leutner http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995256651 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995256655 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995256663 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995256646 Zukunft der Sozialversicherung am Scheideweg? Unter dem Leitspruch »Österreich neu regieren« haben FPÖ und ÖVP vor nunmehr einem guten Jahr ihre Regierungsgeschäfte begonnen. Dass sich hinter ihrem Motto ein völlig neuer Stil der Politik verbirgt, der den sozialpartnerschaftlichen Dialog in den Hintergrund drängt und die übertragene Regierungsverantwortung als Legitimation für einen immer weiter gefassten Machtanspruch interpretiert, wurde schon bald klar. Programme und Reformen werden von den Koalitionsparteien kraft ihrer parlamentarischen Mehrheit in Gesetze umgewandelt. Kritik oder Einwände der Opposition, der Sozialpartner oder Interessenvertretungen werden mit der Formel »Speed kills« erfolgreich abgewürgt. Aber auch abseits des parlamentarischen Bereiches sind die Regierungsparteien konsequent dabei, ihre Interessen durch die Erlangung von Macht und Einfluss sicherzustellen. In der Praxis heißt das vor allem, im Weg stehende Personen zu beseitigen und durch solche auszutauschen, die stellvertretend für den Kurs von FPÖ und ÖVP stehen.

Beispiel für einen neuen Politikstil

Jüngstes Beispiel für diesen Stil der Bundesregierung sind die Vorgehensweisen in der Debatte um die Sozialversicherung. In meiner Funktion als Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungen kommt mir dabei die entsprechende zentrale Rolle zu. Die von der Regierung geführte Personaldiskussion ist nach meiner Einschätzung Teil einer - sehr durchsichtigen - Strategie und ebenso sehe ich die gesetzlichen Maßnahmen im Bereich der Sozialversicherung oder die erteilten Sparvorgaben in einem solchen Zusammenhang. Die Regierung spricht von Reformbedarf und notwendiger Weiterentwicklung der Sozialversicherung, verhindert aber gleichzeitig in jeglicher Hinsicht die erforderlichen Rahmenbedingungen. Es wird damit mehr als offensichtlich, dass FPÖ und ÖVP durch ihr Vorgehen das Scheitern von Reformen und letztlich den Kollaps des bestehenden Sozialversicherungssystems akzeptieren wollen bzw. vielmehr beabsichtigen.

Ziel der Regierung ist die Privatisierung des Gesundheitssystems

Für ihr offensichtliches Ziel - die Zerschlagung der Sozialversicherung und die Privatisierung des österreichischen Gesundheitssystems - will sie auf diesem Weg die nötigen Ausgangsgrundlagen schaffen. Was die Abkehr vom solidarischen Modell der Pflichtversicherung zu Gunsten des entsolidarisierten Systems der Versicherungspflicht für die rund 8 Millionen Versicherten in Österreich bedeuten würde, führen ausländische Beispiele drastisch vor Augen. Eine einheitliche Gesundheitsversorgung, die allen - egal ob Reich oder Arm, Jung oder Alt, Gesund oder Krank, Mann oder Frau - gleichermaßen Zugang zu den Fortschritten der modernen Medizin sichert, wird durch den Wettbewerb privater Versicherer um eine möglichst »attraktive« und risikoarme Klientel abgelöst. Menschen mit »schlechten Risken«, etwa chronisch Kranke oder Ältere, müssen für die gleiche Leistung deutlich mehr Geld auf den Tisch legen oder sich mit einer medizinischen Basisversorgung zufrieden geben.

Angriffe auf die Selbstverwaltung

Klare Aussagen über die Zukunft der gesetzlichen Sozialversicherung haben die Koalitionspartner stets geflissentlich vermieden. Dass ihre diesbezüglichen Perspektiven jedoch wie eben skizziert gelagert sind, darüber geben nicht zuletzt Wortmeldungen einzelner maßgeblicher Vertreter von FPÖ und ÖVP recht eindeutig Auskunft. Ein wesentlicher Schritt in Richtung ihres angepeilten Zieles sind die unmissverständlichen Angriffe auf die Selbstverwaltung. So gab es etwa die unverhohlene Forderung, den Hauptverband, der ein »entbehrliches Parallelministerium« sei, aufzulösen und seine Aufgaben direkt dem Sozialministerium zuzuordnen. Der Kärntner Landeshauptmann ließ etwa wissen, dass in den Sozialversicherungsträgern »feindliche politische Funktionäre« zu finden seien. Die Ankündigung von Gesundheitsstaatssekretär Waneck, die freie Wahl der Krankenversicherung prüfen lassen zu wollen, war bereits zuvor ein erstes Anzeichen für die beabsichtigte Zerschlagung der Sozialversicherung in ihrer derzeitigen Form. Mittlerweile hat Sozialminister Haupt eine Expertengruppe zum Thema Versicherungspflicht versus Pflichtversicherung ins Leben gerufen. Und was die Erfahrungen mit solchen Expertengruppen anlangt, so hat sich nicht erst einmal gezeigt, dass es die Regierung mit diesem Mittel sehr geschickt versteht, die nötige Akzeptanz für ihre bereits zuvor feststehenden Positionen zu schaffen.

Gesetzliche Maßnahmen widersprechen den Reformvorgaben

Als einen indirekten Anschlag auf das Sozialversicherungssystem, der aber wohl die existenziellste Wirkung zeigen sollte, möchte ich die seitens der Regierung konsequent betriebene finanzielle Aushungerungstaktik hervorstreichen. Neue Gesetze und Maßnahmen haben maßgeblich zu einer Verschärfung der prekären Finanzsituation der Sozialversicherungsträger beigetragen und zu Mehrbelastungen von insgesamt rund 3 Milliarden Schilling geführt. Einen Zuwachs an Einnahmen kann die Sozialversicherung im Wesentlichen durch die Anhebung der Rezeptgebühren erwarten. Mit rund 600 Millionen Schilling wiegen diese Mehreinnahmen die hinzukommenden Ausgaben aber bei weitem nicht auf. Der an die Sozialversicherung erteilte Sparauftrag wird durch die Maßnahmen der Regierung also ganz offensichtlich konterkariert, und indem die Bundesregierung auch keinerlei gesetzliche Maßnahmen zur Stärkung der Lenkungsfunktion des Hauptverbandes geschaffen hat, treten ihre eigentlichen Perspektiven für die Zukunft des österreichischen Sozialsystems einmal mehr an den Tag. Dass die Regierung als ihr zentrales Argument für die geforderte Abberufung des Hauptverbandspräsidiums »nicht vorhandene Reformbereitschaft« anführt, erscheint vor diesem Hintergrund geradezu zynisch, wenn auch logisch innerhalb der von ihr verfolgten Strategie.

Herausforderung für die Sozialpartnerschaft

Gewerkschaft und Arbeitnehmervertretungen wie die Sozialpartnerschaft generell stehen angesichts dieses Kurses der Regierung vor der wohl wichtigsten Herausforderung seit dem Amtsantritt von »Blau-schwarz«. Es geht darum, die Attacken gegen ein Sozialsystem abzuwehren, das nicht nur weltweit eines der kostengünstigsten und leistungsstärksten ist, sondern darüber hinaus eine Bedingung schlechthin für ein solidarisches gesellschaftliches Miteinander darstellt.

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Hans Sallmutter http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995256640 Meinung nicht hinterm Berg halten! Der Kampf für soziale Gerechtigkeit und für Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer ist niemals abgeschlossen, und gerade jetzt gibt es einen Ansturm auf unser Sozialsystem, für das sich Generationen von Aktivisten der Arbeiterschaft eingesetzt haben.

»Was für ein Bild: Die Regierung ruft ðweniger StaatĐ und versucht gleichzeitig, die Autonomie der Sozialversicherung zu zerstören, indem sie diese verstaatlicht. Auf der Strecke bleibt ein höchst stabiles System der korporativen Selbstregulierung - und damit ein Stück Sozialpartnerschaft.« So kommentiert Prof. Anton Pelinka im »Falter« die Diskussion um die Sozialversicherung. Wir aber haben den Präsidenten des Hauptverbandes selbst um eine Stellungnahme gebeten und so stammt der Leitartikel dieses Heftes aus der Feder unseres Kollegen Hans Sallmutter (bitte umblättern!).

Wir raten unseren Leserinnen und Lesern immer wieder, die Hefte von »Arbeit&Wirtschaft« aufzuheben, weil sie eine Informationsquelle sind, wo man immer wieder nachschlagen kann. Über das System der Selbstverwaltung haben wir bereits im April 2000 einen ausführlichen Beitrag gebracht: »Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung« von Tom Schmid. Hier wurden die wesentlichsten Fragen betreffend die Funktion, Struktur und Elemente der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger beantwortet. Nachdem doch nicht alle »Arbeit&Wirtschaft«-Leser zu den Sammlern gehören, haben wir eine vom Autor aktualisierte Fassung dieses Beitrags über das Internet zugänglich gemacht. Diejenigen, die diesen Modernisierungsschritt noch nicht gegangen sind, werden in ihrer Umgebung sicher einen Internetenthusiasten finden, der ihnen den Beitrag ausdruckt.

Die Angriffe auf die soziale Sicherung und der Abbau öffentlicher Leistungen können nur eine Antwort haben: Wir müssen uns wehren. Unsere Prinzipien der Solidarität und der demokratischen Gestaltung laden ein zur Mitarbeit. Und auch zum gemeinsamen Widerstand. Eine Teilnahme an der Werbeaktion »Powercup 2001« ist auch ein politischer Akt. Wie man es aber auch nennt, ein politisch bewusster und aktiver Gewerkschafter sollte auch eine Mitgliedsanmeldung einstecken haben, die er auch bei der richtigen Gelegenheit präsentiert. Außerdem sollte ein solcher Mensch, das heißt eine Kollegin oder ein Kollege, sich ständig politisch »einbringen«. Diskutieren und natürlich auch kritisieren. Die Meinung nicht hinterm Berg halten. Mit Gleichgesinnten Aktivitäten setzen. Davon lebt unsere Organisation und davon lebt die Arbeiterbewegung. Passiv bleiben und nur ab und zu auf »die da oben« schimpfen bringt's nicht. Gemeinsam aber stehen uns viele Möglichkeiten offen, und so werden wir Politik und die Organisation unseres Gemeinwesens nicht passiv als Opfer, sondern aktiv als Gestalter erleben ...

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995256634 Die Selbstverwaltung ist das Herzstück der Sozialversicherung Dazu dient eine neue Form der Beschickung, die formal an die Wahl zu den gesetzlichen Interessenvertretungen (Arbeiterkammern, Wirtschaftskammer) angebunden wird. Das eigentliche und unausgesprochene Ziel dieser bereits Ende März in den Nationalrat eingebrachten Veränderung ist eine Umwandlung einiger bisher »roter« Sozialversicherungsträger zu »schwarzen« Trägern - so schaut die von der neuen Bundesregierung versprochene Auflösung des »Proporzes« nämlich aus, wenn es um konkrete Einflussgebiete geht, die Kanzler Schüssel nunmehr für seine Partei zu vereinnahmen gedenkt. Und der größere Koalitionspartner billigt - ganz im Gegensatz zu seiner bisherigen Geißelung der »Parteibuchwirtschaft« - dieses Vorgehen. Man wird bald sehen, was der Preis dafür war.

Die Selbstverwaltung der gesetzlichen Sozialversicherung ist seit mehr als fünfzig Jahren die Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherung. Dienstnehmer wie Dienstgeber haben sich durch ihre Tätigkeit in der Selbstverwaltung verpflichtet, die soziale Sicherheit in Österreich zu erhalten und zeitgemäß auszubauen. So sind bislang die gesetzlichen und freiwilligen Interessenvertretungen der Dienstnehmer wie der Dienstgeber auf dem Boden der Sozialpartnerschaft fest in die Entwicklung der österreichischen Sozialversicherung eingebunden.

Stabilität und Lebensplanung

Durch diese Organisationsform konnte in der Vergangenheit jene hohe Stabilität erreicht werden, um die Österreich von vielen Staaten beneidet wird, denn die gemeinsame Verantwortung ist sowohl ein Schutzriegel gegen Forderungen, die nicht finanzierbar wären, als auch gegenüber einem aus eigenen kurzfristigen Profiterwägungen motivierten Abbau sozialer Sicherheiten. In dem Ausmaß, in dem die Sozialpartner auch zukünftig die Entwicklung und die Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherung mitgestalten werden, ist dieses Kräftegleichgewicht auch weiterhin Garant für eine stabile Sozialpolitik, auf die sich die Menschen unseres Landes in ihrer Lebensplanung verlassen können. Wird dieses Kräftegleichgewicht jedoch aus einseitigen politischen Interessen mutwillig zerstört, wird auch die Selbstverwaltung ihre Aufgaben nicht mehr in jenem Ausmaß wahrnehmen können, das für die Stabilität unseres Sozialversicherungssystems nötig ist.

Die aus Dienstgebern und Dienstnehmern in der Selbstverwaltung gebildete Geschäftsführung der Sozialversicherung garantiert im konkreten Einzelfall, in jeder einzelnen Entscheidung jenes aus der Praxis, aus der konkreten Lebenswirklichkeit der Versicherten stammende Augenmaß, das den Interessen der Versicherten entspricht. Das bedeutet nicht, dass jeder Antrag erfüllt, dass jedem Wunsch entsprochen werden kann; aber positive wie negative Entscheidungen sind lebensnah und praxisbezogen, sie entspringen nicht irgendwelchen bürokratischen und lebensfremden Konstruktionen.

Denn die mit der Geschäftsführung betrauten Versicherungsvertreter stehen im praktischen Leben - als gewerkschaftliche Interessenvertreter, als Betriebsräte oder Funktionäre der Arbeiterkammer genauso wie als Dienstgebervertreter, die ihrer Verantwortung tagtäglich bei der Führung ihrer Betriebe, bei der Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in der Wirtschaftskammer nachkommen.

Aus der Sicht der Versicherten und im Interesse praxisbezogener Entscheidungen wäre es daher verhängnisvoll, vom Weg gemeinschaftlicher sozialpartnerschaftlicher Verantwortung für die gesetzliche Sozialversicherung abzugehen!

Soziale Sicherheit und sozialer Friede

Die Selbstverwaltung kann mit gutem Recht als das Herzstück der gesetzlichen Sozialversicherung bezeichnet werden. Sie vertritt die Interessen der Versicherten, der Beitragszahler wie der Leistungsempfänger. Die Selbstverwaltung hat sich in fünf Jahrzehnten großer Anforderung und hoher Beanspruchung bewährt und wird auch in Zukunft Träger und Motor der Sozialversicherung sein.

Um die Sozialversicherung näher zu den Menschen zu bringen, müssen wir jedoch beständig auf der Grundlage des Erreichten weiterarbeiten und neue Schwerpunkte setzen. In diesem Zusammenhang und unter der Voraussetzung, dass die Bundesregierung der gesetzlichen Sozialversicherung und ihrer Selbstverwaltung auch in Zukunft den Spielraum lässt, den sie bis heute hatte, scheinen mir vor allem folgende Punkte für die kommenden Jahre wichtig zu sein:

Parteipolitik und Verantwortung

Eine allein aus parteipolitischem Interesse getragene neue Beschickungsform der Versicherungsvertreter darf nicht am Gefüge des ausgewogenen Kräftegleichgewichtes der Sozialpartner in der Geschäftsführung der Sozialversicherungen rütteln, wenn soziale Sicherheit und sozialer Friede auch in Zukunft ein übergeordnetes Ziel sein sollen.

Die Versichertenvertreter müssen daher zukünftig in der Öffentlichkeit noch stärker präsent sein. Sie müssen den Versicherten und ihren Dienstgebern persönlich bekannt sein, um erkennbar und wirksam für die Interessen der Versicherten auftreten zu können.

Das Allspartenservice muss zu einer umfassenden Sozialberatung ausgebaut werden, um alle 204 existierenden Außenstellen der gesetzlichen Sozialversicherungen für umfassenden Bürgerservice nutzen zu können. Vielleicht gelingt es uns in weiterer Folge, hier auch zumindest grundlegende Beratungen in Sozialangelegenheiten, die nicht dem Wirkungskreis der gesetzlichen Sozialversicherung unterstehen, durchzuführen. Dann könnten die Versicherten die österreichischen Sozialversicherungen und ihre Selbstverwaltung mit gutem Fug und Recht als die umfassenden Vertreter ihrer Interessen in sozialen Belangen verstehen.

Soziale Servicestellen müssen daher in verstärktem Ausmaß als Informationsdrehscheibe für die Versicherten auftreten können, auch wenn das im Einzelfall mit einer höheren Mitteldotierung einzelner Außenstellen verbunden sein sollte.

Die Selbstverwaltung, der einzelne Versicherungsvertreter, ist die Brücke zwischen den Versicherten und dem jeweiligen Sozialversicherungsträger, damit aber auch das lebendige Vermittlungsglied zwischen den Versicherten und der gesamten gesetzlichen Sozialversicherung. Gerade von den Mitgliedern der Selbstverwaltung kann erwartet werden, dass sie sich auch in jenen Fällen um die Versicherten und deren Probleme kümmern, wo aufgrund der täglichen Verwaltungsroutine und der hohen Anforderungen, die an den Schalterdienst des Sozialversicherungsträgers gestellt werden, »die Sozialversicherung« einzelnen Versicherten womöglich nicht im von ihnen erwarteten Ausmaß weitergeholfen hat. Dementsprechend hoch ist die Verantwortung, die dem einzelnen Mitglied der Selbstverwaltung zukommt.

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Hans Sallmutter ist Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger (und Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Feb 2001 00:00:00 +0100 1197995256616 Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung Die Selbstverwaltung der österreichischen Sozialversicherung ist im Rahmen der Gesetze weisungsfrei. Das Bundesverfassungsgesetz weist der Selbstverwaltung so genannte »autonome Wirkungsbereiche« zu. Die staatliche Verwaltung ist nicht berechtigt, in diese Angelegenheiten der Selbstverwaltung einzugreifen. Wohl aber gibt es ein Aufsichtsrecht seitens des Sozialministeriums und des Finanzministeriums; natürlich auch durch den Rechnungshof. Diese haben die Einhaltung der Gesetze zu beobachten und die sparsame Verwendung der Mittel zu kontrollieren. Die verantwortlichen Mitglieder der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung haften für die Tätigkeit des Sozialversicherungsträgers in sozialpolitischer Hinsicht, aber auch in ihrer Funktion als Dienstgeber für rund 28.000 Beschäftigte des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger.

Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung

Die 27 österreichischen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherungsträger sind selbstverwaltet. Die Dachorganisation dieser Sozialversicherungsträger ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Seine Selbstverwaltung wird von der Selbstverwaltung der 27 Träger getragen, er koordiniert die Arbeit der einzelnen Träger.
Die Übertragung der Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherung in die Verantwortung der von den Sozialpartnern nominierten Versicherungsvertreter bedeutet eine enge Einbindung der Sozialpartner in die Tätigkeit der österreichischen Sozialversicherungen. Auf diesem Weg sind sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer in das System der gesetzlichen Sozialversicherungen eingebunden. Ihre Repräsentanten müssen für die Politik der Sozialversicherung gerade stehen. Diese Einbindung der Sozialpartner ist eine der Säulen des österreichischen Sozialversicherungssystems, stellt sie doch sicher, dass diejenigen, die das System durch Beiträge erhalten, gleichermaßen Interesse an seinem Erhalt haben.
In den jeweiligen Trägern sind Dienstgeber und Beschäftigte nach einem bestimmten Schlüssel vertreten:

  • In der Unfallversicherung ist die Selbstverwaltung je zur Hälfte von Dienstnehmer- und Dienstgebervertretern beschickt.
  • In der Pensionsversicherung zu zwei Drittel von Dienstnehmer- und einem Drittel von Dienstgebervertretern.
  • Bei den Krankenkassen zu vier Fünftel von Dienstnehmer- und einem Fünftel von Dienstgebervertretern.

Auch die Sozialversicherungsträger der Bauern und Gewerbetreibenden werden aus dem jeweiligen Versichertenkreis beschickt. Hier gibt es jedoch naturgemäß keine Trennung nach Dienstgeber und Dienstnehmer.
Dieser unterschiedliche Vertretungsschlüssel hat sachliche und historische Gründe. Die AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) beispielsweise ist vom Prinzip her eine Selbstschutzversicherung der Dienstgeber. Sie schützt vor den Schadenersatzklagen der Beschäftigten im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit. Daher werden hier auch nur Dienstgeberbeiträge eingehoben (1,4 Prozent vom Bruttolohn). In der Kranken- und Pensionsversicherung hat das unterschiedliche Vertretungsverhältnis vor allem historische Gründe, macht aber die Herkunft der gesetzlichen Sozialversicherungen aus den einstigen Bruderladen des Gewerbes und den Solidarkassen der frühen Industrie deutlich - hier war die Selbstverwaltung noch unmittelbares Prinzip der Beitragsverwaltung durch die betroffene Solidargemeinschaft und ihre Delegierten.
Die Amtsdauer der Versicherungsvertreter beträgt fünf Jahre. Die Mitglieder der Selbstverwaltung werden als Repräsentanten der Versicherten und der Beitragszahler ernannt (nicht direkt gewählt), und zwar von ihren öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen: der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer und der Landwirtschaftskammer. Daraus beziehen sie ihre demokratische Legitimation, und zwar direkt nach dem Ergebnis der Kammerwahlen.
Erst vor einigen Jahren haben Urabstimmungen in den gesetzlichen Interessenvertretungen eindrucksvoll bewiesen, dass die Mitglieder hinter ihren Interessenvertretungen stehen. Alle Erwerbstätigen in Österreich stimmen somit bei den Wahlen zu ihrer gesetzlichen Interessenvertretung auch indirekt über ihre Vertreter in den Sozialversicherungsanstalten ab.

Die Selbstverwaltung ist die Geschäftsführung der Sozialversicherung

Die Selbstverwaltung führt die Geschäfte der Sozialversicherung. Sie ist für die Handlungen der einzelnen Sozialversicherungsträger und des Hauptverbandes allein verantwortlich, sie und nicht - wie oft fälschlich gemeint wird - das Büro oder der chefärztliche Dienst entscheidet auf Grundlage von Gesetz und Satzung über die Zuerkennung oder Verweigerung von gesetzlichen, satzungsmäßigen und freiwilligen Leistungen.
Unter der Geschäftsführung der Sozialversicherung versteht man:

  • Umsetzung im Parlament verabschiedeter Gesetze
  • Verabschiedung von Satzungen, Richtlinien und Abschluss von Verträgen, insbesondere mit den Leistungsanbietern, etwa Ärzten, Orthopäden u. Ä. l Die Beschlussfassung von Budget und Rechnungsabschluss
  • die Bildung von diversen Ausschüssen (dort werden einzelne Fälle im Leistungsrecht behandelt oder Bauentscheidungen getroffen usw.)
  • Überprüfung der Gebarung
  • Kontrolle der Verwaltung und Kompetenzen der (Mittel-)Veranlagung
  • Ernennung und Entlastung der Funktionsträger (Organe).

Verwaltung und Geschäftsführung sind getrennt. Der Geschäftsführung durch die Selbstverwaltung ist die Verwaltung (»das Büro«) unter Führung des jeweiligen leitenden Angestellten zur Seite gestellt. Die Selbstverwaltung als Geschäftsführung trifft die Entscheidungen und trägt die Verantwortung. Das Büro bereitet die Grundlage für die Entscheidung vor und vollzieht sie. Hier ist das bewährte Prinzip der Gewaltentrennung realisiert.
Die Selbstverwaltung ist als Geschäftsführung der Sozialversicherung auch in die Gesetzesbegutachtung einbezogen und kann Gesetze vorschlagen. Das ist notwendig, weil im Parlament und in den Ministerien in Form von Gesetzentwürfen über das Beitrags- und Leistungsrecht entschieden wird. So gesehen bilden die »Praktiker« der Selbstverwaltung ein Gegengewicht zu den »Theoretikern« aus den staatlichen Ministerien und dem Nationalrat.
Die Selbstverwaltung kann auf den ganzen Menschen eingehen. Denn die Selbstverwaltung vermittelt zwischen der (abstrakten) Versicherung und dem (konkreten) Versicherten. Das kann als die »Brückenfunktion« der Versicherungsvertreter bezeichnet werden. Die Selbstverwaltung tritt dem einzelnen Beitragsempfänger direkt gegenüber und muss mit seinen Erwartungen entsprechend umgehen. Sie soll Kritik entgegennehmen, Entscheidungen begründen und kann im Einzelfall mit Rat und Tat weiterhelfen. Oft genügt eine Information, damit der Versicherte mit seinen Anliegen zur richtigen Stelle, zum richtigen Schalter findet oder den erhaltenen Bescheid des Versicherungsträgers versteht.
Engagierte von Mitglieder der Selbstverwaltung sind den von ihnen vertretenen Versicherten aufgrund ihrer beruflichen Versichertennähe als Vertreter von Dienstnehmern, etwa als Arbeiterkammerräte oder als Betriebsräte, beziehungsweise als Vertreter der Dienstgeber, leichter zu erreichen als die Schalterstellen der Sozialversicherungsträger, denn hier ist das Hemmnis zur Kontaktnahme seitens des Versicherten oder des Beitragszahlers in der Regel deutlich niederschwelliger. Das ist nicht nur eine Frage der Effizienz. Ob die gesetzliche Sozialversicherung dem Menschen positiv entgegentritt, ob sie ihn annimmt mit seinen ganz persönlichen Sorgen und Nöten, wird entscheidend das öffentliche Bild bestimmen.

Verwaltungskosten und Effizienz

Die Geschäftsführung der österreichischen Sozialversicherungen durch ihre gesetzliche Selbstverwaltung ist hoch effizient. Der gesamte Verwaltungsaufwand der österreichischen Sozialversicherung beträgt (1997) 10,5 Milliarden Schilling (763 Millionnen EURO). Wenn man diese Summe zu den Gesamtausgaben der Sozialversicherung, die im selben Jahr etwas über 407 Milliarden Schilling (29,6 Milliarden EURO) betragen haben, in Beziehung setzt, kommt man auf einen Verwaltungskostenaufwand von 2,6 Prozent der Ausgaben (bei den KV-Trägern 3,6 Prozent,1) bei den PV-Trägern 1,8 Prozent). Hier sind aber auch die Verwaltungskosten der eigenen Einrichtungen, also der Kur- und Rehabilitationszentren sowie der Krankenhäuser der Sozialversicherungsträger, eingeschlossen.
Dies sind konkurrenzlos niedrige Verwaltungskosten. Die österreichischen Bundesländer haben bei einem etwa vergleichbar großen Budgetaufwand einen Verwaltungskostenanteil von 6,6 Prozent. Der Verwaltungskostenanteil deutscher Krankenversicherungen beträgt 5 Prozent des Umsatzes, in der Schweiz mit ihren im Wettbewerb stehenden Krankenversicherungen macht der durchschnittliche Verwaltungsaufwand 7,5 Prozent aus. Und private Krankenversicherer weisen hierzulande wie international einen Verwaltungskostenanteil von 15 bis 25 Prozent aus.
Für die Selbstverwaltung selbst, also für die Geschäftsführung der gesetzlichen Sozialversicherung, werden überhaupt nur 0,02 Prozent der gesamten Ausgaben der Sozialversicherung ausgegeben, das sind rund 10 Schilling (0,73 EURO) im Jahr pro Versicherten, zusammen 81 Millionen Schilling (5,9 Millionen EURO). Mit diesem Betrag werden Aufwandsentschädigungen, Fahrtkostenersätze und Sitzungsgelder für die 1017 Mitglieder und Funktionsgebühren für 194 Funktionäre der Selbstverwaltung (Präsident und Vizepräsidenten des Hauptverbandes, Obmänner der Sozialversicherungsträger und Vorsitzende der Kontrollversammlungen sowie deren Stellvertreter erhalten Funktionsgebühren). Diese Funktionsgebühren sind seit dem Bezügegesetz von 1998 an den Bezug eines Abgeordneten zum Nationalrat angebunden und mit 40 Prozent dieses Bezuges gedeckelt.
Somit beträgt die maximale Funktionsgebühr heute 46.666 Schilling (3391,4 EURO) im Monat, und zwar nur 12-mal im Jahr. Dem steht die gesamte Verantwortung der Geschäftsführung, im Falle des Präsidenten des Hauptverbandes zum Beispiel auch seine Verantwortung als oberster Dienstgeber für 28.000 Beschäftigte der österreichischen Sozialversicherungen, gegenüber.
Diese Funktionsgebühr ist ausreichend, aber sie bewegt sich - entgegen landläufig verbreiteter Meinung - nicht in jener Höhe, die als unvertretbar hoch bezeichnet werden könnte, insbesondere wenn man sie in Bezug zur Verantwortung setzt, die diese Funktionsträger übernommen haben.

Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung

In der Gegenwart bedauerlich, aber durchaus als Herausforderung zu begreifen ist der niedrige Bekanntheitsgrad der Selbstverwaltung in der Öffentlichkeit.
In einer im Herbst 1997 im Auftrag des Hauptverbandes durch die beiden Meinungsforschungsinstitute IFES und Fessel-GfK durchgeführten repräsentativen Bevölkerungsbefragung über die Sozialversicherung wurde auch der Bekanntheitsgrad ihrer Selbstverwaltung abgefragt:
Nur rund ein Viertel der Befragten (26 Prozent) gab an, im Zusammenhang mit der Sozialversicherung schon einmal den Begriff »Selbstverwaltung« gehört oder gelesen zu haben. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherung ist bei allen hier statistisch ausgewiesenen Sozialgruppen nur einer Minderheit geläufig: Selbst bei der oberen Bildungsschicht (Maturanten, Akademiker) verbindet nur jeder Dritte diesen Begriff mit der Sozialversicherung, bei der unteren Bildungsschicht gar nur 6 Prozent. Auch innerhalb der Opinionleader (Politiker, Journalisten) konnte eine Mehrheit (57 Prozent) mit dem Begriff »Selbstverwaltung« in diesem Zusammenhang nichts anfangen (IFES/Fessel-GfK, 1998).
In Zukunft wird die Selbstverwaltung daher bemüht sein müssen, den Bekanntheitsgrad ihrer Einrichtungen und ihre Aufgabe, Brücke und Mittler zwischen Versicherten und Versicherungsträgern zu sein, deutlich stärker bekannt zu machen als bisher.
Denn nur ein wirklich hoher Bekanntheitsgrad ist eine langfristige Bestandsgarantie der Selbstverwaltung als Institution und Geschäftsführung unserer gesetzlichen Sozialversicherung - gerade in politischen »Zeiten wie diesen«.

1) Da die KV-Träger die Versicherten- und Dienstgeberevidenz für die gesamte Sozialversicherung, für AMS, FLAF, AK etc. führen, wird ihnen ein Teil des Verwaltungsaufwandes vergütet.

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Tom Schmid (Politikwissenschafter und Leiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995256595 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995256608 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256498 Verunsicherung mit Methode | Saisonverlängerung oder Sperre des Arbeitslosengeldes Bauarbeiter und Saisonarbeiter im Gastgewerbe haben etwas gemeinsam. Sie müssen viel laufen und gehen und sind saisonbedingt periodisch arbeitslos. Das waren wir gewohnt, sagt einer, der fast 20 Jahre dabei war, wenn in Tirol die Touristen auf die Pisten und zu den Theken drängten. Das waren wir gewohnt, sagt ein anderer, der fast genauso lang »draußen am Bau« war, wenn irgendwo ein Tunnel gegraben, eine Brücke geschlagen wurde.

Die Dampfwalze kam für beide Branchen überraschend, quasi als Vorweihnachtsgeschenk: Vier Wochen Sperre »der Arbeitslosen«, auch bei einvernehmlicher Kündigung und bei befristetem Dienstverhältnis, drohte die Bundesregierung. Bekanntlich konnte das Schlimmste verhindert, die vierwöchige Sperre der Arbeitslosenentschädigung - einstweilen - abgewendet werden.

Was tut sich heute in den beiden Branchen, drei Monate nach dem großen Aufruhr und seit am 1. Jänner das »Maßnahmenpaket des Budgetbegleitgesetzes 2001« in Kraft getreten ist? Einige dieser »treffsicheren« Neuregelungen betreffen besonders die Beschäftigten im Tourismus und Baugewerbe, so z. B. die Verlängerung der Anwartschaft auf Arbeitslosengeld von 26 auf 28 Wochen, Leistungskürzung und schärfere Kontrollmaßnahmen und die Besteuerung der Unfallrenten.

Ein Urteil vor Ende der Saison wäre verantwortungslos, meint Siegfried Astl, Landessekretär für Tirol und Vorarlberg der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD). Eines steht für ihn fest: Allein die Diskussion um eine mögliche Sperrfrist der Arbeitslosenentschädigung hat viele Beschäftigte völlig verunsichert und dem Image der Branche geschadet. »Der Arbeitsmarkt kann als ausgetrocknet bezeichnet werden. Denn viele sind nicht mehr bereit, in Saison zu gehen, wenn sie jedes Mal neu um ihre Rechte bangen müssen.«

Gastgewerbe ohne Zukunft?

Hildegard Gmeiner*), gelernte Köchin, zog seit zehn Jahren jeden Winter von Landeck (Tirol) ins etwa 30 Kilometer entfernte Zürs, im Sommer ein wenig weiter nördlich hinauf, nach Lech, beides auf der Vorarlberger Seite des Arlberg. An die paar Monate Arbeitslosigkeit im Jahr hatte sie sich gewöhnt, vor allem seit die beiden Kinder da waren. Seit heuer hat sie genug davon. »Entweder ist es mein Alter oder dieses ewige Hin und Her, wo sich keiner mehr auskennt, dass ich das nicht mehr aushalt. Über Nacht heißt's plötzlich, wir werden gesperrt für vier Wochen. Dann zwar wieder nicht, aber wer weiß, was da noch kommt? Und es kommen so viele neue Kräfte, die billiger sind und irgendwie alles machen.«

Wäre Frau Gmeiner ein Mann, hätte sie es auch in Landeck leichter, Arbeit zu finden: Der größte Beschäftiger für ausgelernte Köche und Kellner in dieser größten Stadt der Gegend ist eine Spanplattenfirma. »Da verdienen sie gscheit, als Schichtarbeiter«, weiß Siegfried Astl. »Die Leute wandern ab, weil sie im Gastgewerbe keine Zukunft sehen. Sie wollen nicht jede Saison zittern!«, berichtet Kurt Mayerhofer, ÖGB-Bezirkssekretär in Kitzbühel. Diejenigen, die bleiben, nehmen die einstweilige Suspendierung der Sperre mit Freuden zur Kenntnis, sagt Mayerhofer. Ob die Gewerkschaft für ihre Mühe »punktet«, wagt er zu bezweifeln. »Denn die wenigsten verstehen, dass hier die Gewerkschaft dahintersteckt.«

Eine differenzierte Zwischenbilanz zog am Höhepunkt der Wintersaison Rudolf Kaske, HGPD-Vorsitzender. Das Modell der Saisonverlängerung, das Anfang Dezember durchgesetzt werden konnte und mit erstem Jänner startete, sei für alle positiv. Mit dem Abschluss eines Zusatzkollektivvertrages wird die Saisonarbeitszeit durch die verbindliche Einbringung von Überstunden und das »Anhängen« von sieben Werktagen Urlaub, die während der Saison nicht konsumiert wurden, verlängert. Kaske: »Die Sozialpartner tragen mit diesen Maßnahmen langfristig zu einem Kulturwechsel in der Branche bei. Es gewinnen Arbeitnehmer und Arbeitgeber.« Fürs Erste prognostiziert Kaske eine Entlastung der Arbeitslosenversicherung um »anfangs mindestens 600 Millionen Schilling«. Eine seriöse Auswertung sei aber erst nach zwei Saisonen sinnvoll.

»Verordnungsermächtigung«: Bartenstein will abrechnen

Ein neuerlicher Konflikt scheint vorprogrammiert: Schließlich hat sich Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bei der schwarzblauen Mehrheit im Parlament eine »Verordnungsermächtigung« ausbedungen: Sollte das Modell nicht greifen, will er Saisonarbeitern »die Arbeitslose« zwei Wochen streichen. »Abgerechnet« werden soll - so der jetzige Stand - bereits mit Ende der Wintersaison.

Konflikte gibt es - obwohl mit dem Saisonarbeitszeitmodell die Lage beruhigt werden konnte - weiterhin genügend. Die »billigen Kräfte, die irgendwie alles machen«, wie Frau Gmeiner meint, verzerren den Arbeitsmarkt und drücken die Löhne. Obwohl die Arbeitslosigkeit in der Branche (Stichtag 21. Dezember) gestiegen war, hob das Wirtschaftsministerium das Saisonnierkontingent von 3045 (Winter 1999/ 2000) im heurigen Jahr auf weit mehr als das Doppelte an. Paradox: Jene Bundesländer mit der höchsten Rate an Saisonniers (»Gastarbeiter aus dem Nicht-EU-Raum«, die für eine Saison Arbeitsbewilligung erhalten), nämlich Tirol und Salzburg, haben auch die höchsten Arbeitslosenzahlen in der Branche.

Das Argument, die Ski-Weltmeisterschaft in St. Anton brauche mehr Saisonniers, ist für die Gewerkschafter nicht stichhaltig. Schließlich wurde die Zahl der Bewilligungen auch im Burgenland erhöht, wo ein Hermann Maier bekanntlich nicht vorkommt.

HGPD-Landessekretär Siegfried Astl kommt selber aus der Branche der Saisonarbeiter. Eine Fluktuation beim Personal, wie sie nun passiert, hat er nach seiner mehr als 20-jährigen Erfahrung im Westen Österreichs nicht erlebt. Die Arbeitsbedingungen und die geringe Entlohnung sind die Gründe, dass Arbeitnehmer vorzeitig das Weite suchen. Allein in Tirol liegt das Lohnangebot jedes siebenten Antrags auf Saisonnierbeschäftigung unter dem Kollektivvertrag. (Der an sich bereits sehr niedrig ist.)

Ausgenützt

»Ausgenutzt bis zum Gehtnicht- mehr« (O-Ton eines Skilehrers aus dem Ötztal, der auch die örtlichen gastronomischen Verhältnisse von innen kennt), werden vor allem die Ausländer. »Die gehen ja auch, sobald die Touristen weg sind. Gerade dann, wenn sie anfangen, ein paar Worte Tirolerisch zu verstehen und sich aufzumucken trauen würden.«

Ismael*) aus dem Iran, seit einigen Jahren österreichischer Staatsbürger, hat einiges erlebt. Weil ein Teil seiner Familie in der Alpenregion lebt, wollte auch er einige Zeit dort sein und fand Arbeit als Hilfskraft in einem Gastronomiebetrieb. »Kein Wunder, dass bei euch die Kühe verrückt werden, wenn ihr die Menschen schon so behandelt. Ich habe schließlich auch so etwas wie Würde«, sagt er, nachdem er drei Monate später fluchtartig die Tiroler Alpen wieder verlassen hat.

Die Gewerkschaft berichtet von Arbeitszeiten für Köche bis zu sechzehn Stunden, ohne Ruhetag. Ein Abwäscher aus Portugal erhielt Monate hindurch nur Akontierungen, ohne Lohnabrechnung.

Unklar ist, wie sich die Ausweitung der Anwartschaft auf Arbeitslosen- geld von 26 auf 28 Wochen auf die Tourismusbeschäftigten auswirken wird. Insgesamt, so schätzt die Arbeiterkammer, ist aus den Branchen Tourismus und Baugewerbe sowie bei befristeten Arbeitsverhältnissen im Allgemeinen mit rund 17.000 Betroffenen zu rechnen.

Treffsicherheitspaket?

Hermann Haneder, Betriebsrat bei Universale Bau in Wien, hält diese Neuregelung im »Treffsicherheitspaket« der Bundesregierung »für eine Katastrophe für alle, die nicht durchgehend beschäftigt sind. Vor allem für Arbeiter im Straßen- und im Tiefbau, die im November aufhören und im Mai beginnen.«

Zwar gibt es aus einer Kombination von Kollektivvertrag und zusätzlicher Betriebsvereinbarung ein Modell, durch Zeitausgleich die Winterarbeitslosigkeit einzudämmen.

Denn: »Früher mussten viele oft schon im November stempeln gehen. Nun waren die Leute froh, mit unserem Arbeitszeitmodell und zwei Wochen Urlaub bis Jänner durchzukommen. Mit 26 Wochen ist sich das auch locker ausgegangen. Das könnte nun gefährdet sein.«

Nicht nur das Wetter, auch die Auftragsvergabe bestimmt die Arbeitzeiten der Bauarbeiter. Hermann Haneder: »Es bewegt sich ja nichts mehr, seit die Aufträge der öffentlichen Hand zusammengeschnitten werden. Saniert wird immer nur das Budget. Allein die Streichung der Mittel für die so genannte Bahnhofsoffensive ist eine Katastrophe für 3000 Bauarbeiter.«

Schon vor Jahren war in den brancheneigenen Kollektivverträgen eine Verlängerung der Jahresarbeitszeit von den Sozialpartnern ausgehandelt worden. Etwa, indem der Urlaub im Winter verbraucht wird, wenn die Bauarbeit stillsteht. »Aber da, wo kein Auftrag ist, wirkt das nicht«, stellt auch Johann Driemer fest, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), die rund 250.000 Arbeitnehmer vertritt. Bekanntlich ist die Baubranche nach dem Tourismus die am stärksten von periodischer Arbeitslosigkeit betroffene. »Mit all den Problemen, die ein Nichtganzjahreseinkommen auf die Familien und das Gesamtimage der Branche hat«, sagt Driemer, der von 70.000 Arbeitslosen zu Spitzenzeiten berichtet. »Aus vielen Gründen: In guten Zeiten wird möglichst viel gearbeitet, und im Winter, der für die Unternehmer teurer ist, werden sie dem Arbeitsmarktservice überlassen.«

Von der Arbeitslosen in den Notstand?

Neue Spitzenzahlen fürchtet Driemer auch durch die Verschlechterung im Arbeitslosenrecht. Von der Ausweitung der Anwartschaft auf 28 Wochen sind derzeit rund 2500 Beschäftigte betroffen, die aus der Urlaubs- und Abfertigungskassa erfassbar sind. Johann Driemer: »Eine Zahl, die sich aber durchaus verdoppeln könnte. Denn der Urlaub wird jetzt zur Instrumentalisierung der Konjunkturabläufe verwendet. Wenn schwache Betriebe vereinbaren, dass Urlaub tage- oder wochenweise genommen wird, geht das auf Kosten der wichtigen Jahresarbeitszeit.«

Bei Universale Bau könnten, so Betriebsrat Haneder, bis zu 40 der insgesamt 2800 Beschäftigten durch die Neuregelung von »der Arbeitslosen« in den »Notstand« gleiten.

Als größte Frechheit seit der im vorigen Sommer erfolgten Aufhebung der vorzeitigen Alterspension durch Erwerbsunfähigkeit empfindet Hermann Haneder die Besteuerung der (ohnehin niedrigen) Unfallrente. »Das trifft vorrangig die Bauarbeiter, wo bekanntlich die meisten Unfälle sind.«

Kontrollen? Arbeitsinspektorat gehört zum Wirtschaftsministerium

Und: »Die Unfallhäufigkeit ist deutlich gestiegen. Vor allem dort, wo unqualifiziertes Personal arbeitet.« Meist an oder jenseits der Grenze der Legalität. Hilfsarbeiter werden vor allem von Subfirmen genommen, »die sich enorm an der Grenze zur Schwarzarbeit bewegen. Wie wir das in den Griff kriegen? Kontrolle«, sagt Haneder, »aber die gibt es nicht mehr, seit das Arbeitsinspektorat zum Wirtschaftsministerium gehört.«

Zlatko*) ist so einer, der einmal da, einmal dort auf den Baustellen aushilft. »Die Firmen, das sind immer die gleichen Leute, aber sie haben immer neue Namen. Das ist für sie vielleicht besser, und mir ist das egal.« Nicht egal ist ihm, sagt er weiter auf Auslandsösterreichisch, dass »wenig Geld, Arbeit schwer. Aber besser als bei mir daheim.« Keine Aufweichung des österreichischen Vergaberechts an Subfirmen fordert daher die GBH. Universale-Bau-Betriebsrat Hermann Haneder: »Denn gerade hier ist die meiste Schwarzarbeit. Subfirmen haben nichts anderes zu tun, als an weitere Subfirmen zu vergeben. Dort ist das große Manko, dass du die Kollegen gar nicht kennst oder sie schwarzarbeiten. Die Bauindustrie hätte wohl die Möglichkeit, das einzudämmen, denn die Firmen sind ja bekannt, obwohl sie heute ›x‹, morgen ›y‹ und übermorgen ›z‹ heißen. Das sind reine Menschenfirmen, die nur Dienstleistungen verkaufen und jährlich in Konkurs gehen.«

Mit den Problemen, die wir heute haben, müsste eigentlich jeder zur Gewerkschaft gehen, ist Haneder überzeugt. »Unser Problem ist, dass wir von Jahr zu Jahr weniger werden. Der natürliche Abgang wird - eben wegen der Vergabe an Subfirmen oder durch Rationalisierung - nur minimal ersetzt. So klopfen wir auch die kleinsten Betriebe ab, die keinen Betriebsrat haben, und reden die Leute bei den Subfirmen an, damit sie über ihre Rechte Bescheid wissen. Nur sind uns die Hände gebunden, weil das Arbeitsinspektorat wird sich keinen Haxn für uns ausreißen.«

*) Namen von der Redaktion geändert

Überstunden und Urlaub

14 Tage länger für Saisonarbeiter im Gastgewerbe plus Drohung mit 14-tägiger Sperre des Arbeitslosengeldes

Im September beabsichtigte die Regierung, nicht nur bei Selbstkündigungen, sondern auch bei einvernehmlichen Lösungen des Dienstverhältnisses und bei Beendigung befristeter Arbeitsverhältnisse den Bezug des Arbeitslosengeldes vier Wochen zu sperren.

Besonders Saisonarbeiter im Hotel- und Gastgewerbe wären so zweimal im Jahr ohne Einkommen dagestanden.

Die Regierung hat nach massiven Protesten der Arbeitnehmervertreter dieses Vorhaben nicht verwirklicht.

Am 6. Dezember konnte zwischen den Fachverbänden Gastronomie und Hotellerie und der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) ein Zusatzkollektivvertrag für Saisonarbeitsverhältnisse vereinbart werden, der seit 1. 1. 2001 in Kraft ist.

So soll ein Drittel (der am Ende des Durchrechnungszeitraumes bestehenden) Überstunden - maximal aber 40 Stunden - das Arbeitsverhältnis der laufenden Saison um eine Woche verlängern. Weiters ist ein Teil des erworbenen Urlaubsanspruchs - maximal sieben Werktage - am Ende des Arbeitsverhältnisses aufzubrauchen.

Die Vereinbarung gilt (vorerst) bis 30. April 2001. Verlängert werden soll diese Vereinbarung, wenn »Wirtschafts- und Arbeitsminister« Martin Bartenstein auf seine »Verordnungsermächtigung« verzichtet, die er sich vorbehalten hat, sollte das Modell »nicht greifen«. Bei Anwendung besagter Ermächtigung aus dem Arbeitslosenversicherungsgesetz könnte Saisonarbeitern die Arbeitslose für jeweils zwei Wochen nach jeder Saison gesperrt werden.

G. Müller

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256454 Privatisierung von Staatsvermögen | ÖIAG, Bundesimmobilien, Bundesforste Maßnahme

Privatisierung auf Grundlage des ÖIAG-Gesetzes 2000
Neben der Österreichischen Staatsdruckerei, dem Dorotheum und der Print Media Austria sollen der Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom Austria und die Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden. Diese Vorhaben wurden im Budgetprogramm 2000- 2003 festgeschrieben. Bis zum Jahr 2003 soll diese erste Phase der Privatisierungen abgeschlossen sein. In einer zweiten Phase wird die vollständige Privatisierung folgender Unternehmen in Erwägung gezogen: VA STAHL, OMV, BÖHLER UDDEHOLM, VA Technologie, Austrian Airlines und die Österreichische Post AG.

Analyse

Das ÖIAG-Gesetz 2000 stellt eine Pauschalermächtigung zur Privatisierung dar.

Die Privatisierungspolitik der Regierung wird durch das Ziel des Schuldenabbaus dominiert, welcher zu Lasten einer künftigen Industriepolitik, der Entwicklung der Unternehmen sowie zu Lasten der Beschäftigten erfolgt.

Es fehlt ein Ansatz zur Sicherung einer dauerhaften Kernaktionärsrolle der ÖIAG und damit einer Standortsicherung von wichtigen Konzernzentralen in Österreich.

Tausende Arbeitsplätze sind dadurch mittel- und langfristig gefährdet.

Angesichts des innerhalb eines kurzen Zeitraums zu tilgenden Schuldenbestandes besteht die Gefahr des Ausverkaufs unter Zeitdruck - damit verbunden sind erhebliche volkswirtschaftliche Nachteile. Volksvermögen wird verschleudert, wie am Beispiel der jüngsten Börseplatzierung der ersten Tranche der Telekom Austria deutlich vor Augen geführt wurde.

Gemäß Ministerratsbeschluss sollen unter anderem die Telekom Austria und die Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden: Nach Ansicht der AK sind damit Betriebsschließungen und Arbeitsplatzverluste sowie Verluste von Chancen auf technologische Entwicklung verbunden. Insgesamt sind von der beabsichtigten Privatisierung 120.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen.

Kommentar

Nach Alternativvorschlägen der AK sollte die ÖIAG von einer reinen Privatisierungsholding in eine Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Interessen des Bundes im Sinne von gesetzlich klar definierten strategischen Zielsetzungen (Kernaktionärsphilosophie) umgewandelt werden. Daher wird das Festschreiben der strategischen Eigentümerfunktion des Staates in Form einer Verpflichtung zum Halten von zumindest 25 Prozent plus einer Aktie des stimmberechtigten Kapitals bei wichtigen österreichischen Schlüsselunternehmen gefordert. Damit können strategisch wichtige Unternehmensentscheidungen beeinflusst und ein Ausverkauf verhindert werden. Zwecks Absicherung des Einflusses soll die ÖIAG eine ausreichende Eigenmittelausstattung erhalten, um bei allfälligen Kapitalerhöhungen mitziehen zu können.

Maßnahme

Umsetzung der Privatisierungsvorhaben
Durchführung von Privatisierungen auf Grundlage des ÖIAG-Gesetzes 2000 und des Ministerratsvortrages vom 29. Februar 2000.

Postsparkasse
Telekom Austria
Austria Tabak
VA Stahl
Flughafen Wien

Analyse

Nach dem Verkauf der Postsparkasse an die BAWAG und der Veräußerung der ersten Tranche der Telekom Austria, arbeitet die ÖIAG bereits an weiteren Verkäufen bzw. Börseplatzierungen. Die erste Tranche der geplanten Totalprivatisierung der Telekom Austria ging am 21. November 2000 über die Bühne und wurde erwartungsgemäß ein Flop (ungünstige Börsensituation und ungünstige betriebswirtschaftliche Daten). Der Privatisierungserlös lag mit etwa 16 Milliarden Schilling (für 25,8 Prozent der Anteile der Telekom) weit unter dem Plansoll. Da die ÖIAG dem bisherigen Eigentümer nach dem Prinzip 25 Prozent plus eine Aktie Telecom Italia für die Zustimmung zum Börsegang eine Nachbesserung zugesagt hat für den Fall, dass der Erlös um mehr als 25 Prozent unter dem Kaufpreis liegt, den die Telecom Italia für ihren Anteil gezahlt hatte, ergibt sich aus dieser Transaktion weiters, dass Italia Gratisaktien im (derzeitigen) Wert von 2,8 Milliarden Schilling bekommt und damit ihren Anteil an der Telekom Austria auf 29,8 Prozent steigert. Der ÖIAG-Anteil hat sich damit von 75 Prozent minus einer Aktie auf 44,4 Prozent reduziert. Gerüchten zufolge versuchen die Italiener, weitere Anteile über den Streubesitz (25,8 Prozent) zu erwerben.

Der Verkauf der börsennotierten Austria Tabak soll - vorrangig an einen strategischen Eigentümer - bereits im ersten Halbjahr 2001 stattfinden. Durch den möglichen Wegfall des Lizenzgeschäftes (wenn einer der Lizenzgeber mehr als 15 Prozent der Anteile erwirbt, haben die anderen das Recht, ihren Lizenzvertrag zu kündigen) könnte ein erheblicher Teil des Umsatzes wegbrechen - dies hätte für die Beschäftigten sehr negative Folgen (Betriebsschließungen usw.)

Die VA Stahl arbeitet derzeit an der Realisierung eines Mitarbeiterbeteiligungsmodells. Die ursprünglich geplante Abgabe von 8 Prozent VA Stahl-Aktien wurde aufgrund der Börsesituation gestoppt.

Die ÖIAG, ursprünglich mit 17,38 Prozent am Flughafen Wien beteiligt, hat die ÖIAG-Anteile an Wien und Niederösterreich im Oktober 2000 abgestoßen. Mit dem 10-prozentigen Aktienrückkauf wird der Flughafen Wien nun mehrheitlich privatisiert.

Kommentar

Eine Privatisierung, die unter großem politischem Druck innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden muss, führt notgedrungen zu einer Verschleuderung von Vermögenswerten.

Der Privatisierungsflop der Telekom Austria bringt den Schuldenabbauplan der Regierung ernsthaft in Bedrängnis.

Die beim Börsegang zu erwerbenden Aktien der Telekom Austria wurden als »Volksaktien« präsentiert - die Bevölkerung sollte vom billigen Ausgabekurs profitieren. Tatsache ist, dass mehr als 90 Prozent der Aktien an institutionelle Investoren gingen.

Maßnahme

Verkauf von Bundesimmobilien
Durch den Verkauf eines erheblichen Teils von Liegenschaften des Bundes an die im 100-prozentigen Eigentum des Bundes stehende Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) sollen 33 Milliarden Schilling an Budgeteinnahmen erzielt werden. Zu diesem Zweck wurde das Bundesimmobiliengesetz 2000 verabschiedet.

Analyse

Die Umsetzung des Bundesimmobiliengesetzes wird zur Anwendung des »sale and lease back«-Prinzips führen: Diesem Prinzip gehorchend wird Eigentum an einen Dritten übertragen und dann wieder zurückgemietet. Die entstehenden neuen Mietverhältnisse - mit marktüblichen Mieten - werden zu erheblichen finanziellen Belastungen der einzelnen Ressorts führen (Universitäten und Bundesschulen sind weitgehend an zentralen Standorten, d. h. in teuersten Mietlagen, konzentriert). Dem kurzfristigen Budgetentlastungseffekt in den Jahren 2000 bis 2003 durch den einmaligen Verkaufserlös in der Höhe von zirka 33 Milliarden Schilling stehen somit Mietaufwendungen der Ressorts gegenüber, die künftige Budgets langfristig belasten werden.

Der Gesetzesentwurf gefährdet die allgemeine Erwachsenen- und die berufliche Weiterbildung insofern, als diese österreichweit vielfach über die Anmietung von Räumlichkeiten in Bundesschulgebäuden abgewickelt wird. Ein Ziel der Ausgliederung ist jedoch die Verrechnung »marktüblicher« Mieten. Es ist daher mit einem neuerlichen Preisschub in der Erwachsenenbildung zu rechnen.

Kommentar

Das neue Bundesimmobiliengesetz ist stark vom Regierungsziel, kurzfristig möglichst hohe Budgeteinnahmen zu erzielen, geprägt und übersieht dabei die mittel- und langfristigen Auswirkungen auf das Budget. Erhebliche Bedenken gegenüber dem neuen Gesetz bestehen in Hinblick auf die Struktur und Effizienz der neuen Verwaltung. Die Effizienz der Verwaltung leidet weiterhin unter Doppelgleisigkeiten bzw. Parallelstrukturen. Laut Bundesimmobiliengesetz würde die Verwaltung der Bundesgebäude weiterhin in die Zuständigkeit von mehreren unterschiedlichen Organisationen fallen (BMWA, BIG, Burghauptmannschaft Österreich, BMLV, Außenministerium).

Die Möglichkeit für die AK, über eine Begutachtung Einfluss auf die Ausgestaltung des Gesetzes zu nehmen, war nur sehr eingeschränkt gegeben.

Maßnahme

Privatisierung von Waldflächen
Teile des von den Österreichischen Bundesforsten (ÖBf) verwalteten Waldes werden zum Verkauf freigegeben.

Den ÖBf werden im Bundesbesitz befindliche Seen in die Verwaltung übertragen. Die ÖBf hat an den Bund einen bestimmten Betrag (ursprünglich war die Rede von 3 Milliarden Schilling in zwei Tranchen) abzuliefern, unabhängig davon, ob durch den Verkauf bereits Erlöse erwirtschaftet werden konnten oder nicht.

Analyse

Die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) werden ermächtigt, von ihnen verwaltete Liegenschaften zu veräußern. Dieser Ermächtigung muss rasch nachgekommen werden, da der Bund im Gegenzug zu der gleichzeitig geplanten Übertragung von Seen und Seeuferflächen an die ÖBf einen »Kaufpreis« verlangt. Da durch die übertragenen Seen dieser Kaufpreis nicht erwirtschaftet werden kann und der Verkauf von Liegenschaften nicht rasch genug abgewickelt werden kann, werden die ÖBf Kredite aufnehmen müssen, die wiederum die erforderlichen Verkäufe zur Abdeckung der Schulden erhöhen.

Die positive Geschäftsentwicklung der ÖBf kann durch die Notwendigkeit der Kreditaufnahme und den notwendigen Verkauf profitabler Waldflächen (der Anteil von Schutz- und Bannwald, den sie zu betreuen haben, steigt dadurch) beeinträchtigt werden.

Arbeitsplätze sind mittel- und langfristig gefährdet. Die Gewinnbeteiligung für die Beschäftigten ist gefährdet.

In der Bevölkerung herrscht eine breite Ablehnung gegen den Verkauf von Bundeswald an Private wegen des befürchteten Ausverkaufs der Quellgebiete und des Verlustes kostbarer Trinkwasserreserven.

Käufer müssen den Kaufpreis »hereinbringen« und könnten durch großflächige Abholzung das Ökosystem des Waldes negativ beeinflussen.

Sollte sich die Erwartung von 3 Milliarden Schilling erwirtschaftete Bundesmittel bewahrheiten, wird die Transaktion den ÖBf durch die notwendige Kreditaufnahme etwa 4 Milliarden Schilling kosten.

Durch das Interesse an Eigenjagden könnte es zu einer Beschränkung des öffentlichen Zugangs kommen.

Kommentar

Die Übertragung von Seen ist eine Umgehung der Verfassungsbestimmung, die den Ausverkauf des in Bundesbesitz befindlichen Waldes verhindern soll. Die Verfassungsbestimmung besagt, dass die ÖBf Liegenschaften nur dann veräußert darf, sofern sie diesen Erlös für Ankäufe oder zur Substanzerhaltung verwendet.

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Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256443 Patentrezept Budgetausgliederung? | Ausgliederungen aus dem öffentlichen Haushalt als Allheilmittel für eine Reform der staatlichen Aufgabenerfüllung? Im Rahmen einer Studie1) wurde an Hand von fünf Fallbeispielen überprüft, ob durch die Ausgliederungen die gesteckten Ziele erreicht werden konnten.

1. Motive für Ausgliederungen

Ausgliederungen werden von vielen als ein Allheilmittel gesehen, um damit die dem öffentlichen Sektor nachgesagten Schwächen (Ineffizienzen, mangelhafte Kostentransparenz und Wettbewerbsfähigkeit) zu überwinden. Dementsprechend werden mit Ausgliederungen eine Reihe von Zielsetzungen verknüpft, das sind insbesondere

  • bedarfsgerechtere und effizientere Leistungserbringung und damit zusammenhängend das Forcieren kaufmännischer Denk- und Handlungsweisen wie erhöhte Flexibilität auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten, Förderung der Eigenverantwortung der Beschäftigten etc.;
  • Entlastung der öffentlichen Haushalte;
  • Erzielen »schlankerer« Strukturen durch Konzentration auf die Kernbereiche;
  • Schaffung von Kostentransparenz;
  • vielfach wird mit Ausgliederungen auch ein Rückzug des Staates aus wirtschaftlichen Aktivitäten verbunden.

Die nachstehende Übersicht gibt einen Überblick über bisher erfolgte und künftig geplante Ausgliederungen (siehe Kasten: »Erfolgte und geplante Ausgliederungen«).

Die AK hat nun 5 ausgegliederte Unternehmen näher untersucht:

  • Österreichische Donaubetriebs AG (ÖDOBAG),
  • Schloss Schönbrunn,
  • Bundesimmobilien GmbH (BIG),
  • Austro Control GmbH (ACG),
  • Österreichische Bundesforste (ÖBf AG).

Zwei zentrale Fragestellungen standen im Mittelpunkt der Untersuchung:

  • Ist mit den Ausgliederungen eine - auch nachhaltige - Budgetentlastung verbunden?
  • Wird mit der Ausgliederung eine Steigerung der Effizienz erreicht und wie ist die wirtschaftliche Entwicklung und Lebensfähigkeit des Unternehmens?

Besonderes Augenmerk wurde auf die mit der Ausgliederung verbundenen Änderungen für die Beschäftigten (Abbau von Beschäftigten, Segmentierung der Belegschaft, flexiblerer Personaleinsatz, Änderungen bei Gehalts- und Pensionsschemata, Rolle der Belegschaftsvertretung) gelegt.

2. Die wichtigsten Ergebnisse aus den fünf Fallbeispielen - eine Gesamteinschätzung

2.1 Unterschiedlich hohe Budgetentlastungen

Das Hauptmotiv der meisten Ausgliederungen lag darin, den Bundeshaushalt nachhaltig zu entlasten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die jetzige Regierung die Ausgliederungen weiter vorantreibt, strebt sie doch ein Nulldefizit innerhalb von nur zwei Jahren an. Fraglich ist freilich, ob durch Ausgliederungen tatsächlich eine spürbare und nachhaltige Budgetentlastung erreicht werden kann und, wenn ja, worauf diese Entlastungen zurückzuführen sind.

Die Beantwortung dieser Frage stellte sich in der Praxis als sehr schwierig heraus, weil die Ziele und Erfolgskriterien der Ausgliederungen nicht präzise definiert wurden und die Zahlungsströme zwischen Bund und ausgegliederten Unternehmen für Externe nur schwer nachvollziehbar sind.

Drei der untersuchten Unternehmungen wiesen vor der Ausgliederung einen Ausgabenüberhang auf (ÖDOBAG, Schloss Schönbrunn, Austro Control), lediglich die Bundesforste hatten einen Einnahmenüberschuss. Es zeigte sich, dass für alle untersuchten Unternehmungen von einer Budgetentlastung ausgegangen werden kann bzw. eine solche zu erwarten ist. Die Budgetentlastungen waren möglich, obwohl in einigen Fällen der Bund die Unternehmungen mit »Anfangs-Hypotheken« wie Investitionsrückstaus (Schloss Schönbrunn, Bundesforste, Austro Control), Personalüberhang (ÖDOBAG) oder zusätzlichen »Sonderzahlungen an den Bund« (Bundesforste) in die Selbständigkeit entlassen hatte.

Das Ausmaß der budgetären Entlastung ist unterschiedlich hoch. Beacht- liche Entlastungen gab es beim Schloss Schönbrunn, bei den anderen Ausgliederungen fiel der Entlastungseffekt doch deutlich geringer aus.

Budgetentlastung vorwiegend durch Senkung der Personalkosten

Die Ursachen für die Budgetentlas-tungen liegen in mehreren Faktoren. Am stärksten fielen Senkungen der Personalkosten sowie die Anhebung von Preisen bzw. Gebühren ins Gewicht. Eine weitaus geringere Rolle spielten das erhöhte Kostenbewusstsein sowie der durch die Ausgliederung gestiegene Unternehmenswert.

Die Senkung der Personalkosten wurde insbesondere durch einen Abbau der Beschäftigten herbeigeführt, wobei vorwiegend der natürliche Abgang, der Wechsel in andere Bundesstellen sowie der aktive Vorruhestand als Instrumente herangezogen werden. Kündigungen waren die Ausnahme. Zusätzlich wurden bei den meisten untersuchten Gesellschaften Maßnahmen zur Senkung der Lohnkosten eingeleitet, indem neue Kollektivverträge oder Gehaltsschemen ausgehandelt wurden. Diese wirken sich vor allem auf künftig eintretende Beschäftigte in Form von niedrigeren Einkommen aus. Budgetentlastend waren aber auch Modifizierungen der geltenden Pensionsregelungen (etwa Auslagerungen der Pensionen in Pensionskassen).

Budgetentlastung durch Preis- bzw. Gebührenerhöhung

Bei zwei Ausgliederungen spielten Preis- bzw. Gebührenerhöhungen eine bedeutende Rolle. Beim Schloss Schönbrunn hat neben der starken Personalkostenreduktion die Erhöhung der Eintrittspreise maßgeblich zur Budgetent-lastung beigetragen, bei der Austro Control war es fast ausschließlich die Einführung kostendeckender An- und Abfluggebühren. In beiden Fällen wurde diese Preis-/Gebührenpolitik durch die monopolistische Stellung des Unternehmens begünstigt.

Sind die Budgetentlastungen nachhaltig?

Hinsichtlich der Nachhaltigkeit der erreichten Budgetentlastungen konnte aus der Untersuchung kein eindeutiger Befund abgeleitet werden. Bei zwei Ausgliederungen zeichnet sich ab, dass es gelingt, ein an den Grundsätzen von New Public Management orientiertes Unternehmen aufzubauen: dem Schloss Schönbrunn sowie den Bundesforsten. In diesen beiden Fällen ist auf mittlere Sicht mit einer nachhaltigen Budgetentlastung zu rechnen2). Bei den anderen untersuchten Gesellschaften besteht noch erheblicher Handlungsbedarf, um die erreichte Budgetentlastung auch in Zukunft abzusichern. Bei der Austro Control etwa wird es entscheidend sein, wie auf den zunehmenden Konkurrenzdruck von Privatanbietern reagiert wird. Zu hohe Flugsicherungsstreckengebühren führen dazu, dass österreichisches Territorium zunehmend überflogen wird. Bei der ÖDOBAG ist eine nachhaltige Budgetentlastung in hohem Maße davon abhängig, ob es dem Unternehmen gelingen wird, den Wegfall des Leistungsvertrages mit der Wasserstraßendirektion, d. h. des bisherigen Hauptauftraggebers, zu verkraften und sich gegen andere Anbieter auf dem Markt durchzusetzen (siehe Kasten: »New Public Management«).

2.2 Die wirtschaftliche Entwicklung der ausgegliederten Unternehmen

Einnahmenseitige Effekte von Ausgliederungen

Die Untersuchung zeigte weiters, dass ausgegliederte Unternehmen häufig erhebliche Probleme haben, ihre Einnahmenstruktur offensiv zu verbessern. Vor allem bei der Strategiefindung sowie der Vermarktung stoßen die ausgegliederten Gesellschaften relativ rasch an ihre Grenzen, da die bisherige Organisationsstruktur einerseits sowie die erforderlichen Qualifikationen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in betriebswirtschaftlichen Belangen andererseits zu Beginn der Ausgliederung nur teilweise den Anforderungen eines privatwirtschaftlich ausgerichteten Unternehmens entsprechen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Teil der untersuchten Gesellschaften nach der Ausgliederung relativ stark auf ihre Stammumsätze angewiesen war und die Erschließung neuer Produkte oder Märkte nur in Ausnahmefällen herzeigbare Ergebnisse brachte. Zu den Ausnahmen zählen hier die Bundesforste und das Schloss Schönbrunn. Beide Gesellschaften konnten nach der Ausgliederung allmählich neue Produktgruppen erschließen, die rund um ihre Kerntätigkeit positioniert sind (etwa produktionsnahe Dienstleistungen bei den Bundesforsten, Merchandising beim Schloss Schönbrunn). Diese beiden Gesellschaften zeichneten sich aber auch dadurch aus, dass sie entsprechende Maßnahmen auf der sozio-kulturellen Ebene - wie Personalentwicklung, Aus- und Fortbildung etc. - ergriffen, um die Unternehmenskultur auf die neuen wirtschaftlichen Erfordernisse einzustellen.

Die Entwicklung der Gewinne sowie deren Verwendung

Die Gewinnsituation der untersuchten Gesellschaften hat sich ab dem Zeitpunkt der Ausgliederung tendenziell positiv entwickelt. Die Gesellschaften bilanzieren nun mit einem positiven Jahresüberschuss, wenngleich immer wieder deutliche Schwankungen von einem zum anderen Geschäftsjahr feststellbar sind. Allerdings hat sich das Gewinn- niveau bei beinahe allen untersuchten Gesellschaften nach einer gewissen Zeit eingependelt, eine weitere Aufwärtsentwicklung ist zurzeit nicht erkennbar. Dies liegt daran, dass umsatzseitig wenig Potential erschlossen wurde und die kostenseitigen Effekte nach spürbaren Entlastungen in den ersten Jahren später tendenziell geringer wurden.

Die langfristige Krisenfestigkeit der Gesellschaften

Eine kritische Größe für die Krisen-festigkeit der ausgegliederten Unternehmen ist die Höhe des Eigenkapitals. Da davon auszugehen ist, dass in den ersten Jahren nach der Ausgliederung Anfangsverluste bzw. Umstrukturierungsver- luste getragen werden müssen, ist ein solider Eigenkapitalanteil bei der Ausgliederung eine wichtige Startvoraussetzung. Die Untersuchung der AK zeigte, dass der größere Teil der ausgegliederten Gesellschaften von Beginn an eine relativ hohe Eigenkapitalausstattung mitbekam (Bundesforste, ÖDOBAG, Schloss Schönbrunn), während die beiden anderen Gesellschaften, Austro Control und BIG, eher unterdurchschnittlich mit Eigenkapital ausgestattet wurden. Körperlich wurde das Eigenkapital meist in Form von Sachanlagevermögen und nicht in Form von liquiden Mitteln eingebracht. Aus der Sicht des Bundes kam es dadurch zu keinen budgetären Belastungen.

Effizienzsteigerungen durch den Einsatz moderner Managementmethoden

Die AK-Studie belegt, dass Ausgliederungen in der Regel auch einen wichtigen Impuls zur Modernisierung der Unternehmenssteuerung mit sich bringen. Bei allen untersuchten Gesellschaften wurde relativ rasch eine Restrukturierung bzw. Modernisierung des betrieblichen Rechnungswesens in Angriff genommen. Dies reicht von der Einführung einer Kostenrechnung sowie der Einrichtung von Controlling- bzw. Revisionsabteilungen bis hin zu einer integrativen Vernetzung aller Steuerungseinheiten mittels diverser Softwarelösungen (z. B. SAP).

Darüber hinausreichende moderne Managementmethoden wie Total Quality Management, Balanced Score Card und gezielte Maßnahmen im Bereich der Organisations- und Personalentwicklung sind - abgesehen von einigen partiellen Projekten - nur vereinzelt zu finden (etwa bei den Bundesforsten). Hier ist noch ein deutlicher Nachholbedarf gegeben, da gerade diese Instrumente ein hohes Potential für nachhaltige Effizienzsteigerungen versprechen. Steuerungsdefizite traten aber auch beim Eigentümer auf. Diese äußern sich einerseits bei den zuständigen Ressorts in Qualifikations- und Funktionsmängeln bei von ihnen in den Aufsichtsrat entsendeten Vertretern und andererseits aber vor allem im Fehlen eines geeigneten öffentlichen Berichtswesens. Ein entsprechendes Finanz- und Beteiligungscontrolling wird zwar gegenwärtig aufgebaut, es fehlt aber nach wie vor eine entsprechende Dokumentation in einem Ausgliederungsbericht.

2.3 Auswirkungen auf die Belegschaftsvertretung

Auf die Belegschaftsvertretungen kamen im Zuge der Ausgliederungen eine Fülle von Problemen zu. Die größte Herausforderung besteht darin, dass Ausgliederungen für eine Personalvertretung im öffentlichen Dienst eine völlige Systemveränderung bedeuten und dadurch die Basis der Interessenvertretung von Grund auf neu aufgebaut werden muss.

Während bei der Personalvertretung vor allem Angelegenheiten des Bezugs- oder Pensionsrechtes zu regeln sind, verlagert sich der Schwerpunkt des Betriebsrates nach dem Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) relativ rasch auf die Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Hier fehlt den Personalvertretern naturgemäß die notwendige Erfahrung.

Die Komplexität steigt auch dadurch, dass Ausgliederungen neue rechtliche Bedingungen für die Beschäftigten zur Folge haben. Auf einen Teil der Belegschaft werden nun nicht mehr die Bestimmungen aus dem öffentlichen Dienst, sondern aus dem »privatwirtschaftlichen« Arbeitsrecht oder dem ASVG angewendet. Mit diesen Gesetzen haben Personalvertreter kaum Erfahrungen.

Es zeigte sich somit, dass Ausgliederungen für die Personalvertretung eine enorme Herausforderung darstellen, die mit viel Unsicherheiten behaftet sind. Es ist durchaus verständlich, dass diese Umstrukturierungsprozesse von der Belegschaft und dem Betriebsrat nicht vorbehaltlos unterstützt, sondern eher mit viel Skepsis und Zurückhaltung betrachtet werden. Das Beispiel Bundesforste ist aber ein Beleg dafür, dass es auch möglich ist, eine offensive Strategie zu beschreiten und sich aktiv in den Ausgliederungsprozess einzubringen, um so die Chancen für die Belegschaft besser nutzen zu können.

3. Öffentliche Reformstrategien als Alternative zu Budgetausgliederungen sind gefragt

Eine rasche Fortsetzung des Ausgliederungsprogramms erscheint insofern bedenklich, als sich aus den vorliegenden Fallbeispielen die allgemeine Schlussfolgerung ziehen lässt, dass die Ausgliederungen kein Allheilmittel sind, um die dem öffentlichen Sektor unterstellten Schwächen wie mangelnde Effizienz, Inflexibilität, mangelnde Kostentransparenz und Konkurrenzfähigkeit auf den relevanten Märkten zu überwinden. Wenn es daher um die Frage von Reformstrategien der öffentlichen Aufgabenerfüllung geht, macht es Sinn, davon auszugehen, dass anstelle des Gegensatzes »öffentlich - privat« viele Reformstrategien bestehen, die sowohl zu verwaltungsnahen als auch ausgegliederten (»privatisierten«) Formen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zur Leis-tungsverbesserung führen könnten. Eine Annäherung an eine so verstandene Reform würde bedeuten, dass

1. die seit vielen Jahren geforderte Aufgabenkritik der öffentlichen Aufgabenerledigung auf allen gebietskörperschaftlichen Ebenen anzustellen wäre. Es wäre zu klären, welche Aufgaben heute tatsächlich noch vom Staat wahrgenommen werden sollen.

2. In einem zweiten Schritt wären die Effizienz und Effektivität der Aufgaben-erfüllung zu hinterfragen. Eine Messung der Zielerreichungsgrade würde voraussetzen, verstärkt betriebswirtschaftliche Instrumente in den öffentlichen Bereich zu integrieren. Es ginge also darum, eine Reorganisation des öffentlichen Sektors nach den Prinzipien des New Public Management als Alternative zu Ausgliederungen voranzutreiben.

3. Erst wenn sich herausstellt, dass es tatsächlich Bereiche gibt, wo öffentliche Aufgaben besser durch die Privatwirtschaft erledigt werden können, sollten Ausgliederungen ins Auge gefasst werden. Eine solche Reformstrategie baut nicht auf einem ideologischen Dogma auf, das einseitig die privatwirtschaftliche Leistungserstellung bevorzugt, sondern setzt auf die Balance zwischen öffentlichem und privatem Sektor.

4. Anforderungskriterien für erfolgreiche Ausgliederungen

Wenn Ausgliederungen als eine Form der Aufgabenerfüllung in Frage kommen, dann sollten sie darauf abzielen, die Schwächen bisheriger Ausgliederungen zu vermeiden. Für diesen Fall wurden in der Untersuchung eine Reihe von Anforderungskriterien definiert, die für den Erfolg einer Ausgliederung entscheidend sein können. Dazu gehören:

  • Eine klare Definition von Zielsetzungen und Erfolgskriterien ist eine Voraussetzung für die Nachvollziehbarkeit der Zielerreichung.
  • Vor der Ausgliederung ist die Erstellung eines Ausgliederungskonzeptes unerlässlich. Darin sind die Motive und Zielsetzungen der Ausgliederung, die Aufgaben der neuen Einheit, Vorschaurechnungen, Umfeldanalysen, Chancen und Risken der Selbständigkeit etc. detailliert darzustellen. Das Unternehmenskonzept, das vom Management des neuen Unternehmens zu erarbeiten ist, sollte die strategischen Ziele operationalisieren und die Maßnahmen zur Zielerreichung enthalten.
  • Alle Betroffenen und die Belegschaftsvertretung sollten aktiv in das Ausgliederungsvorhaben eingebunden werden.
  • Für viele Fragen sind die Qualität des Managements, die Organisationskultur und das Ausbildungsniveau der Mitarbeiter von zentraler Bedeutung. Das gilt insbesondere dann, wenn sich das Unternehmen vorher nicht in einem kompetitiven Umfeld bewegt hat. Je weniger dies der Fall war, umso mehr müssen Bemühungen in Richtung Organisations- und Personalentwicklung unternommen werden, um die dazu vorhandenen Ressourcen zu entwickeln.
  • Jede strukturelle Veränderung hat Gewinner und Verlierer. Im Ausgliederungskonzept sind daher jedenfalls Instrumente zu berücksichtigen, die eine soziale Ausgewogenheit der ergriffenen Maßnahmen gewährleisten. Für »Umstrukturierungsverlierer« sind Begleitmaßnahmen erforderlich, die eine Veränderung ohne unzumutbare soziale Einbußen ermöglichen (z. B. Arbeitsstiftungen, Umschulungen, Out-Placement-Unterstützung, Sozialplan, Personalentwicklungsmaßnahmen etc.).
  • Eine ausreichende Kapitalausstattung ist von großer Bedeutung, weil die Umstrukturierungs- und Neuorientierungsphase mit hohen Risken verbunden ist. Zusätzliche Belastungen für das ausgegliederte Unternehmen sind zu vermeiden.
  • Bestehende Steuerungsdefizite beim Eigentümer, aber auch beim ausgegliederten Unternehmen sind durch die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zu vermeiden. Beim ausgegliederten Unternehmen ist die Einführung moderner Steuerungsinstrumente (betriebliches Rechnungswesen, Controlling) unerlässlich. Beim Eigentümer geht es darum, den Unternehmungen ausreichenden Autonomiespielraum für eigenverantwortliches Agieren zu lassen. Das setzt neben konkreten Zielvorgaben eine klare Trennung von politischer und unternehmerischer Verantwortung voraus. Die Operationalisierung der Steuerungsvorgaben selbst erfolgt dann durch die Unternehmensorgane (Management, Aufsichtsrat). Sowohl bei der Entsendung in den Aufsichtsrat als auch bei der Bestellung des Managements ist die Berücksichtigung entsprechender Qualifikationen (u. a. ein entsprechendes betriebswirtschaftliches Know-how) von zentraler Bedeutung.

1) Die Studie ist im Verlag des Österreichischen Gewerkschaftsbundes erschienen: Ausgliederungen aus dem öffentlichen Bereich, Teil II: Ausgliederungen aus dem Bundeshaushalt - Eine Evaluierung aus volks- und betriebswirtschaftlicher Sicht, Wien 2001.

2) Bei den Bundesforsten wird dieses Ziel dadurch erschwert, dass sie in den kommenden beiden Jahren einen Beitrag in der Höhe von 3 Milliarden Schilling zur Budgetkonsolidierung leisten müssen.

»New Public Management«

New Public Management wird verstanden als neue, an Kategorien des betriebswirtschaftlichen Managements ausgerichtete Steuerung der öffentlichen Aufgabenerfüllung. New Public Management zielt auf die Schaffung neuer Wirkungsmechanismen im öffentlichen Sektor, mit dem Ziel der Verbesserung der Qualität, der Wirtschaftlichkeit und der Effektivität der Erstellung öffentlicher Leistungen.

Seit 1991 erfolgte Ausgliederungen
Schönbrunner Tiergarten GesmbH 1991
Österreichische Donaubetriebs AG 1992
Schloss Schönbrunn Kultur- und BetriebsgmbH 1992
Agrarmarkt Austria 1992
Bundesimmobilien GesmbH 1992
Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (GmbH) 1992
Österreichische Bundesbahnen (sui generis) 1992
Austro Control GmbH 1993
Arbeitsmarktservice (öff. rechtl. DLU) 1994
Diplomatische Akademie Wien (Anstalt öff. Rechts) 1996
SchieneninfrastrukturfinanzierungsgmbH 1996
Post und Telekom Austria AG 1996
Österreichische Postsparkasse AG 1996
Bundes-Wertpapieraufsicht (Anstalt öff. Rechts) 1996
Bundesrechenzentrum GmbH 1996
Österreichische Bundesforste AG 1996
Landwirtschaftliche Bundesversuchswirtschaften GmbH 1996
Österreichische Staatsdruckerei AG 1997
Wiener Zeitung GmbH 1997
Österr. Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal GmbH 1997
Börsebeteiligungsgesellschaft mbH 1998
Bundestheater Holding GmbH 1999
Burgtheater GmbH 1999
Wiener Staatsoper GmbH 1999
Volksoper Wien GmbH 1999
Theaterservice GmbH 1999 Bundessporteinrichtungen GmbH 1999
Umweltbundesamt GmbH 1999
Kunsthistorisches Museum 1999
Österreichische Galerie 2000
Österreichisches Museum für angewandte Kunst 2000
Technisches Museum Wien 2000
Graphische Sammlung Albertina 2000
Statistik Österreich (Anstalt öff. Rechts) 2000
Spanische Hofreitschule (Gesellschaft öff. Rechts) 2001

Geplante Ausgliederungen
Geplante Ausgliederungen Kfz-Werkstätten Gendarmerie und Polizei (Ausgliede- rung bzw. Reorganisation)
Massafonds (vorläufige Planung)
Flugrettung
Bundesschullandheime
Nationalbibliothek und Phonothek
Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik
Völkerkundemuseum
Theatermuseum
Museum Moderner Kunst
Naturhistorisches Museum
Bundesinstitut für Erwachsenenbildung in Strobl
Spanische Reitschule (bereits mit 2001 ausgegliedert)
Bundesgärten
Bundesanstalt für Milchwirtschaft in Rotholz
Bundesamt für Wasserwirtschaft/Schließung chemisches Labor
Sonstige Projekte des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (in Verhandlung)
Bundesgebäudeverwaltung inklusive betriebsähnlicher Einrichtung (Bundesbaudirektion)
Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen
Insolvenzausfallgeldfonds
Hauptpunzierungs- und Punzieramt
Bankenaufsicht
Bundesbeschaffungs GesmbH
Schifffahrt (Schleusendienst)
Luftfahrt (behördliche Zulassungstätigkeiten)
Heeresgeschichtliches Museum und militärhistorisches Institut
Bakteriologisch-seriologische Untersuchungsanstalt
Lebensmitteluntersuchungsanstalten
Veterinärmedizinische Anstalten
Verwaltungsakademie des Bundes

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Bruno Rossmann und Heinz Leitsmüller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256433 Die Zukunft der Abfertigung | Keine Zwangsbeglückung, sondern arbeitnehmerfreundliche Reform ist das Ziel Reform ja - aber nicht auf dem Rücken der Arbeitnehmer und schon gar nicht in Form einer »Zwangs- beglückung«, wie sie die Regierung plant, die Abfertigungen automatisch in eine Pensionskasse überleiten möchte.

Geld hat bekanntlich kein Mascherl - und das gilt auch für die Abfertigung. Egal, ob man unter Abfertigung vorenthaltenes Entgelt, Treueprämie, Kündigungsschutz, Kündigungsgrund, Mobilitätshindernis, Anlass für viele (Entlassungs-)Prozesse oder Altersvorsorge versteht. Abfertigung bedeutet Geld. Viel Geld, das Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern bei Beendigung ihres Dienstverhältnisses bekommen.

Aber leider nicht immer!

Status quo: Wer bekommt Abfertigung?

Die Abfertigung ist ein Entgelt, das grundsätzlich bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses zusteht. Lange Zeit war sie nur Angestellten und einigen kleineren Arbeitnehmergruppen vorbehalten. Seit In-Kraft-Treten des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes (ArbAbfG) im Jahre 1979 haben alle Arbeitnehmer, deren Dienstverhältnis auf privatrechtlichem Vertrag beruht, Anspruch auf Abfertigung.

Sie beträgt nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von:
3 Jahren das Zweifache
5 Jahren das Dreifache
10 Jahren das Vierfache
15 Jahren das Sechsfache
20 Jahren das Neunfache
25 Jahren das Zwölffache
des dem Arbeitnehmer für den letzten Monat des Dienstverhältnisses zustehenden Monatsentgeltes, dem auch Sonderzahlungen und Überstunden, aber auch Zulagen hinzuzurechnen sind.

Kein Anspruch auf Abfertigung besteht trotz dreijähriger Dauer des Dienstverhältnisses dann, wenn der Arbeitnehmer selbst kündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der fristlosen Entlassung trifft. In wenigen Sonderfällen steht Arbeitnehmern die Abfertigung zumindest teilweise auch bei Selbstkündigung zu. Das gilt beispielsweise bei Pensionierung und bei Beendigung des Dienstverhältnisses in Zusammenhang mit der Geburt eines Kindes.

Bei Tod von Arbeitnehmern während eines aufrechten Dienstverhältnisses erhalten die gesetzlichen Erben, zu deren Unterhalt sie verpflichtet waren, die halbe Abfertigung. Die gesetzliche Abfertigung kommt sozialversicherungsfrei lediglich unter Abzug von sechs Prozent Lohnsteuer zur Auszahlung.

Es gibt zentrale Schwachstellen

Die Einstiegshürde einer mindestens dreijährigen durchgehenden Beschäftigung bei einem Arbeitgeber führt bei steigender Mobilität auf dem Arbeitsmarkt dazu, dass immer mehr Arbeitnehmer nie zu einer Abfertigung kommen. Auch das sprunghafte Ansteigen des Abfertigungsanspruchs zu bestimmten Stichtagen nach 3, 5, 10, 15, 20 und zuletzt nach 25 Arbeitsjahren bei ein und demselben Arbeitgeber ist sachlich nicht zu rechtfertigen und wird nicht selten dazu genützt, Arbeitsverhältnisse knapp vor Erreichen solcher Stichtage aufzulösen.

Bei der Abfertigung handelt es sich um eine (aufgeschobene) Entgeltleistung aus einem Arbeitsverhältnis, die nachträglich nicht wieder verloren gehen darf. Es kann daher nicht akzeptiert werden, dass einerseits von Arbeitnehmern in immer stärkerem Ausmaß Mobilität eingefordert wird, andererseits aber genau diese verlangte Mobilität damit bestraft wird, dass bei Selbstkündigung der Abfertigungsanspruch verloren geht. Ein anderes Argument: Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer knapp vor Erreichen eines Abfertigungsanspruchs kündigen, verschaffen sich in unfairer Weise Kostenvorteile. Ein unfairer Wettbewerb, der auf dem Rücken der Arbeitnehmer ausgetragen wird!

Das Ziel des ÖGB: Abfertigung für alle

Ziel der Reform muss eine Auslagerung der Abfertigung aus dem Betrieb, verbunden mit einem kontinuierlichen Ansteigen und einem Anspruch auf Abfertigung für alle sein. Also unabhängig von der Art der Beendigung und der Dauer des Dienstverhältnisses, um die Nachteile des derzeitigen Systems zu beseitigen. Aus Sicht des ÖGB müssen dabei folgende Eckpunkte gewährleistet sein:

  • Auslagerung der Abfertigung in einen überbetrieblichen Abfertigungsfonds, in den der Arbeitgeber monatlich einzahlt. Damit verbunden ist ein kontinuier- liches Anwachsen der Abfertigung.
  • Sichere Veranlagung und Mitspracherecht der Sozialpartner.
  • Abfertigung auch für Saison- und Kurzzeitbeschäftigte.
  • Anspruch auf Abfertigung auch bei Selbstkündigung.
  • Erhalten der Abfertigung als Überbrückungshilfe in Form einer Einmalzahlung in gewohnter Größenordnung.
  • Kein Zwang zur Zusatzpension.

Erforderliche Maßnahmen

Wenn Mittel für Abfertigungsanwartschaften aus den Betrieben ausgelagert werden, müssen die Beitragszahlungen mit Beginn des Dienstverhältnisses einsetzen. Für die Veranlagung müssen gesetzliche Rahmenbedingungen normiert werden, dass es beispielsweise zu keinen Spekulationsveranlagungen kommt. Bei Erfüllung der definierten Rahmenbedingungen sind verschiedene Veranlagungsformen denkbar. Arbeitnehmer erhalten ein Konto bei einer Abfertigungskasse: Dort eingezahlte Beiträge stehen bei Beendi-gung eines Dienstverhältnisses zur Verfügung.

Für Bereiche, wo Arbeitgeber durch die Neuregelung überproportional be-lastet werden, könnten Begleitregelungen erfolgen. Weiters ist für Härtefälle eine Liquiditätshilfe für Klein- und Mittelbetriebe vorzusehen. Die Beitragspflicht kann nach 25 Jahren beim selben Dienstgeber enden.

Beitragshöhe

Für die Berechnung des Beitragssatzes könnte die derzeitige jährliche Abfertigungssumme herangezogen werden. Der Gedanke folgt dem Grundsatz, dass jene Gelder, die bisher an Abfertigungen ausgezahlt werden, künftig etwa in gleicher Höhe den Arbeitnehmern als Abfertigungsbeitrag zukommen sollen. Mit dieser Methode kann transparent gemacht werden, dass mit der Einführung eines neuen Abfertigungsmodells keine Umverteilung zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmer oder umgekehrt beabsichtigt ist.

Auszahlung der Abfertigung

Klar ist, dass bei einer Auslagerung der Abfertigung die angesparten Abfertigungsbeiträge bei jeder Form der Auflösung eines Dienstverhältnisses erhalten bleiben sollen. Bei der Auszahlung der Beiträge muss den Arbeitnehmern die Wahlfreiheit zukommen, das Geld zu beheben oder bis zur nächsten Beendigung eines Dienstverhältnisses den angesparten Beitrag in der Kasse zu lassen. Bei Pensionsantritt haben Arbeitnehmer entweder Anspruch auf Auszahlung der angesparten Beiträge oder können sich diese - wenn sie wollen - auch als Pension auszahlen lassen.

Besteuerung

Bei der Besteuerung der Abfertigung darf sich nichts ändern. Die laufenden Beiträge werden nicht besteuert, sondern wie bisher wird eine Endbesteuerung mit 6 Prozent vorgenommen. Für Arbeitgeber sollen die Beiträge als Betriebsausgaben gelten.

Wahrung erworbener Ansprüche

Um in der Umstellungsphase Doppelbelastungen zu vermeiden, soll ein neues Abfertigungsmodell für alle Dienstverhältnisse gelten, die nach InKraft-Treten des Modells abgeschlossen wurden. Bei bestehenden Dienstverhältnissen soll der Übergang ins neue System nur freiwillig durch Betriebs- oder Einzelvereinbarung möglich sein. Für derartige Umstiegsmodelle müssen wahrscheinlich aber gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für die Reform des Abfertigungsrechts ist jedenfalls eine Gesetzesänderung erforderlich. Optimal wäre ein von den Sozialpartnern gemeinsam erarbeitetes Modell, das die oben formulierten Eckpunkte enthält.

Widerstände

Die Regierung versucht unter dem Titel »Abfertigung Neu« den Abfertigungsanspruch als zweite Säule des Pensionssystems umzufunktionieren, die Wirtschaft wiederum will die Neuordnung des Abfertigungsrechts zur Lohnnebenkostensenkung für sich nützen. ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch warnt in diesem Zusammenhang vor Schlagwörtern wie »Abfertigung Neu« oder »Drei-Säulen-Modell«: »Solche Bezeichnungen werden gerne als ›politisches Vehikel‹ dafür missbraucht, dass sich Staat und Arbeitgeber sukzessive aus diesen Leistungen zurückziehen. Die Abfertigung darf aber nicht automatisch zu einer Pensionsleistung werden«, so der ÖGB-Präsident.

In diesem Spannungsfeld gilt es für den ÖGB eine Reform im Interesse aller Arbeitnehmer durchzusetzen, und zwar Abfertigung ab dem ersten Arbeitstag und auch bei Selbstkündigung. Mit der Unterstützung von Betriebsräten und Arbeitnehmern wird der ÖGB erreichen, dass es zu einer Reform und nicht zu einer Abschaffung der Abfertigung kommt.

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Bernhard Achitz und Ernst Weber http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256423 »Speed Kills« oder der Killer killt geschwind »Speed Kills« ist zum Beispiel ein Slogan, den das Kuratorium für Verkehrssicherheit verwendet, wenn es um die Unfallstatistik und um die Prävention von Unfällen geht. Neben dem Alkohol ist es vor allem die Geschwindigkeit, die »tötet« oder schwere Unfälle verursacht. »Speed Kills«, Herr Khol, sie haben recht, zumindest was den Straßenverkehr betrifft.

Neben dem zu schnellen Autofahren ist »Speed« im Neudeutschen (aus den USA) übernommenen Sprachgebrauch aber auch eine Droge. Was (meist junge) Leute halt so »einwerfen«, sei es nun »Extasy« (neue Designerdroge), »Acid« (LSD) oder eben »Speed« (meist Amphetamin), eine aufputschende Droge, die aber sicher nicht gut tut (wenn sie nicht killt, verursacht sie auf Dauer ähnlich wie Extasy bleibende Hirnschäden). W. Schüssel hat hier A. Khol korrigiert und erklärt, »Speed« sei eine Droge, mit der zumindest er nichts zu tun haben wolle. Der ÖVP-Klubobmann könnte sich sein Lieblingswort aber auch direkt aus den »war rooms« der amerikanischen Spin-doktoren geholt haben. Die in die Gewalt verliebte US-amerikanische Gesellschaft bevorzugt martialische, kriegerische Begriffe. Im »Kriegszimmer« arbeitet eine bestimmte Sorte von Akademikern daran, die öffentliche Meinung in ihre eigene Richtung zu drehen. Bei diesem »herumdoktern« denkt man offensichtlich an ein Geschoß, dem man den richtigen Drall (»Spin«) gibt. Wenn die Spindoktoren wie moderne Hexenmeister richtig und schnell doktern, dann wird der politische Gegner »gekillt«. Aber das kann der christliche und katholische Andreas Khol doch auch nicht wollen, dass hier jemand umgebracht wird (ich habe ihn kürzlich im Wiener Stephansdom bei der Messe gesehen). Das wäre ja eines von jenen 10 Dingen, die wir wirklich nicht tun sollen.

Da wäre dann noch die Variante, wo es nur um die Geschwindigkeit geht. Hohes Tempo bringt politischen Erfolg. Da sind Gesetze, die im Eiltempo beschlossen werden, das heißt, der »Expertenbericht« zur »sozialen Treffsicherheit« wird vorgelegt und sozusagen über Nacht in umfassende Gesetze und Maßnahmen umgewandelt (»Experten« werden nur noch als Alibi oder Feigenblatt für unpopuläre Maßnahmen benutzt - im Zweifelsfall können die allein verantwortlichen Politiker immer auf sie zeigen und Verantwortung abwälzen und müssen nicht mehr für ihre Taten einstehen).

Von einem Begutachtungsverfahren bei Gesetzesentwürfen kann sowieso keine Rede sein, wenn für umfassende Gesetze keine 14 Tage und keine 8 Tage zur Verfügung stehen, sondern maximal ein Wochenende und manches Mal nicht einmal das, weil Gesetze mit bereits abgelaufener Begutachtungsfrist vorgelegt werden.

Der lächerliche Pfusch bei den Ambulanzgebühren oder die zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit der Besteuerung von Unfallrenten wird jetzt trotz ihrer lauten Proteste den zugezogenen Experten angelastet - die schwarzblaue Mannschaft ist nicht bereit, Fehler einzugestehen und zu korrigieren und hält trotz nicht weniger kritischer Stimmen aus den eigenen Reihen völlig unbeirrt am einmal eingeschlagenen Kurs fest (Motto: »Wir irren uns nie und sind so gut wie unfehlbar«). Anträge der Opposition auf rückwirkende Aufhebung dieser »Invalidensteuer« wurden von der schwarzblauen Mehrheit im Parlament abgeschmettert - darunter auch dieselben Leute, die vorher öffentlich erklärt hatten, dass sie gegen diese auch von der Mehrheit der Bevölkerung als ungerecht empfundene Besteuerung der Opfer von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sind. Einmal dagegen, einmal dafür: das nennt man dann »Parteidisziplin«. Oder heißt das Opportunismus? In Wien stehen jetzt Landtagswahlen bevor. Vor dem Wahlvolk macht es sich da besser, dagegen zu sein. Im Hohen Haus? Na ja, da sind die Wähler schon weiter weg und das Fernsehen überträgt nicht das Abstimmungsverhalten jedes Einzelnen, obwohl gerade dort eine genauere Beobachtung starke Lernprozesse beim gemeinen Wahlvolk auslösen könnte.

Das einfache Parteimitglied aus Kärnten, Jörg Haider, hat kürzlich bei der »Pressestunde« im Fernsehen publikumswirksam die Befreiung der »sozial Schwachen« von dieser Steuer verlangt. Ob er sich wohl durchsetzen kann? Besteuert werden nämlich Normalverdiener, die im Zuge ihres Erwerbslebens dauerhaft verletzt wurden und deswegen eine Unfallrente beziehen. Manche Dinge sind eben komplizierter, als sie auf den ersten Blick aussehen, auch wenn hier die populistischen Vereinfacher am Werk sind. Die Besteuerung der Unfallrenten jener Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel eine Hand, einen Fuß oder ein Auge verloren haben, ist keine soziale Frage, sondern eine Frage der Gerechtigkeit bzw. der Ungerechtigkeit. Dies wird in der Öffentlichkeit auch immer klarer erkannt, und deswegen auch der Aufruf des einfachen Parteimitglieds: Reine Ablenkungsmanöver, um gut dazustehen. »Meine Mannschaft hat das zwar im Parlament beschlossen, aber ich, seht her Leute, ich bin dagegen!«

In der Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes heißt es lapidar: »Durch die neue Gesetzeslage liefern mehr als 110.000 Unfallrentner seit Jänner 2001 jährlich etwa 2 Milliarden Schilling dem Finanzminister zur Budgetsanierung ab. Um diese Ungerechtigkeiten zu beseitigen, bedarf es keiner neuen Expertenkommission. Es genügt, wenn der Nationalrat für die Abschaffung der Unfallrenten stimmt, wie dies schon immer gefordert wurde. Eine Härteklausel genügt nicht. Aus Sicht des ÖGB ist jeder Unfallrentner und jede Unfallrentnerin ein Härtefall.«

Die Schrotflinten mit der Aufschrift »soziale Treffsicherheit« sind auf uns alle gerichtet. Wird es uns gelingen, wenigstens die vom Schicksal besonders geschlagenen Kolleginnen und Kollegen vor den »Speedkillern«zu schützen?

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Mar 2001 00:00:00 +0100 1197995256417 Getroffen: Sozialer Blattschuss Nach dem methodischen Krankreden unseres Pensionssystems und unseres Gesundheitssystems boomt dort das Geschäft. Zusatzversicherungen sind der »Renner«. Wenn es nun gelänge, diesen Betrag in einen privaten »Betriebspensionstopf« umzulenken, hätte man hier ein weiteres Stück vom großen Kuchen ergattert.

Wir Gewerkschafter wollen aber, dass jeder selbst über seine Abfertigung entscheiden kann - sie ist ja auch zur Überbrückung von Notlagen in Zeiten ohne Beschäftigung gedacht. Ein nicht leicht sichtbarer Zwang über steuerliche Anreize bzw. deren Entzug könnte hier wirksam werden und deswegen ist es ganz wichtig, dass die Abgefertigten nicht entmündigt werden und zumindest eine echte Wahlfreiheit haben, was mit diesem Teil ihres Entgelts geschehen soll ... (Aber lesen Sie bitte weitere Argumente selbst im aktuellen Heft nach!)

Was mit dem öffentlichen Haushalt geschieht und mit dem Staatsvermögen, das Generationen von Österreichern erarbeitet haben, ist auch nicht ganz uninteressant: Sowohl über Ausgliederungen als auch über Privatisierungen können Sie sich in diesem Heft umfassend informieren. Wenn noch Fragen offen sind, kann sich natürlich jede Leserin und jeder Leser an unsere Experten wenden. Schließlich ist auch die von der Regierung geplante und von den Interessenvertretern der Arbeitnehmer und den Sozialpartnern verhinderte Sperre des Arbeitslosengeldes nicht uninteressant, vor allem, wenn man genauer untersucht, wer hier betroffen war und ist und wie es den Kolleginnen und Kollegen jetzt dabei geht.

Vor allem sollten wir aber bei allen diesen Geschichten eines nicht vergessen: Der Blattschuss mit der Schrotflinte der Marke »Zur sozialen Treffsicherheit« droht uns allen, und auch für jene, die bis jetzt noch nicht so viel abbekommen haben, muss das Prinzip der Solidarität gelten: Wir alle müssen uns gemeinsam für die Betroffenen einsetzen, denn wir selbst, unsere Berufgruppe und unsere Branche könnten die nächsten sein.

Außerdem, ich weiß ja nicht, wie es Ihnen dabei geht, aber mich empören Ungerechtigkeiten. Und ich glaube nicht, dass wir hilflos jenen ausgeliefert sind, die diese eigentümlichen Vorstellungen von Fairness haben und deren soziales Gewissen so rudimentär entwickelt ist. Gemeinsam sind wir stark und deswegen will ich zum Abschluss (ceterum censeo) noch auf die Werbeaktion verweisen: Wenn wir wollen, werden wir noch stärker!

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Apr 2001 00:00:00 +0200 1197995235863 »Stromliberalisierung«: Vom Monopol zum Oligopol | »Der Strom kommt aus der Steckdose ...« Bis 19. Februar 1999 galt das zweite Verstaatlichungsgesetz aus 1947. Es verordnete der Elektrizitätswirtschaft Versorgungspflicht, sicherte ihr aber auch das Monopol auf ein fest umrissenes Gebiet. Aus diesem Grund gab es auch amtlich bestimmte Stromtarife. Auf Basis einer EU-Binnenmarktrichtlinie, die den Mitgliedsstaaten die schrittweise Öffnung ihrer Strom- und Gasmärkte vorgibt, wurde 1999 das Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) beschlossen. Durch diese teilweise Marktöffnung konnten rund 150 österreichische Stromgroßverbraucher ihre Lieferanten frei wählen. Schrittweise, so der ursprüngliche Fahrplan, wäre bis 2003 der Strommarkt für alle Endverbraucher ab mindestens neun Gigawattstunden Jahresverbrauch offen gewesen.

Im vergangenen Sommer wurde mit einer Neufassung des ElWOG die totale Öffnung des Strommarktes auf 1. Oktober 2001 vorgezogen (der Gasmarkt soll zwölf Monate später aufgehen). »Viel zu rasch!«, rief ein Großteil der österreichischen Energieversorgungsunternehmen. Selbst der erste Stromregulator Österreichs, Walter Boltz, der am 1. März sein Amt als Hüter über die Wettbewerbsgleichheit auf dem Strommarkt antrat, zeigte Skepsis. Boltz war, als ehemaliger Direktor des internationalen Beratungsunternehmens »PriceWaterhouseCoopers«, maßgeblich am Konzept zur Liberalisierung der Energiemärkte beteiligt gewesen. »Bis Dezember 2001 wird es wohl klappen«, sagte er in einer Expertenrunde. Die Öffnung im Oktober »...wird nicht ohne Probleme abgehen«, meinte er in seiner Antrittspressekonferenz im März.

Elektrizitätsbeirat

»Lieber hätten wir noch ein halbes Jahr zugewartet. In dieser kurzen Zeit werden nicht alle flankierenden Maßnahmen realisiert werden können!«, meint Ditmar Wenty, der als Ver- treter der Bundesarbeitskammer dem Elektrizitätsbeirat angehört. Der Energiefachmann, nunmehr als unabhängiger Experte auch in der weisungs- freien Regulierungsstelle Energie-Controll Kommission für juristisch-kaufmännische Fragen zuständig, glaubt nicht, dass der Markt am verordneten Stichtag bereits funktioniert. Internationale Erfahrungen zeigten, dass es mindestens zwei Jahre dauert, bis sich die Spieler auf dem Markt etablieren können.

In Großbritannien, Finnland und Norwegen waren die Märkte schrittweise geöffnet und systematisch die Voraussetzungen für freien Wettbewerb geschaffen worden. Nur Deutschland hatte mit seinem Energiewirtschaftsgesetz 1998 ohne lange Übergangsregeln vollständig den Markt für Strom und Gas geöffnet.

In Österreich fehlen viele Voraussetzungen für einen funktionierenden freien Wettbewerb, dessen Sinn es - unter anderem - sein soll, dass jeder Kunde seinen Lieferanten jederzeit wechseln kann. Vertragsbedingungen gehören festgelegt, um die Interessen der Kunden wahrzunehmen. Sämtliche EDV-Systeme der einzelnen Firmen müssen umgestellt werden, um genaue Abrechnungen zu gewährleisten. Was bei Großkunden kein Problem ist, nämlich die genaue Ablesung des jeweiligen Verbrauches, wird bei kleinen Haushalten etwas schwieriger, will man nicht die rund drei Millionen Stromzähler in den einzelnen Wohnungen und Häusern austauschen. Durch so genannte standardisierte Lastprofile, eine Art statistisches Mittelmaß, soll der Verbrauch im Voraus bewertet und sollen die Kunden zur Verrechnung in Bilanzgruppen zusammen gefasst werden.

Chaostruppe

Die technischen und organisatorischen Hindernisse wären das geringere Problem, meint Ernst A. Swietly, Pressesprecher des Verbandes der Österreichischen Elektrizitätsunternehmen (VEÖ). »Wer verzögert, ist die Politik. Es wurde das Gesetz ElWOG 2000 verspätet kundgemacht; ebenso unklar war, welche Firmen die Abrechnung übernehmen sollen. Die so genannte Clearing- und Settlementstelle, die erst durch Konzessionsvergabe bestellt wird, ist noch immer nicht fix. Nicht die Elektrizitätswirtschaft verzögert, sondern die politischen Termine wurden nicht eingehalten.«

Dass es auch bei der Stromgesetzgebung zu einem der mittlerweile gängigen Missgeschicke der Regierung kam, ist öffentlich kaum bekannt. So hatte der ursprüngliche Gesetzestext einen Fehler enthalten, der erst nach Beschluss im Nationalrat aufgefallen war. Ein Fehler, der erst nach langen Verhandlungen mit den Bundesländern behoben werden konnte. Zu weiteren Verzögerungen kann es kommen: Noch haben nicht alle Bundesländer ihre jeweiligen Ausführungsgesetze zum Bundesgesetz ElWOG beschlossen.

Kleines Lexikon der »Stromgesellschaften«

BEWAG Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft. 1958 als »jüngster« österreichischer Landesenergieversorger gegründet. Eigentümer: 51 Prozent das Land der Burgen, 49 Prozent die Burgenland Holding AG.

EdF Electricité de France (EdF), weltweit größter Atomstromproduzent. Ist an der steirischen EStag beteiligt.

»Energie Allianz« Die Strategie der Partnerunternehmen ist es, durch Allianzen die energiewirtschaftliche Wertschöpfungskette zu optimieren. Partner sind: der niederösterreichische Versorger EVN AG, Wiener Stadtwerke Holding AG, die ESG Linz und die burgenländische Energiegesellschaft BEWAG.

EnBW Energie Baden-Württemberg AG; der drittgrößte Energiekonzern Deutschlands.

E. ON Der deutsche Energieriese E. on ist aus den Bayernwerken und Preußen Elektra AG hervorgegangen.

ESG Linzer Elektrizitätswerke, Fernwärme und Verkehrsbetriebe AG.

EStag Energie Steiermark AG.

EVN AG Energieversorger Niederösterreichs.

HEW Hessener Elektrizitätswerke.

RWE Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke.

TESSAG Technische Systeme und Services AG, 1999 entstanden, vereinigt sie heute weltweit über 100 Gesellschaften.

ESSAG Austria AG Österreich-Tochter der deutschen TESSAG, eines Unternehmens des RWE-Konzerns.

TIWAG Tiroler Wasserkraftwerke AG; 1924 gegründet. Der 1926 mit dem Münchner Bayernwerk geschlossene Stromlieferungsvertrag gilt bis heute.

VEÖ Verband der Österreichischen Elektrizitätsunternehmen. 1953 als »Verband der E-Werke« gegründet. Mit 19. Februar 1999 (Beginn der ersten Phase der Stromliberalisierung) hat sich der VEÖ zum »Verband der Elektrizitätsunternehmen« umstrukturiert: Nicht nur Stromerzeuger und Netzbetreiber, sondern auch Händler können heute Mitglieder werden.
www.veoe.at

Verbund Holding (Verbundgesellschaft) 1947 mit der Aufgabe gegründet, die großen, überregionalen Kraftwerke zu planen und zu betreiben. Seit Beginn der Teilliberalisierung (1988) sind 51 Prozent im Besitz der Republik Österreich, 49 Prozent in privatem Streubesitz oder bei internationalen Anlegern. Er dominiert auch heute noch die Stromerzeugung aus Wasserkraft und betreibt das größte Stromnetz Österreichs.
www.verbund.at

»Österreichische Lösung« als Strategie

Von einer einheitlichen so genannten »österreichischen« Lösung, um mit einem strategischen Konzept der Globalisierung der Strommärkte entgegentreten zu können, ist man - trotz politischer Willenserklärung - weit entfernt. Zwei Versuche, die großen regionalen Versorger (die oberösterreichische »Energie AG« und die steiermärkische »EStag«) mit der »Verbundgesellschaft« (die mit ihren Großkraftwerken die Stromerzeugung aus Wasserkraft dominiert und das bei weitem größte Stromtransportnetz des Landes betreibt) zur »Energie Austria« zusammenzuführen, sind gescheitert. In einer Hauptversammlung im vergangenen Herbst hatten die Aktionäre - »Wiener Stadtwerke«, »EVN« und die Tiroler »TIWAG« - durch Einsetzen ihrer »Sperrminorität« die Fusion platzen lassen.

Auf Kooperation anstelle Fusionierung setzt die jüngst gebildete »Energie Allianz«. Die niederösterreichische »EVN«, die »Wienstrom«, der Linzer Energieversorger »ESG« und der burgenländische Versorger »BEWAG« trachten, bei Wahrung ihrer Selbständigkeit, durch Tochtergesellschaften gemeinsame Aufgaben wie Energiedienstleistungen, Stromhandel und Infor- mationszusammenführung energiewirtschaftlicher Daten zu bewältigen.

Prall gefüllte Kriegskassen

Warum keine einheitliche Lösung? Von politischen Animositäten sprechen Insider, von Furcht um den Verlust von Einfluss und Macht von Landeshäuptlingen, die über die jeweiligen Landesenergieversorger das Sagen haben. Ernst A. Swietly, VEÖ, gibt sich als gelernter Journalist ausgewogen. Es handle sich eben um unterschiedliche Konzepte in einem neuen Markt, wo nunmehr jeder mit jedem konkurriert. Für Swietly gibt es mehrere Möglichkeiten: »Die meisten Unternehmen versuchen, Kosten wegzubekommen, das heißt, mit möglichst wenig Personal mehr Effizienz und Produktivität zu erreichen. Jene, die zu klein sind, verkaufen oder fusionieren. Andere kooperieren bei Aufrechterhaltung ihrer unternehmerischen Selbständigkeit. Das sind unterschiedliche Konzepte. Welches gut oder schlecht ist, kann man nicht bewerten.«

Ausländische Beobachter geben den österreichischen Elektrizitätswirten wenig Zeit für ein zukunftsträchtiges Konzept. Der Markt bricht auf, auch die Sprache wird kämpferisch. »Die Kriegskassen aller europäischen Spieler sind prall gefüllt; ganze Stäbe von Mitarbeitern sind beschäftigt, Kooperationspotenzial und attraktive Partner zu suchen.« So der Deutsche Klaus-Dieter Maier, Konsulent von A. T. Kearney, Stuttgart, im Interview eines Fachjournals.

Ausländische Unternehmen sind schon da

Die Deutschen, Bewohner des größten Strommarktes Europas, wissen, wovon sie sprechen. Seit 1998 bei unserem Nachbarn das Strommonopol fiel, liegt er im Fusionsfieber. Jeder der rund 500 Stromerzeuger sucht nach Fusionen und Kooperation. Im »elektrischen Monopoly« mischen ausländische Elektrizitätswerke heftig mit. Europas größter Stromkonzern, die französische »Electricité de France« (EdF), der weltweit größte Atomstromproduzent, stieg bei der »Energie Baden-Württemberg« (EnBW) ein; der schwedische Staatskonzern »Vattenfall«, Europas Nummer fünf, wird Mehrheitsaktionär bei der Hessischen HEW.

Die beiden deutschen Riesen »RWE« und »E.ON Energie« stehen daheim unter massivem Wachstumsdruck. Dass sie sich in Österreich auf den »Unabhängigkeitstag«, den 1. Oktober, vorbereiten, entspricht der Logik des Marktes. Eine Meldung beunruhigte Wirtschaft und Politik im Vorfrühling: Ein geheimnisvoller Käufer hat in großem Stil Verbund-Aktien erworben, meldete der »Standard«. Laut dem Wiener-Stadtwerke-Chef Karl Skyba zu einem »Liebhaberpreis«. Nur drei strategische Investoren kämen dafür in Frage, meinten Insider: die deutschen Riesen E.ON, RWE oder die Energie Baden-Württemberg.

Mitte März gab es erneut Empörung: Diesmal sollte ein Aktienpaket der EVN an den französischen Atomstromriesen EdF gehen.

Begonnen hatte das Chaos 1998: Damals sicherte sich das Trio EVN, Wiener Stadtwerke und die Tiroler Tiwag die Sperrminorität am Verbund. Mit diesem über 25 Prozent liegenden Anteil konnten wichtige Entscheidungen blockiert werden.

Umgekehrt kaufte die Verbund-Dreiergruppe die Sperrminorität an der EVN. Die Chuzpe am Chaos: Mehrheitlich in öffentlichem Eigentum stehende Unternehmen haben sich um teures Geld an - ebenfalls zum Großteil in öffentlichem Eigentum befindlichen - Versorgern beteiligt.

Die Aufgaben der Strom-Überwachungsbehörden

* Oberste Elektrizitätsbehörde
ist der Wirtschafts- und Arbeitsminister. Er hat, unter anderem, die

- Aufsicht über die Tätigkeit der Regulierungsbehörde und
- verwaltet die Anteilsrechte des Bundes an der Elektrizitäts-Control GmbH.
- Grenzüberschreitende Stromlieferungen brauchen seine Unterschrift.

Richtlinienkompetenz hat der Minister bei Grundsätzen, etwa

- der Bestimmung der Systemnutzungstarife (»Strommaut«) und
- der Ausgestaltung allgemeiner Bedingungen für Netzbetreiber, Stromhändler und Verrechnungsstellen.

* Der Elektrizitätsbeirat besteht aus 22 Mitgliedern, darunter je eines von ÖGB, AK, Wirtschafts- und der Landwirtschaftskammer. Die Ministerien für Land- und Forstwirtschaft und für Wirtschaft und Arbeit sind mit zwei Mitgliedern vertreten.

Dem Beirat obliegt insbesondere

- vor jeder Preisbestimmung die jeweiligen Ermittlungsverfahren zu begutachten.
- Die drei Kammern (BAK, LWK, WKÖ) und der ÖGB können Anträge zur Preisregelung stellen.

* Die Elektrizitäts-Control GmbH. Sie wird seit 1. März vom »Stromregulator« Walter Boltz geleitet. Mit einem Grundkapital von 50 Millionen Schilling ist sie zu 100 Prozent im Bundesbesitz. Ihre Aufgaben:

- Wettbewerbsaufsicht (zuständig bleibt aber das Kartellgericht).
- Veröffentlichung von Strompreisvergleichen für die Konsumenten.
- Erlassung von Verordnungen, aus welchen Ländern Stromimport (Atomstrom) verboten ist.
- Vollziehung der Bestimmungen über »stranded costs« (von Stromversorgern getätigte Investitionen, die sich auf dem freien Markt nicht amortisieren).
- Prüft die Vorschriften bezüglich Ökostrom und Kleinwasserkraftwerke.

* Die weisungsfreie Kollegialbehörde Elektrizitäts-Control Kommission besteht aus drei Mitgliedern; der Vorsitzende gehört dem Richterstand an. Sie ist Berufungsbehörde gegen Entscheidungen der Elektrizitäts-Control GmbH.

Einige ihrer Aufgaben:

- Bestimmung der Systemnutzungs- und sonstiger Tarife;
- genehmigt die allgemeinen Bedingungen für Netzbetreiber;
- schlichtet Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern.

(Quelle: BAK)

Totengräber der Strom-Lösung?

»Die Totengräber einer möglichen Strom-Lösung sind nicht im Aus- land, sondern im Inland zu suchen«, schrieb »Presse«-Analyst Franz Schellhorn.

Töchter der drei »ausländischen« Unternehmen sind, einstweilen bloß im Servicebereich, in Österreich bereits tätig. Die beiden E.ON Töchter »Viterra Energy Service« und »Viterra Contracting« zum Beispiel, oder »TESSAG«, die Energieservice-Tochter von RWE. Auch Baden-Württemberg hat mit der EnBW-Austria bereits einen Fuß in der Tür. Europas Marktführer, die französische EdF, ist an der steiermärkischen EStAG beteiligt.

Immerhin: 51 Prozent der großen österreichischen Energieversorger ge-hören, laut Bundesverfassungsgesetz - noch - dem Bund beziehungsweise den Ländern. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur Aufhebung der so genannten 51-Prozent-Klausel konnte im Parlament nicht durchgebracht werden. Die Beibehaltung der Mehrheitsaktien zur Wahrung des Mitspracherechts der öffentlichen Hände war von den Arbeitnehmervertretern vehement gefordert worden. »Das ist ein zu wichtiger Zweig, um ihn zum Sanieren des Budgets zu verwenden«, ist Ditmar Wenty von der AK überzeugt.

Schon geht es nicht mehr allein um Strom, sondern um sämtliche leitungsgebundene Energien. Demnächst werden sich auch die Gasmärkte öffnen, Stromunternehmen versuchen sich bereits im Wassergeschäft. Kürzlich erhielt die niederösterreichische EVN den Zuschlag für den gemeinnützigen Wasserversorger »NÖSIWAG«. Die Verschmelzung der unterschiedlichen Energien, Strom, Gas, Wasser, in der Hand einiger weniger Versorger gilt als notwendig. Auch Telekommunikation wird künftig zu den Geschäftsbereichen von Energieunternehmen gehören. Mit der »Power Communication Line«, sozusagen Datenübertragung und Internet über die Steckdose, unternimmt etwa die niederösterreichische EVN derzeit Pilotversuche.

»Das sind langfristige Überlebensstrategien einer eigenständigen österreichischen Energiewirtschaft«, meint AK-Energieexperte Ditmar Wenty. »Der Trend ist weltweit nicht aufzuhalten. Aber es ist klüger, als kräftiger Partner mitzuspielen. Im Gegensatz zur Strategie dieser Regierung, >verkaufts mein G'wand, ich fahr' in' Himmel.<«< />

Wo bleiben die Arbeitnehmer

Von den 230 österreichischen Elektrizitätsunternehmen (davon 15 Großversorger) haben auf dem österreichischen Markt ganze drei Endkundenversorger Platz, prophezeite das Beratungsunternehmen »PriceWaterhouseCoppers« schon bei Eintritt der Teilliberalisierung 1999.

Im Bereich Energieversorgung gingen in den letzten Jahren 25 Prozent der Arbeitsplätze verloren, rechnet Manfred Anderle, leitender Sekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie und Textil. Ein Ende sei nicht in Sicht. Das Hauptproblem sieht Anderle, Verantwortlicher für Energie- und Erdölwirtschaft seiner Gewerkschaft, in der Uneinigkeit der Unternehmer. »Politiker und Unternehmer sind nicht in der Lage, den kleinen österreichischen Markt so zu fusionieren, dass man einen einheitlichen österreichischen Energiekonzern erhalten kann.«

Kalifornien-Effekt auch bei uns?

Die Energiekrise in Kalifornien versetzte zu Jahresbeginn nicht nur die übrigen 49 US-Staaten in Schrecken. »Wird mit der Stromliberalisierung auch bei uns das Licht ausgehen?«, war eine häufige Frage in österreichischen Medien.

Die »Blackouts« im US-amerikanischen Sonnenstaat Kalifornien legten mitten im strengen Winter Betriebe und Verkehr lahm, Hunderttausende Einwohner saßen im Dunklen; Computer, Bankomaten und Rolltreppen standen still. Gouverneur Gray Davis rief den Notstand aus. Auch in den benachbarten Bundesstaaten kletterten die Strompreise in die Höhe.

Als Hauptursache wurde die vor vier Jahren eingeleitete Teilöffnung der Stromwirtschaft genannt. »Eine völlig verfehlte Marktliberalisierung«, wie Korrespondenten aus dem Stromkrisenherd meldeten. Zudem war der Energiemangel im südlichen US-Bundesstaat schon länger spürbar gewesen. Obwohl der Strombedarf drastisch gestiegen war, waren - nicht zuletzt der Umwelt zuliebe - keine neuen Kraftwerke gebaut worden.

Statt der versprochenen Preissenkung war mit der Marktöffnung das Gegenteil eingetreten. Denn die ständig steigende Nachfrage konnte nicht gedeckt werden: Viele Elektrizitätswerke Kaliforniens sind hoch verschuldet, ihnen fehlte das nötige Geld, um die Verteilernetze instand zu halten.

Österreich ist nicht Kalifornien, tröstete die heimische E-Wirtschaft. »Der Kalifornien-Effekt der Strommarktöffnung kann nicht 1:1 auf Österreich übertragen werden«, versicherte Max Stockinger, Präsident des Verbandes der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ). Dessen Hauptargumente: Selbst im freien Markt werden rechtliche Preisverfahren eingeleitet werden können, fairen Wettbewerb garantieren. Die Tatsache, dass Österreichs Stromaufbringung zu rund 70 Prozent aus Wasserkraft erfolgt, bremst die Kosten. Und nicht zuletzt beugt ein hoher Standard bei den Erzeugungs-, Übertragungs- und Verteilungsanlagen Ausfällen »à la california« vor.

Mittelfristig könnte aber gerade der vergleichsweise gute technische Zustand unserer Netzsysteme über ordnungspolitische Mängel hinwegtäuschen. AK-Energie-Experte Ditmar Wenty: »Wenn die Deregulierung unvernünftig betrieben wird, kann bei uns dasselbe passieren. Es kommt darauf an, wie die Regulierungsbehörden agieren. Etwa, wenn zu stark eingegriffen wird oder wenn aus politischen Gründen die Kosten nicht abgegolten werden, die das System verursacht. Wenn man nicht zulässt, etwaige Kostenerhöhungen auf die Preise abzuwälzen, geht das System zugrunde. Nur sind unsere Netze so gut, dass man locker zehn Jahre über die Runden kommt, ehe man es merkt.«

G. M.

Personalabbau

VEÖ-Sprecher Swietly sieht den Personalabbau auch als Folge der (über)eiligen Öffnung und damit der raschen Stilllegung unrentabler Fernheizkraftwerke und großer Wärmekraftwerke, etwa in Korneuburg, Zeltweg und St. Andrä.

In der Regel gibt es Betriebsvereinbarungen zum schonenden Personalabbau. Aber das geht nur, wenn die Unternehmen Zeit haben, über einen längeren Zeitraum zu planen. Durch Übergangsbestimmungen, etwa den Ersatz der so genannten »stranded costs« (»versunkene« Kosten) für unrentable Kraftwerke, sollten den Unternehmen die Kosten vergütet und die Schließung verzögert werden. Dies jedoch bedarf der Zustimmung aus Brüssel. Und da hat unsere Regierung derzeit keinen guten Stand, meint ein Insider.

»Arbeitsplätze gehen durch Zusperren der kalorischen Kraftwerke verloren. Firmen schließen sich zusammen und rationalisieren im klassischen Produktions- und Reparaturbereich«, meint Ditmar Wenty. »Andererseits werden neue Firmen gegründet, die den Vertrieb übernehmen, da entstehen natürlich neue Arbeitsplätze.«

Derzeit scheinen viele »falsche« Leute im »falschen« Betrieb zu sein: Techniker, Monteure, Handwerker sind fehl am Platz. Gesucht werden Spezialisten im Dienstleistungssektor und Vertrieb, hoch qualifizierte Marketingstrategen, geschulte Berater und Verkäufer.

Der Konsument: Umworben oder verunsichert?

Knappe 3,1 Millionen Stromkonsumenten - Gewerbetreibende, Landwirte und private Haushalte - werden nun zum heftig umworbenen Kunden. Wichtigstes Argument, den Anbieter zu wechseln, wird der Preis sein. Die politisch in Aussicht gestellte Verbilligung von 12 bis 15 Prozent gilt bei Kennern allerdings als unerfüllbar. Schon allein deswegen, weil die Preise bundesweit höchst unterschiedlich sind.

»Die starke Förderung der erneuerbaren Energien wird die Netzdurchleitungskosten erhöhen. Die Schließung unwirtschaftlicher Kraftwerke und das Zusammenrücken der kleinen und mittleren Energieversorger wird einen Abbau der Überkapazitäten bewirken. Nach und nach entsteht so wieder eine wettbewerbsdämpfende Oligopolsituation«, prophezeit der VEÖ-Pressesprecher Swietly.

Eine Prognose, aus deutscher Erfahrung genährt, wagte der Wirtschaftsingenieur Markus Reckzeh (EnBW), bei einem von EnBW-Austria im Wiener Millenniumstower veranstalteten »Power Talk«. Die erste Wettbewerbsphase, in der ausschließlich der Preis als Verkaufsargument gilt, wird von einem Preisanstieg in der zweiten Phase abgelöst. Dann treten Dienstleistung und Service in den Vordergrund. Der deutsche Kunde habe aber weit weniger Bereitschaft gezeigt, den Anbieter zu wechseln, als angenommen. Grund: Er war verunsichert wegen unklarer Rahmenbedingungen.

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Gabriele Müller (freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995235750 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Apr 2001 00:00:00 +0200 1197995235585 Atypische Beschäftigung in Österreich Die letzten Jahrzehnte waren durch große Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt gekennzeichnet. Neben der wachsenden Arbeitslosigkeit hat sich auch die Struktur der Beschäftigten deutlich verändert. So stand einem Rückgang im Produktionssektor ein kräftiger Zuwachs im Dienstleistungssektor gegenüber.

Verbunden war diese Entwicklung mit einer deutlichen Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit. Parallel dazu war die Entwicklung durch eine Verschärfung des internationalen Wettbewerbs gekennzeichnet (»Globalisierung«).

Von diesen Veränderungen nicht unberührt blieb auch die Ausformung der Arbeitsverhältnisse. Immer mehr Beschäftigungsverhältnisse weichen vom traditionellen Normalarbeitsverhältnis ab. Dauerhaften Arbeitsverhältnissen mit einer relativ einheitlichen Arbeitszeit, verbunden mit einem ausreichenden und gesicherten Einkommen sowie mit darauf abgestimmten arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüchen, stehen zunehmend Beschäftigungsformen gegenüber, bei denen die bisherigen Normen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gelten. Für diese neuen Formen der Arbeit - die es zum Teil auch schon früher gab, die aber nur als Randerscheinungen existierten - wurde auch ein eigener Begriff gefunden. Im deutschen Sprachraum werden sie als »atypische Beschäftigungsverhältnisse« bezeichnet.1)

Diese Beschäftigungen unterscheiden sich hinsichtlich folgender Merkmale von einem Normalarbeitsverhältnis:

Abweichend ist eine Beschäftigung etwa dann, wenn die Arbeitszeit unter der Norm liegt (Teilzeitarbeit) oder Arbeitseinsätze nicht absehbar sind (Arbeit auf Abruf; teilweise Telearbeit). Damit verbunden sind niedrige Einkommen und oft auch große Einkommensschwankungen. Bei freien Dienstverträgen und neuen Selbständigen wiederum ist die Zeiteinteilung den Einzelnen überlassen; zugleich ist damit ein geringerer arbeits- und sozialrechtlicher Schutz verbunden.

Interesse an derartigen Beschäftigungsformen besteht zum Teil bei den Unternehmen, die damit ihre Stellung im Wettbewerb verbessern und Kosten sparen. Zum Teil sind auch Beschäftigte daran interessiert, für die diese Formen unter den gegebenen Bedingungen oft die einzige Möglichkeit für Erwerbstätigkeit darstellen (etwa Frauen mit Kindern, Studenten neben dem Studium, Alters- und Invaliditätspensionisten). Aber auch die technologische Entwicklung selbst wird als wichtiger Faktor angeführt (Telekommunikation; Eigenständigkeit von Experten).2)

Ebenso ist hier der expandierende Non-Profit-Sektor anzuführen, der sich sehr stark auf solche Beschäftigungsformen stützt (etwa im Pflegebereich).

Nicht zuletzt greift auch die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik darauf zurück, die die mögliche Brückenfunktion dieser Jobs für die Integration von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt bzw. den gleitenden Übergang in die Pension nutzt (Leiharbeit über Beschäftigungsgesellschaften, Teilzeitkarenz, Altersteilzeit, Möglichkeit von geringfügigem Einkommen neben Sozialleistungsbezug).

TABELLE 1: Unselbständig Beschäftigte nach wöchentlicher Normalarbeitszeit 1999 (Labour Force)
Männer+Frauen Männer Frauen
Tsd. in % Tsd. in % Tsd. in %
Bis 11 Stunden 55 1,7 10 0,6 45 3,4
12 bis 24 Stunden 233 7,4 21 1,2 212 16,1
25 bis 35 Stunden 196 6,2 29 1,6 167 12,6
Teilzeitarbeit gesamt 484 15,4 61 3,3 423 32,1
36 bis 40 Stunden 2469 78,6 1620 89,0 849 64,3
Mehr als 40 Stunden 188 6,0 140 7,7 48 3,6
Beschäftigte insgesamt 3141 100 1821 100 1320 100
Quellen: Statistik Österreich (Mikrozensus 1999), eigene Berechnungen.

Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung

Quantitativ am bedeutsamsten sind jene Beschäftigungsformen, deren Normalarbeitszeit unter der allgemeinen Norm (derzeit 36 bis 40 Wochenstunden)3) liegt und damit meist auch mit einem Einkommen verbunden sind, das keine ausreichende eigenständige Existenzsicherung bietet.

Daten über die »Teilzeitbeschäftigten« werden in Österreich seit 1974 alljährlich im Rahmen des Mikrozensus erhoben, soweit die wöchentliche Normalarbeitszeit mindestens 12 Stunden betrug. Beschäftigungen mit einer geringeren Arbeitszeit galten damals als nicht mehr nennenswert bzw. unbedeutend für die Sicherung des Lebensunterhalts; diese Art der Zählung wird daher als Lebensunterhaltskonzept bezeichnet.

Aufgrund der EU- bzw. ILO-Standards werden seit 1994 auch jene Beschäftigungen erfasst, die mit einer Arbeitszeit von mindestens einer Wochenstunde verbunden sind. Die ermittelten Zahlen eignen sich auch für internationale Vergleiche (Labour-Force-Konzept).

Die österreichische Sozialversicherung hatte Beschäftigungen mit einer derart geringen Arbeitszeit im Vorhinein nicht erfasst (Ausnahme: Unfallversicherung). Allerdings galt hier immer eine Einkommensgrenze (»Geringfügigkeitsgrenze«, 2001: 4076 Schilling). Monatlich gezählt werden diese erst ab 1994 (als Ergebnis des Gleichbehandlungspaketes); seit 1998 genießen sie auch teilweise - über die Unfallversicherung hinaus - Sozialversicherungsschutz.

Die in der Sozialversicherung ausgewiesenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse überschneiden sich großteils mit Teilzeitbeschäftigungen, meist wohl auch dann, wenn etwa 2 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ausgeübt werden. In der Erwerbstätigenstatistik nach der Arbeitskräfteerhebung wiederum scheinen sie oft gar nicht auf, z. B. dann, wenn Voll- oder Teilzeiterwerbstätige damit eine wöchentliche Normalarbeitszeit von mehr als 35 Stunden erreichen.

Jeder/jede vierte geringfügig Beschäftigte übt daneben eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus und etwa ebenso viele beziehen zugleich eine Sozialleistung aus der Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung (bzw. Karenzgeld)4).

Im Jahresdurchschnitt 1999 hatten von den 3,140.000 unselbständig Erwerbstätigen 484.000 eine Beschäftigung mit einer Normalarbeitszeit von weniger als 36 Stunden wöchentlich (15,4 Prozent der Beschäftigten). Diese können sich - ebenso wie bei Vollzeitbeschäftigten - auch aus mehreren kleinen Beschäftigungen zusammensetzen (siehe Tabelle 1: »Unselbständig Beschäftigte nach wöchentlicher Normalarbeitszeit«).

TABELLE 2: Atypische Beschäftigung 1980-2000 (Anzahl in Tausend)
1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Statistik Österreich: Mikrozensus/Arbeitskräfteerhebung
Unselbständig Beschäftigte (LU, Jd) 2.522 2.701 2.877 3.002 2.996 3.011 3.024 3.059 -
Davon: Vollzeitbeschäftigte 2.368 2.537 2.646 2.684 2.664 2.650 2.634 2.653 -
Teilzeitbeschäftigte 154 164 231 318 332 361 390 407 -
Teilzeitbeschäftigte (LF, Uns., Jd) 385 385 420 458 484 -
Befristete Beschäftigung (LF, März)1) 100 120 128 134 130 127 -
Arbeit auf Abruf (Juni 1994) 46 46
Telearbeit (September) 2) 11-35
BM für Wirtschaft und Arbeit
Leiharbeit (Juli) 7 13 15 18 21 24 30
Sozialversicherungsträger
Geringfügige Beschäftigungs- verhältnisse (Jd) 136 149 165 171 189 197
Geringfügig Beschäftigte (Juli) 128 144 158 162 176 181
Nur geringfügig beschäftigt (Juli) 56 64 69 76 - 92
Geringfügig Beschäftigte: Betroffene 200 3) 390 417 -
Freie Dienstnehmer (Jd) 15 19 22
Neue Selbständige (4. Quartal) 8 10 13

Quellen: Bartunek, E., Teilzeitbeschäftigung in Österreich 1974-1990, hg. vom BM für Arbeit und Soziales 1993 (S. 45), Statistik Österreich (Mikrozensus, Arbeitskräfteerhebung), Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Leiharbeit), Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (geringfügige Beschäftigung), Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (neue Selbständige).
Hinweis: Wegen Überschneidungen dürfen keine Summen gebildet werden!

Anmerkungen:
1) Ohne Lehrlinge. Im Mikrozensus 1991 (September) wurden 105.000 befristete Beschäftigungsverhältnisse ermittelt. Im Bericht (Statistische Nachrichten 6/1993, S. 461 f.) wurde eine »deutliche Zunahme« in den letzten Jahren festgestellt. Es wurde daher für 1990 eine Zahl von rund 100.000 angenommen. Im Juni 1994 waren 117.000 befristet beschäftigt (Statistische Nachrichten 8/1996, S. 613).
2) Mikrozensus-Sonderprogramm September 1997 (Statistische Nachrichten 12/1998). Je nach Definition wurden zwischen 22.000 und 52.000 Erwerbstätige (11.000 bis 35.000 Unselbständige) ermittelt, die zu Hause für eine Firma Telearbeit leisten.
3) In einer Studie des BM für Arbeit und Soziales (Projektleitung: Ruth Finder) wurde für 1989 eine Zahl von 170.000 bis 196.000 Personen geschätzt (Hochrechnung auf Basis einer Stichprobenzählung), die im Laufe des Jahres mindestens einmal ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis hatten. Aufgrund des Trends kann daher für 1990 eine Zahl von rund 200.000 angenommen werden.

Abkürzungen:
LU = Lebensunterhaltskonzept (Beschäftigung mit wöchentlicher Normalarbeitszeit zwischen 12 und 35 Stunden; bis 1983 Untergrenze von 14 Stunden, zwischen 1984 und 1990 13 Stunden).
LF = Labour-Force-Konzept (seit 1994; Beschäftigte bereits mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 1 Stunde).
Jd = Jahresdurchschnitt.

Teilzeitbeschäftigung ist »Frauensache«

1999 waren 87 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen. Zum Vergleich: Innerhalb der Vollzeitbeschäftigten entfielen nur 34 Prozent auf Frauen.

Fast ein Drittel (32 Prozent) der unselbständig erwerbstätigen Frauen waren teilzeitbeschäftigt, innerhalb der Arbeiterinnen waren es 1999 sogar 37 Prozent (weibliche Angestellte: 30 Prozent).

Aufgrund dieser Zahlen scheint der Begriff »atypisch« innerhalb der Frauen kaum noch gerechtfertigt.

Betrachtet man nur Frauen mit Kindern unter 15 Jahren, kommt man sogar auf einen Teilzeitanteil von 52 Prozent bei unselbständig erwerbstätigen Frauen (Mikrozensus 1998).5) Nach den Daten der Arbeitskräfteerhebung wünscht sich in den Altersgruppen, in denen besonders häufig Kinder zu betreuen sind, nur jede fünfte bis sechste teilzeitbeschäftigte Frau eine längere Arbeitszeit bzw. ein ebenso hoher Anteil innerhalb der vollzeitbeschäftigten eine kürzere Arbeitszeit. Ebenso entspricht der Anteil der arbeitslosen Frauen, die in diesen Altersgruppen eine Teilzeitarbeit suchen, etwa der Teilzeitquote in diesen Altersgruppen (annähernd 40 Prozent der beschäftigten Frauen).6)

Teilzeitbeschäftigung konzentriert sich sehr stark auf den Dienstleistungsbereich. 1999 arbeiteten 127.000 in der Wirtschaftsklasse Handel/Reparatur und weitere 73.000 im Bereich Gesundheit und Soziales. Mit einem Anteil von jeweils 28 Prozent war der Anteil der Teilzeitarbeit im Sozial- und Gesundheitswesen sowie im Bereich des Realitätenwesens/Vermietung etc. (53.000 Teilzeitbeschäftigte) am höchsten. Im Handel arbeiteten 26 Prozent in Teilzeit.

Besonders stark war die Dynamik in den 5 Jahren zwischen 1994 und 1999: Während die Zahl der weiblichen Teilzeitbeschäftigten um 106.000 stieg, sank die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um 42.000. Auch innerhalb der Männer stand einer geringen Zunahme von Teilzeitbeschäftigung eine leichte Abnahme der Vollzeitbeschäftigung gegenüber (+6000/ -9000).

Geringfügige Beschäftigung

Die sehr detaillierten Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zeigen für den Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ein ähnliches Bild. Lässt man die Beamten außer Betracht, ergeben diese Daten, dass im Jahr 2000 bereits 10 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse bei Frauen geringfügig waren (Männer: 3,5 Prozent). Besonders häufig sind diese im Alter, in dem Kinder zu betreuen sind.

Weiters ist aus diesen Daten ersichtlich, dass rund 20.000 geringfügig Beschäftigte Studenten sein dürften (je zur Hälfte Frauen und Männer). Bei Männern konzentriert sich diese Beschäftigungsform auch auf das Pensionsalter; jeder fünfte männliche Beschäftigte ist bereits 60 Jahre oder älter (Frauen: ca. 10 Prozent).7) Für Juli wies der Hauptverband 26.000 geringfügig Beschäftigte aus, die zugleich eine Pension bezogen (15.000 Frauen und 11.000 Männer). Weitere 18.000 bezogen eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (inklusive Karenzgeld).

Während im Juli 2000 jeder dritte männliche geringfügig Beschäftigte daneben noch eine reguläre Beschäftigung (Voll- oder Teilzeit) ausübte, war dies nur bei jeder fünften Frau der Fall. Bei Männern stellt diese Beschäftigung also wesentlich häufiger als bei Frauen ein Nebeneinkommen dar. Es ist daher nicht verwunderlich, warum der Frauenanteil (72 Prozent) hier etwas niedriger ist als bei den Teilzeitbeschäftigten insgesamt (siehe Grafik: »Geringfügig Beschäftigte«).

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind bei weitem nicht so stabil wie die normale unselbständige Beschäftigung. Häufig stellen sie nur eine kurze Phase dar. Im Jahr 1999 wechselten 71.000 geringfügig Beschäftigte hin zu einer Standardbeschäftigung; umgekehrt wechselten 56.000 Standardbeschäftigte zu einer geringfügigen Beschäftigung über.8)

Versicherungsschutz

Insgesamt war im Juli 2000 die Hälfte (49 Prozent) der geringfügig Beschäftigten über eine Erwerbstätigkeit (24 Prozent) oder über den gleichzeitigen Bezug einer Sozialleistung (25 Prozent) versichert. Weitere 15 Prozent nahmen die Möglichkeit einer Selbstversicherung (Kranken- und Pensionsversicherung) in Anspruch. Etwa ein Drittel der geringfügig Beschäftigten ist nur mitversichert.

Der mangelnde Versicherungsschutz stellt insbesondere bei geringfügig Beschäftigten nach wie vor ein Problem dar. Mit der Reform 1997 wurden zwar inzwischen rund 50.000 Mehrfachbeschäftigte (Jahresdurchschnitt)9) und 30.000 Selbstversicherte (23.000 Frauen und 7000 Männer - Dezember 2000)10) von der Sozialversicherung erfasst. Es verbleiben aber immer noch rund 60.000, die nur als Mitversicherte in der Krankenversicherung geschützt sind und die freiwillige Versicherung nicht in Anspruch nehmen.

Dem mangelnden Versicherungsschutz bei vielen geringfügig Beschäftigten steht auch eine begrenzte Beitragspflicht der Dienstgeber gegenüber. Für rund 40 Prozent der geringfügig Beschäftigten sind nach Angaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger die Arbeitgeber von der Beitragspflicht befreit (Ausnahme: Unfallversicherung). Es handelt sich hier um Arbeitgeber, bei denen das Einkommen dieser Beschäftigten im Betrieb das 1,5fache der Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet (in der Regel Betriebe mit 1 oder 2 geringfügig Beschäftigten). Dadurch entgehen derzeit der Kranken- und Pensionsversicherung rund 600 Millionen Schilling pro Jahr an Beiträgen. Weiters fallen bei mehr als der Hälfte der geringfügig Beschäftigten keine Dienstnehmerbeiträge an; im Falle einer Pflichtversicherung müssten diese Beschäftigten Beiträge im Ausmaß von rund 800 Millionen Schilling entrichten.

Insgesamt entgehen damit der Pensionsversicherung rund 1,1 Milliarden Schilling und der Krankenversicherung rund 300 Millionen Schilling an Beiträgen.

Häufig sehr niedrige Sozialleistungen bei Teilzeitbeschäftigten

Ein offenes Problem stellt die Versorgung von versicherten Teilzeitbeschäftigten vor allem bei Arbeitslosigkeit (aber auch für die Pension) dar. Erwerbseinkommen, die vielleicht gerade noch eine eigenständige Absicherung garantieren, werden bei Sozialeinkommen in der Regel nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz ersetzt. Welche Auswirkungen dies hat, soll an folgendem Beispiel gezeigt werden:

Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 10.000 Schilling beträgt das Nettoeinkommen rund 8200 Schilling11) und entspricht damit in etwa dem Einzelrichtsatz für die Ausgleichszulage (netto ca. 8120 Schilling). Das Arbeitslosengeld beträgt in diesem Fall derzeit 5776 Schilling, die Notstandshilfe maximal 5497 Schilling (Alleinstehende ohne Kinder). Dies bedeutet, dass die Arbeitslosenleistung keine eigenständige Existenzsicherung mehr garantiert.

Dies mag bei jenen Teilzeitbeschäftigten kein großes Problem darstellen, die in einem (dauerhaft) funktionierenden Familienverband leben. Bei den übrigen Fällen wird wohl oft der Weg zum Sozialamt unvermeidlich sein.

Kommt dann vielleicht noch hinzu, dass die niedrige Notstandshilfe (vor allem bei Personen in Lebens- oder Ehegemeinschaft) durch die Anrechnungsbestimmungen im Notstandshilferecht erst gar nicht anfällt oder wegfällt, folgt daraus auch eine Lücke in der Pensionsversicherung. Niedrige Einkommen mit wenig Versicherungszeiten ergeben dann auch eine sehr niedrige Pension - ein typisches Frauenschicksal. Im Jahr 2000 wurde in 10.600 Fällen deswegen ein Notstandshilfeantrag abgewiesen bzw. eine Notstandshilfeleistung eingestellt (bei 9400 Frauen und 1200 Männern).

Freie Dienstverträge und Neue Selbständige

Selbständige mit Gewerbeschein sowie bestimmte andere Gruppen von Selbständigen sind schon seit langem von der Sozialversicherung erfasst. Ein offenes Problem waren bis Mitte der neunziger Jahre die Werkverträge, über deren Anzahl bis dahin keine Daten vorlagen. Um der Flucht aus dem Sozialrecht zu begegnen, wurden diese ab Juli 1996 in die Sozialversicherung einbezogen. Nach einem weiteren Reformschritt wird nun seit Jänner 1998 zwischen zwei Gruppen unterschieden:

  • Freie Dienstverträge: Es handelt sich hier um Personen, die ohne wesentliche eigene Betriebsmittel für einen Dienstgeber Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und daraus ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielen. Sie sind nun nach dem ASVG voll versichert.
  • Neue Selbständige: Diese unterscheiden sich von freien Dienstnehmern dadurch, dass sie nicht nur für eine Firma tätig sind. Sie werden von der Sozialversicherung nur dann erfasst, wenn das Jahreseinkommen die Grenze von (voraussichtlich) 88.800 Schilling überschreitet. Sie sind nach dem GSVG versichert.

Ende 2000 waren 23.900 Personen über einen freien Dienstvertrag versichert. Nach Angaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger entspricht dieser in 9 von 10 Fällen einer Angestelltentätigkeit.12) Der Frauenanteil war mit 48 Prozent etwas höher als bei den »normalen« Beschäftigten (44 Prozent).

Freie Dienstverträge sind in Wien besonders häufig. Während in Wien im Jahr 2000 (Jahresdurchschnitt) auf 1000 Beschäftigte 14 freie Dienstverträge kamen, waren es im Schnitt der übrigen Bundesländer nur 5. Weiters zeigen die Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, dass der Anteil bei Jüngeren (aber auch innerhalb der wenigen alten Beschäftigten) deutlich höher ist bei den übrigen Beschäftigten.

Freie Dienstverträge sind besonders häufig im Bereich Nachrichten/Verkehr, bei Journalisten, Wissenschaftern und im EDV-Bereich. Ebenso wie die neuen Selbständigen zeichnen sie sich im Schnitt durch ein höheres Bildungsniveau aus. Etwa jeder/jede Dritte bezieht ein weiteres Einkommen (ebenso wie bei den neuen Selbständigen).13) Nach Angaben des Hauptverbandes verdienten sie 1998 aus ihrem freien Dienstvertrag im Schnitt 14.900 Schilling monatlich.

Im 4. Quartal waren 13.400 Personen als neue Selbständige in der SVA der gewerblichen Wirtschaft gemeldet (davon 41 Prozent Frauen). Besonders häufig sind sie bei Journalisten, Wissenschaftern, bei Turn- und Sportberufen, Musikern und Unterhaltungsberufen, Handelsvertretern sowie Bank- und Versicherungsberufen.14)

Beide Gruppen sind von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen. Insgesamt bieten diese Beschäftigungen nach wie vor wenig Sicherheit und sie verführen zu Selbstausbeutung. Gefordert wird viel Flexibilität.

Die Einbeziehung der angeführten Gruppen in die Sozialversicherung hat dazu geführt, dass sich viele Betroffene nach dem GSVG als »alte« Selbständige versichert haben. Bis Juli 2000 waren nämlich die Pensionsversicherungsbeiträge bei neuen Selbständigen höher als bei Selbständigen mit Gewerbeschein. Erst durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde diese Ungleichheit innerhalb der Selbständigen aufgehoben15); seither gilt ein einheitlicher Beitragssatz von 15 Prozent.16)

Wie groß die Zahl jener ist, die von der Werkvertragsregelung erfasst wurden, lässt sich aus den Daten des Hauptverbandes abschätzen. Stieg die Zahl der Pensionsversicherten nach dem GSVG zwischen 1990 und 1995 nur um 14.000, erhöhte sich deren Anzahl danach bis 2000 um weitere 48.000 (jeweils Jahresdurchschnitt, wovon im Jahr 2000 ca. 12.000 auf neue Selbständige entfallen). Der verstärkte Anstieg begann in der zweiten Jahreshälfte 1996, also unmittelbar nach der neuen Werkvertragsregelung für die Sozialversicherung. Es kann angenommen werden, dass allein aufgrund dieser Neuerung rund 20.000 Personen einen Gewerbeschein erworben haben.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die von der SVA der gewerblichen Wirtschaft unmittelbar aufgrund einer Anmeldung erfassten Personen nicht die Gesamtheit der neuen Selbständigen darstellen. Die Finanzämter erfassen nämlich im Nachhinein weitere Personen, deren Sozialversicherungspflicht vielleicht erst Jahre nach Beginn der Tätigkeit festgestellt wird. Tatsächlich liegt daher die Zahl der neuen Selbständigen höher.

Vorsichtig geschätzt wurden bis jetzt durch die Pflichtversicherung für Werkverträge etwa 60.000 Personen neu in die Sozialversicherung einbezogen (freie Dienstnehmer, neue Selbständige und selbständig Erwerbstätige mit Gewerbeschein).

Befristete Beschäftigung und Leiharbeit

Laut Arbeitskräfteerhebung waren in den letzten Jahren (jeweils März) rund 130.000 Personen befristet beschäftigt. Dies entspricht einem Anteil von 4 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen (Frauen: 4,5 Prozent, Männer: 3,7 Prozent; 1999). In 7 von 10 Fällen dauert die Beschäftigung maximal ein Jahr.

Interesse an der Befristung haben vor allem die Dienstgeber. Für Dienstnehmer dienen sie häufig dem beruflichen Einstieg - verbunden mit dem Wunsch nach einer dauerhaften Beschäftigung. Nach der Erhebung des AMS ging dieser Beschäftigung in jedem zweiten Fall eine Berufs-/Schulausbildung voran. Sie sind daher bei Jüngeren etwas häufiger als bei den übrigen Beschäftigten. Am häufigsten sind sie bei Dienstleistungsberufen zu finden (Wissenschafter, Reinigungsberufe, Techniker, Bank- und Versicherungsberufe, Journalisten).

Ein Teil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse entfällt auf die Arbeitskräfteüberlassung (Leiharbeit, seit 1989). Deren Anzahl wird alljährlich im Juli gezählt. Wurden bis 1993 nur jeweils rund 8000 gezählt, steigt nun deren Zahl kontinuierlich an. Im Jahr 2000 waren es bereits 30.100, was einem Anteil von 1,4 Prozent aller Beschäftigten entspricht.

Der typische Leiharbeiter ist männlicher Arbeiter (75 Prozent der überlassenen Arbeitskräfte). Insgesamt übten 2,8 Prozent der männlichen Arbeiter eine derartige Beschäftigung aus, wobei der Anteil in Oberösterreich mit 5,4 Prozent besonders hoch war. Nur 16 Prozent dieser Beschäftigten waren Frauen.

Nur ein Drittel dieser Beschäftigungen dauerte bereits länger als ein halbes Jahr.

Arbeit auf Abruf

Über diese Form Arbeit liegen kaum Daten vor. 1994 wurden im Rahmen des Mikrozensus-Sonderprogramms (Thema: Arbeitsbedingungen) rund 8000 Personen ermittelt, deren Arbeit ausschließlich durch Abruf erfolgt. Bei weiteren 38.000 wurde teilweise Arbeit auf Abruf geleistet. Diese Form der Beschäftigung ist bei Arbeitern häufiger als bei Angestellten und sie kommt auch häufiger bei geringfügig Beschäftigten vor.17)

Nach derselben Befragung litten überdies 36.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter stark schwankenden Arbeitszeiten bzw. Einkommensbedingungen.

Telearbeit

Nach Ergebnissen des Mikrozensus 1997 (September) arbeiteten 11.000 unselbständig Erwerbstätige mindestens 8 Stunden pro Woche im Rahmen ihrer Haupttätigkeit zu Hause am Computer (mindestens 1 Stunde: 35.000) und waren per Datenleitung (bzw. Telefon, Telefax) mit der Firma verbunden. Deren Anzahl dürfte inzwischen stark angestiegen sein.

Rund ein Viertel der unselbständig Erwerbstätigen gab an, die Kosten für den Telearbeitsplatz nicht weiterverrechnen zu können; bei rund einem Fünftel werden die Kosten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt.18)

Resümee: Entwicklung nicht tatenlos hinnehmen!

Die starke Zunahme atypischer Beschäftigungsformen stellt eine große Herausforderung für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dar. Österreich hat sich bereits in den neunziger Jahren - früher als Deutschland - dieser Herausforderung gestellt. Rund 140.000 Beschäftigte19) konnten durch mehrere Reformen in die Sozialversicherung einbezogen werden. Ebenso wurden im Arbeitsrecht Fortschritte erzielt. Zugleich wurden Anreize für die Flucht aus dem Sozial- und Arbeitsrecht verringert.

Aufgrund der anhaltend starken Dynamik besteht in Zukunft die Gefahr, dass immer mehr Beschäftigte unfreiwillig auf Dauer in diese Beschäftigungsformen abgedrängt werden. Eine solche Entwicklung bedeutet für immer mehr Erwerbstätige unregelmäßiges und/oder nichtexistenzsicherndes Einkommen. Damit verbunden ist auch eine unzulängliche soziale Absicherung.

Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert werden. Neben einer Eindämmung atypischer Beschäftigungsformen muss in Hinkunft auch die soziale Absicherung dieser Beschäftigten verbessert werden. Atypische Beschäftigung darf nicht zur Aushöhlung des Arbeitsrechts und unseres Systems der sozialen Sicherheit führen.

1) Tálos, E., Atypische Beschäftigungsverhältnisse. Internationale Trends und sozialstaatliche Regelungen. Wien 1999. Seite 417 f.

2) Schmid, G., Arbeitsplätze der Zukunft: Von standardisierten zu variablen Arbeitsverhältnissen (S. 275), in: Kocka, J./Offe C. (Hg.), Geschichte und Zukunft der Arbeit. Campus-Verlag 2000.

3) Die OECD geht bereits von einer Grenze von 30 Wochenstunden aus.

4) Gilt für Juli 2000.

5) In Schweden wird daher der Begriff »atypisch« gar nicht verwendet, da er sich zu sehr an der männlichen Normalbiographie orientiert. Siehe dazu: Vidmar, S., Atypische Beschäftigung in Schweden, S. 316, in: Tálos, E.

6) Siehe Statistische Informationen (November 1999 und Mai 2000, hg. von der AK Wien/Abteilung Wirtschaftswissenschaften/Statistik).

7) Insgesamt waren im Herbst 2000 25.000 geringfügig Beschäftigte 60 Jahre oder älter. Diesen standen im Oktober 23.000 »normale« Beschäftigte (inklusive vollversicherten Teilzeitbeschäftigten) gegenüber.

8) Berechnungen der Synthesis Forschungsgesellschaft, in: Arbeitsmarktservice Österreich. Wie dynamisch ist der österreichische Arbeitsmarkt? Strukturberichterstattung - Jahresergebnisse 1999. Wien 2000.

9) Im Juli 2000 wurden vom Hauptverband 43.300 geringfügig Beschäftigte mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgewiesen sowie 4100 Personen, die mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ausübten. Da geringfügige Beschäftigung in den Sommermonaten eher etwas niedriger ist (Studenten!), aber ständig zunimmt, dürfte die angeführte Zahl derzeit der Wirklichkeit entsprechen.

10) Auf die Problematik dieser Regelung wird hier nicht weiter eingegangen.

11) Bei Arbeitern etwas darunter, bei Angestellten etwas darüber.

12) Im Dezember 2000 wurden 21.400 freie Dienstnehmer als Angestellte und 2500 als Arbeiter ausgewiesen.

13) Arbeitsmarktservice Österreich, Atypische Beschäftigungsverhältnisse, Wien 2000.

14) ebenda.

15) Siehe Rudda, J., Soziale Sicherheit 11/2000, S. 957 ff.

16) Als Motiv für den Erwerb eines Gewerbescheins verbleibt noch das höhere Prestige dieser Selbständigen.

17) Statistische Nachrichten 8/1996, S. 612 f.

18) Statistische Nachrichten 12/1998, S. 1028.

19) Ca. 80.000 geringfügig Beschäftigte und 60.000 Werkverträge.

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Karl Wörister (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften in der Wiener Arbeiterkammer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995235491 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Apr 2001 00:00:00 +0200 1197995235412 Cui bono? - Wem nützt es? »Arbeit & Wirtschaft«: Lieber Kollege Muhm, du bist seit 1. Jänner Kammeramtsdirektor der Wiener Arbeiterkammer und bekleidest diese führende Position auch in der Bundesarbeitskammer und wurdest kürzlich anlässlich deiner Designierung zu diesem Job vom Kurier als der Außenminister der AK bezeichnet, der immer gut ist für kritische Bemerkungen. Deswegen wollte ich dich, um gleich einzusteigen bei der aktuellen Politik, fragen: Was meinst du zur Besteuerung der Unfallrenten und zu der öffentlichen Diskussion, so wie sie jetzt abläuft?

Werner Muhm: Zum Ersten möchte ich den Hinweis geben, dass das »Kammeramt« nicht mehr besteht, sondern ich den Titel »Direktor« trage, was, glaube ich, auch ein Hinweis auf unsere grundsätzliche Orientierung in Richtung Mitglieder, Kundennähe, Serviceorientierung ist. Ich glaube, das ist auch erkennbar an der Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben. Ich habe mit großer Demut diese verantwortungsvolle Funktion übernommen. Sie ist eine der interessantesten und höchsten Funktionen, die die Gewerkschaftsbewegung ermöglicht. Mir ist vor allem auch bewusst, dass AK, ÖGB und die Gewerkschaften eine enge Zusammenarbeit benötigen, wenn sie erfolgreich die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer in einem geänderten Umfeld gegenüber der Regierung, der EU und im Rahmen der Sozialpartnerschaft vertreten wollen. Unseren Mitgliedern verpflichtet, mit klaren Positionen bei den Zukunftsfragen, mit motivierten und kundenorientierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die bemüht sind, die Vorgaben und Beschlüsse der Selbstverwaltung effektiv umzusetzen.

Nun zu deiner aktuellen Frage ...

A&W: Ich wollte noch was einfügen zu deiner Biographie, weil du ja ein Vierteljahrhundert praktisch schon in dem Bereich tätig bist, gleich nach deinem Studium zuerst hier in der AK in der wirtschaftspolitischen Abteilung ...

Muhm: ... ab 1975 war ich in der Wirtschaftspolitik, dann bin ich in den ÖGB - volkswirtschaftliche Abteilung gewechselt ...

A&W: ... die du geleitet hast bis ...

Muhm: Von 1987 bis 1990. Dann bin ich wieder herübergekommen in die AK. Es war damals schon das Ziel, die enge Verbindung dieser beiden Organisationen auch sicherzustellen und ich glaube, das ist uns gut gelungen. Beide Organisationen haben starken Rückhalt in der Bevölkerung.

»... Die Besteuerung der Unfallrenten gehört einfach weg. Und wenn man fragt, woher soll das Geld kommen, ist meine These, hätte die derzeitige Regierung bei der Stiftungsbesteuerung das gemacht, was sie angekündigt hat, dann stünden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung ...«

Treffsicherer Sozialabbau

Nun zu der aktuellen Frage Besteuerung der Unfallrenten: Um der Geschichte die Wahrheit zu geben, es waren zuerst der ÖGB und die Arbeiterkammer, die darauf hingewiesen haben, dass bei der Budgetkonsolidierung die Besteuerung der Unfallrenten eindeutig treffsicherer Sozialabbau ist, aber nichts mit sozialer Treffsicherheit zu tun hat. Sie trifft in hohem Maße sozial Schwächere. Das ist aus unserer Sicht sozial völlig inakzeptabel, und auch die Einschleifregelungen, die jetzt diskutiert werden, sind der falsche Weg. Die Besteuerung der Unfallrenten gehört einfach weg. Und wenn man fragt, woher soll das Geld kommen, ist meine These, hätte die derzeitige Regierung nur bei der Stiftungsbesteuerung das gemacht, was sie angekündigt hat, dann stünden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung.

A&W: Es hat den Anschein, dass selbst die als Feigenblatt verwendeten Experten sich von dieser Maßnahme distanzieren?

Muhm: Das war einer der erkennbarsten Brüche in der Politik, dass in der Vergangenheit die Experten doch eine Funktion gehabt haben: einerseits im Bereich der Sozialpartnerschaft, da sind Argumente gewertet worden. Gerade bei dieser Studie über die soziale Treffsicherheit, wenn ich das noch in Erinnerung bringen darf, hat ja die Regierung, 12 Stunden nachdem das Gutachten überreicht worden war, im Ministerrat ein Paket vorgelegt, das nur sehr begrenzt aus dieser Studie der Experten ableitbar ist. Damals wurde es ganz offenkundig, dass die derzeitige Regierung den Experten wirklich Feigenblattfunktion zuordnet und nicht das Einbringen von Sachverstand.

A&W: Es hat den Anschein, dass man mit diesem treffsicheren Sozialabbau zu einer Gesellschaft hinsteuert, in der soziale Probleme durch Konflikte gelöst werden und nicht durch Konsens. Wo stehen hier die Arbeitnehmerinteressenvertretungen? Manche Kommentatoren sagen, sie stünden mit dem Rücken an der Wand. Siehst du das auch so?

Klare Konzepte

Muhm: Ich seh eigentlich nicht, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Das, was in den ersten Monaten nach der rechtskonservativen Wende bei den Gewerkschaften und Kammern gewisse Irritationen ausgelöst hat, habe ich nach Botho Strauß den »Derwischtanz der Fixpunkte« genannt. Da waren wir anfänglich völlig überrascht, dass bestimmte Dinge, die man eigentlich auch im Fachbereich als logisch empfand - dass man den sozialen Dialog führt, dass man nicht »drüberfährt«, dass man Verhandlungen ernst nimmt, dass man bestimmte Grundprinzipien der Ökonomie anerkennt -, mit einem Schlag weggewischt waren. Es ist schon ein interessantes Phänomen, dass hier eine totale Machtübernahme mit einfacher Mehrheit erfolgte. Das ist etwas, das in Europa seinesgleichen sucht. Das gab es eigentlich nur unter Margaret Thatcher.

A&W: Man hat in der Wahlwerbung praktisch nie diesen gesellschaftlichen Umbau, der jetzt stattfindet, auch nur irgendwie angekündigt ...

Muhm: Das ist sicher richtig. Daher auch der berechtigte Widerstand, der vor allem zu Beginn sehr klar artikuliert war, weil viele Menschen fühlten, hinters Licht geführt worden zu sein. Das heißt, wir stehen eigentlich nicht mit dem Rücken zur Wand, sondern es ist erkennbar, dass der ÖGB und die Arbeiterkammer im Interesse ihrer Mitglieder sehr klare Konzepte auf den Tisch gelegt und diese auch argumentiert haben. Denkt man nur an das Thema Arbeitslosigkeit und Streichung der Arbeitslosenunterstützung vom ersten Tag an. Unsere Argumente waren in dem Sinn treffsicher. Und die Regierung hat Dinge zurückgenommen - erste Erfolge der Gewerkschaftsbewegung. Es ist klar, im Gesundheitswesen haben wir in Österreich ein ausgezeichnetes System, das international herzeigbar ist. Natürlich sind Reformen notwendig, aber eine Zerschlagung des Systems, so wie es die Regierung angedacht hat, ist von den Fakten her weder gerechtfertigt, noch wird es letztendlich gesellschaftlich akzeptiert. Das heißt, die Gewerkschaften haben zu vielen Themen der Zeit gute Ideen und gute Vorschläge.

A&W: Diese angedeutete Richtung sowohl beim Gesundheitswesen als auch bei den Pensionen, nämlich das Hinsteuern zu einer Privatisierung der sozialen Sicherung und der Krankenversicherung. Wie können wir diesem Trend entgegentreten?

Muhm: Ich glaube, man muss zum Ersten der Öffentlichkeit klar machen, dass viele unserer kollektiven Sicherungssysteme sehr erfolgreich sind und auch im internationalen Vergleich herzeigbar und für die überwiegende Zahl unserer Mitglieder vorteilhafter als andere Lösungen. Wir sind immer gegen die neue Ich- und Ellbogengesellschaft gewesen, wir waren immer gegen eine Gesellschaft des »Winner-takes-it-all«, der Gewinner, der Sieger kriegt alles und der Verlierer hat nix. Die Gesellschaft hat eine Verantwortung gegenüber den sozial Schwächeren. Sie hat Verantwortung für möglichst gleiche Bildungschancen. Ich glaube, dass unsere Sicherungssysteme da und dort Reformbedarf haben, aber in der Grundstruktur richtig angelegt sind.

Soziales Gewissen?

A&W: Wenn man davon reden könnte, dass es so was wie ein »soziales Gewissen« gibt, scheint mir das doch bei der derzeitigen Bundesregierung eher schwach entwickelt?

Muhm: Das würd' ich einmal als Grundthese sagen, aber es brechen ja auch dort bestimmte Widersprüche auf. Es ist doch erkennbar, besonders nach der Wiener Wahl, dass es auch da erhebliche Spannungen und Auffassungsunterschiede gibt. Wenn man so die Diskussion der letzten Wochen und Monate verfolgt, hat ja beispielsweise Herr Minister Haupt schon einmal von wertschöpfungsorientierter Beitragsfinanzierung gesprochen, hat Herr Staatssekretär Waneck gemeint, na ja, Beitrags- oder Umschichtungsmöglichkeiten müssten eigentlich genützt werden in der langfristigen Ausrichtung. Also das heißt, man erkennt schon, dass da gegenüber anderen Hardlinern, die, wie du das eben genau angesprochen hast, in Wahrheit die Zerschlagung des Gesundheitssystems planen, um zu privatisieren, doch auch eine gewisse Diskussion innerhalb der Regierung geführt wird.

A&W: Das einfache Parteimitglied aus Kärnten schickt sie dann wieder auf Kurs?

Muhm: Zwischen den Vorstellungen des einfachen Parteimitgliedes Herr Dr. Haider und zwischen dem totalen neoliberalen Kurs des Herrn Prinzhorn gibt es tatsächlich erhebliche Unterschiede. Herr Dr. Haider hat kürzlich angesichts des Debakels um die Unfallrenten der Regierung vorgeschlagen, »expertenfrei« zu regieren. Ich glaube vielmehr, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist im letzten Jahr von der derzeitigen Regierung tatsächlich schon expertenfrei regiert worden. Eine späte Erkenntnis ist besser als keine Erkenntnis. Also insoweit habe ich kein Problem, den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat.

A&W: Wenn Privatisierung der Trend ist mit dem öffentlichen Vermögen, gehen diese Ausgliederungen aus dem Budget dann auch in diese Richtung ...

Verantwortung

Muhm: Da muss ich sagen - wie du weißt, ich komme aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik -, das vergangene Jahr hat keine Spur des Fortschritts im wirtschaftspolitischen Bereich gebracht. Die Wirtschaftspolitik hat sich auf »Eventmarketing« reduziert. Ich sage nur drei Beispiele: Wir haben heute die aufgesplittertste Forschungs- und Technologielandschaft, die wir je gehabt haben. Die Überlegungen zur Reform des Kartellrechts, sagt jeder Experte, heißen längere Verfahren, heißen mehr Unsicherheiten. Die ganze unprofessionelle Diskussion um die Ausgliederung der Bankenaufsicht beispielsweise. Das wilde Hineingreifen in den Arbeitsmarktbereich und das Ausräumen der Töpfe mit 20 Milliarden Schilling. Das Chaos und die Unfähigkeit in der Infrastrukturpolitik, die Pleite bei den UMTS-Lizenzen etc. Ich könnte noch mehr aufzählen. Da ist eigentlich bei kritischer Betrachtung nichts zum Besseren verändert. Ganz entscheidend, denn das sind Weichenstellungen, die irreversibel sind, ist das ganze Thema rund um die ÖIAG und um die Unternehmungen, wo wir in der Gewerkschaftsbewegung immer für strategische österreichische Eigentümer eingetreten sind, da diese Unternehmungen mit den Konzernzentralen in Österreich einen Beitrag zur Optimierung der Wertschöpfung in Österreich liefern - und damit auch der Beschäftigung. Was da passiert ist, halte ich für das Unprofessionellste - vergleichbar mit den dunkelsten Zeiten der Verstaatlichten Industrie. Jetzt haben wir den Freundeskreis des Herrn Präsidenten Prinzhorn, und das ist mein Vorwurf, wenn man sich beispielsweise ansieht, was rund um den Börsegang der Telekom geschehen ist: Die Verantwortung nimmt dem ÖIAG-Aufsichtsrat niemand ab. Denn diese Herren haben politisch entschieden und nicht fachlich. Denn da sitzen Leute drinnen, die genau wissen mussten, wie der Börsekurs sich entwickelt, zu welchem Zeitpunkt sie an die Börse gehen. Die mussten wissen, dass das ein Verschleudern von Volksvermögen ist. Die haben ja noch gleich zusätzlich 4 Milliarden Schilling dem italienischen Partner zugeführt. Die einzigen Profiteure an dem ganzen System waren die Investmentbanker. Die berühmte Volksaktie Telekom hat neuerlich bei Zehntausenden Anlegern bittere Enttäuschung hervorgerufen. Herr Heinzl als Aufsichtsratspräsident, wenn man sich nur an seine Aktion rund um die Austrian Airlines erinnert, dass jemand, der in dem Unternehmen nicht in Funktion ist, über dieses Unternehmen noch dazu Falschaussagen macht und den Kurs beeinflusst, das wäre überall, in jedem anderen Land, ein Rücktrittsgrund für einen Aufsichtsratspräsidenten. Da wird an den Organen vorbei in die Unternehmungen hineinregiert zum Schaden der Unternehmen und zum Schaden der Beschäftigten. Und das berühmte Gutachten, das plötzlich auftauchte, und das Versilbern aller Beteiligungen der ÖIAG weit über das hinaus, was im Gesetz steht, ist auch ein eigenmächtiger Akt, der bemerkenswert ist. Als er aufgekommen war, war niemand daran beteiligt, sondern das war anscheinend ein Privatgutachten, das jemand völlig gratis zur Verfügung gestellt hatte. Ich frag mich immer nur: Cui bono - wem nützt das? Sicher nicht den Beschäftigten, nicht den Unternehmen!

»... Eine späte Erkenntnis ist besser als gar keine. Also insoweit habe ich keine Probleme, den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat ...«

Vertreibung aus dem Paradies

A&W: Letzten Endes, was können wir jetzt unseren Lesern und den Arbeitnehmern und den Arbeitnehmervertretern sagen? Du hast das ja zusammengefasst in einem deiner letzten Beiträge als »Vertreibung aus dem Paradies«. Kann man wirklich sagen, dass die Arbeitnehmer aus dem Paradies vertrieben sind?

Muhm: Das war nur der Titel einer Diskussionsveranstaltung. Ich glaube, die Arbeitnehmer waren nie im Paradies, sondern wir haben alle unsere Dinge erkämpfen müssen, und das ist etwas, was, glaube ich, auch den Arbeitnehmern wieder klarer werden muss, die Gewerkschaftsbewegungen sind Kampforganisationen, denn von selbst kommt nichts. Sie brauchen daher auch die Unterstützung der Mitglieder. Sich als Mitglied zurückzulehnen, reicht nicht aus, sondern natürlich macht die Stärke die Organisationskraft und Organisationsfähigkeit aus. Da glaube ich, dass das vielen Arbeitnehmern wieder bewusst wird, dass es gute Gründe gibt, organisiert zu sein in der Gewerkschaftsbewegung. Was die Arbeiterkammer betrifft, haben wir ja mit dem Projekt »AK-plus« - mehr Leistung ums gleiche Geld für unsere Mitglieder - klare Vorgaben unserer Präsidenten, dass wir bis Mitte des Jahres ein herzeigbares Programm vorlegen, das mehr Mitgliedernähe und neue Leistungen für unsere Mitglieder, vor allem im Bereich der Konsumentenpolitik, der Aus- und Weiterbildung, bringt. In den Bereichen, wo wir zunehmend gefordert sind, da das politische Umfeld, eben das Agieren gegen Arbeitnehmer, sich verschärft hat, werden wir die Beratungsaktivitäten im Sozialbereich, im Arbeitsrecht weiter ausbauen. Und mit dem Programm »AK-plus« werden wir in den Arbeiterkammern noch bessere Leistungen für unsere Mitglieder anbieten und gemeinsam mit den Gewerkschaften - bin ich überzeugt - eine noch schlagkräftigere Organisation für die Arbeitnehmer dieses Landes darstellen.

A&W: Danke für das Gespräch.

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(Mit dem AK-Direktor Werner Muhm sprach Siegfried Sorz.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Apr 2001 00:00:00 +0200 1197995235226 Neid als Politik? | Zur Unfallrentenbesteuerung Treffsichere Besteuerung

Bei ihrem Entschluss, die Unfallrenten zu besteuern, argumentiert die Bundesregierung mit dem im September von Prof. Mazal präsentierten Expertenpapier über die »Erhöhung der Treffsicherheit« der Sozialleistungen. Dort heißt es wörtlich:

»Überlegt man eine Besteuerung der Unfallrenten, ist zu bedenken, dass eine solche Maßnahme in ihrem ökonomischen Effekt materiell zu einer nicht unbeträchtlichen Reduktion einer Sozialleistung führt; die Besteuerung wäre freilich für sich genommen insofern unter Treffsicherheitsgesichtspunkten argumentierbar, als sie nur progressionsabhängig - und damit vor allem bei Personen wirksam wird, die neben der Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung noch andere Einkommen beziehen. Darüber hinaus könnte (...) eine teilweise Verwendung dieser Mittel zugunsten von Personen erfolgen, bei denen zwischen der abstrakten Rente und dem konkreten Einkommensentfall eine größere Lücke klafft; auch könnten die Mittel zugunsten der konkreten Förderung Behinderter eingesetzt werden. In quantitativer Hinsicht ist festzuhalten, dass nach Berechnung des BMF etwa 6 Mrd. Schilling an Unfallrenten ausgezahlt werden. Aufgrund der Einkommensschichtung der Rentenempfänger müssten sich im Falle einer Steuerpflicht daraus steuerliche Mehreinnahmen von etwa 2 Milliarden Schilling ergeben. Aus heutiger Sicht sind nach Auffassung des BMF auch Administrativprobleme nicht zu erwarten«. So weit die Experten.

Neoliberales oder sozialstaatliches Grundprinzip?

Eine Frage bleibt hier freilich - wie in der gesamten Debatte um »Treffsicherheit« - offen: Soll der Sozialstaat nur die notwendigste Hilfe in Notfällen absichern, oder ist der Sozialstaat eine notwendige Klammer zur Integration der gesamten Gesellschaft?

Insbesondere liberale und neoliberale Positionen vertreten die Ansicht, der Sozialstaat sei ausschließlich zuständig, effiziente Hilfe in Notfällen zu leisten. Für alle anderen Wechselfälle des Lebens hätten die Betroffenen selbst vorzusorgen, ein freier Markt würde die dafür notwendigen Voraussetzungen schaffen. Staatliche Leistungen, die über diese Hilfe in echten Notfällen hinausgehen, würden - in dieser Sichtweise - zwangsläufig zu einer »Überversorgung« führen; ein »treffsicherer« Sozialstaat habe diese eben wieder abzubauen.

Der in der Auseinandersetzung der organisierten Arbeiterbewegung gewachsene und im sozialpartnerschaftlichen Konsens gefestigte österreichi-sche Sozialstaat geht hingegen davon aus, dass sozialstaatliche Leistungen nicht nur große Not und Armut befriedigen sollen, sondern durch eine Sicherung des erworbenen Lebensstandards der Versicherten außerhalb des Erwerbssystems für einen maximalen Zusammenhalt der gesamten Gesellschaft zu sorgen habe. Daher wird hier von einer gewachsenen Verbindung von Armutspolitik und Einkommensersatz ausgegangen.

Medium der Solidarität

So gesehen schafft unser Sozialstaat »Gelegenheiten« im Nahraum der Betroffenen/Berechtigten und verrechtlicht diese in der Sozialgesetzgebung. Diese definiert bestimmte Risken bzw. transferabhängige Lebenssituationen als zeitlich begrenzte Lebenslagen (Ausbildung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter etc.) und liefert in der Regel mit der Definition des Zustandes auch gleich die verrechtlichte Antwort in Form einer bestimmten zeitlich begrenzten Leistung (Stipendium, Arbeitslosengeld, medizinische Versorgung, Pension etc.)

Wenn man die gegenwärtige politische Diskussion um die Richtung der österreichischen Sozialpolitik über die Tagespolitik hinaus verstehen möchte, muss man diese beiden unterschiedlichen und prinzipiell nicht zu vereinbarenden Grundprinzipien erkennen: Auf der einen Seite eine wirtschaftsliberale Richtung, die den Sozialstaat nur als letztes Fangnetz von auf dem freien Markt agierenden Menschen versteht und daher »Überversorgung« reduzieren möchte, um die Kosten zu senken. Auf der anderen Seite die gewerkschaftliche Sozialpolitik, für die der Sozialstaat ein wesentliches Instrument für den Zusammenhalt der Gesellschaft, ein Medium der Solidarität zwischen Jung und Alt, Krank und Gesund, Beschäftigt und Arbeitslos ist.

Die Besteuerung der Unfallrente

Unfallrenten sind gesetzlich definierte Leistungen zur Abgeltung von körperlichen Schädigungen und Schmerzen, die im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung (und gesetzlich definierten vergleichbaren Zuständen) entstanden sind. Mit dem Bestehen der gesetzlichen Unfallrenten ist der individuelle Schadenersatzanspruch des/der Einzelnen gegenüber dem Betrieb verschwunden. Die Unfallversicherung ist daher als Haftpflichtversicherung des Dienstgebers zu verstehen, es sind auch nur die Dienstgeber beitragspflichtig, die Selbstverwaltung der Allgemeinen Unfallversicherung liegt hauptsächlich in Händen der Dienstgeber.

Die Unfallrente ist daher nicht (wie etwa die Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension) als Einkommensersatz bei Erwerbsminderung und auch nicht (wie etwa das Pflegegeld) als teilweiser Ersatz der pflegebedingten Mehraufwendungen zu verstehen, sondern als gesetzlich genormtes und zentralstaatlich reguliertes Schmerzensgeld bei (bestimmten) Schädigungen aus dem Erwerbsleben. Aus diesem Grund ist eine Unfallrente nicht als »Versorgungsleistung« zu verstehen (weshalb logischerweise auch keine »Überversorgung« entstehen kann), sondern genau so zu behandeln, wie alle ande- ren (zivilrechtlichen) Schmerzensgeldansprüche.

Verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung

Wenn daher Unfallrenten nunmehr besteuert werden, andere Schmerzensgeldleistungen und Leistungen privater Haftpflichtversicherungen aber (weiterhin) nicht, so ist hier eine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung zu vermuten. Doch die hier konstatierte Ungleichbehandlung hat noch weitere Facetten: Während die gesetzliche Unfallrente nunmehr besteuert wird, werden die (vergleichbaren) Renten der fünf Versorgungsgesetze (Kriegsopferversorgung, Heeresopfergesetz, Opferversorgungsgesetz, Verbrechensopfergesetz und Impfschadensgesetz) weiterhin nicht besteuert. Rechtslogik ist hier keine zu erkennen, aber es ist die Angst der FPÖ-Regierungsmitglieder zu vermuten, es sich nicht mit ihrer »Klientel« der Kriegsopfer verscherzen zu wollen. Dem wird das Gleichbehandlungsgebot der Bundesverfassung geopfert. Noch mehr: Die im letzten Jahr auf Wunsch der FPÖ eingeführte neue Rente für ehemalige Kriegsgefangene in sowjetischen Gefangenenlagern (erstaunlicherweise gibt es keine vergleichbare Rente für ehemalige Kriegsgefangene in »westlichen« Lagern) wird ebenfalls keiner Versteuerung unterzogen. Sozialpolitik als Anlassgesetzgebung oder als Instrument staatlicher Gerechtigkeitspolitik, kann man sich da nur fragen.

Die Auswirkung

Die Besteuerung der Unfallrenten erfolgt dergestalt, dass das Renteneinkommen (brutto) dem gesamten Jahreseinkommen (vor Steuern) zugeschlagen wird; danach wird das so zu ermittelnde Gesamteinkommen versteuert. Beim Zusammenfall von Unfallrenten mit anderen Einkommen wird die Unfallrente zum »Grenzeinkommen«, ist also jedenfalls mit dem höchsten persönlichen Steuersatz zu besteuern. Der Effekt: Ein guter Teil der Unfallrente geht an die Steuer. Das kann dann folgendermaßen aussehen:

Herr Müller hat bislang eine ASVG-Nettopension von 19.000 Schilling und eine Unfallrente von 12.000 Schilling bekommen, in Summe also 31.000 Schilling für einen beidbeinig amputierten Facharbeiter. Ab Jänner 2001 erhält er wegen der neuen Steuerpflicht netto um 5604 Schilling im Monat weniger, das ist fast die Hälfte seiner bisherigen Unfallrente. Als Pensionist wird diese Steuer gleich vom Pensionsversicherungsträger in Abzug gebracht, er erhält weniger Geld ausgezahlt. Anders wäre es, wenn er neben seinen 12.000 Schilling Unfallrente ein Aktiveinkommen von 19.000 Schilling netto erhielte. In diesem Fall müsste er die Unfallrente im Zuge der Arbeitnehmerveranlagung im Jänner des kommenden Jahres geltend machen; er muss dann aber mit einer Steuernachzahlungsforderung von fast 80.000 Schilling rechnen.

Die sozial Schwachen schützen?

Im Zuge des Wiener Landtagswahlkampfes hat der »einfache« Landeshauptmann von Kärnten neulich in einer TV-Pressestunde gefordert, die »sozial Schwachen« müssten aus dieser Besteuerung befreit werden. Nach einigem Zögern hat die Bundesregierung diesen Zuruf aus der Provinz aufgegriffen und beeilt sich, nunmehr nach Lösungen für die »sozial Schwachen« zu suchen.

Nicht nur die - für Österreich bisher ungewöhnliche - Vorgangsweise mutet eigenartig an, auch der Inhalt dieses Versuches, die »Treffgenauigkeit« für die »sozial Schwachen« zu retten. Denn diese sind (mangels steuerpflichtigen Einkommens) von dieser Besteuerung ohnehin nicht oder nur in einem sehr geringen Ausmaß betroffen. Betroffen sind Normalverdiener, die im Zuge ihrer Erwerbstätigkeit dauerhaft verletzt worden sind. Die Regierung ist offensichtlich nicht bemüht, auf jene von Mazal (siehe oben) angekündigten 2 Milliarden Mehreinnahmen für das Bundesbudget zu verzichten - sonst würden sie diese verfassungsrechtlich zweifelhafte Besteuerung ja aufheben -, sondern sie bemühen sich nur, es »treffsicherer« aussehen zu lassen, indem die (ohnehin kaum getroffenen) »sozial Schwachen« verschont werden sollen.

Dies ist wieder ein Ausdruck jenes neoliberalen Politikverständnisses, nach dem soziale Leistungen nur für die »ganz Armen« da sein sollen. Die »Besserverdienenden« (und in diesem Bild gehört jemand, der über 19.000 Schilling netto verfügt, schon lange zu den »Besserverdienenden«) sollen hingegen für sich selbst sorgen; Sozialleistungen für »Besserverdienende« sind hingegen als »Überversorgung« zu qualifizieren. Hier werden politische Symbole gesetzt, um von einer unsozialen Budgetpolitik abzulenken, hier wird Neid als Politik hoffähig gemacht.

Was tun?

Diese Besteuerung von Unfallrenten ist vermutlich verfassungswidrig. Wenn der Verfassungsgerichtshof diese Verfassungswidrigkeit festgestellt haben wird, wird die Bundesregierung aufgefordert werden, diese Besteuerung aufzuheben (oder für alle anderen Renten und Schmerzensgeldleistungen auch einzuführen). Wird die Unfallrentenbesteuerung aufgehoben, gilt das für all jene, die gegen einen Steuerbescheid Einspruch erhoben haben, rückwirkend, für alle anderen ab In-Kraft-Treten der neuerlichen Gesetzesänderung.

Wenn wir aber davon ausgehen, dass Neid auch im Jahr 2001 keine politische Kategorie sein sollte, dann ist zwangsläufig von der Bundesregierung zu fordern: Wartet nicht, bis euch der Verfassungsgerichtshof dazu zwingt, sondern schafft die Besteuerung der Unfallrenten ab, am besten rückwirkend ab 1. 1. 2001!

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Tom Schmid (Politikwissenschafter und Leiter der Sozialökonomischen Forschungsstelle) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Apr 2001 00:00:00 +0200 1197995235155 »Kein Problem, den Herrn Haider zu unterstützen ...« Der Umstand, dass auch dem »einfachen Parteimitglied« in Kärnten aufgefallen ist, wie offensichtlich hier das Unrecht ist, wird unter anderem auch von AK-Direktor Werner Muhm in einem aktuellen Interview kommentiert. Muhm sieht kein Problem darin, »den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat«.

Die »Partei« oder die »Bewegung« der »F-linge« will Hans Sallmutter als Präsidenten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger weghaben. Der so unter »Dauerbeschuss« stehende Arbeitnehmervertreter hat sich bis jetzt gut gehalten und kommt natürlich auch in dieser Ausgabe in einem aktuellen Kommentar ausführlich zu Wort.

»Typisch atypisch« könnte man nur sagen, wenn man sich einen immer größer werdenden Bereich von Jobs ansieht, wie sie zum Beispiel Frauen im Supermarkt verrichten. Diese Art von »atypischer Beschäftigung« ist in diesem Heft Gegenstand einer umfassenden Analyse.

Dazu werden aufmerksame Leser aber auch die Kurzmeldung auf Seite 44 in Bezug bringen. Dort erklärt der Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes:

»Mit einer Teilzeitarbeitsgesellschaft können wir das gemeinsame Europa nicht bauen ...«

Vor rund einem Monat hat ÖGB-Präsident Verzetnitsch als einer der Ersten seine Stimme erhoben gegen die Diskriminierungen und die Hetze des Dr. Jörg Haider (nachzulesen auf Seite 5). Fritz Verzetnitsch fand es für notwendig darauf hinzuweisen, dass eben dieser Dr. Jörg Haider am 3. Februar 2000 gemeinsam mit dem Herrn Dr. Wolfgang Schüssel ein Regierungsübereinkommen unterschrieben hat, in dessen Präambel Sätze stehen wie: »Die Bundesregierung tritt für Respekt, Toleranz und Verständnis für alle Menschen ein, ungeachtet ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung. Sie verurteilt und bekämpft mit Nachdruck jegliche Form von Diskriminierung, Intoleranz und Verhetzung in allen Bereichen ...« und »Die Bundesregierung arbeitet für ein Österreich, in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden. Sie wird jeder Form von menschenverachtendem Gedankengut und seiner Verbreitung konsequent entgegentreten und sich für die volle Beachtung der Rechte und Grundfreiheiten von Menschen jeglicher Nationalität einsetzen - gleichgültig aus welchem Grund sich diese in Österreich aufhalten. Sie bekennt sich zu ihrer besonderen Verantwortung für einen respektvollen Umgang mit ethischen und religiösen Minderheiten.«

Sollten wir die Bundesregierung und den Herrn Haider nicht in diesen Bestrebungen unterstützen?

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995234123 Die Folgen des medizinischen Fortschrittes | Längerfristige Aspekte und Entwicklungen Gerade in der Sozialpolitik kommt es auf die Details an. Es gilt, ein genügend dichtes und tragfähiges soziales Netz zu knüpfen. Und gleichzeitig darauf zu achten, dass die Bestimmungen nicht so gefasst sind, dass selbst Gutwillige verleitet werden, sie zu missbrauchen, und dass Böswillige sie nicht allzu leicht missbrauchen können. Jede einzelne Bestimmung, jede Formulierung ist da wichtig. Deshalb vertiefen sich die Sozial-politiker oft zu Recht in winzige, aber letztlich doch sehr bedeutsame Details.

Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen ...

Eine Gefahr sollte man dabei aber wo-möglich zu vermeiden trachten: dass man die großen Trends, die bedeutsamen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf unser Sozialsystem zu wenig beachtet oder gar völlig übersieht. Dass man vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht.

Eine solche große Entwicklung ist der rasante medizinische Fortschritt der letzten Jahrzehnte. Denn dieser Fortschritt wird auf mannigfaltige Weise entscheidende Auswirkungen auf viele Bereiche unseres Sozialsystems haben. Gewaltige Anpassungen werden stattfinden müssen. Anpassungen, deren Notwendigkeit wir derzeit erst allmählich erkennen und mit deren Verwirklichung wir erst jetzt punktuell beginnen. Anpassungen, die wir aber im Interesse des gesamten Systems planen und systematisch angehen sollten.

Der medizinische Fortschritt hat vor allem zwei Auswirkungen, auf die hier näher eingegangen werden soll: Die Menschen leben wesentlich länger und die medizinische Versorgung dieser Menschen wird wesentlich teurer. Damit wird die Finanzierung zweier wichtiger Elemente unseres Gesellschaftssystems - zumindest in ihrer bisherigen Form - in Frage gestellt: die Altersversorgung und die Krankenversorgung. Das gilt nicht nur für Österreich und die Art, wie wir derzeit in Österreich diese Fragen regeln, sondern für alle modernen Industriestaaten und in letzter Konsequenz auch für die Länder der Dritten Welt, die diese Problembereiche erst langsam angehen.

Die Kostenfrage

Wenden wir uns vorerst dem Gesundheitswesen zu. Niemand, der sich nur ein wenig auskennt, wird leugnen, dass Österreich ein ganz ausgezeichnetes Gesundheitssystem hat. Das gilt in vielerlei Hinsicht. Wir haben eine hervorragende medizinische Versorgung auf höchstem Niveau, eine erstklassige Ausbildung der Ärzte und aller anderen Berufszweige des medizinischen Sektors, unser System ist so gestaltet, dass die gute Versorgung allen Schichten der Bevölkerung zur Verfügung steht und das alles zu - im Verhältnis zu unserem Volkseinkommen und zu den Systemen anderer vergleichbarer Länder - doch halbwegs erträglichen Kosten.

Das soll nun sicher nicht heißen, dass alles perfekt wäre. Sicher kann und soll man alle Aspekte dieses Systems immer wieder kritisch durchleuchten. Es ist sogar offenkundig, dass sich noch vieles verbessern lässt und daher verbessert werden sollte. Unser Gesundheitssystem wurde von Menschen entworfen und wird von Menschen durchgeführt. Es wird daher unweigerlich Fehler aufweisen. Man kann und muss darüber diskutieren, welche Details, aber auch welche grundsätzlichen Aspekte verbessert werden sollten. Im Großen und Ganzen liefert aber das österreichische Gesundheitssystem bisher gute Resultate zu annehmbaren Kosten.

Nun sehen wir uns aber einem immer rasanter werdenden medizinischen Fortschritt gegenüber, der auch gigantische Auswirkungen auf die Kosten der medizinischen Versorgung hat. In allen Ländern steigt daher der Anteil der Kosten dieser medizinischen Versorgung am BNP mehr oder weniger rasch an. In den USA, die hier an der Spitze liegen, hat er 2000 bereits 14 Prozent des BNP erreicht - und trotzdem ist ganz offenkundig, dass die USA zwar die teuerste, aber mit Sicherheit nicht die beste medizinische Versorgung in der Welt haben. So ist nur etwa ein Drittel der Amerikaner ausreichend, ein weiteres Drittel ist wenigstens teilweise, aber ein volles Drittel gar nicht für Medikamentenkosten versichert. Wer keine Versicherung hat, kann sich aber in der Regel die immer teurer werdenden Medikamente ganz einfach nicht leisten.

Neue Medikamente

Denn die neuen Medikamente wirken zwar oft beinahe Wunder, aber sie sind manchmal extrem teuer. Das gilt auch und gerade für Medikamente, die über Jahre (oft für das restliche Leben) täglich eingenommen werden müssen. Dabei handelt es sich in manchen Fällen um wirksame Medikamente gegen sehr häufig auftretende Krankheiten und Beschwerden. Die Versicherungen - ob private oder staatliche - sind immer weniger in der Lage, für diese Medikamente zu bezahlen. Ähnliches gilt auch für manche »Apparaturen« wie zum Beispiel Herzschrittmacher oder für manche »Verfahren« wie die Dialyse. Immer mehr Menschen brauchen sie (weil sie nicht früh an allen möglichen anderen Krankheiten sterben und daher älter werden), aber die Kosten dafür schlagen dann voll zu Buche.

Beitragserhöhung

In dieser Situation versuchen die Versicherer - ob private oder staatliche - sich mit verschiedenen Methoden zu helfen. Erstens gibt es das Mittel der Beitragserhöhung. Von der Krankenversicherung verlangt man immer mehr Leistungen, sie wird daher immer teurer. Dieser Methode sind aber vermutlich Grenzen gesetzt, obwohl es sehr auf die Einstellung der Bevölkerungen ankommen wird, wo diese Grenzen liegen.

Kostenbeteiligung

Ein zweites, häufig eingesetztes Instrument ist der Versuch, die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch die Kranken dadurch zu verringern, dass man eine Kostenbeteiligung vorsieht. Gegen dieses System spricht die Gefahr, dass dann notwendige Versorgungen, sei es aus Sparsamkeit oder aus finanzieller Notwendigkeit, ganz einfach unterbleiben. Dennoch wird es fast überall angewendet: bei uns in Österreich beispielsweise bei den Rezeptgebühren, seit allerneuestem bei den Ambulanzgebühren, bei der Kostenbeteiligung an verschiedenen Leistungen bei Zahnarzt und Optiker oder sogar generell sowohl bei öffentlichen (BVA der Beamten) als auch bei privaten Versicherungsträgern.

Rationierung der Leistung

Eine weitere Möglichkeit ist die Rationierung der Leistungen: Gewisse Leistungen werden ganz einfach gar nicht oder nur sehr begrenzt erbracht. Auf die fehlende Versicherung für Medikamentenkosten für weite Kreise (vor allem die Pensionisten, die das aber besonders dringend brauchen würden) in den USA wurde schon hingewiesen. In England ist die Wartezeit für viele Spitalsbehandlungen so lange, dass man von einer De-facto-Rationierung sprechen kann. Und die bei manchen Medikamenten in Österreich erforderliche chefärztliche Bewilligung hat auch ein gewisses Rationierungselement.

Neoliberale Rezepte

Von Neoliberalen aller Schattierungen wird auch gerne ein freier Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungsträgern empfohlen. Im Wettbewerb würden sich alle um niedrigere Tarife und bessere Leistungen bemühen. Bei den niedrigeren Tarifen stimmt das vermutlich, bei den besseren Leistungen, wie die amerikanische Entwicklung beweist, offenkundig nicht - ganz im Gegenteil. Die, wie sie allgemein genannt werden, HMOs (Health Maintenance Organizations) genießen inzwischen den denkbar schlechtesten Ruf. Nicht nur, dass sie fürchterlich bürokratisch sind und fast jede Leistung umständlich bewilligt werden muss (falls sie überhaupt bewilligt wird, denn im Rationieren sind die HMOs auch ganz groß), erbringen sie nach Meinung ihrer Versicherten vielfach nur minderwertige Leistungen. Die mit den HMOs zusammenarbeitenden Ärzte meinen wiederum oft, dass ihnen die Regeln dieser Versicherung eine optimale Versorgung ihrer Patienten unmöglich machen. Die Unzufriedenheit mit den HMOs ist eines der Hauptthemen der amerikanischen Innenpolitik.

Nicht voll befriedigende Kompromisslösungen

Offenkundig ist bis jetzt niemandem ein System eingefallen, wie man eine ausreichende Versorgung aller Schichten der Bevölkerung mit allen Fortschritten der modernen Medizin zu erträglichen Kosten gewährleisten kann. Wir müssen uns daher weiterhin (und vermutlich sogar zunehmend) mit nicht voll befriedigenden Kompromisslösungen abfinden. Das Problem wird in Zukunft sicher sogar zunehmen, obwohl wir ebenso sicher einen steigenden Anteil unseres BNP für die medizinische Versorgung aufwenden werden.

Damit kommen wir zu den Auswirkungen der modernen Medizin (und damit der viel längeren Lebenserwartung) auf unser Pensionssystem. Hier wird (besonders von Bankern, Versicherungsmanagern und anderen Finanzfachleuten) häufig so getan, als ob man die Probleme durch eine zumindest teilweise Umstellung von unserem Umlagesystem auf ein Ansparsystem (und jeder von ihnen bietet sofort das beste Produkt dafür aus seinem Bauchladen an) lösen könnte. Wäre das nur wahr! Aber leider ist es bei weitem nicht so einfach.

Pension

Längere Lebenserwartung heißt vorerst, dass die Menschen bei gleichbleibendem Pensionsantrittsalter länger in Pension sind - konkret viel länger als früher, und diese Tendenz verstärkt sich ununterbrochen weiter. Wenn man einmal alle Fragen der Finanzierung beiseite lässt, bedeutet das: Bei einem gegebenen Volkseinkommen und mehr Pensionisten im Verhältnis zur Zahl der Berufstätigen (lassen wir für den Augenblick die noch nicht berufstätigen Kinder und Jugendlichen außer Acht) steht entweder ein Mehr an Gütern und Leistungen für die Pensionisten (und damit weniger für die Berufstätigen) zur Verfügung, oder für jeden einzelnen Pensionisten stehen weniger Güter und Leistungen zur Verfügung.

An dieser Tatsache kann keine noch so geschickte Finanzierungsmethode etwas ändern.

Denn die Verschiebung im Verhältnis zwischen der Zahl der Berufstätigen und der Zahl der Pensionisten muss sich auch auf das Verhältnis der für jede dieser beiden Gruppen zur Verfügung stehenden Güter und Leistungen aus dem gesamten Volkseinkommen auswirken. Erst wenn man das zur Kenntnis genommen hat, kann man sinnvollerweise über die beste Methode zur Finanzierung dieser Verteilung und ihrer eventuell notwendigen Veränderung nachdenken.

Unangenehme Schlussfolgerungen

Da dieses Nachdenken aber zu unangenehmen Schlussfolgerungen führen muss, steht es vielleicht auch dafür, die Alternativen in Erwägung zu ziehen. Man könnte das Problem mildern (wenn auch vermutlich nicht beseitigen), wenn man die Altersgrenze zwischen Berufstätigen und Pensionisten verschiebt, das heißt anhebt. Wenn die Menschen später in Pension gehen, sind sie länger berufstätig und kürzer in Pension, das Verhältnis zwischen der Zahl der Berufstätigen und der Zahl der Pensionisten ändert sich.

Auch das ist keine angenehme Botschaft. Denn in fast allen Industriestaaten ist das effektive Pensionsantrittsalter in den letzten Jahrzehnten gesunken, und zwar sogar auch dann, wenn das offizielle Antrittsalter angehoben wurde. Das hat seine guten Gründe: Das Arbeitstempo wird immer weiter verschärft, die physische und psychische Belastung am Arbeitsplatz nimmt zu und die Unternehmen, die jüngere und oft leistungsfähigere Arbeitskräfte bevorzugen, drängen ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess. Doch die Realitäten zwingen die Industriestaaten zum Umdenken. In einzelnen Ländern beginnt das effektive Pensionsantrittsalter (nicht zuletzt als Folge von Gesetzen, die eine frühe Pensionierung erschweren oder finanziell bestrafen) wieder sachte zu steigen, und sogar österreichische Unternehmen sind wieder zunehmend bereit, arbeitslos gewordene ältere Menschen einzustellen. Denn viele Menschen haben nicht zuletzt deshalb eine Frühpensionierung angestrebt und sind aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden, weil ihnen ihr Arbeitgeber ein diesbezügliches Angebot gemacht hat, zu dem sie nicht nein sagen konnten und sie genau wussten, dass sie in ihrem Alter einen anderen Arbeitsplatz auf dem Arbeitsmarkt kaum finden würden.

Die Jungen und die »Kinderzahl«

Das Thema der noch nicht im Berufsleben Stehenden wurde bisher ausgeklammert. Tatsächlich ist die Zahl der Kinder pro Jahrgang in Österreich (wie in den meisten Industriestaaten) zurückgegangen, dafür dauert die Ausbildung im Schnitt wesentlich länger, obwohl wir zu den Ländern mit der geringsten Zahl an Hochschulabsolventen zählen. Insgesamt hat sich die Zahl der von den Berufstätigen zu erhaltenden jungen Menschen nicht so dramatisch verändert wie jene der Pensionisten, aber hier droht Gefahr für die Zukunft. Die Bevölkerungsstatistiker sagen uns, dass ohne Wanderungsbewegungen die Zahl der Berufstätigen in den kommenden Jahrzehnten sehr spürbar zurückgehen wird. Damit würde sich das Problem des Verhältnisses zwischen Berufstätigen und Pensionisten noch weiter verschärfen. Daran könnte (und das auch nur mittelfristig) eine steigende Kinderzahl etwas ändern, die aber auch mit allen möglichen kostspieligen Unterstützungsprogrammen kaum in ausreichendem Ausmaß zu erreichen sein dürfte. Eine andere Möglichkeit wäre der Zustrom von Berufstätigen aus dem Ausland, wogegen sich in Österreich die größere Regierungspartei (und in ihrem Schlepptau die Gesamtregierung unseres Landes) allerdings mit größter Heftigkeit wehrt.

Verteilungsprobleme

Wenn man sich einmal darüber im Klaren ist, wie man das Problem der Verteilung des Volkseinkommens zwischen Berufstätigen und Pensionisten regeln will, muss man sich natürlich auch mit den Methoden der Finanzierung der gewählten Verteilungsstrategie befassen. Kein vernünftiger Mensch (einzelne so genannte Finanzfachleute beweisen mit ihrem Widerspruch nur, dass sie nicht vernünftig, sondern nur geldgierig sind) wird bezweifeln, dass das in Europa bewährte Umlagesystem (das heißt, die Pensionen werden aus den Einkommen der Berufstätigen finanziert) die Hauptsäule unseres Pensionssystems bleiben soll und wird. Daneben kann es aber auch durchaus sinnvoll sein, eine ergänzende Finanzierung aus angesparten Beträgen (also aus dem Kapitaleinkommen in unserer Volkswirtschaft) heranzuziehen. Ein Ansatzpunkt könnten dabei durchaus auch die von den Unternehmen für Abfertigungszahlungen zurückgestellten Beträge sein. Solche Gedanken wurden zum Beispiel bereits 1975 am 8. Bundeskongress des ÖGB zur Diskussion gestellt.

Arbeitnehmergelder und Mitbestimmung

Bei allen solchen Überlegungen sollte man aber nicht außer Acht lassen (die Unterlagen zum 8. Bundeskongress sind darauf stark eingegangen), dass es sich dabei um Gelder der Arbeitnehmer handelt und dass sie daher ein Recht auf einen entsprechenden Einfluss auf die Veranlagung dieser Gelder haben. In manchen Ländern sind von Arbeitnehmern und Gewerkschaften kontrollierte Pensionsfonds wichtige Teilnehmer auf dem Kapitalmarkt, die ihren Einfluss auf die Unternehmen, an denen sie Aktien besitzen, in vielfältiger Form geltend machen. Es gibt (auch in Österreich) allerdings Finanzfachleute, die das nicht gerne hören.

Dennoch wäre es ein Unsinn zu glauben, wir würden irgendwann in absehbarer Zeit in der Lage sein, unsere Pensionen ausschließlich aus dem Einkommen eines angesparten Kapitalstockes zu finanzieren. Dafür wäre selbst das gesamte Kapitaleinkommen im Rahmen des Volkseinkommens unseres Landes bei weitem zu wenig.

Um zum Anfang zurückzukehren: Der medizinische Fortschritt stellt auch unser gesamtes System der sozialen Vorsorge vor gewaltige neue Aufgaben. Es ist heute noch nicht abzusehen, wie wir diese Aufgaben im Detail lösen werden. Aber es steht sicher dafür, auch im Trubel der notwendigen täglichen Entscheidungen diese längerfristigen Aspekte und Entwicklungen nicht aus den Augen zu verlieren. Denn je früher man die Probleme angeht, um so allmählicher und sanfter kann jeder notwendige Übergang gestaltet werden. Daher sollten wir uns schon jetzt mit allen diesen Problemen ernsthaft befassen.

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Thomas Lachs http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995234046 Arbeitnehmerschutz im Internet | Wer sucht, der findet Um Sicherheitsvertrauenspersonen (SVP), Betriebsräte und interessierte Kollegen in Fragen des Arbeitnehmerschutzes zu unterstützen, hat die Arbeiterkammer Wien auf ihrer Homepage www.akwien.at auch eine Seite der Abteilung »ArbeitnehmerInnenschutz und Arbeitsgestaltung« als Serviceseite eingerichtet. Sie können diese Seite direkt unter www.arbeitnehmerinnenschutz.at, www.arbeitsgestaltung.at oder am besten einfach unter www.svp.at aufrufen. Einige Beispiele aus dem Inhalt:

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Auf häufig gestellte Fragen zum Thema Arbeitnehmerschutz finden Sie hier rasch Antwort, wie beispielsweise: »Ist die Strahlung vom Bildschirmgerät gesundheitsschädigend?« oder: »Muss im Sommer bei hohen Außentemperaturen weitergearbeitet werden?«

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Die Abteilung »ArbeitnehmerInnenschutz und Arbeitsgestaltung« organisiert in regelmäßigen Zeitabständen Veranstaltungen für die Zielgruppen Betriebsräte, Sicherheitsvertrauenspersonen, Sicherheitsfachkräfte und Arbeitsmediziner sowie interessierte Arbeitnehmer. Wer regelmäßig reinschaut, weiß, was läuft und kann sich gleich online anmelden.

SVP-Kurse

Die Arbeiterkammer Wien und der ÖGB führen gemeinsam branchenspezifische und branchenübergreifende Grundseminare und weiterführende Seminare für Sicherheitsvertrauenspersonen durch. Termine, Themen und nähere Informationen dazu können abgefragt werden.

Publikationen

Hier können Broschüren zum Thema Arbeitnehmerschutz bestellt werden. Einige davon können Sie auf Ihren Rechner herunterladen.

Links

»Evaluierungsprojekt der BAK, WKÖ und AUVA« Die so genannten Institutionen haben branchenbezogene Evaluierungsblätter erarbeitet, die unter dem Menüpunkt »Grundevaluierungen« gesucht und geladen werden können.

AUVA-Hauptstelle

Auch die AUVA hat einiges zu bieten. Unter »Service/ Downloads« können Broschüren und Merkblätter geladen und bestellt werden. Es kann zu AUVAsicher, der kostenlosen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Betreuung für Kleinbetriebe, weitergeklickt werden.

Rechtsinformationssystem

Im Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes kann man den Inhalt von Gesetzen und Verordnungen abfragen.

»Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz« Darunter finden Sie das Informationsnetzwerk der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Neben zahlreichen Informationen über EU-Atkivitäten sind alle Mitgliedstaaten mit einem nationalen Informationsangebot vertreten.

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin

Diese deutsche Bundesanstalt unterstützt das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, indem sie die Arbeitssicherheit, die Arbeitsbedingungen und den Gesundheitszustand der Arbeitnehmer beobachtet, analysiert und weiter entwickelt.

BG - Netzwerk Prävention

Dieses deutsche Netzwerk bietet einen thematischen Zugriff auf alle Online-Informationen der gewerblichen Berufsgenossenschaften (in Österreich vergleichbar mit der AUVA) zu den Bereichen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Gestis Stoffdatenbank

Diese deutsche Datenbank enthält Informationen für den sicheren Umgang mit chemischen Stoffen am Arbeitsplatz, wie die Wirkung der Arbeitsstoffe auf den Menschen, die erforderlichen Schutzmaßnahmen und die Maßnahmen im Gefahrenfall einschließlich der ersten Hilfe. Derzeit stehen Informationen zu etwa 7000 Stoffen zur Verfügung.

Informationsdienst Arbeit und Gesundheit im Sozialnetz Hessen

Der deutsche Informationsdienst ist eine interessante Fundgrube zum Thema Ergonomie mit Schwerpunkt Bildschirmarbeit.

Kontakt

Darunter finden Sie, wer welche Themenbereiche bearbeitet. So haben Sie leichter die Möglichkeit, uns in Sachen Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu kontaktieren. Hier finden Sie auch meine E-Mail-Adresse. Ich freue mich über alle Anregungen. Mein Tipp: Speichern Sie gleich www.svp.at unter Ihren Favoriten ab.

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Franz Janda http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995233829 Irreführende Behauptungen in der Werbung | Ein Projekt französischer, belgischer und österreichischer Familienorganisationen Eltern achten besonders beim Kauf von Lebensmitteln auf hohe Qualität: Sie wollen für ihre Kinder nur das Beste. Oft werden in der Werbung ja Dinge behauptet, die entweder nicht im Produkt enthalten sind oder die für die Gesundheit gar nicht förderlich oder sogar gesundheitsschädigend sind. Werbetexter erfinden Wortkreationen, die wie medizinische Begriffe klingen, um zu suggerieren, dass die Produkte, für die damit geworben wird, gesund sind. Nahrungsmittel mit Zusätzen aus Vitaminen, Spurenelementen und Mineralien werden oft nahezu als Wundermittel angepriesen. Konsumenten sind den Behauptungen in der Werbung meist hilflos ausgeliefert, da sie den Wahrheitsgehalt nicht selbst überprüfen können.

Verbesserung des Schutzes vor Irreführung

Die Europäische Kommission plant eine Revision der Richtlinie über irreführende Werbung. Derzeit gibt es keine einheitliche Regelung und die nationalen Gesetze der EU-Staaten sind sehr unterschiedlich. Auf Anregung der COFACE, der Vereinigung der europäischen Familienorganisationen, wurde ein EU-Projekt zur Überprüfung irreführender Behauptungen im Ernährungs- und Gesundheitsbereich ins Leben gerufen. In diesem Projekt arbeiten die Österreichischen Kinderfreunde mit einer französischen Konsumentenschutzorganisation und einer belgischen Familienorganisation zusammen.

Behauptungen zur Gesundheit

Das EU-Projekt »Behauptungen zur Gesundheit« hat die Aufgabe, Aussagen bzw. Behauptungen auf Werbungen, Verpackungen oder Produkten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Langfristig sollen irreführende Texte in der Werbung verboten bzw. gesetzliche Maßnahmen geschaffen werden, um diese zu verhindern. Dazu gilt es Methoden oder Kontrollmechanismen auf europäischer Ebene zum Schutz vor irreführenden Behauptungen in der Werbung zu entwickeln. Transnationale Konzerne agieren teilweise über die nationalen Grenzen hinweg mit denselben unseriösen Methoden.

In Österreich sind gesundheitsbezogene Werbungen bewilligungspflichtig. Recherchiert wird bei gesundheitsbezogener Werbung für Lebensmittel, für Nahrungsergänzung, aber auch für Kosmetikartikel oder bei Schlankheitsmitteln, ob diese Behauptungen auch wirklich bewilligt wurden und einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten können. Anhand von konkreten Beispielen lassen sich die Praktiken der Unternehmen aufzeigen und so können Maßnahmen für eine bessere gesetzliche Kontrolle entwickelt werden.

Was außen drauf steht, muss auch drinnen sein

Die Österreichischen Kinderfreunde arbeiten dabei natürlich mit den Konsumentenschutz-Experten zusammen. Gesammelt und überprüft werden österreichweit Werbetexte in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Postwurfsendungen, auf Verpackungsmaterial. Wenn in einer Werbung eine Aussage zur Gesundheit gemacht wird, dann muss diese Wirkung auch wirklich eintreten. Viele Substanzen werden als Wundermittel angepriesen, halten aber bei einer seriösen Überprüfung nicht, was sie versprechen.

Zahlreiche Werbetexte arbeiten mit falschen Behauptungen. Manche Produkte werden speziell für Kinder beworben, z. B. »... ist gut für das Wachstum«, aber Kinder brauchen diese Inhaltsstoffe gar nicht. Eine Überdosierung an einzelnen Vitaminen ist gesundheitsschädigend und kann bis hin zu Vergiftungen führen.

Überforderte Eltern

Gesundheitsbezogene Wirkungen sind oft schwer nachweisbar, aber wenn damit offensiv geworben wird, dann müssen sie auch stimmen. Woher soll eine Mutter beim Einkauf wissen, ob all die Vitamine, Spurenelemente, Lactobazillen und vieles mehr, die in der Werbung angepriesen werden, auch wirklich so gesund sind? Dazu die vielen halbmedizinischen Begriffe, die suggerieren, hier handle es sich um ein besonders immunstärkendes Nahrungsmittel. Und wie wichtig sind diese vielen Produkte zur Nahrungsergänzung? Konsumenten sind verunsichert und wissen oft nicht mehr, was gut für sie und ihre Familie ist. Allzu schnell wird vergessen, dass täglich ein Apfel und regelmäßig Gemüse und Salat die gleiche gesundheitsfördernde Wirkung wie diese teuren Zusatzmittel haben. Sogar Süßigkeiten und Naschsachen werden bereits mit Vitaminen angereichert, damit auch die gesundheitsbewussten Eltern ohne schlechtes Gewissen zugreifen können. Bei allem gilt: Es kommt auf die Dosierung, die Verarbeitungsart und auf die individuelle Verträglichkeit an. Denn nicht jeder benötigt bzw. verträgt die viel gepriesenen Zusatzstoffe, aber das verrät uns die Werbung nicht.

Vieles, was behauptet wird, stimmt einfach nicht, und dass wollen die Österreichischen Kinderfreunde mit Hilfe dieses Projektes aufzeigen. Wenn nötig, wird auch gegen einzelne Hersteller, die nicht freiwillig auf irreführende Werbetexte verzichten, gerichtlich vorgegangen. Konsumenten haben ein Recht darauf, dass auch das drinnen ist, was außen drauf steht.

Machen Sie mit!

Sie können zum Gelingen des Projektes durch das Sammeln von gesundheitsbezogenen Werbungen in Zeitungen, Zeitschriften, Magazinen, Postwurfsendungen, Verpackungen beitragen. Für den Erfolg des Projektes brauchen wir zahlreiche Beispiele.

Fordern Sie unseren Fragebogen an: Tel. 01/512 12-98/55. Schicken Sie uns irreführende Werbung zur Gesundheit unter:

Österreichische Kinderfreunde
Behauptungen zur Gesundheit
Mag. Sonja Brauner
Rauhensteingasse 5/5
1010 Wien

Behauptungen überprüfen!

Werbliche Behauptungen wie:
»bio«, »natürlich«, »zuckerfrei«, »light«, »kalorienarm«, »gesundheitsfördernd«, »stärkt Ihre Abwehrkräfte«, »viel Kalzium ist gut für Ihre Zähne«, »hilft gegen Haarausfall«, »Abnehmen ohne Anstrengung«, »Wenn Sie .... jeden Tag essen, werden Sie ...«, »Fit mit ...« »Gesund bis ins hohe Alter«, »... kräftigt ihren Körper von innen«
müssen auch einer objektiven Überprüfung standhalten können.

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Sonja Brauner (Österreichische Kinderfreunde) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995233454 Von Lissabon nach Stockholm | Die Weiterentwicklung der europäischen Beschäftigungsstrategie unter schwedischer EU-Präsidentschaft Beim Gipfel in Lissabon im letzten Jahr formulierte die Europäische Union folgendes ehrgeiziges Ziel: Europa solle zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in der Welt werden - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen. Auch der Begriff der Vollbeschäftigung hat in den Schlussfolgerungen von Lissabon seinen Platz. Die Staats- und Regierungschefs haben sich geeinigt, die Beschäftigungsquote in Europa auf 70 Prozent insgesamt anzuheben, für Frauen auf 60 Prozent, und das bis 2010.

Schweden verfolgt nun während seiner Präsidentschaft die in Lissabon angepeilten Ziele und Vorhaben weiter. Beim Gipfel in Stockholm Ende März 2001 wurden ausnahmsweise einmal keine neuen Prozesse angeregt, sondern bestehende Ziele verstärkt. Was die Beschäftigung betrifft, so sollen bis zum Jahr 2005 insgesamt 67 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Beschäftigung stehen. bzw. 57 Prozent der Frauen. Außerdem sollen bis 2010 50 Prozent aller Männer und Frauen zwischen 55 und 64 Jahren einen Arbeitsplatz haben.

Die Gefahr besteht zum jetztigen Zeitpunkt darin, dass in Europa der ökonomische Aufschwung die Mitgliedstaaten dazu verleiten könnte, dem Thema Beschäftigungspolitik keinen großen Stellenwert mehr einzuräumen, obwohl derzeit die Konjunkturaussichten nicht mehr so rosig sind wie vor einem Jahr. Doch genau das Gegenteil sollte der Fall sein, denn gerade die gute wirtschaftliche Entwicklung würde die beste Basis für Reformprozesse bieten. Dies natürlich vor allem auch in Hinblick auf die bevorstehende Erweiterung.

Die europäische Beschäftigungsstrategie - eine Erfolgsgeschichte?

Als im Dezember des Vorjahres in Nizza Tausende Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter auf die Straße gingen, geschah das nicht zuletzt deshalb, weil zahlreiche Probleme auf dem europäischen Arbeitsmarkt nach wie vor ungelöst waren. In den letzten drei Jahren wurden zwar jährlich rund 2,5 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, aber 14 Millionen Europäer sind immer noch arbeitslos!

Das Bekenntnis zur Vollbeschäftigung, so wie es in Portugal ausgesprochen wurde, war auf europäischer Ebene als deutlicher Fortschritt zu werten. Noch zwei Jahre davor hatten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen können, ein solches Ziel in den Unionsvertrag aufzunehmen. Der Vertrag von Amsterdam (1997) hatte aber immerhin die Beschäftigungspolitik offiziell zu einer »Angelegenheit von gemeinsamem Interesse« erklärt und ein Verfahren zur Koordinierung der Mitgliedstaaten in diesem Bereich vorgesehen: Der Europäische Rat legt jedes Jahr die so genannten beschäftigungspolitischen Leitlinien fest, die die Mitgliedstaaten dann in nationale Maßnahmen, nämlich die Nationalen Aktionspläne für Beschäftigung (NAP), umsetzen. Die Länder erstatten über diese Umsetzung zwar Bericht - nur Sanktionen bei Nichteinhaltung gibt es keine. In dieser Hinsicht weist die Beschäftigungsunion im Vergleich mit der Währungsunion eine große Schwachstelle auf, die auch Lissabon nicht auszugleichen vermochte.

Wie nah ist Lissabon?

Was die Ziele von Lissabon betrifft, so ist die Situation in den EU-15 sehr unterschiedlich. Mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 9,2 Prozent im Jahr 1999 ist Europa noch ziemlich weit vom Ziel der Vollbeschäftigung entfernt. Insbesondere Italien, Griechenland und Spanien liegen - trotz deutlicher Reduktionen in den vergangenen Jahren - weit über dem europäischen Durchschnitt, auch Frankreich, Finnland oder Belgien haben nach wie vor mit zu hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen (siehe Grafik 1: »Arbeitslosenquoten 1995 und 1999«). Im Gegensatz dazu steigt dafür gerade in diesen Ländern die Beschäftigungsquote deutlich. Zwischen 1995 und 1999 konnten z. B. Finnland und auch Spanien ein deutliches Plus verzeichnen (siehe Grafik 2: »Beschäftigungsquoten 1999«).

Österreich steht, verglichen mit dem europäischen Mittel, sehr gut da: Bei der Arbeitslosigkeit, wo wir mit 3,7 Prozent 1999 nach Luxemburg und den Niederlanden an dritter Stelle zu finden sind; und auch bei der Beschäftigungsquote, wo wir nahe an der in Lissabon angepeilten Quote liegen: 68,2 Prozent Gesamtbeschäftigung und 59,7 Prozent für Frauen im Jahr 1999. Allerdings muss dem entgegengehalten werden, dass der Unterschied zwischen der Frauen- und Männerbeschäftigung im europäischen Durchschnitt von rund 17 Prozentpunkten liegt. Verglichen mit der Beschäftigungsquote für Frauen in Nordeuropa wäre hier also wohl noch einiges zu leisten!

Die Kommission will noch mehr

Die Europäische Kommission fordert zur Ergänzung der Lissabonner Strategie eine raschere Verwirklichung der Beschäftigungsziele. Als Zwischenziel formulierte sie daher eine Anhebung der Beschäftigungsquote auf 67 Prozent insgesamt und 57 Prozent in der weiblichen Bevölkerung schon bis Januar 2005. Entsprechende Maßnahmen müssten in die nationalen Beschäftigungspläne aufgenommen werden, und schließlich gelte es, die Zahl der Erwerbstätigen in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen deutlich anzuheben.1) Die Mitgliedstaaten stehen diesen Zielen allerdings eher zurückhaltend gegenüber.

Die Ziele der Kommission sind nun durchaus zu befürworten - mit welchen Mitteln sie erreicht werden sollen, darüber findet die Kommission leider längst nicht mehr so viel zu sagen. Die Vorschläge für mehr Wachstum und Beschäftigung sind wie immer im Bereich der Struktur-(Mikro-)Politik zu finden: die Liberalisierung der Gas- und Elektrizitätsmärkte, die Öffnung der Postmärkte, die Schaffung eines einheitlichen europäischen Luftraumes, neue Regelungen für das öffentliche Auftragswesen und anderes mehr.

Für die stärkere Involvierung der Sozialpartner bleibt es bei einer Aufforderung, ihren Beitrag zur europäischen Beschäftigungsstrategie zu leisten, und ähnlichen allgemein formulierten guten Ratschlägen. Dass allerdings viele der Verhandlungen der Sozialpartner - insbesondere auf EU-Ebene - häufig am Widerstand der Arbeitgeberverbände scheitern, ist leider traurige politische Realität.

Auch aus gewerkschaftlicher Sicht werden die bestehenden Handlungsansätze auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene nicht ausreichen, um die Arbeitslosigkeit deutlich senken zu können. Wenn die Wirtschafts- und insbesondere die Geldpolitik weiter unabhängig von der Entwicklung auf den Arbeitsmärkten vollzogen wird, können die angepeilten Ziele nur schwer oder kaum erreicht werden.

So wurde auf der einen Seite durch den Stabilitätspakt der fiskalpolitische Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bereits massiv eingeschränkt. Dieser Stabilitäts- und Wachstumspakt ist jenes Abkommen, das die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, mittelfristig ein ausgeglichenes Budget zu erzielen. Innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion stellt er eine Verschärfung der Maastricht-Kriterien dar. Was die Geldpolitik und die Unabhängigkeit der Zentralbank betrifft, so orientiert sich diese einzig am Ziel der Preisstabilität - andere wirtschaftspolitische Ziele bleiben dabei ausgeklammert. Wenn man also über Geld- und Fiskalpolitik in Zusammenhang mit der Reduktion der Arbeitslosigkeit nicht reden darf, bleiben logisch nur noch strukturpolitische Überlegungen.

Für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist es allerdings essentiell anzuerkennen, »dass eine wirkliche Beschäftigungssteigerung ohne makropolitische Maßnahmen nicht möglich ist. Mikropolitische Maßnahmen (z. B. Deregulierungen) beeinflussen im Wesentlichen die Effizienz der eingesetzten Produktionsfaktoren, makropolitische Maßnahmen hingegen wirken in erster Linie auf die Menge der eingesetzten Faktoren« (Heise, 2000: 68)2).

Zwei Schwerpunkte: Frauen und ältere Arbeitnehmer

Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor allem in Ländern wie Österreich, die niedere Arbeitslosenraten vorweisen können, wird Arbeitslosigkeit primär als strukturelles Problem identifiziert. Man sucht die Gründe dafür in negativen Anreizwirkungen aus dem Sozialversicherungssystem, der geringen Qualifikation der Arbeitslosen oder Mobilitätseinschränkungen. Makroökonomische Maßnahmen zu mehr Wachstum und damit zur Schaffung von mehr Arbeitsplätzen bleiben ausgeblendet.

Besonders bei zwei Bevölkerungsgruppen scheint die Anhebung der Beschäftigungsquote keineswegs nur strukturell bedingt, aber dafür besonders vordringlich, nämlich bei Frauen einerseits und bei älteren Arbeitnehmern andererseits.

Diese beschäftigungspolitischen Forderungen werden derzeit auch häufig vor dem Hintergrund der Finanzierbarkeit der Pensionssysteme diskutiert. Dies ist während der schwedischen Präsidentschaft ein Schwerpunktthema. Den demographischen Veränderungen, d. h. der zunehmenden Alterung der Bevölkerung in den meisten europäischen Staaten, muss mittels einer konstruktiven Weiterentwicklung der Pensionssysteme begegnet werden. Dabei stellt die Steigerung der Beschäftigungsquote eine der tragenden Säulen dar. Das bedeutet, dass nicht nur eine Verbesserung oder Veränderung der Pensionssysteme für sich genommen ausreicht, sondern den Arbeitnehmern Anreize geboten werden müssten, länger zu arbeiten, um die Gruppe der Beitragszahler möglichst groß zu halten. Solche Anreize wären insbesondere bessere Arbeitsbedingungen und speziell Verbesserungen in der Familien- bzw. Frauenpolitik, damit Beruf und Familie keine unüberwindlichen Gegensätze mehr darstellen.

Hier zeigt sich deutlich, dass die Frauenpolitik nicht nur aus »ideologisch-feministischen« Gründen dringend vorangebracht werden müsste, es wird vielmehr die wirtschaftliche Brisanz des Themas offensichtlich.

Pensionen und öffentliche Finanzen

Die derzeitige Diskussion zu Pensionen geht jedoch in eine andere Richtung. In Studien3) kommen die Finanzminister Europas zur Überzeugung, dass selbst mit einer Anhebung der Beschäftigungsquote ein großer Finanzierungsbedarf der öffentlichen Hand herrscht. Bei diesen Studien müssen allerdings die Annahmen kritisch hinterfragt werden, wird doch die wirtschaftliche Entwicklung wohl - vor dem Hintergrund der Intentionen zur Stärkung der zweiten und dritten Säule des Pensionssystems und dem Wunsch nach Aufbau eines stärkeren Risikokapitalmarktes - absichtlich schlechter gezeichnet, als sie in Wirklichkeit ist.

Diese Analysen und die von ihnen gezeigten Entwicklungen wurden allerdings als Grundlage genommen, um im ECOFIN (Rat der Wirtschafts- und Finanzminister) seit Jänner über die Einbeziehung der Frage der langfristigen Finanzierbarkeit der Pensionssysteme in den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu diskutieren. Dies ist ein Novum, war die EU doch bisher auf Budgettrends konzentriert, d. h. auf die Höhe des Schuldenstands und die Neuverschuldung. Wie die konkreten Ausgaben und Einnahmen nun die Defizite und Schulden entstehen lassen, also die Struktur des Budgets, war immer Ländersache. Seit kurzem wendet man sich in den Gremien, die ECOFIN zuarbeiten, mehr und öfter der Analyse der Ausgabenseite der öffentlichen Haushalte zu - und unter der Bezeichnung »Verbesserung der Qualität der öffentlichen Finanzen«4) geraten dabei den Experten die Pensionen ins Visier.

Diese Aufmerksamkeit folgt einer bestimmten Logik: Da die Pensionen einen der größten Ausgabenposten in den Budgets darstellen, interessiert sich der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister mehr und mehr für sie. Die Rede ist sehr oft von der »Unfinanzierbarkeit« der Pensionen und ähnlichen dramatischen und pessimistischen Zukunftsvisionen. Zugleich werden die Sozialminister, die sich - natürlich aus ihrer Perspektive - ebenfalls mit dem Thema befassen, gänzlich aus der Diskussion gedrängt.

Die Vereinnahmung der Pensionen durch den ECOFIN bedeutet zweierlei: Erstens stellt ein diesbezügliches Eingreifen in die Budgets der Mitgliedstaaten eine massive Reduzierung der bislang noch bestehenden Budgetautonomie dar. Und zweitens erzeugt es natürlich Druck auf das umlagebasierte Pensionssystem. Es eröffnet überdies für die Regierungen der Mitgliedstaaten die Möglichkeit, unpopuläre Kürzungen bei Sozialausgaben bzw. Pensionen als »von oben« verordnet hinzustellen. Unter diesem Aspekt ist zu befürchten, dass die nächste Pensionsdiskussion in Österreich genau unter solchen Vorzeichen stattfindet.

Beschäftigung in der New Economy

Europa braucht allerdings nicht nur mehr Jobs, sondern auch bessere Jobs. In Lissabon wurde als ein wichtiges Ziel die Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze eingefordert. Hand in Hand damit geht das Bekenntnis zur Union als einem wissensbasierten Wirtschaftsraum, besonderer Nachdruck liegt auf Ausbildung und Forschung und auf den dafür notwendigen Mitteln.

Während die New Economy in den USA zum treibenden Faktor des Wirtschaftswachstums geworden ist, hinkt Europa hier noch hinterher.5) In den USA wurde in den vergangenen 10 Jahren auch deutlich mehr in den Informations- und Kommunikationstechnologiesektor investiert, was auch zu höheren so genannten Spill-Over-Effekten (Verbreitungseffekten) von der Neuen Ökonomie in andere Wirtschaftssektoren geführt hat. Europa leidet allerdings im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) nicht nur an geringen Investitionen, sondern auch an einem Fachkräftemangel. Über die Höhe dieses Arbeitskräftemangels gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen bzw. Schätzungen, abhängig natürlich in erster Linie von der Definition des Sektors und der Erhebungsmethode des Arbeitskräftebedarfs. Auch in Österreich gibt es dazu unterschiedliche Schätzungen6): Hannes Leo kommt in einer Studie des WIFO7) zum Ergebnis, dass sich die Nachfrage nach Beschäftigten im Telekommunikations- und Mediensektor bis zum Jahr 2003 um etwa 13.000 Personen erhöhen wird. Dem muss natürlich die Entwicklung des Angebots in den spezifischen Bereichen gegenübergestellt werden.

Ein Ansatzpunkt für die Lösung des Problems ist jedenfalls sicherlich die Reduzierung des so genannten »Skill Gap«: Mit diesem Begriff ist das zurzeit herrschende Defizit an qualifizierter Ausbildung und Fachkräften im Gegensatz zu den Anforderungen des Arbeitsmarktes gemeint. Die schwedische Präsidentschaft widmete dem Thema sogar eine eigene Tagung im Februar dieses Jahres. Festgehalten wurde, dass trotz bestehender Arbeitslosigkeit in Europa die Nachfrage auf dem IKT-Sektor nicht befriedigt werden kann. Das Arbeitskräfteangebot wächst zwar, bleibt jedoch immer noch hinter der Nachfrage zurück.

In den Ergebnissen des Treffens der Arbeits- und Telekommunikationsminister zeichnen sich vor allem drei Lösungsansätze ab: Ausbildung, Mobilität und verstärkte Einbeziehung von Frauen und Behinderten in das Arbeitskräfteangebot.

Die Maßnahmen bei den Aus- und Weiterbildungssystemen - ein Ansatz, den auch die Sozialpartner in Österreich bereits als zentral identifiziert haben - wären sowohl bei der Grundausbildung, also in Schulen, Berufsschulen und Universitäten, zu setzen als auch bei der Lehrerausbildung sowie insbesondere in der Weiterbildung: Gerade hier ist lebenslanges Lernen unumgehbar.

Weiters hofft man, durch Erhöhung der Mobilität zusätzliches Arbeitskräftepotential freisetzen zu können. Und auch Frauen sollten stärker repräsentiert sein. Der »Gender Gap« - also die Differenz in der Beschäftigung zwischen Frauen und Männern - ist zwar z. B. in Österreich tendenziell im Sinken, doch gerade der IKT-Sektor könnte familien- und frauenfreundliche Arbeitsplätze bieten bzw. schaffen, die speziell Frauen ansprechen könnten.

Eine gewisse Vorsicht ist aus gewerkschaftlicher Sicht allerdings geboten: Der IKT-Bereich bietet nicht nur hoch qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze, sondern auch sehr oft atypische Arbeitsverhältnisse, Teilzeit, geringe soziale Absicherung etc. Hier ist noch vieles zu leisten, was die kollektivvertragliche Absicherung der Arbeitnehmer angeht - was letztlich wiederum zur Attraktivität des Sektors und damit indirekt zu einem steigenden Arbeitskräfteangebot beitragen würde.

1) Siehe dazu: Mitteilung der Kommission. Das ganze Potential der Union ausschöpfen. Konsolidierung und Ergänzung der Lissabonner Strategie. Beitrag der Europäischen Kommission zur Frühjahrstagung des Europäischen Rates, Stockholm, 23. und 24. März 2001.

2) Heise, Arne: Integrative Makropolitik auf nationaler und EU-Ebene, in Wirtschaft und Gesellschaft 2/2000, Wien, 2000.

3) Europäische Kommission/EPC/DG ECFIN: Progress Report to the Ecofin Council on the Impact of Ageing Populations on Public Pension Systems, Brüssel 2000.

4) Europäische Kommission: Mitteilung der Kommission zum Beitrag der öffentlichen Finanzen zu Wachstum und Beschäftigung: Verbesserung der Qualität und Nachhaltigkeit, Brüssel 21. 12. 2000.

5) Vgl. Europäische Kommission: EUROPEAN ECONOMY. No 71. 2000, Kapitel 3, Office for Official Publications of the EC. Luxembourg, 2000.

6) Vgl. dazu: Arthur D. Little: Job Machine Telekom. Auswirkungen der Telekomliberalisierung auf den österreichischen Arbeitsmarkt, BMWA-Studie, Wien, 1999. International Data Corporation (IDC): Europe's Growing IT Skill Crisis, Special Report by IDC Compiled for Microsoft Corporation Summit on Technology, Innovation and Skills Training, Brussels, 7. März 2000.

7) Leo, Hannes: Arbeits- und Qualifikationsnachfrage im Telekom- und Mediensektor, WIFO-Studie im Auftrag des WAFF, Wien, Mai 2000.

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Silvia Angelo und Barbara Lavaud http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995233733 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995233723 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995233301 Bundesvoranschlag 2002 | »Nulldefizit« statt Zukunftsprogrammen für Bildung, Forschung und Infrastruktur In den Budgetdebatten wurde die Regierung nicht müde zu betonen, dass Infrastruktur, Forschung und Ausbildung trotz des Sparkurses die budgetpolitischen Schwerpunkte seien. Von einem Zukunftsprogramm war die Rede. Zu viel Eigenlob macht argwöhnisch. Zu Recht, wie die folgende Budgetanalyse zeigt.

1. Wirtschaftliche Ausgangslage und Basisdaten

Die Budgeterstellung erfolgte zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Wachstumsaussichten aufgrund ungünstiger weltwirtschaftlicher Rahmenbedingungen merklich abschwächten. Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat daher wenige Tage vor der Beschlussfassung des Budgets die Konjunkturprognose kräftig nach unten revidiert. Die wirtschaftlichen Daten, die dem Budget 2002 zugrunde liegen, weichen deutlich von den zuletzt prognostizierten ab. Die Wirtschaft wird um 0,7 Prozentpunkte langsamer wachsen, als noch im Dezember angenommen (2,1% statt 2,8%), der Zuwachs der unselbständig Beschäftigten verlangsamt sich (0,5% statt 0,9%) und die Arbeitslosenquote verringert sich nicht auf 3,2%, sondern bleibt auf dem Niveau des Jahres 2001 bei 3,6%. Auch die Bruttoverdienste je Arbeitnehmer wachsen schwächer, als noch im Dezember angenommen. Lediglich die Inflationsrate bleibt unverändert bei 1,3%. Das aber bedeutet, dass die Budgetkonsolidierung durch die Wachstumsverlangsamung beeinträchtigt wird. Hinsichtlich der Jahre 2000 und 2001 kann davon ausgegangen werden, dass das gesamtstaatliche Defizit aufgrund der guten Konjunktur niedriger ist, als bisher erwartet wurde. Für das Jahr 2002 ist das Erreichen des Nulldefizits nach heutigem Wissensstand jedoch in Frage zu stellen, da im Jahr 2002 die Konjunktur keinen Beitrag zur Budgetkonsolidierung leisten wird. Im Gegenteil, die Wachstumsverlangsamung belastet das Defizit des Gesamtstaates um 0,3% des BIP. Das Wirtschaftsforschungsinstitut zeigt sich optimistisch und meint, dass die Erreichung des Nulldefizits zwar schwierig, aber möglich sei.

Der Entwurf des Bundeshaushalts 2002 sieht Ausgaben in der Höhe von 802,3 Milliarden S und Einnahmen von 790,9 Milliarden S vor. Damit ergibt sich ein Nettoabgang auf administrativer Basis in der Höhe von 11,4 Milliarden S. Gegenüber dem BVA 2001 wird das Defizit um 21,4 Milliarden S gesenkt. Diese Senkung ist möglich, weil die Einnahmen 2002 um 1,9% ansteigen, während die Ausgaben um 0,8% zurückgehen werden. Das Wachstum der gesamten Einnahmen liegt unter jenem des nominellen BIP (3,6%), die Einnahmen der öffentlichen Abgaben hingegen wachsen mit 4,2% deutlich stärker als das BIP (siehe Tabelle 1: »Die wichtigsten Kennzahlen der Budgetentwicklung«).

Das Maastricht-Defizit liegt mit 21,7 Milliarden S bzw. 0,7% des BIP deutlich über dem administrativen Defizit. Die große Abweichung zum administrativen Defizit erklärt sich vor allem aus den geplanten Einnahmen aus Grundstücksverkäufen an die Bundesimmobiliengesellschaft. Festzuhalten ist also, dass der Bund nach dem vorliegenden Budgetentwurf auch 2002 keinen ausgeglichenen Haushalt haben wird. Die Erreichung des »Nulldefizits« für den Gesamtstaat ist nur mit Hilfe der Länder und Gemeinden möglich, die dieses Defizit kompensieren müssen. Entsprechende Vereinbarungen zwischen dem Bund, den Ländern und Gemeinden bestehen. Während die Länder einen Überschuss von 0,75% des BIP darstellen müssen, wird von den Gemeinden in Summe ein ausgeglichener Haushalt erwartet. Nach wie vor ist aber wenig darüber bekannt, wie die Länder dieses Ziel erreichen wollen. Sie dürften zum Zeitpunkt der Zusage davon ausgegangen sein, dass sie das Einsparungsziel mit Ausgliederungen erreichen können. Das allein dürfte aus heutiger Sicht nicht ausreichen.

2. Das Konsolidierungsprogramm des
Vorjahres prägt auch das Budget 2002

Die Konsolidierungsmaßnahmen des Vorjahres (siehe Tabelle 2) prägen auch das Budget 2002 1). Das Budgetbegleitgesetz 2002 bringt aber zusätzliche Maßnahmen. Zum einen werden die Abschöpfungen aus der Arbeitslosenversicherung an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger geregelt, zum anderen wird das Landeslehrer-Dienstrecht geändert. Ersteres führt dazu, dass die gesamten Abschöpfungen aus der Arbeitslosenversicherung das neue Rekordniveau von 19,5 Milliarden S erreichen, Letzteres führt zu Einsparungen in einer Größenordnung von rund 1,1 Milliarden S. Da dies auch zu Einkommenseinbußen bei den Lehrern führt, kann von einem Belastungsstopp nicht die Rede sein. Auch die Anfang April neu beschlossene Regelung der Ambulanzgebühren trifft mehr Menschen als die alte Regelung, die vom Verfassungsgerichtshof wegen eines Formalfehlers aufgehoben wurde. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung werden die hohen Überschüsse nicht für eine Erhöhung der im EU-Vergleich geradezu skandalös niedrigen Leistungen bei Arbeitslosigkeit genutzt und die mögliche Ausweitung der vom Arbeitsmarktservice geforderten Arbeitsmarktqualifikation muss als Folge der Abschöpfung trotz eklatanter Notwendigkeit unterbleiben (siehe Tabelle 2: »Dauerhafte Konsolidierungsmaßnahmen 2001-2002«).

Nach wie vor gilt, dass die Konsolidierung im Wesentlichen über die Einnahmenseite zustande kommt, wenn auch 2002 in geringerem Ausmaß als 2001. 2002 tragen die dauerhaften (!) einnahmenseitigen Maßnahmen zu 60% zur Konsolidierung bei (2001: 75%), die ausgabenseitigen zu 40% (2001: 25%). Unterstützt wird diese Einschätzung durch das Gutachten der Europäischen Kommission zum Stabilitätsprogramm 2001-2004. Sie vertritt die Ansicht, dass sich die Konsolidierungsstrategie zu Beginn der Programmperiode schwergewichtig auf einnahmenseitige Maßnahmen stützt.

Negative Auswirkungen auf Wachstum und Verteilung

Auch hinsichtlich der Belastungswirkungen der Sparmaßnahmen gilt daher weiterhin, dass

  • die Erhöhung der Verbrauchsteuern und Gebühren, die Selbstbehalte in der Krankenversicherung, die De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages, die Besteuerung der Unfallrenten2), die Kürzung der Familienzuschläge beim Arbeitslosengeld sowie Teile der Pensionsreform eindeutig die niedrigeren Einkommen stärker belasten - auch wenn Grasser immer wieder behauptet, dass Bruttoeinkommen unter 30.000 Schilling monatlich von den einkommensteuerlichen Maßnahmen nicht betroffen sind,
  • die Kürzung des allgemeinen Absetzbetrages sowie des Pensionistenabsetzbetrages vor allem die mittleren Einkommen belastet und
  • dass die Besserverdienenden vergleichsweise geschont werden. Die Steuererhöhungen für die Superreichen (Stichwort Stiftungen) haben Alibicharakter.

Kramer, der Leiter des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts, bestätigt diese Verteilungswirkungen und fasst sie wie folgt zusammen3): »Die Konsolidierungsmaßnahmen trafen und treffen ab Anfang 2001 besonders die Bezieher niedriger (nicht unbedingt der niedrigsten) und mittlerer Einkommen, die ein Jahr zuvor als stärker begünstigt erschienen.«

Die Sparmaßnahmen werden auch im Jahr 2002 das Wirtschaftswachstum dämpfen. Sie führen nach Berechnungen des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts wie auch schon 2001 zu Wachstumseinbußen von einem Viertelprozentpunkt. Ursache dafür sind vor allem die steigenden Gebühren und Steuern, die insbesondere Klein- und Mittelverdiener betreffen und deren Konsumquote sehr hoch ist. Während die realen Nettomasseneinkommen im Vorjahr um 2,25% gewachsen sind, nehmen sie heuer nur noch um 0,5% zu.

3. Die Entwicklung der Ausgaben

Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der wichtigsten Einnahmen und Ausgaben in ökonomischer Gliede- rung (siehe Tabelle 3: »Einnahmen und Ausgaben in ökonomischer Gliederung«).

Personalabbau geht weiter

Der Personalaufwand für Aktive (einschließlich der Landeslehrer) sinkt gegenüber dem Voranschlag 2001 um 3,2 Milliarden S oder 2,1%. Allerdings ist dieser Wert verzerrt, weil für die beiden Gehaltsrunden 2001 und 2002 im BVA 2001 eine Pauschalvorsorge in der Höhe von 3 Milliarden S, davon 800 Millionen S für die Landeslehrer, budgetiert ist. Nach dem Gehaltsabkommen vom Oktober 2000 stei- gen die Einkommen der öffentlich Bediensteten im Jahr 2001 um 500 S und im Jahr 2002 um 0,8% linear. Vereinbart wurden auch Nachverhandlungen für den Fall, dass eine Angleichung an die Inflationsrate des Jahres 2002 erforderlich ist. Die Gesamtkosten für die beiden Lohnrunden dürften mit 3 Milliarden S jedoch unterschätzt sein, sodass hier von einer Unterbudgetierung ausgegangen werden kann.

Merkliche Einsparungseffekte kommen über den weiteren Abbau von Planstellen (Vollbeschäftigtenäquivalente) zustande. Bis 2003 sollen nach den Plänen der Regierung insgesamt 11.000 Planstellen abgebaut weren, davon je 2600 in den Jahren 2001 und 2002. Mit dem Ausgliederungsplan der Regierung sollen weitere 4000 Plan- stellen eingespart werden. Im Jahr 2000 wurden die Planstellen bereits um 3860, inklusive Ausgliederungen sogar um 5632 Planstellen reduziert. Das hat dazu geführt, dass im Jahr 2000 der Voranschlag für den Aktivitätsaufwand - Landeslehrer ausgenommen - unterschritten wurde.

Der Personalabbau, der durch die Rasenmähermethode quer über alle Ressorts hinweg erfolgt, dürfte aus dem natürlichen Abgang nicht zu realisieren sein. Es ist daher zu befürchten, dass die bisherige Qualität der Leistungserstellung in Zukunft nicht mehr gewährleistet ist.

Die Ausgaben für Pensionen der Beamten inklusive Landeslehrer steigen mit 3,4% fast so stark wie das BIP an. Obwohl mit der Pensionsreform 2000 die Aktivzeit der Beamten um 1,5 Jahre verlängert wurde, hält die Pensionsdynamik weiter an. Ursache ist ein weiterhin starker Anstieg an Pensionsneuzugängen.

Von Bildungsoffensive keine Rede

Von den Sparplänen beim Personal sind die Bereiche Schulen und Universitäten zwar ausgenommen, es wurden aber äquivalente Einsparungen (fixe Zulagen für Kustodiate etc., neues Landeslehrerdienstrecht, neuer Berechnungsschlüssel für die Zuteilung der Landeslehrer, Streichung von Prüfungstaxen im Universitätsbereich) beschlossen. Im Schulbereich führen diese Maßnahmen indirekt zu einer Streichung von Lehrerdienstposten im Ausmaß von ca. 8700. Hauptsächlich betroffen sind die Pflichtschulen, auf sie entfällt mit 7400 der überwiegende Anteil dieser Kürzungen. Der damit einhergehende Bildungsabbau an den Schulen macht es schwer verständlich, warum die Regierung von einem Schwerpunkt Ausbildung spricht. Auch die so genannte Computermilliarde an den Schulen ist - gemessen am Bedarf - mit 300 Millionen S (2001: 200 Millionen S) geradezu lächerlich gering dotiert. Die ohnehin bescheidenen Mittel für die Weiterbildung von Erwachsenen werden im BVA 2002 eingefroren.

Auch an den Universitäten werden die Aktivitätsausgaben gegenüber dem Jahr 2001 eingefroren, d. h., es sind keine Mehrausgaben für den so genannten Struktureffekt der Bediensteten (Biennalsprünge, Alter) vorgesehen. Das Investitionsbudget für die Universitäten wurde zwar erhöht - finanziert über Studiengebühren -, aber es führt zu keiner Kompensation für die gravierende Kürzung im Jahr 2000. Unter diesen Bedingungen ist nicht zu erwarten, dass für die Studierenden künftig ein besseres Studien- und Betreuungsangebot bereitgestellt wird. Die Mittel für die Fachhochschulen werden zwar erhöht, sie reichen aber für einen zusätzlichen Ausbau, der aufgrund des hohen Andrangs dringend notwendig wäre, nicht aus. Etwa zwei Drittel der Fachhochschulbewerber müssen daher abgewiesen werden. Darüber hinaus ist an den Universitäten eine »Dienstrechtsreform« geplant, die den Erfordernissen bei weitem nicht gerecht wird.

Schwerpunkt Investitionen?

Die Investitionen sinken 2002 gegenüber dem BVA 2001 kräftig ab (-41%). Ursachen sind das so genannte Offensivprogramm der Bundesregierung, wo im BVA 2001 3 Milliarden S für Investitionen im Innovations- und Infrastrukturbereich für die nächsten drei Jahre veranschlagt sind, und die Neuorganisation der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Diese Reorganisation hat zur Folge, dass nun auch die Hochbauinvestitionen aus dem Budget ausgelagert werden. Der Bundeshaushalt hat daher heute als Investor praktisch keine Bedeutung mehr. Die Investitionstätigkeit erfolgt de facto daher nur über ausgegliederte Unternehmen (BIG, Schieneninfrastrukturfinanzierungs GesmbH, Telekom AG etc.). Dort, wo der Bund Verantwortung für die Infrastruktur hat, nämlich im Infrastrukturbereich der ÖBB, reduziert er die Budgetmittel um ca. 900 Millionen Schilling.

Kinderbetreuungsgeld hat oberste Priorität

Tabelle 3 zeigt, dass die Transfers insgesamt gegenüber dem Budget 2001 unverändert bleiben. Im Einzelnen verläuft ihre Entwicklung jedoch sehr unterschiedlich.

Der geringe Anstieg der Transferausgaben für familienpolitische Leistungen (0,8%) vermittelt leicht ein falsches Bild. Im Familienlastenausgleichsfonds wurden alle Vorkehrungen für die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes getroffen (z. B. Umschichtungen aus anderen Budgetkapiteln, Abschöpfen der hohen Fondsüberschüsse). Die Überschüsse im FLAF kommen u. a. deshalb zustande, weil die Geburten rückläufig sind und weil 2002 keine Zahlungen für Kindererziehungszeiten an den Ausgleichsfonds der PV-Träger geleistet werden. Ginge es nach dem Prinzip der Kostenwahrheit, wären für die Kindererziehungszeiten aus dem FLAF ca. 6,7 Milliarden S an die PV-Träger zu überweisen. Das Kinderbetreuungsgeld zeigt, dass die Regierung trotz des Sparkurses bereit ist, ihr wichtig erscheinende Maßnahmen zu finanzieren. Ob die Finanzierung langfristig gesichert ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der konjunkturellen Entwicklung (praktisch alle in einer Phase der Hochkonjunktur anfallenden Überschüsse werden verbraucht) und dem weiteren Verlauf der Geburtenzahlen.

Die Überweisungen an die Sozialversicherungsträger steigen gegenüber 2001 um 3% an. Die wichtigste Position bilden die Zuschüsse des Bundes zur Pensionsversicherung. Trotz der Pensionsreform und erheblicher Mittel aus der Arbeitslosenversicherung in der noch nie da gewesenen Höhe von 19,5 Milliarden S an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger steigt 2002 der Bundesbeitrag zur PV gegenüber dem BVA 2001 stark an (11,6%). Das spiegelt u. a. die fehlenden Gelder aus dem FLAF.

Die Förderungen an Unternehmungen einschließlich der Landwirtschaft gehen 2002 gegenüber 2001 um 5,6% zurück. Dieser Rückgang ist vor allem durch die im Jahr 2001 einmalig budgetierten zusätzlichen Ausgaben für F&E in der Höhe von 7 Milliarden S zu erklären. Ohne diese Mittel bleiben die Ausgaben des Bundes für Wirtschaftsförderung in Gesamtsumme gleich hoch wie 2001.

Zinsenaufwand leicht rückläufig, aber kein Schuldenabbau

Zunächst ist festzuhalten, dass der in der Budgetrede behauptete Schuldenabbau nicht stattfindet. Nach Angaben in der Budgetrede steigen die Finanzschulden des Bundes auch 2002 weiter an. Die Ausgaben für Zinsen (inklusive Spesen für Verzinsung und Zinsen für Swaps) sind gegenüber dem BVA 2001 dennoch geringer dotiert. Ob angesichts eines zu finanzierenden Nettoabgangs von 11,4 Milliarden S und eines zu erwartenden Anstiegs der Finanzschulden dieser Rückgang realistisch ist, wird vor allem von zwei Faktoren abhängen: der Entwicklung der Zinssätze und der Umsetzung der Privatisierungspläne der Regierung. Im Budgetprogramm des Bundes ist ein Schuldenreduzierungsprogramm für den Bund von 150 bis 200 Milliarden S vorgesehen. Eine Konkretisierung erfolgte bisher nicht, ebenso wenig wird darüber diskutiert, welches dieser Vorhaben sinnvoll und machbar ist. Angesichts bisheriger Privatisierungserfahrungen (Telekom) ist diese Frage mehr als berechtigt.

Zukunftsprogramme nicht erkennbar

Durchsucht man die einzelnen Budgetkapitel auf mögliche Schwerpunktsetzungen, so lässt sich in erster Linie erkennen, dass der Großteil der Budgetansätze gegenüber dem BVA 2001 konstant gehalten wurde. Die vermeintlichen Prioritätensetzungen in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Investitionen finden im Budget 2002 finanziell nur geringen bis keinen Niederschlag. Es handelt sich eher um wortreiche Ankündigungen der Regierung. Gewisse Bemühungen gibt es, die Forschungsquote zu erhöhen. Dabei fällt auf, dass im Jahr 2002 keine zusätzlichen Mittel budgetiert sind. Die im Jahr 2001 im Rahmen des so genannten Offensivprogramms veranschlagten 7 Milliarden S für drei Jahre reichen nicht annähernd aus, die Forschungsquote bis zum Jahr 2002 auf 2% und bis zum Jahr 2005 auf 2,5% zu erhöhen.

Der eigentliche budgetpolitische Schwerpunkt ist - wie bereits erwähnt - die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes. Hier stimmen Ankündigung und Umsetzung überein.

4. Die Entwicklung der Einnahmen

Steuererhöhungen und Konjunktur prägen die Entwicklung der Steuereinnahmen

Die Bruttoeinnahmen steigen gegenüber dem BVA 2001 um 4,2% an. Dieser Zuwachs ist das Spiegelbild der guten Konjunktur (nominelles BIP: 3,6%) und der Steuererhöhungen des Konsolidierungsprogramms vom letzten Jahr. Angesichts dieser starken Zunahme der Steuern ist es verwunderlich, wenn Finanzminister Grasser in seiner Budgetrede von einem Belastungsstopp spricht.

Ähnlich hoch ist die Dynamik bei den Nettosteuereinnahmen, d. h. nach Abzug der Überweisungen an die Länder, Gemeinden, Fonds und des EU-Beitrags. Sie steigen mit 4,1% gegenüber 2001 ebenfalls kräftiger als das BIP an.

Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Steuerschätzungen in Summe gesehen nicht mehr so gut abgesichert sind wie vor der Revision der Konjunkturprognose. Weitere Unsicherheiten ergeben sich aus der unterschiedlich eingeschätzten Konjunkturentwicklung in den USA und aus den Vorauszahlungen der Ertragsteuern für das Jahr 2001, wenn die beschlossenen Erhöhungen nicht in dem Ausmaß gezahlt werden, wie ursprünglich angenommen. Es zeichnet sich derzeit ab, dass viele Steuerpflichtige eine Herabsetzung der Vorauszahlungen beantragen. Etwas überschätzt ist neben den Kapitalertragsteuern auch die Lohnsteuer. Das Wachstum der Körperschaftsteuer scheint nach einem Zuwachs von 8,6% (2001 gegenüber 2000) eher unterbudgetiert zu sein. Doch muss bedacht werden, dass die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer stark von Einzelinstitutionen, insbesondere der OeNB, bestimmt werden. Die konjunkturelle Entwicklung wirkt sich bei Ertragsteuern erst mit zeitlicher Verzögerung aus.

Die Zuwächse einzelner Steuern liegen jedoch weit über den Gesamtzuwächsen. Mit einem Zuwachs von 11,9% gegenüber dem BVA 2001 liegt die Kfz-Steuer an der Spitze, gefolgt von der Kapitalertragsteuer auf Zinsen (9,1%), der Lohnsteuer (5,9%) sowie der Körperschaftsteuer (5,6%). Die Umsatzsteuer weist gegenüber 2001 einen Zuwachs von 3,2% auf. Dieser Anstieg entspricht in etwa den Erwartungen, die aus der wirtschaftlichen Entwicklung abgeleitet werden können. Die Umsatzsteuer mit ihrer längerfristig mäßigen Aufkommensdynamik bleibt aber weiterhin ein »Sorgenkind«.

Die starken Zuwächse bei der Lohnsteuer bewirken, dass die Lohnsteuer in Prozent des Masseneinkommens im Jahr 2002 mit 12,5% den höchsten Wert der letzten 10 Jahre erreichen wird. Auch gemessen am BIP erreicht die Lohnsteuer mit 7,64% den höchsten Wert seit zehn Jahren. Die Mineralölsteuer hat nur mäßige Zuwächse (1,0%). Da die Mineralölsteuer eine Mengensteuer ist, schlagen sich die höheren Ölpreise nicht in Mehreinnahmen nieder. Die Einnahmen aus der Tabaksteuer stagnieren.

Bei Betrachtung der Steuerstruktur fällt auf, dass die Lohnsteuer und die Steuern vom Aufwand und Verbrauch nach wie vor die bei weitem dominierenden Einnahmequellen sind. Die Vermögensteuern machen 2002 nur 0,36% des BIP aus. Die Anhebung der Einheitswerte in der Erbschaft- und Schenkungsteuer und die Maßnahmen bei den Privatstiftungen haben diese Quote nur marginal erhöht (2000: 0,34%).

Der Zuwachs der steuerähnlichen Einnahmen (Dienstgeberbeiträge zum FLAF und zur Arbeitslosenversicherung) erscheint aufgrund der Entwicklung der Lohn- und Gehaltssumme und der Beschäftigung in dieser Höhe plausibel.

Nach wie vor Maßnahmen mit Einmaleffekten

Die sonstigen Einnahmen sind eine sehr heterogene Größe, in denen unter anderem die Einnahmen aus Veräußerungserlösen, die Rücklagenentnahmen, die OeNB-Gewinnabfuhr, die Rückflüsse aus der EU, Ersätze für Pensionen für die ÖBB und die Post und Telekom (bei Letzterer auch für den Aktivitätsaufwand) und Einnahmen aus Haftungen im Rahmen der Exportförderung enthalten sind. Von besonderem Interesse sind dabei die Einnahmen mit Einmaleffekt, insbesondere die Veräußerungserlöse.

An Veräußerungserlösen aus Liegenschaften sind für 2002 11,9 Milliarden S veranschlagt (2001: 12,6 Milliarden S), darunter 10,2 Milliarden S für die BIG und wie 2001 1,5 Milliarden S für Liegenschaftsverkäufe der Bundesforste. Diese Verkäufe wie auch die Übertragung der Liegenschaften an die BIG sind primär unter dem Aspekt des Stopfens von Budgetlöchern zu sehen. Eine effiziente Raumbewirtschaftung des Bundes hätte auch mit dem bisherigen Fruchtgenussmodell realisiert werden können. Es wäre zielführender gewesen, verstärktes Augenmerk auf die bisherigen Schwächen der Raumbewirtschaftung zu legen. Es ist noch offen, ob die Einnahmen aus diesen Verkäufen das Maastricht-Defizit senken oder nicht.

Die OeNB-Gewinnabfuhr ist mit 7,7 Milliarden S niedriger veranschlagt als 2001 (2001: 12 Milliarden S). Das bedeutet, dass diesmal keine Sonderdividende vorgesehen ist. Unter den sonstigen Einnahmen sind damit solche mit Einmaleffekten geringer als 2001.

5. Ist das »Nulldefizit« 2002 erreichbar?

Die Erreichung des Nulldefizits für den Gesamtstaat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungsträger) ist aus heutiger Sicht aufgrund einer Reihe von Unsicherheiten keineswegs gesichert. Dazu gehören in erster Linie die konjunkturelle Entwicklung, eine mögliche Überschätzung der Einsparungen der Pensionsreform, nicht erkennbare Pläne für die Umsetzung der Verwaltungsreform beim Bund sowie bei den Strukturreformen zwischen Bund und Ländern, Nachholbedarf im Jahr 2003 bei Investitionen und anderen Aufwendungen, mögliche höhere Gehaltsforderungen im öffentlichen Dienst im Jahr 2003. Zusätzlich ist 2003 ein Wahljahr. Alle diese Risken nennt auch die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme zum österreichischen Stabilitätsprogramm 2001 - 2004 vom Dezember 2000. Zusätzlich erwähnt sie noch den zunehmenden Ausgabendruck im Gesundheitssektor und mögliche Steuerausfälle aus Rückforderungen an Getränkesteuer. Weiters ist noch unklar, wie die Länder das von ihnen geforderte Einsparungspotential in der Höhe von 0,75% des BIP erreichen werden. Angesichts dieser Risken und der noch immer gegebenen Maßnahmen mit Einmaleffekten (Fondsabschöpfungen in der Arbeitslosenversicherung) ist weder die Zielerreichung und schon gar nicht die dauerhafte Absicherung des Erreichten gesichert. Die Erstellung des Bundeshaushaltes 2003 wird daher zur echten Nagelprobe werden. Selbst das Halten eines einmal erreichten Zieles ist eine große budgetpolitische Herausforderung. Budgetpolitische Spielräume für Steuersenkungen oder für die Erfüllung der zahlreichen im Koalitionsabkommen vereinbarten Geschenke sind derzeit nicht erkennbar.

6. Zusammenfassung

Das Budget 2002 steht ganz im Zeichen der Erreichung des »Nulldefizits«. Das Konsolidierungsprogramm des Vorjahres prägt auch dieses Budget. Überdurchschnittlich stark wachsenden Steuereinnahmen steht ein Ausgabenrückgang gegenüber. Dieser Rückgang geht einher mit einem Verzicht auf aktive Wirtschafts-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik. All dies fällt dem Saldenfetischismus zum Opfer. Trotz immer wiederkehrender Aussagen der Regierung, dieses Budget sei ein Zukunftsprogramm, sind die Schwerpunkte Bildung, Infrastruktur und Forschung aus dem in Zahlen gegossenen Regierungsprogramm nicht herleitbar. Im Gegenteil, bei den Universitäten werden die Personalausgaben eingefroren und die Höherdotierung der Investitionen reicht für entscheidende Verbesserungen nicht aus. Die Mehrausgaben im Bereich der Fachhochschulen sind zu gering, um den Andrang an Bewerbern zu befriedigen. Die Ausgaben des Unterrichtsressorts bleiben nahezu unverändert - dies vor dem Hintergrund steigender Nachfrage nach berufsbildenden Schulen und eines hohen Bedarfs an Ausbildungsplätzen im Bereich der Informationstechnologie. An den Pflichtschulen sollen 5000 Lehrer eingespart werden. Die Mittel für die Weiterbildung bleiben auch weiterhin eingefroren. Trotz hoher Überschüsse in der Arbeitslosenversicherung werden weder die im EU-Vergleich skandalös niedrigen Leistungen erhöht noch verstärkt arbeitsmarktqualifizierende Maßnahmen gesetzt. Der eigentliche Schwerpunkt ist die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes.

Der seit dem Vorjahr eingeschlagene Budgetkurs dämpft das Wirtschaftswachstum. Mitverantwortlich dafür sind die steigenden Gebühren und Steuern, die vor allem Klein- und Mittelverdiener treffen.

Wegen zahlreicher Risken ist weder die Erreichung des »Nulldefizits« noch die dauerhafte Absicherung garantiert. Die echte Nagelprobe wird daher das Budget 2003. Budgetäre Spielräume für Steuersenkungen und Geschenke aus dem Koalitionsabkommen sind aus heutiger Sicht nicht erkennbar, wenn - wie im Stabilitätsprogramm vorgesehen - der gesamtstaatliche Haushalt auch 2003 ausgeglichen sein soll.

Tabelle 1:

Die wichtigsten Kennzahlen der Budgetentwicklung
Allgemeiner Haushalt auf administrativer Basis

BVA-E 2002 BVA 2001 vorl. Erfolg
2000
1999
in Milliarden Schilling
Ausgaben 802,3 809,1 801,0 787,8
davon Personalausgaben für Aktive inkl. Landeslehrer 148,8 152,0 147,7 146,7
Bruttoinvestitionen 6,8 11,6 7,3 9,6
Einnahmen 790,9 776,3 761,7 719,6
Defizit (administrativ) -11,4 -32,8 -39,3 -68,2
Defizit in % des BIP -0,4 -1,1 -1,4 -2,5
Zinsenaufwand 95,9 93,2 93,0 91,4
Zinsenaufwand in % der Steuereinnahmen (netto) 18,3 18,6 20,5 20,3
Bruttoinlandsprodukt 3.047,0 2.941,0 2.834,0 2.712,0
in % des BIP
Defizit des Staates
nach Maastricht
0,0 -0,4 -1,3 -2,1
Bundessektor -0,7 -1,4 -1,6 -2,3
Länder, Gemeinden, sonst. 0,7 1,0 0,3 0,2
Annahmen für die Budgeterstellung Prognose vom Prognose vom WIFO-Prognosen für das Jahr 2002 (in %) Prognose vom Dezember 2000 Prognose vom März 2000
BIP real 2,8 2,1
BIP nominell 4,1 3,6
Bruttoverdienste je Arbeitnehmer 2,5 2,2
Verbraucherpreise 1,3 1,3
Unselbständig Beschäftigte 0,9 0,5
Arbeitslosenquote 3,2 3,6

Quelle: BM für Finanzen, eigene Berechnungen

Tabelle 2

Dauerhafte Konsolidierungsmaßnahmen 2001-2002
in Milliarden Schilling

Ausgabenseitige Maßnahmen 2001 2002
Verwaltungsreform inkl. Landeslehrer 5,0 11,1
Pensionsreform inkl. öffentlicher Dienst 3,5 9,9
Soziale Treffsicherheit 1,8 1,8
davon
Neuregelung Familienzuschlag 0,4 0,4
Neuregelung der Wartefrist bei Arbeitslosen 0,8 0,8
Zinsenentlastungen durch Schuldenreduktion 3,0
Finanzausgleich
Strukturreformen ohne Landeslehrer 2,0 2,0
Ausgabenseitige Maßnahmen insgesamt 12,3 27,8
in % der Konsolidierungsmaßnahmen 24,6 40,5
Einnahmenseitige Maßnahmen
Änderung Absetzbeträge 6,1 6,2
Abschaffung Investitionsfreibetrag 0,0 6,0
Einschränkung der Rückstellungen 0,0 3,0
Verlängerung der Abschreibung von Gebäuden 0,0 2,5
Begrenzung des Verlustvortrags 0,0 2,5
Erweiterung des Lohnsteuerabzugs 0,5 0,6
Änderung bei Einmalzahlungen 4,0 4,5
Privatstiftungen inkl. Schenkungsteuer 2,1 2,2
Erhöhung der Einheitswerte in der Erbschaftsteuer 0,5 1,0
Kfz-Steuer für Lkw 0,7 0,9
Zinsen für Rückstände/Guthaben 0,2 0,5
Erhöhung der Vorauszahlungen 15,0 0,0
Besteuerung der Unfallrenten 1,8 2,0
Reduktion der Ertragsanteile der Länder 3,0 3,0
Besteuerung der Substanzgewinne von Investmentfonds 0,7 0,8
Steuerliche Erfassung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerungen 0,0 1,0
Einnahmen aus Pensions(sicherungs)beiträgen 1,0 1,0
Soziale Treffsicherheit 2,2 3,2
davon
Studienbeiträge 1,0 2,0
Einschränkung der Mitversicherung in der Krankenversicherung 0,9 0,9
KV-Beiträge für Zusatzpensionen 0,3 0,3
Einnahmenseitige Maßnahmen insgesamt 37,8 40,9
in % der Konsolidierungsmaßnahmen 75,4 59,5
Summe dauerhafter Konsolidierungsmaßnahmen 50,1 68,7


Tabelle 3:

Einnahmen und Ausgaben in ökonomischer Gliederung
Allgemeiner Haushalt auf administrativer Basis in Mrd. S

1999 vorl. Erfolg
2000
BVA 2001 BVA-E 2002 Zuwachs gegenüber 2001 in %
Einnahmen 719,6 761,7 776,3 790,9 1,9
öffentliche Abgaben brutto 669,8 693,3 749,9 781,2 4,2
Lohnsteuer 203,0 199,1 222,0 235,0 5,9
Steuern auf sonstige Einkommen und Gewinne 84,8 129,1 145,7 154,3 5,9
Umsatzsteuer 227,0 234,7 246,0 254,0 3,3
abzügl. Überweisungen und Steueranteile 191,0 209,9 215,6 225,7 4,7
abzügl. Überweisungen EU 29,1 28,8 32,5 33,0 1,5
öffentliche Abgaben netto 449,7 454,6 501,8 522,6 4,1
Überweisungen an Bundesfonds*) 19,8 21,1 21,0 21,6 2,9
steuerähnliche Einnahmen**) 94,1 95,0 97,8 101,3 3,6
sonstige Einnahmen (bis 1999 inkl. Bundesbetriebe) 156,0 191,1 155,7 145,5 -6,6
Ausgaben 787,8 801,0 809,1 802,3 -0,8
Aktivitätsaufwand inkl. Landeslehrer 146,7 147,7 152,0 148,8 -2,1
Pensionen inkl. Landeslehrer 41,0 42,9 44,3 45,8 3,4
laufender Sachaufwand 64,8 64,6 71,3 72,9 2,2
Bruttoinvestitionen 9,6 7,3 11,6 6,8 -41,4
Transferausgaben 383,1 370,5 391,5 391,4 0,0
Familienpolitische Maßnahmen 58,5 60,4 61,3 61,8 0,8
Arbeitslosenversicherung 33,4 31,2 27,9 27,6 -1,1
Überweisungen an die Sozialversicherung 108,0 99,8 106,7 109,9 3,0
Förderungen an Unternehmungen inkl. Landwirtschaft 55,6 56,9 70,9 66,9 -5,6
Zinsaufwand 113,9 127,1 119,5 117,2 -1,9
sonstige Ausgaben 28,7 40,9 18,9 19,4 2,6
administratives Defizit -68,2 -39,3 -32,8 -11,4
Maastricht-Defizit des Bundes -63,4 -45,3 -42,2 -21,7

*) vor allem Beiträge zu FLAF und Arbeitslosenversicherung
**) FLAF, Katastrophenfonds, Siedlungswasserwirtschaft
Quelle: BM für Finanzen, eigene Berechnungen

1) Die Maßnahmen wurden ausführlich in folgenden Ausgaben von »Arbeit & Wirtschaft« behandelt: B. Rossmann, »Wer trägt die Last?«, Heft 11/2000 und »Budget 2001 - Beschleunigter Personalabbau bringt Steuerbelastungen sowie Personal- und Sozialabbau«, Heft 1/2001.

2) Nach Vorstellungen Haiders und der FPÖ soll die Besteuerung der Unfallrenten für Einkommen bis 20.000 Schilling zurückgenommen werden.

3) H. Kramer, Überlegungen zu den Verteilungswirkungen der österreichischen Budgetpolitik, WIFO Monatsbericht 1/2001

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Bruno Rossmann http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995233261 Mit der AK rechnen! Die Antwort der Arbeitnehmer: Bei den AK-Wahlen im Frühjahr 2000 steigt die Wahlbeteiligung um fast 50 Prozent, und mit großen Mehrheiten gewählt werden jene Kandidaten, die eindeutig gegen die neue Politik des Sozialabbaus Stellung genommen hatten. Die Freiheitlichen Arbeitnehmer erleiden in allen Bundesländern eine vernichtende Niederlage. Die Arbeitnehmer machen deutlich, wem sie in der neuen Situation die Vertretung ihrer Interessen zutrauen.

Um Haiders Auftrag wird es eine Zeit lang ruhig - vergessen ist er allerdings nicht. Im Herbst 2000 bringt die FPÖ im Parlament einen Gesetzesantrag ein. Die Botschaft: Nicht die Arbeitnehmer sollen künftig über die Finanzierung ihrer Interessenvertretung bestimmen, sondern die Parlamentsmehrheit entscheidet, wofür das Geld der Arbeitnehmer ausgegeben wird.

Entlarvend dabei die Argumentation: Die AK wende zu viel für Öffentlichkeitsarbeit auf, das sei zur Erfüllung der eigentlichen Aufgaben der Arbeiterkammern nicht erforderlich. Dazu ein paar Titel aus der aktuellen AK-Publikationsliste:

»Auflösung des Arbeitsvertrages«; »Einfluss des Wirtschaftswachstums auf die Arbeitslosigkeit«; »Zweiter Bildungsweg«.

Allerdings hat die AK auch darüber informiert, wie die Besteuerung der Unfallrenten geplant war, wie Invaliditätspensionen gekürzt wurden, wie die Krankenscheingebühren erhöht wurden, wie das Road-Pricing für Lkw zu Lasten der Pkw-Fahrer Jahr für Jahr weiter verzögert wird, und, und, und ...

Gesetzlicher Auftrag

Interessenvertretung ist eben auch Information, heute mehr denn je. Die Regierungspropaganda vom »Sparen mit sozialem Augenmaß« wäre wohl leichter zu verbreiten, wenn sie nicht auf klare Informationen aus der Perspektive der Betroffenen träfe. Das wollen wir gerne zugeben. »In Durchführung der Interessenvertretungsaufgaben ... sind die Arbeiterkammern insbesondere berufen, ... über alle die Interessen der Arbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten zu informieren.« Das ist der gesetzliche Auftrag der AK (§ 4 Arbeiterkammergesetz 1992).

Jahr für Jahr erstreiten die Arbeiterkammern für ihre Mitglieder mehr, als die Arbeiterkammerbeiträge ausmachen (Durch die AK Wien wurden z. B. im Jahr 2000 1,157.000.000 Schilling erstritten, die AK-Beiträge betrugen 920.000.000 Schilling). Die Arbeiterkammern bieten Beratung, Unterstützung, Weiterbildung. AK-Experten analysieren Gesetze, Verordnungen, Betriebsvereinbarungen; viele ihrer Vorschläge haben die Grundlagen für unser soziales Netz geschaffen und Nachteile für Arbeitnehmer verhindert.

Die AK ist ihr Geld wert. Das sagen jedenfalls die AK-Mitglieder: Die große Mehrheit hält den AK-Beitrag für »gerade richtig« oder gar für »eher zu niedrig«.

Der Klubobmann der FPÖ, Westenthaler, sekundiert von seinem Mentor ÖVP-Klubobmann Khol, hält diesen Beitrag für unangemessen hoch. Das haben die beiden Herren im Mai 2001 einmal mehr wissen lassen. Die Kosten der Verwaltung reduzieren, Beiträge zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich zu leisten, die Bürgernähe durch verbesserte Servicequalität stärken - das seien Ziele der Bundesregierung, zu denen auch die AK-Mitglieder beitragen müssten.

Nachrechnen!

Tatsache ist, dass in den letzten 10 Jahren (1991-1999) das Gesamtsteueraufkommen Österreichs von 40,6 Prozent auf 44,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gestiegen ist, die Gesamtaufwendungen für Soziale Sicherheit von 13,7 Prozent auf 15,1 Prozent des BIP (Quelle: OECD); gleichzeitig ist die Arbeiterkammerumlage, bezogen auf das BIP, von 0,13 Prozent auf 0,12 Prozent gesunken.

In diesen Zeitraum fällt die Einführung des kostenlosen Rechtsschutzes für alle AK-Mitglieder durch das Arbeiterkammergesetz 1992: Die AK Wien etwa gewährte im Jahr 2000 rund 4000 Mitgliedern Arbeitsrechtsschutz, rund 80.000 Mitglieder wurden persönlich beraten (1991: 47.000).

Das ist eine Steigerung der Beratungsleistung um 9 Prozent jährlich, und kostenlosen Rechtsschutz sah das Arbeiterkammergesetz vor 10 Jahren noch nicht vor. Die Beitragseinnahmen der AK stiegen in diesem Zeitraum um rund 2 Prozent jährlich. Mit dem im November vorgestellten Programm »AK plus« werden die Arbeiterkammern das Leistungsangebot für ihre Mitglieder weiter verbessern; die Mittel dafür kommen ausschließlich aus Einsparungen durch innere Reorganisation.

Wie wichtig die Wahrung des sozialen Friedens für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich ist, braucht wohl nicht im Einzelnen ausgeführt zu werden. Starke aktive Interessenvertretungen der Arbeitnehmer sind eine wesentliche Voraussetzung für die Wahrung des sozialen Friedens.

10 Jahre AK-Reform: Sparsamkeit, mehr Leistungen für die Mitglieder, soziale Verantwortung. Rechnen Sie nach, Herr Westenthaler. Rechnen Sie nach, Herr Khol. 2,5 Millionen AK-Mitglieder rechnen mit uns.

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Herbert Wabnegg (Vorsitzender des Redaktionskomitees von »Arbeit & Wirtschaft«) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 May 2001 00:00:00 +0200 1197995233257 Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen ... Wer unsere Titelgeschichte genau liest, wird erkennen, wie überdurchschnittlich wachsende Steuereinnahmen einem Ausgabenrückgang gegenüberstehen. Und wie dem »Saldenfetischismus« eine aktive Wirtschafts-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik geopfert wird. Vor allem was in der Bildung geschieht, ist skandalös. Lesen Sie nur, unsere Experten von der Arbeiterkammer haben das genau analysiert! Und dann die Arbeitslosenversicherung! Trotz hoher Überschüsse werden die im EU-Vergleich skandalös niedrigen Leistungen nicht erhöht! Und arbeitsmarktqualifizierende Maßnahmen lassen auch ziemlich zu wünschen übrig! Aber lesen Sie selbst!

Im Jahr 2000 gab es den Gipfel von Lissabon, und dort hat die Europäische Union erstmals ein Bekenntnis zur Vollbeschäftigung abgelegt. Zwei Jahre davor hatte man sich noch nicht einigen können, ein solches Ziel in den Unionsvertrag aufzunehmen, obwohl man im Vertrag von Amsterdam 1997 immerhin die Beschäftigung offiziell zu »einer Angelegenheit von gemeinsamem Interesse« erklärt hatte. Alle diese Informationen zur europäischen Beschäftigungspolitik finden Sie beim weiteren Schwerpunkt dieses Heftes, und dabei geht es im Prinzip nicht um Statistiken, sondern um menschliche Schicksale. Es ist das erklärte Ziel der europäischen Staats- und Regierungschefs, die Beschäftigungsquote bis 2010 auf insgesamt 70 Prozent anzuheben (für Frauen auf 60 Prozent). Die Beschäftigungsquote betrifft erwerbsfähige Arbeitnehmer von 15 bis unter 65 Jahren, bei Frauen bis unter 60 Jahren.

Klar könnten Sie jetzt sagen, das ist doch nur trockene Statistik, aber letzten Endes geht es um einen Job für meinen oder Ihren arbeitslosen Nachbarn ...

Unser drittes großes Thema betrifft auch einen jeden von uns, denn es geht um jene Sache, die man erst schätzen lernt, wenn man sie nicht mehr hat: um die Gesundheit. Die Gesundheitspolitik und die Folgen des medizinischen Fortschritts haben wir in einem leicht verständlichen Diskussionsbeitrag zusammengestellt. Sich mit diesem Thema zu beschäftigen lohnt auf jeden Fall weil man so neben den - wichtigen - Details das Grundsätzliche nicht aus den Augen verliert und nicht Gefahr läuft, »vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen«.

Mir bleibt nur noch, den Leserinnen und Lesern bei der Lektüre Erbauung und viele Aha-Erlebnisse zu wünschen.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228585 Was ist eine Gewerkschaft - heute? Die Situation

Arbeitslosigkeit, soziale Spaltung, prekäre Arbeitsverhältnisse, Angriffe auf die soziale Sicherung, der Abbau öffentlicher Leistungen - kurzum, die unsozialen Spuren, die die neoliberale Wirtschaftspolitik hinterlässt, haben die Gewerkschaften in die Defensive gedrängt. Aber: Dies ist kein Naturgesetz. Auch wenn es unter dem Druck der Arbeitslosigkeit schwer fällt, die Konkurrenz in den eigenen Reihen zu überwinden - die Geschichte beweist, dass solidarische Selbsthilfe, demokratische Gestaltung und kollektive Gegenwehr auch in Zeiten sozialer Bedrängnis durchaus möglich sind.

Wenn die Gewerkschaften - und nicht nur sie - derzeit in der Defensive stecken, so ist dies nicht allein der »Übermacht des Kapitals« geschuldet, es hängt auch mit eigener Halbherzigkeit, Unentschlossenheit, Phantasielosigkeit und Konfliktscheue zusammen. Bisweilen scheint es, als habe die Linke den Kampf um die Köpfe aufgegeben.

Politisches Mandat der Gewerkschaften

Erste Bedingung der Gegenwehr ist es, sich zum politischen Mandat der Gewerkschaften zu bekennen. Gewerkschaftsarbeit darf sich nicht im täglichen Konflikt um Einkommen und Arbeitsbedingungen derer, die Arbeit haben, erschöpfen. So wichtig diese täglichen Auseinandersetzungen auch sind - sie reichen nicht an die Wurzeln von Ausgrenzung und gesellschaftlicher Spaltung. Daher gilt es, die sozialen Kämpfe mit politischen Perspektiven zu verbinden, kurzum, auf die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt Einfluss zu nehmen.

Konzepte und Gegenentwürfe entwickeln!

Erste Herausforderung ist es, eigene Konzepte zu entwickeln. Das schließt durchaus auch den Mut zur Utopie mit ein.

Wenn die Überwindung der Arbeitslosigkeit, die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Reichtum, wenn Autonomie, Emanzipation und Chancengleichheit auch morgen die Perspektive einer menschenwürdigen Gesellschaft sein sollen, muss das Folgen haben

  • für die Organisation und Verteilung der Arbeit,
  • für die Fortentwicklung der sozialen Sicherungssysteme,
  • für die Reichtumsverteilung und
  • für die Ausgestaltung der öffentlichen Infrastruktur.

Notwendig sind Gegenentwürfe zum neoliberalen Programm der ungebändigten Renditesteigerung und der kommerziellen Kolonisierung des gesellschaftlichen Lebens.

Was damit gemeint ist, sei an folgenden Beispielen demonstriert:

(1) Entgegen der herrschenden Spar- und Konsolidierungspolitik und im bewussten Gegensatz zu den Maastricht-Kriterien gilt es, die gesellschaftliche Infrastruktur und die öffentlichen Leistungen zu verteidigen und auszuweiten, statt sie einzuschränken und ihre renditeträchtigen Teile zu privatisieren.

Das gebietet nicht allein soziale Gerechtigkeit, sondern auch die volkswirtschaftliche und ökologische Vernunft. Das öffentliche Verkehrswesen, Kindergärten, Schulen und Hochschulen, die Förderung musischer Bildung und der Ausbau kultureller Einrichtungen, die Entwicklung umweltfreundlicher Energie, die Hilfe zum Aufbau unterentwickelter Regionen und vieles andere mehr würden in den industrialisierten Ländern Europas nicht nur millionenfach neue Arbeit entstehen lassen, und zwar qualifizierte Arbeit. Es handelt sich zugleich um Investitionen in unsere und unserer Kinder Zukunft.

(2) Damit stellt sich die Notwendigkeit, Einkommen und Reichtum umzuverteilen. In fast allen entwickelten Ländern hat sich die Kluft zwischen niedrigen und hohen Einkünften, zwischen Armut und Reichtum weiter geöffnet. Die Politik, namentlich die Haushalts- und Steuerpolitik, fördert diese Entwicklung.

Die Folge ist, dass immer größere Gewinn- und Vermögensanteile in - oft spekulative - Finanzanlagen gesteckt werden. Die weitere Folge liegt in der Verselbständigung des Finanzsektors und seiner Internationalisierung. Rigide Vorgaben des Shareholder-Kapitalismus haben hier eine ihrer Wurzeln. Aufgabe staatlicher Haushaltspolitik ist es daher, Spitzenverdiener und Inhaber großer Vermögen entsprechend ihrer Leistungskraft zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen. Das gilt in gleicher Weise für die nationale Steuerpolitik wie für internationale Abkommen, etwa zur Einführung einer Devisenumsatzsteuer (Tobin-Tax).

Im Übrigen ist es volkswirtschaftlich sinnvoller, einen Teil der überschüssigen Gewinne und Vermögenseinkünfte in beschäftigungsintensive und gesellschaftlich sinnvolle Investitionen umzulenken, statt sie unkontrolliert in unproduktiven Finanzanlagen um den Globus vagabundieren zu lassen.

(3) Ein weiteres Projekt betrifft die Umverteilung der Arbeit. Wenn wir die Arbeitslosigkeit überwinden wollen, ist radikale Arbeitszeitverkürzung geboten, in unterschiedlichen Formen.

Dabei gilt es nicht zuletzt die traditionelle patriarchalische Arbeitsteilung zu überwinden, die den Männern das Privileg des so genannten Normalarbeitsverhältnisses zuweist, derweil ihnen die Frauen durch unbezahlte Reproduktionsarbeit und bei prekärer Beschäftigung den Rücken freihalten. Geschlechterdemokratie gebietet auch eine gerechte Verteilung der Arbeit, der Erwerbs- wie der Reproduktionsarbeit. Emanzipation zielt übrigens nicht nur auf gleiche Chancen für die Frauen, sondern auch auf Befreiung der Männer von den Verbiegungen ihrer Karriere-Zurichtung in einem System von Herrschaft und Gehorsamkeit.

(4) In dem Maße, in dem die neoliberale Markt-Ideologie Politik und Gesellschaft durchdringt, findet der Wertekanon einer Wettbewerbsgesellschaft zunehmend Anerkennung. In den Vordergrund rücken Tugenden der Stärke und Durchsetzungsmacht, der Härte, Unnachgiebigkeit und Schnelligkeit sowie Kategorien wie Sieg und Niederlage, Verdrängung und Untergang. Hand in Hand damit geht die verbreitete Denunzierung des Gleichheitspostulats als wachstums- und leistungsfeindlich. Auf der Strecke bleibt das Gebot solidarischen Ausgleichs.

Wem die demokratische Entwicklung der Gesellschaft nicht gleichgültig ist, der muss solchen sozial-darwinistischen Tendenzen entgegentreten. Der muss für Werte der Toleranz, der Solidarität, des Respekts vor Minderheiten und der Gleichberechtigung kämpfen.

Wirtschaftliche Effizienz-Kriterien sind nicht alles. Es gibt Lebensbereiche und Leistungen, für die andere Maßstäbe gelten, z. B. kulturelle Vielfalt, gleiche Lebenschancen und gleicher Zugang zu Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Kurzum, es geht auch um das kulturelle Projekt, welche Werte, Prinzipien und Lebensmuster der ökonomischen Durchdringung der Gesellschaft entgegenzusetzen sind.

Zusammenarbeit und Bündnispartner

Spätestens in diesem Zusammenhang wird deutlich, wie notwendig die Zusammenarbeit mit anderen sozialen, feministischen und ökologischen Initiativen und Bewegungen ist. Die Gewerkschaften sind immer wieder der Versuchung ausgesetzt, bestimmte Interessen, etwa die der männlichen Facharbeiter, mit Vorrang zu verfolgen und andere Bedürfnisse und Lebensweisen auszublenden. Hier kann der Stachel anderer Initiativen nur gut tun.

Dumpingkonkurrenz: Unterbietungswettlauf überwinden!

Die Gewerkschaften wurden unter anderem mit dem Ziel gegründet, die Konkurrenz in den eigenen Reihen zu überwinden. Gerade in Zeiten, in denen unter dem Eindruck von New Economy Selbständigkeit, Eigenverantwortung und Privatisierung sozialer Risiken propagiert werden, ist es umso notwendiger, sich nicht wechselseitig in Unterbietungswettlauf treiben zu lassen. Das gilt national wie international.

Unter der Ägide des »Wettbewerbsstaats« erleben wir eine Welle der Standortkonkurrenz. So schwierig es ist, die Gewerkschaften müssen in Europa und weltweit der Versuchung widerstehen, sich in Dumpingkonkurrenz drängen zu lassen. Grenzüberschreitende Abstimmung, vor allem in der Tarifpolitik, ist daher überfällig. Darüber hinaus müssen sich die Gewerkschaften auf gemeinsame Ziele und Prioritäten verständigen.

Die »Politik der Mitte« und der Rand

Eine moderne Variante sozialdemokratischer Programmatik ist die »Politik der Mitte«. Bei Lichte besehen entpuppt sie sich als eine Politik für die, die in der Mitte stehen, also z. B. die qualifizierten Angestellten in Zukunftsbranchen oder die männlichen Facharbeiter in stabilen Export-Sektoren. Für die Gewerkschaften liegt die Gefahr nicht fern, sich in eine derartige Politik einzufügen, etwa zugunsten der Modernisierungsgewinner.

Sie laufen damit Gefahr, die Bedürfnisse derer zu vernachlässigen, die nicht im Zentrum der gewerkschaftlichen Arbeit und ihrer Gremien stehen: etwa der Arbeitslosen, der prekär Beschäftigten, der Ausländer und eben auch - der Frauen.

Die Gewerkschaften haben ihre politische Überzeugungskraft stets in dem Maße gewonnen, in dem sie zur Verallgemeinerung der Interessen fähig waren, in dem sie also der Versuchung einer Standespolitik widerstanden haben.

Wie wäre es, die Gewerkschaften würden sich - national wie im europäischen Raum - z. B. darauf verständigen, prekäre Beschäftigung, die sozialen und arbeitsrechtlichen Schutz vermissen lässt, mit Vorrang zu bekämpfen?

Oder wie wäre ein grenzüberschreitender gewerkschaftlicher Pakt, ein Mindesteinkommen für alle Beschäftigten durchzusetzen, das ein Leben nach europäischem Standard ermöglicht?

Eine solche Aktion könnte sich zugleich als wichtiges Projekt erweisen, nicht nur dem Kollektivvertrag die notwendige gesellschaftliche Anerkennung zu erhalten bzw. wieder zu verschaffen, sondern auch dem Verfassungsgebot gleicher Lebensbedingungen den notwendigen Rang einzuräumen.

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Detlef Hensche (Vorsitzender der deutschen Industriegewerkschaft »Medien«) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995228555 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228500 Nachrichten aus der Toskana | Die Eliten und der Neoliberalismus 1)]]> 1. Der Neoliberalismus - ein Siegeszug

Die moderne Arbeitswelt ist einer Reihe von Entwicklungen unterworfen, die einander ergänzen oder verstärken: der Internationalisierung, der Verschärfung des Wettbewerbs, der Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses, der Verdrängung von stabilen Beziehungen durch flüchtige, vertraglich reglementierte Austauschbeziehungen, einem bis ins unerträgliche angeheizten Wettbewerb um Spitzenpositionen und um die verbliebenen sicheren und gut bezahlten Arbeitsplätze. Im Gefolge kam es einerseits zur Totalisierung der Arbeitswelt, zur Unterordnung jeglichen menschlichen Bemühens und jeglicher menschlicher Erfahrung unter die Imperative der Rentabilität und des Wirtschaftswachstums, andererseits zu jener Spaltung der Gesellschaft, über die so viel geklagt und gegen die so wenig unternommen wird. Das Gesamtphänomen firmiert in der öffentlichen Diskussion unter der Rubrik »gesellschaftliche Spaltung« und »Neoliberalismus«. Der entscheidende Irrtum dieser Diskussion liegt in der Unterstellung, »Neoliberalismus« hätte zu einer weltbeherrschenden Ideologie werden können, ohne sich dabei auf mehr zu stützen als auf die Überzeugungskraft der Argumente des »Wall Street Journal« oder einiger durchgeknallter Ökonomieprofessoren. Was hinzukommt, sind die Interessen der Eliten, die besonders wirksam sind, weil sie kunstvoll verschleiert werden - durch politische Korrektheit oder durch eine Philanthropie, die in den USA nur wiederum jenen Kliniken zugute kommt, in denen sich die Spender behandeln lassen, nur jenen Eliteuniversitäten, die ihre Kinder besuchen, usw.

Eben jene Entwicklungen, die die Arbeitswelt bis zur Unkenntlichkeit verändert haben, lagen auch dem Machtverlust der Arbeitnehmerseite zugrunde. Die Arbeiterbewegung bewahrte den Kapitalismus durch die ihm aufgezwungene Regulierung vor seiner eigenen Narretei. Mit der Internationalisierung und angesichts der sich von jenen der entwickelten Gesellschaften drastisch unterscheidenden Interessenlagen der im Aufholen begriffenen Volkswirtschaften wird es immer schwieriger, im einzelstaatlichen Kontext eine die kapitalistischen Exzesse zügelnde Politik zu betreiben. Damit wird es auch immer schwieriger, den sich vertiefenden Spaltungen der Arbeitsgesellschaft entgegenzuwirken: Es bedürfte dazu einer gewaltigen Anstrengung, die unterbleiben wird, solange die Prioritäten der Eliten die Politik dominieren und solange deren Angehörige sich ihrer Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen entledigen können, indem sie die in fortschrittlichen Kreisen erwarteten Gesten produzieren und indem sie »Betroffenheit« zeigen, wo es angebracht erscheint.

Der bitter notwendige Widerstand unterbleibt für Leute, die sich in die Enklaven der Wohlhabenden zurückgezogen haben und zur Beruhigung des Gewissens die Grünen (oder auch die Sozialdemokraten) wählen. Es hat wenig Sinn, hier auf die Ebene individueller Schuldzuschreibungen zu gehen - worauf es ankommt, das sind die Konsequenzen der geschilderten Situation, die unvermeidlich erscheinende Spaltung. Mit der Gesellschaft als Ganzes spalten sich auch die Wählerschaften der einzelnen politischen Parteien - die Sozialisten waren die Partei des Fortschritts zu einer Zeit, als für die Arbeiter der Fortschritt noch sehr bescheiden aussah. Man konnte damals eine fortschrittliche Politik für die werktätigen Massen machen, für Menschen in ziemlich ähnlichen Lebenslagen, die durch weitgehend deckungsgleiche Interessen verbunden waren. Das geht heute nicht mehr; an die Stelle der Loyalitäten von einst ist heute ein Verteilungsgemetzel getreten, dessen einfachster gemeinsamer Nenner darin besteht, »dass sich niemand etwas wegnehmen lassen möchte« und dass niemand genau weiß, wer als Verbündeter zu zählen hat und wer als Feind. Dabei kommt es zu einer Entideologisierung, die die Vision einer gleicheren und gerechteren Gesellschaft für medizinisch auffällig erklärt.

2. Politik und Arbeitswelt

Egal, ob sie visionär oder popularitätsheischend einherkommt, ist die Politik immer noch durch die Interessen der Wähler bestimmt, die wiederum durch die moderne Arbeitswelt strukturiert sind, wie sie es einst durch die Industrialisierung waren; dies zeigt sich nirgends deutlicher als in den Machtverschiebungen zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Gruppen. Der mit der Bewegung von stabilen Statusverhältnissen zu flüchtigen vertraglichen Beziehungen verknüpfte Demokratisierungsschub hat dafür gesorgt, dass sich die relative Position großer und früher massiver als heute benachteiligter Gruppen verbessert hat, wie z. B. jene der Frauen. Gleichzeitig wurden die Einkommens- und Machtunterschiede zwischen den Mitgliedern dieser Gruppen immer größer. Es kam zu Polarisierungseffekten: Auf jeden schwarzen Amerikaner, der den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft hatte, kamen zehn junge Afroamerikaner, die es nur bis zum Kleinkriminellen bringen konnten. Diese Polarisierung war zu erwarten gewesen angesichts der Tatsache, dass die Vertretung der Interessen der Verlierer der Konkurrenzgesellschaft von niemandem ernsthaft betrieben wird.

Mit Robert Reich können wir in der modernen Arbeitswelt drei verschiedene Typen von Beschäftigten unterscheiden: die Routineproduzenten, die persönlichen Dienstleister und die Symbolanalytiker. Letztere leben von der Kommunikation und von der Manipulation von Symbolen. Sie sind mit jenen Aktivitäten befasst, die in der globalisierten Weltwirtschaft eigentlich wertschöpfend sind. Routineproduzenten stehen in Konkurrenz mit all jenen, die dasselbe können wie sie, doch wesentlich niedrigere Löhne erhalten; die persönlichen Dienstleister sind die Vasallen der »symbolic analysts«, die sich solche nur leisten können, weil sie selbst entsprechend mehr verdienen. Zum symbolic analyst wird man, wenn man den richtigen familiären Hintergrund hat und die richtigen Schulen besucht und sich dann mit Finanzmanagement, internationalem Privatrecht, Gentechnologie etc. befasst.

Diese Spaltung wird in zunehmendem Ausmaß unabhängig von den klassischen Mechanismen der Diskriminierung. Die moderne Firma ist »aufgeschlossen« - sie nimmt Frauen und Afroamerikaner auf, solange diese tüchtig sind und solange daher an ihnen verdient werden kann.

Die gesellschaftlichen Spaltungen, die den »Aufgeklärten« so viel Kopfzerbrechen zu bereiten scheinen, sind Spaltungen zwischen den symbolmanipulierenden Eliten und den »Modernisierungsverlierern«, den Dienstleistern und den Routineproduzenten; es entsteht so die vordergründig widersprüchliche Situation, bei der jene, die über eine gesellschaftliche Entwicklung klagen, von dieser auch am meisten profitieren. Die Symbolanalytiker verfügen über gut bezahlte Arbeit; sind sie gleichzeitig »Insider«, Angehörige der Kernbelegschaften, dann sind ihre Arbeitsplätze auch sicher. Den Insidern gegenüber stehen die Outsider, die sich mit den Bröseln begnügen müssen, die vom reich gedeckten Tisch der Wohlstandsgesellschaft abfallen. Ihre Arbeitsplätze spiegeln jene der Insider - sie sind mit schlechter Entlohnung, niedrigem Prestige und anstrengender Arbeit verknüpft; die Outsider sind überproportional häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. In den zwischen den Insidern und den anderen Arbeitskräften stattfindenden Verteilungskämpfen ziehen die Arbeitslosen und die Outsider in mehrfacher Hinsicht den kürzeren:

1. Sie dienen als Sündenböcke in den moralischen Lehrstücken, durch die eine Gesellschaft ihre zentralen Werte behauptet.

2. Sie werden in Berufsrollen gedrängt (Putzfrau, Masseur etc.), in denen sie sich den Insidern nützlich machen können.

3. Sie besetzen jene Arbeitsplätze, die die Angehörigen der Eliten für sich selbst als unzumutbar empfinden.

4. Arbeitslosigkeit und Marginalisierung der (potentiellen) Konkurrenz nützt (trivialerweise) den Inhabern der begehrtesten gesellschaftlichen Positionen.

5. Schließlich zehren die Profiteure aus dem Sozialbereich von der Existenz der Armen, die sie therapieren und betreuen können - gegen gutes Geld natürlich.2)

Die Eliten werfen der Rechten vor, sie handle unter der Devise »Frauen an den Herd!« - was immer das ist, es ist nicht neoliberal, denn der Neoliberalismus ist viel moderner: so modern, dass er sich auch die Zerstörung der bedrückenden Kernfamilie und der inoffiziellen Ökonomie zum Anliegen macht. Wie Christopher Lasch betont hat, ging die psychotherapeutisch inspirierte Attacke auf die Familie Hand in Hand mit dem Aufblühen jener Werbeaktivitäten der Nahrungsmittelindustrie,3) die die Leute von der Überlegenheit massenhaft vorgefertigter Speisen überzeugen sollten.

Wie dem auch sei - in Spiegelung der Rechten haben sich die Eliten nun dem Wahlspruch »Arbeitslose an die Arbeit!« verschrieben; im Jargon der Beschäftigungspolitiker des europäischen Establishments, das in Brüssel und in der OECD am Ruder ist, spricht man von »Aktivierung« und »Einschluss«: Arbeitslose sollen unter sanfter Nachhilfe dazu gebracht werden, sich an der großen Veranstaltung »offizielle Arbeitswelt« zu beteiligen. »Zu hohe« Arbeitslosenunterstützungen oder gar das voraussetzungslose allgemeine Grundeinkommen würden diesem Druck entgegenwirken; nicht nur neoliberale Ökonomen, sondern auch viele meinungsprägende Frauen sind daher gegen das Grundeinkommen und gegen alles, was den Eintritt in die offizielle Ökonomie »entmutigt«.

Die schwächeren Arbeitskräfte geraten so unter den Druck einer Arbeitsmarktpolitik, die sie dazu zwingt, ihnen wenig attraktiv erscheinende Arbeitsplatzangebote anzunehmen; ergänzt wird dies durch den Druck der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte; diese ist sowohl von den Arbeitgebern als auch von den übrigen Angehörigen der Eliten erwünscht. Diese Arbeitskräfte spielen auch in Österreich die Rolle, die ihnen in ganz Europa zugedacht ist - jene Arbeiten zu verrichten, von denen sich die Einheimischen so weit wie möglich zurückgezogen haben, und dadurch auch einen Lohndruck im Niedriglohnsektor auszuüben; kein Wunder, dass man die dort Beschäftigten dann »aktivieren« muss. Die Zuwanderung von Menschen, die meist den harmlosen Plan verfolgen, sich irgendwie durchs Leben zu schlagen, und die nicht selten der Hölle auf Erden entronnen sind, ist daher doppelt instrumentalisiert, durch Arbeitgeber, die unter dem Applaus der Caritasdirektoren nach ausländischen Arbeitskräften verlangen.

3. Das zentrale Dilemma

Die Tatsachen des Arbeitsmarktes und der internationalen Wanderung werfen Probleme auf, die keine konsistente Politik mehr zulassen. So haben etwa die Grünen durch ihre - verdienstvolle - Forderung nach dem Grundeinkommen den Versuch unternommen, die Elitenfixierung ihrer Politik zu überwinden, doch erweist sich bei genauerer Betrachtung diese Forderung als Fremdkörper innerhalb des grünen politischen Programms. Stellt man die Frage, wie sie z. B. mit einer liberalen Zuwanderungspolitik vereinbar wäre, erntet man in den meisten Fällen nur ratloses Schweigen.

Die Grünen zählen zu jener Meinungskoalition, die der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte positiv gegenübersteht. Zur ideologischen Untermauerung dieses Programmpunktes dient die Rhetorik des »Arbeitskräftemangels« (gemeinsam mit dem zugehörigen »Schmarotzer«-Mythos). »Arbeitskräftemangel« bedeutet im Allgemeinen nicht, dass keine Arbeitskräfte gefunden werden können, egal, welche Bedingungen man ihnen bietet. Der Ausdruck signalisiert lediglich, dass Arbeitskraft nicht zu dem Preis beschafft werden kann, den Arbeitgeber und Konsumenten zu zahlen bereit sind.4) Es gibt Unterbeschäftigte und Mitglieder der stillen Reserve, die bei adäquater Entlohnung sehr gerne arbeiten würden. Zusätzlich wäre es möglich, in die Ausbildung der schwächsten Arbeitsmarktteilnehmer zu investieren. Allerdings verfügen die Symbolwerker über eine Option, die sie wesentlich billiger zu stehen kommt:5) die Öffnung der Grenzen für Einwanderer, die mehr als bereit sind, persönliche Dienstleistungen um geringen Lohn zu erbringen. Sind die Zuwanderer bereits gut ausgebildet, umso besser - dann kann man sich auch den Schulungsaufwand für die ortsansässigen peripheren Arbeitskräfte ersparen.

In den USA sind es dann Stimmen wie jene des konservativen »American Enterprise Institute« oder des »Wall Street Journal«, die es begrüßen, wenn der »Arbeitskräftemangel« in einer Weise behoben wird, die gleichzeitig den Lohnauftrieb bei den persönlichen Dienstleistungen dämpft.

Der Konflikt zwischen den Symbolanalytikern einerseits, den Routineproduzenten und den Angehörigen der Dienstleistungsklasse andrerseits, wird voraussichtlich von den Ersteren für sich entschieden werden. Es wird dies ein Sieg auf der ganzen Linie sein, denn sie werden das alte Kunststück der kapitalistischen Demagogen nachahmen, die stets die Leute glauben machen konnten, dass das, was für sie gut ist, für alle anderen gut ist, bzw. dass sie ihr Eigeninteresse in hochmoralischem Auftrag verfolgen. Bei der Vollführung dieses Kunststücks ist es nur nützlich, wenn man gleichzeitig die Kritik an der eigenen Position aus Leibeskräften denunziert. Wer sich der kuriosen Allianz aus Wirtschaftsinteressen und - meist sehr achtenswertem - humanitärem Engagement widersetzt, wird unverzüglich als »Populist« oder gar »Rassist« gebrandmarkt, als gehörte das Gesetz von Angebot und Nachfrage zum ideologischen Kernbestand der extremen Rechten. In derartigen bizarren Reaktionen zeigt sich ein Verfall der Standards der rationalen Argumentation, der auf Sicht auch die Interessen der Zuwanderer beeinträchtigen wird.

4. Das Ende der rationalen Diskussion?

In der Diskussion mit den meinungsbildenden Eliten - sofern sie sich überhaupt dazu herablassen, auf Widerspruch einzugehen - geht es meist weniger darum, wer die besseren Argumente hat, sondern darum, wer die edlere Gesinnung aufzuweisen hat, eine Frage, die darüber hinaus den Eliten schon von vornherein als beantwortet erscheint. Damit wird, ob dies nun beabsichtigt ist oder nicht, der Diskussion der relevanten empirischen Fragen vorgebeugt. Diese wäre allerdings wesentlich schwieriger als die leichtfertige Ehrenbeleidigung.

Am Beispiel der Migration zeigt sich das zentrale Dilemma der Politik unter den gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen - es ist unmöglich, eine »fortschrittliche« Politik zu machen, die es nicht zugleich versäumt, die Interessen der berühmten »kleinen Leute« ernst zu nehmen. Die Grünen und große Teile der SPÖ sind geschlossen im »fortschrittlichen« Lager zu finden. »Fortschrittlich« heißt dabei vor allem »kulturell liberal« und bedeutet ein Eintreten für die Rechte von Frauen, von Minderheiten, für den Umweltschutz, für »Pluralismus« usw. All das ist den Eliten lieb und wert, doch können die weniger Gebildeten damit meist weniger anfangen. Dies darf nicht ausschließlich als Rückständigkeit interpretiert werden, denn ganz offensichtlich haben z. B. die Frauen der Unterschicht vergleichsweise wenig Interesse an Kinderbetreuungsplätzen, daran, zur Annahme von Arbeit in den Putzkolonnen »aktiviert« zu werden, an moderner Kunst und an fast allen anderen Dingen, die den Eliten am Herzen liegen.

Auch die Gewerkschaft und die Arbeiterkammer sehen sich ihrem eigenen Dilemma gegenüber: Sie nehmen die Interessen der Insider des Arbeitmarktes wahr, unter anderem durch eine Hochlohnpolitik. Für die Schwächsten - und vor allem die in regelmäßiger Abfolge immer wieder von Arbeitslosigkeit Betroffenen - auf dem Arbeitsmarkt können sie immer weniger tun. Robert Reich verweist darauf, dass die Antwort auf die Spaltungstendenzen der US-amerikanischen Gesellschaft auf der Hand liegt; die Gewinner der neuen Konstellation müssten massiv zur Finanzierung von Bildung, Gesundheit und öffentlicher Infrastruktur für alle herangezogen werden.6) Es hapert lediglich an der Umsetzung dieses Rezepts, was angesichts der Macht (einschließlich der Definitionsmacht über die Wirklichkeit) der Eliten nicht weiter verwundern kann.

Am wenigsten befähigt zu einer derartigen Umverteilungspolitik erscheint eine Sozialdemokratie, die Teile ihrer elitären Anhängerschaft an die Grünen verloren hat und große Teile ihrer ursprünglichen Klientel an die Freiheitlichen. Was ihr bleibt, ist ein »Dritter Weg«, von dem immer deutlicher wird, dass er auf dem von Brüssel und der OECD inspirierten neoliberalen Elitenkonsens basiert. Damit stehen auch die humanitären Akteure, die sich für Zuwanderung stark machen und gleichzeitig den Neoliberalismus und die zunehmende »Kälte« unserer Gesellschaft kritisieren wollen, vor ihrem ureigenen Dilemma.

All das zeigt, dass unter den gegenwärtigen Umständen Politik nicht einfach sein kann, egal, ob sie nach Konsistenz, massenhaftem Zuspruch oder der Verwirklichung von hohen politischen Idealen strebt; auch die Tugend wird für Einzelpersonen nicht so einfach zu haben sein, wie es sich die »Kinder des Lichts« (Lasch) vorstellen.

Literatur

Gans, Herbert J. (1992): »Über die positiven Funktionen der unwürdigen Armen. Zur Bedeutung der >underclass< in den USA«, in: Armut im modernen Wohlfahrtsstaat, herausgegeben von Stephan Leibfried und Wolfgang Voges, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 32, S. 48-62.

Lasch, Christopher (1991): The True and Only Heaven. Progress and Its Critics. New York: Norton & Company.

Reich, Robert B. (1993): The Work of Nations. Preparing Ourselves for 21st-Century Capitalism. London: Simon & Schuster.

1) Für wertvolle Verbesserungsvorschläge danke ich Franz Heschl.

2) vgl. Gans 1992.

3) Lasch 1991, S. 518.

4) Reich 1993, S. 286.

5) Reich 1993, S. 287.

6) Reich 1993, S. 250.

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H. G. Zilian (Universitätslektor für Philosophie und Soziologie und Koleiter des Büros für Sozialforschung, Graz) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228430 Die Österreicher und die Erweiterung | Unterschätzte Probleme oder »Das Wrack an der Wand« »Was haben denn die Österreicher gegen die Erweiterung«, habe ihr der Chefredakteur gesagt und sie nach Österreich geschickt, eine Reportage zu machen, erzählt eine junge Journalistin eines schwedischen Privat-TV-Senders. Sie macht sich mit ihrem Kameramann auf nach Wien zu einer »Erkundungsreise«.

Für die Journalistin birgt die Reise zahlreiche Überraschungen. Davon, dass Österreich mit rund 1300 Kilometer mehr als ein Drittel der gesamten Außengrenze der EU zu den mittel- und osteuropäischen Ländern hat, hat sie schon gehört.

Alles andere ist neu. Rund 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung leben im grenznahen Raum innerhalb von weniger als 100 Kilometern Entfernung zu den Beitrittswerberländern.

Innerhalb der sogenannten Tagespendlerdistanz liegen auf österreichischer Seite die Ballungszentren Wien, Graz und Linz. Jenseits der Grenze ist die Situation ähnlich.

Auch hier konzentrieren sich die Ballungsgebiete Budweis, Brünn, Bratislava, Györ, Sopron und Marburg im Grenzraum. Die Hauptstädte Bratislava und Wien liegen lediglich 65 Kilometer voneinander entfernt.

Die »Illegale«

Tages- bzw. Wochenpendeln ist für eine 28-jährige Slowakin unweit von Bratislava schon seit Jahren Realität. Als Touristin kommt sie immer wieder »zu Besuch« nach Wien. In einem Lokal in Innenstadtnähe ist sie als »Aushilfe« schon fix eingeplant. Als Illegale müsse sie beim Verdienst schon einige Abstriche machen, hat ihr »die Chefin« gleich gesagt.

Aber auch so »verdient« sie nicht schlecht - vor allem im Vergleich zu ihrer Heimat. Und da sie ja Wien schon kennt, geht sie so nebenbei noch Putzen. Gar kein so schlechtes Zubrot.

Und gerade das Tages- und Wochenpendeln könnte ohne entsprechende Begleitmaßnahmen bei der EU-Erweiterung das entscheidende Problem für den österreichischen Arbeitsmarkt werden. Einige Vergleichszahlen sprechen für sich.

Die Löhne sind in unseren Nachbarländern extrem niedrig. So machen die durchschnittlichen Löhne zu Wechselkursen beispielsweise in der Slowakei nur 12 Prozent des österreichischen Einkommens aus, in Polen, Ungarn 15 Prozent und in Tschechien 16 Prozent. Nur Slowenien erreicht heute bereits 43 Prozent des österreichischen Lohnes.

Migranten

Aber auch die klassische Migration könnte ohne entsprechende Maßnahmen zum Problem werden. Fast jeder dritte Pole erwägt einer Umfrage zufolge nach der Osterweiterung die Arbeitssuche in einem EU-Staat. Vor allem die jungen Polen, die derzeit am Anfang ihrer Berufs- und Hochschulausbildung stehen, hoffen auf eine Zukunft im Westen. Für 35 Prozent der 18- bis 24-Jährigen steht fest, dass sie in einem der westlichen EU-Staaten Arbeit suchen wollen. Ein Drittel dieser Altersgruppe will darüber nachdenken. Nur ein Zehntel der jungen Befragten möchte auf jeden Fall in Polen bleiben. »In der EU sind die Bedingungen besser, außerdem weiß ich nicht, ob ich bei uns überhaupt Arbeit finde«, zitiert eine Warschauer Zeitung einen 19-jährigen Maturanten, der Informatik studieren will. Die Arbeitslosigkeit in Polen betrug im März dieses Jahres 15,9 Prozent.

Für den Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, ist das alles kein Problem. Er tritt für die sofortige Öffnung des Arbeitsmarktes nach der EU-Erweiterung ein. Zimmermann wörtlich: »Untersuchungen aus Israel und den USA haben gezeigt, dass Zuwanderung selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit den Menschen im Zuwanderungsland nicht schadet. Die Neuankömmlinge suchen sich Nischen auf dem Arbeitsmarkt, die für Einheimische gar nicht mehr in Frage kommen.«

Nischen auf dem Arbeitsmarkt?

Kristina K., 43-jährige Polin, ist so eine »Nischenproduzentin« in Wien. Vor sieben Jahren hat sie ihren Lehrerinnenjob an den Nagel gehängt und sich auf den Weg nach Österreich gemacht. Putzen war anfangs ihr »Nischengeschäft«. Heute arbeitet sie in einer anderen »Nische«. Sie hat sich der asiatischen Heilkunst verschrieben und bietet in einem Hinterhof in der Wiener Innenstadt ihre erlernten Massagekünste an. Das Geschäft laufe eigentlich nicht schlecht, erzählt sie. Und dabei könnte sie »viel verdienen, wenn sie ihren männlichen Kunden spezielle Wünsche erfüllen würde«. Aber das wäre eine andere »Nischenproduktion«, um bei der Ausdrucksweise des Chefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu bleiben.

Seit Mitte April verhandelt nun die EU mit den Beitrittswerberländern über das Kapitel Arbeitnehmerfreizügigkeit. Dazu hat sie die Formel »fünf plus zwei« erfunden. Für fünf Jahre soll die »Freiheit der ArbeitnehmerInnen« - eine der vier Grundrechte der EU - ausgesetzt werden. Diese Frist kann in bestimmten Fällen dann um zwei Jahre verlängert werden. »Das ist für den ÖGB nicht annehmbar«, erklärte dazu ÖGB-Vizepräsident Johann Driemer.

Feigenblatt und Vertuschung

»Meiner Meinung nach unterschätzen die EU-Kommission und die österreichische Regierung jene Probleme, die entstehen können, wenn es bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit keine klaren und überprüfbaren Kriterien für den Arbeitsmarkt gibt«, kritisiert Driemer. Für den ÖGB-Vizepräsidenten ist die Kommissionsformel nichts anderes als ein Feigenblatt zur Vertuschung der anstehenden Probleme. Driemer warnt, dass »mit derartigen Aktionen die Stimmung vor allem unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gegen die Erweiterung und damit gegen das große europäische Friedensprojekt angeheizt wird«.

Driemer beharrt weiterhin auf die ÖGB-Position, dass es eine volle Arbeitnehmerfreizügigkeit nur bei einer Angleichung des Lohn- und Sozialniveaus an das österreichische, mindestens aber an das europäische Durchschnittsniveau geben darf. Weiters verlangt er, dass es bereits jetzt in den Grenzregionen zu den Beitrittswerberländern umfangreiche Maßnahmen geben müsse. Der ÖGB-Vizepräsident zählt dazu den Ausbau der Infrastruktur, Investitionen zur Standortsicherung der Klein- und Mittelbetriebe sowie den Auf- und Ausbau grenzüberschreitender Projekte.

Für den ÖGB-Vizepräsidenten kann die EU-Erweiterung nur gelingen, wenn bereits jetzt mit den konkreten Vorbereitungen in Form von Regionalentwicklungsplänen, Investitionen in die Infrastruktur und grenzüberschreitenden Projekten begonnen wird. Driemer: »Die österreichische Regierung ist hier säumig. Enormer Handlungsbedarf ist angesagt.«

Arbeitnehmerrechte und soziale Grundrechte

Unterstützt wird Driemer von ÖGB- und EGB-Präsident Fritz Verzetnitsch: »Ein Datum allein ist für die EU-Erweiterung zu wenig. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, um die mit der Erweiterung verbundenen Probleme zu lösen.«

Schließlich räume sogar die EU-Kommission beim Erweiterungsprozess große Probleme mit Tages- und Wochenpendlern in den Grenzregionen ein. Verzetnitsch: »Ausschließlich auf Zeit zu setzen, halte ich daher für ein gefährliches Spiel. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, damit die EU-Erweiterung erfolgreich ist.«

Daher sind auch für den ÖGB-Präsidenten konkrete Förderungsmaßnahmen in den betroffenen Regionen - und zwar auf beiden Seiten der Grenze - unabdingbar. Weiters müsse die EU-Erweiterung mit der Verabschiedung einer sozialen Grundrechts-Charta, einer weitgehenden Anpassung der Arbeitnehmerrechte und einer Steuerharmonisierung verbunden sein.

Verzetnitsch verlangt offensive Maßnahmen zur Erreichung dieser Kriterien: »Wer nur Fristen festlegt und sonst nichts tut, wird die EU-Erweiterung an die Wand fahren. Bei der derzeitigen Ausgangssituation kann niemand einer Fabriksarbeiterin oder einem Bauarbeiter im Osten Österreichs erklären, dass die jeweiligen Arbeitsplätze in der Grenzregion sicher sind.« Daher verlangt Verzetnitsch von der EU eine Art »Marshallplan« für die Beitrittskandidaten.

Der ÖGB-Präsident fordert daher die EU-Kommission und die österreichische Regierung auf, gemeinsam mit den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Gruppen klare Kriterien für die Übergangszeit zu erarbeiten und sofort grenzüberschreitende Initiativen zur Erreichung der ausgearbeiteten Kriterien zu starten. Dazu zählen für Verzetnitsch neben wirtschaftlicher Unterstützung auch die Schaffung sozialer Mindestgarantien sowie klare soziale und beschäftigungspolitische Ziele.

Wohlstandsgefälle

Verzetnitsch: »Die Erweiterung der EU ist eines der größten Friedensprojekte. Wir müssen alles daransetzen, dass dieses Projekt auch zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger - sowohl in den derzeitigen EU-Staaten als auch in den Beitrittswerberländern - gelingt, sodass nicht nur große Unternehmen davon profitieren.«

AK-Präsident Herbert Tumpel hat noch ein weiteres Argument für Übergangskriterien parat. Tumpel: »Das jüngst prognostizierte Wirtschaftswachstum von vier Prozent für die Werberländer reicht bei weitem nicht aus, um das Wohlstands- und Lohngefälle zu Österreich deutlich zu verringern. Und eine Frist verstreicht, auch wenn sich nichts zum Positiven verändert hat.«

Die schwedische Journalistin sieht die EU-Erweiterung nach ihrem Österreichbesuch »deutlich anders«, wie sie sagt. Jedenfalls würden ihrer Meinung nach die Probleme größer sein, als der schwedische Ministerpräsident und einige andere EU-Regierungschefs immer wieder behaupten. Und dass das Hauptproblem im Bereich einer möglichen Pendlerbewegung liege, sehen zahlreiche französische Experten inzwischen auch so.

In der jüngsten Ausgabe des Magazins »Hommes et migrations« wird darauf hingewiesen, dass es »eine Migration mit saisonbedingtem Charakter sowie eine zunehmende Mobilität in den Grenzgebieten« geben könnte. Davon wären vor allem Deutschland und Österreich betroffen.

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Franz Fischill (Mitarbeiter im Pressereferat des ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995228246 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228194 EU-Osterweiterung und Arbeitsmarkt Die Betroffenheit der einzelnen derzeitigen Mitgliedsländer und der Beitrittsländer stellt sich dabei sehr unterschiedlich dar. Im Bereich des Arbeitsmarktes bzw. in der Frage der Freizügigkeit der Arbeitskräfte zeigen sich solche Unterschiede insofern besonders stark, als die unmittelbar an die Beitrittsländer angrenzenden Länder Deutschland und Österreich (Italien ist mit der Nachbarschaft zu Slowenien deutlich weniger betroffen) mit unvergleichlich größeren Auswirkungen rechnen müssen als die weiter entfernten Länder. Daher war es kein Zufall, dass Deutschland als erstes Land die Forderung nach einer siebenjährigen Übergangszeit ab dem Beitritt von mittel-osteuropäischen Ländern zur EU erhoben hat, während der Zugang zum Arbeitsmarkt gewissen, im einzelnen noch auszuarbeitenden Beschränkungen unterworfen werden soll. Österreich hat sich dieser Forderung angeschlossen. Offiziell haben die Beitrittswerber auf diese Forderung bisher ablehnend reagiert. Allerdings hätte das Bestehen auf sofortiger Freizügigkeit der Arbeitskräfte seitens der Beitrittsländer sicherlich eine Verzögerung des EU-Beitritts zur Folge, worauf der für die Erweiterung zuständige EU-Kommissar Verheugen hingewiesen hat. Informell haben daher die Beitrittsländer bereits die Möglichkeit eines Nachgebens in dieser Frage angedeutet, wozu sie umso mehr bereit sein dürften, als sie selbst Wünsche nach Übergangsregelungen in den verschiedensten Fragen (insgesamt derzeit 500) angemeldet haben. Die anderen EU-Mitgliedsländer haben die Forderung Deutschlands und Österreichs bisher kaum unterstützt, was aber aufgrund der deutlich geringeren Betroffenheit auch nicht sehr überraschen kann. Die EU-Kommission hat lange Zeit über das Problem hinweggesehen bzw. überhaupt zu negieren versucht, dass im Bereich des Arbeitsmarktes größere Auswirkungen zu erwarten sind. Zuletzt hat die EU-Kommission die Bedenken Deutschlands und Österreichs aufgenommen und gleichsam als Kompromiss eine Übergangszeit von fünf Jahren mit der Möglichkeit einer Verlängerung um zwei Jahre oder gegebenenfalls auch einer Verkürzung vorgeschlagen.

Die Debatte in Österreich schwankt seit längerem zwischen zwei Polen hin und her. Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer sofortigen bedingungslosen Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes, die einerseits behaupten, dass ohnehin mit keiner nennenswerten Zuwanderung zu rechnen sei, andererseits aber auch darauf hinweisen, dass in absehbarer Zeit aufgrund der demographischen Entwicklung in Österreich eine Knappheit der Arbeitskräfte eintreten werde und diese Lücke durch Zuwanderung geschlossen werden sollte. Besonders die Vereinigung österreichischer Industrieller (IV) hat sich für diese Position stark gemacht.

Auf der anderen Seite stehen jene politischen Kräfte, die auf das Geschäft mit der Angst spekulieren und die Gefahr von in die Hunderttausende gehenden Einwanderungswellen heraufbeschwören, zum Teil, um auch gegen die Osterweiterung oder die EU selbst Stimmung zu machen. Zur Unterstützung der jeweiligen Position wird mit den verschiedensten Zahlen operiert. Eine große Zahl von Studien - die meisten davon durchaus von seriöser Art - wurde in Auftrag gegeben und präsentiert, mit der Folge, dass bei vielen Menschen, die als Nichtfachleute diese Diskussion verfolgen, der Eindruck entstehen muss, dass überhaupt keine einigermaßen plausiblen Aussagen getroffen werden könnten und daher alles mehr oder weniger der politischen Beliebigkeit unterworfen sei. In diesem Beitrag wird versucht, die wesentlichen Fakten klarzustellen und Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen, die naturgemäß immer unsicher sind, zu referieren.

Es ist klar, dass jede Art von Prognose mit größerer oder geringerer Unsicherheit behaftet ist und in der Ökonomie auch mit noch so ausgefeilten Methoden keine Sicherheit hergestellt werden kann. Entscheidungen in der Wirtschaftspolitik werden jedoch immer unter Unsicherheit getroffen, und zwar auf einer Grundlage, die ein möglichst hohes Maß an Plausibilität hat. Genauso ist es in der Frage der wirtschaftlichen Integration von Ländern mit stark unterschiedlichen Einkommensniveaus und der Konsequenzen für den Arbeitsmarkt, wenn plötzlich Freizügigkeit hergestellt werden soll.

Tabelle 1:

Monatslöhne

Land in Euro in Prozent
zu Wechsel-kursen zu Kaufkraft-standards zu Wechsel-kursen zu Kaufkraft-standards
Tschechien 377 888 15,7 37,5
Ungarn 335 738 14,0 31,2
Polen 479 927 20,0 39,1
Slowenien 936 1421 39,1 60,0
Slowakei 265 709 11,1 29,9
Bulgarien 117 376 4,9 15,9
Rumänien 144 469 6,0 20,7
Österreich 2394 2368 100,0 100,0

Quelle: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW)

Die Fakten 1: Einkommensgefälle

Nach den neuesten Daten für das Jahr 2000 besteht zwischen Österreich und den mittel-osteuropäischen Beitrittsländern ein anhaltend hohes Einkommensgefälle. Das Einkommensgefälle wird meist durch das BIP pro Einwohner gemessen. Für den Arbeitsmarkt sind primär die Lohnunterschiede von Bedeutung, wobei sich bei beiden Indikatoren ein sehr ähnliches Bild ergibt (siehe Tabelle 1: »Monatslöhne«).

Wenn in Österreich das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen eines Arbeitnehmers auf Vollzeitbasis berechnet 12-mal im Jahr 2000 32.900 S oder 2400 Euro betrug, so erreichte keines der Beitrittsländer einen Wert von 1000 Euro. Am höchsten ist der Durchschnittslohn, zu Wechselkursen umgerechnet in Slowenien (936 Euro), gefolgt von Polen (479 Euro). In Prozent des österreichischen Wertes ausgedrückt ist der Abstand von Slowenien mit einem Lohnniveau in Höhe von 39,2 % des österreichischen am geringsten. Polen hat 20 % des österreichischen Niveaus, Ungarn und Tschechien 14 bis 16 %. In den Beitrittsländern der sogenannten zweiten Gruppe liegen die entsprechenden Werte noch tiefer: für die Slowakei bei 11 %, für Bulgarien und Rumänien nur 5 bzw. 6 %.

Die Umrechnungen zu »Kaufkraftstandards« (KKS) berücksichtigt das niedrigere Preisniveau in den östlichen Nachbarländern, sodass sich der Abstand nicht unwesentlich reduziert. Von Slowenien abgesehen erreicht aber das Lohnniveau in keinem der Beitrittsländer 40 % des österreichischen Wertes.

Österreich hat große Mühe, die besondere Situation, die sich aus der Geographie ergibt, den anderen weiter entfernten EU-Staaten vor Augen zu führen: Nämlich, dass sich die Möglichkeit, hohe Löhne mit niedrigen Preisen zu kombinieren, für Arbeitspendler aus den Beitrittsländern ergibt und in diesem Fall für die Abschätzung möglicher Pendlerströme die Höhe des Einkommensunterschiedes zu Wechselkursen und nicht zu Kaufkraftparitäten maßgeblich ist. Der Unterschied zwischen den beiden hat sich bisher nur im Falle Polens merklich reduziert.

Die Fakten 2: Aufholprozess

Von den Befürwortern einer sofortigen Freizügigkeit der Arbeitskräfte wird immer wieder behauptet, dass die Einschätzungen über die Geschwindigkeit des Aufholprozesses der mittel-osteuropäischen Länder (MOEL) viel zu pessimistisch seien und in Wirklichkeit die Konvergenz deutlich rascher vor sich gehen werde. In diesem Zusammenhang werden auch gezielt Nachrichten über günstige Wachstumsraten in den Beitrittsländern verbreitet.

Momentaufnahmen sagen in diesem Zusammenhang aber wenig aus. Nur durch ein Wachstum des realen BIP, welches im Durchschnitt über einem Zeitraum von einem bis mehreren Jahrzehnten über dem Wirtschaftswachstum in Österreich bzw. im EU-Raum liegt, kann eine wesentliche Verringerung des Wohlstands- und Produktivitätsgefälles erreicht werden.

Ohne Frage ist aus österreichischer Sicht ein möglichst rasches Aufholen unserer östlichen Nachbarländer vorbehaltlos zu wünschen, weil es hoch an der Zeit ist, dass nach der politischen Befreiung 1989 die dortige Bevölkerung auch wirtschaftlich und sozial die Früchte des Systemwechsels ernten kann. Die Fakten zeigen, dass dieser Aufholprozess in der Mehrzahl der Länder in Gang gekommen ist. Sie zeigen auch, dass der Prozess nicht ohne Rückschläge vor sich geht und dass er bisher in jenen Bahnen verläuft, die in den »Konvergenzszenarien« beschrieben werden, die häufig als Prognosen missverstanden werden.

Es handelt sich bei diesen Szenarien ausdrücklich nicht um Prognosen, sondern um bloße Fortschreibungen über längere Zeiträume aufgrund von Annahmen, dass das Wachstum in den Beitrittsländern pro Jahr z. B. um 0,5 %, 1 %, 1,5 % oder 2 % höher ist als in der EU bzw. in Österreich. Dabei werden immer mehrere Varianten berechnet, um nicht den Anschein zu erwecken, dass es sich um eine Prognose handelt.

In einer vor über drei Jahren im Auftrag der Arbeiterkammer durchgeführten Studie errechnete das Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zwei solche Szenarien mit je nach Land und Szenario um 0,5 % bis 3,5 % höherem Wachstum als in Österreich. Das Resultat ist in Tabelle 2 zusammengestellt und mit einem neuen Szenario des WIIW,1) das die tatsächliche Entwicklung der letzten drei Jahre berücksichtigt, verglichen (siehe Tabelle 2: »Konvergenzszenarien MOEL - Österreich«). Diese Tabelle zeigt, dass sich zwar die relative Einschätzung der einzelnen MOEL-Länder geändert hat, dass aber die Zeiträume, in denen heute mit einem fühlbaren Aufholen gerechnet werden kann, im Wesentlichen die gleichen sind wie vor drei Jahren. Bis 2010 könnte Slowenien 80 % des österreichischen BIP-Pro-Kopf-Niveaus erreichen, die anderen Länder liegen dann zwischen 44 % (Polen) und 64 % (Tschechien). Die Annahme, welche dem WIIW-Szenario zu Grunde liegt, besteht in einer um 2 Prozentpunkte höheren Wachstumsrate (für alle MOEL) als in Österreich (4 % gegenüber 2 %). Grosso modo beruht diese Annahme auf den Erfahrungswerten für die letzten sechs Jahre beim BIP Wachstum (siehe Grafik: »Durchschnittliches jährliches Wachstum des realen BIP«).

Ein rascherer Aufholprozess, so wünschenswert er auch wäre, ist aus heutiger Sicht nicht realistisch. Auch für das Jahr 2015 muss außer für Slowenien mit einem 30- bis 50 %igen Einkommensgefälle gerechnet werden, und das zu Kaufkraftstandards. »Zu Wechselkursen« (dann wohl zu verstehen als »in EURO«) wird es sich zweifellos noch höher darstellen. Dies scheint bei den bisher in den Verhandlungen diskutierten Übergangsfristen nicht ausreichend berücksichtigt.

Tabelle 2:

Konvergenzszenarien MOEL - Österreich
BIP pro Einwohner zu KKS in Prozent von Österreich

Land Wifo 1998 WIIW 2001

2000
Ist

»schwaches« »starkes« 2010 2015
Wachstum bis 2010

Tschechien

53,2 60 67 64 70
Slowakei 43,6 50 55 53 58
Ungarn 47,3 44 45 59 65
Polen 36,6 40 45 44 49
Slowenien 65,0 61 68 80 88
Österreich 100,0 100 100 100 100

Quelle: WIFO; WIIW

Tabelle 3:

Reales BIP-Wachstum

Einschätzung der Wanderungsströme durch verschiedene Studien

AK und ÖGB haben in betont sachlicher Form schon früh auf mögliche Arbeitsmarktauswirkungen der EU-Osterweiterung hingewiesen. Eine im Auftrag der AK erstellte Studie des WIFO2) hat den möglichen jährlichen Zustrom an Arbeitskräften nach Österreich bei einem für 2005 angenommenen EU-Beitritt von Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen und Slowenien ab 2005 mit 41.800, davon 23.800 Pendler, beziffert, wobei dieser Wert innerhalb von zehn Jahren um gut 10.000 abnimmt. Diese Werte sind von verschiedener Seite großteils wenig sachlich als überhöht, pessimistisch und angstmacherisch kritisiert worden.

Dabei erhebt diese Studie nicht den Anspruch, derartige Wanderungsströme exakt zu prognostizieren, wohl aber, Größenordnungen möglicher Zuwanderung anzugeben, um die Dimensionen des Problems zu bestimmen. In dieser Hinsicht ist die WIFO-Studie durch zwei Studien deutscher Institute inzwischen bestätigt worden. Im Falle der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin)3), die im Auftrag der EU-Kommission erstellt wurde, entsprach das Ergebnis wohl kaum der Intention des Auftraggebers. Die andere umfassende Studie stammt vom ifo-Institut für Wirtschaftsforschung (München)4) und wurde im Auftrag des deutschen Arbeits- und Sozialministeriums erstellt. Die Studien der deutschen Institute und des WIFO sind nicht unmittelbar miteinander vergleichbar, die Vergleichbarkeit kann aber durch verschiedene Umrechnungen einigermaßen hergestellt werden. Für die gesamte EU beziffert die DIW-Studie die Netto-Einwanderung im ersten Jahr (angenommen 2002) mit 335.000 Personen, diese Zahl geht innerhalb von zehn Jahren auf etwa 120.000 zurück.

Auf Österreich entfallen geschätzte 13 % des Zustroms. Über den Gesamtzeitraum von zehn Jahren nach Beitritt ergibt sich unter der Annahme, dass Rumänien und Bulgarien an der Osterweiterung in den nächsten zehn Jahren nicht teilnehmen, für Österreich ein Zustrom von ca. 110.000. Diese Zahl unterscheidet sich nur geringfügig von der WIFO-Schätzung, die auf rund 125.000 Einwanderer für denselben Zeitraum kommt. Das ifo-Institut kommt zu etwas höheren Werten als das DIW. Die deutschen Studien beinhalten allerdings nicht eine Schätzung der Pendler, die nur aus der WIFO-Studie entnommen werden kann. Immerhin hat die EU-Kommission anerkannt, dass für die Anrainerländer gerade diese Gruppe das größere Arbeitsmarktproblem darstellen wird.

Für den EU-Arbeitsmarkt in seiner Gesamtheit gesehen bedeutet eine jährliche Zuwanderung in der Größenordnung von 335.000 nicht viel, wohl aber für die an die Beitrittsländer angrenzenden EU-Staaten Deutschland und Österreich. Auf diese werden geschätzte 13 % und 65 % dieses Zustroms entfallen, was für Österreich relativ noch deutlich mehr ist als für Deutschland. Daher konnte auch die EU-Kommission letztlich nicht umhin festzustellen, »dass ernsthafte Störungen nationaler Arbeitsmärkte nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können und dass mit hoher Wahrscheinlichkeit in Grenzregionen ein ernsthaftes Problem durch die starke Zunahme von Berufspendlern entstehen wird«5).

Fazit

Es ist ein offensichtlicher Widerspruch in sich, wenn zugleich vehement gegen Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitskräfte bei der EU-Osterweiterung plädiert und behauptet wird, es werde zu keinen Arbeitskräfte-Wanderungen kommen. Denn wenn niemand oder nur wenige migrieren wollen, dann bilden Beschränkungen für diese wenigen auch keine Barriere, denn die erlaubte Zuwanderung wird nicht mit null festgesetzt werden. Die Industriellenvereinigung, die sich so sehr für die sofortige Freizügigkeit stark macht, führt immer einen angeblichen Arbeitskräftemangel als Argument an, rechnet also mit einem durchaus nennenswerten Zustrom, der das Angebot erhöhen und den Preis, das heißt, den Lohn reduzieren würde. Das wäre allerdings der allzu bequeme Weg zur Kostensenkung, der sich auch auf die gesamtwirtschaftliche Binnennachfrage vor allem nach Dienstleistungen negativ auswirken würde.

Daher sehen die Gewerbetreibenden und Selbständigen in ihrer Mehrzahl durchaus den Sinn von Einschränkungen der Freizügigkeit und verlangen auch Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit für die Übergangsperiode. Solche Beschränkungen sind sogar eine notwendige Ergänzung der Übergangsbestimmungen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die durch Leistungserbringung über die Grenze und durch scheinselbständige Tätigkeit unterlaufen werden könnten.

Aus österreichischer Sicht ist die von der EU-Kommission für die Arbeitsmärkte als Kompromiss vorgeschlagene Vorgangsweise nicht akzeptabel. Fünf Jahre Übergangsfrist sind selbst dann, wenn - unwahrscheinlicherweise - in den MOEL-Ländern ein anhaltender Wirtschaftsboom ausbricht, zu kurz, um eine fühlbare Annäherung der Einkommen zu ermöglichen. Die Entscheidung über eine Verlängerung auf sieben Jahre würde zudem bei der EU-Kommission liegen, ohne Mitentscheidungsrecht Österreichs. Der Umgang der EU-Kommission mit der Arbeitsmarktproblematik bei der Osterweiterung hat bisher gezeigt, dass Österreichs und Deutschlands Probleme mit zu erwartenden Pendlerströmen nicht ausreichend verstanden werden und dass eine gesamteuropäisch-verallgemeinernde Perspektive auf die unmittelbaren Nachbarländer nicht anwendbar ist: 335.000 Zuwanderer sind nur 0,2 % der gesamten EU-Beschäftigung, für Österreich liegen die entsprechenden Werte zwischen 1 und 1,5 % möglichem jährlichem Angebotszuwachs, von dem man nicht annehmen kann, dass sich die Beschäftigung im gleichen Ausmaß zusätzlich erhöht. Wenn andere, geographisch weiter entfernte EU-Staaten den sofortigen Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt ermöglichen wollen, so sollte dies zulässig sein. Gleichzeitig müssen aber die Anrainerstaaten über die effektive Einführung der Freizügigkeit mitentscheiden können, da hier die Auswirkungen ungleich stärker sein werden.

Es ist aus heutiger Sicht auch nicht wirklich abschätzbar, wie sich die Lage in sieben oder zehn Jahren nach der Erweiterung, also etwa 2010/13 darstellen wird, wie die Konvergenz bis dahin vorankommt und wie die Arbeitsmarktentwicklung in den Beitrittsländern verlaufen wird. In allen Ländern wird die demographische Entwicklung bis dahin zu einer Verringerung des Arbeitskräfteangebots führen, deren Wirkungen aber ebenfalls heute nicht ausreichend beurteilt werden können. Daher sollten die Instrumente zu einer schrittweisen Integration der Arbeitsmärkte möglichst flexibel gestaltet werden. Sieben Jahre als Übergangszeit erscheinen aus heutiger Sicht extrem kurz bemessen, die Verlängerungsoption und eine Schutzklausel sind aus österreichischer Sicht unverzichtbar. Wenn sich bis dahin zeigt, dass die Wanderungsbereitschaft gering ist, wäre auch eine raschere Lockerung der Beschränkungen möglich - aber dies jetzt schon festzulegen, erscheint zumindest verfrüht. Die Ausschöpfung oder Nichtausschöpfung der im Rahmen der Übergangsregelungen zulässigen Migration wird zeigen, wie stark die Migrationsneigung tatsächlich ist.

Die Übergangszeit muss darüber hinaus intensiv genutzt werden, um durch Förderungs- und Entwicklungsprogramme, die gemeinsam von der EU und Österreich (Bund, Länder, Sozialpartner) getragen und finanziert werden, die Voraussetzungen für die Integration der Arbeitsmärkte in den Grenzregionen - und das ist im Falle Österreichs ein Großteil des Bundesgebiets - zu verbessern. Solche Programme sind kein Ersatz für eine Regulierung des Arbeitsmarktzugangs, aber sie fördern die Konvergenz. Durch einen so umfassenden Ansatz kann die EU-Osterweiterung als »soziales Projekt« gestaltet werden - ein Ziel, das sich die EU-Kommission selbst gesetzt hat und das voll unterstützt werden kann.

1) Forschungsbericht Nr. 275 des WIIW, Februar 2001.

2) E. Walterskirchen, R. Dietz, Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den österreichischen Arbeitsmarkt. Wifo-Studie, April 1998. Siehe dazu den Artikel in dieser Zeitschrift von G. Chaloupek, Wifo-Studie zur EU-Osterweiterung, Heft 7-8/1998 von Arbeit und Wirtschaft.

3) Die Ergebnisse der DIW-Studie sind in Kurzform veröffentlicht im Wochenbericht 21/2000 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

4) EU-Erweiterung und Arbeitsmigration: Wege zu einer schrittweisen Annäherung der Arbeitsmärkte. ifo- Institut für Wirtschaftsforschung, München, Dezember 2000.

5) Zitat aus einer Rede von EU-Kommissar Günter Verheugen, Die Erweiterung der Europäischen Union - Strategien für die Bewältigung der erweiterungsbedingten Herausforderungen (Berlin, 3. April 2001).

]]>Günther Chaloupek (Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft in der AK Wien)http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1197995228166http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228161 Salut an die Leser oder der Hase und die Tarnkappe Oje, meint der aufmerksame Leser, jetzt kommt wieder das alte Klagelied über die schlimmen Zeiten. Weit gefehlt, der Slogan oder besser die Warnung »Speed kills!« illustriert in diesem Fall nur den schnellen Wandel, von dem auch du betroffen bist, werte Leserin, werter Leser (ich hoffe, das vertraute »du« wird nicht als Anbiederung empfunden, sondern als Anrede, wie sie unter Gewerkschaftskollegen üblich ist).

No na, dass wir alle von dem rasanten gesellschaftlichen Wandel betroffen sind, ist eine Binsenweisheit. Die spezielle Änderung, von der ich hier reden möchte, betrifft die (Massen-)Medien, durch die Meinungen, Informationen und »Kulturgüter« vermittelt werden.

Zum Beispiel wie viele Hunderte Printmedien konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Leser? Die Anzahl der Tageszeitungen und Magazine hat sich in den letzten 10 Jahren verdoppelt.

Zum Beispiel wie viele Dutzend Fernsehkanäle kann ein Haushalt heute im Durchschnitt empfangen? Früher waren es nur zwei Programme, doch mit dem jetzigen Überangebot sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen die gleiche Sendung sehen. Das gilt natürlich auch für die wenigen politischen Sendungen. Anlässe und Themen, um in der Familie oder am Arbeitsplatz über Politik zu sprechen, werden somit immer weniger.

Ich habe kürzlich einen Vortrag des Deutschen Mathias Machnig gehört, der das so formuliert:

»Im Übrigen hat sich das Interesse an der Art und Weise der Berichterstattung verändert: Unterhaltung ist Pflicht, Information hingegen Kür.« Die Ei des Kolumbus in diesem Bereich ist das so genannte »Infotainment«, zusammengesetzt aus Information und Entertainment (Unterhaltung).

Mathias Machnig spricht weiters über »die andere Wahrnehmung von sowie das sinkende Interesse an Politik. Verglichen mit einer Pyramide, lassen sich moderne Industriegesellschaften in vier verschiedene Segmente unterteilen. An der Spitze steht in der jeweiligen Gesellschaft ein Prozent von Entscheidungsträgern, das sehr gut und umfassend informiert ist. Darunter steht ein Anteil von zehn Prozent von Menschen, die politisch sehr interessiert sind und z. B. mehrere Tageszeitungen lesen. Weitere 15 Prozent bilden das Segment darunter: Sie sind allgemein interessiert, sehen zum Beispiel relativ regelmäßig zumindest die Abendnachrichten. Die verbleibenden 75 Prozent der Bevölkerung sind jedoch nur sehr gering oder gar nicht interessiert an Politik. Sie lesen oftmals nicht einmal mehr eine Tageszeitung, und sie nutzen vor allem das Zerstreuungsangebot der Programme von Privatsendern. ... Die besser informierten 25 Prozent sind wichtig als Multiplikatoren und wirken als Meinungsbildner hinein in andere Milieus ...«

Ich gehe nun davon aus, dass unsere Leser auf keinen Fall zu den ehrenwerten 75 Prozent gehören, die oben erwähnt sind - sonst würden sie diese Zeilen ja nicht lesen.

Auf jeden Fall möchte ich darauf hinweisen, dass über die Beiträge dieser Zeitschrift diskutiert werden sollte, dass die (Hintergrund-)Informationen weitergegeben werden sollten und dass wir hier keineswegs die alten Klagelieder über das Desinteresse der Menschen und Medien singen wollen.

Was von unseren Themen unter die Leute kommt - abgesehen von der zufälligen Konjunktur von Konfliktthemen -, liegt an uns allen und an jedem Einzelnen von uns. Sich zurücklehnen und sagen »Warum geschieht nix?«, das - gilt einfach nicht! Denn die Gewerkschaft und noch mehr die Arbeiterbewegung, das sind wir alle!

Deswegen brauchen wir auch kein »Infotainment«, denn abgesehen davon, dass es Warnungen gibt, so wie jene des Neil Postman (»Unsere Gesellschaft amüsiert sich zu Tode«), brennen uns einige Themen direkt unter den Nägeln. Und das wäre doch gelacht, wenn es uns nicht gelingen sollte, unseren Leuten klar zu machen, wie der Hase läuft - ob dieses Tierchen nun blauschwarz ist oder sonst eine Tarnkappe trägt ...

Korrektur
»Es irrt der Mensch, solang er lebt« heißt die Abwandlung eines Faust-Zitats. Der »Herr« höchstpersönlich sagt das im Prolog im Himmel, und zumindest was uns betrifft, hat der »Alte«, den der Teufel von Zeit zu Zeit gern sieht, Recht: Wir haben geirrt! Im letzten Heft sind im Leitartikel von Herbert Wabnegg »Mit der AK rechnen!« einige Nullen verloren gegangen. Der korrigierte Text muss heißen:

»Jahr für Jahr erstreiten die Arbeiterkammern für ihre Mitglieder mehr, als die Arbeiterkammerbeiträge ausmachen (durch die AK Wien wurden z. B. im Jahr 2000 1.157.000.000 Schilling erstritten, die AK-Beiträge betrugen 920.000.000 Schilling).«

Das ist schon um einiges mehr und verstärkt auch unser Argument. Wir danken allen aufmerksamen Lesern, die uns auf diesen Fehler hingewiesen haben.

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Fri, 15 Jun 2001 00:00:00 +0200 1197995228150 Personelles, Locken auf der Glatze und Anstöße für Leser Als neuer Vorsitzender des Redaktionskomitees von »Arbeit&Wirtschaft« wurde jetzt Herbert Wabnegg nominiert. Er leitet in der Arbeiterkammer Wien den Bereich »Beratung, Information, Weiterbildung«.

Auch die stellvertretende Leitung des Redaktionskomitees wurde neu besetzt. Der allseits bekannte und beliebte Kollege Winfried Bruckner, der diesem Gremium über Jahrzehnte angehört hat und dem wir auch an dieser Stelle nochmals herzlich danken, scheidet auch aus. Er bleibt den Lesern dieser Zeitschrift vor allem als Autor bissiger Kommentare bekannt, dessen Talent es ist - wie die Fachleute die feuilletonistische Kunst verkürzend bezeichnen -, »auf einer Glatze Locken zu drehen«. Kollege Bruckner wurde jetzt von Annemarie Kramser abgelöst, seiner Nachfolgerin als Leiterin der Abteilung »Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Marketing« im ÖGB. Nach diesen personellen Veränderungen zurück zum Inhalt dieser Ausgabe. Schon mit dem Titelbild versuchen wir Aufmerksamkeit zu erregen zu verschiedenen Aspekten der EU-Erweiterung - in der Landkarte sind die 1300 Kilometer Außengrenze zu mittel- und osteuropäischen Ländern eingezeichnet, die mehr als ein Drittel der gesamten Außengrenze der EU zu diesen Ländern ausmachen. Es sind rund 60 Prozent der österreichischen Bevölkerung, die im grenznahen Raum innerhalb von weniger als hundert Kilometer Entfernung zu den Beitrittswerberländern leben.

Die Diskussionsbeiträge zum Neoliberalismus und zur Gewerkschaftsarbeit könnten auch Widerspruch erregen - das wäre erwünscht. Wir würden die Diskussion gerne weiterführen und freuen uns über jede Zuschrift, die wir im »Leserforum« veröffentlichen können. Bleibt nur noch, den Lesern Anregungen und Anstöße bei der Lektüre zu wünschen.

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Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227925 Interview mit dem Vorsitzenden der CUT, Luis Eduardo »Lucho« Garzon A&W: Was ist das größere Problem für die Existenz der CUT: die Liberalisierung und Privatisierung oder die Gewalt gegen ihre Mitglieder?

Garzon: Liberalisierung und Strukturanpassung haben wir gemein mit allen Entwicklungsländern. Doch was Kolumbien unterscheidet, ist die komplexe Situation verschiedener Kriege zur gleichen Zeit: die Einmischung der USA, die Dimension des Drogenhandels, die geopolitische Bedeutung, aus sozialen Kämpfen gespeiste Aufstände und die traditionelle Intoleranz in unserem Land. Ich möchte betonen, dass unsere Gewerkschaft sich als autonome Kraft versteht, auch - anders beispielsweise als die Gewerkschaften in El Salvador - unabhängig von der Guerilla. Wir sind nicht deren Anhängsel, was die Situation manchmal noch mehr komplizieren kann.

A&W: Was sehen Sie angesichts dieser schwierigen Situation als die größten Erfolge der CUT in den vergangenen Jahren?

Garzon: So schlecht steht die Gewerkschaftsbewegung nicht da. Wir leisten einen wichtigen Beitrag des Widerstandes gegen das weltweit dominante wirtschaftliche Modell des Neoliberalismus. Wir sind ein wichtiger Bezugspunkt der öffentlichen Meinung zu anderen Themen wie den laufenden Friedensverhandlungen oder der Gesundheitspolitik. International haben wir große Anerkennung. In den anderen Staaten der Andenregion sind die Gewerkschaften fast verschwunden, nur in Kolumbien gibt es noch eine starke gewerkschaftliche Bewegung.

A&W: Doch auch in Kolumbien haben die Gewerkschaften an Einfluss und Mitgliedern verloren.

Garzon: In einer Wirtschaft, in der die Hälfte der Menschen ohne Arbeit ist, in der 65 Prozent aller Arbeitsplätze der informelle Sektor stellt, sind die Spielräume für gewerkschaftliche Organisationen eingeschränkt.

A&W: Welches sind Ihre Prioritäten gewerkschaftlicher Politik für die nächsten Jahre?

Garzon: Ich denke, die Gewerkschaftsbewegung, nicht nur in Kolumbien, muss mit anderen sozialen Bewegungen gegen diese Art der Globalisierung angehen, die nur den Finanzspekulanten, aber nicht den arbeitenden Menschen zugute kommt. Konkret muss in Kolumbien etwas gegen die hohe Arbeitslosigkeit getan werden. Zum Zweiten muss der Mindestlohn erhöht werden, der kein menschenwürdiges Überleben ermöglicht. Drittens dürfen das Gesundheits- und Bildungswesen keinesfalls privatisiert werden. Und zentral ist natürlich die Frage der Straflosigkeit. Es ist nicht damit getan, uns ab und zu einen Leibwächter zur Verfügung zu stellen. Die Gewerkschaftsbewegung hat aus den letzten 15 Jahren mehr als 3000 Tote zu beklagen, nicht einer der Täter ist bestraft worden. Der Staat muss für Recht und Gerechtigkeit sorgen.

A&W: Welche Rolle spielt die internationale Solidarität für die kolumbianische Gewerkschaftsbewegung?

Garzon: Die CUT hat international immer sehr viel Solidarität erfahren. Trotzdem beunruhigt mich, wie sich diese Welt entwickelt, auch die der Gewerkschaften. Wenn ich nach Europa komme, habe ich oft den Eindruck, wir brächten ihnen mehr Solidarität entgegen als die europäischen Gewerkschaften uns. Es ist eine Welt der formalen Abkommen, doch die Komponente der internationalen Solidarität hat sich etwas verloren. Mit den gravierenden sozialen Problemen in aller Welt angesichts der Globalisierung schauen alle stark auf ihre eigenen Probleme, bestenfalls auf die einer Region. Doch wem sagt in Europa schon Kolumbien etwas? Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Die Solidarität der europäischen Gewerkschaften mit der CUT war einmalig, aber sie ist stark assistenzialistisch, sie unterstützen unsere Exilierten, doch im politischen Sinne passiert eher wenig.

A&W: Zum Schluss die Frage nach den politischen Perspektiven dieses Landes. Sie selbst werden als zukünftiger Präsidentschaftskandidat gehandelt.

Garzon: Das ist noch nicht entschieden. Doch wird grundsätzlich über eine alternative Kandidatur im Rahmen eines breiten Bündnisses nachgedacht. Hier gibt es bei Wahlen keine demokratische linke Alternative. Wir können immer nur für das kleinere Übel, nie für etwas Besseres votieren. Da bleibt als einzige Option für viele Linke die Guerilla. Und was machen die, die nicht für diesen Weg sind? Es gibt viele politische Erfolge in Kolumbien, trotz aller Repression. Man denke nur an die starke Frauenbewegung, die Indios, die Jugend, die Gewerkschaften. Ohne Zweifel ist die Zeit reif für eine Alternative. Das gilt nicht nur für die Arbeiter und Bauern, sondern auch für die Mittelschichten, die von der Krise extrem betroffen sind. Also, es wird über eine Kandidatur debattiert, das wäre entscheidend, nicht meine Person.

A&W: Macht es angesichts der historischen Erfahrung und des gegenwärtigen Klimas der Straflosigkeit und des Paramilitarismus Sinn, dass eine demokratische linke Bewegung an politischen Wahlen teilnimmt?

Garzon: In unserer Geschichte wurden alternative Bewegungen entweder kooptiert, wie im Fall der demilitarisierten Guerilla M-19, oder abgeschlachtet, wie im Fall der Union Patriotica. Doch wir glauben, dass es eine Alternative zum Zweiparteiensystem der herrschenden Elite geben muss. Wenn du als politischer Mensch nicht zur Guerilla willst und nicht ins Exil, dann muss man für eine politische Alternative sein. Natürlich ist die gegenwärtige Situation nicht ideal. Doch wenn man in Kolumbien nicht politisch agieren kann, kann man letztlich auch nicht gewerkschaftlich agieren.

Das Gespräch mit Kollegen Garzon führte Frank Braßel im Frühjahr in Bogotá

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Frank Braßel (freier Journalist in Herne, Deutschland) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227888 Humanitäre Katastrophe | Gewerkschaftsarbeit in Kolumbien Angst um Arbeitsplatz und Leben sind allgegenwärtig, doch erstaunlich viele engagieren sich für ihre Rechte als Arbeiterinnen und Arbeiter. Der CUT gehören mehr als eine halbe Million Mitglieder an.

Blumenindustrie: Einschüchterung

In der Hochebene um die kolumbianische Hauptstadt auf etwa 2600 Metern herrscht ewiger Frühling. Mit den fruchtbaren Böden und den billigen Arbeitskräften die wichtigste Voraussetzung für den Boom der Blumenindustrie. 60.000 Arbeitsplätze - vornehmlich für Frauen - entstanden, Gewerkschaften wurden durch Einschüchterung im Keim erstickt. Und doch treffen sich an einem Samstagnachmittag in einem Armenviertel mehr als 50 Personen, um über ihre Probleme in den Plantagen zu sprechen. »Was kann ich machen, wenn Gift gespritzt wird, während wir noch im Gewächshaus sind?«, fragt eine junge Frau. Der Unternehmerverband hat ein »Umweltprogramm«, doch Arbeitsrechte gehören nicht dazu. »Als wir in La Celestina die gelbe Gewerkschaft in eine unabhängige Gewerkschaft verwandelt haben, hagelte es Drohungen und Entlassungen.« La Celestina ist eine der größten Blumen-»Fabriken«, die mehr als 2000 Menschen beschäftigt und viel nach Europa exportiert. 15 Personen wurden entlassen. »Wir waren mehr als zehn Jahre bei der Firma, nie gab es einen Tadel. Doch der Chef hat uns sofort gefeuert, als er über einen Spitzel erfahren hat, dass wir die neue Gewerkschaft mit tragen.« Margerita Rosa (Name geändert) steht vor dem Nichts, sie und ihr Mann gehören zu den Entlassenen.

Im Betrieb geht die Angst um. »In Kolumbien verschwinden viele Gewerkschafter, und niemand weiß, wer sie ermordet hat«, droht der Geschäftsführer unverhohlen. Bislang zeigt diese Einschüchterung nur bedingt Wirkung. Kürzlich gründeten die Arbeiter von La Celestina und anderer Plantagen eine betriebsübergreifende Gewerkschaft. Ob sie gegen die mächtigen Blumenunternehmer, die eng mit der politischen Elite in Bogotá verbunden sind, ankommen kann, muss sich zeigen. Der Schritt zur branchenweiten Organisierung ist richtig, krankt doch die kolumbianische Gewerkschaftsbewegung an einer Zersplitterung in mehrere tausend Betriebsgewerkschaften. Im Blumensektor gab es auch Fehler »einer traditionellen linken Gewerkschaftspolitik, die der spezifischen Situation von Arbeiterinnen, speziell der Blumen-Frauen keinen besonderen Stellenwert einräumte. Es ging nur darum, auf den Staat Druck auszuüben«, räumt der Vorsitzende der CUT, Lucho Garzon, ein (siehe Interview).

Braukonzern Bavaria: Legale Zerschlagung

Doch eine politisch flexible und national angelegte Gewerkschaft ist keine Garantie fürs Überleben, wie die jüngste Geschichte von Sinaltrabavaria zeigt, der Gewerkschaft des Getränkekonzerns Bavaria. Sein Bier verkauft sich im letzten Dorf, der 71 Tage dauernde Streik zum Jahreswechsel stand in allen Zeitungen. »Das Management hat den Tarifvertrag gekündigt und wollte die in langen Kämpfen der vergangenen 50 Jahre erreichten Sozialstandards mit einem Federstrich abschaffen«, erläutert Gewerkschaftschef Hebert Maradiago. Es ging insbesondere um Rechte der Gewerkschafter im Betrieb und die Arbeitsplatzsicherheit.

Seit der Arbeitsreform von 1990 gibt es in Kolumbien fast nur noch Zeitverträge von wenigen Monaten, die eine gesicherte Lebensplanung und eine gewerkschaftliche Organisierung fast unmöglich machen. »Bei Bavaria haben die mehr als 6000 Beschäftigten unbefristete Festverträge - und überdurchschnittliche Löhne.« Liegt der gesetzliche Mindestlohn in Kolumbien bei umgerechnet 130 US-Dollar pro Monat, was für ein menschenwürdiges Leben viel zuwenig ist, verdient man bei Bavaria mehr als das Dreifache. Genug Gründe also für das Management, den Tarifvertrag einseitig zu kündigen.

Die gewerkschaftliche Solidarität war groß, die Streikenden in ihren Zelten vor den Fabriken von Bavaria wurden materiell von anderen Sektoren unterstützt. Bill Jordan, der Generalsekretär des Internationalen Bundes Freier Gewerkschaften (IBFG), protestierte beim kolumbianischen Präsidenten Pastrana gegen die Verletzung gewerkschaftlicher Grundrechte. Das Management Bavarias blieb aber hart, und auf Veranlassung des Arbeitsministers ist der Konflikt nun vor einem Schiedsgericht anhängig. Jeder »Kompromiss« wird faktisch den gültigen Tarifvertrag schwächen, das Recht auf Tarifverhandlungen ist ausgehebelt. Viele Beobachter sehen in dem Konflikt den Anfang vom Ende der letzten großen Gewerkschaft im privaten Sektor. Alle anderen sind bereits auf mehr oder weniger »legale« Weise zerschlagen.

Erdöl: Mord und Exil

Weit brutaler geht es im kolumbianischen Erdölsektor zu. Auch hier gibt es eine traditionsreiche Gewerkschaft: die USO. In ihrer 80-jährigen Geschichte vermochte sie, mit der ECOPETROL eine staatliche Erdölgesellschaft und ordentliche Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Inzwischen aber sind ein Dutzend multinationaler Ölkonzerne in Kolumbien eingezogen: Texaco, BP, Total, Chevron - alle großen Namen sind vertreten. Und in ihren Niederlassungen kriegt die USO kein Bein auf die Erde.

»Als Komplizen der Tragödie«, bezeichnet Fredy Pulecio vom USO-Vorstand, der in Brüssel im Exil lebt, die Ölmultis. Bekannt geworden ist die Rolle der britischen BP. Für den Schutz ihrer Anlagen hat sie Gelder an die kolumbianische Armee gezahlt, deren notorische Rolle in Menschenrechtsfragen bestens dokumentiert ist. Schlimmer noch: BP übergab Videobänder über Treffen zwischen Management, Gewerkschaft und lokalen Basisbewegungen an die »Sicherheitskräfte«. Viele der Teilnehmer an diesen Versammlungen sind verschleppt worden. Dieser schmutzige Krieg wird zunehmend von staatlich protegierten paramilitärischen Gruppen erledigt. In England entstand 1998 eine Studie über die Verwicklung der BP in diesen Konflikt. »Bis heute ist sie unter Verschluss,« kritisiert Pulecio. »Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, bringt sie die BP arg in Bedrängnis.«

Die USO ist bis heute Zielscheibe der Repression. Etwa 100 ihrer Mitglieder wurden ermordet, vier ins Exil getrieben, 22 wurden verhaftet, denn die staatlichen Organe klagen sie wegen Streiks, der Störung der öffentlichen Ordnung an oder bezichtigen sie der Mitarbeit in der Guerilla. Bewiesen wurde dies in keinem Fall. Sehr wohl aber war das Zentrum der kolumbianischen Erdölindustrie, die Stadt Barrancabermeja, eine Hochburg kritischer Volksbewegungen. Heute ist die Stadt Schauplatz permanenter Massaker, die am offenen Tag durch die Paramilitärs verübt werden, gegen Frauengruppen, basiskirchliche Initiativen oder Gewerkschaften. Und die staatlichen Behörden und die Armee sehen tatenlos zu.

Normalzustand: Straflosigkeit

Das ist der Normalzustand in Kolumbien. Wer sich in einer Gewerkschaft engagiert, wer sich für soziale oder politische Menschenrechte einsetzt, steht mit einem Bein im Grab. Jedes Jahr werden in Kolumbien mehr Menschen aus politischen Gründen ermordet als während der gesamten Pinochetdiktatur in Chile. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zählen zur größten Opfergruppe. Die Täter gehen immer straflos aus. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO hat wiederholt die kolumbianische Regierung kritisiert, da sie weder die grundlegenden Gewerkschaftsrechte durchsetzt noch die Mörder bestraft.

Nicht nur ist die Straflosigkeit umfassend, oft weisen Spuren in den Staatsapparat. Als im vergangenen Dezember ein Attentat auf Wilson Borja verübt wurde, das der Vorsitzende der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes schwer verletzt überlebte, deuteten viele Indizien in hohe Polizeikreise. Zwar gewährt der kolumbianische Staat besonders bedrohten Personen Schutzmaßnahmen, doch auf unzureichender Basis. So beantragte Ricardo Orozco, der stellvertretende Vorsitzende der Krankenhausgewerkschaft, Anfang des Jahres Schutz durch das Innenministerium, was dieses nach Rücksprache mit dem Geheimdienst DAS ablehnte. Am 2. April wurde der Gewerkschafter in der Hafenstadt Barranquilla von Paramilitärs erschossen.

Die zahlenmäßig meisten Opfer bringt die Bildungsgewerkschaft FECODE, die stärkste Kraft in der CUT. Lehrer werden zunehmend mit Zeitverträgen beschäftigt, selbst für die Grundschule muss nun Schuldgeld entrichtet werden, die Gehälter für viele Lehrer werden oft Monate zu spät ausgezahlt. FECODE hat energisch und mit einigem Erfolg dagegen protestiert - und viele Tote zu beklagen.

Hintergrund all dieser Konflikte ist die ungerechte Verteilung des Reichtums. Kolumbien ist ein sehr reiches Land. Doch seit der spanischen Kolonialherrschaft gehören die großen Ländereien nur wenigen Familien. Das gilt heute auch für die natürlichen Ressourcen und Industrien. Wenn Bauern und Arbeiter nur ein wenig von dem Reichtum haben wollten, wurden sie von der kleinen Elite brutal unterdrückt. Daraus erklären sich auch die starke Guerilla und der Bürgerkrieg im Land, der in erster Linie die unbewaffnete Bevölkerung trifft.

Die CUT spricht von einer »humanitären Katastrophe« und fordert dringend eine offizielle Untersuchungsmission der ILO in Kolumbien. »Die ILO sollte nicht mehr schönen Reden und Versprechen lauschen, die unsere Regierung macht. Sie hat nie eine einzige umgesetzt. Für uns wäre eine solche Untersuchungskommission eine sehr sinnvolle Maßnahme und zurzeit wohl die einzige Möglichkeit, das Leben von Gewerkschaftern zu retten.«

Abkürzungen:

CUT - Central Unitaria de Trabajadores de Colombia (Vereinigter Verband der Arbeiter Kolumbiens)

FECODE - Federacion Colombiana de Educadores (Verband der kolumbianischen Erzieher)

ILO - International Labour Organisation (Internationale Arbeitsorganisation)

USO - Union Sindical Obrera (Gewerkschaftsverband der Arbeiter)

Ermordete Gewerkschafter Mai 2001

2. Mai: Dario de Jesus Silva, Mitglied der Lehrergewerkschaft von Antioquia

9. Mai: Juan Carlos Castro Zapata, von der gleichen Gewerkschaft

10. Mai: Eugenio Sanchez Diaz, Vorsitzender der Gewerkschaft der Wasserarbeiter im Cesar

14. Mai: Julio Alberto Otero, Gewerkschaft der Universitätsdozenten in Santa Marta

21. Mai: Carlos Eliecer Prado, Aktivist der Gewerkschaft der städtischen Angestellten in Cali

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Frank Braßel (freier Journalist in Herne, Deutschland) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227843 Heißes Eisen »Ausländerbeschäftigung« | Genug Potential im eigenen Land Erstmals seit Anfang der 80er-Jahre besteht die reale Chance, auf Grund des längerfristig prognostizierten Rückganges der Erwerbsbevölkerung und bei Annahme eines im langjährigen Durchschnitt verlaufenden Wirtschaftswachstums die Vollbeschäftigung zu erreichen. Es braucht nicht betont zu werden, wie wichtig die Erreichung der Vollbeschäftigung insbesondere für gewerkschaftliche Anliegen ist. Viele für die Arbeitnehmer nachteilige Entwicklungen im Bereich der Arbeits- und Einkommensbedingungen, aber auch im System der sozialen Sicherheit, werden durch einen Abbau des bestehenden Arbeitskräfteüberangebotes tendenziell gedämpft.

Wie sich doch die Zeiten ändern ...

Es verwundert daher auch nicht, dass die Wirtschaft versucht, eine Rückführung der Arbeitslosenquote auf tatsächliches Vollbeschäftigungsniveau (rund drei Prozent nach nationaler Berechnung) zu verhindern, indem sie vorgibt, in Österreich gäbe es bereits einen »breiten Arbeitskräftemangel« und somit praktisch »Vollbeschäftigung«.

Um die Unrichtigkeit dieser Behauptung besser zu illustrieren, sei auf die zweite Hälfe der 80er-Jahre verwiesen, als erstmals nach Jahrzehnten die Fünf-Prozent-Marke bei der Arbeitslosenquote überschritten wurde. Damals war man geschockt und hat in einem breiten politischen Konsens ein »bis hierher und nicht weiter« gefordert. Heute liegen wir im prognostizierten Jahresschnitt 2001 bei einer Arbeitslosenquote von 5,4 Prozent. Und obwohl die Zahl der Arbeitslosen (Stand April 2001: rund 191.400) im Jahr 2002 wieder zunehmen wird und sich zudem im Inland ein beträchtliches Arbeitskräftepotential befindet, wird trotzdem von »Vollbeschäftigung« gesprochen. Wie sich die Zeiten doch ändern ...

Wirtschaft präsentiert WIFO-Gutachten

Für eine intensive Diskussion sorgte in diesem Zusammenhang eine von der Wirtschaftkammer Österreich in Auftrag gegebene WIFO-Studie, die unter dem Titel »Knappheit an Arbeitskräften« in den vergangenen Wochen intensiv »vermarktet« wurde.

Hauptaussage der Studie: Bei Annahme eines Wirtschaftswachstums von 2,5 Prozent fehlen bis 2005 nicht weniger als 165.000 Arbeitskräfte. Und zwar jeweils zur Hälfte Menschen mit höherer Schulbildung (vor allem BHS und Hochschulabsolventen im technischen Bereich) und Menschen mit abgeschlossener Lehre.

Um diese »Lücke« zwischen Beschäftigungsnachfrage und demographischem Angebot schließen zu können, sollen von den derzeit rund 190.000 Arbeitslosen rund 60.000 Menschen in Beschäftigung gebracht werden, weitere 30.000 bis 40.000 durch die Anhebung der Erwerbsbeteiligung der Frauen und schließlich soll die Beschäftigung der älteren Arbeitnehmer um 30.000 Arbeitskräfte erhöht werden. Wer aufmerksam mitgerechnet hat, dem werden rund 30.000 bis 40.000 Arbeitskräfte fehlen. Richtig getippt: Diese Lücke soll durch ausländische Arbeitskräfte geschlossen werden!

Fehler im Getriebe

Diese Zahlenaufstellung bietet einen breiten Ansatz zur Kritik. So beziehen sich die Schätzungen auf einen sechsjährigen Zeitraum, von denen das Jahr 2000 mit einem hohen Beschäftigungswachstum von 33.000 Arbeitskräften bereits abgelaufen ist. Zum Zeitpunkt der Studienveröffentlichung bietet sich also bereits ein wesentlich entspannteres Bild, da der Beschäftigungszuwachs in Abzug zu bringen ist. Dazu kommt, dass allein der für 2002 prognostizierte weitere Rückgang des Wirtschaftswachstums die Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen und die »Lücke« zusätzlich verringern wird.

Zu hinterfragen sind auch die Ansätze bei der Abdeckung der »Arbeitskräftelücke«: Ist das durch die Verringerung der »unfreiwilligen Teilzeitarbeit« entstehende Arbeitskräftevolumen berücksichtigt? Wurde das im Inland befindliche ausländische Arbeitskräfteangebot in seiner vollen Größe mit einbezogen? Und nicht zuletzt stellt sich die grundsätzliche Frage: »Sind die angeführten Ansätze wie Abbau der Arbeitslosigkeit, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen nicht doch zu wenig ehrgeizig dimensioniert worden?«

Wir meinen, dass dies der Fall ist. Eine ambitionierte Heranziehung der Arbeitskräftepotentiale im Inland, verbunden mit verstärkten Qualifizierungsbemühungen, verkleinert die »Arbeitskräftelücke« erheblich.

Starke Zweifel an der WIFO-Studie hat auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD), Rudolf Kaske1): »Ganz so, wie die Wirtschaft das gerne darstellt, um das ständige Hinaufsetzen des Saisonnierkontingents zu rechtfertigen, sind die Dinge nicht: Frauen, über 55-Jährige, Ausländerinnen und Ausländer, die bereits in Österreich leben und nicht zuletzt die Zahl der Arbeitslosen bilden ein Beschäftigungspotential, das nicht außer Acht gelassen werden sollte«, hält Kaske dagegen.

Es ist kein Arbeitskräftemangel erkennbar

Trotzdem wird in der öffentlichen Meinung alles versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass der weitere Zuzug vor allem von qualifizierten ausländischen Arbeitskräften über die bestehende Quote hinaus unvermeidbar ist. Ein Blick auf die Ausschöpfung dieser so genannten »Schlüsselkraftquote« zeigt jedoch ein ganz anderes Bild: Die Ausschöpfung im ersten Quartal 2001 lag knapp unter 20 Prozent. Anzeichen einer außerordentlichen »Knappheit an Arbeitskräften« sind daher überhaupt nicht erkennbar.

Tourismus: Jeder vierte Beschäftigte ein Ausländer

Jeder vierte im österreichischen Tourismus Beschäftigte ist ein Ausländer aus Mittel- und Osteuropa, weiß Kaske weiter zu berichten. Statt das Saisonnierkontingent zu erhöhen, sollten mehr in Österreich lebende Ausländer eine Arbeitsbewilligung bekommen. Kaske lehnt daher die Erhöhung des Saisonnierkontingents für den Sommer auf 4785 nach 2920 im Vorjahr ab. Ende April habe es in der Tourismusbranche eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 0,8 Prozent oder rund 2400 Personen gegeben.

»Trotzdem wird das Saisonnierkontingent konstant hinaufgesetzt. Die Begehrlichkeit der Betriebe liegt klar auf der Hand: Saisonniers sind die billigeren Arbeitskräfte. Arbeitslose und bereits in Österreich lebende Ausländer sind daher oft nur zweite Wahl.« Kritik übt Kaske dabei auch an Minister Bartenstein, der für die laufende Erhöhung des Saisonnierkontingents verantwortlich ist. Bartenstein hat offensichtlich darauf vergessen, dass er nicht nur Wirtschafts-, sondern auch »Arbeitsminister« ist. »Statt sich zu bemühen, in- und sich bereits im Lande befindende ausländische Arbeitnehmer wieder in Beschäftigung zu bringen, trifft Bartenstein einsame Entscheidungen gegen die Arbeitnehmer in diesem Land«, sagt Kaske unter Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit im Tourismusbereich.

Nicht voreilig ausländische Arbeitskräfte holen

Auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch lehnte eine Mehrzuwanderung ab und regt stattdessen eine stärkere Integration der rund 30.000 in Österreich lebenden arbeitslosen Ausländer (Stand: April 2001) an. »Ausreichende Reserven« gebe es auch bei den älteren Arbeitslosen. Der Fachkräftemangel ist für Verzetnitsch vor allem Resultat fehlender Ausbildung durch die Wirtschaft in der Vergangenheit. Für den IT-Bereich sei zuerst eine genaue Bedarfsanalyse vorzunehmen, dann seien heimische Ressourcen zu suchen und erst als letzte Möglichkeit seien ausländische Fachkräfte nach Österreich zu holen. Eine »Green Card« ist für Verzetnitsch nicht die geeignete Lösung für den Arbeitskräftemangel im IT-Bereich. Er sieht den Schwerpunkt eher in der internen Ausbildung und Umschulung. Dort soll die Wirtschaft ansetzen, denn in Österreich herrsche eine Ausbildungslücke gerade im IT-Bereich. Österreich wurde überrollt, die Entwicklung unterschätzt, Kompetenzstreitigkeiten im Forschungsbereich hätten das ihre dazu beigetragen.

Ausbildung muss Vorrang haben

Die entscheidende Frage bei der »Knappheitsdiskussion« lautet daher, ob die Beschäftigungs- und Qualifizierungspotentiale vorrangig und mit vollem Einsatz ausgeschöpft werden, bevor ein allfälliger Bedarf durch ausländische Arbeitskräfte abgedeckt wird. Das es die Wirtschaft mit dieser Rangfolge nicht so genau nimmt und eine ausgebildete und zudem noch meist billigere Arbeitskraft aus dem Ausland vorzieht, bevor sie diese teilweise selbst ausbilden muss, mag zwar aus einem rein betriebswirtschaftlichen Kalkül heraus verständlich sein, kann jedoch kein leitender Grundsatz sein, weil er weder volkswirtschaftlichen und schon gar nicht sozialpolitischen Ansprüchen genügt.

Der Schlüssel zum Erfolg heißt »Bildung«

Eine wesentliche Herausforderung muss es daher sein, die im Grunde ausreichend vorhandenen Arbeitskräfteangebote höher zu qualifizieren. Die Nutzung dieser Möglichkeiten beeinflusst die Größe der verbleibenden »Lücke«, die durch ausländische Arbeitskräfte geschlossen werden soll, ganz wesentlich. Das setzt aber auch die Bereitstellung entsprechender Fördermittel voraus. Dem steht die Politik der derzeitigen Bundesregierung aber entgegen. Die durchgeführten und geplanten Mittelabschöpfungen und die Sparmaßnahmen in der Bildungspolitik sind ebenso kontraproduktiv wie die Wirkung des beschlossenen Kinderbetreuungsgeldes, das den erwünschten Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen bremst. Auch das zuletzt sehr stark nachgefragte »Altersteilzeitgeld« verringert das »Arbeitskräftevolumen« und wirkt in diesem »Arbeitskräfte-Knappheitsszenario« nicht förderlich.

Reformdialog ließ viele Fragen offen

Enttäuschend verlief sowohl für den ÖGB als auch die AK der Ende Mai stattgefundene Reformdialog »Forschung und Technologie-Entwick-lung«. Er ließ viele Fragen offen - vor allem wurden keine klaren Antworten auf die Frage der Aus- und Weiterbildung gegeben. ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch verlangte eine offensive Vorwärtsstrategie mit klaren Zielvorgaben. Recht auf Bildungskarenz für Arbeitnehmer, die Rücknahme der demotivierenden Studiengebühren und klare Konzepte für eine verstärkte Weiterentwicklung der Fachhochschulen seien gefragt.

Es geht nicht nur um die Frage zusätzlicher Mittel, sondern auch um die Frage der Verbesserung unseres Aus- und Weiterbildungssystems. Eine breite Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitnehmer setzt eine bessere Ausbildung und ein systematisches Ausbildungskonzept für alle Systemstufen voraus. »Green Cards« werden den Fachkräftemangel nicht lösen, betont der ÖGB-Chef, sondern »wir müssen auf unsere eigenen Ausbildungssysteme setzen und diese entsprechend verbessern«. Lebensbegleitendes Lernen setzt das Recht auf Bildungskarenz voraus und nicht zuletzt sind verstärkte Bemühungen zur Weiterentwicklung der Fachhochschulen erforderlich. Verzetnitsch: »Wenn es in Oberösterreich 1800 Anmeldungen gibt, aber nur 500 Plätze zur Verfügung stehen, dann ist dringender Handlungsbedarf gegeben.«

Alles Geld nützt nichts, wenn Personal fehlt

Deutlich fiel auch die Kritik von AK-Präsident Herbert Tumpel aus, der ebenfalls dringend von der Bundesregierung Maßnahmen in der Aus- und Weiterbildung, vor allem in den neuen Technologien, fordert: »Alles Geld nützt nichts, wenn gut ausgebildetes Personal fehlt.« Die so genannte Uni-Reform habe lediglich zur Folge, dass die guten Leute die Hochschulen Richtung Ausland verlassen, die Studiengebühren werden für viele Studenten zur unüberwindbaren Hürde, und an den Fachhochschulen haben sich im Herbst 11.200 Personen um einen Studienplatz beworben - aufgenommen konnten nur 4200 werden, ergänzt der AK-Präsident die Kritik von Verzetnitsch aus bundesweiter Sicht.

Besonders für die Schulen im IT-Bereich gibt es für die ersten Klassen dreimal so viel Anmeldungen wie Plätze.

»Statt ständig nach IT-Kräften aus dem Ausland zu rufen, sollen Regierung und Wirtschaft mehr für die Ausbildung in Österreich tun«, kritisiert Tumpel, der zusätzliche Mittel vom Bund fordert, damit mehr Ausbildungsplätze für Zukunftsberufe geschaffen werden.

Heimischer Arbeitsmarkt hat Vorrang

Es gibt also genug Potentiale im eigenen Land, die es zu nützen gilt. Der Schrei nach ausländischen Arbeitskräften entspringt lediglich dem Wunsch der Wirtschaft nach möglichst »billigen Arbeitskräften«. Solange Arbeitslose und bereits in Österreich lebende Ausländer für die Unternehmer nur zweite Wahl sind und auch das Ausländerkontingent nicht voll ausgeschöpft wird, sind derartige Forderungen eindeutig überzogen. Dem heimischen Arbeitsmarkt und seinen Arbeitnehmern ist daher absoluter Vorrang einzuräumen.

Dazu gehören entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ebenso wie ein Umdenken der Wirtschaft und ein Abgehen der derzeitigen Regierung von ihrem kontraproduktiven und »bildungsfeindlichen« Kurs. Wir haben genügend eigene Arbeitskräfte - ihnen eine Chance zu geben, darf nicht mit »Ausländerfeindlichkeit« verwechselt werden.

1) Siehe auch »Arbeit & Wirtschaft« 5/2001, Seite 5: »Wirtschaft und Arbeit und die Tricks der Unternehmer«.

Aktuelle Datenlage zur Ausländerbeschäftigung und Ausländerarbeitslosigkeit

1995 1996 1997 1998 1999 2000
Austria 1,6 2,0 1,3 3,3 2,8 3,2
Czech Republic 5,9 4,8 -1,0 -2,2 -0,8 2,7
Hungary 1,5 1,3 4,6 4,9 4,4 5,5
Poland 7,0 6,0 6,8 4,8 4,1 4,0
Slovak Republic 6,7 6,2 6,2 4,1 1,9 2,0
Slovenia 4,1 3,5 4,6 3,8 5,0 4,7
Monat Ausländerbeschäftigung Ausländerarbeitslosigkeit
Bestand Veränderung Vorjahr Bestand Veränderung Vorjahr
absolut in % absolut in %
Juli 2000 254.252 +2.271 +0,9 14.837 -1.228 -7,6
Aug. 2000 254.707 +4.130 +1,6 16.128 -700 -4,2
Sep. 2000 257.315 +4.903 +1,9 18.241 -767 -4,0
Okt. 2000 247.533 +2.946 +1,2 22.780 -171 +0,8
Nov. 2000 239.332 +3.928 +1,7 28.227 -1.195 -4,1
Dez. 2000 233.925 +3.804 +1,7 33.994 -39 -0,1
Jän. 2001 226.895 +4.441 +0,2 41.672 +222 +0,5
Feb. 2001 229.662 +3.550 +1,6 40.429 +1.568 +0,4
März 2001 236.600 +1.937 +0,8 33.201 +3.064 +0,2
Apr. 2001 238.993 +269 +0,1 29.118 +3.521 +13,8

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Franz Friehs (Mitarbeiter im Sozialpolitischen Referat des ÖGB) Ernst Weber (stellvertretender Leiter im ÖGB-Pressereferat) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227831 Dauerproblem Lehrlingsausbildung | Die Situation der Jugendlichen ohne Lehrplatz Die Zahlen wären an sich beruhigend: Per Saldo gab es im letzten, derzeit vom Arbeitsmarktservice (AMS) statistisch erfassten Monat April 544 gemeldete offene Lehrstellen. Mit anderen Worten: Österreichweit standen 2972 offene Ausbildungsplätze im Lehrbereich 2428 suchenden Jugendlichen gegenüber. Zahlen vom April sind allerdings keine geeignete Grundlage, um die Lage für den Herbst abschätzen zu können, wenn die Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt kommen. »Aus zeitlichen Gründen wird das AMS im heurigen Jahr keine derartige Prognose machen«, gibt Beate Sprenger, Sprecherin der Bundesgeschäftsstelle des AMS, Auskunft über die Perspektiven für das Ausbildungsjahr, das im Herbst 2001 beginnt. »Schaut man sich jedoch die Entwicklung von Lehrstellensuchenden und offenen Lehrstellen in der Vergangenheit an, so nähern wir uns wieder einem eher ausgewogenen Verhältnis.«

Allerdings: Schon unter den offiziell beim AMS vorgemerkten Lehrstellensuchenden rutscht der positive Saldo von bundesweit 544 »überzähligen« Lehrstellen in der Steiermark und Wien ins Minus: Mit 120 fehlenden Ausbildungsplätzen in Wien (Stand: April) scheint das Manko geringfügig. Das Problem ist, dass diese recht günstigen Zahlen nicht stimmen.

Ein völlig anders Bild liefert nämlich das statistische Material, das die Bundesarbeitskammer (BAK) durch gezielte Umfragen feststellen konnte. Im selben Bezugsmonat (April) gab es demnach bundesweit rund 12.500 Jugendliche (die aktuell zwar »nicht verfügbar«, aber in den kommenden Monaten »lehrstellensuchend« sein werden) gegenüber 9600 gemeldeten offenen Lehrstellen.

Für den Herbst, wenn die Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt drängen, stellt sich die Lage weit dramatischer dar: Mit etwa 7000 Jugendlichen, die erfolglos eine Lehrstelle suchen werden, rechnet der Bundessekretär der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), Stefan Maderner. Eine Schätzung, die leider durchaus realistisch ist. Denn die offiziellen Zahlen enthalten nicht jene Kontingente an jungen Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, kurzfristige Ausbildungen durch das AMS absolvieren oder ein 10. oder 11. Schuljahr »anhängen«. Ebenso wenig enthalten sind Lehrstellensuchende ausländischer Herkunft. »Wobei es bei diesen auf den ›Integrationsgrad‹ ankommt«, weiß Stefan Maderner.

Leidtragende des Argumentierens mit falschen Zahlen sind all jene Jugendlichen, die in der geschönten Statistik nicht enthalten sind. Und das sind - wie gesagt - nicht wenige. Rund 2000, so hat die BAK erfragt, absolvieren ein zehntes oder elftes Schuljahr, etwa 4000 besuchen kurzfristige »Kursmaßnahmen«. Nicht leicht zu eruieren sind die Jugendlichen, die bereits Lehrling waren, und nun Arbeitslosengeld beziehen.

»Die Zahlen werden von den Ministerien meist unter Verschluss gehalten«, bedauert Arthur Baier von der Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz der Arbeiterkammer. Er vermutet dahinter eine gezielte Strategie der Regierung. »Man versucht, ein gewisses Kontingent an Jugendlichen arbeitslos zu halten, um so Druck ausüben zu können. Es erleichtert, Forderungen seitens der Wirtschaftskammer durchzusetzen, etwa wenn es um den weiteren Abbau von Schutzmaßnahmen geht.«

Obwohl ein »geburtenschwacher Jahrgang« die Situation mildert, wird es für viele Jugendliche ähnlich wie im Vorjahr schwierig werden. Im Sommer 2000 hatten die ersten gravierenden Einschnitte bei der Qualität der Ausbildung begonnen. Im Juli 2000 wurden das Berufsausbildungsgesetz (BAG) und das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz (JASG) novelliert. Mit den Novellen, die per 1. September 2000 in Kraft traten, galten die neue Regeln: Die Probezeit wurde von drei auf sechs Monate verlängert, die Arbeitszeit im Gastgewerbe in späte Nachtstunden hinein ausgedehnt und mehr »Flexibilität« für den Lehrherrn bei der Garantie für die Weiterbeschäftigung nach der Lehrzeit geschaffen.

Neue Lehrberufe wurden eingeführt, die anstelle der von ÖGB und AK geforderten zukunftsträchtigen Gruppenberufe den Weg zu »Schmalspurlehren« einschlugen: Fertigkeiten, die binnen weniger Monate erlernt werden können, wurden in neue Lehrberufe, etwa Werkzeugschleiftechniker, Lagerfachmann oder Reparaturschuhmacher verpackt. Der Trend zum »Splitting«, dem Aufspalten von Fertigkeiten in einzelne Lehrberufe, die sich dadurch eher einer Ausbildung in Helfertätigkeiten annähern, war besonders im Gastgewerbe sichtbar: Vom Trend zum »Hausel«, dem Mädel oder Burschen für alles, sprach Rudolf Kaske, Vorsitzender der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (siehe auch »A&W« 10/2000, Seite 12, »Sind Lehrjahre Kehrjahre?«).

Zwei Veränderungen im Bereich der Lehrlingsausbildung erregten die Gemüter der Arbeitnehmervertreter besonders: Die Einführung der so genannten Vorlehre und die Abschaffung des Auffangnetzes für Jugendliche, die auf dem regulären Ausbildungsmarkt nicht unterkommen. So gibt es seit September 2000 keine weiteren Ausbildungsplätze mehr bei Lehrlingsstiftungen (zur Abschaffung der Stiftungen siehe »A&W« 11/2000, Seite 30, »Verschleuderte Lehrlinge«).

Anstelle des Auffangnetzes traten zehn Monate dauernde Berufslehrgänge, die allerdings nur Schulabgängern mit positivem Abschluss vorbehalten sind. »Ein Instrument, das als ›Warteschlange‹ oder zur Motivationssteigerung für Jugendliche, eine Lehrstelle zu suchen, sicher geeignet ist. Für Jugendliche, die Betreuung bräuchten, sind sie wenig positiv«, meint Walter Schaffraneck, Geschäftsführer von Jugend am Werk, der Trägerorganisation der »Initiative Lehrling« (siehe Kasten). Die weitere Problematik dabei: Nicht alle Lehrgänge werden auf die Lehrzeit angerechnet. Und: Für die Finanzierung der Ausbildungsplätze in Lehrgängen stehen nur noch die nicht verbrauchten Mittel aus den vergangenen Jahren zur Verfügung. Neue finanzielle Mittel sind im Gesetz nicht vorgesehen.

Ausbildungsstiftungen rechnen sich

Dass das innovative Modell der »Initiative Lehrling«, das 1997 als Pilotprojekt zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit eingeführt wurde, dem »Rotstift« zum Opfer fiel, wird schon rein volkswirtschaftlich gesehen teuer kommen. Zu diesem Schluss gelangt das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) in einer dreiteiligen Studie über die »Initiative Lehrling« bei der Trägerorganisation »Jugend am Werk« (siehe »A&W« 12/1997, Seite 28, »Initiative Lehrlinge«).

Welche Einnahmen kann die öffentliche Hand durch das Kontingent von Jugendlichen erwarten, das in besagter Initiative ausgebildet wurden? So lautete eine der Fragen in der Fiskalanalyse der Studie, die im März vorgelegt wurde. Demnach stehen Gesamtausgaben von 90 Millionen Schilling künftigen Einnahmen von etwa 124 Millionen gegenüber. Nicht enthalten bei dieser Rechnung sind Erträge aufgrund von »Multiplikatoreffekten«, zum Beispiel durch höhere Einkommen von Arbeitskräften mit abgeschlossener Berufsausbildung. Immerhin schließen rund 60 Prozent der Teilnehmer die Lehrausbildung ab.

Ganz abgesehen von der »Binsenweisheit«, wie Susanne Rauscher, Pressesprecherin des Arbeitsmarktservice Wien, meint. »Je mehr Ausbildung, umso besser für jeden Einzelnen.« Ihr tut es »leid um die Stiftungen. Sie waren sicher ein gutes Instrument, denn je vielfältiger das Angebot ist, umso besser sind die Chancen. Schließlich gleicht kein Jugendlicher dem anderen. Ein bisschen mehr Phantasie sollte man schon haben«.

»Eine Fortsetzung der Lehrlingsstiftungen ist unbedingt nötig«, meint Bundesjugendsekretär Stefan Maderner. »Die Kosten dafür sind gering, vergleicht man sie mit den Erleichterungen für die Wirtschaft, wie Steuerfreibeträge oder die Befreiung vom Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung im ersten Lehrjahr.« Die Forderung nach Fortsetzung der Lehrlingsstiftungen findet allerdings kein Gehör bei der schwarz-blauen Regierung. »Es schaut sehr schlecht aus«, berichtet Maderner. Als Alternative für die Gruppe der so genannten »benachteiligten« Jugendlichen verweisen die Regierungsvertreter auf die (im September 2000 eingeführte) Vorlehre.

Vorlehre war ein Flop

Bei dieser Maßnahme, die für jene Jugendlichen gedacht ist, die auf dem regulären Markt nicht unterkommen, gibt es keinen Berufsabschluss. Die Jugendlichen, die eine Vorlehre absolvieren, gehen nicht nur ohne Zeugnis aus, sondern haben auch das Stigma eines »minderwertigen« Einstieges in die Berufswelt zu tragen.

»Gottseidank haben sich nur wenige junge Leute dazu entschlossen«, ist AK-Experte Arthur Baier froh: Etwa 120 waren es bei der letzten statistischen Erfassung im Frühjahr.

»Es ist uns gelungen, die Leute wirksam vor einer Vorlehre zu warnen. Diese Maßnahme hat glücklicherweise überhaupt nicht gegriffen«, berichtet ÖGJ-Bundesjugendsekretär Stefan Maderner. »Es ist allemal besser, weiter in einer Schule zu bleiben, als sich ›freiwillig‹ unter die Verlierer einzureihen.«

»Eine Vorlehre hätte maximal für schwerst geistig behinderte Menschen einen Sinn. Die werden aber von den Betrieben nicht genommen«, meint Walter Schaffraneck, Geschäftsführer von Jugend am Werk. »Ich betone: schwerst geistig behindert, denn lernbehindert kann man sehr bald einmal sein.« Lernbehindert, mit familiären Problemen oder auch mit einer ausländischen Herkunft »belastet«. Es gibt viele Gründe, dass Jugendliche »keinen Bock« auf Lernen haben oder »verhaltensoriginell« sind, wie Schaffraneck die Schwierigkeit mancher Jugendlicher bezeichnet, sich ohne professionelle Unterstützung in Arbeitsstrukturen einzugliedern.

Für all diese Menschen sind Lehrlingsstiftungen ein geeignetes Modell, später auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Denn ist einmal die erste Phase durchlaufen, in der Selbstbewusstsein und »lernspezifische« Umgangsformen erworben werden, kann die fachliche Ausbildung beginnen. Die Zufriedenheit bei allen Beteiligten - den Lehrlingen, Ausbildnern, Berufsschullehrern und letztlich auch den Arbeitgebern - wurde deutlich durch die Studie des ÖIBF belegt.

Kaum an die Öffentlichkeit gelangte die Tatsache, dass die Ausbildung durch die Lehrlingsstiftung auch eine »Vorreiterrolle« in den Branchen der »neuen Technologien« eingenommen hatte. Aus den »Problemfällen« wurden durchaus »brauchbare« EDV-Techniker, die »alle einen Job gefunden haben«, berichtet Schaffraneck. (Dass sie als reguläre Lehrlinge keinen Platz bei den Betrieben gefunden hatten, steht auf einem anderen Blatt. Schaffraneck: »Die Betriebe stellen derart hohe Ansprüche, die nehmen lieber HTL-Abbrecher als Lehrlinge von uns.«) Der Ruf der Wirtschaft nach »IT-Fachkräften« (Personen, die in den unterschiedlichen Bereichen der Informationstechnologie ausgebildet sind), ist unüberhörbar. Die Bereitschaft, diese selbst auszubilden, ist bei den meisten Betrieben allerdings gering.

Den konservativen Trend in der Lehrlingsausbildung illustriert die Streuung der gewählten Berufe: »Zwar ist die Summe aller Zugänge ins Register der offenen Lehrstellen in Österreich im Jahr 2000 um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dieser Zuwachs geht jedoch praktisch nur auf den Anstieg in traditionellen Lehrberufen zurück«, informiert Beate Sprenger, Sprecherin der Bundesgeschäftsstelle des AMS. »Neu eingerichtete Lehrberufe haben an dieser Entwicklung de facto nur einen verschwindenden Anteil.« Mehr als die Hälfte des Gesamtzuwachses aus den gestiegenen Meldungen resultiert aus nur vier Lehrberufen: Für den Beruf Koch/Köchin wurden um 456 (das entspricht 22,4 Prozent) mehr offene Lehrstellen gemeldet, gefolgt von Bürokaufmann/ -frau (plus 355 bzw. 24,7 Prozent), Restaurantfachmann/-frau (plus 251 bzw. 15,2 Prozent) und Friseurin und Perückenmacher (plus 183 bzw. 15,5 Prozent). Für den 1998 eingeführten Lehrberuf als EDV-Kaufmann/-frau wurden im Jahr 2000 mit 57 Lehrplätzen um 20 weniger als im Vorjahr gemeldet, bei EDV-Technikern sank das Angebot gar von 159 auf 123.

Auch Fritz Meißl, Geschäftsführer des »Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds« (WAFF), »bedauert zutiefst die Abschaffung der Lehrlingsstiftungen. Aus einem einfachen Grund: Sie sind nötig, solange von den Betrieben Lehrplätze nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Ich jedenfalls bin der Auffassung, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung von Bedeutung ist. Die Stiftungen waren ein innovatives Modell, das - unter Nutzung von privaten Trägern, Berufsschulen und eben der Stiftungen - eine abgeschlossene Lehre bieten konnte. Es war ein erfolgreiches Instrument, ganz abgesehen davon, was es für einen 15-, 16-Jährigen bedeutet, wenn man ihn einfach so hängen lässt.«

Ein Urgenzschreiben der Bundesarbeitskammer an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, mit der Forderung, geeignete Maßnahmen für jene Jugendlichen zu treffen, die im Herbst auf dem Ausbildungsmarkt nicht unterkommen werden, war bei Redaktionsschluss noch nicht beantwortet. Aus legistischer Sicht wäre es durchaus möglich, kurzfristig die Stiftungen, die im Sommer des Vorjahres quasi über Nacht abgeschafft wurden, im Sommer 2001 wieder zu verlängern. »Wäre man ehrlichen Willens, könnte man durchaus über Maßnahmen (zur Weiterführung eines geeigneten Auffangnetzes) reden«, sagt der AK-Experte Arthur Baier. Die Zeit drängt, denn selbst wenn die Regierung auf gesetzlicher Ebene einlenken würde, stellt sich ein praktisches Problem: Trägerorganisationen wie Jugend am Werk oder das Berufsförderungsinstitut (bfi) müssten bereits jetzt Konzepte zur Umsetzung im Herbst erstellen, Verträge mit Ausbildnern schließen und die Logistik bereitstellen.

Schlechte Aussichten

»Die Regierung hat mit der Vorlehre keinen besonderen Stich gemacht«, urteilt Arthur Baier. So wolle man eben mit einer »Restgruppe« an Lehrplatzsuchenden versuchen, Druck zu machen, um die Rahmenbedingungen im Sinne der Wirtschaft weiter zu verändern. Das größte Problem sieht Baier derzeit in einer drohenden Erleichterung beim Kündigungsrecht und der »Aufweichung« ganzer Berufsbilder. Der ÖGJ-Bundesjugendsekretär Stefan Maderner sieht darin eine Strategie, »um kurzfristig Lücken im Arbeitsmarkt zu schließen«. Schon im Frühjahr hatte er dem Wunsch von Wirtschaftskammerpräsident Leitl nach »mehr Ausbildung à la carte und weniger à la menu« mit der Forderung nach Beibehaltung der international angesehenen Berufsausbildung in Österreich begegnet. Maderner: »Nichts ist gegen neue Lehrberufe einzuwenden. Sie müssen jedoch eine breite Basisausbildung und echte Zukunftschancen bieten.«

Kurz vor der Sommerpause brodelt es in der Gerüchteküche: In Schwebe ist ein weiteres »Splitting« der nor- malen Lehre. Nach Plänen der Regierung könnte sie in zwei Phasen gegliedert werden. Nach dem ersten Abschnitt einer so genannten Regellehre würde bei diesem Modell ein Jahr zusätzlicher »Aufbaulehre« angehängt. Welcher Lehrling in den Genuss dieser Zusatzqualifizierung kommt, wird - so sieht es derzeit aus - vom Lehrherrn abhängen. Die negativen Folgen für die kollektivvertraglichen Verhandlungen, besonders was die unterschiedlichen Entlohnungen in den beiden Ausbildungsphasen betrifft, sind nicht abzuschätzen.

Aus für eine erfolgreiche Initiative

Seit In-Kraft-Treten der Änderung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes (JASG) gibt es keine Lehrlingsstiftungen mehr. Zusammen mit den Berufslehrgängen hatten sie rund 4000 Jugendlichen zu einem Ausbildungsplatz mit anerkanntem Abschluss verholfen.
Besonders erfolgreich war die »Initiative Lehrling«, die von der Trägerorganisation Jugend am Werk durchgeführt wurde.

»Die Ausbildner waren sehr bemüht, aus uns etwas zu machen.« So und ähnlich waren viele der Antworten jener Teilnehmer, die im Rahmen der »Initiative Lehrling« einen Lehrberuf erlernten. In einer dreiteiligen Studie hat das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung ÖIBF detailliert die Wirksamkeit dieser Maßnahme erfasst, die von der Regierung ersatzlos gestrichen wurde.

Als besonders positiv hoben die Jugendlichen hervor, ernst genommen, unterstützt und betreut worden zu sein. »Nach Überwindung der schwierigen Anfangsphase«, meinte das Gros der Ausbildner, unterschieden sich die Teilnehmer kaum von anderen Berufsschülern. War einmal Selbstbewusstsein gewonnen, erwiesen sich manche in dem von ihnen gewählten Beruf sogar als kompetenter als ihre Alterskollegen.

Die »Initiative Lehrling« war 1997 als Pilotprojekt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit begonnen worden. Angesichts der kritischen Situation auf dem Wiener Lehrstellenmarkt suchten die AK Wien und ÖGB nach geeigneten Maßnahmen, jene Jugendlichen zu fördern, die auf dem regulären Ausbildungsmarkt keine Stelle finden konnten. Viele junge Menschen der so genannten zweiten und dritten Generation waren darunter, deren einziges »Handicap« eben ihre Herkunft war. Als Trägerorganisation fungierte »Jugend am Werk«1), eine Einrichtung, die bereits in der Ersten Republik zur Beschäftigung arbeitsloser Jugendlicher gegründet worden war. (Siehe: »A&W« 11/97 und »A&W« 12/97).

Die Stadt Wien, der »Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds« (WAFF), das Arbeitsmarktservice und Berufsschulen konnten für die Teilnahme gewonnen werden.

Die Ursachen für die problematische Lehrstellensituation sind heute ähnlich wie damals: Trotz finanzieller Anreize für ausbildende Betriebe - etwa das Lehrstellenförderungsprogramm, die Streichung von Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung -, zieht sich die Wirtschaft zunehmend aus der Ausbildung von Lehrlingen zurück.

Am ersten Dezember 1997 trat die erste »Tranche« von 300 Jugendlichen die Ausbildung im Rahmen der »Initiative Lehrling« an: Das Konzept, betriebliche Praxis mit schulischer Berufsausbildung kombiniert, wurde später von Nachfolgeprojekten übernommen. Das Ziel dieser Maßnahmen als Teil des »Auffangnetzes« für Jugendliche: Auch jene, die keine reguläre Stelle finden konnten, sollen die Chance auf einen anerkannten Abschluss haben. Die Vorgabe, dass mindestens ein Drittel der Teilnehmer von »regulären Lehrherrn« übernommen werden sollten, konnte »spielend« erfüllt werden.

1) Die Web-Adresse von Jugend am Werk: http://www.jaw.at

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Gabriele Müller (freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227816 Unter Haien | Casinokapitalismus und die Gewerkschaften Sozialpartnerschaft plus Austrokeynesianismus, das war die Zauberformel für den phänomenalen Aufstieg der österreichischen Wirtschaft seit Beginn der 60er Jahre, ein Aufstieg, der nicht nur eine Verfünffachung des Sozialprodukts gegenüber der Ersten Republik brachte, sondern auch ganz im Gegensatz zur Ersten Republik Vollbeschäftigung.

Sozialpartnerschaft auf überbetrieblicher und auf betrieblicher Ebene

Meistens wird die Sozialpartnerschaft, die auch heute noch eine überwältigend hohe Zustimmung in der Bevölkerung findet, nur mit der Paritätischen Kommission, allenfalls noch mit deren Unterausschüssen wie dem Wirtschaftsbeirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, dem Lohnunterschuss und dem inzwischen obsolet gewordenen Preisunterausschuss verbunden.

Weniger beachtet wurde die wohl noch wichtigere Tatsache, dass auch auf betrieblicher Ebene eine Sozialpartnerschaft bestand, im leider geringerem Ausmaß als früher noch besteht und ohne die ja auch auf überbetrieblicher Ebene die Kooperation nie so erfolgreich hätte sein können, als sie es tatsächlich war.

Freilich, die Zeit der Patriarchen ist vorbei und Persönlichkeiten wie ein Mayer-Gunthof, der mir einst sagte, für ihn sei es eine Ehrensache, dass seine Leute Arbeit haben, und dessen Betriebsrat mir ebenfalls sagte, »... wenn wir keine Arbeit haben, packt der Alte sein Kofferl, fährt nach Moskau und kommt mit Aufträgen zurück, ...« sind selten geworden.

Abgelöst wurden sie durch eiskalte Manager, die sich an den Ertragswünschen der Aktionäre orientieren und nicht Arbeit für ihre Leute suchen, sondern für alle Probleme ein Rezept haben: »Freisetzungen« von »Arbeitnehmern«.

Eine weitere Voraussetzung für einen funktionierenden Neokorporatismus, dies ist der wissenschaftliche Name für unser System der Sozialpartnerschaft, waren starke und stabile Regierungen, die die wirtschaftliche Entwicklung nicht völlig dem unkontrollierten und auch unkontrollierbaren Marktgeschehen überlassen wollten, sondern wo erforderlich, steuernd eingriffen. Solch starke Regierungen gibt es seit Jahren nicht mehr, und für manche Politiker mag es ja durchaus attraktiv sein, Verantwortung abzuwälzen und der Privatisierung sowie dem freien Marktgeschehen die Verantwortung zu übertragen. National, aber auch international zeigt sich allerdings, dass die Menschen mit diesen Lösungsansätzen, die ja gar keine Lösungen bringen, nicht einverstanden sind und nach anderen, nach neuen Wegen suchen.

Nun soll die Schuld an der Verdünnung der Sozialpartnerschaft und der Absage an den Austrokeynesianismus nicht ausschließlich bösen Mächten angelastet werden. Es haben auch international wirksame Entwicklungen und Fehler, die die Anhänger des Wohlfahrtsstaates und auch Gewerkschaften gemacht haben, zu diesem Niedergang unseres einst so erfolgreichen Systems einiges beigetragen.

In der Wirtschaft gibt es keinen Stillstand. Anpassung, Reformen, vorausblickende Planung sind betriebswirtschaftlich und auch volkswirtschaftlich erforderlich, will man den Anforderungen gerecht werden. Fehler, die in der verstaatlichten Industrie, in der Aufblähung der Belegschaften und Nichterkennenwollen von Konkurrenzdruck - denken wir dabei auch an den betrüblichen Niedergang der Konsumgenossenschaften - gemacht wurden, haben unser altes, wie schon gesagt, so erfolgreiches System geschwächt, teilweise auch dem Untergang überantwortet.

Privatisierung und freie Marktwirtschaft

Wenn neue Führungskräfte an die Macht kommen wollen, so brauchen sie auch eine entsprechende Rechtfertigungsideologie für ihre Handlungsweise. Angesichts der ungeheuren Wirksamkeit der modernen Massenmedien lassen sich solche Ideologien, auch wenn sie den Interessen breiter Bevölkerungsschichten widersprechen, transportieren und bekommen zumindest vorübergehend Zustimmung.

Die Grundstimmung der Österreicher ist allerdings nicht besonders positiv für die Privatisierung. Bei einschlägigen demoskopischen Untersuchungen, also Meinungsumfragen, wird von den Befragten angenommen, dass Privatisierung zu höheren Gewinnen der Unternehmer führen wird, für den Konsumenten nur vorübergehend Vorteile entstehen, wenn Preise im Konkurrenzkampf gesenkt werden, dann allerdings, wenn der Kampf entschieden ist und nur noch starke Anbieter übrig bleiben, die Preise wieder erhöht werden.

Hinsichtlich Beschäftigung wird nicht zuletzt auf Grund von Erfahrungen angenommen, dass nach der Privatisierung die Zahl der Beschäftigten zurückgehen wird.

Was nun die freie Marktwirtschaft anbelangt, muss wohl etwas weiter ausgeholt werden, um das Problem zu erklären.

Spielcasino?

Die Börse spielt im modernen Geschäftsleben eine wesentlich andere Rolle als vor einigen Jahrzehnten und das auch international. An sich ist der Aktienmarkt für Kunden geschaffen worden, die sich an Unternehmen beteiligen wollen und ihren Hauptgewinn eigentlich im Wachsen des Unternehmens sehen und eher nicht versuchen, durch Ankauf und Verkauf von Wertpapieren Gewinne zu erzielen. Letzteres steht heute im Vordergrund, ist aber nicht die konstruktive Idee hinter dem Aktienmarkt. Tatsächlich ist es nicht mehr der Aktionär, der sich durch Ankauf von Aktien an dieser Firma beteiligt, gegebenenfalls, wenn es sich um junge Aktien handelt, an Erweiterungen der Firma teilnimmt und sie finanziell ermöglicht. Die Hauptteilnehmer am Börsengeschäft sind Institutionen, die ihrerseits Gelder von Anlegern sammeln und dann nur kurzfristig gewinnorientiert disponieren. Sie versuchen immer dann einzusteigen, wenn die Kurse sinken und wenn sie den Tiefstpunkt erwischt haben, dann haben sie gut disponiert. Wenn die Kurse wieder steigen, versuchen sie dann die Gewinne zu realisieren und wenn sie es am Höhepunkt des Anstiegs machen, haben sie nochmals gut disponiert. Ob aber damit dem Markt die richtigen Signale gegeben wurden, darf bezweifelt werden. Überhaupt bietet die Börse heute nicht das Bild eines Marktes, auf dem gute wachsende Betriebe sich finanzieren können, sondern sie gleicht eher einem Casino, in dem große Vermögensverwaltungsgesellschaften, Pensionsfonds und größere oder kleinere Spekulanten größere oder kleinere Gewinne, je nach Glück und zum Teil vielleicht auch nach Geschick, erzielen können.

Für den einzelnen Betrieb hat dieses Börsengeschehen, sofern er überhaupt sich über die Börse finanziert, eine höchst gefährliche Komponente. Die Firma hat es nicht mehr mit Geschäftsfreunden zu tun, die ihr Geld in Aktien dieser Firma stecken und dann warten, dass das Management dieser Firma schöne Gewinne erzielt, wächst, größer wird, neue Märkte erreicht, neue Produkte vielleicht entwickelt, kurz und gut floriert, sondern die Anleger werden trachten, den so genannten Shareholdervalue zu steigern und das Management muss unter allen Umständen versuchen, ob krumm oder grad', womöglich zweistellige Erträge zu erwirtschaften.

Nun weiß jeder, dass ein Industriebetrieb kaum in der Lage ist, über einen längeren Zeitraum zweistellige Gewinne zu machen und dann entsprechend auch auszuschütten. Der Druck in diese Richtung ist aber ungeheuer groß.

Der Manager muss versuchen, rasch lukrative Geschäfte zu machen, was sehr oft auf Kosten der Belegschaften geht und sehr leicht dazu führt, dass der Betrieb auf Abenteuer hin orientiert wird. Wer das nicht schafft, fliegt. So kommt es zum Kurzzeitmanager.

In den führenden Industriestaaten hat sich daraus eine bedenkliche Entwicklung ergeben, Manager werden gewechselt wie die Hemden, wer nicht schnellen Ertrag bringt, kann seinen Hut nehmen.

Nun weiß jeder, der in der Wirtschaft tätig war, dass nur langfristige Konzepte einen Betrieb vorwärts bringen. Rasch nur eine Quartalsbilanz zusammenzustoppeln, mit der man an die Öffentlichkeit geht und den Börsenkurs in die Höhe treibt, bringt einen Betrieb rascher in die Krise als gedacht.

Nicht zufällig hat man ja für Vorstände fünfjährige Verträge vorgesehen, denn fünf Jahre sind wohl das Mindestmaß und der kürzeste Zeitraum, den ein Manager braucht, um einen Betrieb gut zu organisieren, eventuell umzuorganisieren und eine entsprechende Mannschaft zusammenzustellen, die dann für die Zukunft die erwünschten soliden Gewinne auch bringen kann.

Der Vorstoß der Heinzelmänner

In Österreich haben wir nun die Spezialität entwickelt, dass dieser schnelle Wechsel von Managern Hand in Hand geht mit einer hysterischen Personalpolitik der Eigentümervertreter. In der Schweiz wurde durch eine Politik des panikartigen Führungswechsels die schweizerische Fluggesellschaft Swissair in einen Abgrund geführt und hätte nicht die Schweiz die Existenz einer eigenen Luftfahrtsgesellschaft für erforderlich gehalten, gäbe es heute keine Swissair mehr, sie wäre bereits in Konkurs gegangen.

Wir Österreicher neigen zwar eher dazu, dem deutschen Bruder alles nachzumachen, aber jetzt dürfte vielleicht gerade bei unserer AUA das Schweizer Vorbild aktuell sein. Man hat zwar kein neues Management, aber auf jeden Fall schmeißt man das alte, erfolgreich gewesene, hinaus. Dasselbe findet auch in vielen anderen Betrieben statt.

Die Dachorganisation der staatsbeteiligten Betriebe hatte einen Aufsichtsratsvorsitzenden, der es seinerzeit geschafft hatte, die am Abgrund befindlichen Steyr-Werke zu retten. Dieser Dr. Streicher hatte allerdings einen Makel - er war ein »Roter«. Jetzt hat die ÖIAG einen Aufsichtsrat bekommen, der endlich den freiheitlichen Wirtschaftstreibenden eine Basis gibt, sich zu profilieren. Die Profilierung ist aber eher in die falsche Richtung gegangen, das Image der österreichischen, zur Privatisierung anstehenden Industrie- bzw. den zur Privatisierung anstehenden Dienstleistungsbetrieben wurde von vorneweg ruiniert, denn wenn argumentiert wird »... das alte Management war so schlecht, wir schmeißen es hinaus, bevor noch die Verträge ausgelaufen sind ...«. »... ein neues Management muss her ...«. Man hat zwar niemand an der Hand und sucht mit Hilfe von Head-Huntern verzweifelt nach »Wunderwuzis«. Da muss sich natürlich der Eindruck in der Öffentlichkeit ergeben, mit dem Betrieb geht es bergab.

Eher das Gegenteil ...

Natürlich wissen alle Eingeweihten, dass z. B. der Generaldirektor der Bundesbahnen nicht gehen musste, weil er die Bundesbahn in einen Abgrund gefahren hätte, eher ist das Gegenteil der Fall. Nach langen Jahren des Vegetierens wurde eine Entwicklung durch richtige Strategien eingeleitet, nämlich Verlagerung auf Güterverkehr und die Vernachlässigung des Personenverkehrs, durch die mehr als erträgliche Ergebnisse erzielt werden konnten. Aber, ein neuer Mann muss her, der alte ist offensichtlich politisch nicht so eingefärbt wie die Regierung und ihre Helfer aus der Reihe der Heinzel-Männer es verlangen. Weitere Beispiele gewünscht? Die Telekom wurde zwar von früheren Regierungen ausgenommen wie eine Weihnachtsgans und hinsichtlich ihres Investitionsbedarfs auf den Kapitalmarkt und auf Kredite verwiesen, aber sie hat schwierige Umstellungen und eine Liberalisierung erträglich hinter sich gebracht und da nun eine neue Führungsgarnitur installiert werden soll, muss der alten Führungsgarnitur ein schlechtes Image angehängt werden. Nun darf dabei nicht vergessen werden, die Teilnehmer am Casino, die Börsianer, die Züricher Gnome wissen nicht immer genau, was da eigentlich politisch gespielt wird und was hinter diesem Wechsel des Managements steckt. Vermutet wird das Nächstliegende: ein betriebswirtschaftlicher Misserfolg. Also wird das Unternehmen von den so genannten Analysten heruntergestuft. Dazu kommt noch, dass man dann überhaupt keinen Mann mit Renommee und entsprechenden Qualifikationen finden kann, der sich den Streit antut, denn die, die für eine Topposition in Frage kommen, wissen, was gespielt wird und wollen sich auf dieses Spiel nicht einlassen. Die Kapitalmarktteilnehmer sind misstrauisch geworden und erwarten sich von einem Management, das nur aus politischen Gründen installiert wurde, keine besonderen Erfolge. Und nicht jeder ist davon überzeugt, dass neue Besen gut kehren, nur weil sie einer politischen Seilschaft passen, die gerne an die Macht und an die Futtertröge will. Die österreichischen Beobachter der Szene sind jedenfalls schon entsprechend misstrauisch geworden und vermuten, dass nicht hervorragende Industriekapitäne gesucht werden, sondern man politische Gegner loswerden will und eigene Leute installieren will, natürlich mit dem Hintergrund, dabei auch in irgendeiner Weise zu profitieren.

Schlechte Karten für die Arbeitnehmer

Dass für die österreichischen Arbeitnehmer daraus unerfreuliche Konsequenzen erwachsen werden, liegt wohl auf der Hand. Die Gewerkschaftsbewegung ist freilich kaum in der Lage, in derartige strukturelle politische Entscheidungen einzugreifen und sie im Interesse ihrer Mitglieder zurechtzubiegen.

Mit der Schwächung der Sozialpartnerschaft ist auch der Einfluss des Gewerkschaftsbundes auf gesamtwirtschaftliche Entwicklungen heruntergestuft worden. Ursprünglich war ja die Idee der Sozialpartnerschaft - und damit sind wir wieder beim Anfang -, gewerkschaftlichen Einfluss in allen Bereichen des Wirtschaftslebens zu verankern. Es ist den Regierenden schon in den letzten Jahren im Zuge der internationalen Entwicklungen gelungen, den Einfluss des Gewerkschaftsbundes zurückzudrängen. Der Gewerkschaftsbund hat auch vielleicht zu wenig neue Initiativen entwickelt, zu wenig auf neue Entwicklungen gesetzt und sich zu wenig als große reformatorische Kraft betätigt. Aber in diesem Punkt ist ja noch nicht aller Tage Abend und sobald die Massen erkennen werden, wie ihre Interessen geschädigt werden und wie Versprechungen, die man gemacht hat, genau ins Gegenteil umschlagen und sobald sie auch erkennen, dass Steuerpolitik nicht in ihrem Interesse gemacht wird und nicht jede Sanierung des Staatshaushaltes wirtschaftsfördernd und wohlfahrtssteigernd wirkt, sondern Interessen einer relativ kleinen Klasse dient, wird sie auch Initiativen von der Gewerkschaftsbewegung erwarten.

Unsere Gewerkschaftsbewegung wäre daher gut beraten, nicht nur eine mehr oder weniger erfolgreiche Verteidigung erreichter Rechte und Vorteile zu betreiben, sondern sich auf neue Entwicklungen einzustellen, neue Initiativen zu entwickeln, um den Boden wieder zu gewinnen, der in den letzten Jahren verloren gegangen ist.

Dass dies nicht ohne entsprechende politische Veränderungen erreicht werden kann, sollte aber auch jeder- mann klar sein, der voll Unbehagen die gegenwärtige Entwicklung beobach- tet. Was sich daraus ergibt, liegt auf der Hand. Die Gewerkschaftsbewegung darf sich nicht nach amerikanischem Vorbild auf einen Lohnautomaten reduzieren lassen. Sie muss erkennen, dass die rechts-, links-, je nach Bedarf populistische Tendenz, die es ja nicht nur in Österreich gibt, den ÖBG und die Kammern - wohlgemerkt nicht nur die für Arbeiter und Angestellte - am liebsten liquidieren würde. Die Gegenstrategie muss sowohl die Behauptung bestehender Positionen sein wie auch die organisatorische Anpassung an veränderte Wirtschaftsstrukturen und Wiedergewinnung des umfassenden Einflusses in der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik. Dass dies auf gesamteuropäischer Ebene eine gewaltige Aufgabe ist, bleibt unumstritten.

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Heinz Kienzl (ehemaliger Volkswirtschaftlicher Referent des ÖGB und ehemaliger Generaldirektor der Österreichischen Nationalbank. Derzeit Vizepräsident der Gesellschaft für Europapolitik) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227794 Die vergeudete Republik Die Vergeudung der Schätze dieses Landes hört leider nicht beim wirtschaftlichen Vermögen auf. Sie erfasst alle Bereiche der Republik. Auch das politische, soziale und kulturelle Kapital Österreichs und der 2. Republik wird in großem Stil vergeudet.

Zu den wertvollsten Bestandteilen des politischen Kapitals der 2. Republik gehörten unter anderem: die Gesprächsfähigkeit zwischen den wichtigen politischen und gesellschaftlichen Gruppen, die friedliche Konfliktregelung, der Konsens über die Grundlinien der Außen- und Sicherheitspolitik, die Zustimmung zu den tragenden Artikeln des Staatsvertrages, das Bemühen um gute Beziehungen zu den Nachbarn, die Einhaltung internationaler Verträge (wie des eigenen Staatsvertrags), die Autorität der Verfassung und ihrer Organe. Dieses Kapital ist in den letzten Jahren in wesentlichen Punkten, wirtschaftlich gesprochen, »abgeschrieben« worden. Von dem derzeitigen politischen Regime wird diese Entwertung noch beschleunigt, z. B. wenn ein Landeshauptmann und Mitglied des Koalitionsausschusses die Präsidenten einstmals befreundeter Staaten beleidigt oder EU-Beitrittskandidaten mit einem Veto droht.

Ähnliches gilt für das gesellschaftliche Kapital. Zu diesem zählt vor allem die Sozialpartnerschaft. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird sie von ihren Kritikern als »undemokratisch«, ja »austrofaschistisch« gebrandmarkt. Sie werden von Jörg Haider übertroffen, der Unzulänglichkeiten in wichtigen Nebensachen (den »Privilegien«) zum Anlass nimmt, um die Abschaffung der Sozialpartnerschaft zu fordern. Er trifft sich dabei mit neoliberalen Ideologen, die sie - wie alle anderen Stützen der 2. Republik - ohne Begründung als überholt bezeichnen. Der bisher erfolglose Versuch, den Gewerkschafter Sallmutter auszubooten, ist ein wichtiger Teil dieses Kampfes. Übersehen wird dabei, dass Länder wie Finnland oder Holland ihre viel beachteten Erfolge durch konstruktive, selbstinteressierte Zusammenarbeit von Kapital, Arbeit, Wissenschaft und Staat erreicht haben. Kooperation ist auch in der globalisierten Wirtschaft ein Wettbewerbsvorteil.

Wie steht es schließlich um Österreichs kulturelles Kapital? Es wird ebenfalls vergeudet, vor allem in Form der Auslöschung der historischen Erfahrung, die aus dem Ende der Monarchie wie der 1. Republik, aus der Enge des autoritären Ständestaates, dem Untergang Österreichs durch die NS-Herrschaft und, nicht zuletzt, die Erfolgsgeschichte der 2. Republik gewonnen wurde. Solches Kapital lebt von Erinnern, das möglichst viele gute und schlechte Erfahrungen, und nicht ausgewählte Perioden der Geschichte, umfassen darf.

Ein Teil seines kulturellen Kapitals, mit dem Österreich schon immer Schindluder getrieben hat, sind seine vielfältigen Herkünfte: aus Tschechien, Polen, der Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien, Italien und Deutschland - um nur die wichtigsten unserer Herkunftsländer zu nennen - stammen viele unserer Vorfahren. Dabei brachten sie vieles mit, was uns selbst ausmacht. Leider haben wir vieles davon verschleudert - meine Großeltern sprachen noch fließend tschechisch und deutsch - meine Generation nur noch deutsch und »westliche« Sprachen. Von Österreich wird viel zu wenig getan, um dieses kulturelle Kapital zu pflegen. In den letzten Jahren wurde aus der entfernten Verwandtschaft eine wachsende Entfremdung, die in eine Abschottung auszuarten droht.

Damit sind wir bei einer Schlüsselfrage der Republik angelangt. Was, so ist zu fragen, sind die Folgen der Vergeudung wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kapitals? Wer verfügt über das österreichischen Händen entglittene Vermögen? Wer bestimmt darüber, was und wie zu erneuern ist?

Politisch verfügt Österreich, wie die meisten Länder, nicht mehr über sich selbst. Kein Staat kann das heute ungehindert und unbeschadet tun. Dennoch kann auch heute noch ein »kleineres« Land Einfluss nehmen, wenn es Ansehen genießt und sich an die gegebenen Spielregeln hält. Österreich hat in EU, Europarat, OECD, OSZE, UNO usw. Sitz und Stimme. Vor 20 Jahren wurde ihm noch, wenn es etwas zu sagen hatte, zugehört, heute kaum noch. Welche Folgen treten ein, wenn einmal das soziale Kapital dahin ist? Die Leistungskraft des Landes wird geringer, wenn seine politischen und gesellschaftlichen Kräfte sich nicht mehr auf gemeinsame Aufgaben einstimmen können. Wie macht sich der Verlust an kulturellem Kapital bemerkbar? Der Schaden, der aus dem Vergessen der historischen Erfahrung folgt, den kann man am täglichen politischen Hickhack beobachten.

Der Zustand, in dem sich die Republik befindet, ist alles andere als gut: sie ist im Innern zerstritten, mit den Nachbarn entfreundet und wird in der Welt nicht mehr geschätzt. Trotzdem geht es den Menschen in Österreich noch recht gut. Wenn freilich die öffentlichen Angelegenheiten weiterhin so liederlich besorgt werden wie zurzeit, dann werden es immer mehr Bürger bald ordentlich zu spüren bekommen. Das lässt für die zukünftige Vertretung der Arbeitnehmerinteressen härtere Zeiten erwarten. Unternehmer hören bald auf »sozial« zu sein, wenn ihr eigenes Vermögen durch den »Markt« angeknabbert wird. Da halten sich dann »gute Onkels«, wie Frank Stronach, gerne an die Einkommen und sozialen Errungenschaften ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das sollte man zeitgerecht bedenken und sich bei den Gewerkschaften versichern.

Welche Empfehlung lässt sich aus einer solchen Vermögensbilanz insgesamt ziehen? Man muss Kapital, das abgeschrieben wird, ersetzen und erneuern. Zuerst aus eigenem Vermögen. Unterbleibt dies aber, so wird der fruchtbare Soziotop, der sich auf dem Territorium des gegenwärtigen Österreich befindet, von anderen bewirtschaftet. Und das ist, entgegen einer modischen Ideologie von der »Unternehmung Österreich«, die anscheinend allen gehören soll nur nicht Österreich, auch im Zeitalter der Globalisierung nicht ganz egal. Die Republik Österreich wieder flottzukriegen, was ja nichts anderes heißt als sein politisches, soziales und kulturelles Kapital wieder herzustellen und erneut zu mehren, wird nicht leicht sein. Im Land stecken aber noch immer viele ungenutzte menschliche Energien und Talente. Diese für die Republik zu mobilisieren, das wäre eine nationale Aufgabe.

Wer mehr darüber erfahren will, den verweise ich auf mein Buch Die vergeudete Republik. Wie sie wiederbegründet werden könnte (Edition va bene, Wien 2001, 260 Seiten, 328 Schilling). http://members.aon.at/egonmatzner

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Egon Matzner (Forschungsprofessor am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt, Visiting Fellow am Centre for European Studies in Szombathely/Steinamanger, Ungarn und am Institute for European Studies der University of British Columbia in Vancouver, Kanada) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227772 Kommentar | Sozialstaat light? Seit Monaten wird die Debatte um das Gesundheitswesen, um die Selbstverwaltung, um die Sozialpartnerschaft und die Befindlichkeiten der blauschwarzen Koalition auf diese eine Frage hin fokussiert bzw. personalisiert.

Immerhin hat Sallmutter bewiesen, dass Standhaftigkeit nicht nur mit Widerstand zu tun hat, sondern auch durch ein Höchstgericht legitimiert ist: speed kills, aber nicht den Sallmutter!

Wochenlang wurde auf Sozialpartnerebene und unter wohlwollender Beobachtung von Blauschwarz über die Strukturfragen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger diskutiert. Soll es ein Aufsichtsratsmodell geben, ein schlagkräftiges oder ein rotierendes Präsidium, mit Nominierungsrecht der Sozialpartner oder mit Vetorecht des Sozialministers? Soll es eine paritätische Besetzung der Spitzenfunktionen durch die Sozialpartner geben oder eine, bei der die alte Kräfteverteilung widergespiegelt wird? Über Sallmutter, über Selbstverwaltung oder gar über die im Koalitionsabkommen festgeschriebenen Ziele wurde dem Vernehmen nach vornehm geschwiegen.

Zuckerbrot und Peitsche

Während sich die Sozialpartner in taktischen Machtvarianten am Trockeneis übten und fleißig Pirouetten drehten, wurden die Kettenhunde losgelassen. Kaum ein ÖVP-ÖAAB-Funktionär, der nicht in sein Bekenntnis zu Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft neu auch eine Fluchformel für Sallmutter eingebaut hat (die wenigen Ausnahmen sind an einer Hand abzuzählen).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht endgültig abschätzen, ob der Machtpoker von Blauschwarz aufgehen und der Putsch von oben umgesetzt wird.

Es ist allerdings sehr leicht, in einem Spiel, wo sich die eine Seite auf Ausgleich und Kompromiss orientiert, die andere auf Gewinn, den Sieger vorherzusagen.

Mit dem Ministerialentwurf liegen die Karten auf dem Tisch. Das, was Blauschwarz wegen der Ergebnisse der Arbeiterkammer-wahlen nicht gelang, die Ersetzung des rotschwarzen Proporzes in der Sozialversicherung durch eine schwarzblaue Mehrheit, soll nun definitiv werden. Zwölf Mitglieder soll der Verwaltungsrat des Hauptverbandes zukünftig umfassen, je sechs von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Mit der nicht unwesentlichen Einschränkung, dass die drei (!) stimmstärksten Fraktionen jedenfalls vertreten sein müssen. Aus dem sozialpartnerschaftlichen Proporz wird so eine blauschwarze Mehrheit.

Präsident und Vizepräsident sollen jährlich rotieren. Zum Zwecke der Erprobung neuer Talente, heißt es sinngemäß in den Erläuterungen. Das Präsidium des Hauptverbandes der Sozialversicherung:

Lachnummer oder Talentschmiede?

Für die Variante Talentschmiede spricht, dass kein bisheriges Mitglied eines Verwaltungskörpers des Hauptverbandes diese Funktion ausüben darf. Ute Fabel for president?

Wenn's nicht funktioniert, darf's wer anderer probieren. Kann ja nicht viel passieren! Denn immerhin soll der Sozialminister ein Vetorecht gegen fast alle Beschlüsse erhalten - mit der Ausnahme finanziell wirksamer Beschlüsse. Da darf der Finanzminister ein Veto einlegen. Soweit zu den blauschwarzen Vorstellungen über Selbstverwaltung. Das ist nicht einmal mehr zum Lachen.

Sallmutter kann nach den Vorstellungen des Ministerialentwurfs nicht einmal mehr Portier im Hauptverband werden. Mit zahlreichen Unvereinbarkeitsklauseln soll dem verhassten Präsidenten endgültig der Garaus gemacht werden.

Sallmutter weg - und was dann?

Die Probleme der Sozialversicherung sind durch den blauschwarzen Putsch ebenso wenig gelöst wie die der Selbstverwaltung und der Sozialpartnerschaft. Die Arbeitnehmerseite hat es verabsäumt, diese Fragen grundsätzlich anzugehen.

  • Welche Perspektive hat eine Selbstverwaltung, die sich auf die - je nach Versicherungsträger - proportionale Vertretung von Versicherteninteressen reduzieren lässt?
  • Welchen Sinn macht eine Selbstverwaltung, die sich immer mehr auf die Verwaltung von Defiziten, von gesetzlichen Vorgaben reduziert, ohne Gestaltungsfreiheit bzw. Beitragshoheit zu erhalten?
  • Warum wurde in den letzten Monaten nicht deutlich angesprochen, dass die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen einerseits mit den bewusst unzureichenden Sanierungsmaßnahmen des blauschwarzen Gesetzgebers und andererseits mit den steigenden Gesundheitskosten und -erwartungen der Bevölkerung zu tun haben?

Die Probleme der Sozialversicherungen sind nicht primär in ihrer Struktur und schon gar nicht in den Personen, die ihn präsidieren, zu suchen. Die Probleme sind politisch verursacht: durch eine Regierung, die - schlag nach im Koalitionsübereinkommen - den Sozialstaat reduzieren will.

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Karl Öllinger (Sozialsprecher der Grünen im Parlament) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227765 Die Zeche zahlen wir! Dazu die Preisfrage: Welchem öffentlichen Mobbing welcher Person hat Österreich jetzt über ein halbes Jahr lang zugesehen? Wenn sein Name gefallen ist, war die stereotype Antwort zum Beispiel unsrer Frau Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer:

»Der gehört weg!«

Nun ist schon klar, wenn's um den Hauptverband der Sozialversicherungsträger geht, wird zum Beispiel der Kommentator auf der gegenüberliegenden Seite nicht den »Ing.-Peter-Westenthaler-Preis-für-politische-Correctness« bekommen. Das Vorgehen der derzeitigen Bundesregierung hat aber zu einer beispiellosen Polarisierung geführt.

Keiner vornehm-damenhaften Zurückhaltung befleißt sich zum Beispiel Frau Maria Rauch-Kallat, ÖVP-Generalsekretärin. Wir zitieren den O-Ton: »AK-Präsident Herbert Tumpel sollte endlich seine plumpe und unverantwortliche Angstmacherei ohne jeden realen Hintergrund aufgeben und zu einer echten und konstruktiven Vertretung von Arbeitnehmerinteressen übergehen.«

Während Frau Rauch-Kallat so vehement als Lektorin für Arbeitnehmerinteressen auftritt, erklärt ihr Parteikollege und AK-Vizepräsident Alfred Dirnberger (ÖAAB-FCG) unter dem Titel

»In Geiselhaft der Königskobra«:

»VP-Bundesobmann Schüssel ist durch seine Koalition mit der FPÖ nunmehr in Geiselhaft der FP-Obfrau und muss derartigen Verrat an den Arbeitnehmern mitmachen. Das ist inakzeptabel, genauso wie insbesondere die Zustimmung der ÖAAB-Abgeordneten im Sozialausschuss inakzeptabel ist. Offenbar ist es der ÖAAB-Spitze nicht bewusst, dass sie den offenen Bruch provoziert und einleitet.«

Wenn VP-Generalin Rauch-Kallat die rhetorische Frage stellt: »Vielleicht kann mir Herbert Tumpel erklären, warum die Leistungen unseres Gesundheitssystems gefährdet sein sollen?«, so sollte sie sich vielleicht lieber an ihren Parteikollegen Dirnberger wenden. Der sagt deutlich, dass personelle und strukturelle Veränderungen im Hauptverband ja nur ein Anfang seien. Ein Anfang in eine eindeutige Richtung:

»Jetzt werden die Systemänderer in Richtung 3. Republik erst richtig mit Kürzungen der Leistungen für die Versicherten beginnen, wenn es keinen Widerstand mehr gibt. Nicht umsonst haben reaktionäre und autoritäre Kräfte im Regierungsprogramm die Forderung nach einem 20-prozentigen Selbstbehalt beim Arztbesuch durchgesetzt. Nichts zeigt deutlicher, in welche Richtung die Änderungen im Hauptverband gehen sollen: Einseitige Verschlechterungen für alle Versicherten!«

Sozialistenfressen?

Alfred Dirnberger sieht aber auch historische Parallelen. Er ruft die ÖAAB-Spitze daher »zu Augenmaß und Vernunft auf, um eine Spaltung der VP-Arbeitnehmerschaft, wie es sie vor genau 50 Jahren schon einmal mit der FCG-Abspaltung unter Erwin Altenburger gegeben hat, zu vermeiden. Bei aller politischer Gegnerschaft zur SPÖ kann das nicht soweit gehen, dass dadurch die Interessen der Arbeitnehmer und Versicherten geschädigt werden, wie das durch die geplante und im Sozialausschuss beschlossene Demontage der Fall sein wird. ›Sozialistenfressen‹ darf nicht Grundlage unseres Handelns als christlich-soziale Arbeitnehmerorganisation sein«, schreibt Dirnberger einigen seiner Parteifreunde ins Stammbuch.

Selbst bei den Blauen hat der Mann der FPÖ im ÖGB-Bundesvorstand, Gunther Hecht (Freiheitliche Arbeitnehmer), einer Resolution zugestimmt, in der es unter anderem heißt: »... Die geplante Zerschlagung der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger durch die Bundesregierung ist für den ÖGB nicht akzeptabel. Die Reduzierung des Einflusses auf die Geschäftsführung des Hauptverbandes ist das Ende der Selbstverwaltung der sozialen Sicherheit durch die Betroffenen. Die gesundheitspolitischen Pläne der Bundesregierung würden in letzter Konsequenz auch zu einer Zweiklassenmedizin führen. Die Pflichtversicherung soll durch die Versicherungspflicht abgelöst werden. Für die Versicherten heißt das: Auflösung des Prinzips der Solidarität; wer es sich leisten kann, gesund und jung ist, kann sich eine gute Versicherung mit günstigen monatlichen Prämien leisten. Alte, Kranke und Frauen, die das so genannte ›Risiko‹ einer Schwangerschaft haben, müssen dagegen hohe Prämien zahlen. Weil sich Hans Sallmutter mit dem Präsidium des Hauptverbandes und die Gewerkschafterinnen für das Prinzip der Solidarität und für ein erstklassiges Gesundheitswesen, das für alle gleich zugänglich ist, einsetzen, werden sie diffamiert und entfernt. Der Bundesvorstand nimmt diese Entwicklung nicht zur Kenntnis. Uns geht es um die Interessen der Versicherten, der Beitragszahler und Leistungsbezieher. Uns geht es um den Erhalt der demokratischen Selbstverwaltung.

Wir erwarten: Ein klares Bekenntnis der Wirtschaftskammer zu dem gemeinsamen Weg in der Selbstverwaltung und die Ablehnung der faulen Kompromisse. Eine Rücknahme der Regierungsvorlage zur Reform des Hauptverbandes.

Wir werden mit allen demokratischen Mitteln und Aktivitäten unsere Grundsätze verteidigen, wobei gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen nicht auszuschließen sind.

Der Bundesvorstand ruft daher zu einer Protestdemonstration auf ...«

Fehlendes Verständnis

FPÖ-Sozialsprecher Reinhart Gaugg hält das jedenfalls »für nicht gescheit« und erklärte der APA: »Mir fehlt das Verständnis!« Mehr Verständnis hat ÖVP-Mann Alfred Dirnberger: »Das ist Verrat an den Interessen der Arbeitnehmer. Schlimmer noch, die bekannt gewordenen Überlegungen, bisherige Funktionäre des Hauptverbandes in Zukunft von bestimmten Funktionen auszuschließen, beruht auf einer obrigkeitsstaatlichen Gesinnung. Personen, die sich nichts zu Schulden haben kommen lassen, von politischen Funktionen auszuschließen, ist einmalig in der 2. Republik. Das ist der Übergang zu Haiders 3. Republik.«

Man lässt uns wählen, und wenn das Wahlergebnis (der AK-Wahlen) nicht passt, wird einfach das Gesetz geändert. Wenn wir jetzt nichts tun, ist alles ganz einfach: Wir werden die Zeche zahlen! Wir werden blechen und blechen und blechen, wie wir es jetzt schon tun, und als Draufgabe lassen wir uns auch noch krumme Hunde schimpfen!

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Jul 2001 00:00:00 +0200 1197995227759 Von Haien und kleinen Fischen Die erklärte Absicht dieser Zeitschrift ist es, eben jene »Hintergrund-Informationen« zu liefern, die Ursachen klären und Zusammenhänge schaffen können. Natürlich bringen auch wir Parolen, - aber im Wesentlichen geht es um die Argumente, die hinter den Parolen stecken oder - versteckt sind.

Die besten Argumente nützen aber nichts, wenn sie nicht bei jenen ankommen, für die sie gedacht sind. Deshalb gilt es auch, Aufmerksamkeit zu erregen. Für das Titelbild haben wir deswegen die Haie gewählt, die in der New Yorker Wallstreet schwimmen und nach Beute suchen. Die Symbole für den »Casinokapitalismus« wären ja eigentlich der »Roulett-Kreisel« und die »Börse« - die haben wir dann auf Seite 10 abgebildet. Was wir damit bezwecken ist aber nur, Aufmerksamkeit zu erregen für das, was Heinz Kienzl zu sagen hat. (Um einen Einblick in die »Redaktionswerkstatt« zu geben: Ursprünglich sollte der Beitrag »Unter Geiern« heißen, aber dazu hatten wir kein passendes Bild gefunden ...) Jedenfalls wollen wir hier nochmals eindringlich bitten, genau nachzulesen, was der ehemalige Generaldirektor der Nationalbank über die Hintergründe des Geschehens an den Börsen der Welt zu sagen hat! Denn wir dürfen uns durch ein paar Randalierer in Seattle, Göteborg oder vielleicht jetzt auch in Salzburg nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen lassen ...

Wenn es um die Auswirkungen des globalen neoliberalen Systems geht, so kann man »Kapitalismus pur« in Kolumbien studieren (und in unserem Artikel) - die Zahl der ermordeten Gewerkschafter bietet den Kontrast zu den Gewinnzahlen der dort agierenden internationalen Konzerne ...

Zum Abschluss noch ein Brechtzitat - nein, nicht das von den Zähnen des Haifischs und dem Messer von Mackie, das man nicht sieht, sondern dieses:
»Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.«

Wenn Ihnen das Zitat übertrieben vorkommt, oder wenn Sie vielleicht Bankangestellter sind oder gar Bankdirektor, hier noch einmal Bertolt B. zu den oben erwähnten »Hintergründen«:
»Denn die einen sind im Dunkeln
Und die andern sind im Licht.
Und man siehet die im Lichte
Die im Dunkeln sieht man nicht.«

Im Übrigen wünschen wir allen Leserinnen trotz alledem erholsamen Urlaub!

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272106 Frauen auf dem Arbeitsmarkt | Die Frauenbeschäftigung und allgemeine Beschäftigungsstrategien im europäischen Vergleich In den 90er Jahren wurden - nach einer Phase des Glaubens an die »Selbstheilungskräfte des Marktes« - die Arbeitslosigkeit und die Beschäftigung zu zentralen politischen Themen in der EU. Während Mitte der 90er Jahre die Arbeitslosigkeit noch bei über 11 Prozent lag, so ist sie am Beginn dieses Jahrhunderts auf unter 9 Prozent gesunken. Die Beschäftigung ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen und betrug im Jahr 2000 63,5 Prozent.

Allerdings sind sowohl Arbeitslosigkeit als auch Beschäftigung zwischen den Geschlechtern sehr ungleich verteilt. So haben 72,2 Prozent der Männer, aber nur 53,5 Prozent der Frauen im erwerbsfähigen Alter einen Arbeitsplatz, Frauen sind häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen. Es bestehen nach wie vor große Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern und ein eigenständiges Erwerbseinkommen ist bei einer Kombination aus Teilzeitbeschäftigung - die häufig zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewählt wird - und niedriger Entlohnung meist nur schwer zu verwirklichen.

Zur Verbesserung der Arbeitsmarktlage hat die Europäische Union bereits beim Gipfel von Lissabon als Ziel formuliert, »die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen - einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen.«1) In diesem Zusammenhang soll die Beschäftigung bis 2010 auf 70 Prozent insgesamt und auf 60 Prozent bei den Frauen angehoben werden.

Die Anhebung der Beschäftigungsquote für Frauen, d. h. eine verstärkte Teilnahme von Frauen am Arbeitsmarkt, wird auch von der EU-Kommission immer wieder gefordert. Dabei stehen allerdings weniger emanzipatorische Überlegungen im Vordergrund, sondern primär die Tatsache, dass bei rückläufigen Geburtenraten und sinkender Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter die langfristige Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme gefährdet wäre.

Der Europäische Rat in Stockholm hat sich nun im März dieses Jahres ein weiteres, Lissabon noch verstärkendes Ziel gesetzt: Die Beschäftigungsquote der Frauen soll bis 2005 von derzeit 53,5 Prozent auf über 57 Prozent steigen, im Jahre 2010 sollen es dann mindestens 60 Prozent der Frauen sein, die einen Job haben.

Bleibt die Frage offen, ob dies so leicht möglich sein wird. Die Beschäftigungsintensität des Wachstums in der EU war schon in den 90er Jahren - insbesondere im Vergleich zu den USA - relativ gering. Ein BIP-Wachstum über 3 Prozent wäre für ein Beschäftigungswachstum von 1,2 Prozent notwendig. Mittlerweile hat sich allerdings auch in der EU-Kommission die Einsicht durchgesetzt, dass es wohl derzeit eine leichte Eintrübung am Konjunkturhimmel gibt - ein durchschnittliches jährliches 3-Prozent-Wachstum bis 2010 wird ohne entsprechende konjunkturpolitische Maßnahmen kaum erreichbar sein.

Bei den Beschäftigungsprognosen geht die Kommission davon aus, dass sich der anhaltende Anstieg der Erwerbstätigkeit von Frauen im Alter von 25 bis 54 und 55 bis 64 Jahren fortsetzt.2) Die Kommission sieht auch in der geringeren Erwerbsbeteiligung Älterer, Jugendlicher und von Frauen einen Nachteil gegenüber den USA, wo überdies die Beschäftigung im Dienstleistungssektor weit höher liegt.3)

Beschäftssituation im EU-Vergleich

In der Rezessionsphase von 1990 bis 1994 sank die Zahl der beschäftigten Männer, jene der Frauen blieb weitgehend unverändert. In der Zeit der wirtschaftlichen Erholung von 1994 bis 1999 entfielen hingegen fast zwei Drittel der neu geschaffenen Arbeitsplätze auf Frauen.4)

Die Gesamtbeschäftigung ist in jenen Ländern am höchsten, in denen auch die Frauenbeschäftigung sehr hoch ist - was der Legende von der Verdrängung von Männern durch Frauen auf dem Arbeitsmarkt sehr deutlich widerspricht.

Dies zeigt sich auch an den Unterschieden in den Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern in den einzelnen Mitgliedstaaten (siehe Grafik 1: »Beschäftigungsquoten«). Während in Ländern wie Schweden und Finnland die Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern nur um zirka 5 Prozentpunkte voneinander abweichen, sind Spanien und Großbritannien mit zirka 30 Prozentpunkten Differenz Spitzenreiter. EU-weit liegt diese Differenz durchschnittlich bei 19 Prozentpunkten.

Beschäftigungssituation von Frauen mit Kindern

Große Unterschiede gibt es bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern. Die Tatsache, dass Kinder in einem Haushalt vorhanden sind, hat gegenteilige Auswirkungen auf Frauen und Männer. Während die Erwerbsbeteiligung von Männern steigt, sinkt jene der Frauen. 1997 hatten 90,8 Prozent der Männer zwischen 20 und 50 Jahren mit Kindern einen Arbeitsplatz, während der Vergleichswert bei Männern ohne Kinder bei 85,3 Prozent liegt. Bei Frauen ist es genau umgekehrt: Im Durchschnitt waren 1998 in den 10 EU-Mitgliedstaaten, für die Daten verfügbar waren, 71,6 Prozent der 20- bis 50-jährigen Frauen ohne Kinder erwerbstätig. Hingegen waren nur 51,6 Prozent der Frauen mit Kindern unter 6 Jahren beschäftigt.

Seit über 20 Jahren sind die Geburtenraten überall in Europa rückläufig. In Dänemark, Luxemburg, den Niederlanden und Finnland ist jedoch die Zahl der Geburten nur ganz wenig gesunken. Spanien und Italien, traditionell eigentlich Länder mit kinderreichen Familien, haben hingegen heute die niedrigsten Geburtenraten! Eine Ausnahme ist Schweden, dort stieg die Rate Anfang der 90er stark an. Ein kontinuierlicher Erwerbsverlauf von Frauen findet sich vor allem in den skandinavischen Ländern, in Dänemark sowie in Frankreich. Demgegenüber sind unterbrochene Erwerbstätigkeiten - d. h. eine niedrigere Erwerbsbeteiligung zwischen 25 und 49 Jahren - vor allem für Großbritannien und Westdeutschland charakteristisch. Diese Beobachtungen legen die Vermutung nahe, dass es in Schweden, Finnland, Dänemark und Frankreich für Mütter leichter ist, Erwerbstätigkeit mit Kinderbetreuung zu kombinieren.

In Spanien, Irland, Belgien und auch in den Niederlanden hingegen steigt die Erwerbstätigkeit der Frauen bis 25 Jahre und fällt dann drastisch ab. Dies entspricht einem typischen Zweiphasen-modell im Erwerbsleben von Frauen: Bis zur Heirat oder bis zur Geburt eines Kindes sind Frauen berufstätig, um dann ganz aus dem Erwerbsleben auszusteigen.

In der momentanen politischen Diskussion werden meist eine hohe Geburtenrate und die Erwerbstätigkeit von Frauen als einander ausschließende Faktoren betrachtet. Dass dies nicht so sein muss bzw. in Ländern wie Schweden oder Finnland vielmehr das Gegenteil der Fall ist (siehe Grafik 2: »Geburtenraten im EU-Vergleich«), zeigt, dass Alternativen sehr wohl möglich und realisierbar sind. Für die Erwerbstätigkeit von Frauen sind Karenzierungsmöglichkeiten wichtig, entscheidender aber ist das Vorhandensein von Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Ein europäisches Phänomen: Anstieg der Teilzeitbeschäftigung

Während die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze in der Europäischen Union seit 1992 abnimmt, steigt die Zahl der Teilzeitarbeitsplätze kontinuierlich an: 1985 waren noch 10,8 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit tätig, 1999 bereits 17,7 Prozent.5) Teilzeitarbeit ist eindeutig frauendominiert: EU-weit arbeiten 1999 33,5 Prozent aller beschäftigten Frauen und nur 6,1 Prozent aller Männer auf Teilzeitbasis.

Teilzeitarbeit hat sicherlich stark zur Integration von Frauen in das Erwerbsleben beigetragen, insbesondere von Müttern im Alter zwischen 20 und 49 Jahren. Allerdings war dies in Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien von stärkerer Bedeutung als z. B. in Portugal, Finnland oder auch Österreich. Diese Länder haben eine im EU-Vergleich höhere Beschäftigungsquote von Frauen, aber eine niedrigere Teilzeitquote als andere Mitgliedstaaten.

Teilzeitarbeit ist jedoch kein einheitliches Konzept: Die europäischen Mitgliedstaaten unterscheiden sich stark hinsichtlich der Formen und Konditionen von Teilzeitarbeit. Es sind allerdings jene von der Vollzeitarbeit abweichenden Bedingungen, die für Teilzeitbeschäftigte problematisch sein können. Dazu gehören oft geringere Sozialleistungen, weniger Karriere- und Qualifikationsmöglichkeiten sowie schlechtere Entlohnung. Während in den skandinavischen Ländern und in den Niederlanden, wo Teilzeitarbeit zu einer normalen Arbeitsform geworden ist und der Arbeitsmarkt stärkeren Regulierungen unterliegt, die Nachteile weniger schlimm ausfallen, werden Teilzeitbeschäftigte in Großbritannien häufiger geringer entlohnt und sozialrechtlich schlechter gestellt als Vollzeitbeschäftigte. Wesentlich für die Beurteilung ist, ob Teilzeitarbeit wirklich den Bedürfnissen von Frauen entspricht bzw. ob sich Frauen freiwillig für diese Arbeitsform entscheiden.

Arbeitslosigkeit

Ähnlich groß wie bei der Beschäftigung sind auch die Unterschiede der Arbeitslosigkeit zwischen Frauen und Männern. Die Arbeitslosigkeit von Frauen in der EU lag im Verlauf der letzten 5 Jahre kontinuierlich zirka drei Prozentpunkte über jener der Männer. Allerdings ist dabei zu bedenken, dass die Arbeitslosigkeit von Frauen aus institutionellen und gesellschaftlichen Gründen systematisch unterschätzt wird: So deklarieren sich Frauen meist nicht als arbeitslos, wenn sie die Verantwortung für die Versorgung eines Haushalts tragen. Auf der anderen Seite sind es die Befragungsmethoden6): Jemand gilt nur dann als arbeitslos, wenn eine sofortige Einsatzbereitschaft der Arbeitskraft vorliegt. Damit fallen Frauen mit Betreuungspflichten aus der Definition.

Die europäische Beschäftigungsstrategie

Welche Maßnahmen setzt nun die EU, um den Problemen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen?

Neben EU-weiten rechtlichen Regelungen stellt Chancengleichheit von Frauen und Männern einen der vier Schwerpunkte in der so genannten »europäischen Beschäftigungsstrategie« dar. Dabei sind es insbesondere folgende drei Strategien, die von den Mitgliedstaaten verfolgt werden sollen:

1. Gender-Mainstreaming in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik

2. Abbau der geschlechtsspezifischen Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt (Arbeitslosigkeit, Erwerbsquoten, Einkommensunterschiede)

3. Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Damit wird eigentlich alles angesprochen, was gut und wichtig wäre. Die Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erfolgt meist nach dem Prinzip, dass jene Maßnahmen, die ohnehin schon geplant waren, nun besonders deutlich hervorgehoben werden.

Damit sind die europäischen Ideen zur Herstellung von Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zwar ein guter Anfang, allerdings noch längst nicht ausreichend. So gibt es rein formal gesehen in der europäischen Beschäftigungsstrategie viel zu wenig Verbindlichkeit, d. h. keine Sanktionen bei Nichtumsetzung der Leitlinien. Darüber hinaus fehlt es zur Erreichung dieser ambitionierten Ziele an einem wirklich beschäftigungspolitischen Ansatz, der vor allem auch einmal wieder die Nachfrageseite berücksichtigt und Arbeitslosigkeit nicht auf ein reines Strukturproblem reduziert. So sollte zum einen das Entstehen neuer Arbeitsplätze intensiver gefördert werden (wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen, Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung), zum anderen geht es darum, die Qualität der Arbeitsplätze stärker in den Vordergrund zu rücken.

Der aktuelle Trend in der Wirtschaftspolitik geht jedoch eher in Richtung restriktive Budgetpolitik und Flexibilisierung der Arbeitsmärkte (Förderung der Teilzeitarbeit) - eine Entwicklung, die Frauen stärker trifft als Männer. Auch das Einsparen bei Infrastrukturinvestitionen wirkt sich besonders auf Frauen aus: So hat z.B. das Fehlen einer adäquaten, staatlich subventionierten Kinderbetreuung einen erheblichen Einfluss auf die Beschäftigungssituation von Frauen.

Wenngleich die Gipfeltreffen der EU - wie zuletzt in Stockholm und vorher in Lissabon - die Forderung nach einer erhöhten Frauenbeschäftigung betonen, so steht dies trotzdem leider nicht im Zentrum der realpolitischen Tagesordnung.

1) Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat von Lissabon, 23. und 24. März 2000. http://ue.eu.int/en/Info/eurocouncil/index.htm

2) Europäische Kommission: Beschäftigungsquotenszenarios für das Jahr 2010 - Überblick, Ad hoc/008/De, Brüssel 2000.

3) Europäische Kommission, Employment in Europe 2000, S. 45.

4) Employment in Europe 2000, S. 29.

5) Employment in Europe 2000, S. 29

6) Gemäß der EU-Arbeitskräfteerhebung (AKE, Labour Force Survey) des EUROSTAT, die auf den Empfehlungen der ILO beruht, sind Arbeitslose als Personen definiert, die
* während der letzten Woche ohne Arbeit waren,
* innerhalb von zwei Wochen zur Arbeitsaufnahme zur Verfügung stehen und
* innerhalb der letzten vier Wochen aktiv eine Arbeit gesucht haben.
Demgegenüber sind Erwerbstätige - auf Basis des so genannten »Labour-Force-Konzepts«, das auch geringfügige Beschäftigung einschließt - Personen, die während der letzten Woche mindestens eine Stunde gearbeitet oder im Familienbetrieb mitgearbeitet haben oder - falls sie nicht gearbeitet haben - nur vorübergehend vom Arbeitsplatz abwesend waren.

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Silvia Angelo und Barbara Lavaud http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351272088 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351272093 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272076 WIRTSCHAFT KURZ Libyen:
OMV findet noch mehr Öl

Ein Konsortium großer Ölfirmen, an dem die OMV 24 Prozent hält, hat bei seiner dritten Bohrung im libyschen Murzuk-Becken einen großen Ölfund gemacht.
Damit wird sich der Anteil des von der OMV geförderten Öls, das aus Libyen stammt, von 39 Prozent im Vorjahr noch weiter erhöhen. Gut sind auch die Chancen für die OMV in Australien nach der Übernahme der Firma Cultus.

China I:
Swarovski verkabelt Kaiserpalast

Trotz starker internationaler Konkurrenz erhielt der Tiroler Swarovski-Konzern den Auftrag, die Beleuchtung der Säle in der Verbotenen Stadt in Peking zu installieren. Die technisch schwierige Aufgabe, in den hölzernen Pavillons des Kaiserpalastes sicher und beschädigungsfrei Kabel zu verlegen, gelingt nur durch die spezielle Glasfasertechnik von Swarovski.

China II:
List und AT&S bauen in Shanghai

Da viele Autofirmen bereits in China produzieren, wird auch der österreichische Zulieferer, die Grazer Hochtechnikfirma AVL List, in Shanghai ein Technikzentrum errichten. Um 145 Millionen Schilling baut ebenso AT&S ein Leiterplattenwerk in Shanghai, das die moderne HDI-Microvia-Technologie einsetzen soll.
Sie wird vor allem bei besonders kleinen Handys verwendet, die von europäischen Firmen bereits jetzt im aufstrebenden Markt der Volksrepublik erzeugt werden. Jeden Monat kommen in China 2,6 Millionen neue Handynutzer dazu, der Markt steht aber erst am Anfang.

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Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272068 Liberalisierung: Der Griff nach dem Wasser Jacques Michel ist seit über zehn Jahren in Pension, über Langeweile oder über Arbeitsmangel kann sich der rüstige 70-Jährige aber trotzdem nicht beklagen. Das liegt an seiner zweiten beruflichen Laufbahn, die er nach seiner Pensionierung im Jahr 1990 eingeschlagen hat. Er betreibt nämlich eine Beratungsstelle für kommunale Wasserrechnungen in Paris. Zu seinen Kunden zählen Bürgermeister und Verbraucherverbände aus ganz Frankreich. In vielen Fällen ist der mitunter lange Weg der Gemeindechefs durchaus lohnend, denn Michel hat ihnen schon viel Geld erspart oder zurückerstritten. Der Grund: Viele Gemeinden zahlen zu hohe Rechnungen für ihr Wasser, sie wurden von den großen privaten Versorgungsbetrieben mitunter jahrelang über den Tisch gezogen. Das Know-how für diesen Job hat sich Michel in 30-jähriger Tätigkeit als Ingenieur beim weltweit zweitgrößten Wasserversorger »Suez-Lyonnaise des Eaux« erworben. Sein ehemaliger Arbeitgeber gehört neben Vivendi, dem größten Wasserversorger der Welt, auch zu seinen erbittertsten Gegnern. Schadenersatzklagen, gewaltsamen Einschüchterungen und Bestechungsversuchen sah sich der penible Rechner Michel bereits ausgesetzt. Die Konzerne reagieren auf Michel äußerst nervös. Es geht immerhin um viel Geld und um ihren Ruf. In der Stadt Avoriaz musste die Lyonnaise des Eaux beispielsweise ihre Tarife um 37 Prozent senken, nachdem Michel den Vertrag genau unter die Lupe genommen hatte. Der Gemeindebund der Côte Vermeille schrieb die Wasserversorgung sogar neu aus. Der bisherige Betreiber, Vivendi, bewarb sich auch wieder. Ihr neues Angebot liegt nun bemerkenswert nahe an dem Preis, den Michel als angemessen berechnet hatte - um 39 Prozent niedriger als zuvor.

Ein weit verbreiteter Irrtum

Jacques Michel spricht inzwischen nicht mehr gerne mit Journalisten, er will seine Arbeit in Ruhe fortsetzen. Ihm ist es aber gelungen, einen weit verbreiteten Irrtum richtig zu stellen - nämlich dass Private immer kostengünstiger und effektiver wirtschaften als öffentliche Betriebe und dass durch die Privatisierung mehr Wettbewerb entsteht. Alle drei Faktoren treffen bei der französischen Wasserversorgung, die immerhin zu 75 Prozent in privaten Händen ist, nicht zu.

Auch der französische Rechnungshof musste diese Tatsache feststellen. In seinem Bericht aus dem Jahr 1997 stellte er einen fehlenden Wettbewerb in der Wasserversorgung fest. Die Besonderheiten in der Technik werden dabei als Hindernis für einen freien Wettbewerb angesehen. Aus diesem Grund sind die öffentlichen Monopole von privaten Monopolen abgelöst worden. Der Rechnungshof stellte zudem fest, dass es nach der Privatisierung häufig zu Preissteigerungen gekommen war.

Wiederum ist das Fehlen eines echten Wettbewerbs der Grund für diese höheren Preise, genauso wie die mangelhafte Kontrolle von Seiten der Kommunen. Die Verträge zwischen den Gemeinden und den privaten Versorgungsunternehmen werden häufig unter Ausschaltung des freien Wettbewerbs auf Jahrzehnte verlängert, wenn das Unternehmen auf Antrag der Kommune bestimmte Investitionen durchführt. Die Kontrolle der Versorger gestaltete sich in vielen Fällen sehr schwierig, da sie nur lückenhafte oder gar keine Tätigkeitsberichte an die Kommunen lieferten. Die Prüfer des Rechnungshofes stellten fest, dass die Zahlen, die in den Jahresberichten enthalten sind, nicht ausreichen oder zu ungenau sind. Die französischen Kommunen tragen aber auch ihren Anteil zu den undurchsichtigen Verhältnissen bei. Sie nehmen ihre Kontrollpflicht nicht ernst genug. Das wiederum erlaubt es den privaten Betreibern, »ungerechtfertigte finanzielle Gewinne« zu erzielen, bemängelt der Rechnungshof.

Ein guter Rat

Die österreichische Regierung wäre gut beraten, sich die Praxis in der französischen Wasserversorgung genau anzusehen. Sie würde dann möglicherweise von ihrem Vorhaben, die Wasserver- und -entsorgung in Österreich privatisieren zu wollen, wieder Abstand nehmen. Derzeit wird in der ÖVP-FPÖ-Koalition heftig darüber nachgedacht, wie man die Wasserversorgung aus der öffentlichen Verwaltung herausnehmen könnte. Es wurde bereits eine Studie von »Price WaterHouse - Cooper« erstellt, die seit vergangenem Jahr fix und fertig in der Schublade von Landwirtschaftsminister Molterer liegt. Die Studienautoren empfehlen den Einstieg in die Privatisierung. Die Begründung: die zu hohe Zahl von Wasserversorgern und eine angenommene höhere Effizienz privater Betriebe.

Die Regierung ist diesen Argumenten der Studie durchaus aufgeschlossen. Nicht nur im Landwirtschaftsministerium wird über diese Studie diskutiert, auch der freiheitliche Wirtschaftsmagnat Thomas Prinzhorn ortet auf Gemeindeebene ein Privatisierungspotential von über 70 Milliarden Schilling. Die Wasserver- und -entsorgung ist dabei ein wichtiger Punkt in seinem Programm. Die von der Regierung eingesetzte Kommission zur Aufgabenreform kam im April ebenfalls zu dem Schluss, dass eine Privatisierung der Wasserversorgung vorteilhaft wäre. Die Kommission schlug vor, die Kommunen zu zwingen, zumindest den Abwasserbereich Privaten zu überlassen. Nicht zuletzt macht die Industriellenvereinigung Druck. Ihr Generalsekretär Lorenz Fritz hat die Studie von Price WaterHouse - Cooper bereits wohlwollend begrüßt. Fritz verhehlte dabei gar nicht, dass die Industrie gewillt ist, sich ein großes Stück des Kuchens herauszuschneiden. Immerhin werden hierzulande 11 Milliarden Schilling bei der Wasserversorgung umgesetzt, bei der Entsorgung sind es sogar 32 Milliarden Schilling.

Der Bürgermeister

Doch so weit ist man derzeit noch nicht. Die ÖVP ist letztlich eine Partei der Bürgermeister. Und der Wille, sich aus der Wasserversorgung zurückzuziehen, ist bei vielen Gemeindechefs noch nicht sehr ausgeprägt. Da die Wasserversorgung wie in den meisten anderen Staaten von den Kommunen selbst erledigt wird, kann ohne die Zustimmung der Bürgermeister auch nicht verkauft werden.

Einer, der ganz bestimmt nicht aus der kommunalen Wasserversorgung aussteigen will, ist der Bürgermeister der kleinen oberösterreichischen Gemeinde Schwertberg, Kurt Gaßner. Er kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie Private die Ver- und Entsorgung billiger oder besser gestalten wollen als die Gemeinde selbst. Schwertberg ist Mitglied des Verbands »Mühlviertler Fernwasser«, der insgesamt 30 Gemeinden versorgt.

Die Behauptung, dass es unzählige zu kleine Versorger gibt, ist nach Gaßners Ansicht nicht richtig. Zwar gibt es tatsächlich 4000 Versorger in Österreich, doch sind diese zumeist in den rund 200 größeren Verbänden zusammengefasst. »Die öffentliche Grundversorgung muss in öffentlicher Hand bleiben. Wir haben immerhin eine Verantwortung gegenüber unseren Bürgern«, unterstreicht der Schwertberger Ortschef. Seiner Meinung nach sind viele Bürgermeister dieser Ansicht, auch viele von der ÖVP. Dass es private Unternehmen für die Konsumenten nicht billiger machen, davon ist Gaßner überzeugt. Dass diese Unternehmen in jedem Fall höhere Gewinne lukrieren, weil sie weniger reinvestieren, ist für den Bürgermeister auch klar. Kommunen dürfen hingegen keine Gewinne machen, dass ist laut Gebührengesetz verboten. Für Private würde diese Bestimmung nicht mehr gelten.

Die Arbeiterkammer

Diese Ansicht teilt auch Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel. Er verweist auf die Beispiele aus Großbritannien und Frankreich, wo die Konsumenten den privaten Wassermultis um nichts weniger zahlen, »aber sie zahlen für eine deutlich schlechtere Qualität als in Österreich«. Tatsächlich gibt es kaum Preisunterschiede. In Österreich muss eine Durchschnittsfamilie rund 5000 Schilling pro Jahr für Trinkwasser plus Entsorgung aufbringen, rechnet Wolfgang Lauber von der Umweltabteilung der AK Wien vor. In Großbritannien zahlen die Konsumenten 4700 Schilling und in Frankreich 5200 Schilling. Das Preisniveau ist zwar ziemlich gleich, in der Qualität hinken die Briten und Franzosen aber stark hinterher. Zwei Drittel des kostbaren Nasses kommen in England aus Oberflächengewässern, dementsprechend stark ist der Chemieeinsatz, um es überhaupt trinkbar zu machen. Ein ähnlich hoher Chemieeinsatz muss auch in Frankreich durchgeführt werden. Hinzu kommt, dass die Franzosen kaum über Kläranlagen verfügen, die Stickstoff und Phosphor entfernen können. In Österreich können dass immerhin 50 Prozent der 1250 Kläranlagen. In England sind hingegen nicht einmal zehn Prozent der Kläranlagen auf dem technischen Stand, um diese beiden Stoffe aus dem Abwasser herauszufiltern.

Weder effizienter noch billiger!

Die Reinheit des Wassers ist in Österreich insgesamt wesentlich höher als in Frankreich und England. Das Trinkwasser kommt zur Hälfte aus Quellen, zur anderen Hälfte aus Grundwasser, nicht einmal ein Prozent wird aus Oberflächenwasser bezogen. Davon abgesehen bedarf das Trinkwasser bei den meisten heimischen Wasserwerken wegen seiner Reinheit nur minimaler Aufbereitung. Auch das Leitungssystem ist in Österreich um einiges besser. Die Leitungsverluste betragen nur 9 Prozent. In Großbritannien, wo 88 Prozent der Wasserversorgung in privater Hand liegen, gehen dagegen 25 Prozent des Wassers durch schadhafte Leitungen verloren, in Frankreich sind es 20 Prozent.

Für David Hall von der Universität Greenwich erklären sich die schlechten Daten der Privatunternehmen aus deren Gewinnorientierung. Investitionen in das Leitungssystem oder in die Erschließung neuer Reservoirs aus dem Grundwasser würden viel Geld kosten. Investitionen, die letztlich die Gewinne schmälern würden. Dazu sind die Konzerne naturgemäß nicht bereit. 40 Prozent der Gebühren in England und Wales gehen ausschließlich für die Gewinne der Konzerne drauf. England ist auch das beste Beispiel dafür, dass die Wasserversorgung nach der Privatisierung weder effizienter noch billiger wird. Als 1989 die zehn großen Regionalversorger von der Regierung Thatcher privatisiert wurden, stiegen in der Folge die Preise für die Konsumenten um bis zu 50 Prozent. Die Regulierungsbehörde musste schließlich voriges Jahr in England einschreiten und die Preise senken.

Der Industrielobbyist

IV-Generalsekretär Fritz lässt sich von derartigen Beispielen aber nicht beirren. Er behauptet steif und fest, dass die Schaffung von größeren Strukturen in Österreich eine Preisersparnis um 25 Prozent bringen könnte. Da sei die zu erwartende Verbilligung durch den Wettbewerb privater Betreibergesellschaften noch gar nicht eingerechnet. Dieser Ansicht des Industrielobbyisten widerspricht nicht nur AK-Präsident Tumpel, auch der zuständige Sektionschef im Landwirtschaftsministerium, Wolfgang Stalzer, ist hier anderer Meinung.

Stalzer kann sich zwar durchaus für eine Privatisierung der kommunalen Wasserwirtschaft erwärmen, dass es zu einer Verbilligung für die Kunden kommen wird, glaubt er aber nicht. Ein freier Wettbewerb zu Gunsten der Konsumenten wird laut Stalzer ebenfalls nicht eintreten. Denn ein Recht des einzelnen Konsumenten auf freie Wahl des Wasserversorgers könne es nicht geben. Das Wasserleitungsnetz lasse sich schließlich nicht wie das Stromnetz für andere Anbieter öffnen. Die Wasserqualität würde leiden. Damit gibt Stalzer indirekt Tumpel Recht, der behauptet, dass öffentliche Monopole lediglich durch private Monopole ersetzt werden.

Seuchenhygiene

Zudem würden die Kunden sehr schnell merken, dass mit den Konzernen nicht zu spaßen ist. In England wurde jährlich bis zu 18.600 Haushalten das Trinkwasser einfach abgedreht, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. Erst im Vorjahr wurde diese Praxis aus Gründen der Seuchenhygiene verboten. »Die Briten können das Wort Privatisierung nicht mehr hören«, umreißt David Hall die öffentliche Stimmung in seinem Heimatland. Es ist daher auch kein Wunder, dass die privaten Wassergesellschaften innerhalb weniger Jahre äußerst unpopulär wurden. Sogar die Tageszeitung Daily Mail, die das ursprüngliche Privatisierungskonzept der Konservativen unterstützt hatte, bezeichnete die Geschäftspraktiken der Gesellschaften inzwischen als den »größten Raubzug der Geschichte«.

Größter Raubzug der Geschichte

In der Tat, die Geschäftszahlen sind bemerkenswert. Die Gewinne der zehn großen Gesellschaften in Großbritannien haben sich zwischen 1990 und 1998 um 147 Prozent erhöht, die Wasserpreise um 102 Prozent und die Abwasserpreise um 36 Prozent. Auch die Direktorengehälter stiegen in diesem Zeitraum real um 70 Prozent. Die Zahl der Arbeitsplätze ist in der Siedlungswasserwirtschaft hingegen drastisch gesunken - von 40.000 im Jahr 1990 auf 31.000 im Jahr 1999. Der Anstieg der Wasserpreise lag in Österreich hingegen deutlich unter dem englischen Niveau. Um 3,0 Prozent pro Jahr wurde das kostbare Nass hierzulande in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich teurer. Im weitgehend privatisierten Frankreich waren es 3,3 Prozent.

Die höheren Preise für die Kunden, so Hall, sind vor allem auf die exorbitant gestiegenen Gewinne zurückzuführen. Diese Gewinne erhöhten sich noch dadurch, dass Investitionen, die in den Privatisierungsplänen enthalten waren, nie durchgeführt wurden. Ein Parlamentskomitee kritisierte deshalb in seinem Bericht im November 2000 den sich verschlechternden Zustand beim Leitungsnetz und verwies auf die schlechten Erfahrungen bei den Eisenbahnen. Auch in diesem Bereich wandte man die Methode der mangelhaften Erneuerungsinvestitionen an, die sich bereits in etlichen Zugsunglücken mit vielen Todesopfern ausgewirkt hat.

Man kann sich anhand dieser Beispiele unschwer vorstellen, welche Folgen eine weit gehende Privatisierung auf die österreichische Wasserversorgung hätte. Derzeit sind hierzulande zirka 80 Prozent der Kosten zur Versorgung mit Trinkwasser Fixkosten, die überwiegend durch das Leitungsnetz verursacht werden. Private müssten natürlich danach trachten, diesen hohen Fixkostenanteil zu reduzieren, um Gewinne erreichen zu können. Das ist aber nur möglich, wenn man die Gebühren anhebt bzw. die Investitionen in die Infrastruktur zurücknimmt oder indem man beides durchführt.

Der AK-Experte

Für den AK-Experten Wolfgang Lauber besteht kein Zweifel daran, dass die Konzerne diesen Weg sofort einschlagen würden. Die Arbeiterkammer fordert, dass »Wasser keine reine Handelsware werden darf«. Wasser ist vielmehr ein Gemeingut, das auch wirklich jedem zur Verfügung stehen muss. Tumpel wendet sich daher gegen alle Privatisierungsexperimente in Österreich. Nicht ohne Grund wurde in praktisch allen Industrieländern Ende des 19. Jahrhunderts die Wasserversorgung unter öffentliche Verwaltung gestellt. Lauber verweist darauf, dass sogar in den USA, dem Mutterland der freien Markwirtschaft, 80 Prozent der Siedlungswasserwirtschaft in öffentlicher Hand sind. In den meisten europäischen Ländern liegt der Anteil des öffentlichen Sektors in diesem Bereich bei zumindest 90 Prozent.

Neben Frankreich und Großbritannien werden derzeit vor allem in Deutschland und Spanien größere Privatisierungsvorhaben im Wasserbereich durchgeführt. Für viele deutsche Bürgermeister ist das viele Geld zu verlockend, das sie für den Verkauf ihrer Wasserver- und -entsorgungsbetriebe bekommen. Zum Zug kommen dabei wiederum häufig die großen französischen Konzerne Vivendi und Suez-Lyonnaise.

»Rekommunalisierung« in Frankreich

In Frankreich hat man hingegen ähnlich wie in England vielerorts die Nase voll von den privaten Wassergesellschaften. So hat die neu gewählte Stadtregierung in Grenoble vergangenes Jahr beschlossen, die Wasserversorgung wieder zu rekommunalisieren, berichtet Pierre Peinot vom französischen Konsumentenschutzinstitut. Neben den hohen Preisen und der schlechten Qualität waren vor allem Korruptionsskandale, in die der frühere Bürgermeister verwickelt gewesen war, verantwortlich. Er ließ sich vom Wasserkonzern Suez-Lyonnaise Wahlkämpfe und Wohnungen bezahlen. In Frankreich laufen kommendes Jahr eine Reihe von Verträgen mit privaten Konzernen aus. Peinot weiß von vielen Kommunen, dass sie ebenfalls überlegen, es Grenoble gleichzutun und die Wasserversorgung wieder selbst zu übernehmen.

»Ist aber einmal privatisiert, ist es zumeist gar nicht einfach, die Versorgung wieder in die öffentliche Verwaltung zurückzuführen«, warnt der AK-Experte Lauber. Denn das Know-how fehlt dann den Gemeinden. Eine Rekommunalisierung wird zu einem teuren und komplizierten Unternehmen.

Ob sich die österreichische Regierung von ihrem Liberalisierungsvorhaben durch diese Beispiele abbringen lässt, ist allerdings noch fraglich. Bei der Privatisierung von ÖIAG-Unternehmen und bei der Telekom hat sie bisher auch wenig ökonomische und politische Vernunft gezeigt.

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Norbert Schnurrer http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272060 Österreicher fleißiger als Deutsche Laut einer Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) beträgt in Österreich die Jahres-Sollarbeitszeit 1728 Stunden gegenüber 1592 Stunden in Westdeutschland, das sind umgerechnet um 136 Stunden oder 17 Tage zu 8 Stunden mehr. Weniger als in Österreich wird außerdem noch in Dänemark (1680 Stunden), Belgien (1702), den Niederlanden (1712) und Ostdeutschland (1725) gearbeitet. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor, die sich auf tarifliche Daten und Schätzungen für das verarbeitende Gewerbe aus dem Jahr 1999 stützt.

12 Tage Jahresurlaub

Am längsten ist der Untersuchung zufolge mit 1904 Stunden die Jahres-Sollarbeitszeit in den USA, wohl wegen der geringen Anzahl von nur 12 Urlaubstagen. Im Vergleich zu Österreich arbeiten demnach die US-Amerikaner um 176 Stunden oder 22 Tage zu je 8 Stunden mehr im Jahr. Die Schweiz folgt der USA mit 1844 Stunden vorgesehener Jahresarbeitszeit. Griechen mit 1840 Stunden und Japaner mit 1817 Stunden haben ebenfalls eine hohe Jahresarbeitszeit.

Den höchsten tariflich vorgesehenen Jahresurlaub dürfen die Finnen - knapp gefolgt von den Italienern - konsumieren. 37,5 Tage im Jahr gewähren die Tarifpartner den Finnen und 37 Tage den Italiener zur Erholung. Österreich liegt mit 26,5 Tagen Jahresurlaub an achter Stelle. Am unteren Ende der Tabelle liegen neben den US-Amerikanern mit 12 Tagen die Japaner mit 18 und die Belgier mit 20 vorgesehenen Urlaubstagen. 21 Urlaubstage sind in Norwegen und Irland, 22 in Griechenland und Spanien möglich. In unserem größten Nachbarland Deutschland werden tariflich 30 Tage zugesichert.

Feiertage

Österreich liegt mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 38,4 Stunden im internationalen Vergleich unter 20 Ländern gleichauf mit den Niederlanden auf dem fünftbesten Platz. Kürzer gearbeitet als in Österreich wird nur noch in Westdeutschland (35,7 Stunden), Belgien und Dänemark mit (jeweils 37 Stunden) und Norwegen (37,5 Stunden).

Die höchste tarifliche Wochenarbeitszeit sollen die Beschäftigten in der Schweiz mit 40,5 Stunden leisten. In den USA, Italien, Finnland, Griechenland, Polen und Luxemburg sollen im Schnitt jeweils 40 Stunden in der Woche gearbeitet werden. In Japan sind es 39,5 Stunden, in Irland und Frankreich 39 und in Großbritannien 38,8 Stunden.

Die meisten arbeitsfreien Tage auf Grund von Feiertagen können Arbeitnehmer in Spanien und Portugal in Anspruch nehmen. 14 Feiertage gelten dort pro Jahr als arbeitsfrei. Arbeitnehmer in Japan können auf 13, jene in den USA und Belgien auf 11 Feiertage zurückgreifen. Österreich rangiert mit 9,5 Feiertagen pro Jahr an siebenter Stelle. Die wenigsten Feiertage stehen den Arbeitnehmern in Dänemark, Ostdeutschland, Finnland, Norwegen und den Niederlanden zu, nämlich nur 7 Tage.

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Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272057 Salzburg: Trotz Flaute: Optimismus Definitiv kein Rezessionsszenario in den USA sah der renommierte Präsident von Merrill Lynch International, Jacob A. Frenkel. Es gebe keinen Grund, das verlangsamte Wirtschaftswachstum als Problem zu sehen. Frenkel konnte der aktuellen Entwicklung sogar positive Seiten abgewinnen: »Das ist vielleicht das, was wir wollen.« Die hohen Wachstumsraten der vergangenen Jahre seien nicht mehr aufrechtzuerhalten gewesen. Frenkel, früherer Chef der israelischen Notenbank, erinnerte auch an die Zeiten des »irrationalen Überschwangs« an den US-Börsen, insbesondere an der Technologiebörse Nasdaq. Eindeutig gegen ein negatives Wirtschaftswachstum in den USA würden seiner Meinung nach der anhaltend hohe private Konsum, die hohe Produktivität, die Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie eine steigende Nachfrage am Immobiliensektor (Hausbau) sprechen. Das Jahr 2001 werde weltweit von einem deutlich langsameren Wachstum geprägt sein. Mit Ausnahme von Japan, wo das Bruttoinlandsprodukt (BIP) heuer um 0,5 Prozent sinken werde, werde es aber nirgends eine rückläufige Wirtschaftsentwicklung geben. Weltweit soll das BIP-Wachstum von 4,1 Prozent im Vorjahr heuer auf 1,8 Prozent zurückgehen, in den USA von 5,0 auf 1,9 Prozent, in der Eurozone von 3,4 auf 1,6 Prozent.

Der frühere tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus sah in der globalen Abschwächung eine besondere Gefahr für die Länder Mittel- und Osteuropas, die wesentlich labiler und krisenanfälliger seien als die industrialisierten Länder des Westens. Die Einführung des Euro bezeichnete Klaus als eine »sehr teure Investition«, deren Vorteile erst nach längerer Zeit sichtbar würden.

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Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351272031 Verbraucherpreisindex (VPI) 2000 | Umstellung auf einen neuen Warenkorb Im ersten Fall trifft dies besonders auf technische Geräte zu. Kein Mensch würde heute einen PC aus dem Jahre 1996 mit den damals gängigen Kapazitäten zu dem für 1996 üblichen Marktpreis kaufen; andrerseits waren 1996 etwa Handys noch sehr wenig verbreitet. An diesen beiden Beispielen kann man schon erkennen, dass der Warenkorb - der die Grundlage der Inflationsberechnung (Verbraucherpreisindexberechnung) darstellt - von Zeit zu Zeit den geänderten Konsumgewohnheiten angepasst werden muss, um daraus repräsentative Inflationsraten ableiten zu können und die tatsächliche Geldentwertung aufgrund eines stark veralteten Warenkorbes nicht zu über- bzw. unterschätzen. Seit Beginn des Jahres 2001 gibt es Inflationsraten auf Basis des neuen Warenkorbes.

Der Warenkorb

Ein Grundprinzip der Preisveränderungsmessung ist das Konstanthalten der Warenkorbzusammensetzung. Nur dieses Konstanthalten ermöglicht einen so genannten reinen Preisvergleich. Um Preisveränderungen verschiedener Güter und Dienstleistungen feststellen zu können, muss man eine Vergleichbasis schaffen. Diese Vergleichsbasis war bis vor kurzem das Jahr 1996 mit dem für dieses Jahr festgelegten Warenkorb. Man spricht auch vom Basisjahr 1996 = 100, das heißt, dass alle indexrelevanten Güterpreise gleich 100 gesetzt werden. In der Folge bedeutet dann ein Indexwert von zum Beispiel 103,5 eine Steigerung des Preisniveaus gegenüber der Basisperiode um 3,5 Prozent.

Um einen Warenkorb für die durchschnittliche Österreicherin und den durchschnittlichen Österreicher zusammenstellen zu können, muss man etwas über deren Konsumverhalten in Erfahrung bringen. Dies geschah für den neuen Index im Rahmen der Konsumerhebung 1999/2000, wobei ausgewählte Haushalte - im Falle des Warenkorbes für die Indexbasis 2000 waren es 7098 - ein so genanntes Haushaltsbuch mit detaillierten Aufzeichnungen über die monatlichen Konsumgüterausgaben zu führen hatten. Aus diesen Ausgaben-Aufzeichnungen kann mit Hilfe statistischer Methoden eine durchschnittliche Verbrauchsstruktur errechnet werden; sie repräsentiert dann das Konsumverhalten einer Durchschnittsösterreicherin oder eines Durchschnittsösterreichers. Die Um- stellung bzw. Revision des Warenkorbes erfolgt nunmehr alle 5 Jahre (früher alle 10 Jahre).

Die Positionen des Warenkorbes

Der Warenkorb für den VPI 2000 umfasst insgesamt 812 Positionen (das sind 102 Positionen mehr als der Warenkorb für den VPI 96). Die meisten dieser Einzelgüter sind im Bereich Nahrungsmittel (127) und im Bereich Verkehr (144) zu finden. Darüber hinaus deckt der Warenkorb ein breites Spektrum an möglichen Kaufaktivitäten ab. Beispiele dafür sind Warenpositionen aus den Bereichen Bekleidung, Wohnung, Einrichtung, Gesundheit, Freizeit, Bildung, Gaststättenwesen usw. Gemessen an den durchschnittlichen Gesamtausgaben sind die Ausgaben für Waren und Dienstleistungen, die den Verkehr betreffen, am relativ stärksten gestiegen. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass öffentliche Abgaben zu einer größeren Haushaltsbudgetbelastung geführt haben - im konkreten Fall war es die motorbezogene Versicherungssteuer. Die Belastung durch öffentliche Abgaben macht sich aber auch bei anderen VPI-Positionen negativ bemerkbar (zum Beispiel durch die Gebühr für das Ausstellen eines Reisepasses oder durch die Anhebung der Rezeptgebühr).

Die Preismessung

Ausgehend von den festgelegten Waren im Warenkorb werden nun in 20 österreichischen Städten monatliche Preiserhebungen durchgeführt. Diese erfolgen durch geschulte Bedienstete der jeweiligen Stadtverwaltung. Als Erhebungshilfe dienen Unterlagen über genaue Warenbeschreibungen; die Waren müssen also in ihrer Beschaffenheit mit denen des Vormonats übereinstimmen. Sollte ein unmittelbarer Vergleich jedoch nicht möglich sein, muss von der Statistik Austria - der Koordinierungs- und Berechnungsstelle für den VPI - entschieden werden, ob dieses Produkt indexwirksam in die Berechnungen einzubeziehen ist. Aus den Einzelpreisvergleichen lässt sich durch Gewichtung und Durchschnittsbildung ein für Österreich gültiger Indexwert - die so genannte Messzahl - ermitteln. Diese Messzahl wird mit dem Vorjahresmonatswert verglichen. Das Ergebnis ist die Inflation - ausgedrückt in Prozenten.

Der EU-Preisindex

Mit dem Beitritt zur EU hat sich Österreich verpflichtet, einen Verbraucherpreisindex für europäische Zwecke zu berechnen. Es ist dies der so genannte Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI). In diesem Zusammenhang spielt die Europäische Zentralbank (EZB) eine bedeutende Rolle. Sie ist aufgerufen, die europäische Inflationsentwicklung zu überwachen und bei Über- oder Unterschreiten vorgegebener Inflationsraten mit dem ihr zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Instrumentarium steuernd einzugreifen. Überdies gelten für neue Beitrittskandidaten zur Währungsunion ebenfalls die von der EZB vor gegebenen Inflationswerte als Zielgrößen.

Der Unterschied zwischen VPI und HVPI

Der HVPI wird aus dem VPI abgeleitet.

Es gibt aber sowohl methodische als auch warenkorbinhaltliche Unterschiede zwischen dem HVP und dem VPI. Der wesentlichste methodische Unterschied besteht darin, dass der HVPI als Kettenindex konzipiert ist. Inhaltlich bedeutet dies, dass die Warenkorbstruktur laufend angepasst wird - es also keinen fixen Basis-Warenkorb gibt.

Damit reagiert der Index auf wichtige laufende Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten der Konsumentinnen und Konsumenten. Derzeit unterscheiden sich einige Positionen des VPI-Warenkorbes im Dienstleistungsbereich von jenen des HVPI-Warenkorbes, so sind zum Beispiel die Kfz-Steuer, das Glücksspiel, aber auch Einrichtung, Ausbau- und Umbau im Eigenheimbereich nicht im HVPI enthalten.

Die Zukunft des VPI

Es steht österreichweit außer Streit, dass der VPI derzeit eine wichtige Funktion als Spiegel nationaler Preisentwicklung besitzt. Zum Ausdruck kommt dies durch seine Eigenschaft als Wertanpassungsgröße; viele Versicherungs- und Mietverträge beinhalten als Basis der Wertanpassung den VPI.

Andrerseits gewinnt der HVPI in zunehmendem Maße an Bedeutung; er wird dann wohl mit denselben Argumenten, die seinerzeit für den VPI vorgebracht wurden, die Geldentwertung für einen »durchschnittlichen« Europäer abbilden.

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Reinhold Russinger http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351272023 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271996 Zur Zukunft der Pensionen | Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung Von der Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit der Alterssicherungssysteme ist letztlich die gesamte Bevölkerung abhängig. Betroffen sind nicht nur die älteren Menschen, die eine Pension beziehen, sondern auch die Jüngeren, die Beitrags- und Steuerzahler, die bereits jetzt auf ein ausreichendes und sicheres Alterseinkommen vertrauen können müssen. Die Einkommenssicherung im Alter zählt daher zu den wichtigsten Aufgaben der Sozialpolitik.

Eine der Hauptherausforderungen der Finanzierungsdiskussion um die Pensionen in Europa und auch in Österreich war und ist dabei die Tatsache, dass Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren tiefe Spuren im Sozialsystem hinterlassen hat. Durch Arbeitslosigkeit (bzw. durch geringere Erwerbsbeteiligung) vermindert sich die Zahl der Beitragszahler und damit auch der Einnahmen. Zugleich werden aber gerade auch durch Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer frühzeitig in die Pension gedrängt, sodass die Zahl der Pensionen steigt und die Ausgaben zunehmen.

Meist ist jedoch nicht von diesen aktuellen ökonomischen Risiken und Problemen die Rede, wenn von der Zukunft der Alterssicherung gesprochen wird. Die Diskussion wird seit Jahren von der Sorge um die Auswirkungen der Verschiebungen im Bevölkerungsaufbau auf die Altersvorsorge beherrscht.

Wie lässt sich die Pensionsversicherung finanzieren, wenn immer mehr älteren Menschen immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen und sich diese Problematik bis zum Jahr 2030 laufend zuspitzt? Im Ergebnis steht dann nicht selten die Behauptung, im Jahr 2030 werde notwendigerweise die Zahl der Pensionen ebenso hoch liegen wie die Zahl der Beitragszahler. Eine Formel, die vielfach bei Medien als auch an den Stammtischen die Runde macht.

Europäische Diskussion

In der Diskussion auf europäischer Ebene bekommt demgegenüber seit einiger Zeit wieder der Arbeitsmarkt als Ansatzpunkt im Bereich der Pensionssicherung einen immer größeren Stellenwert. In mehreren Dokumenten auf europäischer Ebene wird betont, dass die Nachhaltigkeit europäischer Pensions-(Pensionsversicherungs-)Systeme sehr eng mit der zukünftigen Arbeitsmarktentwicklung und vor allem der Erwerbsbeteiligung der Menschen zusammenhängt. Auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund wurde in der Pensionsdiskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass die Arbeitsmarktentwicklung für die Zukunft der Alterssicherung von entscheidender Bedeutung ist. Ein hohes Beschäftigungsniveau ist ein Garant für die finanzielle Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems.

WIFO-Studie »Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung«1)

Die Arbeiterkammer Wien hat zu diesen Fragen nunmehr eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarkt und Pensionen aufgezeigt werden. Vor allem anhand der Pensionsquote lassen sich die starken Rückwirkungen des Arbeitsmarktes auf die Pensionsversicherung zeigen.

Unter Pensionsquote (manchmal auch »Pensionslastquote«) wird dabei die Zahl der Pensionen je tausend Beschäftigungsverhältnisse verstanden. Sie betrug im Jahr 1999 617. Die Pensionsquote von 617 besagt demnach, dass auf 1000 pensionsversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse 617 ausgezahlte Pensionen fallen (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenpensionen).

In den nächsten 30 Jahren ist dabei nach den gängigen Bevölkerungsprognosen davon auszugehen, dass die Zahl der Menschen im Haupterwerbsalter (von 15 bis unter 60 Jahren) zurückgehen wird (-16 Prozent) und jene im Alter ab 60 Jahren stark zunehmen wird (+66 Prozent). Die entscheidende Frage ist, wie sich die Verschiebung in der Altersstruktur auf die Pensionsquote auswirken wird. Diese Quote wird nämlich nicht nur von den demographischen Verschiebungen beeinflusst, sondern in mindestens ebenso starkem Ausmaß von den Bewegungen im Erwerbsverhalten der Menschen.

Das WIFO hat nun unter Zugrundelegung der Bevölkerungsprognosen in mehreren Modellrechnungen 3 Fragen untersucht2):

Welche Pensionsquoten ergeben sich bis 2030 bei unveränderter Erwerbsbeteiligung, welche bei einem durchschnittlichen jährlichen Beschäftigungswachstum von 0,4 Prozent und welche, wenn die heutigen skandinavischen Erwerbsquoten in Österreich erreicht würden? Und dazu gab es interessante Ergebnisse.

Zukünftige Pensionsquoten bei unveränderter Erwerbsbeteiligung

In diesem ersten Szenario des WIFO wurde davon ausgegangen, dass die Erwerbsquote (Anteil der beschäftigten Männer zwischen 15 und 64 Jahren bzw. Anteil der beschäftigten Frauen zwischen 15 und 60 Jahren), die in Österreich 1999 bei rund 68 Prozent lag, bis 2030 unverändert bleibt. Aufgrund der rückläufigen Zahl der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 in den nächsten 30 Jahren und des starken Anstiegs der älteren Bevölkerung bedeutet eine konstante Erwerbsquote ein starkes Ansteigen der Pensionsquote (weniger Aktive, mehr Pensionisten). Die Pensionsquote steigt in diesem Szenario von 617 (1999) auf 889. Konstante Erwerbsquoten der Österreicherinnen und Österreicher würden also die Pensionsquote um mehr als ein Drittel erhöhen.

Entwicklung der Pensionsquote bei steigender Beschäftigung in Österreich

In einem zweiten Szenario hat das WIFO die Entwicklung der Pensionsquote bei weiter steigender Beschäftigung in Österreich vorausberechnet. Hauptannahme in dieser Modellrechnung war ein weiterer Beschäftigungsanstieg von 0,4 Prozent pro Jahr, was einen Anstieg der Erwerbsbeteiligung der österreichischen Bevölkerung erfordert3).

Bei diesem angenommenen jährlichen Beschäftigungswachstum bis 2030 erhöht sich die Pensionsquote von gegenwärtig 617 auf nur 766 im Jahr 2030. Man sieht also, dass das Beschäftigungswachstum das Ansteigen der Pensionsquote stark dämpft und die Pensionsfinanzierung erleichtert. Bei noch stärkeren Beschäftigungszuwächsen würden die Pensionsquoten unter den obigen Werten liegen.

»Nordland-Szenario«: Entwicklung der Pensionsquote, wenn Österreich skandinavische Erwerbsquoten erreicht

In einem dritten Szenario hat das WIFO schließlich die Pensionsquotenentwicklung unter der Annahme vorausberechnet, dass Österreich in den nächsten Jahrzehnten skandinavische Erwerbsquoten erreicht. So liegt die österreichische Erwerbsquote derzeit knapp über dem EU-Durchschnitt, aber deutlich unter der Erwerbsquote der nordeuropäischen Länder (z. B. Norwegen und Dänemark mit jeweils 80,6 Prozent). So ist z. B. das dänische Erwerbsquotenniveau durch eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen, der 15- bis 24-Jährigen und auch der über 50-Jährigen gekennzeichnet. Würde bis 2015 in Österreich das derzeit in Dänemark gegebene Erwerbsquotenniveau erreicht sein, läge die Pensionsquote mit 595 sogar niedriger, als sie gegenwärtig ist.

Schlussfolgerungen

Aus den drei Szenarien kann man wichtige Schlussfolgerungen für die Finanzierung der Pensionen ziehen, wie es auch das WIFO tut:

Die finanzielle Stabilität der Alterssicherung wird nicht nur durch die Demographie und das Pensionssystem, sondern auch durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Die Perspektive einer schrumpfenden Zahl von Erwerbspersonen lässt in den nächsten Jahrzehnten eine weiter steigende Nachfrage nach Arbeitskräften und steigende Erwerbsquoten erwarten. Je höher die Erwerbsquote und das Beschäftigungsniveau sind, umso größer ist die Zahl der Beitragszahler und umso niedriger die Pensionsquote. Unter realistischen Arbeitsmarktperspektiven ist längerfristig mit deutlich geringeren Pensionsquoten zu rechnen, als in den bislang veröffentlichten Studien erwartet wurde. Der Arbeitsmarkt ist damit ein zentraler Ansatzpunkt, um den abzusehenden Struktureffekten in der Pensionsversicherung durch die Veränderung im Altersaufbau der Gesellschaft zu begegnen. Die arbeitsmarktpolitischen Chancen liegen dabei vor allem in zwei Entwicklungen:

1. Die sinkenden Zahlen der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) erhöhen die Arbeitsmarktchancen von Frauen und älteren Arbeitskräften.

2. In den nächsten drei Jahrzehnten ist mit einer weiterhin steigenden Arbeitskräftenachfrage zu rechnen.

Diese Entwicklungen können für neue Chancen von Frauen und allen voran für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genützt werden.

Die Politik ist bei der Steuerung der entsprechenden Rahmenbedingungen - Stichworte »Vereinbarung von Beruf und Familie, betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitskräfte usw.« - gefordert.

Es bleibt also dabei: Ausschlaggebend für die Finanzierbarkeit der Alterssicherung ist vor allem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Wachstum, Arbeitsproduktivität und Beschäftigung bestimmen den sozialpolitischen Finanzierungsspielraum. Eine aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, durch die die Arbeitslosigkeit abgebaut und das Beschäftigungsniveau erhöht wird, sowie die Anhebung der Arbeitnehmereinkommen sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Finanzierung der Pensionen.

PENSIONSQUOTE 2000 bis 2030
WIFO-Szenarienrechnung
Zahl der Personen je 1000 Beitragszahler:
Szenario: 1999 2015 2030
»konstante Erwerbsquoten« 617 760 889
»Beschäftigungswachstum« 617 656 766
»Dänemark/Norwegen« 617 595 782
»Rürup« 599 (1995) 764 980

1) »Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung - Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklung auf die Pensionsquote«, Studie im Auftrag der AK Wien, 2001.

2) Zu beachten ist, dass es bei den Vorausberechnungen des WIFO nicht um eine Prognose geht, sondern um Modellrechnungen.

3) Auf Basis 2000 bedeutet ein Beschäftigungszuwachs um 0,4 Prozent ein Plus von rund 12.500 Beschäftigten. Gleichzeitig wurde im Modell eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Jahrzehnten zugrunde gelegt.

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Richard Leutner http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351271974 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351271984 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271967 Das Schreckgespenst Globalisierung - und wie man es bewältigen kann Marghret Thatchers Devise

Und dennoch hat der Begriff »Globalisierung« in den 90er Jahren einen negativen Beigeschmack erhalten. Der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Mittel- und Osteuropa führte von einem politisch definierten Systemwettbewerb (zwischen Marktwirtschaft und Sozialismus) zu einem ökonomisch definierten Standortwettbewerb der verschiedenen Volkswirtschaften. Daraus wird die These abgeleitet, in diesem globalen Wettbewerb müsse sich ein Standard viel intensiver als zuvor um das mobile Kapital bemühen. Margaret Thatchers Devise aus den 80er Jahren »Es gibt keine Alternative« wurde zum Mainstream der ökonomischen Schule und der Wirtschaftspolitik. Es besteht der feste Glaube, dass die Früchte der Strukturreformen in allen Branchen und Volkswirtschaften dann zum Tragen kommen, wenn die Marktkräfte voll wirken können und alle Sektoren für den internationalen Handel und Wettbewerb geöffnet werden. Die politische Ökonomie im Vereinigten Königreich war bis 1997 sehr erfolgreich in der Argumentation, dass die Standortpolitik Großbritanniens sich an der Wettbewerbsfähigkeit von Billiglohnländern wie z. B. Südostasien orientieren müsse. Zur selben Zeit argumentierte allerdings auch der südkoreanische Staatschef Kim Young Sam, Südkorea müsse seine Arbeitsregelungen lockern, um im Standortwettbewerb gegen Schottland oder South Wales bestehen zu können.

Risse im Standbild der freien Marktwirtschaft

Die ersten Risse bekam das Standbild der freien Marktwirtschaft jedoch, als die vormaligen Musterschüler Südostasiens durch die Finanzkrise erschüttert wurden. So kamen selbst die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ins Grübeln, als plötzlich selbst Länder, die den Empfehlungen des IWF gefolgt waren, in den Sog von Währungskrisen gerieten. Der Strategiewechsel folgte auf dem Fuße. So diagnostizierte Stanley Fischer 1998 richtigerweise, dass eine zu schnelle Öffnung für ausländischen Wettbewerb zu Konkursen inländischer Banken führen kann und die Anreize zunehmen, risikoreiche Kredite zu vergeben. In diesem Fall ist es durchaus sinnvoll, den Kapitalverkehr erst dann umfassend zu liberalisieren, wenn das inländische Finanzsystem hinreichend gestärkt, sprich reguliert, worden ist.

Dasselbe gilt für das internationale Handelssystem: Die Verbindung zwischen Handel und sozialer Entwicklung war nach dem Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Bestandteil der Außenbeziehungen. Dies wurde in der Havanna-Charta der internationalen Handelsorganisation als Grundsatz verankert. Das Zoll- und Handelsabkommen von 1948 (GATT) setzte den Schwerpunkt dann jedoch hauptsächlich auf die Liberalisierung des Handels als Instrument zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Während jedoch die Entwicklungsländer aufgrund internationaler Kredit- und Handelsverpflichtungen ihre Märkte öffneten, existieren in den Handelsverträgen der Industrieländer immer noch Bestimmungen, die den freien Handel behindern: zum Beispiel Subventionen in der Landwirtschaft, die Möglichkeit von Antidumpingverfahren oder der Schutz von Patenten. Trotz aller hehren Ziele von WTO und GATT hat die Liberalisierung des Güter- und Dienstleistungshandels sowie des Kapitalverkehrs die Ungleichheit der Verteilung zwischen Arm und Reich nicht gemildert, sondern möglicherweise sogar verstärkt. Die Zahlen von UNCTAD und ILO belegen dies: Betrug das Pro-Kopf-Einkommen der 20 reichsten Länder der Welt 1960 noch das 18fache der ärmsten Staaten, nahm 1995 dieser Wert bis auf das 37fache zu. An dieser Tendenz hat sich bislang nichts geändert.

Fühlbare Einschnitte im sozialen Netz

Doch nicht nur zwischen Entwicklungs- und Industrieländern hat die Einkommensspreizung zugenommen. Auch in den Industrieländern werden mit dem Argument eines verstärkten internationalen Wettbewerbs die Güter- und Arbeitsmärkte dereguliert und insbesondere den Einkommensschwächeren fühlbare Einschnitte ins soziale Netz auferlegt. Die Regierungen betonen dabei immer wieder, gegenüber dem Globalisierungsdruck machtlos zu sein. Viele Menschen haben deshalb heute das Gefühl, die Globalisierung sei ein Prozess, der für sie weder beeinflussbar noch transparent ist, und lehnen eine weitere Integration der Weltwirtschaft ab. Hinterfragt man die Gründe für die ablehnende Haltung, wird aber deutlich, dass das eigentliche Schreckgespenst nicht der Prozess der Globalisierung selbst ist, sondern der Unwille oder die Unfähigkeit der Regierungen, den ökonomischen Prozess der Globalisierung durch einen demokratisch legitimierten politischen Prozess zu begleiten.

Diese Abstinenz der Politik ist nicht unproblematisch. Ist das Gefühl in der Bevölkerung verbreitet, die Regierung vertritt nicht mehr ihre Interessen, sehen sich die Wähler nach Alternativen um. Diese finden sie vor allem an den beiden Enden des politischen Spektrums. Veränderungen im europäischen Wählerverhalten sind bereits zu beobachten. Und auch die kritische Globalisierungsbewegung ist nichts anderes als die Antwort auf das Fehlen an globaler politischer Verantwortung. Oder, wie Pierre Bourdieu, Vordenker der Bewegung, meint: »Es handelt sich um eine Gegenreformation ... Man sehnt sich nach wahrer Politik - so wie damals nach wahrer Religion« (Spiegel 29/2001).

Die Konsequenzen dieser Politik sind täglich an den Protestbewegungen auf Weltwirtschaftsgipfeln, einer vereinzelt aufkommenden antieuropäischen Grundstimmung und dem Rückfall in Protektionismus abzulesen. Doch all dies geht in die falsche Richtung: Es gilt nicht der Globalisierung zu entkommen, sondern sie politisch zu gestalten.

Die Antwort der deutschen Gewerkschaften ist einfach, viel einfacher, als man es sich von Gewerkschaften erwarten würde: »Globale Märkte müssen auf globalen Regeln und Institutionen beruhen, die eine menschenwürdige Entwicklung und das Allgemeinwohl über die Interessen von Unternehmen und nationalen Vorteilen stellen.« Die Prinzipien und Institutionen der sozialen Marktwirtschaft sind das Vorbild einer globalen Weltwirtschaftsordnung, da sie versucht, Marktversagen und Informationsdefizite auszubalancieren. In diesem Sinne sind soziale Mindeststandards internationale Handelsregeln, die das Verhalten von Regierungen und Unternehmen steuern. Es gibt somit eine Alternative. Man muss sie nur wollen.

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Heinz Putzhammer (Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271963 Eine virtuelle Krise Dass die Post nicht gerade das Liebkind der Medienmacher ist, liegt auf der Hand. Die Erhöhung der Posttarife für den Zeitungsversand ist ein schmerzhafter Schnitt für die Bilanzen der Zeitungen. Da die Wähler, natürlich auch die Zeitungsleser, vergesslich sind, denkt kaum einer an die Gründe für die ziemlich verzweifelten Maßnahmen der Post. Dem Gesichtskreis der Österreicher ist die Tatsache entschwunden, dass durch faxen und mailen sehr viel von dem, was einst brieflicher Postverkehr und Einnahmen durch Briefmarken waren, verloren gegangen ist.

Die Regierungen haben zwar seit langem die Gewinne kassiert und für die nötigen Investitionen wurde die Post auf den Kreditweg verwiesen. Jetzt, wo das alles schlagend wird, soll das Postmanagement einschließlich der Postgewerkschaft die Suppe auslöffeln.

Was nun die Meinung der Mitglieder des ÖGB anbelangt, kann von einer Krise des ÖGB keine Rede sein. Seit Jahrzehnten wird in regelmäßigen Abständen, etwa viermal pro Jahr, das Image des Österreichischen Gewerkschaftsbundes von der Arbeitsgemeinschaft für Information und Medienforschung erhoben.

Das Image des ÖGB ist stabil und mit ihm kann wohl das Vertrauen der Mitglieder in die Organisation und damit ihre Krise gemessen werden. Bei einem Polaritätstest bei etwa 500 befragten Gewerkschaftern hat der ÖGB folgendes Image:

Er ist:
vertrauens erweckend 69 %
einflussreich 65 %
verantwortungsbewusst 75 %
angriffslustig 54 %
hilfreich 73 %
kraftvoll 50 %
modern, allerdings nur 43 %

Diese Meinung wurde in der Form erhoben, dass Vertrauensleute der Arbeitsgemeinschaft für Information und Medienforschung jeweils 10 Kollegen im Betrieb einen Fragebogen und ein Kuvert geben, der Kollege füllt diesen Fragebogen aus, gibt ihn ins Kuvert und damit ist gesichert, dass keine Beeinflussung des Befragten durch den Interviewer erfolgt und somit die Meinung wirklich objektiv ist. Über Jahre ist das Image des ÖGB weitgehend unverändert geblieben, und das kann für die Zukunft auch erwartet werden. Wo ist da die Krise? Was nun Präsident Verzetnitsch anbelangt, wird er auf Grund einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) vom Juni dieses Jahres bei 1300 Befragten von 10 % als Persönlichkeit genannt, die der Befragte hoch schätzt. Die Speerspitze seiner Gegner, nämlich Ing. Westenthaler, wurde bei der gleichen Umfrage nur von 2 % hoch geschätzt.

Wer lange am Fluss sitzt, sieht viele Leichen vorbeischwimmen und wer lange genug lebt - und ich lebe nun schon lange genug - kann viele Skandale erleben. Da gab's einen, der den ÖGB wirklich erschüttert hat, nämlich der von Franz Olah. Der ÖGB hat diese Krise, mit der die gegenwärtige gerade in Nanometern gemessen werden kann, überstanden. Wenn der ÖGB Mitglieder verloren hat, so deshalb, weil die Großbetriebe in der Regel infolge weltwirtschaftlicher Entwicklungen, zum Teil aber auch infolge von Managementfehlern sehr abgespeckt haben und die verstaatlichten Großbetriebe zum Teil aus eigener Schuld, zum Teil durch bewusste politische Aktionen, geschrumpft sind. Bekanntlich lassen sich Frauen in Schuhgeschäften schwerer organisieren als Metallarbeiter in einem Stahlwerk.

Schwer kritisiert wurde Präsident Verzetnitsch, weil er nicht krisengeschüttelt und flügelschlagend herbeigeeilt ist, weil sich einige Personalvertreter in einem Betrieb, der von der Politik in seine beengten Verhältnisse gedrängt wurde, ziemlich bedenkenlos selbst bedient haben. Dass es alles andere als kollegial gewesen wäre, seiner Stellvertreterin und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass nur er imstande und berufen ist, in schwierigen Situationen den ÖGB zu vertreten und dass schon gar nicht eine Frau hier berufen ist, die Pfeile der Kritik auf sich zu lenken und sie abzuwehren. Es war zwar offensichtlich nicht geplant, aber hätte man es geplant, dass Präsident Verzetnitsch erst auftaucht, nachdem Politiker und Medienmacher ihr Pulver verschossen haben, so wäre es eine strategisch geniale Planung gewesen.

Jetzt ist natürlich der Gewerkschaftsbund samt seinen Betriebsfunktionären aufgerufen, in der Gegenoffensive neues Terrain zu gewinnen, und da bekanntlich Angriff die beste Verteidigung ist, wäre er schlecht beraten, mit Erklärungen und nochmals Erklärungen, Enthüllungen und Outings eine politische Gegnerschaft, die sich ja gar nicht beruhigen will, zu beruhigen. Aufzuklären wäre, wieso zahllose Betriebe durch die Privatisierung oder was man in Österreich Privatisierung nennt, in Schwierigkeiten kommen, wie schwer es ist, Betriebsfunktionäre für die meist unbedankte Arbeit eines Betriebsrats oder Personalvertreters zu gewinnen und wie sehr die Freiheitliche Partei durch Gründung einer Gegengewerkschaft, allerdings mit einer Pleite endend, versucht, auf allen Ebenen den ÖGB zu schädigen. Weiters wäre der ÖGB gut beraten darzulegen, dass die Überparteilichkeit ein außerordentlich hohes gewerkschaftliches Gut ist und dabei natürlich immer wieder Konzessionen gemacht werden müssen, um die Minderheitsfraktionen bei der Stange zu halten. Im Übrigen sollen sich jene Kräfte, die dem ÖGB nicht besonders freundlich gesonnen sind, keine allzu großen Sorgen um die Urabstimmung machen - und wenn sie es tun, sollten sie sich wenigstens darüber im Klaren sein, dass je mehr der Gewerkschaftsbund angegriffen wird, umso populärer und bekannter werden die Urabstimmung und ihre Zielsetzungen. Für jede Partei gibt es einen todsicheren Weg Wahlen zu verlieren, Image zu verlieren und dauerhaften Schaden zu erleiden. Es müssen sich nur Spitzenfunktionäre in der Öffentlichkeit in die Haare geraten und sich über die Medien Unfreundlichkeiten ausrichten. Besonders abstrus ist es dann, wenn über Themen gestritten wird, von denen der wenig informierte Staatsbürger keine Ahnung hat, z. B. über die Organisationsreform des ÖGB, über die seit vielen Jahren verhandelt wird und bei der es unvermeidlicherweise Gewinner und Verlierer geben muss. Die Verlierer bremsen, und die potentiellen Gewinner wollen, dass etwas weitergeht.

Von Johann Böhm haben wir aber gelernt, dass man in einer Gewerkschaftsbewegung nichts erzwingen kann, man kann nur versuchen, zu überzeugen. Freilich, wer sich nicht überzeugen lassen will, wird sich taub stellen und da kann Präsident Verzetnitsch noch so laut und eindringlich argumentieren.

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Heinz Kienzl (ehemaliger Volkswirtschaftlicher Referent des ÖGB und ehemaliger Generaldirektor der Österreichischen Nationalbank. Derzeit Vizepräsident der Gesellschaft für Europapolitik.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271957 Setzen wir gemeinsam ein Zeichen! | Großdemonstration des Österreichischen Gewerkschaftsbundes am 5. Juli in Wien Zurück in die Vergangenheit?

An der ÖGB-Demonstration nahm auch ÖGB-Altpräsident Anton Benya teil: »Österreich war über viele Jahrzehnte dank der Sozialpartnerschaft weltweit Vorbild, und die EU baut ihre Zukunft auf dem Modell der Sozialpartnerschaft auf. Die Maßnahmen der Bundesregierung bedeuten einen Rückfall in längst vergangene Zeiten.

Wenn diese Bundesregierung die Zerschlagung der Sozialversicherungen und den Weg in die Zweiklassenmedizin vorbereitet und durch ein geplantes Gesetz AK-Wahlergebnisse und die Entscheidung des Höchstgerichtes ignoriert, dann kann man nicht zu Hause sitzen bleiben«, sagte Anton Benya, der im Oktober seinen 89. Geburtstag feiert. Die Bundesregierung verfolge das Ziel, die Selbstbestimmung der Versicherten auszuschalten - ähnliche Tendenzen habe es schon einmal gegeben, erinnert sich der Doyen der Gewerkschaftsbewegung.

Enteignung der sozialen Rechte?

»Wenn heute Tausende Eisenbahner gemeinsam mit Tausenden anderen Staatsbürgern für die Demokratie eintreten, dann tun wir das in bewusster Verantwortung für ein soziales, demokratisches Österreich«, warnte der Vorsitzende der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl: »Was die Regierungsparteien im Parlament beschließen lassen, ist keine Reform. Das ist ein Putsch von oben mit der Dampfwalze ihrer Mehrheit, das ist die Umkehrung der Ergebnisse demokratischer Wahlen in den Arbeiterkammern, die nicht ohne Grund als >Parlament der Arbeitnehmer< bezeichnet werden. Zuerst hat man die Bevölkerung mit einer unsozialen Maßnahme nach der anderen gequält, soziale Leistungen gekürzt, Selbstbehalte eingeführt, Steuern und Gebühren erhöht - und jetzt legt man die Axt an den sozialen Unterbau: Die Zerschlagung der Selbstverwaltung soll den Einfluss der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf das Sozialversicherungssystem, das unsere Eltern und Großeltern aufgebaut haben und das wir aus unseren Beiträgen finanzieren, nachhaltig schädigen. Das nehmen wir nicht hin! Österreichs Arbeitnehmer haben nicht Jahrzehnte für die sozialen Rechte gekämpft, damit sie nun von einer blau-schwarzen Chaostruppe wieder enteignet werden.«

Erkämpfte Rechte

»Es ist schön zu sehen, dass so viele gekommen sind, um gemeinsam für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kämpfen«, begrüßte die Leitende Sekretärin des ÖGB, Roswitha Bachner, die Teilnehmer an der vom ÖGB organisierten »Demonstration für Demokratie«. »Auch unsere Vorfahren mussten kämpfen, um ihre Rechte durchzusetzen, diese Rechte werden wir uns von keiner Regierung - egal, welcher Farbe - wegnehmen lassen.«

Kritiker mundtot machen?

»Wir stehen heute hier, weil die Bundesregierung versucht, Kritiker an den Pranger zu stellen und mundtot zu machen, wir stehen hier, weil die Bundesregierung für sie unliebsame Wahlergebnisse nicht ernst nimmt und mit Gesetzen diese Entscheidungen umdrehen will. Menschen aus allen Gruppierungen und allen Fraktionen nehmen heute hier teil«, erklärte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. Man werde nicht zulassen, dass Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt werden: Arbeiter gegen Angestellte, Lehrer, Beamte, Eisenbahner gegen ASVG-Versicherte, Frauen mit Kindern gegen Frauen ohne Kinder. »Wir sind geschlossen und solidarisch und wenden uns gegen eine Politik der Bevormundung, gegen Ambulanzgebühren und die Zerschlagung unseres Sozialsystems.« Diese Bundesregierung, so der ÖGB-Präsident weiter, wolle die Selbstverwaltung auf Aufsichtsräte beschränken. Am liebsten wäre ihr, den Hauptverband zu einer Abteilung des Ministeriums zu machen. »Das ist nicht unsere Politik«, bekräftigte Verzetnitsch. »Wir stehen nicht für die Einführung eines generellen 20-prozentigen Selbstbehaltes und wir stehen auch nicht für eine Zweiklassenmedizin, sondern wir stehen zu einer solidarischen Finanzierung - und das lassen wir uns nicht wegnehmen«, so Verzetnitsch. Die Gewerkschaftsbewegung steht nicht nur für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch für alle Österreicherinnen und Österreicher, wenn es um unser Sozialsystem geht. »Auch der Acht-stundentag ist nicht von einem auf den anderen Tag eingeführt worden. Wir sind aber jene Kraft, wenn es um die Verteidigung der sozialen Sicherheit in Österreich geht.«

Sind wir Gartenzwerge?

»Ich stehe hier und rede hier nicht nur als Vertreterin der christlichen Fraktion, sondern als Vertreterin des überparteilichen Gewerkschaftsbundes, dessen Funktionäre sich den Arbeitnehmern dieses Staates verpflichtet fühlen. Parteiinteressen sind für uns und müssen für uns zweitrangig sein«, stellte die Vorsitzende Stellvertreterin der Bundesfraktion Christlicher Gewerkschafter, Christine Gubitzer, bei der ÖGB-Kundgebung klar. Sie betonte, dass »im Parlament keine Gesetze beschlossen werden dürfen, die vor allem dazu dienen, Machtverhältnisse per Gesetz zu verordnen, statt Wahlergebnisse zu respektieren.« Und weiter: »Parteizugehörigkeit und Regierungsmacht darf nicht dazu missbraucht werden, tragende Säulen der Demokratie wie etwa das freie Wahlrecht, die freie Rede, die freie Mandatsausübung, das Recht auf Versammlung und Protest in Frage zu stellen.« In Sonntagsreden würden Begriffe wie Bürgernähe und Mündigkeit des Bürgers als Leitsätze politischen Handelns hervorgehoben. Gubitzer: »Wo aber bleibt der Wunsch nach Bürgernähe, wenn Bürger dieses Staates verunglimpft werden, weil sie sich das Recht herausnehmen, ihren Unmut in lautstarken Protestkundgebungen Luft machen? Wo aber bleibt die Anerkennung der Mündigkeit und Eigenständigkeit der Bürger dieses Staates, wenn man mehreren Millionen Arbeitnehmern das Recht nimmt, selbst ihre Sozialversicherung zu verwalten?«

Besonders hart ging Gubitzer mit Bundeskanzler Schüssel und ÖVP-Klubobmann Khol wegen der »Abkanzelung« des niederösterreichischen AK-Vizepräsidenten Alfred Dirnberger ins Gericht. Gubitzer: »Ob als AK-Mitglied oder als Gewerkschafter der ÖAAB-FCG-Fraktion, wir alle sind schockiert über die öffentliche Verhöhnung des engagierten Funktionärs Alfred Dirnberger durch Bundeskanzler Schüssel und ÖVP-Klubobmann Khol. Offenbar fehlen selbst dem Bundeskanzler und dem ÖVP-Klubobmann Sachargumente und so versuchen sie Kritiker mit persönlichen Beleidigungen zum Schweigen zu bringen.« Gubitzer weiter: »Getroffen hat man mit den Äußerungen aber alle Arbeitnehmer Österreichs, die scheinbar für die Machthaber dieses Staates nur Gartenzwerge sind, die man nicht weiter beachten muss. Kritiker werden in letzter Zeit sehr schnell mit untergriffigen, erniedrigenden Kraftausdrücken mundtot gemacht.« Die Christgewerschafterin: »In einer Monarchie geht das Recht vom Herrscher aus, in der Demokratie geht das Recht vom Volk aus. Österreich ist eine Demokratie.«

Nicht neu, sondern schlecht

»Wir wollen keinen Thatcherismus und ich will keinen >Schüsselismus<«, rief die Zentralbetriebsrätin der Erdiözese Wien, Christa Ellbogen, den Demonstranten auf dem Ballhausplatz zu. »Demokratiepolitisch äußerst gefährlich und ungeheuerlich«, bezeichnete Ellbogen, »was sich seit Monaten abspielt.« Daher sei sie auch stolz darauf, dass der ÖGB die interfraktionelle Demonstration organisiert habe. Ellbogen bekannte sich dazu, dass Österreich neu regiert werde, aber: »Wir werden nicht neu, sondern wir werden schlecht regiert. Daher müssen wir auch die Strategie der Regierung unterlaufen.«

Was mit Hans Sallmutter seitens der Regierung in den vergangenen Monaten aufgeführt wurde, sei für sie als Christin »menschlich unter jeder Kritik«. Ellbogen weiter: »Für mich ist in der Seele unerträglich, dass ein Teil dieser Regierung sich auf die christliche Tradition beruft.« Abschließend rief sie den Demonstranten zu: »Wir wollen keinen Thatcherismus!«

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(Mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch sprach Siegfried Sorz) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271951 Jede Stimme zählt - wir sind bereit! »Arbeit&Wirtschaft«: Kollege Verzetnitsch, die öffentliche Diskussion zu den Gehältern bei der Post AG wurden zuletzt auch auf deine Person zugespitzt. Wie geht es dir persönlich bei den an dich gerichteten Rücktrittsaufforderungen?

Fritz Verzetnitsch: Aus vielen persönlichen Gesprächen mit ÖGB-Mitgliedern weiß ich, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier sehr wohl unterscheiden können zwischen den Vorkommnissen bei der Personalvertretung im Unternehmen Post und den unsozialen Belastungen und Vorhaben der Bundesregierung.

Es ist allerdings in einer Restrukturierungsphase, in der sich die Post AG derzeit befindet, keiner Kollegin, keinem Kollegen und auch niemanden in der Öffentlichkeit erklärbar, dass sich das Gehalt eines Personalvertreters oder Betriebsrates auch nur um einen Schilling erhöht. Wenn rechtlich auch korrekt, so muss man den Verhandlern den Vorwurf machen, die politische Dimension unterschätzt zu haben.

Die Konsequenzen sind gezogen: Die Umsetzung der Vereinbarung ist ausgesetzt, bis der Rechnungshof die Rechtmäßigkeit geklärt hat. Sämtliche in diesem Zusammenhang ausgezahlten Beträge wurden von der Post AG zurückgefordert und sind auch schon zurückgezahlt.

Wie soll es aus der Sicht der Personalvertretung weitergehen?

Die Personalvertretung und die Post AG müssen unter Einbeziehung der rechtlichen Beurteilung durch den Rechnungshof eine Lösung ausarbeiten. Im Vordergrund muss daher stehen, dass die Personalvertreterinnen und Personalverteter gegenüber anderen Mitarbeitern des Unternehmens nicht bessergestellt, aber auch nicht am Fortkommen im beruflichen Leben behindert werden. Nur durch eine solche Maßnahme kann gewährleistet werden, dass das Vertrauen der Belegschaft in ihre Personalvertretung wieder hergestellt wird. Es ist an der Zeit, dass wir uns wieder den Problemen zuwenden, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen. Für persönliche Betroffenheiten habe ich da eigentlich gar keine Zeit.

Sind unsere Fragen zur Urabstimmung »No-Na«-Fragen?

Eine »No-Na«-Frage ist für mich eine Frage, bei der die Zustimmung selbstverständlich ist. Wenn nun gerade Mitglieder der Bundesregierung von »No-Na«-Fragen reden, dann müssten sie doch die Ambulanzgebühren zurücknehmen und auch die Studiengebühren, wenn sie das ernst meinen. Dann sollen sie sich doch von der vorgesehenen Umwandlung der Abfertigung in eine Betriebspension distanzieren oder von der angekündigten Verlagerung von Verhandlungen über die Arbeitszeit auf betriebliche Ebene. All diese Aufregungen der Regierungsparteien zeigen doch, dass wir richtig liegen. Wer erwartet denn im Ernst Zustimmung von dieser Seite?

Immer wieder wird verlangt, die genaue Zahl der Beteiligung an der Urabstimmung zu prognostizieren, die »Erfolgslatte« zu legen ...

Meines Wissens ist dies die erste Urabstimmung dieser Art in Europa. Natürlich erwarten wir eine möglichst hohe Beteiligung. Jede Stimme ist wichtig. Auch bei Nationalratswahlen stehen die politischen Programme im Vordergrund und nicht die Wahlbeteiligung.

Ich habe aber schon öfter die offensichtlich ernst gemeinte Frage nach dem »Generalstreik« gehört. Was sind Kampfmaßnahmen?

Da kann es keine Aufzählung geben. Die Maßnahmen werden immer von den konkreten Situationen abhängen. Und es geht bei der Frage darum, grundsätzlich die Kampfbereitschaft abzufragen. Wenn sie wollen, können die Gewerkschaftsmitglieder hier ein Signal setzen und zeigen »Wir sind bereit!« Den einen sind wir zu lau, den anderen zu radikal - und von allen bekommen wir plötzlich wohlgemeinte »gute Ratschläge«. Ist die Urabstimmung eine Kampfansage? Gewerkschafter sind Verhandler und wir haben Erfahrung im Verhandeln: Durch unsere Kollektivvertragsverhandlungen werden jährlich Milliarden von Schilling - mehr als der österreichische Staatshaushalt - bewegt. Deswegen, wegen dieser Erfahrung im Verhandeln, sind wir es auch gewöhnt, dass man uns über den Tisch ziehen will, und wir bleiben dabei gelassen. Wir orientieren uns an Fairness und Gerechtigkeit. Der systematische und konkrete Sozialabbau ist unfair und ungerecht und lässt sich auch durch nichts rechtfertigen und beschönigen. In Verantwortung für die Zukunft unseres Landes müssen wir Gegenmaßnahmen setzen. Wir bewerten jede Regierung danach, was sie bereit ist, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu tun. Deshalb ist es gerade jetzt an der Zeit, die Gewerkschaftsmitglieder zu fragen, wie sie zu der sozialen Entwicklung im Lande stehen.

Unter den Lesern von »Arbeit&Wirtschaft« sind sehr viele Betriebsfunktionäre. Wie lautet deine Botschaft an sie?

Gewerkschaftsarbeit ist erst möglich durch den tagtägliche Einsatz unserer von der Kollegenschaft frei gewählten Betriebsräte, Personalvertreter und Jugendvertrauensräte. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vertrauen den Leuten, die sie gewählt haben, weil sie ihre tägliche Arbeit kennen. Wer die Arbeitnehmerrechte schwächen möchte, dem ist diese Form der Demokratie und Mitbestimmung im Betrieb ein Dorn im Auge. Und den Gegnern ist - wie wir in den letzten Wochen feststellen konnten - jedes Mittel recht. Ob Diffamierung, unbewiesene Unterstellung und anderes mehr. Unsere Antwort muss sein, gemeinsam mit allen gewählten Vertrauensleuten in diesen Wochen ein deutliches Signal zu setzen, das unmissverständlich ist. Glückauf für dieses Ziel!

Kollege Verzetnitsch, danke für das Gespräch!

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(Mit ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch sprach Siegfried Sorz) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271942 Nicht nur, aber auch! »Angenommen, FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler hätte unlängst bei einer guten Fee einen Wunsch frei gehabt - er hätte sich genau das gewünscht, was jetzt in der Postgewerkschaft aufgeflogen ist. Die Affäre um die Gagen der dortigen Gewerkschaftsbosse erfüllt in geradezu unglaublicher Weise die aktuellen Bedürfnisse der Bundesregierung.

Erstens schwächt sie mit dem ÖGB die nach wie vor einzige nennenswerte Opposition in diesem Lande. Zweitens dreht sie sich um Geld, ist also für die Bevölkerung leicht fasslich und interessant. Drittens gibt sie der FPÖ die Möglichkeit, ihr ramponiertes >Robin Hood<-Image aufzupolieren. Und viertens fällt die Affäre - obwohl auch ein schwarzer Gewerkschafter verwickelt ist - überwiegend der roten Reichshälfte auf den Kopf ...«

Soweit die »Salzburger Nachrichten«, wobei gerade bei dieser Zeitung kaum ein Verdacht aufkommen kann, dass sie der organisierten Arbeitnehmerschaft in irgendeiner Weise nahe stünde.

Also, noch einmal gefragt: Wer lenkt hier wen wovon ab? Das sicherlich nicht zu entschuldigende Fehlverhalten einiger Personalvertreter im Unternehmen Post AG wurde dazu benutzt, von den Forderungen, den politischen Inhalten und der Kritik der Gewerkschaften am Kurs der derzeitigen Bundesregierung abzulenken.

Die Stimmen der moralische Entrüstung wirkten ziemlich vordergründig aufgesetzt, genauso wie die Rücktrittsaufforderungen an den ÖGB-Präsidenten. Man glaubt offensichtlich, damit von der Besorgnis vieler Hunderttausend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Entwicklung vor allem der Sozialpolitik in unserem Lande ablenken zu können.

Auf die Frage zum Beispiel, wie es um die Selbstbehalte bei der Gesundheitsversorgung steht, kommt die Antwort, ihr seid alle krumme Hunde. Auf ein Argument zur Sache argumentiert man zur Person des Fragestellers.

Diversion nannte man früher den Ablenkungsangriff, und so ein Vorgang findet auch jetzt statt. Dabei übersehen die Anführer dieser Diversion, dass diese vehementen Angriffe leicht ins Gegenteil umschlagen. Selbst die vertrauensseligsten Konsumenten der veröffentlichten Meinung werden schön langsam stutzig ob dieses massiven Trommelfeuers, und anstatt wie beabsichtigt den ÖGB in Misskredit zu bringen, verstärkt sich durch die ständigen Untergriffe die Sympathie mit dem Angegriffenen.

Der immer wieder geäußerte Vorwurf der einseitig parteipolitischen Ausrichtung des ÖGB ist leicht zu widerlegen. So widerspricht zum Beispiel der »schwarze« ÖGB-Vizepräsident Fritz Neugebauer (FCG) der Aussage von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, wonach die Urabstimmung des Gewerkschaftsbundes ein Ablenkungsmanöver sei. Die ÖGB-Urabstimmung ist ein »demokratisch legitimiertes Instrument, das wir vor dem Sommer beschlossen haben. Ich wüsste nicht, welches Ablenkungsmanöver dahinter steckt«, so Neugebauer im »Standard«.

Auch Neugebauers Stellvertreterin Christine Gubitzer meint, »man soll die Leute nicht bevormunden und sagen, dass die Regierung die Antworten gibt. Es geht um Verschlechterungen für Arbeitnehmer«. Auch die Regierung wäre »gut beraten, zu hinterfragen, was sie den Leuten zumutet. Dann ist man am Wahlabend nicht überrascht«. Gubitzer weiter:

»Und überhaupt muss die Regierung schon ein sehr schlechtes Gewissen haben, wenn sie von vornherein damit rechnet, dass bei der Urabstimmung ein Nein zu ihren Maßnahmen und Plänen herauskommt«.

Neugebauer will die Urabstimmung auch als »Appell an die Regierung, sich zu Sachfragen wie der Versicherungspflicht zu äußern«, verstanden wissen. »Es geht nicht nur um Kampfmaßnahmen.«

Jawohl, nicht nur - aber auch! Obwohl auch hier Bundeskanzler Schüssel anderer Ansicht ist. So lese ich folgenden Satz in der »Presse«: »... Denn nach klimatisch heißem Sommer werde, so prophezeit der Bundeskanzler in Anspielung auf die bevorstehende ÖGB-Urabstimmung, nicht ein ebensolcher Herbst folgen ...«

Oh Wetterfrosch, wir hören dich quacken.

Ob sich das ehemals Mascherl tragende Orakel vom Ballhausplatz da nicht doch irrt?

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Sep 2001 00:00:00 +0200 1196351271938 Wetterbericht mit Gewittervorhersage Schlüsselunternehmen erhalten? »Die FPÖ muss gewaltige Angst vor der Urabstimmung und damit vor der Meinung der ÖGB-Mitglieder über die Arbeit der Bundesregierung haben - bei dem Trommelfeuer, das sie nun seit Tagen gegen den ÖGB loslässt«, stellte Roswitha Bachner fest. Zu Riess-Passer erklärt sie: »Wetterberichte interessieren die meisten Österreicher mehr als die Doppelzüngigkeit der FPÖ.«

Zur Aussage der Vizekanzlerin, wonach für sie das Ergebnis der Urabstimmung keine Relevanz und die Bedeutung des täglichen Wetterberichtes haben werde, meint Bachner: »Relevanz hat das Ergebnis der Urabstimmung vor allem für das Präsidium und den Vorstand des ÖGB sowie für die Gewerkschaften. Mit der Urabstimmung haben wir einen klaren Auftrag der Mitglieder zu erfüllen. Um im Jargon der Vizekanzlerin zu bleiben: Ein Wetterbericht, der Gewitter voraussagt, wird auch für die Regierung relevant sein.«

Die Vizekanzlerin nimmt offensichtlich die Meinung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht besonders ernst, so Bachner: »Die Urabstimmung wird ihr aber ein deutliches Signal gegen die Politik des ständigen Drüberfahrens und Verhöhnens geben.«

Auch der Wunsch der Vizekanzlerin, die Sozialpartnerschaft abzuschaffen, zeige deutlich, wohin die Politik der FPÖ ziele: »Ob Unternehmervertreter, AK und ÖGB Gespräche und Verhandlungen führen, geht die Vizekanzlerin nichts an. Und wenn sie mit ihrer Ankündigung meint, die Regierung werde künftig mit den Sozialpartnern keine Gespräche und Verhandlungen mehr führen, ist das ein weiterer Schritt weg von der bewährten Konsens-Demokratie, die maßgeblich für das Aufblühen der Zweiten Republik verantwortlich war.« Bachner weiter: »Riess-Passers Haltung bestätigt einmal mehr, dass wir mit den ÖGB-Urabstimmungsfragen zur Sozialpartnerschaft und zu gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen völlig richtig liegen. Wir bevorzugen die Konsensdemokratie, scheuen aber keine Konflikte, um die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten.«

Ich glaube auch, dass durch die pausenlosen Angriffe die Menschen noch mehr für unsere Anliegen interessiert werden, dass auch Nichtmitglieder sich mit den Inhalten unserer Urabstimmung auseinander setzen und dass, je lauter das Gezeter wird, desto mehr Menschen skeptisch nach den Hintergründen suchen.

Und diese Hintergründe möchten wir anbieten - mit dem Schwerpunkt eher auf den Argumenten als auf den Parolen. Prüfen Sie, bitte!

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351271860 Privatisierung in Österreich | Bleibt die ÖIAG als Kernaktionär für österreichische Schlüsselunternehmen erhalten? Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich in Österreich rund zwei Drittel der industriell-gewerblichen Produktion und 83 Prozent der Banken in deutschem Eigentum. Um diese zum Teil arisierten oder unter Kriegsbedingungen als Tochterunternehmen deutscher Konzerne errichteten Unternehmen dem Zugriff der Besatzungsmächte zu entziehen und gleichzeitig den Auslandseinfluss auf die österreichischen Schlüsselunternehmen zu minimieren (es fehlte an inländischem Kapital für den Wiederaufbau), einigten sich die damals relevanten politischen Kräfte (ÖVP, SPÖ, KPÖ), den Weg der Verstaatlichung einzuschlagen. Am 26. Juli 1946 wurde daher das 1. Verstaatlichungsgesetz verabschiedet, welches 71 Unternehmen der Bergbau-, Erdöl- und Erdgas-, Stahl- und Grundstoff-, der Maschinen- und Stahlbau-, der Elektroindustrie und der Banken umfasste (der ÖGB hatte ursprünglich die Verstaatlichung von 235 Unternehmen gefordert).

Die »Verstaatlichte«

Erst 1967 entstand die Grundlage des Verstaatlichten-Konzerns im engeren Sinne. Von den ursprünglich 66 verstaatlichten Industrieunternehmen kamen nur noch 21 unter die Treuhandverwaltung der Österreichischen Industrieverwaltungs GmbH (ÖIG). (Die ÖIG wurde schließlich 1970 in eine Aktiengesellschaft, die Österreichische Industrieverwaltungs AG (ÖIAG) umgewandelt und dieser die Aktien der verstaatlichten Industrieunternehmen übertragen.)

Es entstand allerdings ein Konzern, welcher nicht mit rein marktwirtschaftlichen Kriterien messbar und begreifbar war. Abgesehen davon, dass lange Zeit hindurch ein Mitmischen der Verstaatlichten im Bereich der wertschöpfungsintensiveren Finalproduktion politisch verhindert wurde, hatten die verstaatlichten Unternehmen öffentliches Interesse - z. B. über eine entsprechende Preispolitik der Grundstoffindustrie zugunsten von »privaten« Weiterverarbeitungsbetrieben oder Rücksichtnahmen auf regionale Arbeitsmärkte - weit stärker zu berücksichtigen als bei marktwirtschaftlich agierenden Unternehmen üblich. Trotzdem - oder gerade deshalb - wurde die Verstaatlichte zum Motor der österreichischen Industrie und zu einer der wesentlichsten Voraussetzungen für die Institution der österreichischen Sozialpartnerschaft. In Zeiten anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs war sie auch im Bewusstsein vieler Österreicher unumstrittener Bestandteil des wirtschaftlichen Systems Österreichs. Durch die Stärke der Gewerkschaften und Betriebsräte in den großen, gut organisierten Betrieben, aber auch durch die Einflussmöglichkeiten im Wege der Sozialpartnerschaft, kam es im Interesse der dort Beschäftigten zu einer beispielgebenden Lohn-, Gehalts- und Sozialpolitik.

Die Verluste aus defizitären Industrieanlageprojekten und spekulativen Handelsgeschäften im Spätherbst des Jahres 1985 bescherten jedoch der VOEST-ALPINE AG einen Verlust von fast 12 Milliarden Schilling und lösten einschneidende Veränderungen für die künftige Entwicklung der ÖIAG aus. Nach drastischen Managementmaßnahmen in der VOEST selbst (Abberufung des gesamten Vorstandes), wurde auch die ÖIAG auf eine neue gesetzliche Basis gestellt (ÖIAG-Gesetz 1986): Die ÖIAG sollte einen straff organisierten Industriekonzern bilden und wurde mit Weisungsrechten ausgestattet. Auch wurde der Parteienproporz bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates abgeschafft. Die Aufsichtsratsorgane aller Unternehmen des ÖIAG-Konzerns wurden neu bestellt und das ÖIAG-Gesetz in so gut wie allen Bestimmungen - mit Ausnahme des Entsendungsrechts der Bundesarbeitskammer - dem Aktiengesetz angeglichen.

»Eigenleistungen«

Damit wurde auch für die Arbeitnehmer eine neue Ära eingeleitet. Löhne, Gehälter und Sozialleistungen wurden marktgerecht zurückgeschraubt. Die Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften und Betriebsräte gingen unter anderem auch durch die Zerschlagung großer Unternehmenseinheiten immer mehr zurück.

Anfang 1987 einigten sich die beiden Regierungsparteien über Kapitalzuführungen an die verstaatlichte Industrie. Mit dem ÖIAG-Finanzierungsgesetz vom 2. Juli 1987 wurden der ÖIAG 32,9 Milliarden Schilling zugesagt. Dies sollte der letztmalige Zuschuss der öffentlichen Hand sein; weitere zur Sanierung der Unternehmen erforderliche Mittel sollten durch Eigenleistungen, das heißt Privatisierungen, aufgebracht werden.

Somit wurden erstmals Privatisierungen von verstaatlichten Unternehmen als notwendiger Beitrag zur Finanzkraft der Unternehmen angesehen und im Gesetz auch alle gesetzlichen Hindernisse für die Veräußerung von Unternehmen bzw. Anteilsrechten der verstaatlichten Industrie beseitigt.

Sämtliche Unternehmungen der ÖIAG sollten laut Regierungserklärung auf ihre Kapitalmarktfähigkeit geprüft werden und dem österreichischen Aktienmarkt zur Aufbringung zusätzlichen Kapitals nützen.

Als erste größere Privatisierungsaktion wurden 1987 15 Prozent des Aktienkapitals der OMV an die Börse gebracht - es war die bis dahin größte Aktienplatzierung eines österreichischen Industrieunternehmens. 1989 konnten weitere 10 Prozent des Aktienkapitals verkauft werden. Nach der Platzierung der OMV waren keine weiteren Abgaben von Anteilen an den großen Konzernunternehmungen der ÖIAG (damals in Branchenholdings zusammengefasst) geplant, da zur weiteren Mittelbeschaffung die Idee einer Privatisierung der Konzernholding verfolgt und damals (Ende 1989) auch von der Koalitionsregierung unterstützt wurde. Zur Umsetzung dieser Idee wurde 1990 die Austrian Industries (AI) gegründet.

Österreichische Interessen

Die ÖIAG-Finanzierungsgesetz-Novelle 1991, in welcher erstmals von der Wahrung österreichischer Interessen und der Beibehaltung eines österreichischen Industriekonzerns die Rede ist, konnte ihr Ziel, die mittelfristige Privatisierung der AI über die 50-Prozent-Grenze hinaus, nicht erreichen. Der Grund waren die schlechten Ergebnisse in den Jahren 1992 und 1993, bedingt durch Branchenkrisen bei Stahl und Aluminium und eine die eigene Finanzkraft der Unternehmen bei weitem übersteigende Akquisitionspolitik (vor allem im Fall der AMAG). 1993 scheiterte ein letzter Versuch, mit Hilfe eines Gutachtens einer Investmentbank einen um Problembereiche bereinigten AI-Konzern doch noch an die Börse zu bringen, an der anhaltenden Stahlkrise und den Problemen rund um die AMAG.

Das ÖIAG-Gesetz 1993 brachte schließlich die Wende: Am 11. November 1993 kam es zum Abschluss einer neuerlichen (der dritten) Koalitionsvereinbarung zwischen den Regierungsparteien über die Zukunft der ÖIAG-Gruppe: Diese sah die Aufhebung des ÖIAG-Konzerns, die Auflösung der AI (die mit der ÖIAG verschmolzen wurde) und die mehrheitliche Privatisierung aller ÖIAG-Beteiligungen mit Ausnahme des Bergbaubereiches vor. Mit der ÖIAG-Gesetzesnovelle vom 31. Dezember 1993 wurden die Aufgaben der ÖIAG und deren Privatisierungen auf eine neue Basis gestellt. Es war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, die Eigentümerfunktion an den verstaatlichten Industrieunternehmen mehrheitlich bzw. ganz aufzugeben (die zu privatisierenden Unternehmen sind im Gesetz angeführt). Trotzdem lässt das Gesetz sowohl zeitlich (»in angemessener Frist«) als auch inhaltlich (»unter Wahrung österreichischer Interessen, soweit wirtschaftlich vertretbar«) den ÖIAG-Organen genügend Spielraum, um flexibel auf volks- und betriebswirtschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Zur Durchführung der Vorbereitungsmaßnahmen für die Privatisierung gewährte der Bund der ÖIAG ein nachrangiges Darlehen in Höhe von 7,5 Milliarden Schilling.

Letzte Meldung:

Pfandl verscherbelt

In der letzten Aufsichtsratssitzung der ÖIAG am 13. 9. 2001 ging der Verkauf des Wiener Dorotheums über die Bühne
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Der Zuschlag ging an das österreichische Internet-Auktionshaus »OneTwo Beteiligungs- und Managementberatungs GmbH« (OneTwoSold), welches laut ÖIAG das höchste Offert gelegt hatte.

Eigentümer der Gesellschaft sind Christoph Dichand, Sohn des »Krone«-Eigentümers Hans Dichand, sowie Erwin Soravia junior aus der Kärntner Bauindustriellenfamilie Soravia (»Bau Holding Strabag«). Es wurde eine Garantie bezüglich Weiterführung aller Geschäftsbereiche abgegeben. Der Kaufpreis beträgt rund eine Milliarde Schilling. Weiters wurde bei der Strohal Rotations Druck GmbH der Privatisierungsprozess eingeleitet. Die Holding der Firma Strohal, die Print Media Austria, wurde mit der ÖIAG verschmolzen.

Beteiligungsstruktur ÖIAG per Ende 1993

Gemäß dem Auftrag des ÖIAG-Gesetzes 1993 wurde Anfang 1994 ein erstes Privatisierungskonzept für den Zeitraum 1994-1996 ausgearbeitet und in den Jahren seit 1994 entsprechend den Zielsetzungen diese Konzepts umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen durchgeführt. Ziel war vor allem eine Reduzierung der Schulden, damit das verbleibende Beteiligungsvermögen der ÖIAG möglichst durch Eigenmittel finanziert werden konnte.

Dazu nur einige Beispiele: Noch im Mai 1994 wurden 51 Prozent der VA Technologie AG über die Börse privatisiert, wobei etwa zwei Drittel davon an Investmentfonds in Großbritannien und den USA gingen. Eine arabische Investmentgesellschaft kaufte noch im gleichen Jahr 20 Prozent des OMV-Aktienkapitals. Der steirische Leiterplattenproduzent AT&S wurde zu 100 Prozent an das Management und einen Privatinvestor verkauft. Vollständig privatisiert wurden auch der Chiphersteller AMS und der Weichenbauer VAE. Ähnlich wie bei der VA Technologie verlief der Börsegang bei Böhler Uddeholm AG (BUAG), wo im März 1995 und auch im März 1996 insgesamt die Mehrheit der BUAG-Anteile an der Börse platziert wurden. Institutionelle Anleger aus Großbritannien und den USA sicherten sich einen erheblichen Anteil am österreichischen Weltmarktführer. Wie auch bei der VA Stahl AG, wo bis Anfang 1996 die ÖIAG ihren Anteil auf 38,8 Prozent reduziert hat, wobei allerdings der Mehrheitsanteil an der VA Stahl (im Gegensatz zur BUAG) im Inland verblieb (eigentumsmäßige Verschränkung zwischen VA Stahl und VA Tech). Der Verkauf von 100 Prozent der AMAG an die Bietergruppe Hammerer (AMAG-Management) und der österreichischen Constantia-Gruppe im November 1996 war eigentlich nicht Teil des 1. Privatisierungskonzeptes, welches Privatisierungserlöse im Umfang von 22,8 Milliarden Schilling brachte.

Mit dem Bundesgesetz betreffend die Übertragung von Kapitalbeteiligungen des Bundes an die ÖIAG und der Novelle zum ÖIAG-Gesetz 1996 wurden der ÖIAG neue Privatisierungsaufgaben übertragen. Die Anteilsrechte des Bundes an der Austria Tabak AG und an der Österreichischen Salinen AG wurden zum Zweck der Umstrukturierung und Privatisierung in das Eigentum der ÖIAG übergeführt. Im März 1998 wurden der ÖIAG zum Zweck der Privatisierung die Anteilsrechte am Dorotheum übertragen und im Juli 1998 auch die Anteilsrechte an der Österreichischen Staatsdruckerei AG (nunmehr Print Media Austria AG und Österreichische Staatsdruckerei GmbH). Im gleichen Jahr wurden auch die Bundesanteile an der Austrian Airlines (51,94 Prozent) und dem Flughafen Wien (17,38 Prozent) an die ÖIAG übertragen. Aufgrund einer Kapitalerhöhung, bei der die ÖIAG ihre Bezugsrechte nicht nutzte, fiel der ÖIAG-Anteil an der AUA im Mai 1999 auf 39,7 Prozent.

Beteiligungsstruktur ÖIAG per Ende 1996

Als Teil des zweiten Privatisierungskonzeptes für den Zeitraum 1997- 1999 wurde im April 1997 die Privatisierung der Österreichischen Salinen AG durchgeführt. Ebenso veräußerte die ÖIAG einen Anteil von 49,5 Prozent an der Austria Tabak AG (davon gingen 62 Prozent an britische und amerikanische Anleger). Aus beiden Veräußerungen ergaben sich Privatisierungserlöse in Höhe von etwa 8,1 Milliarden Schilling.

Die Privatisierungen der Unternehmen der ehemaligen Verstaatlichten erfolgten bis dato zum Teil zu 100 Prozent und zum Teil hat die ÖIAG Restbeteiligungen behalten, und zwar dort, wo aus wirtschaftspolitischer bzw. industriepolitischer Sicht eine strategische Bedeutung wahrgenommen wurde. In den wesentlichen Industrien des früheren ÖIAG-Konzerns, wie OMV, VA Stahl, VA Tech und Böhler Uddeholm, wurde die ÖIAG zwar zum Minderheitseigentümer, blieb jedoch als Kernaktionär der jeweils wichtigste einzelne Einflussfaktor auf Hauptversammlungs- und Aufsichtsratsebene.

Die Unternehmen des ÖIAG-Portfolios (Austrian Airlines, Austria Tabak, Böhler Uddeholm, OMV, VA Stahl, VA Tech, Wiener Flughafen) und der 100-Prozent-Beteiligungen (Dorotheum, Print Media Austria, Staatsdruckerei, ÖBAG) beschäftigten per Ende 1999 insgesamt 66.428 Mitarbeiter, die einen Umsatz von rund 251 Milliarden Schilling erwirtschafteten. Die Unternehmen des PTBG-Bereichs (Telekom Austria, Post, PSK) beschäftigten 55.874 Mitarbeiter und erzielten einen Umsatz von rund 75,9 Milliarden Schilling (ohne PSK). Der Vorstand der ÖIAG war mit dem Vorstand der Post- und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (PTBG) identisch. Rechnet man beide Gruppen zusammen, ergab sich ein Umsatzvolumen von etwa 326 Milliarden Schilling bei einer Mitarbeiterzahl von 122.571.

Beteiligungsstruktur ÖIAG/PTBG 1999

Mit dem Antritt der neuen Bundesregierung im Februar 2000 und der Verabschiedung des ÖIAG-Gesetzes 2000 stellen sich für die ÖIAG-Entwicklung, aber auch für die österreichische Wirtschaftspolitik insgesamt neue Weichen. Die Regierung hat sich zwecks Schuldenabbau in ihrem Programm zum Ziel gesetzt, die wichtigsten österreichischen Unternehmen, an denen der Staat noch Anteile hält, zu verkaufen.

Das im April 2000 im Parlament beschlossene ÖIAG-Gesetz 2000 stellt eine Pauschalermächtigung zur Privatisierung dar. Die Privatisierungspolitik der Regierung wird durch das Ziel des Schuldenabbaus dominiert, wirtschafts- bzw. industriepolitische Erwägungen treten in den Hintergrund. Angesichts des innerhalb eines kurzen Zeitraums zu tilgenden Schuldenbestandes besteht grundsätzlich die Gefahr des Ausverkaufs unter Zeitdruck und damit des Verschleuderns von Staatsvermögen (wie noch dargestellt wird, hat sich diese Befürchtung bewahrheitet).

Auf Grundlage des ÖIAG-Gesetzes 2000 wurde die ÖIAG mit der Postholding PTBG (rückwirkend) per 31. 12. 1999 zusammengeführt, wodurch die ÖIAG auch die Finanzverbindlichkeiten der PTBG übernommen hat.

Bereits in der Sitzung des Ministerrats vom 29. Februar 2000 wurde festgelegt, dass neben der Österreichischen Staatsdruckerei, dem Dorotheum und der Print Media Austria, der Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom Austria und die Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden sollen. Bis zum Jahr 2003 soll diese erste Privatisierungsphase bereits abgeschlossen sein. In einer zweiten Privatisierungsphase wird seitens der Regierung auch die vollständige Privatisierung folgender Unternehmen in Erwägung gezogen: VA STAHL, OMV, BÖHLER UDDEHOLM, VA Technologie, Austrian Airlines und die Österreichische Post AG.

Für das Jahr 2000 war vor allem die Privatisierung der PSK (zu 100 Prozent) in Höhe von budgetierten 11,9 Milliarden Schilling und der Telekom Austria (1. Tranche 25 Prozent) in Höhe von budgetierten 25,9 Milliarden Schilling vorgesehen. Der Verkauf der PSK an die BAWAG hat mit 17,8 Milliarden Schilling den geplanten Erlös weit übertroffen.

Erwarteter Flop ...

Die erste Tranche der geplanten Totalprivatisierung der Telekom Austria ging am 21. November 2000 über die Bühne und wurde hingegen (erwartungsgemäß) ein Flop. Eine Privatisierung, die unter großem politischem Druck innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden muss, führt notgedrungen zu einer Verschleuderung von Vermögenswerten. Nur wenige Monate zuvor war von einem hochrangigen Vertreter der Regierung Folgendes zu hören: »Eine Verzögerung der Telekom-Privatisierung würde nichts bringen. Man muss sich einfach getrauen, die Unternehmen endlich zu verkaufen und nicht immer diskutieren, wie hoch der Preis sein könnte« (»Wirtschaftsblatt« vom 10. 5. 2000). Es war tatsächlich der denkbar schlechteste Zeitpunkt für den Telekom-Börsegang. Im Oktober und November 2000 gaben die Börsen weltweit nach. Telekommunikations-Werte waren zu jener Zeit wenig gefragt. Der Absturz der Head-Aktie an der Wiener Börse veranlasste damals Andritz und auch die zur VA Tech-Gruppe gehörende AI-Informatics, ihre Börsegänge auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das ursprünglich von der ÖIAG geplante Emissionsvolumen von 28 Prozent der TA wurde auf 25,8 Prozent reduziert. Der zum Zeitpunkt des Börseganges erwartete Verkaufserlös (exklusive Sonderrabatte für Privatanleger und Mitarbeiter) lag bei 15,9 Milliarden Schilling. Da der Emissionspreis unter der Mindestpreis-Vereinbarung von 11,87 Euro je Aktie lag, die mit der Telecom Italia bei deren Einstieg in die TA getroffen wurde, musste die ÖIAG den Italienern Gratisaktien im Ausmaß von 4,8 Prozent an der TA überlassen. Telecom Italia hatte knapp zwei Jahre zuvor für ihr Sperrminoritätspaket rund 27,5 Milliarden Schilling zu bezahlen. Der Anteil der ÖIAG an der TA wäre damit von 75 Prozent minus einer Aktie auf 44,4 Prozent gesunken und der Anteil der Telecom Italia von 25 Prozent plus einer Aktie auf 29,8 Prozent gestiegen (bei 25,8 Prozent Streubesitz). Im Endeffekt fiel der Börsegang aber noch schlechter aus: Da nur 22,4 Prozent der Aktien im Wert von 13,8 Milliarden Schilling verkauft werden konnten, hat sich der ÖIAG-Anteil auf 47,8 Prozent reduziert (Telecom Italia: 29,8 Prozent).

Vollprivatisierung

Die ÖIAG zog die Vollprivatisierung der börsennotierten Austria Tabak zeitlich etwas vor. Die Austria Tabak war seit ihrer Gründung als Österreichische Tabakregie im Jahr 1748 im Staatseigentum und wurde in zwei Schritten (1997 und 1999) mehrheitlich privatisiert. Die ÖIAG hält derzeit noch 41,1 Prozent des Aktienkapitals von AT, hat aber am 21. 6. 2001 einen Kaufvertrag mit der britischen Gallaher Group Plc abgeschlossen. Demnach übernimmt Gallaher das gesamte ÖIAG-Paket zu einem Preis von 10,6 Milliarden Schilling (85 Euro pro Aktie). Das Closing wird voraussichtlich im Herbst über die Bühne gehen. 58,9 Prozent befinden sich im Streubesitz. Rund die Hälfte des Streubesitzes entfällt auf österreichische Aktionäre. Der Rest wird von internationalen institutionellen Investoren, ein Großteil davon aus dem angloamerikanischen Raum, gehalten. Neben der ÖIAG existiert noch ein weiterer Aktionär, der einen Anteil von mehr als 5 Prozent hat, nämlich die Crédit Industriel d'Alsace et de Lorraine, die mit Stand Ende Juni 2001 6,4 Prozent an AT halten. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass durch den möglichen Wegfall des Lizenzgeschäftes (wenn einer der Lizenzgeber mehr als 15 Prozent der Anteile erwirbt, haben die anderen das Recht, ihren Lizenzvertrag zu kündigen) ein erheblicher Teil des Umsatzes wegbrechen könnte und dies daher für die Beschäftigten sehr negative Folgen hätte (Betriebsschließungen). Im Zuge des Erwerbs haben jedoch die Lizenzgeber zugesagt, die Verträge nicht zu kündigen, und seitens Gallaher wurde eine dreijährige Standortgarantie abgegeben. Galaher beabsichtigt, noch im Herbst 2001 den übrigen Aktionären ein Angebot zu unterbreiten, was dazu führen kann, dass Gallaher sämtliche Aktien der AT erwirbt.

Feindliche Übernahmen?

Bei Böhler Uddeholm und der VA Stahl gibt es vor dem Hintergrund der Debatten rund um die Privatisierungspolitik der ÖIAG Initiativen, um die Unternehmen vor feindlichen Übernahmen zu sichern. Während bei Böhler - zumindest nach Medienberichten - die Übernahme des ÖIAG-Anteils durch die Unternehmensleitung gemeinsam mit Finanzinvestoren im Gespräch ist, setzt der VA Stahl-Konzern auf eine Kombination aus Mitarbeiter- und Managementbeteiligung. Seitens der ÖIAG wird jedoch immer wieder beteuert, dass die ÖIAG-Anteile an den beiden Stahlkonzernen VA Stahl und Böhler Uddeholm (Anmerkung: in dieser Legislaturperiode) nicht zur Disposition stünden. Die ursprünglich geplante Abgabe von 8 Prozent VA Stahl-Aktien wurde aufgrund der schlechten Börsesituation im Jahr 2000 gestoppt. Im Rahmen des Verkaufs von 9 Prozent der VA Stahl-Aktien seitens der VA Tech (VA Tech war mit 19,93 Prozent an der VA Stahl AG beteiligt) wurden im Juli 2000 - im Rahmen eines Aktienrückkaufprogramms - eigene Aktien im Ausmaß von 4,01 Prozent gekauft. Gemeinsam mit dem bereits im April 2000 erfolgten Erwerbs von 1 Prozent ihres Grundkapitals an der ÖIAG (ÖIAG-Anteil an VA Stahl reduzierte sich damit auf 37,8 Prozent), konnte die VA Stahl letztlich 5,01 Prozent eigene Aktien für ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell verwenden, das noch vor dem Sommer 2001 beschlossen wurde (»VA STAHL-Arbeitnehmer-Privatstiftung«). Der restliche VA Stahl-Anteil von 4,99 Prozent wurde von der VA Tech an einen institutionellen Finanzinvestor abgegeben. Die sich daraus ergebende VA Tech-Beteiligung an der VA Stahl von 10,93 Prozent wurde durch weitere Anteilsverkäufe an die Oberbank zunächst auf 5,94 Prozent reduziert - letztlich will sich die VA Tech ganz zurückziehen. Auch die VA Stahl beabsichtigt, ihre Beteiligung an der VA Tech abzustoßen.

Die ÖIAG, ursprünglich ebenso wie Wien und Niederösterreich mit 17,38 Prozent am Flughafen Wien beteiligt, zog sich nach und nach zurück. Durch den Verkauf von jeweils 2,62 Prozent durch die ÖIAG im Oktober 2000 hat sich ursprünglich der Anteil dieser beiden Bundesländer auf je 20 Prozent erhöht. Mittels Aktienrückkauf (10 Prozent) wurde eine Mitarbeiterstiftung eingerichtet. Bis März 2001 hat die ÖIAG die restlichen Flughafen-Anteile an institutionelle Investoren im In- und Ausland verkauft. Der Bund hält somit keine Anteile mehr am Flughafen Wien.

Neben dem großen Brocken Austria Tabak sollen im laufenden Jahr 2001 noch das Dorotheum (siehe Kasten) und die Print Media Austria mit deren 100-Prozent-Tochter Strohal-Druck privatisiert werden. Der Bereich Postbus wurde per Gesetz von der Post AG zu 100 Prozent der ÖIAG übertragen (»Österreichische Post Bus AG«).

Beteiligungsstruktur ÖIAG per August 2001

Wertschöpfungsintensive Unternehmensbereiche von international tätigen Konzernen, also jene mit hoher Entscheidungs- und Investitionsverantwortung (z. B. Spitzenmanagement, Planung, Forschung und Entwicklung, qualitativ hochwertige Fertigung), haben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ihren Standort im Land der Muttergesellschaft. Darüber hinaus ist die Konzernspitze überdurchschnittlich häufig im Land der dominierenden Eigentümer angesiedelt. Das bedeutet, dass bei der Übernahme eines bisher im inländischen Besitz stehenden selbständigen Unternehmens durch ausländische Eigentümer das Risiko des Verlustes an »strategischer« Wertschöpfung an die Muttergesellschaft besteht. Davon betroffen sind im Regelfall nicht nur die höher qualifizierten Arbeitsplätze im Unternehmen selbst, sondern auch in den Zulieferbereichen, insbesondere in jenem der industrienahen Dienstleistungen. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Standort auch insgesamt an Attraktivität verliert.

Die Unternehmen eines strategisch bedeutenden Sektors sind nahezu in allen Industrieländern mehrheitlich in inländischem Besitz. Sie sind zumeist auch keine Publikumsgesellschaften bzw. Unternehmen mit ausschließlichem Streubesitz, sondern Unternehmen im Kernbesitz weniger Großaktionäre. Die Erhaltung starker Industriekerne ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Land nicht zum Globalisierungsverlierer wird.

Die strategische Eigentümerfunktion haben bisher in Österreich wie auch in vielen anderen europäischen Staaten die öffentlichen Hände auf verschiedenen Ebenen ausgeübt. Teilweise wird durch ein ausgeklügeltes System an wechselseitigen Beteiligungen die Beherrschung eines Konzerns durch inländische Banken, Versicherungen, Unternehmerfamilien, Bundesländer und Kommunen (Beispiele: Deutschland, Schweden) sichergestellt. Dies gibt es in Österreich jedoch kaum (auch die eigentumsmäßige Verflechtung von VA Tech und VA Stahl ist bald Vergangenheit). Im Falle des Rückzugs der öffentlichen Hand als Kernaktionär besteht gerade in Österreich die Gefahr von feindlichen Übernahmen aus dem Ausland, womit ein Ausverkauf von österreichischen Schlüsselunternehmen ans Ausland - mit negativen Folgewirkungen für die Beschäftigten der betroffenen Unternehmen, ihren Zulieferern und damit auch ganzer Regionen - kaum zu verhindern wäre.

Umdenkungsprozess?

Es geht letztlich nicht nur um strategisch wichtige Unternehmen, z. B. im Sinne der nationalen oder kommunalen Versorgungssicherheit, sondern um die Erhaltung von Konzernzentralen in Österreich, und damit um Standortabsicherung guter Unternehmen, die die Entscheidungskompetenz haben und mit qualitativ hochwertigen Produkten hochwertige Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationen und hohem Einkommen schaffen.

Die ÖIAG müsste daher von einer reinen Privatisierungsholding in eine Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Interessen des Staates umgewandelt werden - im Sinne von gesetzlich klar definierten Zielsetzungen. Nur wenn die strategische Eigentümerfunktion des Staates in Form einer Verpflichtung zum Halten von zumindest 25 Prozent + 1 Aktie des stimmberechtigten Kapitals bei wichtigen österreichischen Schlüsselunternehmen festgeschrieben ist, können langfristig wichtige Unternehmensentscheidungen beeinflusst und ein Ausverkauf verhindert werden. Die ÖIAG kann jedoch, wenn in den wachstumsorientierten Unternehmensbeteiligungen Kapitalerhöhungen stattfinden, nicht mitziehen. Damit würde ihr Anteil - auch ohne weitere Privatisierungsmaßnahmen - automatisch verdünnt und mitunter auch unter 25 Prozent absinken. Zwecks Absicherung des Einflusses müsste die ÖIAG daher eine ausreichende Eigenmittelausstattung erhalten.

Dazu bedarf es allerdings eines politischen Umdenkprozesses. Die derzeitige Regierung hat sich von Anfang an zu anderen Prioritäten wie Schuldenabbau um jeden Preis und Privatisierung um der Privatisierung willen als zu einer langfristig verantwortungsvollen Industrie- bzw. Wirtschaftspolitik bekannt.

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Miron Passweg http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351271843 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351271852 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351271800 Konsumentenmacht gegen Wirtschaftskannibalismus | Ethisches Konsumieren als Ausweg aus der Krise? Seit Beginn dieses Jahres haben multinationale Konzerne - soweit bekannt - mehr als 100.000 Arbeitsplätze abgebaut. Darunter so prominente Unternehmen wie ABB, Alcatel, American Express, Compaq, 3M, Ericsson, Nokia, Roche, Schering und Siemens. Was ist mit der Wirtschaft los? Verunsicherte Manager sprechen von schwierigen Marktbedingungen, der Schwäche der US-Wirtschaft, dem zunehmenden Konjunkturabschwung in Europa und im pazifischen Raum Asiens sowie von damit in Verbindung stehenden Gewinnrückgängen. Jetzt gehe es darum, Kosten zu senken, Effizienz, Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, um das Einkommenswachstum in einem unsicheren globalen Umfeld sicherzustellen.

Und das alles, obwohl die meisten Konzerne noch immer einen beträchtlichen Gewinn erwirtschaften. Doch um Gewinne allein geht es nicht mehr: Der Shareholder-Value, also der Wert eines Unternehmens für Anleger, steht im Vordergrund. Denn mittlerweile stellen die meisten Aktien ein reines Spekulationsobjekt dar, das durch Kauf und Verkauf möglichst hohe Erträge erzielen soll. Ein Spiel, bei dem inzwischen auch mehr und mehr Konsumenten aufgrund ihres erstarkenden Vorsorgeverhaltens mitmachen, indem sie ihr Geld in Aktienfonds oder direkt in Aktien investieren. Und um Renditen und Aktienkurse zu steigern, werden häufig Arbeitskräfte abgebaut, atypische Beschäftigungsverhältnisse forciert, Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagert, die Dritte Welt ausgebeutet, Druck auf Mitarbeiter und Geschäftspartner ausgeübt, Umweltschutzmaßnahmen vernachlässigt usw.

Wir stoßen an Grenzen

Doch das ist nur eine Facette unserer derzeitigen Wirtschaftssituation. Denn Tatsache ist, dass in unserer Gesellschaft, die auf Wachstum basiert, mehr und mehr Grenzen sichtbar werden: Die Märkte sind übersättigt, lediglich konsumentenorientierte Innovationen könnten Abhilfe schaffen. Doch diese werden immer spärlicher. Neue »Features«, die beispielsweise die Bedienung elektrischer und elektronischer Geräte erschweren, stellen leider eine Sackgasse dar.

Dazu kommt eine sinkende Kaufkraft. Wenn auch gerade die Österreicher mittlerweile ihre Sparbücher strapazieren (mitunter auch aus Angst vor der Euro-Umstellung), so geht der Realwirtschaft nicht zuletzt aufgrund des bereits erwähnten Vorsorgeverhaltens einiges Geld verloren.

Dass in einer solchen Situation die Jagd nach dem Billigstpreis im Vordergrund steht, versteht sich von selbst. Dies führt aufgrund des verstärkten Wettbewerbs zu einem aggressiven Preiskampf. Der mehr und mehr konzentrierte Handel gibt den Druck an die Produzenten weiter, was zu weiteren Rationalisierungsmaßnahmen führt. Nicht zuletzt kommt es zu Unternehmenszusammenlegungen und Übernahmen, was meist zu einem weiteren Arbeitskräfteabbau und Ähnlichem führt. Die Kaufkraft der Konsumenten sinkt weiter. Die Spirale nach unten dreht sich noch schneller.

Unzufriedenheit mit Wirtschaftsleben steigt

Laut einer Repräsentativumfrage, die vom IMAS International (Institut für Markt- und Sozialanalysen) sowie von Synerga (Agentur für Kommunikationsmanagement & Unternehmenskulturentwicklung) durchgeführt wurde, sind 60 Prozent der Österreicher zutiefst unzufrieden mit dem heutigen Wirtschaftsleben. 72 Prozent wünschen sich Informationen über das Verhalten von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft, denn sie glauben, dass man als Konsument durch das eigene Kaufverhalten das Verhalten von Unternehmen beeinflussen kann.

Um Konsumenten diese Informationen bieten zu können, initiierte der Verein für Konsumenteninformation unter Mitarbeit von Synerga das EU-Projekt »Ethischer Konsum - Förderung verantwortungsbewussten Kaufverhaltens«.

Darauf aufbauend begann die Zeitschrift »Konsument« als erstes klassisches Testmagazin vergleichende Warentests - bei denen Qualität und Preis unter die Lupe genommen werden - mit dem Urteil über das mehr oder weniger verantwortungsbewusste Unternehmensverhalten zu ergänzen. Die positiven Reaktionen der Leser waren enorm.

Was wird getestet?

Diese Unternehmenstests werden vom Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft (IMUG), von der Universität für Bodenkultur (Institut für Agrarökonomie) und von Synerga durchgeführt. Letztere Organisation bezieht bei ihrem Testverfahren als einzige auch Mitarbeiter und Betriebsräte mit ein. Getestet werden von ihr unter anderem:

  • Informationsqualität
    —Informationsverhalten gegenüber Mitarbeitern, Kunden und der Öffentlichkeit.
    —Soziale Verantwortung
    —Umgang mit Mitarbeitern
  • Betriebsklima
    —Entlohnung der Mitarbeiter
    —Rücksichtnahme auf Problemgruppen
    —Verhalten gegenüber Geschäftspartnern
    —Regionale Verantwortung.
  • Kundenfreundlichkeit
    —Umgang mit Kunden
    —Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten
    —Entgegenkommen bei Reklamationen
    —Servicemöglichkeiten.
  • Umweltverantwortung
    —Rücksichtnahme auf die Umwelt im Produktionsprozess, bei der Auswahl der Rohstoffe, beim Transport usw.
    —Minimierung des Verbrauchs an Energie, Roh- und Hilfsstoffen, Verpackungsmaterialien usw.
    —Verminderung von Abfall sowie umweltbelastender Emissionen in Wasser, Luft und Boden.

Dabei handelt es sich um Testkriterien, die ebenfalls auf einer IMAS-Synerga-Repräsentativumfrage basieren. Hierbei wurde festgestellt, was die österreichische Bevölkerung in erster Linie an Unternehmen interessiert und auch ihr Kaufverhalten beeinflussen würde.

Umstrukturierungen sind notwendig

Durch die Erkenntnis, dass wir mehr und mehr an Grenzen stoßen, wird ein notwendiger Wandel der Wirtschaftsstrukturen deutlich. Doch nicht alle Maßnahmen sind sinnvoll. So warnt das von der Kommission der europäischen Gemeinschaften vorgelegte Grünbuch »Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen« vor unüberlegten Betriebsverkleinerungen, Fusionen und Übernahmen: »Nach einer Studie erreichen weniger als ein Viertel aller Umstrukturierungsmaßnahmen ihr Ziel des Kostenabbaus, der Produktivitätssteigerung, der Qualitätsverbesserung und der Verbesserung des Kundendienstes, da sie oft die Motivation, Loyalität, Kreativität und Produktivität der Arbeitnehmer beeinträchtigen.«

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Kurt E. Simperl (Kommunikations- und Unternehmenskulturberater) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1196351271792 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261384 Der Informationstechnologe: Berufsbild unbekannt Dem lautstarken Ruf der Wirtschaft nach »IT«- beziehungsweise »IKT«-Fachkräften hat Frau Diplomingenieur Edeltraud Hanappi-Egger genauer nachgespürt. Mit ihren Studierenden an der Wiener Technischen Universität hat die Professorin für Informatik die Stellenausschreibungen der Rubrik »Informationstechnologie« oder auch »Informations- und Kommunikationstechnologie« unter die Lupe genommen. Da tauchen viele »Qualifikationsschlagworte« auf, häufig fehlen differenzierte Ausschreibungsprofile. Das dämpft das Interesse - besonders bei Frauen. »Viele glauben, es wird eine Art Wunderwuzzi gesucht«, meint Hanappi-Egger, »dabei wären oft die Fähigkeiten - mit ein bisschen Nachschulung vielleicht - ohnehin vorhanden.«

Silicon-Alps- Qualifizierungsoffensive

Soll nicht heißen, dass es sie nicht gäbe: die IT-Branche, mit ihren Booms und Flauten. Derzeit ist eher die Flaute der Fall. Von »absoluter Entkrampfung« in der einschlägigen »Fachkräfteknappheit« sprechen Arbeitsmarktexperten. Firmen wie Alcatel, Hewlett Packard, Infineon oder Kapsch planen, hoch qualifizierte Mitarbeiter »abzubauen«. Von Kapsch etwa wurden 250 im AMS-Frühwarnsystem vorangemeldet. Die Belegschaft fürchtet bis zu 450 Kündigungen.

Eine »gewisse Menge an Freisetzungen« beobachtet auch Susanne Rauscher, Pressesprecherin des AMS. IT-Fachkräfte kämen zwar immer noch »woanders unter. Die starke Nachfrage wie früher gibt es aber nicht mehr«.

Zweifel an den Prognosen über drohenden Fachkräftemangel gab es bereits während des heimischen »IT-Booms« zu Jahresbeginn. Von den 132 IT-Fachkräften etwa, die unter der Bezeichnung »Silicon-Alps-Qualifizierungsoffensive« vom AMS in Kärnten ausgebildet worden waren, fand ein Drittel keinen Arbeitsplatz. Gegenüber der Presseagentur APA äußerte der Kärntner AK-Präsident Josef Quantschnig damals den Verdacht, »dass die Wirtschaft weit überhöhte Prognosen abgibt, um auf diese Weise billigere Fachkräfte aus dem Ausland zu holen. Die Betriebe sollten«, riet Quantschnig, »zudem nicht generell von Computerfachkräften sprechen, sondern die Qualifikationsanforderungen genauer definieren.«

AK und IT

Gratis kann in der AK-Bibliothek in Wien im Internet gesucht und elektronische Post verschickt und empfangen werden.

* AK-Bibliothek, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, Mo-Fr 13 bis 19.30 Uhr, Sa 9 bis 12 Uhr

Seriöse Bedarfsanalyse

Eine seriöse Bedarfsanalyse forderte damals (im Mai) auch GPA-Vorsitzender Hans Sallmutter. Als temporäre Überbrückung sei für die GPA eine Ausweitung der Zuwandererquote vorstellbar. Vorrangig sind es jedoch Initiativen bei der Aus- und Weiterbildung. »Zumindest mit einem Schmunzeln« nimmt auch die Informatikerin Hanappi-Egger die Stellenangebote wahr. Sie hat den Verdacht, »dass viele Ausschreibungen eher strategisch sind, um der Konkurrenz Dynamik zu signalisieren«.

Vor allem eine Präzisierung der Aufgaben bei Stellenangeboten wünschen sich die Arbeitsmarktexperten. Seriöse Vergleiche, etwa was den europäischen Arbeitsmarkt betrifft, sind ohne genaue Berufsbilder nicht möglich. Derzeit sind internationale Informatikverbände und auch die Österreichische Computergesellschaft, ÖCG, mit Definitionen von »IT-Arbeitern« beschäftigt, die einem allgemeinen Vergleich standhalten können.

Generell sind Tätigkeiten im Bereich der »IT«- oder »IKT«-Branche in der Entwicklung von Software, Kommunikationssystemen und Medieninformatik anzusiedeln. »Aber die Vorstellungen, was etwa genau ein Netzwerkspezialist oder ein Datenbankexperte können muss, sind völlig unterschiedlich«, weiß Hanappi-Egger.

Sie ist nicht nur eine der sechs Professorinnen - gegenüber 281 Professoren an der Technischen Universität. Als Leiterin des »Arbeitskreises IT für Frauen« nutzt sie die - trotz aller Schwankungen - dennoch günstige Nachfragesituation auf dem IT-Arbeitsmarkt, um die indirekten Zugangsbarrieren für Frauen zu orten und durch Netzwerke interessierter Frauen abzubauen.

Interessante Adressen im Bereich Informations- technologie für Menschen allgemein:

Die Informations-, Beratungs- und Anmeldezentren des Berufsförderungsinstituts (bfi).

* IBA-Zentrum 1090 Wien, Kinderspitalgasse 5; Tel.: (01) 404 35-121
* IBA-Zentrum 1120 Wien, Schönbrunner Straße 213/3. OG; Tel.: (01) 810 26 62-300

Adressen zu den einzelnen Landesstellen: www.bfi-wien.or.at

Einen übersichtlichen Leitfaden im Ausbildungsdschungel der IT-Branche hat die Österreichische Computergesellschaft geschaffen. Natürlich im internet: www.it4u.ocg.at. Beantwortet werden hier auch die vielen Vokabel aus dem »Fachdinglish«.

»TechnikerInnen«?

Ihr fehlt nicht nur »ein differenziertes Ausschreibungsprofil auf dem Stellenmarkt. Die Darstellung der Berufsbilder ist immer noch nicht geschlechtsneutral. So ist immer noch von der Telefonistin und dem EDV-Spezialisten die Rede. »Vielfach wird heute als >IT< bezeichnet, was früher >klassisch< benannt wurde: etwa die Sekretärin, die früher auch die EDV im Betrieb beaufsichtigt hat.« So manche Wiedereinsteigerin würde sich nicht auf eine Anzeige »EDV-Spezialist gesucht« melden, selbst wenn sie die eigentlich gesuchten Kenntnisse hat.

An den vielen indirekten Barrieren für Frauen in technischen Berufen hat sich in den letzten zehn Jahren nichts geändert, ist die Informatikprofessorin überzeugt. Daran kann auch der aktuelle Medienhit, Frauen und Technik als kompatible Phänomene darzustellen, wenig ändern. Zumindest nicht, solange die Wirklichkeit anders aussieht. Etwa das Angebot dreimonatiger Intensivmodule für Datenbankspezialisten: im Sommer, wenn Kinder Schulferien haben. Besonders für Wiedereinsteigerinnen sind die teuren Kurse auch eine finanzielle Frage, weiß Hanappi-Egger.

Wichtige Adressen für Frauen und Mädchen in IT-Berufen

* Sprungbrett

1150 Wien, Pilgerimgasse 22-24/1; Tel.: (01) 789 45 45

URL: www.sprungbrett.at
Unterstützt von den ÖGB-Frauen werden Info-Tage in höheren Schulen veranstaltet. Unter dem Motto »FIT« - Frauen in die Technik - lernen Mädchen Institute der Technischen Universität kennen und besuchen Seminare zur eigenen Karriereplanung.

* Techno Media Center

1060 Wien, Gumpendorfer Straße 83; Tel.: (01) 595 21 55

E-Mail: team@tmc.abzwien.at

Ein Projekt der Non-Profit-Organisation ABZ in Wien (Arbeit, Bildung und Zukunft für Frauen). Alles von Basisausbildung in der Netzwerkinstallation und -verwaltung, Datenbankaufbau und -management, Nutzung von Internet und Basteln eigener Homepages. Erwerbslose Frauen sind dabei für ein Jahr beim ABZ Wien angestellt.

* Waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds)

1020 Wien, Nordbahnstraße 36; Tel: (01)212 30 40

E-Mail: waff@waff.at

* AMS (Arbeitsmarktservice) Wien

AMS Jugendliche 1070 Wien, Herrengasse 36; Tel.: (01) 526 57 52;

E-Mail: ams.jugendliche@907.ams.or.at

Interessante Ausbildungen für junge Frauen zwischen 15 und 21 Jahren im EDV- und IT-Bereich. Bei den Kursmodulen »Girls Go Technics!« und »Girls@work!« können arbeit- oder lehrstellensuchende Mädchen Basiswissen und praktische Berufserfahrung bei IT-Unternehmen erwerben. Spezialwissen kann im Anschluss an die Grundausbildung vertieft werden.

* ega-Frauenkommunikationszentrum

1060 Wien, Windmühlgasse 26; Tel.: (01) 589 80-0

Zahlreiche Kurse rund um IT und EDV, zudem auch Trainingsangebote wichtiger Fähigkeiten, wie Selbstmanagement oder Stressbewältigung.

Dinglish

Abschreckend ist auch die Sprache, ein »Dinglish«, wie es die in Deutschland lebende amerikanische Komikerin Gayle Tufts bezeichnet: Einfache Sachverhalte werden durch englisch klingende Wortschnipsel verkompliziert. Warum auch »Software zum Mieten« sagen, wenn es »Application Providing Service« gibt. Warum »Marktstrategin für Internetwerbung«, wenn man bei »active agent« wenigstens nicht weiß, worum es geht? Die Wortklauberei hat durchaus auch psychologischen Effekt. So wird das Kürzel »IT« oft mit Hektik, Workaholismus und Ellbogentechnik verbunden. »Auch mit Unkommunikativ-vor-einem-Kastl-Sitzen«, sagt die Informatikerin Hanappi-Egger, »und das kommt besonders bei Frauen, die anders sozialisiert wurden, nicht gut an.«

In einer Faktensammlung zum Problem »Fachkräftemangel im IT-Bereich«, die der ÖGB-Bildungssekretär Alexander Prischl bereits zur Jahreswende erstellte, kommt er zum Schluss, dass »die aus dem derzeitigen Bildungssystem kommenden Fachkräfte nicht ausreichen werden. Die Anforderungen an das System gehen über Maßnahmen zur Steigerung der Absolventenzahl hinaus.« Die nachhaltige Sicherung des Qualifikationsniveaus, sprich Weiterbildung, sei unbedingt nötig.

Auch Franz Friehs, Experte der Abteilung für Sozialpolitik des ÖGB, verweist auf die Notwendigkeit der Weiterbildung. Friehs: »Nicht allein im Bereich der Informationstechnologie. Wobei gesagt werden sollte, dass etwa im Rahmen des seit 1999 laufenden >Telesoft-Programms< des AMS bislang rund 3500 entsprechend vorgebildete Arbeitslose nach den Anforderungen einschlägiger Computerfirmen ausgebildet werden.« Weiterbildung, das ist klar, muss gefördert werden.

»Dem steht die Politik der Bundesregierung entgegen«, meint Franz Friehs. »Die Mittelabschöpfung1) beim AMS und die Sparmaßnahmen in der Bildungspolitik sind kontraproduktiv.« Kontraproduktiv, so Friehs, sei auch das Kindergeld, weil es den erwünschten Ausstieg bei der Erwerbsbeteiligung bremst.

Auch Spezialisten haben's schwer ...

Alexander Prischl, Sekretär für Berufsbildung im ÖGB, nimmt Stellung.

A&W: Wie schätzen Sie die Lage im IT-Arbeitsmarktsektor nach dem »großen Boom« ein?

Alexander Prischl: Die Lage hat sich ein wenig geändert, teils durch die so genannte »IT-Offensive«, teils weil es ein Ruf nach Fachkräften war, deren Qualifikation niemand genau benennen konnte oder wollte. Bei diesen schwammigen Begriffen war es schwierig, den Bedarf genau zu benennen.

Der Einbruch, der teilweise bei einzelnen Bereichen der neuen Technologien stattfindet, zeigt, dass es eher um Bildung an sich geht. Etwa wie im Bereich anderer Techniken, die ein breites Spektrum abdecken und nicht nur auf Spezialkenntnisse abzielen. Es geht um eine breite Basisausbildung, damit Menschen sich im Fall von Krisen auf dem Arbeitsmarkt bewegen können. Ein falscher Schluss wäre allerdings, die »IT« als solche insgesamt abzuschreiben.

War der lautstarke Ruf der Wirtschaft nach mehr »IT«-Fachkräften gerechtfertigt?

Diese gesamte Frage, »was sind eigentlich IT-Fachkräfte?« ist besonders bei Spezialisten ein Problem, die jetzt keine Arbeit finden. Wir vom ÖGB sind weiterhin für die Ausbildung in neuen Technologien auf breiter Basis. Die Ausbildung in Informationstechnologie soll keine ausschließlichen »Fachspezialisten« heranbilden. Da hat uns ja die Wirtschaftslage schon eines Besseren belehrt: Etwa bei Netzwerktechnikern, wo der Höhenflug innerhalb eines Jahres beendet war. Das zeigt uns, dass ein Bildungssystem, das immer nur langsamer reagieren kann als der Markt, gar nicht in der Lage ist, zeitgerecht nur Fachspezialisten auszubilden.

1) Mittel aus der Geschäftsgebarung des AMS werden für das Bundesbudget verwendet.

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Gabriele Müller (Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261378 Kinderbetreuungsgeld Anspruch

Für Kinder, die ab dem 1. 1. 2002 geboren werden, haben die Eltern Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, sofern ihnen die Familienbeihilfe zusteht. Eine vorhergehende Erwerbstätigkeit ist grundsätzlich nicht mehr erforderlich.

Ausländerinnen aus Nicht-EWR-Staaten erhalten die Familienbeihilfe dann, wenn sie bereits 5 Jahre in Österreich leben oder gleichzeitig ein Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit beziehen. Für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ist es ausreichend, wenn ein Elternteil Anspruch auf Familienbeihilfe hat. Dies wäre z. B. der Fall, wenn der Vater bereits 5 Jahre in Österreich lebt, die Mutter jedoch erst kürzer.

Steht Migrantinnen aus Nicht-EWR-Staaten keine Familienbeihilfe zu, haben sie auch dann einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, wenn sie nach der bisherigen Regelung Karenzgeld oder Teilzeitbeihilfe erhalten hätten.

Beansprucht nur ein Elternteil das Kinderbetreuungsgeld, so kann es längstens bis zum 30. Lebensmonat des Kindes bezogen werden, bei Teilung des Anspruchs zwischen den Eltern längstens bis zum 36. Lebensmonat des Kindes. Das Kinderbetreuungsgeld wird täglich 14,53 Euro (200 S) betragen. Werden jedoch die erforderlichen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht absolviert, reduziert sich das Kinderbetreuungsgeld ab dem 21. Lebensmonat des Kindes auf 7,27 Euro täglich.

Bei einer Mehrlingsgeburt gebührt nur einmal das Kinderbetreuungsgeld. Der Anspruch steht für das jüngste Kind zu. Das bedeutet, dass, wenn während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld ein weiteres Kind geboren wird, der Anspruch für das ältere endet und das Kinderbetreuungsgeld nur für das jüngste bezogen werden kann.

Für Eltern, deren Kind zwischen dem 1. 7. 2000 und dem 31. 12. 2001 geboren ist, und die einen Anspruch auf Karenzgeld erworben haben, verlängert sich der Anspruch um ein Jahr. Haben beide Eltern einen Karenzgeldanspruch erworben, kann dieses bis zum 36. Lebensmonat des Kindes bezogen werden.

Ab 1. 1. 2002 wird auch das verlängerte Karenzgeld 14,53 Euro (200 S) betragen. Hat eine Mutter, die in der Übergangsfrist ihr Kind geboren hat, nicht die erforderlichen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemacht, reduziert sich zwar nicht die Höhe des Karenzgeldes ab dem 21. Lebensmonats, sie verliert jedoch die Möglichkeit, den Mutter-Kind-Pass-Bonus zu erhalten. Dieser beträgt 2000 S und wird am ersten Geburtstag ausgezahlt, falls das Familieneinkommen im Jahr der Kindesgeburt 2000 518.400 S und für das Kindergeburtsjahr 2001 532.800 S nicht überschreitet.

Karenz, Kündigungs- und Entlassungsschutz

Obwohl somit der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld bzw. verlängertes Karenzgeld 30 Monate bzw. bei Teilung zwischen den Eltern 36 Monate beträgt, besteht der Anspruch auf Karenz nur bis zum 24. Lebensmonat des Kindes. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz endet 4 Wochen nach dem Ende der Karenz. Natürlich kann mit dem Arbeitgeber eine auch darüber hinausgehende Karenz vereinbart werden, ein automatischer Kündigungs- und Entlassungsschutz ist mit einer solchen Vereinbarung jedoch nicht verbunden. Es ist daher ratsam, die Weitergeltung des Kündigungs- und Entlassungsschutzes ausdrücklich zu vereinbaren.

Hat ein Elternteil ursprünglich eine kürzere Karenz als bis zum 24. Lebensmonat des Kindes bekannt gegeben und plant diese nun doch zu verlängern, kann der Elternteil dies bis spätestens 3 Monate vor Ende der ursprünglichen Karenz seinem Arbeitgeber bekannt geben. Aber auch in solchen Fällen ist eine Verlängerung nur bis maximal zum zweiten Geburtstag des Kindes möglich. Eine Zustimmung des Arbeitgebers zu einer solchen Verlängerung ist nicht notwendig, die Arbeitnehmerin hat einen Rechtsanspruch darauf. Sie muss nur auf die 3-monatige Meldefrist achten.

Neu ist, dass für Geburten ab dem 1. 1. 2002 für die Inanspruchnahme des zweiten oder dritten Karenzteiles der Kündigungs- und Entlassungsschutz nicht mehr wie bisher mit der Bekanntgabe, sondern frühestens 4 Monate vor Antritt der Karenz beginnt. Die Meldung muss jedoch wie bisher 3 Monate vor Antritt der Karenz erfolgen.

Eine weitere Neuerung ist, dass bis zu 13 Wochen über der Geringfügigkeitsgrenze beim selben Arbeitgeber gearbeitet werden kann, ohne dass Karenz- und Kündigungsschutz verloren gehen. Mit Zustimmung des eigenen Arbeitgebers kann eine solche Beschäftigung auch bei einem anderen Arbeitgeber ausgeübt werden. Wird nicht im gesamten Kalenderjahr Karenz beansprucht, ist eine Beschäftigung in aliquotem Ausmaß zulässig. Die 13-Wochen-Regelung gilt auch für Personen, deren Kind ab dem 1. 7. 2000 bis einschließlich dem 31. 12. 2001 geboren ist, ab dem 1. 1. 2002. Gänzlich zu unterscheiden von der 13-Wochen-Regelung ist die Zuverdienstgrenze.

Zuverdienstgrenze

Bis zu einem jährlichen Einkommen von 14.600 Euro (200.900 S) erhält man das Kinderbetreuungsgeld bzw. das verlängerte Karenzgeld. Besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht für das gesamte Kalenderjahr, ist die Zuverdienstgrenze im Verhältnis zu den Anspruchsmonaten zu aliquotieren.

Die Ermittlung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit erfolgt auf folgende Weise: Die während des Kinderbetreuungsgeldbezuges erzielten Einkünfte werden zusammengerechnet (ohne Berücksichtigung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes) und durch die Anzahl der Monate mit Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld dividiert. Von diesem Betrag werden dann die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers abgezogen. Dieser Wert wird dann um 30 Prozent erhöht und mit 12 multipliziert.

Wird in jedem Monat gearbeitet und das gleiche Einkommen erzielt, kann ein Angestellter monatlich bis zu 15.565 S brutto (inkl. Sozialversicherungsbeiträge), ein Arbeiter 15.673 S brutto (inkl. Sozialversicherungsbeiträge) verdienen. Einzelne Monate können auch darüber liegen, insgesamt darf jedoch der durchschnittliche Monatsverdienst die oben angeführten Beträge nicht überschreiten.

Im Zusammenhang mit der Zuverdienstgrenze ist die Möglichkeit des Verzichtes auf das Kinderbetreuungsgeld von Bedeutung. Wird bis spätestens zu Beginn des Monats, in dem das Überschreiten der Zuverdienstgrenze droht, auf das Kinderbetreuungsgeld verzichtet, bleiben die im Verzichtszeitraum erzielten Einkünfte außer Betracht. Durch den Verzicht verkürzt sich jedoch die Bezugsdauer des verlängerten Karenzgeldes bzw. des Kinderbetreuungsgeldes.

Wird trotz Überschreiten der maßgeblichen Einkommensgrenze nicht auf das verlängerte Karenzgeld bzw. Kinderbetreuungsgeld verzichtet, muss man dieses für das gesamte Jahr zurückzahlen. Wie bereits erwähnt, gilt die Zuverdienstgrenze auch für Personen, deren Kind in der Übergangsfrist geboren ist. Davon gibt es jedoch eine Ausnahme: Personen, die Teilzeitkarenz in Anspruch nehmen, können entweder das halbe Karenzgeld ohne Zuverdienstgrenze weiter beziehen oder das volle Karenzgeld bei Einhaltung der Zuverdienstgrenze bekommen. Für Geburten ab dem 1. 1. 2000 gibt es diese Wahlmöglichkeit bei der Teilzeitkarenz nicht mehr. Sie müssen auf jeden Fall die Zuverdienstgrenze beachten. Die arbeitsrechtlichen Regelungen über die Teilzeitkarenz bleiben jedoch unverändert. Bei einer Teilzeitkarenz muss die Arbeitszeit um mindestens 2/5 (zwei Fünftel) herabgesetzt werden. Die Teilzeitkarenz kann längstens bis zum 48. Lebensmonat des Kindes dauern. Hat jedoch ein Elternteil Karenz in Anspruch genommen, verkürzt sich die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung dementsprechend. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz endet bei der Teilzeitkarenz 4 Wochen nach dessen Ende.

Die Regelungen über die Zuverdienstgrenze und den Verzicht treten mit 1. 1. 2002 in Kraft.

Teilung und Ruhen des Kinderbetreuungsgeldes

Beim Bezug von Kinderbetreuungsgeld ist ein zweimaliger Wechsel zwischen den Eltern (3 Teile) möglich, wobei jeder Teil jedoch mindestens 3 Monate betragen muss. Grundsätzlich besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, solange der Lebensmittelpunkt in Österreich ist. Anders ist dies bei Ausländern aus Nicht-EWR-Staaten, die keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, aber Kinderbetreuungsgeld auf Grund der Erfüllung der Anwartschaft erhalten. In diesen Fällen kann das Kinderbetreuungsgeld bis zu einem dreimonatigen Auslandsaufenthalt bezogen werden. Bei einem darüber hinausgehenden Auslandsaufenthalt kann das Kinderbetreuungsgeld aus berücksichtigungswürdigen Gründen auf Antrag weitergewährt werden.

Kranken- und Pensionsversicherung

Während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld bzw. verlängertem Karenzgeld ist man krankenversichert. Die ersten 18 Monate des Kinderbetreuungsgeldes werden in der Pensionsversicherung als Beitragszeiten und somit gleich wie Beschäftigungszeiten gelten. Für Personen, deren Kinder in der Übergangsfrist geboren sind, werden die Zeiten des Karenzgeldbezuges keine Beitragszeiten, sondern bleiben Ersatzzeiten in der Pensionsversicherung.

Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld

Für Alleinverdienerinnen oder für sozial schwache Familien wird es einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in der Höhe von 2500 S monatlich geben. Zum Zuschuss darf bis zu einem Jahreseinkommen von 3997 Euro (55.000 S) dazuverdient werden. Achtung: Der Zuschuss ist rückzahlungspflichtig.

Weitere Leistungen

Eine weitere Änderung ist, dass gleichzeitig mit dem Kinderbetreuungsgeld oder im Anschluss daran Arbeitslosengeld bezogen werden kann. Wird das Arbeitslosengeld parallel zum Kinderbetreuungsgeld bezogen, muss das Kind durch eine geeignete Person oder eine geeignete Einrichtung betreut werden. Auch beim Bezug von Arbeitslosengeld ist auf die Zuverdienstgrenze zu achten. Bei der Umrechnung auf den Jahresverdienst ist das Arbeitslosengeld um 15 Prozent zu erhöhen.

Personen, deren Kind in der Übergangsfrist geboren ist, erhalten im Anschluss an das Karenzgeld kein Arbeitslosengeld, sondern, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die Notstandshilfe.

Bisher haben Karenzgeldbezieherinnen für jedes weitere Kind, für das sie nicht Karenzgeld bezogen haben, und für wenig verdienende bzw. einkommenslose Ehepartner/Lebensgefährten einen Familienzuschlag in der Höhe von 400 S erhalten. Dieser Zuschlag entfällt mit dem Kinderbetreuungsgeld. Personen, deren Kind in der Übergangsfrist geboren wurde, erhalten die Familienzuschläge weiter.

Für das dritte und jedes weitere Kind wird der Mehrkinderzuschlag ab 1. 1. 2002 500 S monatlich betragen.

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Dinah Djalinous http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261366 KOMMENTAR | Bildung von gestern für ein Leben im morgen? In der pädagogischen Diskussion der letzten Jahre wurde immer häufiger die Frage gestellt, ob der herkömmliche Bildungsbegriff überhaupt noch als Orientierungskategorie bzw. als Maß des größten gemeinsamen Nenners verwendet werden kann.

Zu sehr wurden verschiedene inhaltliche Ausdifferenzierungen mit ihm verbunden, zu oft wurde er zur »Stopfgansbegrifflichkeit« degradiert, in die je nach gesellschaftspolitischer Provenienz, Alter, Geschlecht oder ökonomischer Absicht, die eigenen Wünsche, Hoffnungen, Vorstellungen bzw. Ängste hineinreklamiert wurden und er somit zum amorphen Gebilde zu degenerieren drohte.

Folgende Fragen werden oft formuliert: Ist der Begriff »Bildung« überhaupt noch tauglich, das zu charakterisieren, was im modernen Bildungsgeschehen tatsächlich abläuft? Oder ist »Bildung« ein geschichtliches Synonym von bildungsbürgerlichen Mustern des 19. Jahrhunderts, die als modernes Leitsystem schon längst obsolet sind? Was heißt nun »Bildung« eigentlich? Oder besser: Welche Eigenschaften sollte jemand haben, von dem man behauptet, er sei gebildet?

Derzeit ist es noch so, dass wir mit Bildungsinhalten bzw. Bildungsmerkmalen der Industriegesellschaft versuchen, die Probleme der Informationsgesellschaft zu lösen. Wie könnten nun Bedingungen oder Merkmale einer neuen Bildung in der Informationsgesellschaft aussehen? Um es vorwegzunehmen: Bildung darf nicht mit Information und auch nicht mit dem Begriff »Wissen« verwechselt werden. Es kann zwar jemand einer Lernmaschine gleich einer mehr oder weniger großen Inputmenge von Informationen ausgesetzt worden sein und diese auch speichern, er kann in Spezialgebieten sogar großes Wissen erworben haben, gebildet ist dieser Mensch deswegen aber noch lange nicht.

Um es noch zu verdeutlichen: Es kann jemand - um transglobale Plastikbegriffe aus dem Managementjargon zu verwenden - informiert, qualifiziert, kommunikativ-kompetent, innovativ, flexibel und teamtauglich sein (Eigenschaften, die auch ein KZ-Scherge gehabt haben mag), unserer Einschätzung nach verdient er aber nicht die Auszeichnung, als gebildet bezeichnet zu werden. Weiters könnte er ganz im Sinne der Propaganda für die unbegrenzte Adaption von Menschen an beliebig veränderbare Marktbedürfnisse - sprich »lebenslanges Lernen« - von einem teuren Seminar ins andere stolpern und sich ein wettbewerbsverschärfendes Lernpaket nach dem anderen umschnüren lassen, gebildet ist er aber wie gesagt noch lange nicht.

Denn um dem Begriff der Bildung gerecht zu werden, muss der Mensch erst beweisen, dass er das erworbene Wissen auch verantwortungsvoll, d. h. im Sinne eines prosozialen reflektierten Handelns (dazu gehören humane, demokratische, friedliche und mitmenschliche Ziele) nützt und einsetzt. Vereinfacht gesagt könnten wir die Formel aufstellen, dass in Summe Information Wissen ist und nicht Bildung; daraus resultiert »Bildung ist Wissen und Verantwortung«.

Drei Grundkompetenzen haben in diesem Zusammenhang vor allem für gewerkschaftlich, d. h., solidarisch orientierte Menschen als Voraussetzung zu gelten. Es sind dies:

1. Die Kompetenz zur Selbstbestimmung (z. B. sein Leben in beruflicher, religiöser oder moralischer Art und Weise frei von Dogmen, Indoktrination bzw. Ideologien zu gestalten).

2. Die Kompetenz zur Mitbestimmung (d. h., aktiv und verantwortungsvoll Gestaltungsinteresse an gesellschaftlichen und politischen Konditionen zu bekunden).

3. Die Kompetenz zur Solidarität (d. h., die Kompetenz zur Mitbestimmung auch im Kontext mit anderen zur verwirklichen).

Noch einige weitere Attribute müssen vor dem Hintergrund des Gesagten angesprochen werden:

a) Gerade im Bereich der rasanten technologischen Entwicklungen neigen wir dazu, so genannte Sachzwänge dafür verantwortlich zu machen, wenn wir in Passivität verharren, anstatt mitzugestalten. Bildung müsste den Willen zum Mitgestalten wecken und mögliche Wege aufzeigen. Dies ist aber nur möglich, wenn der junge Mensch sieht, dass die Entwicklung in der Gesellschaft ihm nicht wesensfremd gegenübersteht, sondern dass er Einfluss nehmen und mitgestalten kann. Im Klartext heißt das, dass man mehr jungen Menschen die Gelegenheit bieten sollte, ihren politischen Gestaltungswillen, der zweifelsfrei vorhanden ist (man denke an Greenpeace, Global 2000, Tierschutzorganisationen etc.), auch in den traditionellen politischen Institutionen verstärkt zur Geltung bringen zu lassen.

b) Informations- und Kommunikationstechniken laufen allesamt darauf hinaus, dass unsere Lebenswirklichkeit entsinnlicht wird. Unmittelbare Erfahrungen werden aus Erfahrungen zweiter Hand ersetzt. Bildungsinstitutionen aller Art müssten daher in größerem Maße die Möglichkeit bieten, konkret wahrnehmbare Sinnlichkeit zu erfahren. Bildung müsste mehr als bisher auf Handeln und Eigentätigkeit bezogen werden.

Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein Kind z. B. das Rollen eines Reifens selbst erlebt hat, bevor es diesen Vorgang auf dem Bildschirm sieht, oder ob der Bildschirm der erste Zugang zu dieser Erfahrung ist. Dasselbe gilt auch für die Erwachsenenpädagogik. Vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die schulische Erstausbildung als prägende bzw. sensible Phase in Bezug auf Fort- und Weiterbildungsgewohnheiten im Erwachsenenalter angesehen werden muss. Erwachsene, die als Kinder und Jugendliche schlechte primäre Lernerfahrungen machen mussten, zeigen später deutlich geringeres Interesse an lebensbegleitenden Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen.

c) Unser Leben wird immer stärker durch Differenzierung und Zerstückelung gekennzeichnet. Spotinformation, rasch aufeinander folgende Bildsequenzen kennzeichnen z. B. das Fernsehen. Die neuen Technologien haben die Potenz, die Fragmentierung auf die Spitze zu treiben.

Viele schulische Maßnahmen selbst trennen im traditionellen Unterricht die einzelnen Unterrichtsgegenstände in 45-Minuten-Einheiten. Wichtig wäre es, vermehrt fächerübergreifend organisierten Unterricht anzubieten, vermehrt kreative und musische Elemente in den sprachlichen und naturwissenschaftlichen Bereich zu integrieren und anspruchsvolle Reflexion über Kunst, Musik und Sport anzuregen.

Pestalozzis Selbstverständnis von Bildung als Selbstentfaltung der Grundkräfte von Kopf, Herz und Hand könnte noch immer ein Vorbild sein.

Auch dies gilt sowohl für jüngere als auch für erwachsene Personen. In der temporeichen »24/7«-Gesellschaft (24 Stunden täglich an 7 Tagen der Woche), die sich mit ihrer Selbstdynamisierung in eine immer atemberaubendere Geschwindigkeitsspirale beschleunigt (E-Mail, Handy, Fax, Mailbox, Online-Banking, Online-Shopping) wird es immer wichtiger, dass Bildungsaktivitäten und Bildungsorte auch dazu dienen, die sozial feindlichen Komponenten der digitalen Hochgeschwindigkeitsgesellschaft zu kompensieren. Bildungsorte müssen verstärkt auch Orte der Ruhe und Muße sein, wo man stresslos nachdenken kann über menschlich Belangvolles und gemeinsam die Möglichkeit hat zu reflektieren bzw. die Kunst des Zuhörens wieder erlernt.

d) Bildung darf kein Privileg einiger Auserwählter sein, sondern ist ein menschliches Grundrecht, das allen zusteht.

Daher steht ein neuer Bildungsbegriff in der Informationsgesellschaft vor allem auch im Widerspruch zur Forderung nach Elitebildung. Es ist nahe liegend, dass ein Bildungssystem, das elitäre Leistungen überbetont, ohne sich um die Vorgeschichte dieser Leistungen Gedanken zu machen, nicht Verbesserungen im Sinne hat, sondern schlicht und einfach alte Hierarchien zementieren will. Wichtiger als fragwürdige Überleistungen zu fördern wäre es, finanzielle und geistige Aufwendungen zu tätigen, um allen Kindern ein leichteres Zustandekommen von prosozialen Leistungen zu gewährleisten. Eines ist klar: In einem elitären System sind Unwissende immer logischer Baustoff und Unterfutter für eine sich dadurch überhebende elitäre Oberschicht.

Anders ausgedrückt: Eliten instrumentalisieren Unwissende für ihre egoistischen Zwecke. Bekanntlich wird die Forderung nach Elitenförderung nur allzuoft von einer zynischen Herrenarroganz getragen, die in einem modernen Bildungsverständnis logischerweise keinen Platz haben darf. Für die Merkmale eines zeitgemäßen und sozialtauglichen Bildungsverständnisses würde dies bedeuten, dass die gesamte Jugend erfahren muss, dass Lernen im Kontext der Gemeinsamkeit Spaß macht und auch etwas mit Muße zu tun haben kann.

Kooperation, Interaktivität und Partizipationsfähigkeit müssten die Schlüsselworte eines neuen Bildungsansatzes sein. Von teuren Nachhilfelehrern künstlich kognitiv hochgepuschte und in ihrer altersadäquaten Entwicklung gestörte 15-jährige Maturanten können sicher nicht unser Ziel sein.

Übrigens: Es ist mehrfach belegt, dass Buben öfter als Mädchen, Kinder der Mittel- und Oberschicht häufiger als solche der Unterschicht einen eigenen Computer besitzen. Es ist anzunehmen, dass diese Kinder vom gegenwärtigen und vor allem vom zukünftigen Lernangebot mehr Gebrauch machen werden und daher bessere Zukunftschancen haben.

Schon in naher Zukunft wird ein großer Teil des Wissens dieser Welt im Prinzip für jeden an jedem Ort, jederzeit abrufbar sein, aber jene, die keine Computerkenntnisse haben, werden stark benachteiligt sein. Damit es nicht zu einer weiteren Zweiteilung der Gesellschaft in eine Informationselite und in ein Informationsproletariat kommt, müsste dafür gesorgt werden, dass der Zugang zu Informationen für alle gleich ist. Gleichzeitig brauchen wir in einem zukunftsorientierten Bildungssystem, das den Begriff Bildung verdient, eine neue und deutlich schwerpunktgesetzte kritische Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einer informations- und kommunikationstechnologischen Grundbildung.

Dies bedeutet, eine Selbstverpflichtung aller pädagogischen Verantwortlichen zur Reflexion über die Wirkungen neuer Technologien auf das soziale Gefüge und die damit abzuschätzenden sozialen Folgen für die sie benutzenden Menschen.

Dieser Kommentar des Leiters der Otto-Möbes-Akademie ist als Diskussionsbeitrag zu verstehen. Widersprüche und Entgegnungen sind erwünscht ...

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Albert Kaufmann (Leiter der Otto-Möbes-Akademie der steirischen AK) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261348 Sozialversicherung | Die Interessen der Versicherten bleiben auf der Strecke Unter der Ankündigung »Österreich neu regieren« ist die Bundesregierung vor nunmehr eineinhalb Jahren angetreten, »Fairness und soziale Gerechtigkeit« zu ermöglichen. Die Bilanz der Maßnahmen der Bundesregierung zeigt allerdings ein anderes Bild: Das schon im Regierungsprogramm angekündigte massive Belastungsprogramm zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde nicht nur weitgehend umgesetzt, sondern unter dem Titel »Budgetkonsolidierung« noch erheblich verschärft 1).

Im Bereich der Sozialpolitik ergibt sich ein besonders negatives Bild: Im Arbeitsrecht wurde die »Aktion Fairness« zu einer Umverteilungsaktion zugunsten der Arbeitgeber umfunktioniert 2). Die Pensionsreform 2000 war im Ergebnis eine 18-Milliarden-Schilling-Leistungskürzung bei jenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die in den nächsten drei Jahren nach geltendem Recht in Pension gegangen wären. Im Gesundheitsbereich wurde die Rezeptgebühr (auf 56 Schilling) erhöht und die Einführung von Ambulanzgebühren beschlossen. Unter dem Titel »Treffsicherheit« wurden die Familienzuschläge gekürzt und etliche weitere Leistungseinschränkungen bei der Unterstützung von Arbeitslosen vorgenommen, die beitragsfreie Mitversicherung für kinderlose Ehepaare aufgehoben und die Unfallrenten durch die Besteuerung im Schnitt um ein Drittel gekürzt. »Österreich neu regieren« bringt also im Endeffekt die massivste Umverteilungsaktion der 2. Republik zu Lasten der Arbeitnehmer und Pensionisten. Aber nicht nur das. Schon bei der Beurteilung des FPÖ-ÖVP-Regierungsabkommens war für die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer klar, dass es nicht nur um Umverteilungspolitik zu Lasten der Arbeitnehmer gehen würde, sondern auch um eine Vielzahl einzelner Maßnahmen, die die Entscheidungsverhältnisse in den Gesetzen zugunsten der Unternehmer und zu Lasten der ArbeitnehmerInnen verändern.

Schon mit der Novelle zum Bundesministeriengesetz nahm die Bundesregierung die Zerschlagung des Sozialministeriums und die Zuordnung der arbeitsmarktpolitischen Kompetenzen einschließlich des Arbeitsrechts und des Arbeitnehmerschutzes an das Wirtschaftsministerium vor - unternehmerfreundlich, zum Nachteil der Arbeitnehmer. Die folgenden Monate waren von einer Eliminierung der Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen aus mehreren beratenden Institutionen bis zu einer wiederholten Drohung einer Kürzung der Arbeiterkammerbeiträge gekennzeichnet. Das am 5. Juli 2001 im Nationalrat beschlossene Gesetz zur Änderung der Organisation des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ist ein weiteres klares Signal: Es geht dieser Regierung um mehr als die Umverteilung von Steuern, Staatsausgaben und Einkommen. Die Möglichkeiten für die Arbeitnehmer, ihre Interessen in die politischen Entscheidungsprozesse einzubringen, sollen reduziert und noch weiter eingeschränkt werden.

Vorgeschichte der 58. Novelle zum ASVG

Die »Umstrukturierung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger« steht im Mittelpunkt der 58. Novelle zum ASVG. Eines kann man jetzt schon sagen: In den zuletzt die Innenpolitik beherrschenden Gesetzesbestimmungen blieben die Interessen der Versicherten an einem gut funktionierenden Gesundheitssystem auf der Strecke. Es ging in den letzen Monaten auch nicht wirklich um Gesundheitspolitik, sondern um eine Schwächung der Interessen der ArbeitnehmerInnen in der Sozialversicherung. So sind ja die aktuellen Gebarungsprobleme in der gesetzlichen Sozialversicherung vorwiegend auf ein Beitragsaufkommen zurückzuführen, das hinter dem wirtschaftlichen Fortschritt zurückbleibt, vor allem aber auf die exorbitante Ausgabensteigerungen der letzten Jahre im Pharmabereich (Medikamente) 3). Während Reformen vor allen Dingen hier ansetzen müssten, geschah gerade das Gegenteil. Die ohnehin angespannte finanzielle Situation der Krankenversicherung wurde durch das Eingreifen der Regierung nur noch weiter verschärft:

  • Einnahmenverlust durch die nicht vollständige Abgeltung der Mehrwertsteuer auf Medikamente: 750 Millionen Schilling.
  • Beitragssenkungen bei Arbeitgebern: 1 Milliarde Schilling.
  • Zusätzliche Mittel zur Budgetentlastung bei Spitalsfinanzierung: 550 Millionen Schilling.
  • Budgetbegleitgesetze, Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenversicherung: 150 Millionen Schilling.
  • Zinsverlust durch die Verlängerung der Zahlungsfrist der Sozialversicherungsbeiträge um drei Tage: 100 Millionen Schilling.
  • Senkung der Beitragsgrundlage bei Zuverdienern: 67 Millionen Schilling.
  • Das Kinderbetreuungsgeld wird die Kassen weitere 800 Millionen Schilling kosten.

Für die Versicherten kam es zu einer Reihe neuer Belastungen, die die Gebarung in den Kassen aber nicht beeinflusst haben, sondern hauptsächlich zur Abdeckung des Defizits im Bundesbudget umgeschichtet wurden:

  • Erhöhung der Rezeptgebühr: 600 Millionen Schilling.
  • Ambulanzgebühr: 450 Millionen Schilling.
  • Streichung der Mitversicherung: 850 Millionen Schilling.
  • Neue Belastungen durch Beitragspflicht für Zusatzpensionen, bei Heilbehelfen, erhöhtes Taggeld für Spitäler und für Aufenthalte.

Alle diese Maßnahmen sind unsozial und für die Lösung der bestehenden Probleme und künftigen Herausforderungen im Gesundheitssystem ungeeignet.

Letztlich: Während die Interessenvertretungen der Versicherten und ihrer Dienstgeber im Frühjahr Lösungsansätze zur Konsolidierung der Finanzen der sozialen Krankenversicherung vorlegten 4), sprach die Bundesregierung zwar von Kassensanierung, setzte aber keine Taten. Im Gegenteil: Die von ihr zuletzt präsentierten Einsparungspotentiale blieben nebulos und ohne Substanz. Weder der Ärztebeitrag zum Abbau des Defizits im Ausmaß von 1,3 Milliarden Schilling noch eine Milliarde aus dem Pharmabereich sind gesichert. Insbesondere bei der Senkung der Handelsspannen für Medikamente und bei der vollen Rückvergütung der Mehrwertsteuer liegt es aber ausschließlich an der Regierung, tätig zu werden: Je länger sie zuwartet, desto höher wird das Defizit ausfallen.

Fazit: Vor allem an den Auseinandersetzungen um den Hauptverband wurde in den letzten Monaten wieder deutlich: Bei ihren Maßnahmen war die Bundesregierung nicht bereit, auf die betroffenen Gruppen einzugehen und in einen wirklichen Dialog einzutreten. Sie hat mit größter Rücksichtslosigkeit ihre Parlamentsmehrheit eingesetzt, um über Gegenargumente und gesellschaftliche Widerstände »drüberzufahren«. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass es ursprünglich gemeinsame Vorstellungen der Sozialpartner für eine effiziente Struktur des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger gab, die von einem klaren Bekenntnis zur Selbstverwaltung ausgingen 5). Dass die Wirtschaftskammer in den folgenden politischen Diskussionen, vor allem im Parlament, von diesen gemeinsamen Vorstellungen ÖGB- WKÖ einfach abgegangen ist, wirft einen großen Schatten auf die Sozialpartnerschaft.

Die Umstrukturierung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger

Der Hauptverband ist die Dachorganisation der österreichischen Sozialversicherung, der insgesamt die Gesamtinteressen der Sozialversicherung wahrnimmt. Kern der 58. Novelle zum ASVG ist eine drastische Veränderung der Organe des Hauptverbandes und damit auch der Entscheidungsverhältnisse. Hat der Hauptverband bisher aus der Verbandskonferenz, dem Verbandsvorstand, dem Präsidium, der Kontrollversammlung und der Controllinggruppe bestanden, wird er in Hinkunft aus

  • Hauptversammlung,
  • Verwaltungsrat,
  • Geschäftsführung,
  • Sozial- und Gesundheitsforum und
  • Controllingruppe

bestehen.

Die Hauptversammlung

Die Hauptversammlung besteht aus den Obmännern und je einem Obmannstellvertreter der Versicherungsträger (bei den Betriebskrankenkassen der nach der Versichertenzahl größten Betriebskrankenkasse). Bei der Zusammensetzung der Hauptversammlung ist darauf zu achten, dass entweder der Obmann oder Obmannstellvertreter eines entsendenden Versicherungsträgers der Dienstnehmerkurie und der zweite Vertreter jedenfalls der Dienstgeberkurie angehört. Die Hauptversammlung wählt aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und zwei Stellvertreter, denen die Vertretung der Hauptversammlung gegenüber anderen Verwaltungskörpern des Hauptverbandes, gegenüber den Versicherungsträgern und nach außen obliegt. Die näheren Bestimmungen sind in einer Geschäftsordnung der Hauptversammlung zu treffen. Ihr obliegt

  • die Genehmigung der Satzung, der Mustersatzung, der Musterkrankenordnung und der Mustergeschäftsordnung,
  • die Beschlussfassung eines Leitbildes für den Hauptverband,
  • die Beschlussfassung einer Geschäftsordnung der Hauptversammlung,
  • die Entscheidung über Anträge auf Verfolgung von Ansprüchen, die dem Hauptverband gegenüber Mitgliedern der Verwaltungskörper erwachsen, und die Bestellung von zur Verfolgung dieser Ansprüche Beauftragten,
  • die Beschlussfassung über den Jahresbericht des Hauptverbandes und der bei ihm errichteten Fonds.

Der Verwaltungsrat

Der Verwaltungsrat besteht aus vierzehn Mitgliedern, die auf vier Jahre bestellt werden. Wiederholte Bestellungen sind zulässig. Je sechs Mitglieder werden von der Wirtschaftskammer Österreichs bzw. von der Bundesarbeitskammer aus dem Kreis der Versicherungsvertreter der Dienstgeber bzw. Dienstnehmer entsendet. Dabei ist auf die fachliche Eignung zu achten, zudem soll ein »repräsentativer Querschnitt möglichst aller Dienstnehmer- und Dienstgebergruppen« vertreten sein. Die gesetzlichen Interessenvertretungen (Kammern) haben die Bestellung der von ihnen entsandten Mitglieder nach der Summe der Mandate auf Grund der Wahl zu den jeweiligen satzungsgebenden Organen (Vollversammlung, Hauptversammlung) nach dem Verhältniswahlrecht (d'Hondtsches System) auf Vorschlag der wahlwerbenden Gruppen vorzunehmen, wobei jedoch die drei stimmenstärksten Fraktionen mit zumindest einem Mitglied vertreten sein müssen 6). Je ein Mitglied ist von der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs und von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst zu entsenden. Werden keine Mitglieder entsandt, hat der Sozialminister das Recht zur Ersatzvornahme.

Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn zumindest die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Ein gültiger Beschluss bedarf der Zustimmung der Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen. Dem Verwaltungsrat gehören auch ein Vertreter des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen und ein Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen an. Diese haben aber keine Stimme im Verwaltungsrat. Gegen die Beschlüsse des Verwaltungsrates kann der Vertreter des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen wegen Rechtswidrigkeit oder Unzweckmäßigkeit Einspruch erheben. Soweit finanzielle Interessen des Bundes berührt sind, kann der Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen Einspruch erheben. Langt ein Einspruch nicht innerhalb von wenigstens fünf Werktagen nach der Beschlussfassung beim Verwaltungsrat ein, kommt ihm keine aufschiebende Wirkung zu. Der Verwaltungsrat kann dann in einem Vorlagebeschluss die Angelegenheit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen zur endgültigen Entscheidung vorlegen; dieser muss - wenn es sich um finanzielle Angelegenheiten handelt - das Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen herbeiführen. Endgültige ministerielle Entscheidungen haben bescheidmäßig zu erfolgen, um eine Anfechtung zu ermöglichen. Der Verwaltungsrat hat zumindest einmal im Vierteljahr zu tagen. Er kann mit Zweidrittelmehrheit die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung beschließen. Deren Vorsitzender ist verpflichtet, einen solchen Beschluss zu vollziehen.

Bezüglich der Aufgaben des Verwaltungsrates ist zwischen Materien, die allein dem Verwaltungsrat obliegen, und solchen, die zwar von der Geschäftsführung besorgt werden, deren Beschlüsse aber zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Verwaltungsrates bedürfen, zu unterscheiden. Zu den alleinigen Befugnissen des Verwaltungsrates gehören:

  • die Beschlussfassung über den von der Geschäftsführung vorgelegten Jahresvoranschlag und die ständige Überwachung der gesamten Gebarung des Hauptverbandes;
  • die Genehmigung des Rechnungsabschlusses und die Entlastung der Geschäftsführung;
  • die Antragstellung auf Verfolgung von Ansprüchen der Mitglieder der Geschäftsführung in der Hauptversammlung;
  • die Stellung eines Antrages auf Genehmigung der Satzung, der Mustersatzung, der Musterkrankenordnung und der Mustergeschäftsordnung;
  • die Beschlussfassung einer »Geschäftsordnung des Verwaltungsrates«;
  • bei »unqualifizierter Untätigkeit« der Geschäftsführung die Vornahme jener Geschäftsführungstätigkeiten, die vorgenommen werden müssen, um drohende Schäden vom Hauptverband, den Versicherungsträgern bzw. den Versicherten abzuwenden. Solche Beschlüsse sind dem Sozialminister aber unverzüglich zur Kenntnis zu bringen.

Der Zustimmung des Verwaltungsrates bedürfen folgende Beschlüsse der Geschäftsführung in folgenden Angelegenheiten:

  • die dauernde Veranlagung von Vermögensbeständen und Veränderungen im Bestand von Liegenschaften (Erwerbung, Belastung oder Veräußerungen von Liegenschaften, Errichtung oder Erweiterung von Gebäuden usw.);
  • die Beteiligung an fremden Einrichtungen (Krankenanstalten, Heil- und Kuranstalten, Rehabilitationseinrichtungen);
  • Richtlinien zur Regelung der dienst-, besoldungs- und pensionsrechtlichen Angelegenheiten der Bediensteten und Richtlinien zur Erstellung von Dienstpostenplänen, über die Gewährung von freiwilligen Zuwendungen an die Bediensteten und über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen;
  • den Abschluss von Gesamtverträgen mit Ärzten und anderen Vertragspartnern der Sozialversicherung;
  • Zuwendungen aus dem Ausgleichsfonds an Krankenversicherungsträger;
  • Überschreitungen des Jahresvoranschlages und die Übernahme von Haftungen oder Beteiligungen an Unternehmen.

Der Verwaltungsrat wählt aus seiner Mitte für die Dauer von vier Jahren mit der Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen ein Präsidium, das aus einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten besteht. Bei der Wahl ist darauf Bedacht zu nehmen, dass sowohl die Dienstgeberkurie als auch die Dienstnehmerkurie im Präsidium vertreten ist. Nach Ablauf eines Jahres folgt der Vizepräsident dem Präsidenten im Amt nach; der Präsident übernimmt gleichzeitig das Amt des Vizepräsidenten (Rotationsprinzip).

Fraktionen, die zwar im Verwaltungsrat, nicht aber im Präsidium vertreten sind, dürfen ein beratendes Mitglied ins Präsidium kooptieren. Diese haben die gleichen Teilnahmerechte wie der Präsident und der Vizepräsident, aber kein Stimmrecht. Dem Präsidenten obliegt die Vertretung des Verwaltungsrates gegenüber den anderen Verwaltungskörpern des Hauptverbandes, gegenüber den Versicherungsträgern und nach außen.

Die Geschäftsführung

Der Geschäftsführung obliegt die Besorgung all jener Aufgaben des Hauptverbandes, die im Gesetz nicht anderen Verwaltungskörpern zugewiesen sind. Sie vertritt den Hauptverband nach außen.

Die Geschäftsführung besteht aus einem Sprecher der Geschäftsführung und zwei bis vier zusätzlichen Mitgliedern, die vom Verwaltungsrat im Wege einer öffentlichen Stellungsausschreibung unter Zugrundelegung des Stellenbesetzungsgesetzes für vier Jahre bestellt werden. Wiederbestellungen sind zulässig.

Die Geschäftsführung trifft ihre Entscheidungen nach dem Mehrstimmigkeitsprinzip. Bei Stimmengleichheit hat der Sprecher der Geschäftsführung das Dirimierungsrecht. Die näheren Bestimmungen hinsichtlich der internen Aufgabenverteilung zwischen den einzelnen Geschäftsführern ist in der »Geschäftsordnung der Geschäftsführung« zu treffen, die vom Verwaltungsrat zu beschließen ist.

Vor Ablauf der Funktionsperiode können Geschäftsführer abberufen werden, wenn dies der Verwaltungsrat mit qualifizierter Mehrheit und zwei Drittel der abgegebenen gültigen Stimmen beschließt.

Die Geschäftsführung ist verpflichtet, dem Verwaltungsrat alle Informationen zu geben und alle Belege und Behelfe vorzulegen, die dieser zur Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. Umgekehrt hat auf Begehren der Geschäftsführung der Verwaltungsrat seine Anträge schriftlich ausgefertigt zu übergeben.

An den Sitzungen der Geschäftsführung und des Verwaltungsrates sind auch zwei von den Betriebsvertretungen aller Versicherungsträger namhaft gemachte Vertreter teilnahmeberechtigt.

Das Sozial- und Gesundheitsforum Österreich

Das Sozial- und Gesundheitsforum Österreich ist als »Kompetenzzentrum der sozialen Sicherheit« konzipiert. Ihm obliegt die Beratung des Verwaltungsrates, der Geschäftsführung und des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen in Fragen der allgemeinen sozialpolitischen Entwicklung.

Zu seinen Aufgaben zählt es, insbesondere die aktuellen und künftigen sozialpolitischen Entwicklungen zu verfolgen, zu erforschen und Forschungsaufträge zu vergeben. Auf dieser Grundlage sind Vorschläge zur Verbesserung der sozialen Leistungen oder zur »Kostenminimierung bei den Sozialversicherungsträgern und im Hauptverband zu erstatten«. Mitglieder des Forums sind die Vertreter der wichtigsten auf diesem Gebiet tätigen Interessenvertretungen in Österreich; diese haben ein Vorschlagsrecht, die Ernennung erfolgt durch den Sozialminister. Das Forum ist beschlussfähig, wenn zumindest die Hälfte der Mitglieder anwesend ist. Ein gültiger Beschluss bedarf der Zustimmung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Ein Minderheitenvotum ist möglich.

Controllinggruppe

Seit 2000 ist beim Hauptverband eine Controllinggruppe eingerichtet, der das Monitoring und Controlling des Hauptverbandes obliegt. In Hinkunft werden vier Mitglieder der Gruppe vom Verwaltungsrat (bisher: von der Verbandskonferenz) bestellt. Die Aufgaben der Controllinggruppe bleiben unverändert.

Übergangsvorschriften

Die gesetzlichen Interessenvertretungen sind verpflichtet, die Mitglieder des Verwaltungsrates so zeitgerecht zu bestimmen, dass sich der Verwaltungsrat bis längstens 15. September 2001 konstituieren kann. Andernfalls hat der Sozialminister das »Noternennungsrecht«. Er hat einen provisorischen Verwaltungsrat aus Versicherungsvertretern zu ernennen, der solange im Amt bleibt, bis der ordentliche Verwaltungsrat konstituiert ist. Die erste Sitzung ist vom ältesten Mitglied einzuberufen und zu leiten.

Bis längstens 31. Dezember 2001 hat der Verwaltungsrat eine Geschäftsführung und bis 30. September 2001 die vier bisher von der Verbandskonferenz entsendeten Mitglieder der Controllinggruppe zu bestellen. Auch hier hat der Minister das Recht der Ersatzvornahme.

Mit Wirksamkeitsbeginn 1. September 2001 werden alle bisher in Geltung stehenden Regelungen über die Verwaltungskörper des Hauptverbandes durch die neuen Bestimmungen ersetzt. Das bedeutet u. a. auch, dass mit diesem Datum das bisherige Präsidium des Hauptverbandes aufgelöst wird.

Bis zur Konstituierung der Geschäftsführung führen der bisherige leitende Angestellte und seine Stellvertreter bis zur Einsetzung der Geschäftsführung als einstimmig entscheidendes Kollegialorgan die Geschäfte des Hauptverbandes. Die Verbandskonferenz hat bis zur Konstituierung der Hauptversammlung, die Kontrollversammlung bis zur Konstituierung des Verwaltungsrates die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben weiter zu besorgen.

Sozialpolitische Bewertung: Arbeitnehmerfeindliche Neuorganisation des Hauptverbandes

Die Regierungsparteien haben mit der Neuordnung des Hauptverbandes die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter benachteiligt. Offenbar um weitere Verschlechterungen im Gesundheitswesen vorbereiten zu können7), werden die Mitwirkungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung geschwächt. Es ging der Bundesregierung dabei in den letzten Monaten auch nicht wirklich um Gesundheitspolitik, sondern um Personen, wie die Entfernung des Präsidenten des Hauptverbandes, Hans Sallmutter, aus seiner Funktion zeigt, obwohl deren Rechtmäßigkeit erst vor kurzem vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt wurde.

Die Position der Wirtschaft in der Sozialversicherung wird zu Lasten der Arbeitnehmer gestärkt

Im neu geschaffenen Verwaltungsrat werden Arbeitnehmervertretern gleich viele Arbeitgebervertreter gegenübersitzen. Derzeit liegt das zahlenmäßige Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Verhältnis in der Pensionsversicherung bei 2:1 und in der Krankenversicherung bei 4:1. Natürlich ist diese »neue Parität« sachlich nicht zu rechtfertigen, was schon daran klar wird, dass in Zukunft im Verwaltungsrat des Hauptverbandes rund drei Millionen Arbeitnehmer und ihre Familien von sieben Mitgliedern und lediglich rund 300.000 Unternehmer und Bauern ebenfalls von sieben Mitgliedern vertreten werden. Auch die im Parlament geführte Argumentation für die Neuregelung - die Arbeitgeber tragen die Hälfte des Beitragsaufkommens in der Sozialversicherung - zieht in diesem Zusammenhang nicht. Sie erinnert an die Zensuswahlrechte des vorigen Jahrhunderts - unter dem Motto »wer mehr zahlt, hat mehr Stimmen«, ganz abgesehen davon, dass die Versicherten als Konsumenten letztlich auch die auf die Preise überwälzten Dienstgeberbeiträge tragen.

Kein Zweifel: Der erste Hauptpunkt der Hauptverbandsreform ist, dass die Einflussmöglichkeiten der Wirtschaftskammer zu Lasten der Arbeitnehmer verstärkt werden.

Die demokratische Wahlentscheidung der Versicherten bei der Arbeiterkammerwahlen wird missachtet

Ein weiteres Phänomen der Umstrukturierung des Hauptverbandes ist, dass demokratische Wahlergebnisse, die offenbar nicht zum erwünschten politischen Ergebnis führen, missachtet und durch Mehrheiten im Parlament umgekehrt werden. Nach der Neuordnung ist die Repräsentanz der mit Abstand stimmenstärksten Fraktion bei den Arbeiterkammerwahlen im Verwaltungsrat auf ein Drittel beschränkt 8). Dies ist nicht nur demokratiepolitisch unverträglich, sondern auch verfassungsrechtlich fragwürdig.

Bestelltes Management ersetzt Versichertenvertretung - Beseitigung der Selbstverwaltung im Hauptverband

Entgegen mancher öffentlicher Äußerung der Regierungsparteien wird die Selbstverwaltung durch die Neuorganisation des Hauptverbandes keineswegs gestärkt. Im Gegenteil, vor allem die Auflösung von Verbandskonferenz und Verbandsvorstand machen deutlich: Die Führung des Hauptverbandes liegt künftig nicht mehr in den Händen der Selbstverwaltung, sondern wird - wie in einer Kapitalgesellschaft - vom neuen Geschäftsführungsorgan ausgeübt. Die 58. Novelle zum ASVG sieht für den Hauptverband organisatorisch keine Selbstverwaltung, sondern ein Aufsichtsratsmodell vor, was aus der Konstruktion des Verwaltungsrates besonders deutlich wird, aber auch daran, dass künftig die Geschäftsführung den Hauptverband nach außen vertreten wird. Es gibt keine unmittelbaren Geschäftsführungsbefugnisse für die Selbstverwaltung mehr, was charakteristisch für ein Selbstverwaltungsmodell ist. Durch die Einrichtung einer Geschäftsführung im Hauptverband wird also der Einfluss der Versichertenvertretung auf die Willensbildung der Sozialversicherung massiv eingeschränkt.

Darüber hinaus: Aus der Sicht der am Hauptverband beteiligten Sozialversicherungsträger kommt es zu einer Einschränkung der Beteiligung im Entscheidungsprozess. Die regionalen Gebietskrankenkassen etwa sind künftig nur noch in der Hauptversammlung vertreten, die über äußerst eingeschränkte Kompetenzen verfügt. Im Verwaltungsrat sind Sozialversicherungsträger nicht mehr vertreten 9). In den Verwaltungsrat können in Hinkunft Versicherungsvertreter, die Obmänner (Obmannstellvertreter) von Versicherungsträgern sind, nicht mehr entsendet werden.

Regierung erteilt Interessenvertretungs- und Berufsverbot

Letztlich: Die 58. Novelle zum ASVG führt eine Reihe von verfassungsrechtlich überaus bedenklichen Unvereinbarkeitsbestimmungen ein:

  • Für die Dauer der Ausübung einer Funktion im Verwaltungsrat, in der Geschäftsführung oder in der Controllinggruppe des Hauptverbandes ruht die Funktion als Versicherungsvertreter in einem Versicherungsträger.
  • Obmänner und Obmannstellvertreter der dem Hauptverband angehörenden Versicherungsträger sowie die »leitenden Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und Vereine, auch wenn sie die Kollektivvertragsfähigkeit in fremdem Namen ausüben«, sind von einer Bestellung zum Mitglied des Verwaltungsrates oder zum Mitglied der Geschäftsführung oder zum Mitglied der Controllinggruppe ausgeschlossen.
  • Kein Mitglied eines Verwaltungskörpers des Hauptverbandes darf gleichzeitig einem anderen Verwaltungskörper des Hauptverbandes angehören.
  • Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates, des Landtages, der Bundesregierung oder einer Landesregierung oder Arbeitnehmer einer politischen Partei dürfen nicht Mitglieder des Verwaltungsrates, der Geschäftsführung oder der Controllinggruppe sein.

Vor allem in Bezug auf den Begriff »leitende Funktionäre kollektivvertragsfähiger Körperschaften und Vereine« ist die Reichweite der Regelung äußerst unklar: Der Ausschluss von Funktionären von Gewerkschaft und Arbeiterkammern aus Verbandsfunktionen wirkt wie ein Interessenvertretungs- und Berufsverbot - sachlich unverständlich und wohl auch verfassungswidrig.

Schlussbemerkung: Die Interessenvertretungen der Versicherten bleiben auf der Strecke

Die Regierungsmehrheit im Parlament hat gesprochen. Hauptteil der 58. Novelle zum ASVG ist die Umstrukturierung des Hauptverbandes als wesentliche Dachorganisation der österreichischen Sozialversicherung.

Während es den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in den letzten Monaten immer wieder um die Interessen der Versicherten, Beitragszahler und Leistungsbezieher ging, um die Weiterentwicklung der hochwertigen Gesundheitsleistungen und um die Erhaltung der demokratischen Selbstverwaltung, zeigt die 58. Novelle zum ASVG ein anderes Bild:

Die Regierungsparteien bieten keine Lösungen für die aktuellen Herausforderungen in der Gesundheitspolitik. Sie setzen sich über eigene Gesetzesbeschlüsse hinweg, anerkennen Entscheidungen eines Höchstgerichtes nicht, sie kehren demokratische Wahlergebnisse um, Leistungen werden verschlechtert, das Gesundheitssystem wird insgesamt teurer.

Natürlich wird gegenwärtig eine verfassungsrechtliche Überprüfung der 58. Novelle zum ASVG vorbereitet. Das Fazit für die Sozialversicherung steht allerdings schon fest: Die Interessen der Versicherten bleiben auf der Strecke.

1) Die im Rahmen der Budgetkonsolidierung betriebene Umverteilung geht einseitig zu Lasten der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen; allein die Belastungen für die ArbeitnehmerInnen steigen bis zum Jahr 2003 auf 42,7 Milliarden Schilling, während die Unternehmer - also die Wirtschaft - mit 3,7 Milliarden Schilling entlastet wird.

2) Die Rechtsangleichung Arbeiter-Angestellte wurde auf die Verlängerung der Lohnfortzahlungsfristen beschränkt und gleichzeitig das Urlaubsrecht in einer Weise verschlechtert, dass in Summe ein Minus von 3 Milliarden Schilling für die ArbeitnehmerInnen steht.

3) Kostensteigerungen im Medikamentenbereich von 60 Prozent (!) allein für den Zeitraum 1995 bis 1999.

4) »Gemeinsame Lösungsansätze der österreichischen Sozialpartner zur Konsolidierung der Krankenversicherungsträger«, Februar 2001.

5) »Effiziente Struktur des Hauptverbandes und der Sozialversicherungsträger«; ÖGB-WKÖ; April 2001.

6) Damit ergibt sich nach wahlwerbenden Gruppen in AK und WKÖ folgendes Bild: BAK: 4 FSG, 1 ÖAAB, 1 FA; WKÖ: 4 ÖVP, 1 F, 1 SPÖ.

7) Im FPÖVP-Regierungsübereinkommen 2000 ist ein genereller Selbstbehalt der Patienten bei allen Gesundheitsleistungen (Arzt, Medikamente, Spitäler u. a. m.) festgelegt.

8) Dies ist insofern bemerkenswert, als die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen eindeutiger Wahlsieger bei den letzten AK-Wahlen war (von 542 zu vergebenden Mandaten entfielen 361 auf die FSG).

9) Es gibt auch keine »Spartengliederung« - wie im AK/ÖGB-Reformmodell vorgesehen.

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Richard Leutner (Leitender Sekretär des ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261297 Nicht von Sachthemen ablenken! | Roswitha Bachner: »Brauchen keine Zurufe von außen!« Die Regierungsspitze soll zur Kenntnis nehmen, dass der ÖGB und seine Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmer ein privater Verein ist. »Wir brauchen keine Zurufe von außen«, so die Leitende Sekretärin, die auch den Vorwurf, dass der ÖGB nicht überparteilich sei, zurückwies. »Wenn wir parteilich sind, dann sind wir die Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Interessen zu vertreten die ureigenste Aufgabe des ÖGB ist«, so Bachner. Und hier habe die Bundesregierung bisher total versagt. Durch die Politik dieser Bundesregierung ist die Wirtschaft in eine Rezession geraten, sind die Arbeitslosenzahlen dramatisch angestiegen, hat die Steuerquote dramatische Ausmaße erlangt und ist der Zuwachs der Brutto-Einkommen mit einer einzigen Ausnahme seit dem Jahr 1992 noch nie so niedrig wie im Jahr 2000 gewesen.

Bachner abschließend: »Die Bundesregierung, allen voran Kanzler Schüssel und seine >Vize< Riess-Passer, wären besser beraten, sich nicht den Kopf über den ÖGB zu zerbrechen, der ausschließlich seinen Mitgliedern verantwortlich ist. Viel wichtiger wäre es, dass die Bundesregierung für und nicht gegen die Menschen in diesem Land agiert und dafür Vorsorge trifft, das die Zukunft der sozialen Sicherheit in Österreich sichergestellt ist.«

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Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261287 Argumente zur Urabstimmung | »No na« und die Realität: Die Leitende Sekretärin des ÖGB, Roswitha Bachner, kommentiert Urabstimmungsfragen No-na-Fragen< haben für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer enorme Auswirkungen«, bringt es Roswitha Bachner, Leitende Sekretärin im ÖGB, auf den Punkt.]]> »Wer unsere Fragen mit den Worten und Taten führender Vertreter der Regierungsparteien vergleicht, wird sehr rasch feststellen, dass die Forderungen der Regierung bei weitem nicht mit unseren Forderungen übereinstimmen. Der ÖGB hat mit den Fragen wichtige Bereiche angesprochen, in denen die Regierung keine sozial gerechten Lösungen bietet«, argumentiert Bachner.

Zu den Fakten:

Sozialpartnerschaft

Frage 1: Wir fordern, dass die Sozialpartnerschaft gestärkt wird. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss auf alle Bereiche der Arbeitswelt ausgeweitet werden.

ÖVP-Generalsekretärin Rauch-Kallat zeigte sich noch vor wenigen Wochen begeistert darüber, dass die Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern aufgekündigt worden ist. »Die Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass in Österreich wieder Politik gemacht wird«, und »Es gibt den Mut zum Konflikt. Dort, wo es keinen Konsens gibt, wird der Konflikt ausgetragen«, lobte Rauch-Kallat Anfang Juli den Übergang von der Konsens- zur Konfliktdemokratie.

Gesundheits- und Pensionsvorsorge

Frage 2: Wir fordern die Beibehaltung der Pflichtversicherung, damit auch in Zukunft alle - unabhängig von ihrem Einkommen - auf die Gesundheits- und Pensionsvorsorge vertrauen können.

Bereits im Regierungsprogramm wurde der Abgang von der Pflichtversicherung angedacht. Unter grundsatzpolitischen Positionen findet man dort: »Einsetzung einer Expertengruppe zur Überprüfung, in welchen Bereichen ein Übergang oder eine Ergänzung der Pflichtversicherung durch eine Versicherungspflicht sinnvoll ist.« Das würde ein Abrücken vom solidarischen System der Pflichtversicherung bedeuten. Im Klartext: »Wer jung ist und es sich leisten kann, zahlt wenig Prämie, Alte und Kranke müssten hohe Prämien bezahlen.«

Kollektivverträge

Frage 3: Wir fordern, dass Lohnerhöhungen und Arbeitszeiten weiterhin durch die Gewerkschaften in Kollektivverträgen geregelt werden.

Minister Bartenstein ist anderer Ansicht. Bei einer Veranstaltung im Juli sprach er davon, dass er für den Herbst die »Einleitung großer, notwendiger Deregulierungsschritte plane«. Insbesondere Entscheidungen über die Arbeitszeit sollten vermehrt in den Betrieben von Geschäftsführung und Betriebsrat getroffen werden, präzisierte Bartenstein, denn ausländische Investoren hätten zu verstehen gegeben, dass ihnen - stärker noch als bürokratische Hemmnisse oder die Steuerlast - »starre Arbeitszeitenregelungen zu schaffen machen«.

Angedacht wurde in diesem Zusammenhang von Bartenstein auch die Ausweitung der vom Gesetz her erlaubten Höchstarbeitszeit von derzeit zehn auf zwölf Stunden pro Tag. Sogar die - des Paktierens mit dem ÖGB wohl unverdächtige - »Presse« betitelte den Bartenstein-Vorschlag mit: »Flexiblere Arbeitszeit - weniger Lohn«.

Abfertigung

Frage 4: Wir fordern einen Anspruch auf Abfertigung ab dem ersten Tag - auch bei Selbstkündigung - mit freier Verfügbarkeit durch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem ein Anspruch auf Abfertigung entsteht, ist die Regierung keinesfalls auf ÖGB-Linie. Geht es nach führenden Vertretern der Regierungsparteien, soll die Abfertigung zudem in Hinkunft nicht mehr ausgezahlt, sondern zwingend für den Aufbau von betrieblich finanzierten Zusatzpensionen verwendet werden. Sozialminister Haupt begründete diese Absicht gar mit europaweiten Zwängen. Er warnte in einem APA-Gespräch im Juli gar davor, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in andere Länder abwandern würden, wenn die zweite Säule im Pensionssystem nicht ausgebaut wird.

Eine zwangsweise Umwandlung der Abfertigung in eine Betriebspension würde der Regierung Vorschub leisten, um im Gegenzug die Pensionen aus der staatlichen Pensionsversicherung zu kürzen. Die Position des ÖGB ist klar: Die Abfertigung muss Lohnbestandteil bleiben, Nein zur zwangsweisen Umwandlung in eine Betriebspension.

Bildungsoffensive

Frage 5: Wir fordern eine schulische und berufliche Bildungsoffensive, um die Zukunftschancen aller zu verbessern. Ziel ist ein offener Bildungszugang ohne soziale Barrieren.

Für diese Forderung bedarf es wohl keiner Zitate, die Fakten genügen. Würde die Regierung mit dieser Forderung übereinstimmen, müsste Ministerin Gehrer umgehend die Erlagscheine zur Einhebung der Studiengebühren (jährlich 10.000 S) für null und nichtig erklären.

Stopp dem Ausverkauf

Frage 6: Wir fordern die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Dienste und den Stopp des unwiderruflichen Ausverkaufs öffentlichen Eigentums (z. B. Betriebe, Strom, Wasser, Wälder), um unsere Grundversorgung zu sichern.

Die »Angst« mancher Vertreter der Regierungsparteien, vor allem was staatlich ist, wird am Ausverkauf bestens florierender Unternehmen und Besitztümer der Republik deutlich - zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der Verkauf der Austria Tabak oder der gegenwärtig stattfindende Verkauf der Wälder durch die Bundesforste. Aber auch die Tatsache, dass einige Minister anstelle auf die ihnen zur Verfügung stehenden hoch qualifizierten Bediensteten in den Ministerien auf externe Rechtsanwälte und Consulter zurückgreifen, zeigt die eigenartige Haltung mancher Regierungsmitglieder zu allem, was staatlich ist, auf.

»Der Vergleich macht sicher - unsere Fragen sind weder inhaltslos noch no na«, zieht Roswitha Bachner Resümee. Im Gegenteil - gerade das Zetern der Vertreter der Regierungsparteien zeige, dass der ÖGB mit den Fragen wichtige Bereiche, in denen die Regierung keine sozial gerechten Lösungen bietet, angesprochen hat, so die Leitende Sekretärin im ÖGB abschließend.

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Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261277 INTERVIEW | »Unvereinbar auf österreichisch« »Arbeit&Wirtschaft«: Kollege Haberzettl, wie geht es jetzt dir persönlich als abgelehnter Vorsitzender des Verwaltungsrates des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger?

Wilhelm Haberzettel: Mir persönlich geht's ausgezeichnet, muss ich sagen. Die Ablehnung war ja offenkundig und erwartet, und es war ja nur logisch und konsequent - die »demokratische« Vergewaltigung von Kollegen Sallmutter sollte fortgesetzt werden. Die Frage war nur: Wie erfolgt die Umsetzung?

Sozialminister Haupt hat trotz glasklarer Situation zwei Wochen gezögert und gezaudert und jetzt haben wir in ähnlicher Argumentation wie bei Sallmutter den Bescheid. Jetzt haben wir auch die Möglichkeit, die in einem Rechtsstaat üblichen Rechtsmittel auszunutzen.

Die Frage der Unvereinbarkeit im Hauptverband ist ja sehr österreichisch gelöst: Gewerkschaftsspitzenfunktionäre, die ja eigentlich dem Anspruch der Informiertheit entsprechen, werden unter dem Titel der »Unvereinbarkeit« ausgeschlossen, und ein weisungsgebundener Ministerialbeamter der obersten Kontrollbehörde dieses Gremiums, nämlich des Sozialministeriums, ist nicht unvereinbar mit dieser Funktion, das heißt, der kann sich Vormittag die Arbeit anschaffen und nachmittags kann er sich dann selber kontrollieren. Das ist ganz einfach wirklich »unvereinbar auf österreichisch«.

Trotzdem ist doch die Arbeitnehmervertretung bemüht, diese Positionen zu halten?

Also, das wäre die größte Dummheit der Sozialdemokraten gewesen, trotz solcher Mehrheitsverhältnisse den Präsidentensessel anzustreben, nämlich bei neun Sitzen für die Regierungsvertreter und fünf Sitzen für die Sozialdemokraten - das wäre ein Präsident auf Abruf gewesen. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist: Ein derartiges System haben wir derzeit nur in der Bundesregierung, dass der Schwächste sozusagen der Chef der Regierung ist. Da sollte man ein solches System im Hauptverband nicht mit Unterstützung der Sozialdemokraten umsetzen.

Die Situation der Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Hauptverband scheint nicht gerade zum Besten zu stehen. Kann man sagen, wir sind in Rückzugsgefechten?

Ja, so würde ich es auch formulieren, aber man hat uns gezwungen, man hat uns Gewalt angetan, der Rückzug ist erzwungen. Hier ist man mit einem Gesetz einfach über demokratische Wahlergebnisse drübergefahren. Das Ergebnis ist bekannt: Es gibt einen Verwaltungsrat, in dem sieben Arbeitgebervertreter sind und sieben Arbeitnehmervertreter. Allein von der Gewichtung her, wenn man davon ausgeht, dass ein Arbeitgebervertreter dort rund hunderttausend Versicherte und ein Arbeitnehmervertreter rund drei Millionen Arbeitnehmer und Pensionisten vertritt sieht man schon, wie »gelungen« das Gesetz in Wirklichkeit ist.

Ich halte auch die Urabstimmung nicht nur zeitlich für sehr geeignet zu diesem Thema, sondern ich glaube auch, dass bei der Urabstimmung letztendlich eines sehr klar und deutlich zu Tage kommen wird, nämlich, dass die Österreicherinnen und Österreicher sehr wohl mitbekommen, was in dieser Republik im Augenblick passiert, dass man, um Wahlversprechungen halten zu können, eine Geldbeschaffungsaktion auf Kosten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vornimmt, auch im Bereich der Sozialversicherung.

Wie siehst du persönlich die Situation der Arbeitnehmer in unserem Land bzw. wie beurteilst du die Kampfmaßnahmen, von denen in der Urabstimmung auch die Rede ist?

Wie du weißt, haben die Eisenbahner bereits das erste Signal in Richtung Kampfmaßnahmen am 28. Juli des Vorjahres gesetzt ...

Was war das damals?

Na, das war ein einstündiger Streik, zwar mit genauen Einschränkungen, wir haben den Nahverkehr bestreikt und den Fernverkehr nicht, und die Beteiligung war lückenlos.

War das in Form von Protestversammlungen?

Nein, das war ein deklarierter Streik. Es ist zwar organisatorisch ungeheuer schwierig, so etwas durchzuführen, aber es ist lückenlos gelungen. Ich glaube, dass es höchst an der Zeit ist, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land ganz klar Position beziehen, nämlich Position zu den Arbeitnehmerorganisationen und in erster Linie zum ÖGB und dass diese Position auch in der Öffentlichkeit klar wird. Die Chance für den Einzelnen ist nicht nur die Teilnahme an der Urabstimmung, sondern auch ein ganz klares Votum für den ÖGB.

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(Mit Wilhelm Haberzettl sprach Siegfried Sorz.) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261245 LEITARTIKEL | Angst und Mut, Trägheit der Herzen und die Hoffnung »Seit dem 11. September ist unsere Welt nicht mehr, was sie einmal war«, heißt einer der Standardsätze unserer Kommentatoren. In der Tat könnte man dieses Datum und die an diesem Tage begangenen verabscheuungswürdigen Verbrechen als eine Art Zäsur in der Entwicklung unserer westlichen Demokratien betrachten.

Bei aller Erschütterung und Betroffenheit und all diesen furchtbaren Bildern, die wir im Fernsehen gesehen haben - Hollywood-Alptraum wird Wirklichkeit -, sollten wir eines nicht vergessen: Es geht jetzt auch um unsere demokratischen Grundwerte. Genial zusammengefasst habe ich das in einer Karikatur von Haderer gesehen: Man sieht den Globus. Auf der einen Seite die rauchenden Türme des World Trade Centers, und irgendwo weiter unten ein kleines Etwas, von dem eine Sprechblase kommt. Offensichtlich ein Stoßgebet: »... und schütze uns vor dem Bösen und vor der Rache des Guten. Amen!«

Wir trauern um die Toten, wir fühlen mit den Hinterbliebenen. Der Schmerz der Witwen und Waisen, der Brüder und Schwestern, der Mütter und Väter kann durch unsere Anteilnahme nicht gelindert werden. Wir müssen jetzt selber Angst haben. Dieselbe Angst, die auch jene Mütter und Väter, jene Kinder, jene Menschen haben müssen, die durch eine Fügung des Zufalls oder der »Vorsehung« dort zur Welt gekommen sind und dort leben, wo - die »Bösen« zu Hause sein oder sich verstecken sollen. Aus dieser durchaus realen Angst heraus sind bereits Millionen geflüchtet.

Es gibt sie, die sensationsgeilen Medien, die stündlich und täglich über den Gegenschlag spekulieren, es gibt die perversen Voyeure, die am liebsten wieder vom Fernsehsessel aus Raketenangriffe und das Bombardement einer Stadt, eines Landes beobachten möchten. Ich sage wieder, denn das haben wir alles schon gehabt.

Der größte Teil der zivilisierten Menschheit weigert sich, die aktuellen schwarz-weißen Freund-Feind-Bilder zu übernehmen, eine Weltreligion oder eine Weltregion als Hort des Bösen zu verdammen oder gar alle Menschen einer bestimmten Herkunft zu verdächtigen und zu verfolgen.

Es wäre in der Tat eine fatale Trägheit des Herzens, wollten wir einstimmen in den Chor jener, die einfach nur »zurückschlagen« wollen. Die Mörder und vor allem die Schreibtischmörder vom 11. September müssen mit allen Mitteln einer gerechten Bestrafung zugeführt werden - aber gerecht heißt: Ein rechtsstaatliches Verfahren, an dessen Ende ein Urteil steht. Bestrafung ist nun einmal ein wesentliches Mittel gegen die Ausbreitung der Barbarei.

Dieselbe Vehemenz ...

Zwischen Barbarei und Zivilisation steht allerdings nur ein schmaler Grat, und die Terroristen hätten gewonnen, wenn sie uns auf ihre Seite hinüberziehen könnten. Der Kampf gegen den Terror kann nur dann von nachhaltiger Wirkung sein, wenn mit derselben Vehemenz auch Hunger und Elend bekämpft werden.

Die Tausenden von Kindern, die täglich sterben, weil sie nichts zu essen haben, weil Medikamente und ärztliche Behandlung fehlen, weil sie und ihre Eltern auf der Flucht sind - sie sollten uns genauso ein Ansporn sein wie die Bedrohung durch den Terror.

Wir verurteilen die soziale Unordnung und die Missachtung der Gerechtigkeit, welche Bürger an den Rand drängt, die Armut, die Lebenschancen erstickt, die wirtschaftlichen Ungleichheiten, die so viele Familien mit Ruin bedrohen.

Wir sind ein Teil des Ganzen. Jeder von uns hängt vom Wohlergehen des Ganzen ab. Das Ganze ist nicht nur unsere Familie, unser Betrieb, unsere Gemeinde, unsere Gesellschaft, unser Land. Das Ganze ist weit mehr, denn wir leben in einer globalen Gemeinschaft, es gibt nur diese eine Welt. Es gibt die Hoffnung, dass wir von der Vergangenheit wirklich lernen können.

Es gibt die Hoffnung, dass der Hass und die Erinnerung des Hasses uns nicht zu Gefangenen machen können. Wir wollen eine Kultur der Solidarität und der gegenseitigen Verbundenheit. Wir wollen Menschenrechte verwirklicht sehen und auch unsere eigenen Menschenpflichten verwirklichen.

Ich kann die Stimmen der Spötter hören, die sagen: »Welch hehre Ideale - die Wirklichkeit ist ganz anders!« Trotzdem, ich bestehe darauf, wir brauchen Hoffnungen, Ziele, Ideale, Maßstäbe. Diese Visionen sind uns im Eifer der Tagesgeschäfte abhanden gekommen oder werden gar als üble Krankheit, als zu kurierende Entartung der Phantasie angesehen. Aber gerade jetzt muss man doch an die Vision eines friedlichen Zusammenlebens der Völker, der ethnischen und ethischen Gruppierungen und der Religionen in gemeinsamer Verantwortung erinnern. Die Menschheit besäße heute genügend wirtschaftliche, kulturelle und geistige Ressourcen, um eine bessere Weltordnung herbeizuführen. Heute ...

Der Dichter Jura Soyfer wurde von den Nazis ermordet. Er hat ein Stück geschrieben, ein Fragment, das heißt »Weltuntergang«. Dort tritt ein Komet namens Konrad auf, der eigentlich die Erde hätte zerstören sollen - ähnlich wie uns das Hollywood in den diversen Katastrophenfilmen vorexerziert. Er bremst aber 2000 Kilometer vor seinem Ziel ab, und als ihn die andern Planeten, Sonne, Venus und Mars, zur Rede stellen, macht er ein Geständnis. Er hätte sich verliebt - in die Erde ...

»Denn näher, viel näher als ihr es begreift, Hab' ich die Erde gesehen. Ich sah sie von goldenen Saaten umreift, Vom Schatten des Bombenflugzeugs gestreift Und erfüllt von Maschinengedröhn. Ich sah sie von Radiosendern bespickt; Die warfen Wellen von Lüge und Hass. Ich sah sie verlaust, verarmt und beglückt Mit Reichtum ohne Maß.

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde, Voll Leben und voll Tod ist diese Erde, In Armut und in Reichtum grenzenlos. Gesegnet und verdammt ist diese Erde, Von Schönheit hell umflammt ist diese Erde, Und ihre Zukunft ist herrlich und groß.

Denn nahe, viel näher als ihr es begreift, Steht diese Zukunft bevor, Ich sah, wie sie zwischen den Saaten schon reift, Die Schatten vom Antlitz der Erde schon streift Und greift zu den Sternen empor. Und weiß, dass von Sender zu Sender bald fliegt Die Nachricht vom Tag, da die Erde genas. Dann schwelgt diese Erde, erlöst und beglückt, In Reichtum ohne Maß.

Voll Hunger und voll Brot ist diese Erde ...«

Ich höre die Zyniker, die sagen, jetzt kommt er uns mit so einem Gedichterl, trotzdem will ich ganz eigensinnig die Hoffnung und die Liebe des Planeten Konrad oder des Jura Soyfer teilen. Wie steht's mit Ihnen? Haben wir trotz allem noch Hoffnung?

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Mon, 15 Oct 2001 00:00:00 +0200 1196351261236 EDITORIAL | Geifer und Keifen der hetzenden Meute Besonders den Leuten von der »F« ist kein Argument zu tief. Sie zielen prinzipiell unter die Gürtellinie. Und es ist ja auch kein Wunder, denn sie sind furchtbar enttäuscht: Ihr Versuch, eine eigene »F«-Gewerkschaft auf die Beine zu stellen, ist kläglich gescheitert. Der Bettelbrief an die Unternehmer, die diese »F-Gewerkschaft« finanzieren sollten, ist heute noch eine Lachnummer.

Am liebsten würden sie den ÖGB überhaupt abschaffen: »Leute, zu was braucht Ihr überhaupt eine Gewerkschaft, das ist doch nicht mehr zeitgemäß, Ihr habt doch uns.« Die »Leute« aber wissen und sehen und spüren tagtäglich, was sie an ihnen haben: »Gnade uns Gott, wenn wir >denen< ohne jegliche >Gegenmacht< ausgeliefert wären.«

Die fortwährenden Angriffe sind selbst unserem Bundespräsidenten zu viel geworden und er hat deutlich Stellung genommen - siehe Zitat auf dem Titelbild. Für jene unserer »Kritiker«, die sich doch noch inhaltlich und nicht nur polemisch mit den Fragen der Urabstimmung auseinander setzen, ist Roswitha Bachner, die Leitende Sekretärin des ÖGB, nochmals auf die einzelnen Gegenargumente eingegangen (Seite 6).

Eine Reihe von prominenten Persönlichkeiten hat sich öffentlich und ausdrücklich zur Gewerkschaft und zur Urabstimmung bekannt - trotz oder gerade wegen des Kesseltreibens, das zurzeit gegen den ÖGB läuft. Und weil die »F«-Leute sich nicht zu blöd waren, zu behaupten, bei der Auswertung der Urabstimmung würde es nicht mit rechten Dingen zugehen, kommen auch einige der insgesamt 54 Notare zu Wort, von denen der Abstimmungsprozess überwacht wird (Seiten 8 und 9).

Wir beschäftigen uns aber auch weiterhin - unbeirrt trotz des begleitenden Geifers und Keifens der hetzenden Meute - mit Hintergründen der realen politischen und wirtschaftlichen Situation: So analysiert Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB, eingehend die Situation im »neuen« Hauptverband wie auch die Gesamtsituation der Arbeitnehmer im Bereich Sozialversicherung. Um die Sache abzurunden, haben wir auch noch ein Kurzinterview mit Wilhelm Haberzettel gemacht, der, ähnlich wie Sallmutter, den Kriterien der Regierenden nicht entsprochen hat (»Unvereinbarkeit«) und dessen Fall - es ist unser Fall, denn es geht um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer - inzwischen bei den Gerichten liegt.

Das Heft bietet noch viel mehr: Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern namens des Redaktionsteams Zeit und Muse, um sich mit dem Inhalt kritisch auseinander zu setzen.

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Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351261143 Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex Der Arbeitsmarkt im September 2001 Veränderungen zum Stand Sept. 01 Vormonat Vorjahresmonat Unselbständige Beschäftigung 3.188.021 -32.909 12.237 ohne KUG1)/Präsenzdiener 3.117.970 -32.006 11.376 Arbeiter 1.318.203 -23.649 -12.923 Angestellte u. Beamte 1.869.818 -9.260 25.160 Männer 1.779.142 -16.743 -10.352 Frauen 1.408.879 -16.166 22.589 Ausländer 340.525 -3.431 7.153 Inländer 2.847.496 -29.478 5.084 Vorgemerkte Arbeitslose 175.524 4.211 21.878 Männer 89.694 3.523 14.137 Frauen 85.830 688 7.741 Ausländer 24.024 2.470 5.783 Inländer 151.500 1.741 16.095 Jugendliche (bis unter 19) 4.541 364 475 Jugendliche (19 bis unter 25) 25.149 2.079 4.636 Ältere (50 bis unter 55) 19.738 -190 661 Ältere (55 bis unter 60) 15.174 187 489 Ältere (über 60) 3.229 349 1.637 Arbeitslosenquote in Prozent 5,22 0,2 0,6 Offene Stellen 28.314 -2.470 -7.977 Lehrstellensuchende 5.483 -2.619 577 Offene Lehrstellen 3.482 -441 384 Geringfügige Beschäftigung2) 200.366 -385 8.693 Männer 54.839 -202 2.710 Frauen 145.527 -183 5.983 Arbeiter 120.687 -383 2.598 Angestellte 79.679 -2 6.095 1) Karenzurlaubsgeldbezieherinnen 2) nicht in der unselbständigen Beschäftigung enthalten Quellen: Hauptverband der Sozialversicherungsträger, AMS

Verbraucherpreisindex (Internationale Vergleichswerte)
Veränderungen in Prozenten gegenüber dem Vorjahresmonat Nationale VPI Harmonisierte VPI Aug. 01 Sept. 01 Aug. 01 Sept. 01 Belgien 2,7 2,7 2,5 1,9 Dänemark 2,5 2,3 2,5 2,1 Deutschland 2,6 2,1 2,6 2,1 Griechenland 3,8 - 4,0 4,0 Spanien 3,7 3,4 3,8 3,4 Frankreich 1,9 1,5 2,0 1,6 Irland 4,6 4,6 3,7 3,8 Italien 2,8 2,6 2,8 2,6 Luxemburg - 2,4 2,5 1,9 Niederlande 4,7 4,7 5,2 5,4 Österreich 2,5 2,6 2,5 2,5 Portugal 4,3 4,3 4,0 4,1 Finnland 2,4 2,2 2,7 2,6 Schweden 3,1 3,2 3,0 3,3 UK - 1,7 1,8 1,3 Island 8,4 8,4 8,1 8,8 Norwegen 2,7 2,4 2,2 1,9 Schweiz 1,1 0,7 USA - - Japan - - Datenquellen: Statistik Österreich/EUROSTAT, lfd. Monat; OeNB
Anm.: Der Harmonisierte VPI ist der zentrale Indikator für die Währungspolitik der EZB (Europäische Zentralbank). Er stellt auch die beste statistische Basis für internationale Vergleiche unter europäischem Gesichtspunkt dar.
- = Bei Redaktionsschluss keine Werte bzw. für Luxemburg nur mehr HVPI-Werte verfügbar. ]]>
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Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260813 Sind die Arbeitsverhältnisse noch normal? | Erfahrungsberichte eines Sozialforschers Sind die Arbeitsverhältnisse noch normal? Diese Fragestellung zieht sich wie ein roter Faden durch meine bisherigen Publikationen.

Als ich vor nunmehr zwölf Jahren meine ersten Erfahrungen als Leiharbeiter machte, glaubte ich, damit besonders nachteilige Arbeitsverhältnisse beschrieben und analysiert zu haben. Ich prangerte Personalbereitstellungsfirmen an, die ihr Personal täglich oder wöchentlich in das Büro zitierten. Dort mussten wir warten, ob es für uns eine Arbeit gab oder nicht. Gab es nichts, gingen wir unverrichteter Dinge wieder nach Hause und versuchten am nächsten Morgen wieder unser Glück.

Verliehen

Gänzlich unvorbereitet werden Leiharbeiter in Beschäftigerbetriebe geschickt. Ich erlebte es zum Beispiel bei den Entsorgungsbetrieben in Simmering, wo wir Ofenmaurern hilfreich zur Hand gehen mussten. Unsere Kleidung war völlig ungeeignet für diesen Arbeitseinsatz. Mit rabenschwarzem Gewand mussten wir nach dem ersten Arbeitseinsatz unseren Heimweg antreten. In den Bussen und Straßenbahnen rückten die anderen Fahrgäste weit von uns ab, weil wir vor Schmutz starrten. Erst für den nächsten Tag konnten wir eine passende Arbeitskleidung organisieren.

Die Arbeit in den Verbrennungsöfen war sehr staubig. Die Firma stellte uns nur lächerlich ungeeignete Hobbystaubmasken zur Verfügung. Dort, wo Sondermüll verbrannt wird, kann auch der Staub nicht harmlos sein. Ich schuftete mit den Ofenmaurern in 12-stündigen Nachtschichten, wir räumten die abgeriebenen feuerfesten Feuersteine aus dem Ofen und klebten neue hinein. Am Ende dieses zweiwöchigen Arbeitseinsatzes, inklusive der Wochenenden, wurden meine Stunden fälschlicherweise als Tagschichten bestätigt. Mit diesem falschen Stundenzettel kam ich in die Leihfirma zurück, doch der Leiharbeitschef sah sich außerstande, diesen Fehler zu korrigieren und zahlte mir anstatt der Nachtarbeitszulagen bloß den Lohn für die Tagschicht aus. Wo sollte ich mich beschweren? Bei einem Betriebsrat, den es in diesem großen Unternehmen nicht gab? Beim Beschäftigerbetrieb, der froh war, so billig davongekommen zu sein?

Solche Zustände der Ohnmacht erlebte ich als Leiharbeiter wiederholt. Meine Arbeitseinsätze wurden des Öfteren nicht korrekt bestätigt, Pausen wurden abgezogen, obwohl ich sie nie genossen hatte, ich fühlte mich ausgenutzt und schlecht behandelt.

Als Leiharbeiter ist man einer hohen Flexibilität unterworfen. Es gibt sogar Einsätze, die nur wenige Stunden dauern. Es kommt vermehrt zu einer Art von Feuerwehreinsätzen. Wenn in einer Firma plötzlich zu wenig Beschäftigte einer hohen Arbeitsanforderung gegenüberstehen, wird meist nicht das Stammpersonal aufgestockt, sondern es wird immer häufiger auf die flexiblen Leiharbeitskräfte zurückgegriffen.

Vor zwölf Jahren war ich noch einer von rund 7000 Leiharbeitern in Österreich, heute beträgt die Anzahl von Leiharbeitskräften rund viermal so viel.

Von der Leiharbeit zur Schwarzarbeit

»Normal« ist es auch bei meiner nächsten Arbeitserfahrung als Schwarzarbeiter nicht zugegangen. Ich konnte mit meiner Rolle als rumänischer Schwarzarbeiter nachweisen, dass es Personalbereitstellungsfirmen gibt, die Arbeiter auch ohne Papiere an Beschäftigerbetriebe besonders günstig weitervermitteln. Ich sammelte genügend Beweise, dass die Kundenfirmen dieser Leihbuden sich dessen sehr wohl bewusst waren.

Ich habe auch darauf verwiesen, dass vor allem die so genannte Subfirmenkonstruktion Tür und Tor öffnet, um standardisierte Arbeitsrechte zu untergraben, denn die Angebote von Subfirmen sind meist geradezu darauf ausgerichtet, Lohnkosten zu sparen. Tatsächlich fand ich hier einen großen Teil von schwarzarbeitenden Kollegen, die zum Teil sogar auf der Baustelle übernachteten, weil sie einerseits bis spät in die Nacht arbeiteten und andererseits auf diese Weise Wohnkosten sparen konnten.

In der Schwarzarbeit, in die man sich meist nur aus einer Notsituation heraus begibt, werden alle arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen ignoriert. Der vernünftige Vorschlag, die Konstruktion von Subfirmen zu verbieten beziehungsweise den Generalunternehmer für arbeitsrechtliche Verfehlungen verantwortlich zu machen und den Schwarzarbeitern gewerkschaftlichen Schutz bei der Nachforderung der ihnen vorenthaltenen Löhne und Zulagen zu gewähren, konnte bisher nicht in die Praxis umgesetzt werden.

Lkw-Fahrer

Als Lkw-Fahrer habe ich nachweisen können, dass es in dieser Branche nicht weit her mit einer normalen Entlohnung ist. Während der Arbeitssuche als Lkw-Fahrer war ich erst erfolgreich, als ich bei der Frage der Bezahlung nicht gesagt habe: »Ich möchte nach dem üblichen KV entlohnt werden.« Das Wort »Kollektivvertrag« alarmiert in dieser Branche die Arbeitgeber derart, dass sie von einer Beschäftigung lieber Abstand nehmen. Üblich ist, wie sich bald herausgestellt hat, nicht die Bezahlung nach dem KV, sondern nach der Anzahl der Fuhren oder zurückgelegten Kilometer. Die »offizielle« Bezahlung liegt so niedrig, dass die Arbeitnehmer gering angemeldet sind und eine dementsprechend niedrige Pension, niedriges Arbeitslosengeld oder Krankengeld erwarten können. Die Arbeitgeber sparen sich auf diese Weise wiederum Lohnnebenkosten, die insgesamt dem Sozialversicherungssystem fehlen.

Altenpfleger

Auch im Pflegeberuf wird man oft mit der Frage konfrontiert: »Ja, ist denn das noch normal?« Ausgebildete Pflegepersonen stehen hier gerade bei Nachtdiensten einer immer größer werdenden Anzahl von pflegebedürftigen Menschen mehr oder weniger hilflos gegenüber und oft hilft erst die systematische Verteilung von Schlaftabletten nach dem Abendessen, die Nachtdienste halbwegs gut zu überstehen. Im Pflegebereich gibt es auch Pools, wo den Pflegepersonen ebenfalls hohe Flexibilität bei vergleichsweise niedriger Bezahlung abverlangt wird.

Schülerinnen und Schüler werden hier oft als vollwertige Arbeitskräfte in die Pflegearbeit einbezogen. Ohne die Unterstützung dieser unerfahrenen und kostengünstigen Kräfte könnten viele Pflegestationen in Krankenhäusern ihre Arbeit gar nicht bewältigen.

Taxifahrer - unselbständig selbständig

Das Taxifahren hat mit der Scheinrealität eines Taxi-Orange nichts zu tun. Arbeitszeiten und Verdienst stehen in krassem Widerspruch. Bei 12-stündigen Nachtschichten fällt der Stundenlohn meist nur zwischen 70 bis 90 Schilling brutto aus. Wenn man die Arbeit beginnt weiß man nie, wie viel Einkommen am Ende herauskommen wird. Werde ich viele gute Fuhren haben? Kann ich auf viel Trinkgeld hoffen, oder wird es eine Stehpartie? Das sind die Fragen, die sich Taxilenker vor Dienstantritt stellen.

Zum ungewissen Einkommen kommen noch verschiedene Probleme hinzu. Bei Verkehrsübertretungen auf der Jagd nach Fahrgästen kann es zu empfindlichen Strafen kommen, beim Warten auf Fahrgäste außerhalb von Taxistandplätzen ebenfalls, und wenn man dann die Fahrgäste im Taxi hat, ist es wiederum nicht sicher, ob sie sich die Taxifahrt überhaupt leisten können, oder ob sie es gar auf das Bargeld des Taxilenkers abgesehen haben. Verdienstentgänge, die durch so genannte »Fehlfahrten« entstehen, wenn man über Funk an eine Adresse bestellt wird und dort nirgendwo Fahrgäste vorfindet, komplettieren die hohen Risken, die hier unselbständig Beschäftigte hinnehmen müssen.

Jobs ohne Gewähr auf ein fixes Einkommen, eine Arbeit mit hohen Risken und wenig Lohn, wie das beim Taxifahren in Wien üblich ist, stellen tatsächlich keine hohe Attraktivität dar - Taxilenker werden bei noch so hohen Arbeitslosenraten immer gesucht.

Atypische Beschäftigungen zeichnen sich dadurch aus, dass im Vergleich zu einem Normalarbeitsverhältnis wichtige Eckpfeiler fehlen. Es gibt keine fixe Arbeitszeit, keine Garantie auf ein regelmäßiges Einkommen und auch der Arbeitsort kann ständig wechseln. Es gibt darüber hinaus keine Ansprüche auf die in einem Kollektivvertrag ausgehandelten Schutzbestimmungen wie Kündigungsschutz oder Vertretungsschutz aller für Arbeitnehmer vorhandenen Beratungseinrichtungen; und erst seit kurzem gibt es eine Sozialversicherungspflicht mit allerdings eingeschränkten Versicherungsleistungen und Selbstbehalt bei Krankenversicherungsangelegenheiten.

Billig und billiger

Viele Arbeitsverhältnisse werden auf Werkvertragsbasis oder auf freier Dienstvertragsbasis abgeschlossen. Vorteil für das Unternehmen: Diese Konstruktionen sind billiger, die Betroffenen haben keinen Anspruch auf Urlaub, sind flexibler einsetzbar, sie sind gewerkschaftlich nicht organisiert, lassen sich stärker unter Druck setzen. Kurzum, sie bieten für ein Unternehmen eine Reihe von Vorteilen, während sie selbst so ziemlich aller sozial- und arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen verlustig gehen. Wie schamlos die Arbeitsbeziehungen gestaltet sein können, erlebte ich bei meiner Tätigkeit als selbständiger Werbemittelverteiler.

Von der Werbefirma wurde ich nach einer kurzen Einschulung einige Tage vor meinem ersten Einsatz um halb sieben Uhr in die Firma gebeten. Dort musste ich bereits in der Früh beim Verladen von Werbematerialien mithelfen. Nach einiger Zeit wurde mir auf eigenes Bitten ein Wagerl gegen eine Kaution von 300 Schilling ausgehändigt. Schließlich durfte ich gegen 9 Uhr Vormittag das Lager in Richtung Verteilereinsatzgebiet selbständig verlassen. Ich musste mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu einem vereinbarten Treffpunkt fahren und dort auf das Eintreffen meines Wagerls samt Werbematerialien eine geschlagene Stunde in der Kälte warten.

Als der Kleintransporter endlich kam, durfte ich mit der Verteilertätigkeit noch immer nicht beginnen, weil ein Werbezettel einer Möbelfirma fehlte. Erst um 11 Uhr startete ich das Verteilen des Werbematerials. Ich arbeitete schnell und ohne Pause, gegen 17 Uhr war ich hungrig, durstig, fix und fertig. Ich hatte keine Lust mehr, meine »selbständige« Arbeit weiter auszuführen und beschloss, sie am nächsten Tag fortzusetzen, aber das ließ mein Chef nicht zu. Die Zettel müssten rechtzeitig an der Tür hängen, sagte er mir, denn sonst würde es vom Auftraggeber kein Geld geben, hieß es. Meine restlichen Werbezettel für die letzten zehn Stiegen wurden mir abgenommen, und ein Kollege beendete die Verteilung für mich.

Für Sie keine Aufträge mehr

Als es dann am nächsten Freitag zur Abrechnung kam, Geld gibt es immer erst am Freitag, staunte ich nicht schlecht, als auf meiner Gehaltsliste bloß 213 Schilling brutto aufschienen und mein Nettogewinn 192 Schilling betrug, weil da Fahrgeldspesen, Versicherungsspesen und Weggeld abgezogen worden waren. Mir blieb der Mund offen. Ich stotterte: Warum so wenig? Warum die Abzüge? Ich stellte weitere Fragen, als plötzlich mein Geschäftspartner ziemlich laut wurde und davon sprach, dass es mit mir nur Probleme gebe, dass ich die Verteilertätigkeit nicht gewissenhaft ausführte, und dass es unter diesen Voraussetzungen keinen Sinn hätte, weiter mit mir zusammenzuarbeiten und dann schrie er aufgebracht folgenden Satz: »Für Sie, Herr Hofer, gibt es keine Aufträge mehr.«

Ich, der ich diese »Rolle« ohnehin nicht länger spielen wollte, kann mit dieser »Kündigung« gut leben, obwohl es das erste Mal war, dass ich in Ausübung einer Arbeit im Zusammenhang mit meinen Arbeitsweltforschungen gescheitert bin. Aber alle Kolleginnen und Kollegen, die auf diese Tätigkeit angewiesen sind, weil sie sonst keine Arbeitsmöglichkeiten vorfinden, für die bedeutet eine solche Aussage die fristlose Entlassung.

Während ich mich eigentlich während der Arbeit immer als unselbständiger Erwerbstätiger erlebt habe, denn Arbeitsort, Zeit und Umfang der Tätigkeit konnte ich nicht selbst beeinflussen, wurde ich am Ende dieses Arbeitsverhältnisses plötzlich als »Geschäftspartner« angesprochen, dem die Aufträge entzogen werden.

»Bist du a-typisch?«

Unter diesem Titel laden AK und ÖGB zur aktiven Diskussionsteilnahme. In der ganztägigen Veranstaltung geben Fachleute einen Überblick über aktuelle Trends und die Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Umstrukturierungen und geschlechtsspezifischer Arbeitsmarktsegregation. Mit den Methoden des Theaters der Unterdrückten nach Augusto Boal wird das Thema der atypischen Beschäftigung auch spielerisch begreifbar.´

Dienstag, den 20. 11. 2001, von 9 bis 17 Uhr (anschließend Cocktail), Hochholzerhof - BAWAG, Seitzergasse 2-4, 1010 Wien.

Wehr- und hilflos

An diesem Beispiel erkennt man deutlicher als sonst die ganze Fadenscheinigkeit der neuen atypischen Arbeitsbeziehungen. Alle Schutzbestimmungen fallen weg. Mit Arbeitsverträgen, die eine unselbständige Erwerbstätigkeit verschleiern, wird allen Arbeitnehmerschutzbestimmungen die Basis entzogen. Dieses System lässt keine kritischen Arbeitnehmer zu, denn diesen werden einfach keine »Aufträge« mehr erteilt. Kein Arbeitslosengeld steht dem »neuen Selbständigen« zu, keine Arbeitnehmervertretung kann er um Hilfe bitten, er ist wehr- und hilflos.

Dieses Beispiel zeigt deutlich, wohin die neuen Arbeitsbeziehungen führen. Zu einer Entmündigung des Arbeitnehmers, der zu einem »Geschäftspartner« mutiert. Diese neuen Arbeitsverhältnisse zielen auch deutlich darauf ab, die gewerkschaftliche Interessenvertretung zu umgehen. Die Ökonomie ist in einem deutlich spürbaren Umbruch. Mit dem Aufkommen der Börsen und dem verstärkten Aktienhandel wird der Druck auf die Manager, möglichst hohe Gewinne zu erzielen, immer größer. Gewinne lassen sich durch erhöhte Produktivität und niedrigere Personalkosten erwirtschaften. Besonders hoch fallen die Gewinne aus, wenn der gewerkschaftliche Einfluss zurückgedrängt wird, wenn die ehemals unselbständigen Arbeitnehmer unter dem Titel »Neue Selbständige«, »freie Dienstnehmer«, »Geschäftspartner« firmieren und sie zwar die negativen Seiten des Unternehmertums, nämlich Umsatzeinbußen, Verluste von Aufträgen, Stornierungen etc. voll spüren, aber von den positiven Seiten des freien Unternehmertums, der Beteiligung an Gewinnen, ausschließt.

Qualität oder Mäntelchen?

Eine Forderung muss daher lauten, die Dinge beim Namen zu nennen. Es geht nicht darum, wie neuerdings ein Arbeitnehmer bezeichnet wird, sondern ob er aufgrund seiner Art der Erwerbstätigkeit überhaupt weiterhin beschäftigt bleibt oder nicht. Ist die Art und Weise der Durchführung seiner Beschäftigung eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit oder nicht? Handelt es sich um eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung, dann sind alle arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen einer solchen Arbeitsbeziehung anzuwenden. Auf die Qualität der Arbeitsbeziehungen kommt es an und nicht auf das umgehängte Mäntelchen, das nur dazu dient, den wahren Charakter zu verschleiern und alle sozialen und arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen mit einem durchsichtigen Trick einfach auszuhebeln.

LITERATUR:
Würdelos - Erfahrungen eines Leiharbeiters, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1991 (vergriffen);
Arbeitsstrich - Unter polnischen Schwarzarbeitern, Wien: Verlag für Gesellschaftskritik, 1992 (vergriffen);
Ausgeliefert - Zum Berufsalltag von Lkw- und Busfahrern, Verlag des ÖGB, 1994;
Pflegebedürftig - Von der Betreuung zu Hause und im Pflegeheim, Verlag des ÖGB, 1997;
Arbeit ohne Schutz - Eine Analyse an Beispielen atypischer Beschäftigung, Verlag des ÖGB, 2000.

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Konrad Hofer (Soziologe und freischaffender Publizist) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260739 Wer fällt durchs soziale Netz? | Vom Sozialstaat zum Almosengeber Von Einschränkungen bei der Sozialversicherung mit der allgemeinen Krankenversicherung, der Pensionsversicherung, der Besteuerung der Unfallrenten, der Arbeitslosenversicherung mit Arbeitslosengeld, Notstandshilfe und der aktiven Arbeitsmarktpolitik mit Fortbildungs- und Wiedereingliederungsmaßnahmen: Unser soziales Netz verliert durch die Regierungsmaßnahmen eine wesentliche Aufgabe, nämlich die der Umverteilung. In vielen Fällen erfüllt es kaum noch das Ziel, das der Sozialhilfe als letzter Sicherheitsstufe im System zukommt. Nämlich, die Armut in Österreich zu vermeiden.

»Mir kommt vor, als brächen die Grundlagen weg. Als stünden wir auf einer Insel in einer Gesellschaft, in der wir überhaupt keine Rechte mehr haben.« Die 43-jährige Sekretärin Gerda Hehn*) war zuletzt 1995 fest angestellt, die Zeit der Arbeitslosigkeit hat sie für Weiterbildung genutzt und so - bis vor kurzem - immer wieder Arbeit im Ökologiebereich gefunden.

Sperre des Arbeitslosengeldes

Ein freiwilliger Schnuppertag im Programm »Integra« stellte sich als Verpflichtung heraus. Gerda Hehn wurde mit sechswöchiger Sperre des Arbeitslosengeldes gedroht. Sie hatte sich geweigert, weiter am Programm teilzunehmen. Ihre Begründung: »Was als Reintegration und Qualifizierung für den regulären Arbeitsmarkt vorgestellt wird, ist in Wahrheit eine Methode, Billiglohnkräfte zu werben. Ich sehe keinen Grund, für 8500 Schilling, 617,72 Euro, 40 Stunden zu arbeiten. Noch dazu, wo ich dabei nicht besser qualifiziert werde.«

Der Fall durch das soziale Netz

Bei einem Taggeld von rund 230 Schilling, 16,71 Euro, kommt Frau Hehn auf knappe 7000 Schilling, 508,71 Euro, Arbeitslosengeld im Monat. »Betteln muss ich nicht gehen«, sagt sie, selbst wenn ihrem Einspruch gegen die Sperre des Arbeitslosengeldes nicht stattgegeben wird. Schließlich hilft die Mutter aus, wenn es eng wird. Außerdem kann sie »immer noch etwas weniger einkaufen und die Heizung weiter herunterschalten«.

Um in Armut zu leben, braucht es heute nicht mehr den berüchtigten »Fall durch das soziale Netz«. Die Leistungskürzungen in der Arbeitslosen- und Sozialversicherung zwingen viele, quasi über Nacht, zu einem Leben unter dem Existenzminimum. Ein Begriff, den es ebenso wie die oft zitierte »Armutsgrenze« eigentlich nicht gibt. Gemeint ist damit der so genannte »Ausgleichszulagenrichtsatz« (siehe Kasten). Etwa 320.000 Menschen - rund vier Prozent der österreichischen Bevölkerung - sind nach Schätzungen der Caritas extrem armutsgefährdet.

Pfuschen?

Die Menschen entwickeln ihre eigenen Strategien, um ihren bisherigen Lebensstandard halten zu können. Herwig Mayer*) verdient als Tischler 22.000 Schilling, 1598,80 Euro, brutto im Monat. Seine Frau Anna, persischer Herkunft, hatte zwar ihre Arbeit als Küchenhilfe wegen einer Allergie verloren. Dennoch hatte das kinderlose Ehepaar bisher ein bescheidenes, aber sicheres Auskommen, mit dem sie sich durch geschicktes Planen auch »etwas leisten« konnten. Urlaub wurde bei Freunden oder - wenn Sonderausgaben anfielen - auf der Donauinsel gemacht. Auf ihren Luxus, einen Gebrauchtwagen, Baujahr 95, mussten die beiden dadurch nicht verzichten. Ein »kleines Polster« auf dem Konto half den Mayers zusätzlich, nicht von ihrem Grundsatz »Zeit und Gesundheit sind wichtiger als Geld« abzuweichen.

»Warum soll ich zusätzlich pfuschen, wenn ich dann so kaputt bin, dass ich krank werde?«, hatte sich Herr Mayer standhaft geweigert, das Wochenende mit Tischlerarbeiten zu verbringen. Ein Prinzip, das allmählich ins Wanken gerät: »Ein Innenausbau bei Bekannten«, rechnet Mayer, »an drei bis vier Wochenenden. Das sind zehn Blaue. Damit habe ich die Krankenversicherung wieder herinnen.« Denn: Durch den Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung seit Jahresbeginn muss Herr Mayer monatlich mehr als 800 Schilling, 58,14 Euro, zusätzlich für die Krankenversicherung seiner Frau bezahlen.

Notstandshilfe gestrichen

Die Mayers haben etwas Spielraum, ihren bisherigen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Bei vielen anderen geht es an die Existenz. Die 47-jährige Hermine Gruber*) etwa, die gekündigt worden war, und danach zwei Jahre - erfolglos - Arbeit suchte. Bis sie sich eines Tages »nicht mehr aus dem Haus rühren konnte«. »Ich bin immer so faul«, wandte sie sich schließlich an den Arzt, der eine schwere Depression diagnostizierte.

Medikamente und Gespräche halfen; die finanzielle Situation von Hermine Gruber und ihrem Lebensgefährten ist dennoch extrem angespannt. Vom gemeinsamen Einkommen von etwa 21.000 Schilling, 1526,13 Euro, sind die beiden auf 16.000 Schilling, 1162,77 Euro, monatlich gerutscht. Wegen des Gehalts des Partners (von 16.000 Schilling) wurde Frau Gruber die Notstandshilfe gestrichen (siehe Kasten). Schon die Erhöhung des Medikamentenbeitrags hat Frau Gruber »gespürt«. Die rund 700 Schilling, 50,87 Euro, durch die neue Krankenversicherung ist ein schwerer finanzieller Schlag für sie.

Arbeitsunwilligkeit

So mancher Fall, bei dem der größtanzunehmende Schaden für die Betroffenen einzutreten droht, kann durch das bestehende Netz an Beratungs- und Betreuungseinrichtungen verhindert werden. Im Fall von Peter Huber*) beispielsweise, der seinem AMS-Berater verschwiegen hatte, an klaustrophobischen Ängsten zu leiden. Aus Angst, als »arbeitsunfähig« (siehe Kasten) eingestuft zu werden, wie sich in späteren Beratungsgesprächen herausstellte. Als die Krankheit im Keller des Unternehmens, das ihn als Lagerarbeiter eingestellt hatte, schließlich wieder ausbrach, lief er in Panik davon. Ihm wurde das Arbeitslosengeld gestrichen. Erst durch Vermittlung einer Wiener Beratungsstelle wurde der AMS-Betreuer auf Herrn Hubers Problem aufmerksam. Er hat nun eine Tätigkeit, die ihn nicht in enge Räume und große Menschenmengen zwingt.

Unsicherheit

Aber auch unter den Mitarbeitern des Betreuungsnetzes herrscht Unsicherheit. Von »einem verstärkten Kampf um Qualifizierungsmaßnahmen« spricht Michael Sturm, Geschäftsführer des Berufsförderungsinstitutes (bfi), Wien. In einigen Bundesländern - besonders in Wien - steht das Arbeitsmarktservice diesen Herbst vor der Aufgabe, das Budget für Qualifizierungsmaßnahmen kürzen zu müssen. Welche Bildungs- und Beratungseinrichtungen, die im Auftrag des AMS die diversen Maßnahmen durchführen, konkret betroffen sind, steht derzeit noch nicht fest. Eines aber ist laut Michael Sturm zumindest klar: »Alle Zeichen deuten darauf hin, dass es zu keinen Zuwächsen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik kommt.«

Das Netz in Zahlen

Oft werden Begriffe verwendet, die es eigentlich nicht gibt. Die »Armutsgrenze« ist einer davon. Gemeint ist die Ausgleichszulage, auf die jeder Bürger im Notfall Anspruch hat. Hier einige Fakten:

  • »Existenzminimum«
    Die im Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) festgelegte so genannte »Ausgleichszulage« beträgt derzeit 8437 Schilling, 613,14 Euro.
    Bezieht eine Person zum Beispiel 4000 Schilling, 290,69 Euro, Notstandshilfe, hat sie einen Anspruch von ergänzenden 4437 Schilling, 322,23 Euro, Sozialhilfe.
  • »Streichung der Notstandshilfe«
    Die Freigrenze für Ehepartner bzw. Lebensgefährten beim Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beträgt laut Arbeitslosenversicherungsgesetz derzeit 5863 Schilling, 426,08 Euro, monatlich. (Dieser Betrag erhöht sich bei Frauen ab 50 Jahren, bei Männern ab 55.) Verdient zum Beispiel der Ehemann 10.000 Schilling, 726,72 Euro, während die Ehefrau 7000 Schilling, 508,70 Euro, Notstandshilfe hat, werden ihr von diesem Betrag 4137 Schilling (10.000 minus 5863) abgezogen. Die Notstandshilfe beträgt demnach 2863 Schilling, 208,06 Euro.
    Im Fall von Hermine Gruber, deren Gatte 16.000 Schilling, 1162,76 Euro verdient, fällt die Notstandshilfe gänzlich dem Rechenstift zum Opfer.
  • »Streichung des Arbeitslosengeldes«
    Im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) wird zwischen Arbeitsfähigkeit (§ 8) und Arbeitswilligkeit (§ 9) unterschieden.
    Laut § 10 AlVG verliert der Arbeitslose für die »Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn er


- sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, oder

- sich ohne wichtigen Grund weigert, einem Auftrag zur Nach-(Um-)Schulung zu entsprechen oder durch sein Verschulden den Erfolg der Nach-(Um-)Schulung vereitelt, oder

- ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, oder

- auf Aufforderung durch die regionale Geschäftsstelle nicht bereit oder in der Lage ist, ausreichende Anstrengungen zur Erlangung einer Beschäftigung glaubhaft zu machen.«

Laut § 11 verlieren Arbeitslose den Anspruch, deren »Dienstverhältnis infolge eigenen Verschuldens beendet worden ist, oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben (...).«

Zu wenig Geld ...

Aus der Beratungspraxis kennt AK-Expertin Gabriele Schmid die »unterschiedlichsten Konstruktionen« von Armut oder Armutsgefährdung von Menschen, die sich durchaus noch im sozialen Netz befinden. »Da ist generell das Problem, dass die Arbeitslosenentschädigung zu gering bemessen ist. Besonders betroffen sind Alleinerzieherinnen, die ihre Arbeit verloren haben, viele Unfallrentner und Migranten. Für viele verschärft sich die Situation durch die Aufhebung der beitragsfreien Mitversicherung durch den Partner, der nun überaus hohe Beiträge zahlen muss.«

Genaue Zahlen sind, nicht zuletzt wegen der Übereiltheit der getroffenen Maßnahmen, nicht erfassbar. Eklatant sind die fehlenden Zahlen bei der Wohnungslosigkeit, dem für die Öffentlichkeit sichtbarsten Zeichen vom »Fall aus dem Netz«. Laut einer älteren Studie der Caritas sind 5000 Menschen obdachlos, nicht dazugezählt wurden Jugendliche, Frauen, Migranten und »versteckte« Obdachlose. Auch bei Letzteren handelt es sich in den meisten Fällen um Frauen, die sich in Zweckpartnerschaften vor dem Leben auf der Straße flüchten.

Lücken im »Netz«

Die Leistungskürzungen unter dem Titel der »sozialen Treffsicherheit« tragen keineswegs dazu bei, Menschen in Österreich vor einem Leben auf der Straße zu bewahren. Lücken ortet AK-Expertin Gabriele Schmid vor allem »bei der Mitversicherung, bei Geldleistungen - generell ist das Arbeitslosengeld zu niedrig bemessen -, bei der Wohnraumbeschaffung, der Hilfe zur Arbeitsplatzsuche oder der Kinderbetreuung«.

Die Sozialberatungsstellen, eine Art Seismograph der gesellschaftlichen Veränderungen, verzeichnen immer mehr Fälle von sozialer Ausgrenzung. Der Fall einer Familie, die beständig am Rand der Gesellschaft lebt, steht für viele: Die Familie Lindner*) lebte mit den beiden Kindern »auf 27 Quadratmetern«, ohne Bad und WC und seit mehreren Jahren - wegen Schulden bei den Stadtwerken - auch ohne Strom. Nicht nur die Mietschulden aus früherer Zeit machten einen Neubeginn - ohne Hilfe von außen - unmöglich. Auch die Vorgeschichten der beiden sind Hürden, die kaum zu bewältigen sind.

Bei Frau Lindner eine Kindheit, geprägt von Alkohol, Aggression und Gewalt. Auch sie hat »Erfahrung« mit Depressionen. Herr Lindner war in seiner Jugend mehrmals straffällig geworden. Das hängt ihm heute noch bei der Arbeitsplatzsuche nach. Mit Unterstützung erhielten die Lindners eine Gemeindewohnung. Herr Lindner arbeitete tageweise im Caritaslager. Durch diesen Zusatzverdienst erreichte er, dass es in der neuen Wohnung auch Strom gibt. Alles in Ordnung? Die vierköpfige Familie lebt von 15.000 Schilling, 1090,09 Euro, monatlich. Zittern müssen die Eltern heute nur noch vor besonderen Ereignissen: einer kaputten Heizung etwa, oder dem Schulbeginn mit seinen Sonderausgaben

*) Namen von der Redaktion geändert

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260604 KOMMENTAR | Sozialpartnerschaft - Reform oder Demontage Die legistischen Maßnahmen der Regierung haben eine zweifache Stoßrichtung: sie setzen zum einen bei der arbeits- und sozialrechtlichen Regelung der Arbeitsbeziehungen, zum anderen bei der »Architektur« der Sozialpartnerschaft selbst an. Leitlinie für die Eingriffe in das Arbeitsrecht ist der Grundsatz, dass alle Bestimmungen, die eine »unverhältnismäßig große Belastung für die Betriebe« darstellen, zu beseitigen sind. Praktisch alle bisher vom Parlament verabschiedeten Gesetzesnovellen in diesem Bereich waren das Ergebnis von Kampfabstimmungen zwischen den Parteien von Regierung und Opposition. Kompromisslösungen auf der Grundlage von Parteienverhandlungen kamen nicht zustande oder wurden erst gar nicht gesucht. Auf die alte Usance, in sozialpolitischen Fragen zunächst die Sozialpartner einen Konsens suchen zu lassen und anschließend deren Vorschläge im Parlament zu behandeln, wurde überhaupt verzichtet.

Aber nicht nur von der freiwilligen Einbindung der Verbände hat man Abstand genommen, es wurden auch die gesetzlichen Grundlagen für ihre Mitwirkung am politischen Prozess geändert. Mit den Umstrukturierungen bei Arbeitsmarktservice und Sozialversicherungsträgern sind weitreichende Einschnitte in das bislang geltende Prinzip der sozialen Selbstverwaltung vorgenommen worden. Weitere Eingriffe sind bei den Mitbestimmungsrechten von Betriebsräten und der Rolle der Gewerkschaft auf Betriebsebene zu erwarten.

Systematische Ungleichbehandlung

Dass die Sozialpartnerschaft ein wichtiges Wendeobjekt der Mitte-rechts-Koalition sein würde, war von Anfang an abzusehen. Ihr Einfluss ist insgesamt drastisch eingeschränkt worden, ihre Autorität als bewährter Konfliktregelungsmechanismus wird gerade in den Beziehungen zwischen Regierung und Verbänden nicht mehr anerkannt. Eine wichtige Unterscheidung ist allerdings angebracht: Einige der Regierungsmaßnahmen schmälern den Einfluss der Arbeitgeberverbände - ausnahmslos alle aber schmälern den Einfluss der Arbeitnehmerseite.

Die systematische Ungleichbehandlung der Verbände durch die Regierung hat weit über die Sozialpartnerschaft hinausreichende Auswirkungen. Das österreichische System der Arbeitsbeziehungen gründet sich - so wie in den übrigen europäischen Demokratien - in seiner rechtlichen Rahmensetzung wie auch in seiner praktischen Ausgestaltung auf den Grundsatz der Parität. Dieser Paritätsgedanke geht nicht unbedingt von einer gleichen Stärke, wohl aber von einer Gleichwertigkeit der beteiligten Akteure aus. Und keineswegs liegt diesem Gedanken die Annahme zugrunde, dass es keinen grundlegenden Interessengegensatz zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gebe. Das Gegenteil ist der Fall: Der wechselseitige Respekt und die Akzeptanz der Parität machen eine geregelte Austragung von Gegensätzen auf niedriger Konfliktstufe überhaupt erst möglich.

Zum ersten Mal ignoriert wurde der Paritätsgedanke mit der Zusammenlegung der Ressorts Wirtschaft und Arbeit in einem gemeinsamen Ministerium. Dem Amtsverständnis des Ministers zufolge wollte man damit »das Klischee überwinden, dass es einen Gegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt«*). Bis dahin war man davon ausgegangen, dass mit der Trennung der beiden Ressorts eine wenn nicht grundsätzlich gegensätzliche, so doch unterschiedliche Rollenzuweisung für die zuständigen Minister verbunden ist. Seit Februar 2000 aber ist Österreich das einzige kontinentaleuropäische Land, das eine Trennung der Ressorts für verzichtbar hält. Sichtbarster Ausdruck der neuen Logik war die Umwidmung des Arbeitsinspektorats von einem Kontroll- in ein Dienstleistungsinstrument.

Gemeinsame »Triebkraft«

Die Regierungspraxis der vergangenen zwei Jahre bietet zahlreiche Beispiele für die Missachtung der Parität, herausragend die Umstrukturierung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Die beiden Regierungsparteien haben teilweise gleiche, teilweise auch unterschiedliche Gründe für ihre problematische Beziehung zu Arbeiterkammer und Gewerkschaft. Gemeinsame Triebkraft ist wohl, wie der Fall Sallmutter zeigte, der Wunsch, »die Sozialisten« loszuwerden, vor allem deren Gewerkschafter.

In scharfem Kontrast mit der für die Zweite Republik so charakteristischen Konsensorientierung, ist die Härte, mit welcher der Konflikt ausgetragen wird, ungewohnt und irritierend. Demokratiepolitisch problematisch ist aber weniger der aggressive Ton als die Zielrichtung der Attacken. Eine Sondersitzung des Nationalrats mit dem Thema »Missstände und Privilegien im ÖGB« anzuberaumen, heißt bewusst eine Zuständigkeit zu suggerieren, die rechtlich nicht gegeben ist. Ebenso wenig ist der Gesetzgeber zuständig, dem ÖGB als freiem Verein eine Direktwahl seines Präsidenten zu verordnen oder Unvereinbarkeitsregeln für Gewerkschaftsfunktion und Abgeordnetenmandat festzulegen. Das eine würde eine grundlegende Änderung von Koalitionsfreiheit und Vereinsrecht bedingen, also auch den Alpenverein oder das Rote Kreuz tangieren; das andere wäre ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in das passive Wahlrecht.

Interessenausgleich

Seitens der Sozialpartner ist eine gemeinsame Stellungnahme zur notorischen Infragestellung des Paritätsprinzips durch die Regierungsparteien bislang ausgeblieben. Grund dafür mag zum einen sein, dass das Interesse der Arbeitgeberseite am sozialpartnerschaftlichen Verhandlungsmuster markant gesunken ist; zum anderen bleibt der Solidarisierungseffekt wohl auch deshalb aus, weil die Wirtschaft durch ihre Verflechtungen mit der ÖVP weiter über einen privilegierten Zugang zur Regierung verfügt. Allerdings ist hier näher zu differenzieren: Der Industriellenvereinigung erschließt sich der Nutzen der Sozialpartnerschaft nur noch in einem begrenzten Maße; mit der Transformation Österreichs von einer nationalen Volkswirtschaft zu einem international exponierten Wirtschaftsstandort geht eine beschleunigte Abkoppelung ökonomischer Interessen von sozialen Gestaltungsinteressen einher. Anders bei der Wirtschaftskammer mit ihrer sehr viel heterogeneren Mitgliederstruktur. Sie ist stärker auf den Interessenausgleich und damit bei der Realisierung ihrer Verbandsziele auf Partner angewiesen. Nicht zufällig kommt das bislang klarste Bekenntnis zum Paritätsprinzip von dieser Seite.*)

Als Forum für die tripartistische Interessenkonzertierung von Regierung und Verbänden hat die Sozialpartnerschaft unter der aktuellen Koalition kaum Aussichten auf eine Wiederbelebung. Die ÖVP steht zwar schon allein durch ihre bündische Gliederung und damit ihre Verflechtung mit den Kammern - hier allerdings besonders den Selbständigen-Kammern - in einem besonderen Verhältnis zur Sozialpartnerschaft. Wirtschafts-, Bauern- sowie Arbeiter- und Angestelltenbund sind zugleich Fraktionen in den Kammern und Teilorganisationen der ÖVP. Die damit in der Parteistruktur festgelegte Verschränkung von verbandlicher mit politischer Ausrichtung macht die ÖVP zu einer nachgerade genuinen sozialpartnerschaftlichen Partei, so dass eine Rückkehr zum Tripartismus - wenn auch unter veränderten Vorzeichen - hier vorstellbar ist.

Miteinander oder gegeneinander?

Gänzlich anders verhält es sich aber bei der FPÖ. Angetreten als »Partei des kleinen Mannes«, hat sie in den Arbeitnehmerverbänden nicht in jenem Maße an Gewicht zulegen können, wie ihr das in der politischen Arena gelungen ist. Bei AK-Wahlen ist sie mit großem Abstand drittstärkste Fraktion, bei Betriebsratswahlen liegt sie meist näher bei der KPÖ als bei der nächstgrößeren Fraktion. Das macht die Selbstzuschreibung der FPÖ als »neue Arbeiterpartei« unvollständig und widersprüchlich. Durch ihre Randrolle in den Arbeitnehmerverbänden sind die Möglichkeiten einer prägenden innerverbandlichen Einflussnahme sowie einer substanziellen Mitgestaltung im sozialpartnerschaftlichen Verhandlungssystem für die FPÖ gering. Entsprechend groß ist daher ihr Interesse an einer Auflösung der bestehenden Strukturen und Beziehungsmuster.

Sozialpartnerschaft ist ohne Frage kein Wert an sich. Sie ist ganz nüchtern betrachtet ein freiwillig gebildetes Arrangement mit dem Vorsatz, miteinander mehr zu erreichen als gegeneinander. Eine kluge Regierung kann sich dieses »soziale Kapital« nutzbar machen, ohne sich davon vereinnahmen zu lassen. Und sie ist auch angehalten, die Regeln zu ändern, wo Anpassungsbedarf besteht. Bei der aktuellen Parteienkonstellation lassen die Aktivitäten der Regierung jedoch keine konstruktive Zielrichtung erkennen. Zumindest Teilen der Regierung geht es offensichtlich weniger um eine Reform als um die Demontage dieser langjährigen Konstante des politischen Systems.

Das »österreichische Modell« - Ende oder Neubeginn?

6. Franz-Senghofer-Symposium

Montag, 26. (14.00 Uhr), bis
Dienstag, 27. November 2001 (mittags)
ÖGB-Bildungszentrum Strudlhof, Wien


Über Jahrzehnte hat die Sozialpartnerschaft zu den stabilen Verhältnissen in Österreich beigetragen. Es gab nahezu keine Streiks, die Wirtschaft florierte. Ein Erfolgsmodell, um das uns in der Vergangenheit viele Länder beneideten.

In den letzten Jahren wird dieser für die Zweite Republik so charakteristische »Klassenkampf am grünen Tisch« zunehmend in Frage gestellt. Für die einen steht die Sozialpartnerschaft an einem Wendepunkt. Andere haben gar einen Schlussstrich unter die Sozialpartnerschaft gezogen. Steht das »Modell Österreich« vor dem endgültigen Aus oder vor einem Neubeginn?

Am 6. Franz-Senghofer-Symposium werden diese Problemlagen eingeschätzt. Aus Sicht der politischen Parteien, der Sozialpartner und der Wissenschaft werden die Funktionsfähigkeit, der Reformbedarf sowie zukünftige Reformschritte der Sozialpartnerschaft zur Diskussion gestellt. Es wirken u. a. mit:

Fritz Verzetnitsch, ÖGB
Christoph Leitl, Wirtschaftskammer
Johann Kalliauer, AK Oberösterreich
Lorenz Fritz, Industriellenvereinigung
Ferdinand Karlhofer, Universität Innsbruck
Jörg Flecker, Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA)
Emmerich Talos, Universität Wien
Stephan Schulmeister, WIFO
Andreas Khol, ÖVP
Reinhart Gaugg, FPÖ
Josef Cap, SPÖ
Alexander Van der Bellen, Die Grünen

Nähere Informationen zum Senghofer-Symposium:
Kollege Michael Vlastos (ÖGB-Bildungsreferat, Tel. 01/534 44-441)

Anmeldung:
Kollegin Margarita Skalla (Tel. 01/534 44-444)

*) »Die Sozialpartnerschaft ist die Basis einer funktionierenden Wirtschaft in Österreich, und ich werde keinen Versuch akzeptieren, diese Basis zu zerstören (...) Wenn man einen der Sozialpartner abschießen will, dann gibt es keine Sozialpartnerschaft mehr.« (Wirtschaftskammerpräsident Leitl, zitiert nach Salzburger Nachrichten vom 15. September 2001).

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Franz Karlhofer (Assistenzprofessor am Institut für Politikwissenschaften an der Universität Innsbruck) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260306 Der 11. September und die Folgen für die Weltwirtschaft Bis zu diesem Tag war noch vieles unklar. Am 7. Oktober begannen die USA mit Militärschlägen gegen Ziele in Afghanistan, doch es kann nicht vorausgeahnt werden, wie Politik und Militär weiter agieren werden, wann wer wo und in welchem Ausmaß Vergeltungsschläge durchführen wird, wie etwaige Gegenreaktionen darauf ausfallen werden usw. Davon hängen aber wiederum die Reaktionen der Märkte, der Börsen, der Investoren und der Konsumenten und schließlich auch weitere Maßnahmen der Wirtschaftspolitik ab.

Eine zusätzliche Schwierigkeit liegt darin, dass - wenn auch gewisse Vermutungen aus früheren Kriegen (Golfkrieg) oder Schocks (Erdölpreisschocks) abgeleitet werden können - historische Vorbilder fehlen, aus welchen auf etwaige zu erwartende Verhaltensmuster geschlossen werden könnte. Der wirtschaftlichen Analyse bleibt derzeit aufgrund der enorm gestiegenen Unsicherheiten also nichts anderes übrig, als auf Prognosen zu verzichten und bloß Vermutungen anzustellen. Sinnvollerweise wird dabei von einer »Normalvariante« ausgegangen, die keine politisch-militärische Eskalation unterstellt und von besonnenen Reaktionen aller Betroffenen ausgeht. Allerdings muss dabei bewusst gemacht werden, dass daneben sehr wohl auch eine »Negativ-Variante«, die Gefahr einer tiefen Rezession, also eines deutlichen Rückschlages der gesamten Weltwirtschaft, existiert.

Ausgangslage: Weltwirtschaft an der Kippe zur Rezession

Schon vor dem Terrorattentat war es um die Lage der Weltwirtschaft nicht besonders gut bestellt. Wegen des unerwartet abrupten und heftigen Konjunktureinbruches in den USA und wegen der Kaufkraftschwächung in den ölimportierenden Ländern nach den enormen Erdölpreissteigerungen mussten seit Jahresmitte 2000 die Prognosen laufend abwärts revidiert werden. Schon im Sommer 2001 stand die Wirtschaft der USA am Rande einer Rezession. Japan und einige Regionen in Südamerika und Südostasien befanden sich bereits mitten in einer tiefen Krise, und auch in der Europäischen Union kam das Wirtschaftswachstum, das im Jahr 2000 noch bei 3,4 Prozent lag, zur Jahresmitte 2001 praktisch zum Stillstand.

Während allerdings in anderen Weltregionen (USA, Japan) die Krise sehr wohl von der Wirtschaftspolitik registriert worden war und entsprechende Gegenmaßnahmen (wie Zinssenkungen oder kaufkraftbelebende Maßnahmen aus öffentlichen Haushalten) eingeleitet wurden, steckten die wesentlichen Verantwortlichen in Europa ihre Köpfe in den Sand. Von der Europäischen Kommission über die Europäische Zentralbank bis hin zur österreichischen Regierung wurde weiterhin Schönfärberei betrieben, und die Warnungen - wie etwa vom Wirtschaftsforschungsinstitut, das auf den Ernst der Lage aufmerksam machte - wurden als politisch motivierte, unverantwortliche Panikmache abgekanzelt.

»Heilig«

Die Ursache dieses Verhaltens, sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer (Regierungs-)Ebene liegt auf der Hand: Bei einer deutlichen Konjunkturverschlechterung wäre das »heilige«, aber speziell in einer Konjunkturabschwächung unsinnige Ziel des Nulldefizits der öffentlichen Haushalte nicht mehr zu halten. Die Regierung müsste eingestehen, dieses ihr oberstes Ziel verfehlt zu haben, und sie müsste sich darüber hinaus noch den Vorwurf gefallen lassen, mit ihren eigenen Maßnahmen den Abschwung noch verstärkt zu haben. Denn die Erhöhung von Steuern und Gebühren, die Selbstbehalte und Studienbeiträge, die Kürzungen bei Sozialausgaben etc. verpassten der ohnehin schon schwachen Nachfrage noch zusätzliche Dämpfer, insbesondere auch dadurch, dass die niedrigen Einkommen durch die Budgetkonsolidierung überproportional betroffen waren.

Viele Institutionen, wie etwa OECD, Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Institut für Höhere Studien, die schon seit Monaten unrealistisch optimistische Prognosen produzierten, nahmen zumindest die Veränderung der Lage durch den 11. September als Vorwand, ihre Fehlprognosen nun auf ein realistischeres Maß zurückzunehmen. Die österreichische Bundesregierung dagegen betreibt weiterhin unverdrossen Realitätsverweigerung. So erklärte etwa Bundeskanzler Schüssel laut OTS-Presseaussendung am 12. September, also schon nach dem Terroranschlag (!), »bestgelaunt«: »... dass sich gute Indikatoren für die amerikanische Wirtschaft abzeichnen, die zu einem Aufschwung führen könnten, der mit Nachhaltigkeit auf Europa abfärbt. Die größte Gefahr geht jetzt von den selbst ernannten Katastrophenpropheten aus«. Weiters meint Schüssel in derselben Presseaussendung übrigens auch: »Die Weltwirtschaft befindet sich in einer stabilen Situation. Es ist nun Aufgabe der Politiker, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten.« Ob das Vertrauen in die Politiker mit Aussagen wie der zuvor zitierten nachhaltig gestärkt werden kann, erscheint jedenfalls höchst zweifelhaft.

Unmittelbare Folgen

So makaber es klingen mag, aber es muss als positives Zeichen für die Stabilität der Wirtschaft gewertet werden, dass dem Terrorakt nicht der totale Zusammenbruch folgte. Denn wie die Financial Times schreibt: »In keinem anderen Gebäude der Welt wurde so viel Geld bewegt, kontrolliert und verdient wie im Herz des Kapitalismus.« Man muss sich vergegenwärtigen, dass ein großer Teil des Finanzzentrums der Welt - die Gebäude, die technische Infrastruktur, Hard- und Software, Kundendateien und vor allem Tausende von hoch qualifizierten Finanzexperten - mit einem Schlag ausradiert wurde. Natürlich musste der Börsenhandel an der Wall Street vorübergehend ausgesetzt werden. In Manhattan, wo die Wege des global zirkulierenden Geldes zusammenlaufen, herrschte plötzlich Vakuum. Eigentlich ist es erstaunlich, dass nicht ein Kollaps des Weltfinanzsystems folgte. Bis eine halbwegs zuverlässige Abschätzung der gigantischen finanziellen Schäden vorgenommen werden kann, werden wohl noch Monate vergehen. Allerdings können einige Bereiche identifiziert werden, welche durch die Ereignisse des 11. September unmittelbar in besonderem Ausmaß negativ betroffen wurden. Dazu zählen vorrangig Fluglinien und ganz allgemein die Tourismusbranche, Finanzinstitutionen und Versicherungen sowie die Betroffenen der unmittelbaren Reaktion der Börsen.

Verluste

Das Passagieraufkommen der amerikanischen Fluglinien sank noch im September um ein Drittel, gegenwärtig werden Gesamtverluste der amerikanischen Luftfahrt in der Höhe von 5 Milliarden Dollar erwartet. Flugzeugbestellungen wurden storniert, Flugzeugbauer wie Boeing und Zulieferer wie etwa der Motorenbauer General Electric Aircraft Engines reagieren mit Massenentlassungen. Einen Tag nach dem Attentat meldete die amerikanische Midway Airlines Konkurs an.

In Europa sorgte die Pleite der renommierten Swissair (bislang mit 9000 Jobverlusten) für Schlagzeilen. British Airways verlor täglich 140 Millionen Schilling durch Flugausfälle. Die spanische Fluglinie Iberia meldete Massenkündigungen an, von denen mehr als 6000 Personen betroffen sein könnten, und auch andere große Gesellschaften, wie etwa die niederländische KLM oder die belgische Sabena, mussten typische Notmaßnahmen ergreifen wie die Reduktion der Flugpläne und damit auch ihres Personals, Einführung von Kurzarbeit und Kürzung der Gehälter.

Insgesamt schätzt die internationale Flugorganisation IATA die Folgen der Attentate auf die Branche mit gut 300 Milliarden Schilling Verlust ein, zig Fluglinien würden Pleite gehen und weltweit etwa 100.000 Angestellte ihren Arbeitsplatz verlieren. Auch die Reisebürobranche ist stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Nachfrage nach Überseeflügen ist drastisch eingebrochen, und langwierige Sicherheitskontrollen und damit noch mehr Warterei macht Fernreisen immer unattraktiver und teurer.

Erstaunlich wenig angeschlagen dürfte dagegen die Versicherungsbranche dem Desaster entkommen. Zwar könnten die Katastrophenschäden in New York und Washington den Versicherungen bis zu 66 Milliarden Schilling kosten und damit zum größten Schadensfall in der Geschichte der Branche werden, doch das System der Rückversicherung, das die Risken der einzelnen Unternehmen weltweit streut, hält die direkte Belastung einzelner Institute in Grenzen. Größer dürfte die finanzielle Belastung der Versicherungen durch den Kursrückgang an den Börsen sein. Prämienerhöhungen erscheinen jedenfalls unvermeidlich. Und bei den Banken wird sich erst in den nächsten Wochen herausstellen, wie weit sie durch uneinbringlich gewordene Kredite belastet werden.

Die psychologische Wirkung: Ölpreis, Börse, Investoren und Konsumenten

Über diese unmittelbaren Schadensfolgen hinaus ergibt sich die Frage, wie der weitere Kurs der Wirtschaft durch diese Ereignisse beeinflusst wird. Dabei kann man drei Phasen unterscheiden: Phase 1 wird dominiert von den unmittelbaren Schadensfolgen, etwa bei Fluglinien und Versicherungen. Die Wirtschaft wird gedämpft, Arbeitskräfte entlassen. Nach einigen Wochen folgt Phase 2, und diese ist von den größten Unsicherheiten geprägt: Wie reagieren Militär, Wirtschaftspolitik, Börsen, Ölpreis, Investoren und Konsumenten? Dann, nach etwa einem dreiviertel bis ganzen Jahr, könnte Phase 3 folgen, nämlich die Gegenreaktion. Die Investitionen in den Wiederaufbau, in Sicherheitsmaßnahmen, in Rüstung usw. beginnen zu greifen. Sie beleben die Nachfrage und führen zu einem neuen Aufschwung. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass im 20. Jahrhundert nicht wenige amerikanische Wirtschaftsaufschwünge in der Folge militärischer Aktionen oder Kriege eintraten, welche mit kräftigen Staatsausgaben Hand in Hand gingen - zuletzt nach dem Golfkrieg zu Beginn der neunziger Jahre.

Die zentrale Frage liegt somit in der Entwicklung in Phase 2, in der entschieden wird, ob es sich nur um einen vorübergehenden Dämpfer handelt, und wenn ja, wie lange es dauert, bis dieser überstanden ist und eine Erholung eintritt. Maßgeblich dafür sind zuerst einmal das Verhalten der Politik, also die weiteren militärischen Schritte ebenso wie die wirtschaftspolitischen Reaktionen. Da es in diesem Beitrag um ökonomische Fragen geht, unterstellen wir einmal, dass es zu keiner stärkeren militärischen und terroristischen Eskalation kommt, und dass die amerikanische Wirtschaftspolitik weiterhin aktiv und entschlossen den negativen Folgen entgegenwirkt. Dann bleiben folgende Fragezeichen bestehen:

(a) Ölpreis?

Krisen im Nahen und Mittleren Osten bergen - ebenso wie militärische Konflikte allgemein - immer die Gefahr eines Erdölpreisanstieges in sich. Dies könnte etwa über ein Embargo oder durch den Ausfall eines Förderlandes eintreten. Dadurch würde die Kaufkraft in den Erdöl importierenden Ländern maßgeblich gedämpft. Bislang hat allerdings die OPEC erklärt, sie werde für ausreichenden Ölnachschub für die Weltwirtschaft sorgen. Tatsächlich sank der Ölpreis bis zum Redaktionsschluss auf ca. 20 Dollar pro Fass und lag damit sogar unter dem von der OPEC angepeilten Preisniveau von 22 bis 28 Dollar.

(b) Börsen?

Naturgemäß lassen sich die Entwicklungen an den Börsen nicht präzise vorhersagen (damit ließe sich viel Geld verdienen!). Logisch ist, dass zuerst einmal negativ betroffene Bereiche wie Luftlinien Kursverluste und positiv betroffene wie die Rüstungsindustrie oder die Telekommunikation Gewinne einfahren (makabres Detail am Rande: Die Geheimdienste gehen davon aus, dass die Terroristen, die diese Reaktionen ja rechtzeitig einkalkulieren konnten, mit Börsengeschäften daraus milliardenschwere Profite einfahren konnten). Doch die generelle Richtung ist nicht prognostizierbar. An der Börse kann ein und dasselbe Ereignis wie ein Krieg oder ein Attentat einmal zu einem Boom und ein anderes Mal zu einem Crash führen.

Im aktuellen Fall zeigten sich die Börsen erstaunlich gelassen. Nach der viertägigen Unterbrechung des Börsenhandels blieb der vielfach erwartete Totalabsturz aus. Es kam zwar zu deutlichen Kursverlusten, als unmittelbare Reaktion auf den großen internationalen Börsen um etwa 5 bis 8 Prozent (und damit weit weniger als etwa beim Börsenkrach im Jahre 1987, als die Kurse auf einen Schlag um mehr als 20 Prozent abstürzten), nach einigen Wochen insgesamt um ca. 20 Prozent. Danach entspannte sich die Situation etwas, doch was blieb, ist gestiegene Unsicherheit, Nervosität und Volatilität (starke und rasche Schwankungen).

Zwar verloren allein die dreißig im Dow-Jones-Index zusammengefassten Unternehmen in den Tagen nach dem Attentat mit unglaublichen 3000 Milliarden Schilling eine Summe, die etwa so groß ist wie das österreichische Bruttoinlandsprodukt eines Jahres, doch gemessen an der krassen Überbewertung der Aktienkurse der vorangegangenen Jahre können die aktuellen Kurse durchaus als realistische Bewertung in normalen Zeiten eingeschätzt werden. Denjenigen, die nun ihren Ruhestand antreten und durch die Verluste der Pensionskassen nun weniger Pension ausgezahlt bekommen, wird dies allerdings ein schwacher Trost sein. Es zeigt sich jedenfalls, wie krisenanfällig ein auf den Kapitalmarkt ausgerichtetes Pensionssystem (»Kapitaldeckungsverfahren«), dessen angeblich so segensreiche Wirkungen auch bei uns in vermehrtem Maße angepriesen werden, ist.

(c) Investoren?

Die allgemeine Verunsicherung führt dazu, dass Investitionsprojekte verschoben werden. Die USA könnten auch als Investitionsstandort für internationale Anleger an Attraktivität verlieren. Wenn eine Panik an den Börsen entsteht, dann fehlen den Unternehmen längerfristig die Möglichkeiten, Geld für ihre Investitionen aufzutreiben, und ihre Gewinne würden schrumpfen. Zinssenkungen können mithelfen, die Investitionsbereitschaft zu unterstützen.

(d) Konsumenten?

Bisher haben einzig die amerikanischen Verbraucher dafür gesorgt, dass es in den USA zu keiner Rezession kam. Wenn sich deren Verunsicherung nun allerdings, wie es in Krisenzeiten nicht ungewöhnlich ist, in Kaufzurückhaltung und vermehrtem Sparen niederschlägt, dann würde dieser verminderte Konsum die Gewinnerwartungen der Unternehmen schmälern und damit eine Kettenreaktion auslösen. Denn geringere Gewinne ziehen niedrigere Aktienkurse nach sich, und Aktien spielen in den Vermögen der amerikanischen Haushalte eine viel größere Rolle als in Kontinentaleuropa, insbesondere als Pensionsvorsorge. Und ein Dahinschmelzen der Pensionsvorsorge führt unweigerlich wieder zum »Angstsparen«.

Die Betroffenheit der österreichischen Wirtschaft

In Österreich werden sich - wenn nicht weitere Katastrophen eintreten - die wirtschaftlichen Folgen des Terrors in Grenzen halten. Unmittelbar besonders betroffen war die Austrian Airlines, die allein in den ersten Tagen nach den Attentaten rund 50 Millionen Schilling verlor und mit einem Nachfragerückgang von etwa 15 Prozent rechnet. Die AUA-Aktie stürzte um knapp 25 Prozent ab. In einem ersten Notpaket wurde unter anderem ein Abbau von ca. 10 Prozent der knapp 8000 Beschäftigten, die Streichung von Flügen und Flugzeugverkäufe beschlossen. Auch der Flughafen Wien-Schwechat zählt zu den unmittelbar geschädigten Unternehmen.

Die gedämpfte Reiselust betrifft einerseits österreichische Tourismusbetriebe, deren Kunden nun ausbleiben. Insbesondere Spitzenhotels, die fast ausschließlich von Touristen aus Übersee gelebt haben, registrierten beachtliche Einbußen. Andererseits wurde auch, wie die Reisebürobranche schmerzlich registriert, die Lust der Österreicher auf Auslandsreisen merklich gedämpft. Der Stornowelle gegenüber stehen allerdings die nun verbesserten Chancen für Österreich als sicheres Reiseland, etwa Autotouristen aus Deutschland anzulocken, die ansonsten in die Karibik geflogen wären.

Durch das erwähnte System der Rückversicherung werden österreichische Versicherungen nicht übergebührlich belastet werden. Eine Ölkrise würde die OMV und energieintensive Produktionen treffen. Die Exporteure von Luxusgütern in die USA leiden unter der dortigen Kaufzurückhaltung, und ein Anstieg des Euro gegenüber dem Dollar würde ganz allgemein die Exporte aus dem Euroraum verteuern.

Keynesianische Krisenbekämpfung in den USA

Die amerikanische Wirtschaftspolitik, die sich schon in den neunziger Jahren gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als sehr umsichtig und pragmatisch erwiesen hat, versucht nun mit aller Kraft, die Wirtschaft vor einer Rezession zu bewahren. Am 2. Oktober senkte die amerikanische Notenbank (»Fed«) die Leitzinsen zum zweiten Mal nach dem Attentat um einen halben Prozentpunkt und zum insgesamt neunten (!) Mal in diesem Jahr, was den Taggeldsatz mit 2,5 Prozent auf den tiefsten Stand seit Mai 1962 brachte. Er lag damit um 4 Prozentpunkte niedriger als zu Jahresbeginn 2001. Die Fed begründete diesen Schritt mit dem Risiko einer weiteren Konjunkturabschwächung und der gestiegenen Unsicherheit in der Wirtschaft. Eine Rezession sei schlimmer als ein Inflationsanstieg durch niedrige Zinsen, meinte die Fed.

Amerika ist auch fest entschlossen, ein Budgetdefizit in Kauf zu nehmen, wenn dadurch die Konjunkturlage stabilisiert werden kann. Unmittelbar nach den Anschlägen wurden Soforthilfemaßnahmen für den Wiederaufbau von New York und für die Terrorbekämpfung in der Höhe von 40 Milliarden Dollar und Unterstützungen für die Fluggesellschaften von 15 Milliarden Dollar beschlossen. Im Oktober wurde angekündigt, dass weitere 75 Milliarden Dollar in die Wirtschaft gepumpt werden, und zwar durch vorgezogene Steuersenkungen, Steuerbegünstigungen für Investitionen, Einmalzahlungen für Niedrigverdiener, Arbeitslosenunterstützung usw.

Bei den europäischen Stabilitätsfetischisten stößt diese geradezu keynesianische Politik der Nachfragestützung vielfach auf Skepsis. In der EU gilt offensichtlich nach wie vor das alte Glaubensbekenntnis: die öffentlichen Haushalte sollen zumindest ausgeglichen sein oder, noch besser, Überschüsse erzielen (auch wenn damit niemand geholfen wird - ein wahrlich seltsames Ziel der Wirtschaftspolitik!), die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) habe ausschließlich die Inflation zu bekämpfen und nicht etwa eine Wachstumsschwäche oder die Arbeitslosigkeit, und den Rest würden die Märkte schon selbst regeln.

Reaktion Europas

Dementsprechend fiel auch die Reaktion der europäischen Wirtschaftspolitik aus. Die EZB musste zwar die Zinssenkung der Fed von Mitte September mitmachen, um weltweite Geschlossenheit zu demonstrieren, aber das war auch schon alles. Insgesamt wurden die Zinsen von der EZB im heurigen Jahr nur um 1 Prozentpunkt gesenkt, womit sie nun auf dem Niveau vom Frühjahr 2000 liegen, und das, obwohl sich die Wachstumsaussichten für die europäische Wirtschaft seit damals dramatisch verschlechtert haben. Auch der Bereitschaft der US-Regierung, eine Rezession mit milliardenschweren Finanzspritzen zu verhindern und angeschlagenen Sektoren unter die Arme zu greifen, wird in Europa nur begrenzt Verständnis entgegengebracht. Geprägt vom Stabilitäts- und Wachstumspakt fällt es den Politikern schwer, sich über die von den einzelnen Ländern selbst gesetzten Budget(konsolidierungs)ziele hinwegzusetzen.

Nur wenige, wie etwa der französische Premierminister Lionel Jospin, hatten den Mut einzugestehen, dass es wohl doch besser wäre, zur Vermeidung eines drastischeren Wirtschaftsabschwunges und einer rapide ansteigenden Arbeitslosigkeit lieber doch gewisse Budgetdefizite in Kauf zu nehmen. Dagegen erklärten die Finanzminister der EU bei einer Sitzung im September, dass diejenigen Länder, die keine Budgetüberschüsse erwirtschaften, und die nun durch die schlechtere Konjunkturlage in ihren Konsolidierungsplänen beeinträchtigt würden, eben weitere Ausgabenkürzungen vornehmen oder Einnahmenerhöhungen anstreben müssten! Gerade die großen Länder Deutschland und Frankreich würden mit der strengen Einhaltung dieser Empfehlungen als (notwendige) Zugpferde für die europäische Wirtschaft ausfallen.

In Österreich verkündete die Regierung, durch verschlechterte Wirtschaftsdaten und steigende Arbeitslosigkeit genötigt, zwar ein so genanntes »Wirtschaftsbelebungsprogramm«, doch zeigte sich bei näherem Hinsehen, dass dies praktisch keine neuen, zusätzlichen, sondern nur schon längst im Null-Defizit-Budget festgelegte Maßnahmen enthielt. Und dieselben Budgetentwürfe enthalten auch die bekannten Konjunkturbremsen wie Steuer- und Gebührenerhöhungen. Man muss der Regierung somit durchaus ein konsequentes Handeln zugestehen: da sie ja keinen Konjunkturabschwung sieht, reicht ihr konsequenterweise auch ein »Schein«-Belebungspaket.

Was derzeit tatsächlich gefragt wäre, ist ein Gegensteuern mit einem zusätzlichen Maßnahmenpaket, wie es etwa bereits im September von AK-Präsident Tumpel präsentiert wurde. Dessen Vorschläge enthielten unter anderem die Beschleunigung von bereits geplanten Verkehrsinfrastrukturinvestitionen oder mehr aktive Arbeitsmarktpolitik anstatt des Ausräumens der AMS-Mittel, eine Qualifizierungsoffensive mit ausreichenden Plätzen für Lehrlinge und in Schulen etc. Und vor allem das sture Festhalten am Ziel des Nulldefizits ist in einer Phase, in der eine drohende Rezession bekämpft werden muss, ökonomisch völlig fehl am Platze.

Risken und Unsicherheiten gestiegen

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Terrorakte die Weltwirtschaft in einer äußerst labilen Konjunkturphase getroffen haben. Günstigerweise fielen erste Reaktionen der Finanzmärkte und auch der amerikanischen Wirtschaftspolitik mit Zinssenkungen und mit ihrem keynesianischen Konjunkturankurbelungsprogramm relativ elastisch aus. In der Eurozone verdüstert sich das Konjunkturbild parallel zur Entwicklung in den USA. Die Reaktionen der europäischen Wirtschaftspolitik erfolgten allerdings weitaus gedämpfter und zögerlicher. Im Gegensatz zu den USA hängt man in Europa weiterhin allzu sehr an Stabilitätsdogmen. Dies trifft in ganz besonderem Maße für die österreichische Wirtschaftspolitik zu. Die Regierung weigert sich, die deutliche Wachstumsverlagerung auf rund 1 Prozent zu Kenntnis zu nehmen. Durch diese Uneinsichtigkeit wird die Nachfrage zusätzlich gedämpft.

Insgesamt ist die Weltwirtschaft jedenfalls deutlich labiler geworden. Die Lage und die kurzfristigen Aussichten haben sich verschlechtert, die Unsicherheiten und Risken sind gestiegen. Schließlich ist auch eine weitere massive Verschlechterung nicht völlig auszuschließen, was jedoch primär von politisch-militärischen Entwicklungen abhängt. Vielleicht aber weiß der Leser im Zeitpunkt der Lektüre dieser Zeilen ohnedies schon mehr ...

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Thomas Delapina (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260237 Fetisch Nulldefizit | Mythen und andere irrationale Vorstellungen rund ums Budget Laut Lexikon ist ein Fetisch ein mit magischen Kräften versehener Gegenstand, dem Übel abwehrende Kräfte zugeschrieben werden. Viele Religionen kennen solche Fetische. Offensichtlich kennt sie auch die Politik. Denn so ein Fetisch hat für Politiker einen gewaltigen Vorteil: Seine Wirksamkeit muss nicht erklärt oder begründet werden. Es genügt, daran zu glauben.

Einer der vielen politischen Fetische ist der Glaube, dass ein zu jeder Zeit und in jeder Situation ausgeglichenes Budget stets im Interesse jedes Landes und seiner Volkswirtschaft liegt. Der Glaube an das Nulldefizit. Diesem Fetisch hängen in Österreich auch manche Politiker und sogar vereinzelte Universitätsprofessoren (die es eigentlich besser wissen müssten) an.

Ohne Zweifel spricht alles dafür, das Budget mittelfristig im Wesentlichen auszugleichen - und zwar mit langfristig haltbaren Maßnahmen. Denn Defizite müssen finanziert werden. Für die Finanzierung muss man Zinsen zahlen. Diese Zinsen kommen letzten Endes aus den Steuereinnahmen. Dann fehlt im Budget das Geld für andere, wichtigere Aufgaben.

Der Staat soll daher bestrebt sein, den Stand seiner Schulden so gering wie möglich zu halten. Defizite sollen eher die Ausnahme sein, wenn es die Konjunktursituation erfordert.

Allerdings, wenn die Gefahr einer Rezession droht, wird sich der Staat rechtzeitig bemühen müssen, die Nachfrage wieder zu beleben. Dafür gibt es verschiedene Wege. Unterschiedliche Instrumente sollten daher gleichzeitig eingesetzt werden. Aber alle diese Maßnahmen werden unvermeidlich zu größeren Budgetdefiziten führen.

»Dürfen s' denn des?«

Da fragt man sich: »Dürfen s' denn des?« Sind nicht die Regierungen der Euroländer an den Stabilitätspakt gebunden? Und schreibt dieser nicht ein Nulldefizit vor? Nun, der Stabilitätspakt wurde von »Nulldefizitfetischisten« - allen voran der damalige deutsche Finanzminister Theo Weigel - ausgeheckt. Die hätten gerne sofortige Strafen für jedes Land gehabt, das ein Defizit zulässt. Doch in dieser drakonischen Form taten die Vertreter der anderen Euroländer nicht mit (und mussten sich dafür von Weigel und den seinen beschimpfen lassen).

Der Stabilitätspakt, wie er schließlich beschlossen wurde, verlangt lediglich das Nulldefizit als allgemeines Ziel und damit einen mittelfristig, also über mehrere Jahre, ausgeglichenen Staatshaushalt. Er gestattet durchaus im Einzeljahr Defizite bis zu 3 Prozent des Bruttonationalprodukts. Im eher unwahrscheinlichen Fall einer sehr starken Rezession darf es sogar noch mehr sein.

Der Stabilitätspakt verpflichtet aber auch jedes Land, vor Beginn jedes Kalenderjahres sein geplantes Defizit dem Rat der Finanzminister vorzulegen, der es absegnet oder Änderungen fordert. An die danach beschlossenen Vorgaben sind die einzelnen Länder dann ebenfalls gebunden. Wenn ein Land gegen den Stabilitätspakt verstößt und größere Defizite macht, wird es erst abgemahnt und aufgefordert, das Budget »in Ordnung« zu bringen. Wenn das dennoch nicht gelingt, drohen drakonische Geldstrafen, die das Erreichen der Defizitziele allerdings nur umso schwerer machen würden. Ob diese Vorgangsweise sinnvoll ist, war von Anbeginn an umstritten. Sie entspricht der vor Jahrhunderten geübten Methode, Schuldner so lange in den Schuldturm zu sperren, bis sie ihre Schulden zahlen. Dennoch wurde der Stabilitätspakt so beschlossen und von allen Euroländern akzeptiert. Ob er so tatsächlich angewendet werden kann, ist eine andere Frage.

Achtung: Gewinnwarnung!

Immerhin lässt also selbst der Stabilitätspakt Spielraum für die Berücksichtigung der Konjunktursituation. Wie ist diese nun derzeit? Seit Beginn des Jahres 2001 geht die Konjunktur sowohl in den USA als auch in Europa zurück. Laufend geben auch große Konzerne Gewinnwarnungen heraus, das heißt, sie warnen ihre Aktionäre, dass der Gewinn kleiner als erwartet ausfallen wird oder dass sogar mit einem Verlust zu rechnen ist, und kündigen die Entlassung von Tausenden, ja sogar Zehntausenden Mitarbeitern an.

Die Unternehmen halten sich bei Investitionen stark zurück. Darunter leidet der ganze Investitionsgütersektor, vor allem der Sektor der elektronischen Produkte, die nach Meinung mancher selbst ernannter Experten einer »neuen Ökonomie« angehören, für welche die bisherigen wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten nicht gelten. (Dieser Irrglaube ist inzwischen wieder in der Versenkung verschwunden.)

Obwohl zumindest die Konsumnachfrage noch bis August international kaum geringer geworden ist, gingen die Aktienkurse, wenn auch mit Schwankungen, seit Monaten zurück. Für diejenigen, vor allem für viele Pensionisten in den USA, deren Vermögen und Pensionshöhe von diesen Aktienkursen abhängen, weil sie »privat« für ihr Alter vorgesorgt haben, bedeutet dies einen spürbaren Einkommensverlust.

Angesichts der vielen Wirtschaftsprobleme nahmen die Wachstumsraten der Volkswirtschaften der Industrieländer im Jahr 2001 von Quartal zu Quartal ab. Auch in Österreich mussten die Wirtschaftsforscher bei jeder Prognoserevision ihre Erwartungen für das Wirtschaftswachstum in unserem Land senken.

Nachfragebelebend

Was wird dagegen getan? Die amerikanische Notenbank, die »Fed«, wie sie abgekürzt genannt wird, hat im Laufe dieses Jahres schon neunmal ihre Zin-sen zum Teil kräftig gesenkt. Damit wird das Geld billiger und die Notenbanker hoffen, dass das die Nachfrage beleben wird. Die Europäische Zentralbank war allerdings bei den Zinsen wesentlich zurückhaltender. Ihr im Vertrag von Maastricht unter deutschem Druck festgelegtes einziges Ziel ist die Bekämpfung der Inflation. Die Notenbanker in Frankfurt meinten, die Gefahr der Inflation sei für kräftige Zinssenkungen (und damit wirtschaftsbelebende Maßnahmen) noch zu groß. Doch selbst in Frankfurt konnte man nicht ewig die Augen vor der Realität verschließen, und am 11. Mai kam es zu einer ersten, am 31. August zu einer weiteren zögernden Zinssenkung.

Doch mit diesen Zinssenkungen wären die Konjunkturprobleme noch lange nicht zu lösen gewesen. Mit Recht weisen die Notenbanker darauf hin, dass man mit Zinspolitik allein (und ein anderes Instrument steht ihnen nicht zur Verfügung) Konjunktureinbrüche nicht verhindern kann. Dazu bedarf es sicherlich zusätzlicher, nachfragebelebender Maßnahmen. Diese können nur von den Regierungen ergriffen werden, selbst wenn die Budgetdefizite dadurch steigen.

In den USA hat man schon Anfang des Jahres (wenn auch eher aus politischen als aus konjunkturellen Gründen) die Steuern gesenkt. Allerdings hatte man dafür budgetpolitischen Spielraum, weil das Bundesbudget angesichts der langen Konjunktur und der Kürzung vieler Sozialleistungen einen erheblichen Überschuss auswies. Immerhin hat die Steuersenkung die Nettoeinkommen der Haushalte erhöht, was theoretisch die Konsumlust steigern sollte. In Europa glaubte (oder hoffte) man, dass es nicht so schlimm werden würde, und tat vorerst wenig, außer bei konjunkturell sinkenden Staatseinnahmen wenigstens die Ausgaben nicht weiter zu kürzen.

Tragödie: Menschlich, politisch, wirtschaftlich

Immerhin, bis zum 11. September hätte man wahrscheinlich darüber streiten können, ob in den USA und Europa zusätzliche wirtschaftsbelebende Maßnahmen notwendig sind. Seither hat sich die Lage aber dramatisch verschärft. Der Anschlag auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington ist nicht nur eine menschliche und politische Tragödie, er hat auch wesentliche wirtschaftliche Auswirkungen, deren Ausmaß erst langsam offenkundig wird.

Die ohnedies schon das ganze Jahr mit Frequenzrückgängen gerade bei den gut zahlenden Geschäftsreisenden kämpfenden Fluglinien mussten in den USA, aber auch im Verkehr von und nach den USA, mit einem tagelangen völligen Flugverbot fertig werden. Der Schaden ging in die Hunderte Millionen Euro. Doch damit war es noch nicht geschehen. Seit der Wiederaufnahme des Flugverkehrs sind die Passagierzahlen noch viel drastischer zurückgegangen, als es der bisherige Jahresverlauf befürchten hätte lassen. Die Menschen haben eine (hoffentlich unnötige) Angst vorm Fliegen.

Neben den Umsatzausfällen kommen aber auch wesentliche Kostenerhöhungen auf die Fluglinien zu. Die Versicherung der Flugzeuge wird drastisch teurer und für die Sicherheitskontrollen muss viel mehr ausgegeben werden. Große und renommierte Fluglinien standen (und stehen vielleicht noch immer) vor dem Konkurs. In dieser Situation haben die Regierungen zwar mit massiven Finanzhilfen eingegriffen, aber dennoch glauben die Fluggesellschaften, kräftigst Personal abbauen zu müssen, weil sie den geringer gewordenen Flugverkehr mit weniger Mitarbeitern abwickeln können und ihnen angesichts der betriebswirtschaftlichen Lage wohl auch wenig Alternativen bleiben. Mit den Fluglinien leiden aber auch alle Branchen, die ihnen zuliefern, allen voran die Flugzeugbauer.

Geschwollen und weniger geschwollen

Es trifft aber nicht nur die Fluglinien und ihre Zulieferer. Die gesamte Fremdenverkehrsbranche ist von erheblichen Ausfällen betroffen. Urlaubsreisen werden abgesagt, ebenso viele Konferenzen und Kongresse. Selbst bei Geschäftsreisen sind die Firmen weit zurückhaltender als bisher. Die Folgen sind klar: Reisebüros haben - wenn überhaupt - vor allem mit Stornierungen zu tun, Hotels stehen halb leer, Restaurants leiden an Gästeschwund, die Mietwagenunternehmen haben volle Parkplätze, Reisebusflotten stehen still, kurz, allen Betrieben im Fremdenverkehr geht es schlecht. Überall muss an eine Rücknahme der »Kapazitäten« (weniger geschwollen ausgedrückt: an Personalkündigungen) gedacht werden.

Betroffen sind aber auch die Versicherungen. Das ganze Ausmaß der Schadenzahlungen wird sich noch lange nicht feststellen lassen, um Milliarden Euro wird es sich aber jedenfalls handeln. Durch das übliche System, große Risken im Wege der Rückversicherung auf möglichst viele Gesellschaften zu verteilen, dürfte es wohl kaum irgendeine größere Versicherungsgesellschaft auf der Welt geben, die nicht für den einen oder anderen der vielen aufgetretenen Schäden mitzahlen wird müssen.

Dazu kommt als Belastung für die Versicherungen der Rückgang der Aktienkurse: Vor allem in der Lebensversicherung ist viel Kapital in Aktien angelegt, um jene Gewinne zu erzielen, die den Gesellschaften die Erfüllung ihrer an die Versicherten gegebenen (verbindlichen oder unverbindlichen) Zusagen ermöglichen. Kein Wunder, wenn auch bei den Versicherungen nach Sparmöglichkeiten gesucht wird.

Die Banken klagen, dass die sinkenden Aktienkurse sie nicht nur bei den eigenen Veranlagungen belasten, sondern auch (was bei vielen Banken noch stärker ins Gewicht fallen dürfte), weil weniger mit Wertpapieren gehandelt wird und dementsprechend weniger Provisionen kassiert werden. In dieser Marktlage gelingen kaum neue Aktienemissionen, weshalb den Banken die Einnahmen aus diesem besonders gewinnbringenden Geschäftszweig fehlen. Der Sektor hatte ohnedies viele Fusionen mit dem erklärten Ziel einer Verringerung der Personalkosten zu verkraften. Nun kommen die neuen Schwierigkeiten dazu. Kein Wunder, dass man in den großen Finanzzentren (allen voran New York und London) vor weiteren große Kündigungswellen zittert.

Kündigungswellen

Aber die Probleme betreffen nicht nur vereinzelte Branchen. Es zeichnet sich schon deutlich ab, dass die Konsumenten sich in nächster Zeit (hoffentlich nicht sogar für längere Zeit) bei ihren Einkäufen stark zurückhalten werden. Diese Konsumschwäche wird natürlich am stärksten jene Branchen treffen, die Güter des gehobenen Bedarfs (wieder weniger geschwollen: Luxusgüter) erzeugen, die man nicht unbedingt und schon gar nicht unbedingt jetzt haben muss. Aber auch bei weniger ausgefallenen, aber doch höherpreisigen Artikeln - vom Auto über Haushaltsgeräte bis zum Computer und zum Handy - spüren die Erzeuger und Händler schon die Kaufzurückhaltung. Überall wird von Personalabbau gesprochen und leider - nicht nur gesprochen. Die Arbeitslosenzahlen steigen wieder. Und jeder zusätzliche Arbeitslose bedeutet einen zusätzlichen Kaufkraftausfall.

Auch Österreich hatte sogar schon seit der ersten Jahreshälfte einen Konsumrückgang zu verzeichnen. Das war aber weniger auf die internationalen Entwicklungen als auf »hausgemachte« Ursachen zurückzuführen. Im Bemühen um die Erfüllung des versprochenen Nulldefizits wurden die Preise für öffentliche Leistungen angehoben und Gebühren und Steuern erhöht. Damit wurde die Kaufkraft der Konsumenten verringert und wir dürfen uns daher nicht wundern, wenn sie sich bei Ausgaben zurückhalten. Das könnte sich nun noch weiter verschärfen.

Widerwillige Zinssenkung

Da stellt sich natürlich die Frage, ob zur Bekämpfung der offenkundig drohenden längeren Rezession genug getan wurde und wird. Die amerikanische Notenbank hat sofort nach dem 11. September die Zinsen abermals gesenkt. Die meisten anderen Notenbanken - sogar, wenn auch nur widerwillig, die Europäische Zentralbank in Frankfurt - sind ihr gefolgt. Überdies haben die Notenbanken der Wirtschaft zusätzliche Geldmittel zur Verfügung gestellt. Doch mit Zinssenkungen und Liquidität allein werden sich die jetzigen Probleme sicherlich nicht lösen lassen. Wenn die Nachfrage so drastisch zurückgeht wie sie es jetzt tut, muss die Wirtschaftspolitik für zusätzliche Nachfrage sorgen. Und noch dazu möglichst rasch. In den USA wird an entsprechenden Programmen schon gearbeitet, obwohl damit die ohnedies radikal kleiner gewordenen Budgetüberschüsse völlig aufgebraucht werden dürften.

Auch in Europa muss man sich überlegen, ob nicht jetzt eine Situation entstanden ist, in der man wirtschaftsbelebende Maßnahmen ergreifen sollte, selbst auf die Gefahr hin, an die Obergrenze der nach dem Stabilitätspakt zulässigen Defizite zu stoßen. Diese Frage ist eigentlich nicht schwer zu beantworten, wenn man nicht ein Nulldefizitfetischist ist oder zu jenen ewigen Optimisten gehört, die wie unser derzeitiger Finanzminister ohne Rücksicht auf die tatsächliche Situation immer meinen, es werde schon alles gut gehen.

Steuern erhöhen, Ausgaben senken

Man wird in nächster Zeit nicht alle staatlichen Maßnahmen nur aus dem Blickwinkel der Erreichung des Nulldefizits sehen können. Denn wollte man eine solche Politik konsequent betreiben, müsste ja der Staat bei den nunmehr unausbleiblich sinkenden Steuereinnahmen entweder die Steuern (egal unter welchem »Namen«) noch weiter erhöhen oder Ausgaben senken. Das eine wie das andere würde aber die Nachfrage nicht nur nicht beleben, sondern sogar weiter schwächen.

Auf alle diese Zusammenhänge hat schon der große englische Nationalökonom Keynes vor mehr als einem halben Jahrhundert hingewiesen. Seine Empfehlungen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg für viele Regierungen zur Richtschnur für ihre Wirtschaftspolitik. Der Erfolg war vorerst augenscheinlich.

Aber die Politiker haben Keynes in manchem missverstanden (oder missverstehen wollen). Keynes hat für den Fall einer Rezession, also wenn die Wirtschaftsleistung des Landes wegen zu geringer Nachfrage zurückgeht, nachfragebelebende Maßnahmen empfohlen, auch wenn dies zu Budgetdefiziten führt. Die Folgen einer Rezession sind nämlich steigende Arbeitslosigkeit, damit noch geringere Nachfrage und damit weitere »Sparmaßnahmen« der Unternehmen und der öffentlichen Hand. Das führt leicht in eine Abwärtsspirale, die nur sehr schwer zu durchbrechen ist. Das war die Ursache für die Weltwirtschaftskrise in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Aber auch in der Gegenwart kann Japan ein Lied davon singen, wie schwer es ist, aus einer Abwärtsspirale wieder herauszukommen.

Keynes hat aber sehr klar gesagt, dass in konjunkturell besseren Zeiten zum Ausgleich für die Defizite in schlechten Jahren im öffentlichen Bereich gespart werden müsse, womöglich sogar Budgetüberschüsse erzielt werden sollten.

Der missbrauchte Keynes

Manche Politiker haben die richtigen Gedanken von Keynes dennoch dafür missbraucht, eine Politik zu rechtfertigen, bei der man in der Rezession sehr große Budgetdefizite baute, in der Hochkonjunktur aber auch nicht gerade kleine. Das Resultat war vorhersehbar: Die Staatsschulden wuchsen sprunghaft an, die Zinsen für die Staatsschuld verschlangen einen immer größer werdenden Teil der Staatseinnahmen und andere Staatsausgaben - vor allem jene, die den Arbeitnehmern am Herzen liegen - mussten zurückgenommen werden.

Die konservativen Ökonomen und die mit ihnen verbündeten Politiker erkannten ihre Chance: Sie behaupteten, die wirtschaftspolitischen Rezepte von Keynes hätten auf der ganzen Linie versagt und forderten die Rückkehr zu einer »soliden« Budgetpolitik. Der Fetisch vom Nulldefizit war geboren.

In seinem Namen wurden staatliche Ausgaben gekürzt oder die jeweiligen Aufgaben sogar der »Privatwirtschaft« übertragen, selbst wenn sie sich im öffentlichen Bereich eher besser, aber vor allem sozial gerechter erfüllen lassen.

Als Beispiele angeführt seien das Schulwesen oder der Übergang von der Pflichtversicherung zur Versicherungspflicht: Die Versicherten können sich ihre Versicherung aussuchen, und die Versicherungen suchen sich aus, wen sie zu versichern bereit sind.

Resultat: Die Reichen und Gesunden machen sich ihre »eigene«, noch dazu billige Versicherung, und die Armen, Kranken und Alten müssen mit wirtschaftlich schwächeren Versicherungen, die noch dazu laufend ihre Leistungen verschlechtern, vorlieb nehmen. Solidarität wird zum Fremdwort, die Mehrklassenmedizin feiert fröhliche Urständ.

Blanker Unsinn

Im Namen des Nulldefizits wurde aber auch möglichst viel Staatsvermögen verkauft. Das kann im Einzelfall sinnvoll und zweckentsprechend sein - der Staat muss nicht alles machen. In vielen anderen Fällen ist es jedoch blanker Unsinn.

Dies hat sich zum Beispiel bei den britischen Eisenbahnen gezeigt, die heute nach ihrer Privatisierung fast zusammengebrochen sind. Nicht nur betriebswirtschaftlich unsinnig, sondern volkswirtschaftlich sogar extrem gefährlich ist es aber, wenn man die grundlegenden Ressourcen eines Landes wie die Wälder oder das Wasser privatisiert. Nicht einmal in den kapitalistischen USA ist das bisher geschehen, aber kleinkarierte österreichische »Wirtschaftsfachleute« wollen uns eine solche Politik einreden.

Während die Konservativen in Österreich weiterhin bemüht sind, den »Keynesianismus« zu Grabe zu tragen, hat man in den meisten anderen Industriestaaten schon längst wieder eine Kehrtwendung vollzogen. Selbst in Deutschland, dessen Wirtschaftsprofessoren vielfach (warum wohl?) bemüht sind, der Industrie und den so genannten Finanzkreisen nach dem Mund zu reden, nimmt das Interesse an Keynes und seinen Rezepten wieder zu.

Es werden immer mehr Zweifel am Nulldefizit laut und an dem Euro-Stabilitätspakt, der dieses durchsetzen sollte. Offensichtlich gibt es doch Situationen, in denen der Fetisch Nulldefizit keinen Sinn macht und in denen der Staat bereit sein sollte, die Nachfrage auch dann anzuregen, wenn es dabei zu gewissen (allerdings nicht übergroßen) Budgetdefiziten kommt.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Gut. Aber wann ist eine solche Situation gegeben? Das wird sich wahrscheinlich theoretisch nur schwer definieren lassen. Es wird bei jeder Definition Grenzfälle geben. Aber konkret und auf unsere jetzige Lage angewendet: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Jetzt ist die Zeit, wo man auf europäischer und nationaler Ebene auf die Belebung der Nachfrage hinarbeiten muss und die Erreichung von Nulldefiziten etwas zurückstellen sollte. Tatsächlich haben sich die EU-Finanzminister schon dazu durchgerungen, auf die Einhaltung der ursprünglich geplanten Budgetdefizite durch die einzelnen Länder zu verzichten. Sie sollten einen Schritt weitergehen und auf die Einhaltung der Defizitobergrenzen des Stabilitätspaktes vorübergehend überhaupt verzichten.

Für Österreich, dessen Steuerbelastung in diesem Jahr neue Rekordwerte erreicht hat, obwohl der Staat nur noch wenig investiert, bieten sich zur Wirtschaftsbelebung vor allem zusätzliche öffentliche Investitionen an. Bedarf dafür gibt es mehr als genug.

Unsere Verkehrswege sollten - auch im Hinblick auf die EU-Osterweiterung - ausgebaut werden. Unsere Schulen und Universitäten gehören modernisiert. In vielen Orten fehlen noch Kindergärten. Das Gesundheitswesen wird leider immer kostspieliger, aber wir sollten unser wahrlich bewährtes System der Krankenvorsorge notfalls auch mit höheren Ausgaben zu erhalten versuchen. Die Liste kann man fast beliebig fortsetzen.

Schnapsideen und bequeme Ausreden

Natürlich soll man dennoch, wo das sinnvoll und sozial verträglich ist, weiterhin sparen. Es geht ja nicht darum, Geld um jeden Preis beim Fenster hinauszuwerfen. Der Vorschlag von Keynes, zur Not Löcher graben zu lassen und sie wieder zuzuschütten, war nie ernst gemeint. Zum Sparen bleibt uns genügend Spielraum:

Es fragt sich, ob wir wirklich Abfangjäger brauchen. Die Verwaltung kann man vereinfachen, wenn man nur will. War und ist es wirklich notwendig, Frauen, die es sich auf Grund des guten Einkommens ihrer Männer leisten konnten, nie arbeiten zu gehen, auf Kosten der Allgemeinheit Kindergeld zu gewähren (und das noch als große Sozialleistung auszugeben)? Auf die Schnapsidee des FP-Klubobmannes, allen Österreichern Fingerabdrücke abzunehmen, sollte man, nicht nur weil das extrem teuer wäre, ganz verzichten. Auch diese Liste kann man lange fortsetzen.

Auf allen diesen Gebieten kann man ruhigen Gewissens sparen. Zugleich soll man aber sinnvolle zusätzliche Ausgaben auch dann tätigen, wenn das Defizit dadurch ein bisschen größer wird. Damit soll nicht dem Finanzminister eine bequeme Ausrede dafür gegeben werden, dass er seine selbst gesteckten Budgetziele nicht erreicht.

Es wird ihm nach Meinung der Wirtschaftsforscher ohnedies 2002 nicht gelingen, sein großspurig angekündigtes Nulldefizit zu verwirklichen. Aber es muss verhindert werden, dass der Glaube konservativer Ökonomen und des Finanzministers an die Wunderkraft des Fetischs Nulldefizit Tausende Österreicher um ihren Arbeitsplatz bringt und unser Land in eine - zumindest in dieser Schärfe - unnötige Rezession gestürzt wird.

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Thomas Lachs (Pensionist in Wien und war Direktor der OENB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Nov 2001 00:00:00 +0100 1196351260222 Urabstimmung: Regierung lenkte ein »Die Bundesregierung hat ein klares Bekenntnis zur Pflichtversicherung und der Kollektivvertragsfähigkeit der Gewerkschaften abgegeben.« Das berichtete ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch Dienstag Abend, 6. November, nach der ersten Gesprächsrunde zwischen Bundesregierung und ÖGB über die Forderungen der ÖGB-Urabstimmung für soziale Gerechtigkeit. Verzetnitsch: »Wir erwarten nun von der Bundesregierung eine öffentliche und unmissverständliche Erklärung zu diesen beiden Themen.«

Zufrieden

Vorerst zufrieden zeigte sich auch ÖGB-Vizepräsident Fritz Neugebauer: »Das Bekenntnis zur Sozialpartnerschaft und diesen beiden Themen war bisher nicht von allen Mitgliedern der Bundesregierung in dieser Klarheit abgegeben worden.« Auch die Reform der Abfertigung war Thema der Aussprache. »Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich das Sozialpartnermodell«, informierte Verzetnitsch. Schon in den kommenden Tagen wird die Bundesregierung dazu Gespräche mit den Sozialpartnern führen. Wermutstropfen des Gesprächs: Arbeitsminister Bartenstein ließ die Frage der Arbeitszeitregelungen offen. Dabei bildet diese Frage einen Schwerpunkt der Kollektivvertragsverhandlungen zwischen den Sozialpartnern. Die Sozialpartner sind die Experten der Praxis. Sie kennen die Erfordernisse ihrer Branche am besten.

Arbeitszeit

Der ÖGB fordert daher, dass auch das Thema Arbeitszeit weiterhin eine Angelegenheit der Branchen-Kollektivverträge bleibt. Flexibilität darf keine Einbahnstraße zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein.

Die konkreten Forderungen des ÖGB, die von über 807.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern*) bei der Urabstimmung für soziale Gerechtigkeit bekräftigt wurden, werden nun mit den jeweils zuständigen Fachministern, dem Kanzler und der Vizekanzlerin in Einzelgesprächen verhandelt.

»Wir erwarten uns eine Behandlung der Forderungen im Sinne der Hunderttausenden Mitglieder, die an der Urabstimmung teilgenommen haben«, erklärt ÖGB-Präsident Verzetnitsch. »Der ÖGB wird seine Mitglieder laufend und ausführlich über den Verlauf der Verhandlungen und die Haltung der Bundesregierung informieren.«

*) Endgültiges Endergebnis: Insgesamt beteiligten sich 807.192 Mitglieder an der ÖGB-Urabstimmung.

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Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252881 Zwischen Blabla und Radausprache Einem gewissen Bart Koske verdanken wir den Buchtitel »Die Zukunft ist fuzzy«. Unter fuzzy hat sich der Leser den Begriff Unschärfe vorzustellen, obwohl er sich noch an die siebziger Jahre erinnern kann. Da gab es im Film den knolligen Sheriff gleichen Namens. Und der war damals mit Flankerl, Fussel oder Fitzerl zu übersetzen. Sprache funktioniert - im Glücksfall - übers Denken. Und diesbezüglich meint besagter Koske, dass »fuzziges Denken alle Bereiche unseres Lebens ..., von Politik und Genetik über Technik und Kunst, durchdringen wird«. Wer kritisch hinhört und hinschaut, wird feststellen können, dass es bereits so weit ist.

Sprachverwilderung

Karl Kraus hat gemeint, dass schlampiges Denken zu schlampigem Schreiben (und offenbar auch zu dem entsprechenden Reden) führe. Die Sprachverwilderung ist also sichtlich keine ganz neue Entartung, und sie geht damals wie heute einerseits mit einem krampfhaften Hang zur Ausdrucksverknappung, anderseits mit einer ebenso wenig lockeren Freude am Schwulst einher, der sich in nicht immer überprüfter Begriffsverwendung ergeht.

Obwohl man ausreichend Zeit dafür aufbringt, sich im Ausdruck geradezu barock zu verschnörkeln, hat man es zugleich auch so eilig, dass man einen Hang zur gelegentlichen Sprachverknappung entwickelt: Während man seine Lime trinkt, ehe man zur Demo geht, denkt man gar nicht daran, dass es an Info mangelt. Aber die benötigt man als Polit-Promi ja gar nicht. Notfalls bezieht man sich darauf, was einem die Spin Doctors (Spin mit einem N) einflüstern. Womit wir bei den modischen Fremdwörtern angelangt wären, die uns umbranden.

Sprachschluderei

Höchst unterschiedliche Jugendliche werden breiig zu Kids, die ältere Generation wird, gleich vorgestrigen Hits, zu Oldies. Jede Belanglosigkeit gerät in den Rang eines Events (worunter eigentlich ein besonderes Ereignis zu verstehen wäre). Wenn man das alles so checked, dann könnte man schon dem Fatigue Syndrom verfallen. Aber meist rastet man deshalb nicht aus, obwohl man nach so viel Sprachschluderei sich einmal ausrasten sollte, relaxen sozusagen.

Die modische Lehnwortbildung (relaxen etwa) ist aber auch nicht ganz ohne. Ein Beispiel danken wir der Sportreportage: Bodycheck hat man früher einfach einen Rempler genannt. Und so ist heutzutage aus »gerempelt« sprachvereinfachend gebodychecked (geboditschekd) geworden.

Wortaufblähungen

Wortaufblähung ist aber auch muttersprachlich üblich: Mieten ist zu wenig, man muss anmieten. Füllen reicht nicht aus: Man befüllt also die Flaschen und findet es echt urgeil, dass sie wiederbefüllbar sind. Im Bereich der Wortblähung (wenn auch nicht der Aufblähung) ist der Terminus Bestuhlung ruchbar geworden, worunter man sich die Aufstellung von Sitzgelegenheiten vorzustellen hat, nur zum Sitzen und sonst nichts weiter. Das Mietshaus, in dem man offenbar als Mietser den Zins nicht schuldig bleiben darf (man muss Mietse zahlen), ist lediglich mit einem unrichtigen kleinen s gedehnt, vergleichbar der auch aus höchsten Mündern so tönenden Interessensvertretung: Da ist man hellhörig, weil es um die eigenen Interessens geht. Wer hingegen sprachliche Interessen vertritt, auf den fahren die Leute kaum ab, da sind sie weder motiviert noch engagiert und überhaupt nicht voll da. Und wer voll da ist, bedarf eigentlich der Ausnüchterung, denn Voll-Sein ist ja eine miese Performance. Diese Show kann einem gestohlen bleiben.

Bei derart negativer Reaktanz liegt wohl eine enttäuschte Erwartungshaltung vor (wie enttäuscht man Haltungen?), und man kann da weder cool bleiben noch das Ganze cool finden. Prolos sind einfach nicht in, Machos kriegt frau (als Gegensatz von man) nicht auf die Reihe, Realos sind auch nicht super, und Faschos turnen einen auch nicht an. Da sind andere Prioritäten (also mehrere Erstrangigkeiten) und Aktivitäten zu setzen (= tun), denn sonst müsste man fast Ängste um sich selber haben (Angst allein genügt nicht mehr) - das alles ist freilich nur virtuell zu verstehen. Will sagen: nicht wirklich.

So also läuft's (vormals: geht's) im verbalen Bereich. Bleibt somit noch übrig, im ganzen Satz zu schwelgen. Dazu darf beruhigend angemerkt werden, dass auch anno dazumal miserabel dahergeredet und -geschrieben worden ist: »Das deutsche Volk ist sich dessen bewusst, dass kein Krieg kommen könnte, der uns jemals mehr Ehre geben würde, als wir im letzten erworben haben.«

Das hat Hitler 1933 so festgeschrieben, und Festschriften sind eben manchmal sprachlich nicht besonders ausgebufft. Machen wir's vergleichsweise einmal brand new: »Das Multitalent Celentano zeigt dem Gottessohn und seinem Alten, wie ein echter Profi die Message rüberbringt - Volle Power ... live auf der Glotze.« Das ist doch kreativer kommunikativ umgesetzt als bei Hitler, der offenbar keine Ahnung von Promotion gehabt hat.

Wie man promotet, habe ich dem Bericht eines politischen Geschäfteführers entnommen, der sichs jüngst in die Privatwirtschaft verbessert hat: »Die Kampagne ist nicht nur in ihrem zeitlichen, sondern auch in ihrem organisatorischen Umfang als intensiv einzustufen.« Statt: »Der Tisch ist rund«, sagt man halt: »Irgendwie hat der Tisch ein kreisförmiges Design.« Und man darf fragen, wie ein Umfang intensiv einzustufen ist. Aber unser Geschäfteführender setzt unbarmherzig fort: »Es wird notwendig sein, ein breites Service- und Trainingspaket anzubieten.« Obwohl man schon froh sein darf, dass hier nicht die übliche »breite Palette« in Betracht gezogen wurde, so wäre doch zu klären, ob ein breites Paket nicht vielleicht einer gewissen Höhe bedürfte, vom eventuellen Tiefgang des Services ganz zu schweigen.

Im Medialbereich (wozu überlegt werden muss, was diese Medien eigentlich vermitteln) geht es durchaus gleichwertig zu: »Unerwünschte Massenmails sind ärgerlich und verbrauchen Ressourcen. Das Dossier listet (auf der Homepage der WZ) Strategien zur Abwehr auf und gibt Anleitungen für Gegenmaßnahmen.« Was einem da aufgelistet wird, sollte man erst gar nicht denen abzulisten versuchen, die Strategien (im Plural) anbieten, obwohl sie nur Verhaltensweisen (also Taktik) anzubieten haben.

Feldherren sind froh, wenn sie eine einzige Strategie (= Aufstellung der Truppen) haben. Aber im Sprachradau sind hehre Begriffe zu schal. Man muss alles multiplizieren, so wie man es halt vom Abcashen gewohnt ist (vgl. anmieten).

Vom Sprachradau zum offenkundigen, aber dennoch oft nicht als solchen wahrgenommenen Galimathias (den man auch mit Doppel-L schreibt) ist es nur ein kurzer Schritt. Der kakanische General Thümel dichtete einmal vor sich hin: »Des Lebens Unvernunft mit Wehmut zu genießen, ist Tugend und Begriff.« Und so weit muss es gar nicht gehen. Es genügt schon, wenn man den nicht beherrschten Begriff Klischee mit Kult verwechselt und dabei wenig sinnvoll die Mozartkugeln mit Lipizzanern und Neutralität wertend gleichsetzt.

Man erkennt: Hier besteht Handlungsbedarf. Weniger modisch: Man müsste etwas tun und gleich dazusagen, was.

Wortschatz

Die Sprachschluderer sind keine Leser (wenn man von kaum lesenswerter Kleinformatigkeit absieht). Und Fernsehen, in dem schleißig synchronisierte ausländische Serien - gegen solche Ausländerei hat offenbar niemand etwas - dominieren oder sprachlich konfektionierte Produkte des eigenen Sprachraums, leistet auch keinen positiven Vorschub. Lesen erweitert den Wortschatz, der mit Recht so heißt. Ein Wortschatz steht in Widerspruch zu einer Sprachignoranz, die ehedem die Neureichen ausgezeichnet hat, heute aber auch weniger Wohlhabenden zumutbar zu sein scheint.

Von Sprachschluderei und Radausprache ist es nicht mehr weit zu jener Neusprache, die George Orwell im Roman »1984« vorgestellt hat. In ihr kann alles auch das Gegenteil bedeuten: Wenn zum Beispiel eine zeitgenössische Regierung von Reform spricht ...

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Hugo Pepper (langjähriger Cheflektor des - damals dem ÖGB gehörenden - Europa Verlages) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252847 Impressionen aus anderen Welten | Ein Arzt berichtet über seine freiwilligen Hilfseinsätze in Asien und Afrika Beispiel: Lushoto, Tansania

Eine Gebirgsstadt im Usumbaragebirge, eine Gegend, die neben den Nationalparks im Norden als tansanisches Touristenzentrum gilt. Hier sieht man bereits einige Hotels entstehen, in Prospekten wird für die Schönheiten der Natur und für Wanderurlaub geworben, Diplomaten haben hier ihre Zweitwohnsitze.

Eine Besonderheit weist Lushoto noch auf - eine Blindenschule. Diese bietet einen Zufluchtsort für 70 Kinder. Was diese Schule so bedeutsam macht, ist die Tatsache, dass in der afrikanischen Gesellschaft Behinderte ein Tabu, eine Schande für die Familie darstellen. Beträgt die Kindersterblichkeit in Tansania an sich schon 14,2 Prozent, liegt die Lebenserwartung blinder Kinder im Afrika südlich der Sahara bei ein bis zwei Jahren. Behinderte werden weggesperrt, von der Familie nicht mehr hergezeigt und sind für die Familien auch wegen ihrer mangelnden Produktionsfähigkeit eine zusätzliche finanzielle Belastung. Hat Mama Joyce, die 60-jährige Leiterin der Schule, früher Eltern noch überreden müssen, ihre blinden oder schwer sehbehinderten Kinder gegen einen leistbaren Betrag der Schule zu übergeben, zeigt sich ein Erfolg dieser Schule auch darin, dass Eltern jetzt auch schon aus eigenem Antrieb um Aufnahme ihrer Kinder bitten.

Das Ziel der Schule ist neben dem Lehrplan der allgemeinen Grundschule auch die Vermittlung alltäglicher Fähigkeiten wie Kochen und Haushaltstätigkeiten, das Erlernen handwerklicher und landwirtschaftlicher Tätigkeiten auf dem angeschlossenen bäuerlichen Betrieb. Zu sehen, wie diese blinden Kinder liebevoll miteinander umgehen, wie sie sich gegenseitig unterstützen und miteinander spielen, lässt erahnen, wie glücklich blinde Kinder in dieser Umgebung aufwachsen. Die Realität zeigt sich aber immer wieder zur Ferienzeit um Weihnachten, wenn die Kinder für einen Monat zu ihren Familien zurückkehren. Besonders Mädchen kommen häufig in schlechtem Gesundheitszustand und hygienisch verwahrlost zurück, Tränen und Verzweiflung zeugen von der Realität des Elends, in dem ein großer Teil der Familien lebt.

Dennoch darf die Verbindung zu den Familien nicht abreißen, damit das soziale Umfeld diese Kinder nach Beendigung der Schule mit 14 Jahren in die Gemeinschaft aufnimmt. Für diese Integration sind dann die erlernten Fähigkeiten ein Garant dafür, dass die Behinderten einen Wert für die Gesellschaft darstellen.

Taxila, Pakistan

Eine Stadt am Beginn des Karakorum Highways, einer viel befahrenen Route, die für zahllose Touristen den Zugang zu den Hochgebirgen des Himalaya eröffnet. Es ist ein heißer Novembertag und ich ergreife die einmalige Gelegenheit, mit zwei pakistanischen Sanitätern, die in dieser Gegend gerade eine Kinderlähmungsimpfaktion durchführen, das Gelände einer der in Pakistan unzähligen Ziegelfabriken zu betreten. Mit Hilfe einer Polaroidkamera lässt sich schnell der Argwohn der Arbeiter beseitigen. Nach den ersten verteilten Fotos, die die Leute hier gerne von sich machen lassen und dann mit großem Stolz und kindlicher Freude herumzeigen, machen sie uns mit ihrer Arbeit vertraut.

Die kreisförmigen Brennöfen sind aus Tausenden von Tonziegeln aufgeschichtet, die Hohlräume im Inneren werden von oben mit alten Autoreifen geheizt. Die Hitze auf diesen Öfen ist für mich unerträglich, ganz abgesehen von den giftigen Rauchwolken, die beim Öffnen der Deckel zum Nachfüllen der Autoreifen explosionsartig entweichen.

Trotzdem sind diese Arbeiter stolz auf ihre Tätigkeit, die ihnen mit 3000 Rupien im Monat (damals ca. 1000 Schilling) einen für Pakistan durchschnittlichen Verdienst einbringt. Die Leute, die aus den Staubwolken der Umgebung auftauchen und die neu geformten Tonziegel herankarren und den nächsten Brennofen aufschlichten, werden von ihnen aber nicht beachtet. Diese Leute stellen eine der untersten Schichten in Pakistan dar, die bound labourers, die »gefesselten Arbeiter«. Diese Taglöhner erhalten für die Herstellung von 1000 Ziegeln 50 Rupien (16,6 Schilling), eine Menge, die von fünf Leuten an einem Tag geschafft werden kann. Die Gerätschaft - Schaufeln, Ziegelformen, Karren - müssen diese Taglöhner aber von den Ziegeleibesitzern kaufen, ein erster Schritt in die Verschuldung. Um möglichst viele Ziegel zu schaffen, setzt der Taglöhner seine Familie ein, sodass für den Besitzer die Zahl der offiziell Beschäftigten klein gehalten werden kann.

Unterkunft erhalten diese Familien auf dem Ziegeleigelände, einfachste höhlenartige Ziegelbauten, die aber natürlich ebenfalls bezahlt werden müssen. Durch die Verschuldung, die für die Taglöhner entsteht, werden sie und ihre Familien an die Ziegelei gefesselt und haben keine Chance mehr, aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Kinderarbeit? - Gibt es hier natürlich offiziell nicht, wenn der angestellte Arbeiter seine Kinder für sich arbeiten lässt, ist das seine Angelegenheit und nicht die des Unternehmers. Kinderreichtum ist in solchen Systemen häufig die einzig mögliche Chance für Eltern, ihre Altersversorgung möglichst abzusichern. Der tägliche Überlebenskampf erfordert aber auch, dass Kinder bereits von klein auf arbeiten, um für den Unterhalt der ganzen Familie zu sorgen.

Kinderarbeit

Kinderarbeit als meist unterbezahlte, gesetzlich nicht geregelte Arbeit außerhalb des elterlichen Haushaltes muss unterschieden werden von Kinderbeschäftigung, wie sie in landwirtschaftlichen und kleinhandwerklichen Betrieben als Beitrag zum Familienunterhalt notwendig sein kann.

Anfang der 90er-Jahre beschloss der US-Kongress im Kampf gegen Kinderarbeit, auch Unternehmen aus Ländern, die Kinder offiziell und legal beschäftigten, bestehende Zollvorteile zu entziehen. Das hatte zur Folge, dass in Bangladesch die Mädchen aus Textilbetrieben entlassen wurden, Mädchen, die am Ende der Produktionskette die Textilien zusammenfalteten und für den vorwiegend amerikanischen Markt in Seidenpapier wickelten, eine saubere und relativ gut bezahlte Arbeit. Eine Untersuchung zeigte, dass diese entlassenen Mädchen jetzt natürlich nicht die Schule besuchten, sondern eine andere Arbeit suchen mussten, die in den meisten Fällen schmutziger, gefährlicher und schlechter bezahlt war. Bars und das Sexgewerbe boten für viele dieser Mädchen die einzige Möglichkeit zu arbeiten. Das generelle Verbot von an sich abzulehnender, aber in vielen Staaten wegen der wirtschaftlichen Notlage zahlloser Familien notwendiger Kinderbeschäftigung begünstigt die Kinderausbeutung in gefährlichen, schmutzigen und schlecht bezahlten Tätigkeiten und im Prostituiertenmilieu. (Ein Nebensatz: Laut UNICEF-Bericht 1997 müssen auch in den USA mindestens 100.000 Kinder im Prostituiertenmilieu arbeiten.)

November 2000: Ein Gewerkschaftsheim in Wien

Ein pakistanischer Gewerkschafter berichtet einen Abend lang über die Probleme in seinem Land. Einem Land, in dem nicht nur wegen des jahrhundertealten und noch immer bestehenden Feudalsystems Gewerkschaftsbewegungen mit großem Widerstand kämpfen müssen, sondern auch, weil sich die großen westlichen Firmen weigern, in ihren Fabriken Gewerkschaften zuzulassen.

Hier werden gerne Frauen angestellt, da sie als abhängiger und leichter steuerbar gelten und ihre Arbeit mit weniger Lohn abgegolten werden kann. Wenn aber Frauen in einer patriarchalischen Gesellschaft erst einmal die Erlaubnis des männlichen Familienvorstandes bekommen, einer Arbeit nachzugehen, wozu sich immer mehr Männer gezwungen sehen, ergibt das für Frauen die einzigartige Chance, eine gewisse Selbständigkeit zu erlangen. Frauen gewinnen daher in der pakistanischen Gewerkschaftsbewegung zunehmend an Bedeutung.

Battagram im Pashtunengebiet

Dr. Noor Bahia, ein Augenarzt in Battagram im Pashtunengebiet im Norden Pakistans, erzählt mir voller Stolz, dass auch seine beiden Brüder studiert haben. Auf meine Frage, wie groß seine Familie gewesen ist, erzählt er nebenbei auch von drei Schwestern, die allerdings nie in die Schule gegangen sind und weder lesen noch schreiben können. Ein typisches Beispiel - die Einschulungsrate in Pakistan beträgt 71 Prozent, für Mädchen aber nur 27 Prozent.

Das Krankenhaus in Battagram: Frauen im Vorhof sitzen zusammengekauert mit dem Gesicht zur Wand, durch die alles verhüllende Burqua an Altkleiderbündel erinnernd. Die augenärztliche Untersuchung ist noch relativ einfach. Mit einer Handbewegung kann der männliche Begleiter den Sehschlitz der Burqua öffnen und die Augen für die Untersuchung frei machen.

Als Projektziel bei der Einrichtung der Augenabteilung wurde vom österreichischen Projektpartner vorgegeben, dass ebenso viele Frauen wie Männer untersucht und behandelt werden müssen. Ein Tag in der Ambulanz zeigt, dass dieses Ziel zumindest einigermaßen erreicht wird. Frauen, die am grauen Star operiert werden, müssen wegen beidseitiger Blindheit allerdings geführt werden, Männer können zum größten Teil das Krankenhaus noch selbständig aufsuchen. Der Grund dafür wird vom pakistanischen Kollegen mit einem Achselzucken abgetan - Frauen werden eben erst dann gebracht, wenn sie nicht mehr arbeiten können.

Szenenwechsel: Moshi, Tansania

Unser Fahrer macht uns auf ein schwarz gekleidetes Mädchen am Straßenrand aufmerksam. Die schwarze Kleidung - als Zeichen für die erfolgte Beschneidung muss sie das Mädchen sechs Monate tragen. Offiziell wurde die Beschneidung in Tansania vor einigen Jahren verboten, daher sieht man schwarz gekleidete Mädchen seltener, die Beschneidung selber ist aber traditioneller Bestandteil im Heranwachsen der Mädchen und Buben in Tansania, besonders in der Gesellschaft der Massai, die einen großen Bevölkerungsteil ausmachen. Ein Vorgang, den uns der Fahrer - während der Fahrt! - prustend in kurzen Handbewegungen vorführt.

Ein Ritual, das für Buben in der Einfachheit der Durchführung sicher auch nicht angenehm ist, für die Mädchen aber in den verschiedenen Formen der genitalen Verstümmelung ein wesentlich größeres Trauma und auch eine lebensbestimmende Misshandlung darstellt.

Auf die Frage, wozu diese Beschneidung gut sei, erklärt der Fahrer, dass sie die Potenz verstärke. Und bei den Mädchen? »Unbeschnittene Frauen werden alle Prostituierte, weil ihnen der Geschlechtsverkehr Spaß macht.«

Beschneidung

Nach UNICEF-Schätzungen müssen sich jedes Jahr 2 Millionen Mädchen zwischen 4 und 8 Jahren der Tortur unterziehen, um später als Gebärmaschinen für die notwendige Kinderzahl zu sorgen, die auch in der traditionellen afrikanischen Gesellschaft die einzig mögliche soziale Absicherung und Altersversorgung für die Eltern darstellt.

Schulische Ausbildung wäre für diese Mädchen und ihre späteren Kinder die große Chance, aus diesem Teufelskreis herauszukommen. Wir wissen, dass die Kinderzahl auch in den Ländern Afrikas und Asiens mit steigender schulischer Bildung und beruflicher Ausbildung der Mütter sinkt.

Rawalpindi, Pakistan

An einem Sonntag fahren wir zu dritt mit 32 Mädchen eines christlichen Waisenhauses zur Sonntagsmesse, gedrängt in einem klapprigen Kleinbus. Ausgelassene Stimmung - für die Mädchen sind wir drei europäischen Besucher eine exotische Sensation. Die 10- bis 16-Jährigen benehmen sich wie Mädchen dieses Alters überall auf der Welt - Gekicher, Gelächter, ein gewisses Kokettieren der älteren.

Die Geschichte eines Mädchens mit einer verkrüppelten rechten Hand: Die Mutter verbrennt sich vor den Augen ihrer sechs Kinder, weil sie ihren gewalttätigen Ehemann nicht mehr erträgt, der Vater hindert die Kinder daran, der Mutter zu helfen. Das Mädchen kommt zu ihrer Großmutter, die selber noch eine Schar eigener Kinder zu versorgen hat. Die Großmutter stirbt, das damals ungefähr 12-jährige Mädchen wird über einen längeren Zeitraum von ihren Onkeln regelmäßig vergewaltig. Eines Tages wird das Mädchen von einem Lastwagen überfahren und vom Fahrer nicht nur liegen gelassen, sondern in den Straßengraben geworfen.

Schwester Kathrin, die Gründerin dieses Waisenhauses, schildert ihre schwierigste Aufgabe bei der Betreuung solcher Kinder - die Mädchen wieder zum Lächeln zu bringen, dann hat sie gewonnen. Erst dann hat sie die Möglichkeit, diese Mädchen für die dem Waisenhaus angeschlossene Schule zu interessieren. Und Bildung bedeutet für diese Kinder, wie überall in der Welt, ihr weiteres Leben selbständiger gestalten zu können. Investition in Bildung bedeutet aber auch für den Staat den kürzesten Weg zur Förderung seiner Wirtschaft und sozialen Wohlfahrt. Eine Einsicht, die sich in einem großen Teil der Welt erst langsam durchsetzt. Beispiel Pakistan: 31 Prozent der Staatsausgaben für Rüstung, 2 Prozent für Gesundheit und 1 Prozent für Bildung. Weltweit gehen über 130 Millionen Kinder im Grundschulalter nicht zum Unterricht.

Das hat aber verschiedene Gründe. In Kalat, einer alten historischen Stadt im Herzen Beluchistans, die nach einem Erdbeben in den 30er-Jahren verwüstet wurde und ihre Bedeutung verloren hat, habe ich Gelegenheit mit einem Projektbeauftragten zu sprechen, der sich um die hohe Ausfallsrate der Grundschüler kümmern soll. In den Jahren 1990-1998 wurden 71 Prozent der Buben und 62 Prozent der Mädchen in die Grundschulen eingeschrieben, die 5. Klasse der Grundschule haben von diesen Kindern aber nur 48 Prozent beendet. Eine Erklärung, die mir der engagierte, aber einigermaßen frustrierte junge Mann gibt, ist die, dass die Schulgebäude in einem derart desolaten Zustand sind und keinerlei hygienische Möglichkeiten wie einfachste Toiletten bieten, dass sich die Eltern weigern, die Kinder zur Schule zu schicken. Seine Aufgabe wäre nun durchzusetzen, dass die Schulgebäude besser ausgestattet werden, dass zum Beispiel auch Mauern um die Schulgelände zum Schutz der Kinder aufgerichtet werden, dafür fehlt aber ganz einfach das Geld.

Schulen

1997 wurde in Thailand ein von der UNICEF-Organisation Save the Children (bei uns: Rettet das Kind) unterstütztes Programm »Kinderfreundliche Schulen« gestartet, das zum Ziel hat, Schulen so zu führen, dass die Kinder und ihre Eltern auch Interesse daran haben, die Grundschulen zu beenden. Ein wichtiges Projekt, das mittlerweile auch auf den Philippinen und in einigen Ländern Afrikas begonnen wurde. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf dem Weg ins Bildungszeitalter, das für einen großen Teil der Weltbevölkerung noch nicht begonnen hat.

Tororo, Uganda

Eine Kleinstadt an der kenianischen Grenze mit 25.000 Einwohnern. Ein öffentliches Spital mit einer chirurgischen Abteilung. Die Patientenräume und der Operationssaal lassen bei mir den kalten Schweiß ausbrechen beim Gedanken an einen Unfall, der mich auf eine Versorgung an diesem Ort angewiesen machen würde.

Ganz anders sieht die kleine Augenklinik aus, die hier von einem bayrischen Optiker und Entwicklungshelfer aufgebaut wurde. Ein 3-jähriges Mädchen mit angeborenem grünen Star, auf einem Auge erblindet, können wir nicht operieren, weil wir keine sichere Narkose machen können. Der Rat an die Mutter, ihr Kind ins Spital von Kampala, der 250 km entfernten Hauptstadt, zu bringen, wird die Familie vor ein Problem stellen - Busse verkehren nur unregelmäßig, Personenverkehr auf dem schlecht ausgebauten Bahnnetz gibt es in Uganda nicht mehr. Die Tyrannei des Idi Amin hat das früher florierende Uganda in den Ruin getrieben. Nicht überall kann dem Kolonialismus die alleinige Schuld am hoffnungslosen Zustand vieler ehemaliger Kolonien gegeben werden, er hat aber, genauso wie häufig überstürzte Dekolonisierung in den 50er- und 60er-Jahren, den Boden bereitet für die weitere Ausbeutung der Menschen durch ihre eigenen Leute, auch wenn sie am Beginn noch so große Hoffnungsträger waren.

Beharrlichkeit der Hoffnung

In Streiflichtern wollte ich Lebensbedingungen zeigen, wie ich sie erleben konnte - keine spektakulären Katastrophen, sondern Geschichten aus dem Alltag von Menschen, die im Süden geboren sind. Menschen, deren Schicksal von Geburt an durch Armut geprägt ist, einer Armut, die nicht nur materielles Elend bedeutet, sondern vor allem Unfreiheit und fehlende Entscheidungsmöglichkeit. Es gibt die weltweite Chancengleichheit nicht - wir im Norden sind reich, nicht nur materiell, sondern auch, weil der größte Teil von uns in unserer modernen, demokratischen Gesellschaft die Entscheidungsfreiheit hat, wie er sein persönliches, individuelles Leben führen will.

Ich möchte abschließend ein Zitat des Schriftstellers Siegfried Lenz abwandeln:

»Was wir brauchen ist Starrsinn, unentmutigter Starrsinn, der angesichts großer Wirkungslosigkeit nicht aufhört, seine Fragen an die Welt zu stellen. Was wir brauchen, ist die Beharrlichkeit einer Hoffnung, die sich durch nichts widerlegt sehen will. Von der etablierten Ungerechtigkeit noch Gerechtigkeit zu verlangen, in Zeiten der Ungleichheit Gleichheit zu fordern, angesichts tätiger Feindseligkeit geduldig zur Menschlichkeit und Brüderlichkeit zu überreden.«

Spendenkonto: PSK 92.011.650

Freiwilliger des Jahres

Ehrung für ehrenamtlichen Einsatz

Dr. Karl Rigal (46) ist Oberarzt an der Augenabteilung am Hanusch-Krankenhaus der Wiener Gebietskrankenkasse. Für sich allein ist das ein sehr zeitaufwendiger Beruf. Dr. Rigal schafft aber neben Beruf und Familie noch mehr. Regelmäßig und mit großer Hingabe unterstützt er die Christoffel-Blindenmission bei ihrer Hilfe für blinde und anders behinderte Menschen in den Armutsgebieten der Erde.


Zweimal pro Jahr macht sich Dr. Rigal auf eine lange Reise zu einem der Hilfsprojekte der Christoffel-Blindenmission. Bereits mehrmals besuchte er Projekte in Pakistan.

Die Probleme in Pakistan sind vielfältig. Durch Vitamin-A-Mangel drohen viele Kinder zu erblinden. Durch Verabreichung einer Vitamin-A-Kapsel können sie für ein halbes Jahr vor der Erblindung geschützt werden. Viele Einwohner Pakistans haben durch grauen Star ihr Augenlicht verloren. Anders als bei uns sind dort auch viele junge Menschen betroffen. Eine Operation, bei der eine künstliche Linse eingesetzt wird, kann diesen Menschen ihr Augenlicht wiedergeben.

Die Kosten, um einen Menschen wieder sehend zu machen, sind gering: Auf nur 350 Schilling belaufen sie sich durchschnittlich für eine Staroperation und auf 10 Schilling für die Verteilung einer Vitamin-A-Kapsel.

Dr. Rigal untersuchte, behandelte und operierte bei seinem Aufenthalt in Pakistan Dutzende Menschen. Er gab seine medizinischen Erfahrungen an die jungen Ärzte in Pakistan weiter, entwickelte Strategien für die nächsten Jahre und bestärkte das medizinische Fachpersonal vor Ort.

Zurück in Wien bespricht er mit der Christoffel-Blindenmission die nächsten Schritte für das Projekt. Welche Maßnahmen müssen als Nächstes getroffen werden, wo mangelt es an medizinischen Geräten, wie viel medizinisches Personal soll künftig im Projekt ausgebildet werden? Für die Christoffel-Blindenmission ist Dr. Rigal ein wertvoller Fachberater, dessen Wissen nicht mit Geld aufzuwiegen wäre.

Ende November wurde Dr. Rigal von Außenministerin Dr. Ferrero-Waldner für seinen Einsatz geehrt. Im würdigen Rahmen wurde er durch die Außenministerin und Heribert Steinbauer, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Entwicklungs-Zusammenarbeit, ausgezeichnet. Dr. Ferrero-Waldner lobte den Einsatz der vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer in Österreich. (CBM/Kafka)

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Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252735 Weltkonferenz gegen Rassismus | Gegen Rassismus, Rassische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz Die Vereinten Nationen haben nach 14 Jahren wieder den Versuch unternommen, eine Weltkonferenz gegen Rassismus auszurichten. Dass das keine einfache Aufgabe sein würde, dessen war sich der Uno-Generalsekretär Kofi Anan im Vorfeld während der Vorbereitungen wohl bewusst, hielt ihn aber dennoch nicht ab, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Teilnehmer aus fast allen Staaten der Erde versammelten sich Ende August, Anfang September dieses Jahres in Durban, an der Ostküste Südafrikas.

Südafrika schien der ideale Ort zu sein, zehn Jahre nach der friedlichen Überwindung eines rassistischen Regimes, sich mit der Thematik Rassismus und Xenophobie kritisch auseinander zu setzen, Wegmarken zu setzen, ein Aktionsprogramm zu verabschieden.

Langsame Mühlen

Wer nun glaubt, dass solche Konferenzen dazu angetan sind, großartige, medienwirksam zu präsentierende Ergebnisse zu produzieren - und bei nicht Vorhandensein ebensolcher von einem Fehlschlag zu sprechen -, ver- steht den Sinn dieser Art Großkonferenzen nicht. In der internationalen Politik mahlen die Mühlen noch langsamer als in der nationalen, jedoch vielleicht gründlicher. Eine Bewusstseinsänderung, in welcher Richtung auch immer, führen diese Art von Veranstaltungen bei den meisten Teilnehmern, und damit auch indirekt in den Staaten selbst, auf jeden Fall herbei.

»Denk-Kulturen«

Die vielleicht schmerzhafteste Erfahrung mussten die Vertreter der westlichen Industriestaaten selbst machen: Wie schwierig es ist, mit Menschen vermeintlich völlig anderer »Denk-Kulturen« schon bei grundsätzlichen Definitionen auf einen grünen Zweig zu kommen.

Schon die Politik der Entsendung der Teilnehmer ist eine völlig andere. Am Beispiel der österreichischen Delegation konnte man die Pluralität westlicher Entsendungspolitik studieren. Neben Berufsdiplomaten, Vertretern aus Ministerien, dem Autor als Vertreter der Stadt Wien waren Politiker der im Parlament vertretenen Parteien delegiert. Sogar die FPÖ entsandte eine neugierig interessierte Vertreterin. Inwieweit hier allerdings Bewusstseinsbildung mit Rückkopplung auf Slogans wie »Stopp dem Asylmissbrauch« etc. stattgefunden hat, entzieht sich dem Blickfeld des Autors - jedoch ein Bericht an den Klubchef Hojac-Westenthaler wird schon als Teilergebnis vorliegen?

Kein Platz im Terminkalender

Wichtiger ist allerdings, wer an der Spitze der Delegation steht, als Signalwirkung der Rangordnung, die dieses Thema auf den Tagesordnungen der jeweiligen Regierungen einnimmt. George Bush entsandte eine niedriggestufte Delegation, und auch die wurde während der Konferenz abgezogen. Die österreichische Außenministerin fand leider keinen Platz in ihrem dichten Terminkalender und entsandte ihren Generalsekretär. Auch gut, die österreichische Delegation war ohnehin indirekt in die der europäischen Union eingebettet, und die war sehr hochkarätig durch Louis Michel vertreten.

Einen Vertreter dieses Kalibers brauchte es auch, um die Klippen, die sich schon im Vorfeld auftürmten, zu umschiffen.

Wie umschifft wird, das findet in den unzähligen bilateralen Gesprächen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander, dem Ringen und Feilen an Formulierungen, dem Konsens, was denn überhaupt auf die Tagesordnung zu setzen sei, statt. Dabei findet eine unglaubliche Vernetzung gleichgesinnter Vertreter, ein Diskussions- und Meinungsaustausch der Teilnehmer grundsätzlich statt.

Was waren die »Knackpunkte«?

Die Konferenz war überschattet von der Diskussion über die Lage der Palästinenser in den besetzten Gebieten und der Frage »Reparationszahlungen ehemaliger Kolonialstaaten«, die Sklavenhandel betrieben. Dadurch bildeten sich relativ rasch zwei Blöcke, einer der Industriestaaten und ein »arabischer Block«, der von zahlreichen Entwicklungsländern unterstützt wurde.

Hauptaugenmerk der arabischen Delegationen war es, die von den Vereinten Nationen mittlerweile zurückgenommene Resolution, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzt, wieder zu implementieren und Israel unisono in allen Reden des Völkermordes und Rassismus zu beschuldigen.

Da kein Minimalkonsens in dieser Frage hergestellt werden konnte, haben die Vertreter Israels und der USA die Konferenz vorzeitig verlassen.

Hitler und Bin Laden

Verstärkend wirkten leider begleitende Demonstrationen vor Ort, in denen von den Teilnehmern Hitlerbilder getragen und »Every Jew a bullet« skandiert wurde. Eine Distanzierung von Seiten der arabischen Staaten respektive Vertretern der PLO ist nicht erfolgt. Als auf der Konferenz Flugblätter mit dem Konterfei Adolf Hitlers mit dem Untertext: »Was wäre, wenn ich nicht den Krieg verloren hätte« auftauchten bzw. muslimische Führer in den Medien Interviews gaben, in denen sie sich der Unterstützung Osama Bin Ladens rühmten (Sunday Times, Kapstadt, 9. Sept. 2001), drohte die Konferenz vollständig zu scheitern. Ebenso konnte bis zuletzt keine Einigung in der Frage »Entschädigung für Sklaverei« erzielt werden.

Zionismus und Genozid?

Dem hartnäckigen Eintreten der südafrikanischen Außenministerin Zuma und Louis Michel war es zu verdanken, dass nach einem Tag Verlängerung der Konferenz ein Minimalkonsens hergestellt werden konnte.

Der Zionismus- und Genozid-(Völkermord-)Vorwurf gegenüber Israel und die Forderung zur Entschädigung von Sklaverei wurden aus der Abschlusserklärung genommen, die Selbstbestimmung des palästinensischen Volkes festgeschrieben.

Die Mitglieder der österreichischen Delegation wechselten sich in den verschiedenen Arbeitsgruppen, in den implementierten Unterarbeitsgruppen ab, um im Sinne einer Vorverständigung mit den Staaten der Europäischen Union einerseits an den inhaltlichen Vorgaben der »Drafting Commitees«, das die Abschlusserklärung vorbereitete, und dem sensiblen Bereich der Formulierung mitzuarbeiten.

Die Wiener Integrationsstadträtin Renate Brauner

Der Sprecher der österreichischen Delegation, in Vertretung der Frau Außenministerin Generalsekretär Rohan, wies in seiner Rede besonders auf die Anstrengungen der Regierung in Bezug auf Rassismus hin, wobei er besonders die Seminare und Workshops hervorhob, die Österreich mit Exekutivbeamten zum Thema Xenophobie und Rassismus durchführt.

Vielleicht, da er vergaß, sollte man noch hinzufügen, dass diese Antirassismusarbeit in Österreich nicht neu ist, sondern von der Volkshilfe Österreich auf Initiative der Wiener Integrationsstadträtin Renate Brauner seit Jahren mit Erfolg und großem Interesse von Seiten vieler Beamter stattfindet. Im Magistrat Wien ist dies sogar bis in die Führungskräfteausbildung fix in der Ausbildung implementiert. Auch in Seminaren Personalentwicklung des ÖGB wird diesem Thema ein wichtiger Platz eingeräumt. Daher auch meine Teilnahme an der Konferenz.

Resümee

Als Resümee kann man folgende Schlüsse ziehen: Der andere Blick und differenzierte Umgang mit dieser sensiblen Problematik in anderen Ländern und Kulturen führte zu einem Meinungsbildungsprozess auf beiden Seiten. Informationen über den Stand der Antirassismusarbeit wurden ausgetauscht, weitere Zusammenarbeit eingefädelt. Und: Man kann auch mit Menschen völlig anderer Weltanschauung, wenn auch nach schwerer Arbeit, einen Konsens und eine gleiche Sprache finden. Denn: Die Menschen sind doch nicht so verschieden, wie uns manche glauben machen wollen.

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H. J. Tempelmayr http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252731 Rote Karte für Rassisten | Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus im Fußball Affenartiges Verhalten auf den Zuschauertribünen treibt so manchem Fußballfreund die Schamesröte ins Gesicht. »Die unnötigen Urwaldgeräusche, wenn dunkelhäutige Spieler am Ball sind, stören mich nicht nur, sie gehen mir unter die Haut. Ich geniere mich dann fast, ein Österreicher zu sein«, sagt der FC-Tirol-Kicker Oliver Prudlo.

»Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel.«

Spitzensportler sind »Heroes«, ihre Vorbildwirkung kann nicht nur für Verkaufssteigerungen in der Warenwelt genutzt werden. Das wissen auch die Initiatoren der Fußballkampagne »Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel«, die 1997 mit Unterstützung der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Jahres gegen Rassismus gestartet wurde. Ziel dieses ersten österreichweiten interkulturellen Projekts im Bereich des Sports ist es, so die Trägerorganisation Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC), »die Popularität und die integrative Kraft des Fußballs zu nützen, um Rassismus und Diskriminierungen mittels proaktiver Methoden auf allen Ebenen des Sports und der Gesellschaft zu bekämpfen.«

1999 hatte Fair Play in Wien die Gründung des ersten europäischen antirassistischen Fußballnetzwerks »Football Against Racism in Europe« (FARE) initiiert. Mehr als 40 Organisationen (Antirassismus-Initiativen, Fanprojekte, Fanklubs, Spielergewerkschaften und nationale Fußballverbände) aus 14 europäischen Ländern waren an der Gründung beteiligt. Mit dem Preisgeld des Charity Award 2001, der dem Netzwerk heuer vom Fußballverband UEFA verliehen wurde, soll - unter anderem - die »Vernetzung« mit einschlägigen Initiativen in Osteuropa verstärkt werden.

Sozial verträgliche Fußbälle

Am breitenwirksamsten sind die Stadionaktionen von Fair Play: Heuer hat sich der SV Ried - nach FC Tirol, Rapid und Austria Wien als vierte max.Bundesliga-Mannschaft - aktiv gegen Rassismus und für Integration im eigenen Stadion eingesetzt. Beim Heimspiel gegen SW Bregenz am 29. September, unter dem Motto »SV Ried zeigt dem Rassismus die Rote Karte«, präsentierten die Spieler Fair-Play-Transparente und kickten »sozial verträgliche« Fußbälle in die Tribünen. (Die Fußbälle aus fairem Handel, die ohne Kinderarbeit in Pakistan hergestellt werden, sind in den rund 70 österreichischen Weltläden erhältlich. Der Mehrpreis von einem US-Dollar wird für die Verbesserung der Löhne und der Arbeitsbedingungen verwendet.)

Bei der Stadionaktion mit dabei: die Fanclubs Supras Ried, SV Ried, Puch Dogs und Schwarz Grün, die schon zu Saisonbeginn nach rassistischen Beschimpfungen gegen den zimbabwischen Spieler Norman Mapeza aktiv geworden waren.

Fair pay - Fair Play

Fußbälle aus fairem Handel

Rund 80 Prozent der Weltproduktion an Fußbällen kommt aus Sialkot in Pakistan.

Fußbälle sind im Wesentlichen ein industriell gefertigtes Produkt, zusammengenäht wird es aber in zeitaufwändiger Handarbeit. Dieser Bestandteil des Fertigungsprozesses wird an Subunternehmen in Billiglohnländer weitergegeben.

In jüngster Zeit hat sich die internationale Kritik an den Arbeitsbedingungen im Fußball verschärft. Vor allem Adidas, Reebok und Nike gerieten unter Beschuss, denn auch Kinder arbeiten mit, wenn in Sialkot Fußbälle hergestellt werden. Rund 7000 Kinder sind derzeit in den lokalen Nähwerkstätten beschäftigt.

Die österreichische EZA Dritte Welt GesmbH importiert fair gehandelte Fußbälle aus Pakistan. Die Arbeitskräfte erhalten höhere Löhne und Sozialleistungen. Finanziert werden diese durch den Mehrpreis von einem US-Dollar, den die EZA Dritte Welt pro Ball bezahlt. Erhältlich sind die fair gehandelten »Laberln« in den 70 österreichischen »Weltläden« oder im Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit VIDC: Weyrgasse 5, 1030 Wien, Tel.: (01) 713 35 94 Dw. 93.

Popkulturelle Bedeutung

Für Michael Fanizadeh, Politologe und Fair-Play-Mitarbeiter geht es darum, den Fußball in die Verantwortung zu nehmen. Schon »aufgrund der popkulturellen Bedeutung des Fußballs und der Vorbildwirkung der Spieler. Vorrangig geht es in Österreich leider immer noch darum, dass das Problem Rassismus im Fußball als solches anerkannt wird. Von vielen Verantwortlichen ist immer wieder zu hören, dass es keinen Rassismus im österreichischen Fußball gibt«.

Willy Mernyi, Referatsleiter für Kampagnen, Projekte und Zielgruppen im ÖGB, würde sich wünschen, »dass im Fall rassistischer Laute die Vereine und die Spieler gemeinsam mit den Fans reden. Es sollten nicht nur Plakate aufgepickt werden. Das Thema ›Rassismus‹ müsste Eingang in einen kontinuierlichen Dialog mit den Fanclubs finden, um das Bewusstsein nachhaltig zu ändern«.

Jahrelange Bewusstseinsbildung

Schalke-04-Fan Mernyi verweist auf die jahrelange Arbeit der Bewusstseinsbildung bei »seinem« deutschen Verein und dessen Anhängern. Mittlerweile gibt es bei Schalke 04 eine verlässliche Fanbasis, die sich auf dumme Sprüche im Stadion reaktionsschnelle Reime macht: Kein dumpfes »Zickzack Zigeunerpack« aus den Zuschauerrängen findet so noch unkommentierten Eingang in die mediale Direktübertragung. (Die Antwort in diesem Fall: »Nazipack«.)

Die Kampagne Fair Play ist für Willy Mernyi immerhin ein Schritt, das Thema Rassismus auf dem Spielfeld ins österreichische Bewusstsein zu bringen, der »durchaus Erfolge zeigt«.

Auch Rudolf Novotny, Geschäftsführer des Vereins der Fußballer (VdF) und Vertreter der Spieler bei der Gewerkschaft KMSfB (Kunst, Medien, Sport, freie Berufe), schätzt die »wesentliche Integrationsfunktion des Sportes. Da sind die Aktivitäten von Fair Play sehr positiv und finden generell beim Publikum Verständnis. Sicher gibt es immer wieder einige, die nichts kapieren«.

»Quotenregelung« von Legionären?

Nicht auf einer Linie liegt der Gewerkschafter mit den »Fair Playern« bei der »Quotenregelung« von Legionären im Fußball-Spitzensport. Die Gewerkschaft ist mit dem im Sommer vereinbarten Konsens, so sollen mindestens neun Österreicher auf dem Spielbericht stehen, grundsätzlich zufrieden, zumal gleichzeitig ein - zumindest verbales - Bekenntnis zur Förderung des Nachwuchses abgelegt wurde.

Rudolf Novotny: »Man muss schauen, dass Berufssportler so weit integriert werden, dass sie ihren Job auch ausüben können. Ein Zuviel an Ausländern würde dem Sport nicht gut tun und zu einer ›Hire-and-fire‹-Politik führen.« Die so genannte 9:9-Regelung - eine freiwillige Vereinbarung - sieht jeweils neun In- und Ausländer pro Klub und Match vor. Für den Gewerkschafter Novotny ist diese Vereinbarung generell ein »Kompromiss zwischen wirtschaftlichem Bestand, Qualitätskriterien und unterschiedlichsten Interessenlagen. Schließlich lebt auch der Fußball in gewisser Weise von der Identifizierung der Fans. Wenn der Spielerwechsel zu rasch geht, dann klappt es auch ökonomisch nicht«.

Fair-Play-Mitarbeiter Michael Fanizadeh hält nichts von einer Reglementierung von Österreichern und Ausländern im Profifußball. Zumal in Österreich, als einzigem Land in der Europäischen Union, Spieler aus der EU bei dieser Quotenberechnung als Ausländer gelten.

Inländer: Ausländer

»Dass wir EU-Spieler beschränken, ist sicher nicht in Ordnung«, meint auch Rudolf Novotny. »Allerdings hat der heimische Fußball nicht genug Geld, um die erforderliche Qualität zu kaufen. Da muss man sehr vorsichtig sein. Man musste sich nur die Reaktion des Publikums anhören, als die Wiener Austria mit acht Ausländern gegen den FC Tirol - mit einem ausländischen Spieler - verloren hat.«

Kann der Gewerkschafter einer Reglementierung im Profibereich im Sinne des Arbeitnehmerschutzes einiges abgewinnen, so steht er der Einschränkung im Amateurbereich verständnislos gegenüber. Laut ÖFB-Regelung dürfen (ab 16 Jahren) nur zwei Ausländer pro Team spielen. »Das ist absolut nicht richtig. Dazu ist der Sport in seiner Integrationsfunktion zu wichtig«, ist Novotny überzeugt. »Was ist zum Beispiel, wenn in einem Dorf vier Nichteuropäer wohnen, die im lokalen Verein spielen wollen. Welche zwei kommen dann zum Zug?«

Spieler: Profit

Der (Profi-)Fußball ist nicht nur ein kapitalistisches Unternehmen, das Spieler nach den Kriterien des Profits ankauft. Er hat »in seiner massenmedialen Inszenierung und kulturellen Durchdringung des Alltags auch eine besondere Bedeutung bei der Etablierung von Diskursen und Images« (Michael Fanizadeh). Da gibt es Schönes, wie den Fanclub »Friedhofstribüne« (benannt nach der Stehplatztribüne auf dem Sportclubplatz, mit Blick auf den Dornbacher Friedhof), der mit seinen Aktivitäten nicht nur zum Überleben des Wiener Sportclubs beiträgt. Seit der Gründung Anfang der 90er Jahre stehen die »Freunde der Friedhofstribüne« für Fußball in »einer feierlich-familiären Atmosphäre, in der für Gewalt und Fremdenhass kein Platz ist«.

International wurde auch der Weltfußballverband FIFA aktiv gegen Diskriminierungen auf dem Fußballplatz. Heuer etwa organisierte er anlässlich der Weltmeisterschaft in Argentinien eine Konferenz gegen Rassismus. Anfang Juli waren alle 204 FIFA-Verbände geladen, um Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit im Fußball zu beschließen. Auch die UEFA reagierte auf rassistische Bekundungen in europäischen Stadien. (Traurige Berühmtheit erlangte Lazio Rom in der Champions League, als ihre »Fans« schwarze Spieler mit Schmährufen bedachten.) In Betracht gezogen wird nun die Möglichkeit, dass bei einschlägigen Vergehen die Zuschauer ausgeschlossen werden können.

Spiegelbild der Gesellschaft

In Deutschland rücken neonazistische Tendenzen im Fußball immer wieder ins Rampenlicht. Mit einer Ausstellung »Tatort Stadion« hat nun das bundesweite »Fan-Netzwerk Bündnis Aktiver Fußballfans e. V.« (Baff) in Zusammenarbeit mit dem Fan-Netzwerk FARE einen Überblick über rassistische und diskriminierende Vorfälle in deutschen Stadien seit den 80er Jahren geschaffen.

Österreich war in die Schlagzeilen gelangt, als Sturm-Präsident Hannes Kartnig die Niederlage gegen Manchester United mit »Wir haben ja nicht gegen irgendeine Negermannschaft gespielt« kommentierte.

Bella B. Bitugu, Schiedsrichter in Tirol aus Ghana, kennt die Schmähungen aus langer Erfahrung. Kommentare wie »Kannst du nicht laufen?«, »Hast du nicht gelernt, mit Tigern zu laufen?«. Aber auch »Wohlwollendes«, wie »Du bist ein netter Neger«, schmerzt. Bitugu: »Ich komme schon manchmal nach Hause und frage mich, warum ich mir das antue. Aber man darf nicht aufgeben und sollte zeigen, dass Rassismus in keiner Gesellschaft dieser Welt einen Platz hat. Was auf dem Fußballplatz passiert, ist das Spiegelbild der Gesellschaft.«

Service für faire Fans

Die Fair-Play-Servicestelle im Wiener Institut für Entwicklung und Zusammenarbeit (VIDC) bietet Interessenten ein umfassendes Angebot:

Etwa Informationen über die Kampagne »Football against Rassism in Europe« (FARE), in Deutsch und Englisch, das FairPlay-Magazin, »faire« T-Shirts und Fußbälle. Organisiert werden auch Video- und Diskussionsworkshops für Schulen und Jugendzentren oder interkulturelle Workshops für Schiedsrichter.

VIDC:

Weyrgasse 5, 1030 Wien, Tel.: (01) 713 35 94 Dw. 93 E-Mail: fairplay@vidc.org Internetverbindung: www.vidc.org/fairplay

Der Internet-Link zur Kampagne »Football against Rassism in Europe« FARE: www.farenet.org

Bei beiden Internetadressen gibt es weiterführende interessante Links.

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Gabriele Müller (Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252670 Abfertigungsreform | Neue Abfertigung wird für alle Arbeitnehmer erreichbar sein Der 22. Oktober war ein wichtiger Tag für die Arbeitnehmer und Österreichs Sozialpartnerschaft. Nach langen, schwierigen Verhandlungen einigten sich die Sozialpartner auf einen neuen Kollektivvertrag für die mehr als 150.000 Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie mit ausgezeichnetem Ergebnis für die Arbeitnehmer.

Das Abfertigungsrecht muss modernisiert werden

Praktisch zum gleichen Zeitpunkt gelang den Präsidenten der Sozialpartner die Einigung über die »Eckpunkte einer Neuordnung des österreichischen Abfertigungsrechts«. Diese Einigung ist zweifellos einer der ganz wichtigen Meilensteine in der Entwicklung der österreichischen Sozialpolitik. Denn ÖGB und AK haben seit langem eine umfassende Reform der Abfertigung gefordert. Das Abfertigungsrecht muss modernisiert und an die neuen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt angepasst werden.

Schwachstellen im bestehenden Abfertigungsrecht

Mehr und mehr Arbeitnehmer gehen beim geltenden Abfertigungsrecht leer aus

Ein Anspruch auf Abfertigung entsteht erst nach drei Jahren durchgängiger Beschäftigung bei einem Arbeitgeber. Diese gesetzliche Voraussetzung für den Anspruch auf Abfertigung führt bekanntermaßen zunächst dazu, dass 100.000 Arbeitnehmer z. B. im Gastgewerbe oder im Handel aufgrund von kurzen Arbeitsverhältnissen niemals zu einer Abfertigung kommen. Die Arbeitswelt ändert sich darüber hinaus sehr rasch. Der österreichische Arbeitsmarkt ist dabei viel beweglicher als manchmal in politischen Diskussionen argumentiert wird. Die Zahl der Arbeitsplatzwechsel steigt, Langzeitbeschäftigungen bei einem Arbeitgeber werden seltener.

Von etwa 900.000 Beendigungen von Arbeitsverhältnissen pro Jahr entfallen nur etwa 250.000 auf Arbeitsverhältnisse, die drei Jahre oder länger gedauert haben. Etwa 160.000 Arbeitnehmer erwerben im Jahr einen Anspruch auf Abfertigung. Diese steigende, vielfach unfreiwillige Mobilität führt dazu, dass die Einstiegshürde für die Abfertigung das Entstehen eines Anspruches immer öfter verhindert. Entgeltansprüche, die nur bei länger durchgehender Beschäftigung bei einem Arbeitgeber zur Auszahlung gelangen, sind in diesem Umfeld für viele unerreichbar. Immer mehr Arbeitnehmer gehen beim geltenden Abfertigungsrecht leer aus, eine Tendenz, die sich in Zukunft noch weiter verstärkt hätte.

Bei Selbstkündigung gehen erworbene Abfertigungsanwartschaften verloren

Nach geltendem Abfertigungsrecht gehen Abfertigungsansprüche bei Kündigung durch den Arbeitnehmer (die Arbeitnehmerin) bekanntermaßen verloren. Diese Bestimmung hat dazu geführt, dass Arbeitnehmer oft Hunderttausende Schilling bei Lösung des Arbeitsverhältnisses verloren haben. Der Wegfall erworbener Anwartschaften bei Selbstkündigung ist heute unvereinbar mit den erhöhten Mobilitätsanforderungen an die Arbeitnehmer. Es kann auch nicht akzeptiert werden, dass von Arbeitnehmern in immer stärkerem Ausmaß Mobilität eingefordert wird, mobil sein gleichzeitig aber durch den Verlust der Abfertigung massiv bestraft wird. Dazu kommt: Die Abfertigung ist (aufgeschobenes) Entgelt für erbrachte Arbeit. Bereits verdientes Entgelt kann aber nicht nachträglich wieder verloren gehen.

Sprunghaftes Ansteigen der Abfertigungsansprüche führt zu »rechtzeitigem Kündigen« durch Arbeitgeber

Die Höhe der Abfertigung steigt nach geltendem Recht nicht geradlinig, sondern zu bestimmten Stichtagen. Dieses sprunghafte Ansteigen des Abfertigungsanspruches (3, 5, 10, 15, 20 oder 25 Arbeitsjahre bei einem Arbeitgeber) ist sachlich nicht zu begründen und wird von Arbeitgebern nicht selten dazu genützt, Arbeitsverhältnisse knapp vor Erreichen solcher Stichtage zu kündigen.

Unfairer Wettbewerb zu Lasten der Arbeitnehmer

Last, but not least war es eine Konsequenz des geltenden Abfertigungsrechtes. Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer in relativ kurzen Zeitabständen austauschen, verschaffen sich in unfairer Weise Kostenvorteile. Diese Art des Kostendumpings geht voll zu Lasten der Arbeitnehmer.

Die ÖGB-Forderungen zum Abfertigungsrecht

ÖGB und AK gingen bei ihren Forderungen genau von diesen wesentlichen Schwachstellen im geltenden Abfertigungsrecht aus:

1. Abfertigung für alle Arbeitnehmer
2. Kein Eingriff in bestehende Ansprüche
3. Abfertigung auch bei Selbstkündigung
4. Geradliniges Anwachsen der Abfertigung
5. Keine Vermengung von Abfertigung und Betriebspension
6. Auslagerung der Abfertigung in Abfertigungskassen
7. Hohe Sicherheitsstandards für die Kassen

Nach mehrwöchigen Verhandlungen konnte nunmehr Einigung mit der Wirtschaftskammer über folgende Eckpunkte einer Neuordnung der Abfertigung erzielt werden:

Abfertigungsansprüche in bestehenden Arbeitsverhältnissen bleiben unberührt

Erster Eckpunkt der Neuordnung ist, dass Abfertigungsansprüche in bestehenden Arbeitsverhältnissen grundsätzlich unverändert bleiben. Für bestehende Arbeitsverhältnisse gilt also das alte Abfertigungsrecht grundsätzlich weiter1). Das neue Abfertigungsrecht wird also nur für Arbeitsverhältnisse gelten, die ab dem gesetzlichen In-Kraft-Treten des neuen Rechtes (wahrscheinlich 1. 7. 2002) begründet werden. Allerdings werden Übertragungsmöglichkeiten vom alten in das neue Recht eröffnet werden. Diese Regelungen werden im Rahmen des Gesetzwerdungsprozesses allerdings erst ausgearbeitet. Ein Übertritt vom alten in das neue Recht wird nur bei Zustimmung der einzelnen Arbeitgeber und der betroffenen Arbeitnehmer (Einzelvertrag!) möglich sein. Rahmenregelungen dazu können in Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung erfolgen. Die für die Baubranche geltende Sonderregelung in der Bauarbeiter-Urlaubs- und -Abfertigungskasse bleibt (für alte und neue Arbeitsverhältnisse) aufrecht. Auch hier wird allerdings über eine Branchenvereinbarung eine Möglichkeit eröffnet, die einen Übergang auf das neue System der Abfertigung ermöglicht.

Neue Abfertigung wird für alle Arbeitnehmer erreichbar sein

Für die Zukunft (für alle Arbeitsverhältnisse, die ab In-Kraft-Treten des neuen Rechts begründet werden) gilt ein ganz neues Recht, das in Wirklichkeit mit dem alten Abfertigungsrecht nicht verglichen werden kann.

Für neue Arbeitsverhältnisse wird ein neues Abfertigungsrecht mit laufenden Beitragszahlungen der Arbeitgeber an Abfertigungskassen gelten. Die Abfertigung wird damit aus dem Unternehmen ausgelagert. Die Arbeitgeber haben dabei laufend Beiträge (Bemessung von Entgelt des Arbeitnehmers) an die Abfertigungskassen zu leisten. Der Beitragssatz wurde mit 1,5387 Prozent festgesetzt. Die Beitragszahlungen erfolgen ab Beginn bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Es gibt also keine einjährige Wartezeit, keinen Stopp der Beitragszahlung mit Alter »45« oder bei 25 Einzahlungsjahren, wie noch im Regierungsvorschlag für eine »Abfertigung Neu« enthalten2).

Das neue Modell gewährleistet damit, dass künftig alle Arbeitsverhältnisse in das neue Abfertigungsrecht einbezogen sein werden und im Laufe ihres Erwerbslebens eine Abfertigung erhalten. Der bisher gegebene Ausschluss von Saisonbeschäftigten bzw. von allen Arbeitsverhältnissen mit einer Gesamtdauer von nicht mehr als drei Jahren findet damit ein Ende. Der im Regierungsabkommen vorgesehene erneute Ausschluss von Hunderttausenden Kurzzeitbeschäftigungen konnte also verhindert werden3).

Tendenzen, dass immer weniger Arbeitnehmer eine Abfertigung bekommen, ist damit ein Riegel vorgeschoben. Alle Arbeitnehmer werden in Zukunft die Möglichkeit haben, eine Abfertigung anzusparen. Für das Entstehen eines Anspruches (nach zumindest drei Einzahlungsjahren) werden Beschäftigungs- bzw. Beitragszeiten auch bei verschiedenen Arbeitgebern zusammengezählt. Grundsätzlich: Alle Beschäftigungszeiten bis zum Übergang in die Pension werden berücksichtigt4).

Zum neuen Abfertigungsanspruch

Die neuen Beitragszahlungen der Arbeitgeber gehen auf individuelle Abfertigungskonten bei einzurichtenden Abfertigungskassen. Die Höhe der Abfertigung wird sich dabei aus der Summe der eingezahlten Beiträge plus den Veranlagungs-(Kapital-)Erträgen der Kassen bestimmen. Dabei ist es schwierig, Aussagen über die künftigen Abfertigungshöhen zu machen. Die sind, wie gesagt, abhängig vom Veranlagungsertrag in den Kassen. Die ganze Konstruktion erfolgt ähnlich wie bei Sparbüchern. Aufgrund der Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten wird es allerdings nicht unrealistisch sein, langfristig eine Kapitalrendite von um die sechs Prozent anzunehmen. Konkrete Abfertigungshöhen zeigt dabei das Beispiel »Abfertigung Neu« (siehe Tabelle »Abfertigung Neu«).

Das Beispiel zeigt, dass das neue Abfertigungsrecht den Gegenwert von 12 Monatsentgelten (Höchstanspruch im geltenden Recht) nicht wie bisher nach 25 Jahren, sondern erst nach rund 37 Jahren erreichen lässt. Längere Beschäftigungszeiten (z. B. 45 Arbeitsjahre) lassen dann allerdings auch bedeutend höhere Abfertigungsansprüche zu.

In diesem Zusammenhang: Es gibt niemanden in den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer, der sich nicht einen höheren Beitragssatz der Arbeitgeber gewünscht hätte. Hier allerdings ging es um die Gesamtabwägung zu unserem Hauptanliegen, die Abfertigung für alle Arbeitnehmer zu erreichen und den Schritt in die Abfertigungsreform zu tun.

Die Vorteile des neuen Abfertigungsrechts durch die Zusammenrechnung bei verschiedenen Arbeitgebern zurückgelegter Arbeitszeiten zeigt folgendes Beispiel (siehe nebenstehende Grafik).

Weitere erreichte Pluspunkte des neuen Abfertigungsanspruches sind darüber hinaus:

Lehrzeiten werden künftig ohne Einschränkung abfertigungswirksam werden. Zeiten eines aufrechten Arbeitsverhältnisses ohne Entgeltanspruch (Elternkarenz, Bundesheer, Zivildienst, Krankenstandszeiten) sind nach dem Sozialpartnermodell ebenfalls abfertigungswirksam. Die Beitragszahlung erfolgt durch die zuständigen Budgets. Für berufstätige Frauen, die wegen Kindererziehung ihr Arbeitsverhältnis unterbrechen, wird darüber hinaus eine Anrechnung und Bewertung derartiger Zeiten ermöglicht. Die Finanzierung erfolgt aus dem Familienlastenausgleich. Für Frauen ergeben sich dadurch Besserstellungen gegenüber dem geltenden Recht.

Letztlich: Die kontinuierliche Beitragszahlung von Beginn bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses bewirkt, dass die Abfertigung im neuen Recht geradlinig und nicht mehr wie bisher sprunghaft zu bestimmten Stichtagen ansteigt.

Erworbene Abfertigungsansprüche gehen bei Selbstkündigung nicht mehr verloren

Die angesparte Abfertigung bleibt im neuen Recht bei jeder Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten, womit der zweiten großen Forderung der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer Rechnung getragen wurde. Der bisher gegebene Verlust bereits erworbener Anwartschaften bei Selbstkündigung findet damit ein Ende. Einen sofortigen Auszahlungsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt es bei Arbeitgeberkündigung, einvernehmlicher Lösung, unverschuldeter Entlassung und berechtigtem vorzeitigem Austritt. Bei Selbstkündigung, verschuldeter Entlassung und unberechtigtem vorzeitigem Austritt geht die Abfertigung nicht mehr verloren, es gibt aber keinen Auszahlungsanspruch, sondern die angesparte Abfertigung bleibt auf dem Konto der Abfertigungskasse stehen (Rucksackprinzip).

Bei Tod des Arbeitnehmers erfolgt die Auszahlung des angesparten Geldes an die Erben. Wechselt der Arbeitnehmer zu einem anderen Arbeitgeber und hat er die Abfertigung bei Beendigung des alten Arbeitsverhältnisses nicht in Anspruch genommen - neben der Inanspruchnahme der Abfertigung gibt es immer auch die Möglichkeit des Belassens des Geldes in der Kasse -, so hat er auch die Möglichkeit, das angesparte Geld an die Abfertigungskasse des neuen Arbeitgebers übertragen zu lassen.

Bei Pensionsantritt kann das noch vorhandene Abfertigungskapital als Einmalzahlung oder in Rentenform bezogen werden.

Besteuerung der Abfertigung mit 6 Prozent aufrecht

Bei jeder Verwendungsart bleibt die Besteuerung der Abfertigung mit sechs Prozent aufrecht. Die Veranlagungserträge in der Abfertigungskasse unterliegen nicht der Kapitalertragsteuer.

Mitbestimmung und hohe Sicherheitsstandards in den Kassen

Mitbestimmung und hohe Sicherheitsstandards in den Abfertigungskassen waren im Interesse der Arbeitnehmer ein wichtiger Punkt der Abfertigungsverhandlungen. Die Abfertigungskassen, die insbesondere im Banken- und Versicherungsbereich angesiedelt sein werden, werden im Zusammenwirken von Arbeitgeber und Betriebsrat ausgewählt. Branchenkassen sind über den Weg von Kollektivverträgen möglich. In Unternehmen, in denen kein Betriebsrat eingerichtet ist, tritt dem Arbeitgeber anstelle der betrieblichen die Gewerkschaft als Partner gegenüber. Abfertigungskassen dürfen künftig nur betrieben werden, wenn sie den Sicherheitsbestimmungen eines eigenen »Abfertigungskassen-Gesetzes«, das am Pensionskassengesetz orientiert ist, entsprechen. Einzelne Punkte sind hier:

  • Hohe Sicherheitsstandards im Hinblick auf die veranlagten Gelder
  • Genau definierte Veranlagungsvorschriften; keine Spekulationsveranlagungen
  • Transparenzgebot zu den getroffenen Veranlagungen
  • Strenge Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung der Kassen
  • Betreiber einer Abfertigungskasse kann sein, wer die gesetzlichen Vorgaben für den Betrieb einer »Abfertigungskasse« erfüllt (Pensionskassen wird die Möglichkeit eröffnet, einen eigenen Geschäftszweig »Abfertigung« einzurichten)
  • Mitwirkung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen an der Veranlagung und Verwaltung der eingezahlten Beiträge, so wie dies auch im Pensionskassengesetz der Fall ist
  • Zumindest einmal pro Jahr kostenlose Kontonachricht an die Arbeitnehmer durch die Abfertigungskasse
  • Die Beitragseinhebung und Weiterleitung an die Abfertigungskassen wird durch die Krankenkassen erfolgen, wodurch Rechtssicherheit gewährleistet ist.

Abfertigung bleibt Abfertigung - keine Umwandlung in »Abfertigungspension«

Gerade die intensive Diskussion um die Neuordnung der Abfertigung in den letzten Monaten hat sozialpolitisch äußerst sensible unterschiedliche Sichtweisen der Abfertigung gezeigt. Nicht nur, dass das im Regierungsprogramm vom Februar 2000 in Aussicht gestellte Abfertigungsmodell weiterhin Hunderttausende Arbeitnehmer auch in Zukunft von der Abfertigung ausgeschlossen hätte, war auch die Abschaffung der Abfertigung mittels Umwandlung in Betriebspensionen vorgesehen. So wurden im Regierungsübereinkommen die künftig von den Arbeitgebern zu zahlenden Beiträge ausdrücklich als »Beiträge zur Pensionssicherung« bezeichnet. Die Reform sollte nach dem Regierungsmodell »einen wesentlichen Akzent zum Ausbau der betrieblich finanzierten Zusatzpensionen leisten«. Auch aus Arbeitgebersicht sollte durch die »Abfertigung neu« eine »Zusätzliche Pensionsvorsorge« bewirkt werden.

Dagegen haben ÖGB und AK immer dargelegt, dass Abfertigung auch Abfertigung bleiben und auch in Zukunft bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugänglich sein muss. Denn einerseits wird nach den Zielsetzungen des Regierungsübereinkommens im Endergebnis die Abfertigung abgeschafft. An ihre Stelle tritt eine aus den ehemaligen Abfertigungsansprüchen der Arbeitnehmer finanzierte »Betriebspension« - ohne Arbeitgeberanteil. Dazu kommt, dass die Umwandlung der Abfertigung in eine Betriebspension aller Voraussicht nach als Vorwand für eine weitere Senkung des Leistungsniveaus der ASVG-Pensionen herhalten müsste. Im Ergebnis stünde dann bestenfalls so viel Pension wie heute zu, gleichzeitig wäre aber die Abfertigung weg. Andererseits gewinnt die Funktion als Überbrückungshilfe aufgrund der zunehmenden Instabilität von Arbeitsverhältnissen und der Zunahme von Erwerbsunterbrechungen (Bildungskarenz usw.) an Bedeutung.

Deshalb ist es besonders wichtig, dass mit den Arbeitgebern letztlich Einvernehmen darüber erzielt werden konnte, dass auch in Zukunft der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer die ausschließliche Entscheidungsmöglichkeit über die Verwendung seiner Abfertigung hat. Was er damit tut, ist seine alleinige Sache. Der gesetzlich gesicherte Anspruch auf Auszahlung der angesparten Abfertigung bei Arbeitgeberkündigung, einvernehmlicher Lösung, unverschuldeter Entlassung und berechtigtem vorzeitigem Austritt stellt sicher, dass kein Zwang zur Inanspruchnahme der Abfertigung erst in der Pension entsteht (keine Umwandlung der Abfertigung in eine Zwangspension).

Resümee

Die Einigung der Sozialpartner über die Eckpunkte eines neuen Abfertigungsrechts sind noch kein Gesetz. Die Gespräche der Sozialpartner mit den beteiligten Ministerien zur raschen Umsetzung der Einigung sind bereits im Gange. Mit einer Gesetzwerdung der »Abfertigung Neu« ist spätestens bis zum Sommer des nächsten Jahres zu rechnen.

Für die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer war und ist dabei klar, dass das Abfertigungsrecht modernisiert und an neue Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt angepasst wird. Die Einigung führt dazu, dass die Forderungen der Interessenvertretungen der Arbeitnehmer,

  • Abfertigung für alle Arbeitnehmer,
  • kein Eingriff in bestehende Ansprüche,
  • Abfertigung auch bei Selbstkündigung,
  • geradliniges Anwachsen der Abfertigung,
  • keine Vermengung von Abfertigung und Betriebspension,
  • Auslagerung der Abfertigung in Abfertigungskassen,
  • hohe Sicherheitsstandards für die Kassen,

in hohem Maß erreicht werden konnten.

Die Einigung der Sozialpartner unterscheidet sich auch grundsätzlich vom Regierungsvorschlag zur Abfertigungsreform, der zum neuerlichen Ausschluss von Hunderttausenden Arbeitnehmern sowie zur Abschaffung der Abfertigung durch Umwandlung in eine Betriebspension geführt hätte.

Freilich machte die Gesamtabwägung einen Kompromiss bei der Festlegung des Beitragssatzes notwendig. Insgesamt ist die Einigung aber eine echte Qualitätsverbesserung im Abfertigungsrecht.

1) Für diese Arbeitsverhältnisse gibt es allerdings die Verbesserungen des neuen Abfertigungsrechtes (z. B. bei Selbstkündigung bleibt der Anspruch erhalten) nicht.

2) Abfertigungsmodell vom Regierungsprogramm Februar 2000.

3) Im Regierungsabkommen war noch vorgesehen, dass die Zahlung der Abfertigungsbeiträge jeweils erst ab dem 13. Beschäftigungsmonat beginnt.

4) Im Rahmen arbeitsrechtlich vereinbarter Probezeiten (Probezeit gemäß § 19 Angestelltengesetz, § 1158 Abs. 2 ABGB) unterbleibt die Beitragsleistung.

Abfertigung Neu | Vergleich aus der Sicht der Arbeitnehmer

Verwendete (teilweise vereinfacht angenommene) Parameter:

Monatsgehalt: 20.000
Beitragssatz (Annahme: Zuführung Jahresende) 1,5387%
Beitragsleistung ab dem 1. Tag
Jahr

Jahr Gehalt (=Jahres-
gehalt/12)
Anspruch in Monats-
gehältern
betrags-mäßiger Anspruch Einzahlung Abfertigungs-
kassa
Entwicklung Abfertigungs-
kassa
Abf. Neu in % der Abf. Alt
1 23.333 0 0 4.308 4.308
2 24.033 0 0 4.438 9.004
3 24.754 0 0 4.571 14.115
4 25.497 2 50.994 4.708 19.670 38,57
5 26.262 2 52.524 4.849 25.700 48,93
6 27.050 3 81.149 4.995 32.236 39,72
7 27.861 3 83.584 5.144 39.315 47,04
8 28.697 3 86.091 5.299 46.972 54,56
9 29.558 3 88.674 5.458 55.248 62,31
10 30.445 3 91.334 5.621 64.185 70,27
11 31.358 4 125.432 5.790 73.826 58,86
12 32.299 4 129.195 5.964 84.219 65,19
13 33.268 4 133.071 6.143 95.415 71,70
14 34.266 4 137.063 6.327 107.467 78,41
15 35.294 4 141.175 6.517 120.432 85,31
16 36.353 6 218.115 6.712 134.370 61,60
17 37.443 6 224.659 6.914 149.346 66,48
18 38.566 6 231.399 7.121 165.428 71,49
19 39.723 6 238.341 7.335 182.688 76,65
20 40.915 6 245.491 7.555 201.204 81,96
21 42.143 9 379.283 7.781 221.058 58,28
22 43.407 9 390.662 8.015 242.336 62,03
23 44.709 9 402.382 8.255 265.131 65,89
24 46.050 9 414.453 8.503 289.542 69,86
25 47.432 9 426.887 8.758 315.673 73,95
26 48.855 12 586.258 9.021 343.634 58,61
27 50.320 12 603.846 9.291 373.543 61,86
28 51.830 12 621.961 9.570 405.526 65,20
29 53.385 12 640.620 9.857 439.714 68,64
30 54.987 12 659.838 10.153 476.250 72,18
31 56.636 12 679.633 10.458 515.283 75,82
32 58.335 12 700.022 10.771 556.971 79,56
33 60.085 12 721.023 11.094 601.484 83,42
34 61.888 12 742.654 11.427 649.000 87,39
35 63.744 12 764.933 11.770 699.710 91,47
36 65.657 12 787.881 12.123 753.816 95,68
37 67.626 12 811.518 12.487 811.531 100,00
38 69.655 12 835.863 12.861 873.085 104,45
39 71.745 12 860.939 13.247 938.717 109,03
40 73.897 12 886.768 13.645 1.008.685 113,75
41 76.114 12 913.371 14.054 1.083.260 118,60
42 78.398 12 940.772 14.476 1.162.731 123,59
43 80.750 12 968.995 14.910 1.247.405 128,73
44 83.172 12 998.065 15.357 1.337.606 134,02
45 85.667 12 1.028.007 15.818 1.433.681 139,46

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Sat, 15 Dec 2001 00:00:00 +0100 1196351252409 Soziale Gerechtigkeit Nach der Interpretation von Hans Kelsen, dem »Vater der österreichischen Verfassung«1), war Zeugnis zu geben für die Wahrheit nicht das Wesentliche an der Sendung des Jesus von Nazaret als Messianischer König. »Er war geboren, Zeugnis abzugeben für die Gerechtigkeit, jene Gerechtigkeit, die er in dem Königreich Gottes verwirklichen wollte. Und für diese Gerechtigkeit ist er auf dem Kreuze gestorben.

So erhebt sich, hinter der Frage des Pilatus: Was ist Wahrheit?, aus dem Blute des Gekreuzigten eine andere, eine noch viel gewaltigere Frage, die ewige Frage der Menschheit: Was ist Gerechtigkeit?«

In diesen heiligen vorweihnachtlichen Zeiten mag so manche Pensionistin, so mancher Pensionist sich eine ähnliche Frage gestellt haben beim betrübten Blick in die Brieftasche und bei der gar nicht frohen Botschaft über die Pensionserhöhung: ein Komma ein Prozent - und das bei einer Inflationsrate von fast drei Prozent.

Gerechtigkeitslücke

Da mag es wohl kein Trost sein, wenn man darauf hinweist, dass eine »Gerechtigkeitslücke« bestehe. Tatsachen sind aber:

  • Wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit.
  • Wir haben einen Rückgang der Lohnquote bei gleichzeitiger Steigerung der Sozialabgaben und Steuern. Und:
  • Wir haben eine anhaltende Begünstigung der Unternehmereinkommen, Vermögenserträge und höheren Arbeitseinkommen, die durch die Ausgestaltung des Steuersystems noch verstärkt wurde.

Was nützt es da, wenn wir unseren Müttern und Großmüttern, unseren Vätern und Großvätern sagen: »Mach dir nichts draus, du hast zwar eine reale Kürzung deiner Pension, aber den Arbeitslosen und Kranken geht's auch nicht besser, sie bekommen auch weniger.«

In unserer Gesellschaft gibt es Strömungen, die »Gerechtigkeitsideale überdenken« und sie »an den Realitäten der neuen Weltwirtschaft« messen wollen.

Im vorigen Jahrhundert hatte man sich noch darauf orientiert, dass soziale Gerechtigkeit auf eine Reduktion der real existierenden Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung hinauslaufe und damit in eine staatliche Intervention in die Wertschöpfung und die Bewegung der Märkte. Unter den neuen Bedingungen einer »globalisierten Ökonomie« lasse sich die Orientierung des 20. Jahrhunderts auf diese Art von Gerechtigkeit nicht aufrechterhalten. Keynes und der Keynesianismus seien endgültig überholt und damit auch Regulierungs- und Steuerungssysteme, die ein gewisses Maß an sozialer Gleichheit und an sozialpartnerschaftlicher Ausgewogenheit von Lohnarbeit und Kapital garantieren könnten.

Da gibt es z. B. den österreichischen Ökonomen Friedrich von Hayek, einer der Gurus der Neoliberalen. Für ihn ist die Idee der sozialen Gerechtigkeit inhaltsleer, weil die Gesellschaft kein verantwortungsvoll handelnder Akteur ist, der gerechte oder ungerechte Verteilungen vornehmen kann. In modernen Gesellschaften erfolgt die Zuteilung von Gütern allein nach Marktgesetzmäßigkeiten, deren Effizienz am Ende auch den Armen nützt.

»Ja ja, die Neoliberalen«, werden sie vielleicht seufzen, »ja ja, die Globalisierung.«

Die Diskussionen dazu füllen viele, viele Bände, und ich will nichts weniger versuchen, als sie auf den Punkt zu bringen. Ich benütze das Internet, und dort konnte ich mir kürzlich einen Vortrag eines amerikanischen Universitätsprofessors zur Globalisierung »herunterladen«2). Er zitierte folgendes Sprüchlein:


»The poor complain
they always do,
but that's just idle chatter,
our system brings rewards to all,
at least to all that matter.«


Auf Deutsch in etwa:


»Die Armen beschweren sich,
das machen sie ständig,
aber das ist nur leeres Geschwätz,
unser System lohnt sich für alle,
zumindest für alle, die wichtig sind.«


Also: Hat es sich für Sie nicht gelohnt? Dann sind Sie nicht wichtig.

Religion

Eigentlich wären ja wir, die sich beschweren, in der Mehrheit. Und in der Demokratie entscheidet nun einmal die Mehrheit. Aber »die anderen« haben die Macht, die Ressourcen, das Geld. Und sie arbeiten daran, uns zu kontrollieren, unser Denken zu beeinflussen. Bis wir freudig sagen: »Ja, nehmt uns noch mehr weg - Hauptsache, der Markt ist frei!«

Nein, Sie sagen das nicht? Glauben Sie auch, dass »Globalisierung« zum Kampfbegriff für die Durchsetzung on Unternehmensinteressen geworden ist? Sind Sie auch für eine sozial zumindest abgefederte Wirtschaftspolitik? Ja dann - könnten Sie an das Christkind schreiben, damit sich was ändert. Wenn Sie nicht mehr an das Christkind glauben, können Sie auch selber etwas tun. Den »Evangelisten des Marktes« müssen wir entschiedener entgegentreten. Gemeinsam!

Sie glauben nicht, dass das mit Religion zu tun hat? Dann zitiere ich für Sie zum Abschluss Claude Julien aus »Le Monde diplomatique«:

»Der Graben zwischen Nord und Süd wird immer tiefer, hier wie dort bereichert sich eine mehr oder weniger große Oberschicht, und Arbeitslosigkeit, Unsicherheit und Elend nehmen mittlerweile auch im Norden immer mehr zu. Hinter der geheuchelten Fürsorge der >Eliten<, die brillant mit den Phrasen des Kapitalismus um sich werfen, verbirgt sich die Religion des Profits um jeden Preis.«

1) Hans Kelsen: »Was ist Gerechtigkeit?«, Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18076, Stuttgart 2000.

2) Der amerikanische Universitätsprofessor heißt Noam Chomsky, und sein »Audiovortrag« zur Globalisierung ist zu finden auf der Internetseite »www.zmag.org«.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439208 Inhalt Ausgabe Jänner 2001 Aus aktuellem Anlass Wiederveröffentlichung aus "Arbeit & Wirtschaft" vom April 2000:
Sozialversicherung: Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung
(Vom Autor Tom Schmid aktualisiert, mit einem Kommentar von Hans Sallmutter)

Editorial

Leitartikel
(Von Siegfried Sorz)

Demo und Appell
Austria Tabak: Proteste gegen Totalprivatisierung * Washington: Verzetnitsch bei Gipfel USA/EU

Seitenbisse
Rolltreppe steckt * Der Hump im Luff

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
Eisenbahner: Steirischer Ministerabgang * Lehrstellen: Triste Aussichten * Bau-Holz: Vorsichtige Osterweiterung

Der Lohnabschluss - Argumente und Widerlegungen
Die Lohnrunde 2000/01 und die Haltung der Arbeitnehmer, der Sozialpartner und der derzeitigen Bundesregierung
Mit mehr Spannung als sonst waren im Herbst 2000 die Auftaktverhandlungen zur Lohnrunde 2000/01 erwartet worden, die der langjährigen Übung entsprechend von den zuständigen Gewerkschaften Metall - Textil für die Arbeiter und Gewerkschaft der Privatangestellten (Sektion Industrie) geführt werden. Zwar waren diesmal die Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst schon vorher abgeschlossen worden, doch konnten diese schon wegen der besonderen Situation im öffentlichen Sektor (Crash-Programm Nulldefizit) keinesfalls als Maßstab für die übrige Wirtschaft gesehen werden ...
(Von Günther Chaloupek)

Konsumenten
Die Bürgerkarte - der gläserne Bürger

Budget 2001
Beschleunigter Defizitabbau bringt Steuerbelastungen sowie Personal- und Sozialabbau
Nach einer Kritik am zu geringen Tempo der Budgetkonsolidierung durch den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin-Rat) und durch die Europäische Kommission hat die Regierung ihren Sparkurs drastisch verschärft. Sie beabsichtigt nunmehr, das gesamtstaatliche Defizit innerhalb von zwei Jahren auf null zu reduzieren. Das ist ein von der Regierung selbst gesetztes Ziel, das vom Rat nicht gefordert wird. Diese Beschleunigung der Konsolidierung machte Sparmaßnahmen notwendig, die im Budget ihren Niederschlag finden und gravierende Auswirkungen auf Inflation und Wachstum, insbesondere aber auf die Einkommensverteilung haben...
(Von Bruno Rossmann)

Soziales
AK-Studie bekräftigt: Übermüdung tötet * Große Mehrheit gegen Rechtsextremisten

Frauen
»Frauen in die KV-Verhandlerteams«

Mitarbeiter als strategische Eigentümer?
Privatisierungen: Möglichkeiten der Mitbestimmung über Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter
Die Privatisierungswelle läuft. AK und ÖGB sind gegen den Totalverkauf und warnen vor zu großer Eile. Eine Variante ist, die Mitarbeiter am Eigentum ihres Betriebes zu beteiligen. Zwei Betriebswirte, Heinz Leitsmüller und Ruth Naderer von der AK Wien, analysieren diese Möglichkeiten ...
(Von Heinz Leitsmüller und Ruth Naderer)

Genau betrachtet
Großangriff auf den Rechtsstaat

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Betriebsrat und Arbeitswelt
Maschinen sicherer benutzen

Personelles
Wechsel im ÖGB-Referat für Berufsbildung

Zeitgeschichte
Die Massenmörder blieben unbehelligt

Damals in der A&W

Zukunft auch für sozial Benachteiligte?
Über die Verteilungswirkungen der geplanten Maßnahmen zur Erreichung des Nulldefizits auf die Arbeitnehmer
»Es zahlt sich aus für Österreich« ist der Slogan, mit dem die Regierung die Vorteile des Nulldefizits verkaufen will. Mit »Österreich« kann natürlich viel gemeint sein. Landläufig müsste eigentlich davon ausgegangen werden, dass damit in erster Linie die österreichische Bevölkerung gemeint ist und als deren größte Gruppe die unselbständig Erwerbstätigen. So genau möchte es der Finanzminister vielleicht doch nicht wissen, denn dann müsste er wohl zugeben, dass sein neuester Vermarktungsslogan vielleicht gar nicht stimmt ...
(Von Christa Schlager)

Gesundheit
Risikofaktor Kantine?

Internationales
Trotz Krabben und Dollar: Ecuador in der Krise * Ungarn: »Frauen-Krämpfe« auf dem Arbeitsmarkt * Zürich: Eisenbahner international geschützt

O du mein Österreich

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Mannsberger

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439197 Inhalt Ausgabe Februar 2001 Aus aktuellem Anlass Wiederveröffentlichung aus "Arbeit & Wirtschaft" vom April 2000:
Sozialversicherung: Selbstverwaltung heißt Selbstverantwortung
(Vom Autor Tom Schmid aktualisiert, mit einem Kommentar von Hans Sallmutter)

 Editorial

 Zukunft der Sozialversicherung am Scheideweg?
(Leitartikel von Hans Sallmutter)

Sozialversicherung: »Defizitsteigerung« per Gesetz

Seitenbisse
Sterbender Schneemann

Redaktionsschluss, Vorschau

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
»Nicht einfach nur dagegen sein!« • EBR: Waffe gegen Willkür

 Bilanz der Regierungspolitik
Die Lasten tragen die Arbeitnehmer - ÖGB-Kritk an unsozialen Maßnahmen
(Von Richard Leutner)

Genau betrachtet
Demos sind Instrumente der Demokratie

Arbeitsverfassung
Betriebsrat: Recht und Praxis - Disziplinarmaßnahmen im Betrieb

Wirtschaft kurz

Damals in der A&W

 Soziale Politik im neuen Kapitalismus
(Von Pierre Bourdieu)

Frauen
Frauenhandel in Österreich

Geh an den Start zum Powercup 2001

 Machtpolitik statt Gesundheitspolitik
Das sozialpartnerschaftliche System der Selbstverwaltung soll zerschlagen werden

O du mein Österreich

 Gegen Einheitsdenken und Zwangsarbeit
Zweiter Arbeitsmarkt und innovative Beschäftigungspolitik
(Von Rainer Klien)

Soziales
Magersucht darf kein Staatsziel werden • AK Oberösterreich: Teilkrankenstand kommt nicht in Frage! • Sozialpolitische Maßnahmen mit 1. Jänner 2001 in Kraft getreten

 Leben auf Pump: Für viele eine Sackgasse
Schuldnerberatungen, Privatkonkurs und Auswege für sozial Schwache
(Von Veronika Gasser)

Bücher
Franz Richard Reiter: Wer war Bruno Kreisky? Dokumente - Berichte - Analysen • Der Schock für den Betriebskaiser (Reinhard Engel: Schöne neue Wirtschaftswelt) • Vom Nachzügler zum Vorbild (Peter Eigner und Andrea Helige: Österreichische Wirtschafts- und Sozialgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert)

Internationales
Stockholm: EGB-Memorandum an Schweden • Brüssel: Fernfahrer - 48 Stunden pro Woche • Risse im italienischen Sozialpakt • Schulen: Generalstreik für europäische Löhne • Elektrolux: Pilot-Urabstimmung über Flexibilisierung • Zürich: Halber Gefangenenchor als Signal

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Mannsberger

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439191 Inhalt Ausgabe März 2001  Editorial

 Leitartikel
(von Siegfried Sorz)

Österreich braucht neue soziale Initiativen

Seitenbisse
Freiheitliche Arbeitszeitverkürzung

Redaktionsschluss, Vorschau 

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften 
Fleischwirtschaft: 3000 Arbeitsplätze wackeln • Tourismus: Rekordarbeitslosigkeit • Existiert eine europäische Gewerkschaftsbewegung? • Frauenminister: Moralische Empfehlungen • Unfallrenten: Besteuerung geplant • Belastungswelle reißt nicht ab

 Die Zukunft der Abfertigung
Keine Zwangsbeglückung, sondern arbeitnehmerfreundliche Reform ist das Ziel
(Von Bernhard Achitz und Ernst Weber)

Arbeitsverfassung
Betriebsrat: Recht und Praxis - Einstellung einer Wohlfahrtseinrichtung

Soziales
Allgemeiner Einkommensbericht • Kollektivvertragslöhne 2000 • Ein Fünftel der Teilzeitbeschäftigten wünscht sich längere Wochenarbeitszeit

Betriebsrat und Arbeitswelt
Sicherheits- und Gesundheitsmanagementsysteme (SGMS) - ein neuer Weg?

Genau betrachtet
Bilanz: Nicht genügend!

Konsumenten
Wie sicher sind Österreichs Lebensmittel?

 Patentrezept Budgetausgliederung?
Ausgliederungen aus dem öffentlichen Haushalt als Allheilmittel für eine Reform der staatlichen Aufgabenerfüllung?
(Von Bruno Rossmann und Heinz Leitsmüller)

Wirtschaft kurz

 Privatisierung von Staatsvermögen
ÖIAG, Bundesimmobilien, Bundesforste
(Von einer AK-Expertengruppe)

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Frauen
Brot und Rosen - Zum ersten Frauentag im neuen Jahrtausend ein Rückblick auf die Geschichte des 8. März

 Verunsicherung mit Methode
Saisonverlängerung oder Sperre des Arbeitslosengeldes
(Von Gabriele Müller)

Internationales
Fahrt zur Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau • Wir pfeifen auf Rechts! • Genf: Der Welt droht die »digitale Trennung« • Globalisierung mit menschlichem Antlitz • Brüssel/Wien: Rüge wegen fehlendem Ausländer-Wahlrecht • Washington: US-Kampfansage gegen Kinderarbeit • Paris: Massenprotest gegen Rentenreform • Braunau: Ein Monopol für die Beschäftigten • Berlin: BSE - Gewerkschaft bangt um 40.000 Arbeitsplätze

Einladung zur Podiumsdiskussion
»Steuerpolitische Alternativen zum Regierungskurs - Sozial gerecht? Die Wirtschaft boomt, die Kleinen zahlen!«

O du mein Österreich

Bücher
Diagnose ohne Therapie (Edward Luttwak: Turbo-Kapitalismus. Gewinner und Verlierer der Globalisierung) • NS-Herrschaft in Österreich (Hg.: Tálos, Hanisch, Neugebauer, Sieder. Überarbeitete, erweiterte Neuauflage) • Das Album Gurs (Erich Hackl und Hans Landauer: Album Gurs. Ein Fundstück aus dem Widerstand)

Damals in der A&W

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: ÖGB

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439186 Inhalt Ausgabe April 2001  Editorial

Argumente
Die Selbstverwaltung in der österreichischen Krankenversicherung

Rede
ÖGB-Präsident Verzetnitsch: An der Zeit, Schweigen zu brechen

Seitenbisse
Vampire und Gelsen

Redaktionsschluss, Vorschau

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
GPA: Warnstreiks nicht ausgeschlossen * AK-Präsident Tumpel: Vernichtende Regierungsbilanz * Verzetnitsch: Regierung ist orientierungslos * Weiterbildung: AK kritisiert Einsparungspläne * ÖGB und AK fordern Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes * Baubranche: Totalflaute zu erwarten * Fleischskandal: Auch die Beschäftigten müssen büßen

Sind unsere Lebensmittel zu billig?
(Kommentar von Karl Demler)

Neid als Politik?
Zur Unfallrentenbesteuerung
Seit dem 1. Jänner 2001 müssen Renten der gesetzlichen Unfallversicherung voll versteuert werden. Das bedeutet für viele Betroffene, dass ein Drittel ihrer Rente an die Steuer fließt. Die Bundesregierung begründet diese Maßnahme mit einer »erhöhten Treffsicherheit« und sieht darin jenen Anteil, den die Opfer von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten für die »Budgetkonsolidierung« leisten müssen, wie die Studiengebühr jener Beitrag ist, den Eltern studierender Kinder leisten müssen. Und wenn ein Rentenbezieher ein studierendes Kind hat, saniert er das Budget treffsicher doppelt?
(Von Tom Schmid)

Wichtiges Reformkonzept
(Kommentar von Hans Sallmutter)

Durchbruch beim Gesundheitswesen
Zustimmung zum gemeinsamen Sozialpartnerpapier
(Von Bernhard Achitz und Ernst Weber)

Cui bono? - Wem nützt es?
Das aktuelle A&W-Gespräch mit AK-Direktor Werner Muhm
»Die Besteuerung der Unfallrenten gehört einfach weg. Und wenn man fragt, woher soll das Geld kommen, ist meine These, hätte die derzeitige Regierung bei der Stiftungsbesteuerung das gemacht, was sie angekündigt hat, dann stünden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung ...
Eine späte Erkenntnis ist besser als gar keine. Also insoweit habe ich keine Probleme, den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat ...«

Betriebsrat und Arbeitswelt
»Humankapital« als Unternehmenswert?

Atypische Beschäftigung in Österreich
Die Zunahme dieser Beschäftigungsformen stellt eine der großen Herausforderungen und Aufgaben für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dar. Ohne Gegensteuerung bringt die Zukunft für einen immer größeren Teil der Arbeitsbevölkerung ein unregelmäßiges oder nicht existenzsicherndes Einkommen: »Immer mehr Beschäftigungsverhältnisse weichen vom traditionellen Arbeitsverhältnis ab ... Dauerhafte Arbeitsverhältnisse mit einer relativ einheitlichen Arbeitszeit, verbunden mit einem ausreichenden und gesicherten Einkommen sowie mit darauf abgestimmten sozialrechtlichen Ansprüchen, stehen zunehmend Beschäftigungsformen gegenüber, bei denen die bisherigen Normen nicht mehr oder nur eingeschränkt gelten ...
(Von Karl Wörister)

Wirtschaft kurz

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Soziales
Nicht vor die Hunde gehen - Für Menschlichkeit bei der Telekom

O du mein Österreich

»Stromliberalisierung«: Vom Monopol zum Oligopol
»Der Strom kommt aus der Steckdose...«
Ab kommendem 1. Oktober können alle Kunden, auch der kleinste Privathaushalt, ihre Stromlieferanten frei wählen. Österreich ist damit fünftes EU-Mitglied, bei dem die volle Liberalisierung im Strombereich umgesetzt wird. Schneller, als es die EU-Kommission vorschreibt. Ob dieses Tempo das richtige ist, bezweifeln E-Wirtschaft und Arbeitnehmervertreter. Freilich aus unterschiedlichen Gründen.
(Von Gabriele Müller)

Damals in der A&W

Frauen
Kinderbetreuungsgeld: Achtung, Falle!

Endlich
(Glosse von Karl Demler)

Arbeitskampf
OMV-Konzern in Aufruhr - Chronologie eines Arbeitskampfes

Konsumenten
Gewährleistung neu - Das Gewährleistungsrechts-Änderungsgesetz tritt mit 1. 1. 2002 in Kraft

Internationales
Berlin: ver.di repräsentiert 1000 Berufe * Genf: »Fremdenfeindliches Deutschland« * Wien/Stockholm: Teilzeit kein EU-Fundament * Brüssel/Bern: Neuer Schweizer EU-Fahrplan * Genf: Barabgeltung für Sklavenhandel

Genau betrachtet
Regierung by Chaos

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Lugmair.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439178 Inhalt Ausgabe Mai 2001 Editorial

Leitartikel: Mit der AK rechnen
(Von Herbert Wabnegg)

Pressegespräch 
KV Hotel-, Gastgewerbe: 1000 Euro Mindestlohn ab 2003 • Wirtschaft und Arbeit und die Tricks der Unternehmer

Seitenbisse 
Leiharbeiter

Redaktionsschluss, Vorschau 

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften 
Leiharbeiter: Gleichbehandlung auf europäischer Ebene • ÖGB-Organisationsreform • AK-Konsumentenschützer: Keine Aufweichung bestehender Gesetze • Computerführerschein: Für alle zugänglich machen • Transportgewerbe: Lenker deutlich unterbezahlt

Bundesvoranschlag 2002
»Nulldefizit« statt Zukunftsprogrammen für Bildung, Forschung und Infrastruktur (Von Bruno Rossmann)

Gesellschaft
Gesucht: Sicherheit im Wandel

O du mein Österreich

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Von Lissabon nach Stockholm
Die Weiterentwicklung der europäischen Beschäftigungsstrategie unter schwedischer EU-Präsidentschaft (Von Silvia Angelo und Barbara Lavaud)

Konsumenten
Irreführende Behauptungen in der Werbung • Euro-Vorbereitungen

Betriebsrat und Arbeitswelt
Arbeitnehmerschutz im Internet: Wer sucht, der findet • Arbeitskräfte-Erhebung 2000

Die Folgen des medizinischen Fortschrittes
(Von Thomas Lachs)

Frauen
Zwei Drittel sind nicht genug

Wirtschaft kurz

Bildung und Kultur
»Gesellschaftspolitischer Auftrag«: Mit Sprachkenntnissen die Toleranz für fremde Kulturen fördern • »Reporter ohne Grenzen« sieht Pressefreiheit in Österreich gefährdet

Genau betrachtet
Denkzettel für »Spiel mit dem Feuer«

Ausstellungen
Sie werden lachen! Die Welt des Karl Farkas • Joan Miró - Später Rebell

Internationales
Luxemburg: Staat haftet für alle Kinder • Buenos Aires: Landesweite Streiks • Köln: Teils daheim, teils im Büro • Brüssel: Ab 2005: Arbeitsmarkt ohne Schranken • Wien: CCK gegen Frauen-Ausbeutung • Ungarn: »Unser Vorbild ist der ÖGB«

Damals in der A&W

Bücher
Arbeiterliteratur - eine Spurensuche • »Den Haushalt managen«

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Image Bank.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439175 Inhalt Ausgabe Juni 2001 Editorial

Leitartikel:
(Von Siegfried Sorz)

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
Fachkräftemangel: Alte Sünden • Projekt »Sprachraum«: VHS-Beitrag zum Europäischen Jahr der Sprachen 2001 • Au-pair-Verordnung: Billige Kräfte für die Reichen • Verbaler Vandalismus: ÖGB fordert Mäßigung • Unfallrenten: Kapitalanschlag auf die sozial Schwächsten • Entgeltfortzahlungfonds: Auflösung hat schwerwiegende Negativfolgen

Seitenbisse 
Gestohlene Zeit

Redaktionsschluss, Vorschau 

Soziales
Einbürgerungen

EU-Osterweiterung und Arbeitsmarkt
Der Europäische Rat von Nizza im Dezember 2000 hat wichtige Voraussetzungen für die Osterweiterung der Europäischen Union geschaffen, und die schwedische Präsidentschaft hat sich sogar das Ziel gesetzt, bis Ende Juni bereits konkrete Daten für den Beitritt einzelner Länder aus dem Kreis der Beitrittskandidaten festzulegen. Auch wenn diese Absicht kaum realisierbar erscheint, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die Verhandlungen über die Osterweiterung der EU in ein entscheidendes Stadium eingetreten sind. Es gibt dabei eine Vielzahl von Problemen zu lösen, von denen die Fragen der Agrarpolitik, der Finanzierung des EU-Haushalts und des Arbeitsmarktes als diejenigen angesehen werden können, deren Lösung die größten Schwierigkeiten bereitet und die daher ausschlaggebend für den weiteren Fortschritt bei der EU-Osterweiterung sein werden.
(Von Günther Chaloupek)

Genau betrachtet
Haider politisch verurteilt

Wirtschaft
Wolken am Konjunkturhimmel? • Weitere Zunahme der Teilzeitbeschäftigung • Unselbständigen-Einkommen • 7-prozentiger Produktionsanstieg binnen einem Jahr

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Die Österreicher und die Erweiterung
Unterschätzte Probleme oder »das Wrack an der Wand«
Die Distanz verkleinert die Bedenken. Jene, die nicht wie Österreich mit rund 1300 km mehr als ein Drittel der gesamten Außengrenzen zu den mittel- und osteuropäischen Ländern haben, können leicht großzügig sein. Sie sind von möglichen Pendlerbewegungen nicht betroffen. Wir begleiten eine Journalistin bei ihrer Recherche.
(Von Franz Fischill)

Europa
Übernimmt sich die EU? • Verzetnitsch: Marshall-Plan für Osteuropa!

Beratung
Arbeitsberater coachen online

Soziales
»Vier zu null!« - Metallerkampagne für korrekte Leiharbeit * Bauarbeiter: Gesundheitliche Wracks

Frauen
Logo: No Logo!

Bildung und Kultur
Zum Ableben von Marie Jahoda

Betriebsrat und Arbeitswelt
Enorme Belastungen am Arbeitsplatz

Nachrichten aus der Toskana
Die Eliten und der Neoliberalismus
Von der Caritas angefangen, über die Sozialdemokraten, den linken Flügel der ÖVP, die Grünen bis hin zu den rabiateren Kritikern unserer Gesellschaft klagen wir allesamt über den »Neoliberalismus« und seine Grausamkeit; wir klagen seit vielen Jahren, und es hilft nichts: Die Hunde bellen, doch die Karawane zieht weiter; darunter gibt es dicke, große Hunde, wie Pierre Bourdieu und Richard Sennett, und Köter wie mich. Diese Unaufhaltsamkeit scheint erklärungsbedürftig; hier soll ein Versuch in diese Richtung unternommen werden, der aus Platzgründen ein wenig skizzenhaft bleiben muss.
(Von H. G. Zilian)

Internationales
»Contratto subito!« • Sichere Nahrungsmittel - sichere Arbeitsplätze

Damals in der A&W

Was ist eine Gewerkschaft - heute?
Thesen
Die Situation der Gewerkschaften, ihr Standort, ihre Möglichkeiten und Perspektiven sind das Thema dieses grundsätzlichen Diskussionsbeitrages. Forderungen, die über die Tagespolitik hinausgehen, werden genauso besprochen wie Gefahren, die in der so genannten »Politik der Mitte« liegen. »Wenn die Gewerkschaften - und nicht nur sie - derzeit in der Defensive stecken, so ist dies nicht allein der »Übermacht des Kapitals« geschuldet, es hängt auch mit eigener Halbherzigkeit, Unentschlossenheit, Phantasielosigkeit und Konfliktscheue zusammen ...«
(Von Detlef Hensche)

Leserforum

O du mein Österreich

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439169 Inhalt Ausgabe Juli/August 2001 Editorial

Leitartikel: Die Zeche zahlen wir!
(Von Siegfried Sorz)

Sozialstaat light?
(Kommentar von Karl Öllinger)

Seitenbisse: Nein! 

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
Für ein Europa der Arbeitnehmer • GPA: New Economy für neue Zeiten • Möbelhäuser: Beschwerdeflut der Arbeitnehmer • Fluglotsen und Piloten: Gewitterstimmung

Vorschau, Redaktionsschluss

Die vergeudete Republik 
(Kommentar von Egon Matzner)

Unter Haien
Casinokapitalismus und die Gewerkschaften
(Von Heinz Kienzl)

Betriebsrat und Arbeitswelt
Europäische Woche 2001 will Arbeitsunfälle verhindern • Unbekanntes Wesen »AUVAsicher«?

Konsumenten
Liberalisierung beim Strom? Quo vadis?

Damals in der A&W

Dauerproblem Lehrlingsausbildung
Die Situation der Jugendlichen ohne Lehrplatz
(Von Gabriele Müller)

Genau betrachtet: Sieg des Geldes

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Haben wir denn kein Gedächtnis?

Heißes Eisen »Ausländerbeschäftigung«
Genug Potential im eigenen Land
(Von Franz Friehs und Ernst Weber)

Bildung und Kultur
Europäisches Jahr der Sprachen 2001 • Gemalte Momente • Erinnerung an Otto Bauer

O du mein Österreich

Ausstellung
Your Way to the Top

Nachruf
Abschied von Herbert Steiner

Internationales
Wolfsburg: VW plant 48-Stunden-Woche und Samstagsarbeit • Deutschland: Warnung vor Billigkonkurrenz • Berlin: Zwangspfand oder Verlust von 250.000 Jobs • Madrid: Ausschluss der Basken-Gewerkschaft? • Hamburg: DGB verlangt Abschaffung der bezahlten Überstunden • Mauthausen: Murmeln gegen Fremdenhass • Paris: Danone schließt sechs Fabriken

Bücher
Bücher für den Urlaub (Sándor Márai: Der Wind kommt vom Westen; Noam Chomsky: Profit over People; Irene Dische: Ein Job) • Xenophobie und Rassismus im 20. Jahrhundert (Spurensuche: Zeitschrift für die Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung)

Humanitäre Katastrophe
Gewerkschaftsarbeit in Kolumbien
(Von Frank Braßel)
Interview mit dem Vorsitzenden der CUT, Luis Eduardo »Lucho« Garzon

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Image Bank.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439160 Inhalt Ausgabe September 2001 Editorial

Nicht nur, aber auch!
(Leitartikel von Siegfried Sorz)

Jede Stimme zählt - wir sind bereit!
Interview mit Fritz Verzetnitsch

Setzen wir gemeinsam ein Zeichen!
Urabstimmung des ÖGB:
Stimme für soziale Gerechtigkeit
Der Beschluss des ÖGB-Bundesvorstandes vom 19. Juli: »Die Ausschaltung der Sozialpartnerschaft in sozialen Fragen und angekündigte erkennbare Eingriffe in elementare Mitbestimmungsrechte sowie soziale Grundrechte der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen veranlassen den ÖGB-Bundesvorstand, im Zeitraum vom 24. 9. 2001 bis 15. 10. 2001 eine Urabstimmung unter den ÖGB-Mitgliedern über die soziale Entwicklung Österreichs und die dazu notwendigen Kampfmaßnahmen zu beschließen.« ...

Eine virtuelle Krise
(Kommentar von Heinz Kienzl)

Urabstimmung
Die wichtigsten Informationen

Seitenbisse:
Lahm gelegt

Redaktionsschluss, Vorschau

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
Wien/Brüssel: Verzetnitsch - Betroffenheit endlich ernst nehmen • AK: Neues Leistungsprogramm • Wien/Brüssel: Grundrechtscharta - ÖGB fordert Rechtsverbindlichkeit • Friseure: Kollektivvertragsverhandlungen gescheitert

Das Schreckgespenst Globalisierung - und wie man es bewältigen kann
(Kommentar von Heinz Putzhammer)

Europa
Brüssel: Gemeinsame Zuwanderungspolitik

Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung
Zur Zukunft der Pensionen:
Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklung auf die Pensionsquote.
Von der Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit der Alterssicherungssysteme ist letztlich die gesamte Bevölkerung abhängig. Betroffen sind nicht nur die älteren Menschen, die eine Pension beziehen, sondern auch die jüngeren, die Beitrags- und Steuerzahler, die bereits jetzt auf ein ausreichendes und sicheres Alterseinkommen vertrauen können müssen. Die Einkommenssicherung im Alter zählt daher zu den wichtigsten Aufgaben der Sozialpolitik. Die AK Wien hat nunmehr beim Wifo eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarktentwicklung und Pensionsquote aufgezeigt werden ...

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Wirtschaft
Verbraucherpreisindex (VPI) 2000: Umstellung auf einen neuen Warenkorb • Salzburg: Trotz Flaute - Optimismus • Österreicher fleißiger als Deutsche

Damals in der A&W

Der Griff nach dem Wasser
Liberalisierung:
Aus der blau-schwarzen Regierung sind deutliche Signale zu hören, die heimische Trinkwasserversorgung und Wasserentsorgung zu privatisieren. Beispiele aus England und Frankreich zeigen aber, dass das alles andere als eine gute Idee wäre. Diese Ansicht teilt auch AK-Präsident Herbert Tumpl, der sich gegen alle Privatisierungsexperimente wendet. Die AK fordert, das Wasser keine Handelsware werden darf ...

Wirtschaft kurz

Frauen
Die Stillen zuerst

Kultur - Bildung - Medien
Tipps aus der Werkzeugkiste der Kommunikation • New York: Weltweit 27 Millionen Arbeitsplätze überwacht

Soziales
Ohne Netz • Straßburg: »Haussklaven« - Diplomaten am Pranger • New York/Genf: ILO - Kodex zum Schutz von Aids-Kranken

Kapitalismus im 21. Jahrhundert
(Buchbesprechung)

In memoriam Fred Duval (1928-2001)

Frauen auf dem Arbeitsmarkt
Frauenbeschäftigung und allgemeine Beschäftigungsstrategien im europäischen Vergleich
Beschäftigung geriet in den letzten Jahren ins Zentrum der politischen Diskussion in der Europäischen Union. Dabei wurde man auch auf die Situation der Frauen aufmerksam: Die allgemeine Beschäftigungsentwicklung ist nämlich untrennbar mit der speziellen Situation von Frauen verbunden ...

Internationales
Deutschland: Parteien verlieren Mitglieder • Deutschland: Wichtiges DBG-Ziel für 2002 • Luxemburg: Sexuelle Belästigung - Beweislast gefallen • Hamburg: Alarm um chronische Erschöpfung • National Security Agency (NSA): Vor falschen Freunden wird gewarnt • Washington: Internationales Konkursgericht gefordert • Miami/Bogota: Coca-Cola wegen Einsatzes von Paramilitärs verklagt • Brüssel: Ein Herz für Künstler und Autoren

Genau betrachtet:
Die »Verschüsselung« Österreichs

Heimat zum Nulltarif
(Buchbesprechung)

O du mein Österreich

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: ÖGB.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439152 Inhalt Ausgabe Oktober 2001 Editorial

Leitartikel
(Von Siegfried Sorz)

»Unvereinbarkeit auf österreichisch«
Das aktuelle Gespräch mit dem Vorsitzenden der Eisenbahner- gewerkschaft, Wilhelm Haberzettl

Argumente zur Urabstimmung
»No na« und die Realität
Die Leitende Sekretärin des ÖGB, Roswita Bachner, kommentiert Fragen zur ÖGB-Urabstimmung.
Nachdem der ÖGB die Fragen zur Urabstimmung für soziale Gerechtigkeit vorgelegt hat, herrscht bei den Regierungsparteien helle Aufruhr. »Die Fragen treffen die Regierung tief. Es ist schmerzlich, mit der Realität konfrontiert zu werden, denn diese angeblichen >No-na-Fragen< haben für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen enorme Auswirkungen«, bringt es Roswitha Bachner, Leitende Sekretärin des ÖGB, auf den Punkt.

Nicht von Sachthemen ablenken
Der ÖGB und seine Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist ein privater Verein

Aufschrei der Demokratie
Prominente für Stärkung der Arbeitnehmervertretung

Die Madigmacher und die Notare
»Befürchtungen« sind nur ein Versuch, die Urabstimmung zu diskreditieren

Sozialversicherung:
Die Interessen der Versicherten bleiben auf der Strecke
Die Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Interessen in die politischen Entscheidungsprozesse einzubringen, wurden durch die 58. Novelle zum ASVG, das Gesetz zur Änderung der Organisation des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, noch weiter eingeschränkt. Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB, stellt die Situation in diesem »neuen« Hauptverband und die Gesamtsituation der Arbeitnehmer im Bereich »Sozialversicherung« dar.
(Von Richard Leutner)

Buch: Beruf und Bildung - (k)ein Widerspruch?

Wirtschaft kurz

Merkmale einer neuen Bildung in der Informationsgesellschaft
(Kommentar von Albert Kaufmann)

Kinderbetreuungsgeld
Eine Übersicht über den Dschungel der Neuregelungen

Wen hat Libro lieb?
Stationen eines Desasters von Helmut Ruß

Vom Mythos des IT-Booms:
Der Informationstechnologe - Berufsbild unbekannt
Die Studien überboten einander: Bis zu 13.000 IT-Fachkräfte werden im Jahr 2003 in Österreich fehlen, warnte das Wirtschaftsforschungsinstitut. Von gar 85.000 sprach die International Data Corporation. Das Fachmagazin e-media kolportierte 12.000 offene Stellen, die mangels qualifizierten Personals unbesetzt bleiben müssten. Derzeit ist von starken Rückgängen in der Branche die Rede. Aber das Problem beginnt nicht bei den Zahlen, sondern den Begriffen: Was ist eigentlich eine IT-Fachkraft?
(Von Gabriele Müller)

Erwachsene: Sprachenlernen
Mehr als eine Viertelmillion Österreicher besuchen Sprachkurse

Betriebsrat und Arbeitswelt
Fit und gesund * Zur betrieblichen Gesundheitsförderung * Sicherheit und Gesundheit in Wien

Damals in der A&W

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Konsumentenmacht gegen Wirtschaftskannibalismus
Ethisches Konsumieren als Ausweg aus der Krise?

Der gute Draht
Tipps aus der Werkzeugkiste der Kommunikation (Teil 2)

Privatisierung in Österreich
Bleibt die ÖIAG als Kernaktionär für heimische Schlüsselunternehmen erhalten?
Die Verstaatlichte war über viele Jahre ein Motor der Sozialpartnerschaft. AK-Experte Miron Passweg gibt einen Überblick, wie der »Ausverkauf« abläuft bzw. abgelaufen ist. Von den Anfängen gleich nach dem Krieg 1945 bis zur Situation im Jahr 2001. Es geht letztlich nicht nur um strategisch wichtige Unternehmen, z. B. im Sinne der nationalen oder kommunalen Versorgungssicherheit, sondern um die Erhaltung von Konzernzentralen in Österreich, und damit um die Standortabsicherung guter Unternehmen, die Entscheidungskompetenz haben und mit qualitativ hochwertigen Produkten hochwertige Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationen und hohem Einkommen schaffen.
(Von Miron Passweg)

Genau betrachtet: »Miese Figur(en)«

Internationales
Ungarn: Beschäftigung und Integration * Deutschland: Domain-Schlamperei gefährdet Arbeitsplätze

O du mein Österreich

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: ÖGB.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439140 Inhalt Ausgabe November 2001  

Abo-Preise: Mitteilung an Abonnenten von »A&W« gemäß § 3 1. Euro-Justiz-Begleitgesetz - 1. Euro-JuBeG

Leserforum

Urabstimmung: Regierung lenkt ein

Aus Arbeiterkammern und Gewerkschaften
Postämter: Dutzende Schließungen drohen • Gewerkschaft Bau-Holz: Dramatische Arbeitslosenzahlen • Sonntagsarbeit: Breite Gegenfront eröffnet • Postbusse: Das Schlimmste gerade noch verhindert

Das Urabstimmungs-Ergebnis
Ein deutliches Zeichen

Fetisch Nulldefizit
Mythen und andere irrationale Vorstellungen rund ums Budget
Vieles lässt sich geschwollen sagen und weniger geschwollen. Der Autor Thomas Lachs, ehemaliger Direktor der Oesterreichischen Nationalbank, lässt die Luft raus aus den volkswirtschaftlichen Mythen und Märchen. Hier versteht auch der Laie, worum es geht: um den allgemeinen Wohlstand, um unsere Arbeitsplätze, um unsere Zukunft - und um die Fetischisten, die unsere Geschicke lenken. Wenn wir sie lassen ...
(Von Thomas Lachs)

Wirtschaft
Budgetpolitik: Trotz weiterer Konjunkturabschwächung Festhalten am »Nulldefizit« • Es geht um Arisierungsprofite

Frauen
Teilzeit-Zufriedenheit

O du mein Österreich

Der 11. September und die Folgen für die Weltwirtschaft
Die Terroranschläge am 11. September waren nicht nur Anschläge auf die USA, sondern auch Anschläge auf das westliche Gesellschafts- und Wirtschaftssystem insgesamt. Schließlich wurde deshalb auch das World Trade Center als Ziel ausgewählt, das als besonders (auch im wörtlichen Sinne) herausragendes Symbol für das finanzielle Nervenzentrum des Kapitalismus im Herzen New Yorks stand. Es ist klar, dass diese Katastrophe für Tausende von Menschen auch schwerwiegende wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen wird. Um diese jedoch in ihrer vollen Tragweite abschätzen zu können, ist es noch zu früh, denn zu viele Fragen sind derzeit noch nicht beantwortet ...

Damals in der A&W

Betriebsrat und Arbeitswelt
Quo vadis Arbeitsinspektion?

Genau betrachtet

Sozialpartnerschaft - Reform oder Demontage
(Kommentar von Ferdinand Karlhofer)

Soziales
Wer fällt durchs soziale Netz? • Ambulanz-Aggressionen ...
Vom Sozialstaat zum Almosengeber
Der Umbau der österreichischen Sozialpolitik von aktiver Gestaltung und Risikovorsorge für Erwerbstätige zum Almosenstaat für Hilflose geht rasant vor sich. Eine Bilanz der Arbeiterkammer hatte bereits nach einem Jahr Regierungskoalition ÖVP-FPÖ gezeigt, dass die propagierte »soziale Treffsicherheit« unser soziales Netz in sämtlichen Aspekten in Mitleidenschaft zieht. »Arbeit & Wirtschaft« hat sich unter Betroffenen umgehört ...

Pensionisten
Kein Ende der Belastungen in Sicht • »Wir Pensionisten müssen anfangen, uns zu wehren!«

Sind die Arbeitsverhältnisse noch normal?
Konrad Hofer ist Soziologe, das hat er studiert. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist er als »Undercover-Agent« für die Rechte der Arbeitnehmer unterwegs. Seine Arbeit als Taxilenker, Zettelverteiler, Lkw-Fahrer, Altenpfleger, Arbeitsstricher usw. war gleichzeitig immer eine Erforschung des sozialen Umfelds und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Er ist also nicht nur Theoretiker, sondern auch ein Mann der Praxis, der aus eigener Erfahrung weiß, wovon er spricht ...
(Von Konrad Hofer)

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Kultur - Bildung - Medien
Tipps aus der Werkzeugkiste der Kommunikation • Berufliche Qualifizierung Gebot der Stunde! • Steigendes Interesse an beruflicher Weiterbildung

Ausstellung
Größte Malewitsch-Ausstellung in Wien

Internationales
Problematische Zahlen • Berlin: Neue Welt-Gewerkschaft • New York: Eine Milliarde Analphabeten weltweit • Menschenrechte: Antiterrormaßnahmen beunruhigen UN-Kommission • IG Metall beklagt falsche Wirtschaftspolitik

Man kann nicht alles wissen

Alle nicht gekennzeichneten Fotos: Archiv »Arbeit & Wirtschaft«, Fotoarchiv des ÖGB, Fotoarchiv Verlag des ÖGB. Titelbild: Stock Market.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1182166439136 Inhalt Ausgabe Dezember 2001 Redaktionsschluss, Vorschau

Leitartikel: »Soziale Gerechtigkeit«
(Von Siegfried Sorz)

ÖGB-Bundesvorstand: Die Forderungen der Urabstimmung durchsetzen

Abfertigungsreform
Die neue Abfertigung wird für alle Arbeitnehmer erreichbar sein
Die Sozialpartnereinigung zur Abfertigung ist als ein großer Erfolg des ÖGB nach der Urabstimmung in aller Munde. Wie nun diese Einigung im Detail aussieht und wann sie Gesetz werden soll, erklärt Richard Leutner, einer der Verhandler für die Seite der Arbeitnehmer, der führend an diesem Kompromiss beteiligt war.
(Von Richard Leutner)

Gesundheit
Wohl fühlen am Computer • Simbabwe: »Afrikanischer Nobelpreis« geht an Männergruppe Padare • Soziale Krankenver- sicherung: Absichern statt aushungern! • Chipkartengebühr ist Fortsetzung der Krankenscheingebühr

Betriebsrat und Arbeitswelt
Vorsicht, Arbeitsstoffe!

Soziales
Gesellschaft bedroht • Malawi: Tabakindustrie verbietet Kinderarbeit

Rote Karte für Rassisten
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit oder Antisemitismus im Fußball:
Die Kampagne »FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel« zeigt auf, dass diskriminierende Einstellungen und Verhaltensweisen auch im heimischen Fußball ein Problem sind. »Affenartiges Verhalten auf den Zuschauertribünen treibt so manchem Fußballfreund die Schamesröte ins Gesicht. >Die unnötigen Urwaldgeräusche, wenn dunkelhäutige Spieler am Ball sind, stören mich nicht nur, sie gehen mir unter die Haut. Ich geniere mich dann fast, ein Österreicher zu sein<, sagt der FC-Tirol-Kicker Oliver Prudlo« ...
(Von Gabriele Müller)

Genau betrachtet

Weltkonferenz gegen Rassismus

Damals in der A&W

Konsumenten
Euro-Einführung • Vorsicht bei Gewinnspielen

Wirtschaft
UN warnt vor Weltwirtschaftskrise im Gefolge des 11. September • Sozialdemokraten kontra Globalisierungswahn

Frauen
Und immer wieder Opfer (Frauen in Afghanistan und die Hilfe der ÖGB-Frauen) • Zentralamerika: Krasse Benachteiligung berufstätiger Frauen

Impressionen aus anderen Welten
Ein Arzt berichtet über seine freiwilligen Hilfseinsätze in Asien und Afrika
Der Autor ist am Wiener Hanusch-Krankenhaus Oberarzt in der Augenabteilung. Für sich allein ist das ein sehr zeitaufwendiger Beruf. Er schafft aber neben Beruf und Familie noch mehr. Regelmäßig und mit großer Hingabe unterstützt er die Christoffel-Blindenmission bei ihrer Hilfe für blinde und anders behinderte Menschen in den Armutsgebieten der Erde, besucht Projekte, berät, operiert. Exklusiv für »Arbeit& Wirtschaft« hat er einige seiner Eindrücke von diesen Reisen aufgezeichnet.
(Von Karl Rigal)

Arbeitskampf
Serbien: Großdemo gegen neues Arbeitsgesetz • Eisen- bahnerstreik lähmte Frankreich • Madrid/Metz: Lkw-Blockade gegen Tod am Volant • Pressburg: Demo gegen Unter- nehmerarroganz

Zwischen Blabla und Radausprache
(Kommentar von Hugo Pepper)

Buch
Vom zweigeteilten Witzeland

Cenzontle: Ein bunter Vogel für Estelís Frauen
Reportage über Frauenprojekte in Nicaragua (Von Ralf Leonhard)

O du mein Österreich

Arbeitsmarkt und Verbraucherpreisindex

Internationales
Genf: »Taferlklasse« wartet auf 110 Millionen Kinder • Berlin: DGB fordert massives Durchstarten • Berlin: ver.di vor finanzi- ellem Fiasko • Ungarn: Minimallohn auf Existenzminimum • Die Arbeiter zahlen die Zeche • USA: Vom Terror und Gegenterror • Gewerkschaften ­ Afrika auf Platz zwei der Gefahrenliste

Man kann nicht alles wissen

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