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Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413133170 Kenia: Hungerlöhne in der Wachstumsbranch Nairobi ist die quirlige Metropole der gesamten ostafrikanischen Region. Eine moderne Skyline ziert die kenianische Hauptstadt. Konsum auf europäischem Niveau gibt es hier vielerorts - und krasse Armut gleich nebenan. Mit dem Regierungswechsel zu Präsident Kibakis »Regenbogenkoalition« waren viele Hoffnungen verknüpft. Nicht alle wurden -erfüllt, auch wenn einzelne Fortschritte zu verzeichnen sind. Die Gewerkschaften tun sich noch schwer, einen neuen Weg zu finden.

Jonathan Quiro ist 21 Jahre alt, vor gut zwei Jahren kam er nach Ruiru im Umland von Nairobi. Seine Heimat ist eine Tagesreise entfernt, nach dem College hat er dort keine Arbeit finden können. Nun schneidet er Rosen in einer modernen Farm und verdient einschließlich Wohngeld knapp 4000 Shilling, umgerechnet 40 Euro im Monat. Das entspricht dem Tarifvertrag und liegt über dem gesetzlichem Mindestlohn. »Meine Familie erwartet, dass ich ihnen regelmäßig Geld überweise. Ich bin der einzige mit einem festen Einkommen. Doch es reicht einfach nicht. Ich wohne mit meiner Frau und dem kleinen Kind in einem Zimmer, ohne Strom und Wasser. Dafür zahlen wir schon 1000 Shilling, dazu kommen Ausgaben für Essen, Kleidung.« Der Gewerkschaftsbund COTU hat errechnet, dass eine vierköpfige Familie zehn Monatslöhne benötigt, um die Grundbedürfnisse befriedigen zu können.

Zwei Tageslöhne für Kinobesuch
Konsequenzen haben Kenias Gewerkschafter hieraus kaum gezogen. Das Land ist wichtiger Lieferant für Blumen und Gemüse auf dem Weltmarkt, der Gartenbausektor expandierte im vergangenen Jahr um 17 Prozent, doch die Löhne bleiben stabil niedrig. Nach einem Seminar mit Plantagenarbeitern sitze ich abends im Kino des Sarit Centers von Nairobi. 300 Shilling kostet der Eintritt - mehr als zwei Tageslöhne von Jonathan Quiro. Nicht nur dass die Löhne keinen Kinobesuch zulassen, sie gestatten auch keine Grundbedürfnisbefriedigung. Auf dem Seminar habe ich gesehen, wie sich die Kolleginnen und Kollegen die Teller bis zum Anschlag füllten. So viel und so reichhaltige Nahrung kommt bei ihnen offenbar nie auf den Tisch. Hungerlöhne in der Wachstumsbranche.

Historisch sind Kenias Gewerkschaften eng mit der Unabhängigkeitsbewegung verbunden und haben lange klassische Arbeiterinteressen den nationalen untergeordnet. »Privatkriege zwischen Arbeit und Management können in armen Entwicklungsländern nicht erlaubt werden. Die Kosten eines Streiks mögen für Arbeit und Management zu tragen sein, aber die sozialen Kosten sind untragbar«, sagte Tom Mboya, der erste bekannte Gewerkschaftsführer des seit 1963 unabhängigen Kenia, der Minister unter Kenyatta wurde. Die Regierungspartei KANU erwarb sich direkten Zugang auf Entscheidungen in der Gewerkschaftsbewegung, der COTU-Präsident musste von ihr bestätigt werden. Unter Kenyatta und Arap Moi entwickelte sich die -Regierungspartei zum alles entscheidenden Faktor für Grundsatzentscheidungen oder Postenvergabe - auch jenseits des direkten Regierungsapparats. Das reichte von der Gewerkschaft über die nationale Frauenvereinigung bis zum Fußballverband.

Korruption
An diesen Strukturen hat sich bis heute wenig geändert. Die KANU wurde abgewählt, aber fast alle hohen Regierungsbeamten blieben im Amt und die klientelistischen Entscheidungsstrukturen in Kraft. Kibaki hat den Kampf gegen die Korruption als Priorität eingestuft. Zunächst wurde die Polizei besser bezahlt und in deren Apparat gegen die üblichen Geldforderungen bei jeder Verkehrskontrolle vorgegangen. Das brachte spürbare Erleichterungen im Alltag. Doch die großen Fische im Korruptionssumpf wurden nicht bestraft. Berichte über vorteilhafte Landverkäufe gigantischen Ausmaßes seit der Ära Kenyatta zirkulieren, werden aber nicht weiter verfolgt. Die Lehrergewerkschaft und Krankenhausangestellte beklagen sich öffentlich, dass Arbeitsplätze nicht auf Grundlage der Qualifikation, sondern der Protektion vergeben werden.

»Die Korruption ist in vielen Bereichen noch schlimmer geworden«, erzählt mir eine Universitätsdozentin. »Früher nahmen die Beamten 10 Prozent, jetzt sind es 30 Prozent auf den Geschäftswert. Früher wussten die Beamten, dass sie ewig im Amt bleiben würden, heute sind sie nicht sicher, ob sie bei einer Abwahl der Regierung nicht ihren Job verlieren, da wollen sie sich vorab noch sanieren.«

COTU-Generalsekretär Francis Atwoli ist als KANU-Mann auf diesen Führungsposten gekommen. Nun muss er sich mit der ehemaligen Opposition arrangieren. Da scheinen ihm massive Arbeitskämpfe kaum angesagt. Doch die Arbeiterinnen und Arbeiter nehmen zunehmend selbst ihre Rechte in die Hand. Interessant ist die Entwicklung in den Exportproduktionszonen, wo internationale Konzerne wie GAP und Walmart kostengünstig Kleidung produzieren lassen. Wir treffen uns mit einer Gruppe gewerkschaftlich organisierter Frauen in Athi River, eine knappe Stunde außerhalb Nairobis.

Streiks in den Weltmarktfabriken
»Sie haben nur unverheiratete Frauen zwischen 18 und 25 Jahren eingestellt. Sie dachten, die wären leichter auszubeuten«, beantwortet Nancy lachend meine Frage, ob denn keine Männer kämen. Diese gibt es in den Textilfabriken in Athi River fast nur als Aufseher, meist asiatischer Herkunft. Die hiermit verbundenen rassistischen und sexistischen Übergriffe haben - neben den »normalen« Ausbeutungsstrukturen - maßgeblich zu dem großen Streik vom Februar 2003 beigetragen. Überstunden wurden bis -dahin nie gezahlt, oft kamen die jungen Frauen erst abends um zehn aus der -Fabrik, Mutterschaftsurlaub war unbekannt.

Präsident Kibaki hatte die Arbeiter nach dem Amtsantritt zu mehr Selbstbewusstsein ermuntert und auf ihre Rechte hingewiesen - auch in den Exportzonen, die unter der Regierung Moi quasi rechtsfreier Raum waren. Zunächst brachen Streiks in der Freihandelszone von Nairobi aus, dann schwappte die Bewegung nach Mombasa und Athi River über. »Wir hatten uns in kleinen Gruppen heimlich getroffen, einige Studenten aus Nairobi haben uns geholfen. Du hättest die Überraschung bei den Wachleuten und Managern sehen sollen, als am 29. Februar 2003 fast alle 25.000 Beschäftigten aus den Fabriken auf die Straße zogen«, berichtet Nancy mit leuchtenden Augen. COTU hatte zunächst sehr zurückhaltend auf die Streikwelle reagiert, doch die Textilarbeitergewerkschaft TTWU ergriff die Gunst der Stunde, zumal ihre Frauensekretärin die erste Gewerkschaft bereits 1997 in Athi River aufgebaut hatte. Schnell schlossen sich fast alle Arbeiterinnen der Gewerkschaft an und die TTWU konnte einen ersten Tarifvertrag für die Textilbetriebe in der Exporthandelszone abschließen.

»Der Tarifvertrag hat uns relevante Verbesserungen ermöglicht. Wir haben nun ordentliche Verträge und damit alle gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen zu Überstundenzahlung, Mutterschutz und Urlaub. Der Mindestlohn von 2480 Shilling wurde auf 3999 zuzüglich 750 Shilling Wohngeld erhöht,« erläutert eine der jüngeren Kolleginnen. »Das ist noch nicht genug, wir müssen uns meist mit zwei oder drei Frauen ein Zimmer teilen. Aktuell diskutieren wir mit den Kolleginnen im Betrieb einen Tarifvertrag fürs kommende Jahr. Wir müssen dabei einbeziehen, dass einige Betriebe wirtschaftlich sehr viel besser dastehen als andere.«

Neue Frage für Gewerkschaften
Einen ähnlich guten Tarifvertrag konnte die mächtige Plantagenarbeitergewerkschaft KPAWU - mit 120.000 Mitgliedern eine der größten ganz Afrikas - nur bei dem Ananasproduzenten Del Monte abschließen, worauf mich ihr stellvertretender Generalsekretär Francis Waweru stolz hinweist. Er vergisst dabei zu erwähnen, dass dieser Tarifvertrag erst zustande kam, nachdem Menschenrechtsgruppen eine internationale Kampagne gegen die katastrophalen Arbeitsbedingungen bei dem Fruchtmulti gestartet hatten.

Mit neuen Allianzen und neuen Themen tut sich Kenias Gewerkschaftsbewegung schwer. »Frauenfragen und die Einbettung Kenias in die globalisierte Weltwirtschaft haben in der Politik der Gewerkschaften noch viel zu wenig Widerhall gefunden. Damit entgehen ihr wichtige Chancen«, bemängelt Kathini Maloba. Die ehemalige Afrika-Koordinatorin der internationalen Landarbeitergewerkschaft IUF leitet heute die Frauenorganisation KEWWO und unterhält Netzwerke mit Organisationen in Abnahme-ländern kenianischer Waren wie auch im afrikanischen Umfeld. »Die Konsu-menten fordern zunehmend faire Arbeitsbedingungen, die Arbeiterinnen in den Blumenplantagen oder Textilfabriken auch. Wenn sich unsere Gewerkschaften stärker dieser Allianzen bedienen wür--den, könnten die wirtschaftliche Erfolge Kenias auch stärkere soziale Früchte -tragen.«

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Frank Braßel http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413133157 Konsum-Ethik - gibt’s die? Mit der protestantischen Arbeitsethik beschäftigte sich nicht nur ein Tagungsbeitrag, von ihr war auch die Tagung selbst geprägt: Knapp 12 Stunden mit Kürzestpausen wurde referiert und diskutiert. Die Tagung war im klassischen Sinn wohltuend konventionell, aber von der Intensität her sozusagen ein Ausblick in die mögliche Zukunft der allgemeinen deutschen Arbeitswelt.

Wenn man über die Ethik des Wirt-schaftens - und alles Wirtschaften bedeutet ja Konsum - nachdenkt, verschränkt man zwangsläufig Ökonomie und Reflexion über Gesellschaft. Wenn Ökonomen mit Philosophen diskutieren, vermutet man auf den ersten Blick Chaos oder zumindest gegenseitiges Missverstehen. Das blieb hier weitgehend aus: Man kann noch miteinander reden, das ist die erste positive Bilanz. Und man kann auch weitgehend kontroversielle Positionen zur Kenntnis nehmen, das ist die zweite positive Bilanz.

Reflexive Tagungen wie diese, und das ist nun in Hinblick auf allfällige Lesererwartungen zu sagen, haben meist kein eindeutiges Ergebnis, etwa im Sinne von »dem Statuskonsum ist von nun an der allgemeine Kampf angesagt«. Dies könnten Ergebnisse von politischen oder sehr themenfokussierten Tagungen sein.

Eines aber ist klar geworden: Es gibt eine perspektivische Vielfalt, wie an den »Konsum«, also an die kontinuierliche Beschaffung der Lebens-Mittel, welche uns in den modernen Gesellschaften aufgezwungen wurde, heranzugehen ist. Und mehrheitlich wird Konsum doch recht kritisch gesehen. Es ergäbe wenig Sinn, hier alles Angesprochene längsschnittartig aufzusummieren, vielmehr geht es meiner Meinung nach um das Herausgreifen einiger relevanter Positionen.

Ein Eckpunkt wurde beispielsweise von Adela Cortina (Universität Valencia) markiert, die gesellschaftlich zwingende Ziele von individuellem Konsum ansprach, welche sich auf persönliche Autonomie, Gerechtigkeit, Mitverantwortung und subjektive Glücklichkeit zu richten hätten. Und dies wären Sachverhalte, die vor den Kaufakten zu stehen hätten.

Kranke Wirklichkeit
Passend dazu beschrieb Matthias Kettner die Funktion von Werbung und Marketing, die dazu dient, die Souveränität des Konsumenten scheinbar zu stärken (indem sie ihn zum Konsum »verurteilt«), diese jedoch gleichzeitig bricht, indem sie ihn auf eine Marke fixiert. Insgesamt schwächt die zeitgenössische Konsumismus-Kultur die Urteilskraft des Verbrauchers ins Marginale.

Einen zweiten Eckpunkt schärfte der emeritierte Klaus-Michael Meyer-Abich (Universität Essen) am Beispiel des Medizin-Konsums. Die moderne (unhinterfragte) Inanspruchnahme, aber auch das Angebot von Gesundheitsdienstleistungen geht nur an die Oberflächenphänomene, nicht jedoch an saubere Problemlösungen. Denn, so eine von ihm erwähnte alte medizinische Faustregel, die Hälfte aller Kranken benötigt gar keine medizinische Leistung, sondern hat andere (soziale, psychische) Probleme, dem nächsten Viertel der Kranken kann gar nicht medizinisch geholfen werden, weil es noch keine Lösungen für ihre Krankheiten gibt, und das übrigbleibende Viertel bekommt die entsprechende Leistung. Eine dünne Bilanz. Ganz prinzipiell ist damit das Gesundheitswesen der modernen Gesellschaft ein Krankheitswesen, mit dem übrigens keiner der Beteiligten zufrieden ist. Einen dritten Eckpunkt konturierte Lucia Reisch (Universität Hohenheim), die sich auf Imagegüter und auf Statusgüter fokussierte, dabei (zwar nicht explizit) darauf hinwies, dass diese prinzipiell sozial unverträglich sind.

Der vierte Eckpunkt wurde von Birger Priddat (Zeppelin University) markiert, der seine Duplextheorie der Güter darstellte. Das heißt, überspitzt dargestellt, die Ware ist nur mehr im Zusammenhang mit ihrer sozialen Bedeutung zu sehen. Moderne Konsumgüterunternehmen produzieren mit ihrem Marketing und ihrer Werbung »Bedeutungswelten«, und diese sind es, die der Verbraucher in erster Linie kauft, das Konsumgut bleibt demgegenüber sekundär. Es geht um die Interpretation, die der Käufer aus dem Konsum zieht, und von der er glaubt, dass sie bei seinen Anderen, seinen Mitmenschen, seinen Peergroups, dieselbe ist.

Werbung, Marketing und Kaufsucht
Konsumgesellschaft zieht das Phänomen Kaufsucht mit sich mit und ergänzt dabei die Suchtpalette der Individuen, die in einer disaströsen Gesellschaft existieren (müssen). Werbung wirkt als Rechtfertigungsmetapher für Sucht oder Kaufleidenschaft, so Norbert Bolz (TU Berlin). PR-Aktivitäten von Unternehmen wären als sozial verantwortungsvolles Handeln - meint so Martin Belz (TU München) - zu verstehen oder, so denkt man sich, eher misszuverstehen.

Nun, Tatsache ist, für Werbung und Marketing zahlt jeder deutsche Haushalt rund 3000 Euro im Jahr, das sind so ungefähr die Marketingausgaben, die in den Konsumgüterpreisen mit drinnen stecken. Also Kosten für virtuelle Dinge, die mit Werbung produziert werden: Images, Stimmungen, virtuelle Moral, fiktive Normen. Für Verbraucherschutz gibt der deutsche Staat übrigens nicht einmal zwei Euro pro Haushalt und Jahr aus - das sind asymmetrische Verhältnisse, die auch bedächtige Philosophen und Ökonomen zum Staunen bringen können.

In meinem Beitrag betonte ich die Wichtigkeit von Verbraucherbildung: sie gibt es in der Schule praktisch nicht, obschon Kinder und Jugendliche von Marketingaktivitäten fest umzingelt sind. Nur mit einem guten, auch kritischen Verbraucherwissen aber wird es gelingen, den Konsum nachhaltiger zu machen und auch viele Konsumfallen, die bis in die Überschuldung führen können, zu vermeiden.

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Karl Kollmann http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413133139 Kosovo: Versklavte Frauen Eine Europäische Konvention gegen Menschenhandel soll Abhilfe schaffen. Im Mittelalter war Sklaverei eine der wichtigsten Wirtschaftsgrundlagen. Menschenhandel, Zwangsarbeit und Zwangsprostitution sind auch heute wieder florierende Wirtschaftszweige, wenn auch in »moderner« Variante. Eine paradoxe Version von Handel mit Frauen und jungen Mädchen zeigt ein Bericht von Amnesty International1) über die Provinz Kosovo.

Amnesty International (ai) macht die internationale UNO-, bzw. NATO-Präsenz für den massiven Anstieg verbrecherischer Ausbeutung von Frauen und Kindern im Kosovo mitverantwortlich. 1999 wurden an die 40.000 Soldaten der -NATO-Friedenstruppe (KFOR) - darunter 500 aus Österreich - im Kosovo stationiert. Hunderte Kräfte der UN-Mission im Kosovo (UNMIK) und das Personal von über 250 Nichtregierungsorganisationen kamen ins »kosovo polje«, das Amselfeld, das mit »metohija« (Metochien), seit Juni desselben Jahres völkerrechtlich zum Staat »Serbien und Montenegro« gehört.

»Binnen kurzem wurde Kosovo in Europa zu einem der Hauptzielländer für Frauen, die gehandelt und zur Prostitution gezwungen werden. Ein lokaler Kleinmarkt für Prostitution wurde zu einer Großindustrie, die sich auf den vorrangig durch kriminelle Netzwerke organisierten Menschenhandel stützt«, heißt es in dem Bericht. Ihm widmet auch die ai-Arbeitsgruppe verfolgter Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen vermehrte Aufmerksamkeit. Mit gewerkschaftlicher Organisation haben die Frauen, die aus den ärmsten Ländern Europas kommen - vor allem Moldawien, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine - natürlich nichts zu tun. Ihr Leidensweg, der schon in ihren Heimatländern beginnt, hat aber immer soziale, politische und ökonomische Ursachen. »Auch aus diesem Grund müssen diese massiven Menschenrechtsverletzungen Anliegen der Gewerkschaften sein«, meint Sabine Vogler von der genannten ai-Arbeitsgruppe.

Die meisten dieser Frauen geraten in die Netzwerke des organisierten Menschenhandels, weil sie sich Arbeit im Ausland erhoffen. Rund drei Prozent, so schätzt die Internationale Organisation für Migration (IOM), ist sich von Beginn an bewusst, dass es eine Arbeit als Prostituierte ist. »Sicher wusste ich das«, berichtet eine der Zwangsprostituierten, der die Flucht durch Sprung aus dem Fenster gelungen war: »Ich habe fünf Geschwister, niemand von uns findet zu Hause Arbeit. Aber das habe ich nicht erwartet. Ich dachte, ich würde bezahlt bekommen, mir meine Freier selber aussuchen -können. Ich dachte an normale Pro-s-titution.«

Boom der Bordelle
»Handel? Das hat etwas mit Autos zu tun«, meinte ein anderes Opfer. Autos werden allerdings besser behandelt als Menschen, die zu Ware werden. »Vergewaltigung, Folter und Sklaverei«, mit diesen drei Worten fasst Amnesty die erschütternden Zeugnisse der entrechteten Frauen zusammen.

Die meisten der später gehandelten Frauen wissen auch, dass ihre Reise in eine vermeintlich bessere Zukunft nicht ganz legal ist. »Oft schöpfen sie deshalb keinen Verdacht, wenn sie in versperrten Räumen festgehalten und ihnen sämtliche Personaldokumente weggenommen werden«, berichtet Amnesty International. »Sobald sie sich ihrer Gefangenschaft bewusst werden, ist ein Entkommen kaum möglich. Viele werden mit Drogen ruhiggestellt, andere mit brutalen Drohungen, Schlägen und Vergewaltigung gefügig gemacht.« Viele Frauen werden buchstäblich verkauft, andere werden von den »Besitzern« in Hotels oder Privatwohnungen versteigert. Der Preis für eine Zwangsprostituierte liegt zwischen 50 und 3500 Euro.

Durch die internationalen Friedenstruppen, die mit dem Auftrag gekommen waren, die Ordnung im Kosovo wiederherzustellen, kam es zu einem explosionsartigen Anstieg von Bordellen, Bars und Nachtclubs. Die Zahl der registrierten einschlägigen Etablissements war von 18 (im Jahr 1999) auf über 200 (Ende 2003) gestiegen. Ende 1999 berichtete der UN-Entwicklungsfonds für Frauen (UNIFEM) über die Zunahme organisierter Prostitution im Umfeld der KFOR-Lager. Die meisten Freier waren Mitglieder der internationalen Truppen. Einige Angehörige der internationalen Gemeinschaft, so heißt es im ai-Bericht, waren direkt am Handel mit Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden, beteiligt.

Zwar wurden mittlerweile einige positive Schritte im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution im Kosovo gesetzt: So kamen die rund 200 Bars und Nachtclubs auf eine »schwarze Liste« und dürfen von UN-Mitarbeitern und Soldaten nicht mehr aufgesucht werden (»Off limits«). Für die betroffenen Frauen ändert das allerdings wenig, denn nur die Herkunft der Freier hat sich geändert. Heute stammen etwa 80 Prozent der Kunden aus der Provinz Kosovo, 20 Prozent gehören zum internationalen Personal, während es 1999 genau umgekehrt war.

Im Jänner 2001 wurde von der UNMIK die Richtlinie 2001/4 erlassen, die Händler und jene, die wissentlich Sex mit gehandelten Frauen haben, zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen soll. Vorgesehen sind Strafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren, bei Missbrauch Minderjähriger zehn Jahre. Bis dato gab es allerdings keine Verurteilung auf dieser Grundlage. Hauptgrund dafür ist die Straflosigkeit für Mitglieder der internationalen Friedenstruppen. Für sie gilt generelle Immunität, die bei Angehörigen der UNMIK nur vom UN-General-sekretär, bei KFOR-Soldaten nur durch die jeweiligen nationalen Oberbefehls-haber aufgehoben werden kann.

Die positiven Schritte lassen laut Amnesty und Opferschutzorganisationen aber mehr als zu wünschen übrig.

Heute, fünf Jahre nach Ankunft der internationalen Friedenstruppen, wurde zwar erkannt, dass es ein Problem gibt, der richtige Ansatz zur Lösung fehlt aber. »Für die einen sind es bloß Prostituierte, für die anderen ›nur‹ Wirtschaftsflüchtlinge. Ihnen ist nicht klar, was eigentlich hier vor sich geht: Nämlich Sklaverei, mitten im 21. Jahrhundert«, meint die ehemalige Frauenministerin Helga Konrad, nunmehr Leiterin der Abteilung Menschenhandel beim Balkanstabilitätspakt der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Erkenntnis, das es sich um Verbrechen handelt, fehle völlig, meint Konrad. »Der Ansatz lautet: Kampf gegen illegale Einwanderung. Es sind Versuche, die Migration zu managen.«

Eine wichtige Rolle spielen die kosovarische Polizei und die UN-Spezialeinheit gegen Frauenhandel und Prostitution, die im November 2000 gegründet worden war. »Manchmal eine allzu wichtige«, kritisiert Konrad. Anstatt Methoden zum Aufdecken der Drahtzieher und Hintermänner anzuwenden, wie es beim Kampf gegen organisierte Kriminalität üblich ist, stürmen Polizisten Bordelle und einschlägige Bars und Lokale. Kriminalisiert werden die Opfer, nicht die Täter und Mittäter. Denn Prostitution ist im Kosovo und Metochien illegal, die betroffenen Frauen werden abgeschoben, ohne weitere Hinweise auf die Männer geben zu können, die aus ihnen rechtlose Objekte gemacht haben.

Eine gesetzliche Grundlage erhoffen sich die Menschenrechtsorganisationen von der neuen Europäischen Konvention gegen Menschenhandel, an deren Entwurf derzeit im Europarat gearbeitet wird. Alle 45 Mitgliedstaaten des Europarates sind vom Handel mit Menschen betroffen, sei es als Herkunfts-, Transit- oder Zielland. Besonders wichtig ist es, die Rechte der Opfer zu schützen, die bisher auf der Strecke bleiben.

1) ai-Bericht vom 6. Mai 2004 über die Situation im Kosovo (Ser-bien und Montenegro): »›Heißt dies etwa, dass wir Rechte haben?‹ Zum Schutz der Menschenrechte von Frauen und Mädchen, die zur Zwangsprostitution in das Kosovo gehandelt werden.« Deutsche Kurzfassung in der Broschüre amnesty info Nr. 3/2004. Vollversion auf Englisch unter www.amnesty.org

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132943 Kampagnen und Aktionen erfolgreich organisieren |(Folge 1): Die Schmerzgrenze ist überschritten

Die Logik des Profits und die Unterwerfung vieler Regierungen unter das neo-liberale Diktat, bringen die Gewerkschaften zunehmend der Schmerzgrenze näher.

Strategische Kampagnen, wie sie von den US-Gewerkschaften lanciert wurden, zielen darauf ab, spezifische Schwächen und Verwundbarkeiten eines bestimmten Arbeitgebers gezielt auszunutzen. Mittels Taktiken, die aus allen verfügbaren Informationen über die Situation eines Unternehmens abgeleitet werden, wird versucht, die Mobilisierung und Beteiligung von entschlossenen und kämpferischen Mitgliedern zu maximieren. Die Medienöffentlichkeit wird mobilisiert und damit werden die KonsumentInnen involviert. Allerdings erfordert es auch eine Kultur, in der Klarheit darüber besteht, dass Kampagnen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie Schmerzen verursachen. Kampagnen treffen dort, wo es wehtut, sonst sind sie wirkungslos. Zeitgemäße gewerkschaftliche Kampagnen zielen auf kostbare Dinge wie das Image eines Konzerns. Also auf den Lebensnerv.

Klar, die Härte und Konsequenz, mit der Kampagnen in den USA geführt werden, war in Österreich bislang undenkbar. Bislang. Die Zeiten haben sich geändert und die Schmerzgrenze ist vielerorts längst überschritten.

Was ist eine Kampagne?
Diese Serie soll eine klare, einfache und handlungsorientierte Hilfestellung für engagierte KollegInnen sein.

Es soll diejenigen unterstützen, die bereit sind, den Kampf für Gerechtigkeit, Solidarität und Menschlichkeit auch jenseits des Sitzungssaales zu führen.

Eine Kampagne ist eine Serie von Kommunikationsereignissen, oft auch Aktionen genannt, mit dem Mindestziel, eine Veränderung in den Köpfen der Menschen zu bewirken. Das höhere Ziel ist natürlich, Menschen zu einer konkreten Handlung zu motivieren oder auch gegen den Willen eines politischen Gegners etwas durchzusetzen. Anders formuliert: »Kampagnen sind dramaturgisch angelegte, thematisch begrenzte und zeitlich befristete kommunikative Strategien zur Erzeugung öffentlicher Aufmerksamkeit.«

Ein wesentlicher Teil der Erreichung des Ziels ist, das Ziel auch richtig zu formulieren. Wenn das Ziel nicht klar ist, wird die Wahl der Strategie zu einem Spiel mit dem Zufallsgenerator. Deine Kampagne ist zu wichtig, als dass wir sie dem Zufall überlassen sollten. Das Engagement unserer KollegInnen hat es sich nicht verdient, dass die Lage falsch eingeschätzt wird, oder dass es zufällig mal so und mal so ausgeht.

Es gibt einen Unterschied zwischen dem Ziel und der Forderung: Das Ziel setzt sich das Kampagnenteam. Die Forderung ist das für die Öffentlichkeit bestimmte Ziel der Kampagne.

Ziel und Forderung
Das Ziel muss so gewählt sein, dass es Menschen motiviert, sich in dieser Kampagne zu engagieren. Engagement ist für vieles, das wir erreichen wollen, das Zauberwort. Ohne Engagement wird es keinen Erfolg geben. Erfolgreiche Menschen sind nicht unbedingt die Intelligentesten oder die Besten, die mit der teuersten Schulausbildung, die mit den besten Noten, die Schnellsten, die Stärksten. Erfolgreiche Menschen sind oft diejenigen, die mit der größten Begeisterung für ein Ziel arbeiten. Entfachst du bei den Menschen diese Begeisterung, die Bereitschaft Aktionen zu setzten, Handlungen zu tätigen, dann ist der Grundstock für den Erfolg deiner Kampagne gelegt.

Es muss uns gelingen, uns mit unserer Kampagne vom »Alltäglichen« abzuheben. Von 1990 bis Ende der Neunzigerjahre hat sich die Zahl der im deutschsprachigen Fernsehen beworbenen Marken von knapp 2000 auf über 5500 fast verdreifacht. Die Zahl der Werbespots hat sich von 300.000 auf 1,5 Millionen verfünffacht. Immer mehr Geld wird ausgegeben, um immer weniger Publikum zu erreichen. Bei jeder PR- oder Werbetagung heißt es: »Die Werbung muss realistischer werden! Die Werbung muss mutiger, echter und ideenreicher werden! Die Werbung muss provokanter, aktueller und humorvoller werden. Die Werbung muss ehrlicher, zielgruppenorientierter, überraschender und lebensnaher werden!« Mit einem Wort, sie muss kreativer werden.

Kreativität ist etwas, was du nicht verordnen kannst. Es liegt an dir, die Voraussetzungen zu schaffen, die Kreativität ermöglichen. Ist der Planungsprozess - so wie ich ihn einleite - kreativitätsfördernd? Ist der Sitzungsort passend? Ist unsere Sitzungskultur unterstützend? Ist mein Kampagnenziel richtig ausgewählt? Ist die Präsentation meiner Idee kreativitäts-animierend?

Die Beantwortung dieser Fragen ist die Voraussetzung für die berühmte Frage: Was tun?

Trau dich!
Lasst uns realistisch bleiben, versuchen wir das Unmögliche!
Ernesto »Che« Guevara

Dass Kampagnen immer »moderner« werden, hat sicher mit der »Amerikanisierung« unserer Politik zu tun. Dieser Trend ist schon seit Jahren bemerkbar. Als sich im September 1998 der Kandidat der SPD, Gerhard Schröder, für seinen Wahlsieg bedankte, war das in zweifacher Hinsicht ein Wendepunkt. Einerseits natürlich das Ende der 16-jährigen Amtszeit von Bundeskanzler Helmut Kohl und andererseits der Erfolg einer »Amerikanisierung« des Wahlkampfes in Deutschland. Die Medien reagierten damals mit negativen Schlagzeilen. »Die politische Auseinandersetzung wird zur Show« stand dort zu lesen und »... denn es gewinnen die, die den größten Unterhaltungswert bieten«. Wenn man sich die Regeln zur erfolgreichen Kampagne ansieht, kann man zweifelsfrei feststellen: Das Erfolgsrezept dieses »amerikanischen« Wahlkampfes basiert auf den Grundprinzipien einer erfolgreichen Kampagne.

Personalisiert, fernsehtauglich, neue Wirklichkeiten schaffend und erbarmungslos!
In einer Welt, in der

  • die Memoiren von Dieter Bohlen zum absoluten Bestseller werden,
  • die Nation sich vor »Starmania« oder »Deutschland sucht den Superstar« versammelt,
  • Alf Poier und Guildo Horn beim Eurovisions-Songcontest antreten,
  • das Gesprächsthema über Monate die Geschehnisse im »Big Brother«-Container oder im »Taxi Orange«-Haus sind,
  • bei Nachmittagsshows Fragen diskutiert werden wie: »Mein Freund wäscht sich nie« oder »Total verrückt! Mein Mann geht zum Schönheitschirurgen!«,
    ist es in der politischen Auseinandersetzung notwendig, dem eine kreative, schillernde und emotionale Kampagne entgegenzusetzen.

Personalisiere deinen Gegner!
Der ÖGB hat für die Abgeordneten, die für die Einführung der Ambulanzgebühr, die Erhöhung des Pensionsantrittsalters und die Verschlechterung des Urlaubsrechtes gestimmt haben, Tafeln mit dem Slogan:

Ich, (Name der/s Abgeordneten),
betreibe Sozialabbau

angefertigt.

AktivistInnen des ÖGB haben dann bei öffentlichen Auftritten mit diesen Tafeln die MandatarInnen auf ihr Abstimmungsverhalten hingewiesen. Die Reaktion der Abgeordneten war noch heftiger als erwartet. Ein Abgeordneter aus Niederösterreich hat, als er bei einer Wahlkampfveranstaltung in seinem Wahlkreis mit dem Schild konfrontiert wurde, den dortigen BetriebsrätInnen zugerufen: »Was bildet ihr euch ein? Das geht doch hier niemanden etwas an, wie ich in -Wien abgestimmt habe!« Dieses Verhalten zeigt nicht nur sein persönliches demokratiepolitisches Defizit auf, es offenbart auch, wie er in seinem Wahlkreis diese Abstimmung kommentiert. Seine Argumentation mit »die da in Wien haben dafür gestimmt ...« ist in diesem Moment natürlich zusammengebrochen, weil wir aus der Anonymität der »die da in Wien ...« klar herausgearbeitet haben, dass er Teil »derer da in Wien« ist.

Emotionalisierung und Personalisierung sind Kernelemente moderner Kampagnen und Wahlkampfstrategien. Emotionalisieren und personalisieren heißt, vereinfachen, zuspitzen und verkürzen. Die Lüge ist als Mittel untauglich. Emotionalisierung und Personalisierung sind aber keineswegs Neuerscheinungen. Auch in früheren herkömmlichen Wahlkämpfen wurden sie immer angestrebt. (Im nächsten Heft wird dieser Beitrag fortgesetzt.)

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Willi Mernyi (ÖGB-Referat für Kampagnen, Projekte, Zielgruppen) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132915 Standpunkt | Denn wer da hat, dem wird gegeben Gründe werden in der gestiegenen Arbeitslosigkeit (wir haben jetzt den Rekord für die gesamte 2. Republik erreicht - im Oktober waren über 300.000 Menschen ohne Arbeit) genannt und die Angst um den Arbeitsplatz durch die so genannte Globalisierung (Drohung mit Betriebsverlagerung in Niedriglohnländer). Durch immer mehr atypische Beschäftigungsverhältnisse werden auch immer mehr Arbeitnehmer/-innen nicht mehr von den Kollektivverträgen erfasst. Jeder, der schon einmal einen KV durchgesehen hat, weiß, was das bedeutet ...

Niedrige und hohe Gehälter entwickeln sich auseinander: Das oberste Einkommensprozent wuchs seit 1997 fast fünfmal so stark wie die niedrigen.

Während die Löhne nur sehr schwach »wachsen«, sind bei den Vermögen - über die sich die Statistiken ausschweigen - Rekorde zu verzeichnen. Wir wissen zum Beispiel von dem bei Banken und Versicherungen angelegten privaten Geldvermögen, das 320 Milliarden Euro übersteigt, also umgerechnet auf jeden der 8 Millionen Österreicher, vom Baby bis zum Greis, 40.000 Euro. Haben Sie persönlich 40.000 auf der Bank? Sind sie vielleicht verheiratet und haben zwei Kinder? Dann müssten Sie gemeinsam mit Ihren Lieben 160.000 Euro auf der Bank haben. Falls Sie das nicht haben, machen Sie sich nichts draus: Dafür haben die hundert reichsten Österreicher zusammen ein Vermögen von über 50 Milliarden Euro.

»Lieber reich und gesund als arm und krank«, heißt das Sprichwort. Die Steuerprivilegien der Superreichen, die ihr Geld meist in Privatstiftungen haben, sind enorm. »Während von jedem Euro Sparbuchzinsen 25 Prozent Kapitalertragsteuer (Kest) abgezogen werden, sind Privatstiftungen massiv begünstigt: Solange das Geld in der Stiftung bleibt, werden Zinsen nur mit 12,5 und Dividenden aus Gewinnausschüttungen überhaupt nicht besteuert.« In den Jahren von 1992 bis 2003, haben die Wirtschaftsexperten der AK OÖ errechnet, ist die Lohnsteuer um 69 Prozent gestiegen, und die Gewinnsteuer um 19 Prozent. Die wichtigsten öffentlichen Dienstleistungen, wie Schulen oder Spitäler, Polizei, Familienbeihilfen usw. werden immer mehr von den Lohnsteuerzahlern und Konsumenten finanziert, denn die Lohnsteuer und die Steuern der Konsumenten (Mehrwertsteuer usw.) betragen schon mehr als zwei Drittel der Steuereinnahmen des Bundes.

Und welche Steuern und Gebühren wurden in den letzten Jahren erhöht? Natürlich jene, welche die Kleinverdiener am meisten belasten: Kfz-Steuer, Autobahnvignette, Strom- und Erdgassteuer, Mineralölsteuer, die Gebühr für die Reisepassausstellung und und und. Von der angesagten Steuerreform 2005 werden vor allem Arbeitnehmer und Pensionisten nur wenig entlastet, Kleinverdiener unter dem steuerfreien Existenzminimum gar nicht. Großzügig beschenkt werden hingegen die Unternehmen und Großkonzerne, denn sie werden 2000 Millionen Euro weniger Steuer zahlen.

Dazu sagt AK OÖ-Präsident Johann Kalliauer: »Eine gerechte Verteilung von Einkommen und Steuerlasten ist auch wirtschaftlich sinnvoll!«

Die Konjunkturflaute hat ihre Ursache in der zu geringen Kaufkraft (deutlich sichtbar z. B. beim Rückgang des Weihnachtsgeschäfts - wer nix verdient, kauft nix). Nur stärker steigende Löhne können die Flaute überwinden. Eine gerechtere Einkommensverteilung und eine gute wirtschaftliche Entwicklung sind kein Widerspruch, wie das Beispiel einiger skandinavischer Länder zeigt. Vor allem aber gilt eines: Der Sozialstaat ist finanzierbar! Er ist finanzierbar, wenn sich alle nach ihrer Leistungsfähigkeit beteiligen. »Auch Reiche, Unternehmer und Großkonzerne nehmen öffentliche Dienstleistungen in Anspruch, es ist nur gerecht, wenn sie über Steuern mitzahlen.«

Also, wie heißt es im Jargon der Wissenschafter? Der Rückgang der Lohnquote ist der Ausdruck der Umverteilung von Arbeits- zu Kapitaleinkommen und wachsender Lohnunterschiede zwischen den einzelnen Arbeitnehmergruppen mit einem stetig zunehmenden Niedriglohnsektor. Wir Gewerkschafter wollen aber mehr als den Abbau von Arbeits- und Sozialstandards moderieren. Unser Ziel ist die deutliche Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, und allen Vorzeichen zum Trotz bleibt dieses Ziel Mittelpunkt unserer Arbeit.

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132878 Burma: Pagoden und Zwangsarbeit Goldene Kuppeln und Türmchen buddhistischer Pagoden vor einem tiefblauem Himmel, phantastische Monsterfiguren an bizarr ornamentierten Fassaden - Motive der Tourismuswerbung Burmas mit hohem Bekanntheitsgrad. Weniger bekannt ist der Umstand, dass in dem südostasiatischen Land, dessen Namen die Regierung in Myanmar geändert hat, eine Militärdiktatur herrscht, die zu den repressivsten Regimen der Gegenwart zählt: Unterdrückung der demokratischen Opposition, Verbot der Gewerkschaftsbewegung, Diskriminierung ethnischer Minderheiten, Korruption und Drogenhandel zählen zu seinen Markenzeichen. Die Verfassung ist seit 1988 aufgehoben. Ein »goldener Gulag«, wie das deutsche Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« Burma im Jahr 2003 nannte.

Nobelpreis
Einzelheiten über die Menschenrechts-lage in Burma wurden und werden von Anhängern der Demokratiebewegung mühsam vor Ort dokumentiert und unter hoher persönlicher Gefährdung an Hilfsorganisationen im Ausland weitergegeben. Sie finden sich dann - über das Internet leicht zugänglich - in den Berichten der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen sowie von Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International oder dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG), dem auch der ÖGB angehört. Aufkeimende Studentenproteste hatten die Militärs 1988 noch zusammenschießen lassen, 1990 jedoch stimmten sie aufgrund internationalen Drucks der Abhaltung freier Wahlen zu. Überragende Siegerin derselben wurde die von der charismatischen Tochter des Führers der Unabhängigkeitsbewegung gegen Großbritannien, Aung San Suu Kyi, begründete Nationale Liga für Demokratie (NLD). Aung San Suu Kyi erhielt zwar 1991 für ihr gewaltloses Engagement für Gerechtigkeit den Friedensnobelpreis, ihre Partei jedoch wurde von den Generälen ihres Wahlsiegs beraubt und in den Untergrund gedrängt, die Parteivorsitzende selbst unter Hausarrest gestellt.

Zwangsarbeit
Ein weiteres Element der menschenrechtswidrigen Repression in Burma ist die Heranziehung der Zivilbevölkerung (insbesondere der ethnischen Minderheiten des Landes) zu unbezahlter Zwangsarbeit. Ein großer Teil derselben kommt dem Verkehrs-, Infrastruktur- bzw. Tourismussektor Burmas zugute - ein Faktum, das für die aktuelle politische Diskussion zu »Myanmar« von Bedeutung ist.

Wie die allgemeinen bürgerlichen Freiheiten sind auch die gewerkschaftlichen Rechte erheblich eingeschränkt. Der demokratische Gewerkschaftsbund des Landes, die der Demokratiebewegung nahestehende Föderation der Gewerkschaften in Burma, ist in den Untergrund gedrängt (seitens der Militärjunta wurde eine Quasi-Arbeitnehmervereinigung ins Leben gerufen, deren Mitgliedschaft für alle Beschäftigten verpflichtend ist); Neugründungen von unabhängigen Organisationen auf betrieblicher oder branchenmäßiger Basis sind legal praktisch unmöglich. Zusammenkünfte von fünf oder mehr Personen bedürfen einer Genehmigung der Polizei, andere Formen gewerkschaftlicher Betätigung oder gar Streiks sind verboten. »Wer Mitglied einer unrechtmäßigen Vereinigung ist«, heißt es in der Verordnung Nr. 2/88 des so genannten Staatsrats für die Wiederherstellung von Recht und Ordnung (heutiger Name: Staatsrat für Frieden und Entwicklung), »oder an ihren Sitzungen teilnimmt bzw. Beiträge für eine derartige Vereinigung entgegennimmt oder erbittet ... wird mit einer mindestens zweijährigen und nicht mehr als dreijährigen Haftstrafe belegt.«

Haft und Todesurteile für Gewerkschafter
Dass der Gewerkschaftsbund angesichts dessen nur im Untergrund bzw. vom Exil aus tätig ist (etwa 1,5 Millionen burmesische Arbeitsmigrant/inn/en arbeiten in Thailand), nimmt nicht wunder. Im Inland werden unabhängige Gewerkschafter häufig mit langen Haftstrafen belegt (so die Funktionäre der Petrochemiegewerkschaft U Myo Aung Thant und U Khin Kyaw), im Ausland werden Wanderarbeiter/innen und vor allem die burmesischen Matrosen auf hoher See bespitzelt und eingeschüchtert, um sie von Kontakten zur Internationalen Transportarbeitervereinigung abzuhalten. Mehrere Personen, die Informationen an das ILO-Büro in Rangoon geliefert hatten, wurden 2003 zum Tod verurteilt und erst vor kurzem nach heftigen internationalen Protesten zu langjährigen Gefängnisstrafen »begnadigt«.

Als 1990 klar wurde, dass die Militärjunta in Rangoon nicht daran dachte, den Wählerwillen zu respektieren und die NLD, die einzige von der Bevölkerung demokratisch legitimierte politische Kraft, mit der Regierungsbildung zu beauftragen, begann sich internationale Kritik und Solidarität mit dem Widerstand zu formieren. In verschiedenen Ländern Westeuropas bildeten sich Solidaritätsgruppen, welche die NLD unterstützten und Maßnahmen gegen die burmesischen Militärs forderten.

Zugleich begannen auch einzelne Staaten, Maßnahmen gegen die Diktatur zu ergreifen. Regierung und Konzerne aus den Vereinigten Staaten machten den Anfang, teils wegen des rasch wachsenden burmesischen Drogenhandels, dessen Verzweigungen in höchste Regierungskreise reichen, teils im Zeichen einer (vom damaligen US-Präsidenten Bill Clinton geförderten) »politischen Korrektheit« aus Protest gegen die offene Missachtung demokratischer Wahlen. Führende Tourismus- und Ölfirmen aus den USA z. B. zogen sich aus Burma zurück, auch die meisten Kreditkarten (Visa und Mastercard z. B.) sind für den »goldenen Gulag« nicht gültig. 1996 verhängte auch die Europäische Gemeinschaft teilweise Sanktionen gegen »Myanmar«, die bis heute gelten und unter anderem eine Aussetzung offizieller politischer Besuche sowie ein Waffen- und Technologie-Embargo enthalten.

Tourismus und Diktatur
Vor allem die Tatsache der in Burma weitverbreiteten und von den Generälen systematisch organisierten Ausbeutung von Zwangsarbeiter/innen rief die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf auf den Plan. Zwangsarbeit wird als gravierende Verletzung der international akkordierten und auch von Burma selbst ratifizierten grundlegenden Arbeitsnormen gewertet. Insofern war es nicht zufällig die ILO, die im Jahr 2000 als erste internationale Organisation Strafmaßnahmen gegen »Myanmar« wegen Verstoßes gegen das Zwangsarbeits-Übereinkommen forderte; unter anderem wurde für die Einstellung aller touristischen Verbindungen zu Burma plädiert, sofern dieselben auf Leistungen aus Zwangsarbeit beruhen oder das System der Zwangs-arbeit fördern. Damit wurde neuerlich - wie seinerzeit im Fall des Apartheid-regimes in Südafrika - die umstrittene Frage nach der Bedeutung von Tourismus und Tourismuswerbung für diktatorische Regime gestellt: Führt Fremdenverkehr zur schrittweisen Liberalisierung eines Systems oder leistet er im Gegenteil noch Schützenhilfe für derartige Diktaturen?

Gefängnis für Japaner
Die erste Meinung wird, kaum verwunderlich, vor allem seitens der Reiseveranstalter sowie von Tourist/inn/en vertreten, die nicht selten von der Schönheit des Landes und der Freundlichkeit seiner Bevölkerung beeindruckt sind. Wenigen Burma-Reisenden freilich ist bewusst, dass sich nicht nur der organisierte (Reisegruppen), sondern auch der Individualtourismus nur innerhalb sehr enger vom Regime gezogener Grenzen bewegt. Politische Repression und Zwangsarbeit werden von den in der Regel sprachunkundigen und auf (geheimdienstlich überwachte) Fremdenführer und Hotelpersonal angewiesenen Tourist/inn/en kaum wahrgenommen; ebenso wenig der Umstand, dass weite Teile des Landes von den Militärs zu Sperrzonen erklärt wurden und nur mit Sondergenehmigungen betreten werden dürfen. Erst am 24. September 2004 wurden in Mandalay beispielsweise drei japanische buddhistische Mönche zu dreijährigen Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie einige Wochen zuvor eine Nacht in Mogok, einer gesperrten Zone etwa 200 km nördlich von Mandalay, verbracht hatten. Gemeinsam mit ihnen wurden ihr burmesischer Chauffeur, ihr Dolmetscher sowie zwei Studenten verurteilt.

Dass solche zwar wohlmeinenden, politisch aber naiv unternommenen Versuche von Reisenden, auf eigene Faust einen Beitrag zur »Demokratisierung« des Landes zu leisten, in Wirklichkeit nur die lokale Bevölkerung gefährden, ist ein Umstand, der auch aus anderen Diktaturen bekannt ist.

Darüber hinaus bieten touristische Verbindungen und vor allem die von Fluglinien und Reisebüros betrieben Werbemaßnahmen (im Fall Burmas die Hochglanzbroschüren mit den goldenen Tempeln vor blauem Himmel) dem Regime eine willkommene Propagandaplattform im Ausland.

Aufruf des IBFG
Die internationale Gewerkschaftsbewegung - vor allem der IBFG sowie die Internationale Transportarbeitervereinigung, die für den Verkehrssektor zuständig ist - vertreten daher die zweit-genannte Meinung. IBFG-Generalsekretär Guy Ryder: »Die globale Gewerkschaftsbewegung ruft die internationale Gemeinschaft und im besonderen die multinationalen Konzerne zu Wirtschaftssanktionen gegen Burma auf, um auf diese Weise mit friedlichen Mitteln eine Demokratisierung des Landes und die Übertragung der Regierungsgewalt an die durch Wahlen legitimierte Nationale -Liga für Demokratie durchzusetzen.«

Österreich ist von dieser Debatte in besonderer Hinsicht betroffen. Nicht nur hat ein privates (gewerkschaftlich nicht organisiertes) Reisebüro Burma als eine Marktlücke entdeckt, als einzige europäische Fluglinie führt vielmehr auch die Lauda Air während der Wintersaison Direktflüge von Wien nach Rangoon und unterläuft somit den von der Internationalen Arbeitsorganisation geforderten Tourismusboykott - an den sich zwar nicht die asiatischen, immerhin aber US-amerikanische und die anderen EU-Fluglinien halten. Auch abgesehen davon ist die Optik nicht die beste: Wie angesichts der Verhältnisse im militärisch regierten Burma nicht anders zu erwarten, wurde die Flugverbindung Wien - Rangoon der Lauda Air im November 2002 im Rahmen einer feierlichen Zeremonie eröffnet, an der hochrangige Generäle wie Verkehrsminister Hla Myint Swe und der Minister für Hotel und Tourismus, Thein Zaw, teilnahmen - was in der regierungsnahen Presse in Burma natürlich groß berichtet wurde.

Verantwortung der AUA
Dadurch provoziert, laufen seit März 2003 in mehreren europäischen Ländern NGO-Proteste gegen Austrian Airlines, koordiniert von dem (mit Unterstützung der EU agierenden) Burma-Zentrum in Amsterdam. Eveline Bontje, zuständige Kampagnemanagerin, erklärt dazu:

»Austrian Airlines propagiert durch diese Flüge einen Massentourismus nach Burma, der das Militärregime finanziell und moralisch unterstützt, Zwangsarbeit stützt und den Wünschen der demokratisch gewählten Oppositionspartei, des NLD, entgegenläuft.

Menschenrechtsorganisationen, Gewerkschaften und Burma-Solidaritätsgruppen in mehr als 15 Ländern protestieren dagegen durch Petitionen, Briefe und auch Demonstrationen auf den Flughäfen. Und diese internationale Kampagne gegen Austrian Airlines geht weiter.«

Das Image der österreichischen Airline, die sich in anderen Bereichen als sozial und ökologisch verantwortungsbewusste Fluglinie profiliert hat, sieht sich dadurch in Frage gestellt.

Gehen die Proteste weiter, stehen AUA und Lauda Air über kurz oder lang vor der Alternative, entweder kurzfristige Erträge durch politisch bedenkliche Flüge in einer »Marktnische« zu erwirtschaften oder sich langfristig ein positives Image im Sinne der corporate social responsibility zu schaffen bzw. zu erhalten. Auch für die Beschäftigten von Austrian Airlines, die den umstrittenen Flügen ihrer Firma in vielen Fällen selbst ambivalent bis kritisch gegenüberstehen, sind die internationalen Proteste nicht angenehm.

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch hat deshalb das AUA-Management und Vertreter der internationalen Gewerkschaftsbewegung ersucht, Gespräche über die umstrittenen Flüge nach Burma und die von Gewerkschaften und NGOs daran geübte Kritik aufzunehmen.

Über die Ergebnisse wird »Arbeit&Wirtschaft« sicher berichten.

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Walter Sauer (Internationales Referat des ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132869 Weltklasse-Uni am Abgrund Studierende der Publizistik an der Universität Wien staunten am Beginn dieses Semesters nicht schlecht. Zwar müssen sie seit Herbst 2001 Studiengebühren bezahlen, doch wer gedacht hätte, dass dies auch bessere Studienbedingungen bedeutet, befand sich im Irrtum: Wegen akutem Personalmangel konnten vorübergehend an diesem Institut keine Diplomarbeiten mehr betreut werden, wie der Leiter Wolfgang Langenbucher verlautbaren ließ.

Das Bildungsministerium machte trotz eklatanter Ressourcenmängel den Institutsvorstand selbst für die Misere verantwortlich. Und die Leitung der Universität plante, mit einer bizarren Idee Aushilfe zu schaffen: Von außen sollten (via Ausschreibung) kompetente Gutachter zugekauft werden, um die angehenden Jungakademiker/innen aus der Ferne zu betreuen: Professorinnen und Professoren, per Werkvertrag verpflichtet, um die fehlenden Stellen auszugleichen: Wer solche Vorschläge unterbreitet, verrät ein seltsames Verständnis von »Betreuung«, die ja gerade in regelmäßigem Austausch und persönlicher Beratung besteht.

Mangelverwaltung und Eliteuniversität
Geplante drei Anwesenheitstermine in Wien und die Kommunikation über eine E-Learning-Plattform waren wohl kaum geeignet, derart professionelle Unterstützung zu gewährleisten. Zwar zeichnen sich in der Zwischenzeit andere Lösungen ab und leicht könnte man die Ereignisse für einen Sonderfall halten: Eine populäre Studienrichtung, bei der Angebot und Nachfrage auseinanderklaffen - das kann schon einmal vorkommen, zumal in einer Marktwirtschaft. Doch die Situation am Wiener Publizistikinstitut ist alles andere als ein Einzelfall. Sie hat nur, im Gegensatz zu vielem, was an den österreichischen Universitäten geschieht, den Sprung in die Medienberichterstattung geschafft. Doch es handelt sich eben nur um die Spitze des viel zitierten Eisberges. Überfüllte Seminare, Raumnot, mangelnde technische Ausstattung der Institute und eine vielfach steigende Anzahl von Studierenden, mit der die Entwicklung des akademischen Personals nicht mithalten kann, kennzeichnen die Situation der Universitäten. Besonders in Wien. Die Rektoren forderten jüngst ein Notprogramm vom Finanzminister in Gestalt einer Soforthilfe in der Höhe von 100 Millionen Euro, um zumindest den bestehenden Betrieb aufrecht zu erhalten. Doch während dieser wieder in die rhetorische Trickkiste seiner Managementfibeln griff und inhaltsleer »mehr Effi-zienz« forderte, verschärfen sich die -Engpässe im Hochschulbereich. Die -Unzufriedenheit aller Beteiligten steigt. Dass Österreichs Universitäten durch die Wissenschaftspolitik der schwarz-blauen Regierung zur »Weltklasse« werden könnten, wie dies die Ministerin Gehrer vollmundig angekündigt hatte, ist längst außerhalb jeder Diskussion. Die Weltklasse-Uni taugt heute nur mehr als Lachnummer. Denn die in die Autonomie entlassenen Universitäten können nun vor allem eines: Völlig »autonom« den Mangel verwalten. Die Priorität der derzeitigen Wissenschaftspolitik scheint ohnedies woanders zu liegen: Eliteuniversitäten kommen ausgerechnet in einer Situation aufs Tapet, in der in Teilen des Hochschulbereichs die grundlegende Funktionsfähigkeit gefährdet ist. Wie konnte es dazu kommen? Hier empfiehlt sich ein kurzer Rückblick.

Zweierlei Universitätsreformen

Jede einschneidende Reform der neuen ÖVP/FPÖ-Regierung wird gerne mit Versäumnissen und Fehlentwicklungen der großen (»sozialistisch« geführten) -Koalition begründet, die vor »Schwarz-Blau« Österreich regierte. Dass die ÖVP auch in dieser Regierung prominent vertreten war und Ministerämter besetzte, zählt zu den bestgehüteten Geheimnissen der österreichischen Politik. Vor allem stellte die ÖVP etwa mit Hans Tuppy (1987-1989) und Erhard Busek (1989-1994) auch Wissenschaftsminister. Vermutlich ist dies der Grund, warum bei Schuldzuweisungen in der Wissenschafts- und Hochschulpolitik noch weiter zurückgeblickt wird. Nun ist die Phase der sozialistischen Alleinregierung (1970-1983), in der Hertha Firnberg das damals neu geschaffene Wissenschaftsministerium leitete, Stein des Anstoßes. In dieser Zeit, so kann man auch heute immer wieder hören, lägen die Wurzeln der österreichischen Hochschulmisere begraben. Die Universitäten, argumentierte deswegen auch der wie immer über allen Parteien stehende Nationalratspräsident Andreas Khol, seines Zeichens selbst Universitätsprofessor, würden mit dem neuen Universitätsorganisationsgesetz (UOG) 2002 aus jener Sackgasse herausgeführt werden, in die sie Kreisky und Firnberg gebracht hätten. Doch damit macht er sich die Sache sicher zu einfach. Ein Kern des UOG von 1975 bestand in der Verankerung der Mitbestimmung in allen universitären Gremien. Professoren, der so genannte Mittelbau (Assistenten), aber auch Studierende sollten an der demokratischen Willensbildung in Angelegenheiten der Universität teilnehmen können. Schon davor, im Jahr 1972, erfolgte die Gebührenbefreiung an allen Universitäten.

Zwei wesentliche Zielsetzungen waren also mit dieser Reform verbunden: Die Demokratisierung der universitären Strukturen einerseits, die Öffnung der Hochschulen für möglichst alle gesellschaftlichen Schichten andererseits. Damit machte sich die Sozialistin Firnberg natürlich nicht nur Freunde. Die Reform stieß auf Ablehnung von vielen Professoren, die Teile ihrer Macht abgeben mussten. Sie fand ihre Gegnerschaft aber auch in einer konservativen Wissenschaftspolitik, die einem elitären Modell verpflichtet war.

Heute haben die Universitätsreformen der Siebzigerjahre kein gutes Image. Ineffizienz, »Gremialismus«, mangelnde Entscheidungsfähigkeit und Abhängigkeit von den ministeriellen Strukturen sind nur -einige der Vorwürfe, die, teils zu Recht, erhoben wurden. Auch muss zugegeben werden, dass vieles, das damals intendiert war, nicht erreicht worden ist. Den Hochschulzugang für alle zu öffnen scheiterte nicht nur an sozialen, sondern auch an kulturellen Barrieren: Nach wie vor ist der Anteil der Studierenden aus Arbeiterhaushalten oder Bauernfamilien geringer als jener aus den Mittel- und Oberschichten. Die Welt der »großen Wörter«, die der aus bäuerlichem Milieu stammende österreichische Schriftsteller Franz Innerhofer beschrieben hatte, erwies sich auch nach dem Wegfallen finanzieller Hindernisse für viele als schwer zugänglich. Aber dennoch: Der Umstand, dass nicht alle gesellschaftspolitischen Zielsetzungen erreicht worden sind, bedeutet nicht automatisch, dass diese Zielsetzungen falsch waren.

Hinter Modelle der Mitbestimmung und den freien Hochschulzugang sollte -eigentlich kein Weg zurück führen. Die Reformen der jetzigen Regierung gehen in die entgegengesetzte Richtung. Sie unterscheiden sich eben nicht nur dadurch, dass sie angeblich professioneller gemacht sind - was angesichts der Realität an den Hochschulen schwer nachvollziehbar ist - sondern vor allem auch in ihren gesellschaftspolitischen Zielsetzungen von der Wissenschaftspolitik der Siebzigerjahre. Nicht in der Demokratisierung der Hochschulen, sondern in der Wiedereinführung der Professorenuniversität bei gleichzeitiger Abwertung der Mitbestimmungsmöglichkeiten des Mittelbaus und der Studierenden scheint ihr Kern zu liegen. Neben der starken Person des Rektors, der zu einem umfassenden Wissenschaftsmanager avancierte, dessen Kompetenzen massiv gestiegen sind, wacht ein Universitätsrat über das Geschehen.

Politische Umfärbung
Sind diese neue Strukturen nun effizienter, die Hochschulen wirklich unabhängiger? Einerseits stellt sich die Frage, ob die darin vertretenen Personen aus Wirtschaft und Gesellschaft auch fachlich kompetente und nicht nur politisch genehme Berater/innen im Wissenschaftsbereich sind - insbesondere einige von der Regierung nominierte Räte warben bei der letzten Nationalratswahl eifrig für Bundeskanzler Schüssel. Andererseits kamen diese Universitätsräte auch deswegen ins Gerede, weil sich Persönlichkeiten aus fragwürdigem politischen Milieu darunter befanden:

»Burschenschaftlichen bzw. rechtsextremen Hintergrund« ortete das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in manchen Fällen. Statt der rhetorisch viel strapazierten Entpolitisierung schien also wieder einmal politische Umfärbung auf der Tagesordnung zu stehen.

Dazu passt auch die jüngst von der ÖVP initiierte Novelle des Hochschülerschaftsgesetzes: Denn durch die Abschaffung der Direktwahl der ÖH wird nicht nur die studentische Interessenvertretung generell geschwächt. Wie durch Zufall würde eine Umlegung der derzeitigen Kräfteverhältnisse auf das neue Wahlrecht auch eine Änderung der Mehrheitsverhältnisse zugunsten der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft bedeuten. Aus rot-grün mach schwarz-blau. So einfach geht das.

Die Wissenschaftspolitik wiederum bestimmt heute ein Forschungsrat (Rat für Forschung und Technologieentwicklung) wesentlich mit, der vor allem die Anschlussfähigkeit an die Wirtschaft gewährleistet sehen will. Doch während dies bei manchen Studien wünschenswert sein mag, sind damit Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften vor unlösbare Probleme gestellt.

Wie soll ein Ägyptologe wirtschaftsnah arbeiten, wie ein Sprachwissenschaftler betriebswirtschaftliches Denken fördern? Bedeutet die einseitige Ausrichtung an ökonomischen Imperativen nicht eine Abkehr von der Idee der Universität, die ihr eigentliches Ziel ja im unabhängigen Forschen und nicht im vorgeschriebenen Nutzen hatte?

Intellektuelle Reservearmee
Dramatisch sind die Veränderungen nicht nur im politischen und wirtschaftlichen Bereich - auch sozial betrachtet sind massive Verschlechterungen festzustellen. Dies betrifft nicht nur die Studierenden. Sie werden durch Studiengebühren belastet (Studierende aus Nicht-EU-Staaten müssen die doppelte Studiengebühr zahlen!), die mit keinerlei Verbesserungen der Studiensituation verbunden sind. Eine Halbierung der ERASMUS-Stipendien von 12 auf 6 Monate (Internationalisierung!) scheint nun spät, aber doch wieder rückgängig gemacht zu werden.

Drastisch sind die Einschnitte aber auch, was die Arbeitsbedingungen am unteren Ende der Universitätshierarchie betrifft. Da es sich dabei um Gruppen mit schwachen oder keinen Lobbys handelt, blieb dies von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt. Geschaffen wurde zum Beispiel die Kategorie von »wissenschaftlichen Mitarbeiter/inne/n in Ausbildung«, die vielfach de facto die Arbeit von früheren Assistenten verrichten, aber mit dem Argument, (gleichzeitig) ihre Dissertation fertigstellen zu können, nur den halben Lohn erhalten. Besonders betroffen ist aber auch jene Berufsgruppe, die bisher sehr viel zur thematischen Öffnung, zur Anbindung an die praktische Forschung und zur Erweiterung des Studienprogramms beigetragen hat: die externen Lektorinnen und Lektoren. Das ist jene Personengruppe von meist hauptberuflichen außerhalb der Universität tätigen Wissenschaftler/innen, die Lehraufträge anbieten, in die sie ihre Forschungs-praxis einbringen.

Gerade angesichts schwindender Ressourcen im »freien« (also institutionell ungebundenen) Forschungsbereich ist für manche von ihnen die Lehre an der Universität allerdings längst zu einem wesentlichen Teil ihres Erwerbs geworden, die auch nötige Versicherungsleistungen miteinschloss. Während nun an den meisten Universitäten der Personalmangel ein überaus ernstes Problem darstellt, setzt gleichzeitig bei dieser Gruppe eine neue (Personal-)Einsparungsoffensive an. Ihre Lehraufträge werden in der Bezahlung (sofern nicht gänzlich gestrichen) um ein bis zwei Drittel gekürzt! Angesichts nicht gerade üppiger bisheriger Honorierung und bereits vorangegangener Kürzungen in den Neunzigerjahren kann dies vielfach nur als »Einladung« an die Externen verstanden werden, ihre Lehrtätigkeit einzustellen.

Obgleich die Praxis durch die Autonomie der jeweiligen organisatorischen Einheiten variiert, zeichnet sich eine klare Tendenz ab, Lehraufträge so weit herabzustufen, dass die Lektorinnen und Lektoren bei einer zweistündigen Lehrveranstaltung im Semester unter die Geringfügigkeitsgrenze und somit auch aus der Sozialversicherung hinausfallen.

Am dramatischsten ist die Situation am Wiener Institut für Geschichte, wo künftig statt der höchsten Bezahlungsstufe von 2400 Euro brutto nur mehr rund 900 Euro pro Semester für eine zweistündige Lehrveranstaltung bezahlt werden sollen. Das ergäbe selbst nach den äußerst unrealistischen (weil die Vorbereitungszeiten zu knapp bemessenden) Arbeitszeiten, welche die Wiener Universität ihren neuen Verträgen zugrunde legt, einen Stundenlohn von (unversteuert und ohne Sozialversicherung) rund 10 Euro!

Dies ist nicht nur ein frivoler Lohn für qualifizierte Arbeit, sondern bedeutet - aufgrund der unterschiedlichen Handhabung auf verschiedenen Fakultäten, Fachbereichen und Instituten - eine eklatante Ungleichbehandlung gleicher Tätigkeiten.

Doch da die Alternativen für viele gering und das »symbolische Kapital« universitärer Tätigkeit die monetäre Unterdotierung mildert, wird es wohl auch für jene, die unter diesen Bedingungen ihre Tätigkeit einstellen, rasch Ersatz geben. Denn die Arbeitslosigkeit unter Akademiker/inne/n hat längst eine intellektuelle Reservearmee entstehen lassen, die auch unter schlechtesten Bedingungen nachrücken könnte. »Prekarisierte«, also in prekären sozialen Verhältnissen lebende Intellektuelle, sind eben erpressbar. Was liegt also näher, als genau bei jener Gruppe den Sparstift anzusetzen?

 
R E S Ü M E E

Zwei Systeme?

Auch wenn die
Betroffenheit von Standort zu Standort verschieden ist: Das Gesamtbild der österreichischen Universitätslandschaft ist schon etwas düster. Mitbestimmungsmöglichkeiten werden eingeschränkt, Zugangsbarrieren teils bereits errichtet, teils diskutiert, Gegensätze im ohnedies durch Ungleichheiten geprägten Universitätssystem noch vertieft. Es ist Vorsicht angesagt, damit nicht weitere Restriktionen ein immer schlechter werdendes universitäres System für die »Allgemeinheit« gegenüber einem hoch dotierten, mit entsprechenden Gebühren und privatwirtschaftlichen Strukturen ausgestatteten elitären Ausbildungssystem zurückdrängen. Denn spätestens dann drohte massiver Schaden für das Bildungssystem, aber auch für die Gesellschaft: Wenn Universitäten, die immer noch zentralen Ausbildungs- und Forschungsstätten des Landes, auf Ökonomisierung und Hierarchisierung verpflichtet werden - so bedeutet dies einen politischen Schaden, der auf die Gesellschaft zurück wirkt.

Wenn viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weggehen oder der Wissenschaft den Rücken kehren (gerade diese Gruppe zählt ja aufgrund der langen Ausbildungszeit auch zu den Verlierern der Pensionsreform!), dann ist intellektueller Schaden unabwendbar. Verbunden damit ist eine Einengung der wissenschaftlichen Perspektive, denn was sukzessive zurückgedrängt werden wird, sind jene Bereiche, die sich ökonomisch nicht eindeutig rechtfertigen können. Dazu zählt auch eine gegenüber der Gesellschaft kritisch orientierte Forschung, von der jede Veränderung lebt.

Die Frage lautet: Was ist das Ziel der Wissenschaftspolitik - und dies ist auch gesellschaftspolitisch zu definieren. Ökonomisierung und Nutzenanwendung allein greifen jedenfalls zu kurz.

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Günther Sandner (Politologe und Lehrbeauftragter http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132825 Gewalt zahlt sich nicht aus

ES GIBT EINEN PLATZ,
WO SICHER KEIN
MANN HINKOMMT.

Frauenhelpline: 0800 222 555

frauenhaus

Über das erste blaue Auge hatten sie noch gescherzt. »Oh, ein Veilchen«, hatte die Betriebsrätin gemeint. »Ja, die Stiegen hinunter gefallen«, hat die Kollegin lachend geantwortet - wie im Klischee. Die Betriebsrätin hat nicht weiter gefragt. Die Kollegin wirkte nicht, »wie eine, die von ihrem Mann geschlagen wird«. Aber dann folgten weiter Spuren von Gewalteinwirkung und der eine oder andere Krankenstand. »Ich bin so ungeschickt«, betonte die Frau, als sie die Betriebsrätin wieder einmal drauf ansprach. Irgendwann landete die Frau dann im Krankenhaus - halb tot geprügelt vom eigenen Mann. Die Betriebsrätin macht sich heute noch Vorwürfe.

»Es fällt den Opfern meistens sehr schwer, über das zu reden, was ihnen von ihrem Partner angetan wird«, weiß Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Acht solcher Opferschutzeinrichtungen gibt es in Österreich. Eingerichtet wurden sie als Begleitmaßnahme zum österreichischen Gewaltschutzgesetz, das 1997 in Kraft getreten ist. Finanziert werden sie zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Inneres und vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Am Konzept der Interventionsstelle war die Diplomsozialarbeiterin Logar maßgeblich beteiligt. Als Mitbegründerin des ersten Frauenhauses in Österreich 1978 war ihr und ihren Kolleginnen vom Verein Autonomer Österreichischer Frauenhäuser bald klar, dass das Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in Familien Begleitmaßnahmen benötigt.

Bis Klaus seinen Arbeitsplatz verloren hat, war alles in Ordnung. Sicher, er war eher der eifersüchtige Typ, aber Susanne sah das auch immer ein bisschen als Liebesbeweis. Mittlerweile kontrolliert er den Dienstplan der Altenpflegerin minutiös nach. »Ich komme kaum zum Arbeiten aufgrund der ständigen Kontrollanrufe. Sogar in meiner Dienststelle hat Klaus schon angerufen, nachfragen, ob ich auch tatsächlich eingeteilt worden bin«, erzählt sie. Immer öfter beschimpft er sie laut und ordinär: »Ich habe jeden Tag Angst vor dem Heimkommen. Auch unser 15-jähriger Sohn leidet unter der Situation.«

Vorbildliches Gewaltschutzgesetz
»Das Gewaltschutzgesetz schützt jede Person in der Familie«, betont Logar - fügt aber gleich hinzu: »Unserer Erfahrung nach sind aber 95 Prozent der Opfer Frauen und Kinder und 95 Prozent der Täter männliche Familienmitglieder oder Lebensgefährten.« Wichtigster Punkt dieses Bundesgesetzes, das mittlerweile in Europa Vorbildwirkung hat, ist das so genannte Wegweiserecht. Laut diesem Gesetz hat die Polizei das Recht, eine Person, von der akute Gefahr für andere ausgeht, sofort aus der Wohnung, dem Haus und der näheren Umgebung zu verweisen und ein Betreten dieses Bereiches zu verbieten, ganz egal ob Ehepartner oder Lebensgefährte. Die Opfer können - unabhängig davon, wem Wohnung oder Haus gehört oder wer Hauptmieter ist - in der gewohnten Umgebung verbleiben. Ist eine strafbare Handlung wie z. B. Nötigung, Körperverletzung, Vergewaltigung oder Freiheitsentzug gesetzt worden, muss die Polizei eine Anzeige aufnehmen. »Nach jeder Wegweisung informiert die Polizei eine Interventionsstelle«, erklärt Rosa Logar: »Wir setzen uns dann mit den Opfern in Verbindung und versuchen gemeinsam ein weiteres Vorgehen zu entwickeln.« Dabei muss rasch gehandelt werden, denn das Wegweiserecht bleibt für nur zehn Tage aufrecht. Dann müssen - falls notwendig - weitere Maßnahmen gesetzt werden, etwa eine Einstweilige Verfügung.

»Es ist mir einfach passiert. Ich wollte das nicht. Sie weiß doch genau, dass ich es so möchte, warum provoziert sie mich auch«, begründet Karl »die Watschn«. Er vergisst zu ergänzen, dass es mehr als eine Ohrfeige war, die er seiner Frau verpasst hat, weil das Essen nicht pünktlich am Tisch stand. Er hat Maria so heftig geschlagen, dass die Nachbarn die Polizei rufen mussten. Maria war nach dem zweiten Kind zu Hause geblieben. Sie hat niemanden, mit dem sie über die Gewaltausbrüche ihres Mannes reden kann.

Gefährliche Trennungsphase
»Das Wegweiserecht ist sehr wertvoll, bietet aber keinen hundertprozentigen Schutz vor Gewalt. Im Fall von Waffenbesitz, Mord- oder Selbstmorddrohungen, Alkohol- oder Drogensucht oder krankhafter Eifersucht raten wir den Opfern, ins Frauenhaus zu gehen, bis die gefährlichste Zeit vorbei ist«, erklärt die Sozialarbeiterin: »Auch im Fall einer Trennung oder Scheidung ist es oft besser, den gewohnten Ort zu verlassen. Da passieren die meisten Gewalttaten.« Und gerade diese gehen nur allzu oft tödlich aus, wie man tagtäglich auf den Chronikseiten der Zeitungen lesen kann.

»Vom ersten Augenblick an bin ich wahnsinnig verliebt in sie gewesen«, erklärte Martin im Verhör, nachdem er seine Freundin Gudrun erwürgt hat. Als sie ausziehen wollte, weil sie seine Eifersucht und die daraus resultierenden Streitigkeiten nicht mehr aushielt, bekam er »eine irre Wut«. Erst als die große Liebe tot war, begriff er, was geschehen ist: »Sie wollte mich verlassen - deshalb tat ich etwas, wozu ich niemals glaubte fähig zu sein.«

16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Österreichische Fraueneinrichtungen engagieren sich schon seit 1992 bei der internationalen Kampagne »16 Tage gegen Gewalt an Frauen« vom 25. November bis 10. Dezember. Mit dabei war auch die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai), die am 10. Dezember 2004 eine Tagung zum Thema veranstaltete. Der Grund, warum sich ai auch hier engagiert, findet sich auf der Homepage der ai academy:

»Die weltweit häufigste Todesursache von Frauen im Alter zwischen 16 und 44 Jahren ist häusliche Gewalt. Gewalt an Frauen fordert mehr Opfer als Krebs, Verkehrsunfälle, Malaria und Krieg zusammen. Sie findet Tag für Tag in allen Ländern, Kulturen und sozialen Schichten statt.

Drei Viertel aller in der österreichischen Kriminalstatistik ausgewiesenen Gewalt- und Tötungsdelikte werden im familiären Kontext begangen. Gewalt an Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Gewalt ist nie ›privat‹, sondern fordert das entschiedene Auftreten privater und staatlicher Institutionen.«

Aus den Chronikseiten von ORF ON im August dieses Jahres: Ein 40-Jähriger hatte seine Freundin mit einem Fleischschlögel traktiert. »Er hat ihn mir auf den Kopf und den Rücken geschlagen, bis ich das Bewusstsein verloren habe«, erzählte die Frau vor Gericht. Die Frau hatte einen anderen Mann kennen gelernt, was das Ende der Beziehung zum 40-Jährigen bedeutete. Trotzdem besuchte sie ihn im Juli. Man trank Schnaps, unterhielt sich und sprach schließlich über die Beziehung. Dabei rastete der Ex-Freund aus. Er beschimpfte die Frau und ging dann mit dem Fleischschlägel auf sie los. Der Richter verurteilte ihn rechtskräftig wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu acht Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt. Zusätzlich muss er 2000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Der Staatsanwalt erwähnte am Rande ein anderes Urteil: »Gestern war ich bei einer jungen Richterin eingeteilt, die hat für gewerbsmäßigen Diebstahl 20 Monate unbedingt verhängt. Bei einem Schaden von 100 Euro.«


I N F O R M A T I O NInterventionsstellen in Österreich
Interventionsstellen sind Opferschutzeinrichtungen, die Frauen und ihren Kindern nach einer polizeilichen Wegweisung des Partners/Ehemanns Beratung und Unterstützung anbieten. Die Interventionsstellen wurden als Begleitmaßnahme zum österreichischen -Gewaltschutzgesetz eingerichtet.

Burgenland
Steinamangerer Straße 4/2, 7400 Oberwart
Tel. 03352/314 20, Fax 03352/314 20-0,
intervention@utanet.at

Vorarlberg
Drevesstraße 2/3. Stock, 6800 Feldkirch
Tel. 05522/824 40, Fax 05522/824 40-20,
interventionsstelle@ifs.at

Tirol
Museumsstraße 27, 6020 Innsbruck
Tel. 0512/571 313, Fax 0512/573 942
interventionsstelle.tirol@utanet.at

Salzburg
Paris-Lodron-Straße 3a/1/5,
5020 Salzburg
Tel. 0662/870 100, Fax 0662/870 100-44,
istsalzburg@netway.at

Oberösterreich
Scharitzerstraße 6-8/V, 4020 Linz
Tel. 0732/607 760, Fax 0732/607 760-10
office@interventionsstelle.org

Niederösterreich
Kremsergasse 37/1. Stock, 3100 St. Pölten
Tel. 02742/319 66, Fax 02742/319 66-6,
office.st.poelten@istnoe.at

Steiermark
Granatengasse 4/1. Stock, 8020 Graz
Tel. 0316/774 199, Fax 0316/774 199-4,
office@interventionsstelle-steiermark.at

Kärnten
Radetzkystraße 9, 9020 Klagenfurt
Tel. 0463/590 290, Fax 0463/590 290-10, interventionsstelle@carinthia.at

Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels
Markhofgasse 4/6, 1030 Wien
Tel. 01/796 92 98, Fax 01/796 92 99,
lefoe@t0.or.at

Frauenhelpline 0800/222 555
»Zivilcourage ist gefragt, ob von den Nachbarn, dem Arbeitskollegen oder der Betriebsrätin«, erklärt die Expertin Logar: »Und dabei ist es sehr wichtig, den Opfern vorerst einmal nur zuzuhören. Ihnen das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden.« Dass das nicht immer einfach ist, weiß die Sozialarbeiterin aus ihrer langjährigen Erfahrung und verweist auf die Frauenhelpline. Auch sie wird vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen finanziert. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich betreuen unter der Telfonnummer 0800/222 555 professionelle Mitarbeiterinnen anonym und vertraulich die Anrufenden.

Die primären Zielgruppen sind neben Frauen, die von physischer, psychischer und/oder sexueller Gewalt betroffen oder bedroht sind, deren Kinder, sowie Frauen in Beziehungs- und Lebenskrisen. Die Formulierung »Frauen in Beziehungs- und Lebenskrisen« wurde übrigens gewählt, um auch jene von Gewalt betroffenen Frauen anzusprechen, die ihre oft tagtäglich erlebten Gewalterfahrungen nicht als Gewalt erkennen oder für sich benennen können. Gründe dafür können Scham und Schuldgefühle oder auch Angst vor Stigmatisierung sein.

»Oft beginnen Gespräche bzw. Anrufe mit den Worten: Ich weiß nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin, geschlagen werde ich nicht, aber ...«, berichten die Mitarbeiterinnen. Im Lauf des Gesprächs stelle sich dann heraus, dass es sich möglicherweise zwar nicht um körperliche jedoch um vielfältige andere Formen von Gewalt handelt. Denn auch totale Kontrolle, Isolation von FreundInnen und Familie, materielle, physische oder psychische Ausbeutung, psychischer Druck, fortgesetzte Beschimpfungen sind als Gewalt zu werten.

Bei Gewalt gegen Frauen innerhalb von Familie und/oder Partnerschaft sind sehr oft Kinder und Jugendliche mit oder direkt betroffen. Auch ihnen bietet die Frauenhelpline durch eine erste telefonische Krisenberatung Rat und Hilfe an.
Eine weitere, wichtige Zielgruppe sind Personen aus dem Umfeld der Betroffenen, die Rat und Entlastung suchen und sich mit dem Wunsch zu helfen und der Sorge um die Betroffenen oft überfordert fühlen. Dazu gehören Verwandte, Bekannte, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen etc.

Und nicht zuletzt bietet diese Helpline auch sozialen Institutionen, die in ihrer Arbeit mit dem Thema Gewalt konfrontiert sind, wie z. B. Exekutive, Gerichten, Schulen, Spitälern und sozialen Hilfseinrichtungen Information und Beratung an. Eine weitere wichtige Aufgabe der Frauenhelpline ist es, Medien sowie administrativ bzw. politisch tätige Personen mit den nötigen Informationen zu Gewalt gegen Frauen zu versorgen.

Otto war kein Schlägertyp. Aber es passierten seltsame Dinge, nachdem Karin ihn verlasen hat. Komische Anrufe mitten in der Nacht, Verleumdungen per E-Mail an ihrem Arbeitsplatz, das Autoschloss war mit Superkleber verklebt und mehr. Nachweisen konnte man Otto nichts davon. Karin wandte sich an die Interventionsstelle.

Eine Mitarbeiterin telefonierte mit Otto. Sie wies ihn darauf hin, dass das keine Methode wäre, die Frau zurückzugewinnen. Sie erzählte ihm von der bevorstehenden Anzeige und sie wies ihn darauf hin, was das alles für sein Leben bedeuten könnte. »Das zahlt sich doch nicht aus«, erklärte sie dem Mann, der alles bestritt. Die Belästigungen hörten auf.

Anti-Gewalt-Training
»Nicht alle Frauen wollen und können sich von ihren Partnern trennen, selbst wenn diese physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben«, berichtete Diplomsozialarbeiterin Logar: »Und Kinder können sich nicht vom Vater trennen.« In Wien läuft seit fünf Jahren ein Modellprojekt von Männerberatung und Interventionsstelle. In einem Anti-Gewalt-Training sollen die Gefährder in acht Monaten ein anderes Verhalten lernen.

Die Interventionsstelle bietet den Partnerinnen dieser Männer Unterstützung und Hilfe.

»Auch in diesem Prozess ist es besonders wichtig, auf die Frauen zu hören. Gewalttätige Männer verstehen sich oft auf Manipulation. So hat z. B. einer -
seiner Frau erzählt, er habe im -Training gelernt, wenn er mehr Sex habe, wäre er nicht so gewalttätig.«

Norbert hat als kleiner Bub erlebt, dass der Vater die Mutter geschlagen hat: »Sie war ein wundervoller Mensch«, schildert er: »Sie ist oft geschlagen worden und hat ihn nie angezeigt. Sie hat ihn halt wahnsinnig geliebt.« Auch er selbst hat regelmäßig Schläge bekommen. Am Anfang seiner Beziehung zu Inge war alles in Ordnung: »Aber irgendwann hat sie mich provoziert - da habe ich halt dann zugeschlagen.«

»Es ist kein großes Geheimnis, dass Gewalt Gewalt erzeugt«, ergänzt Rosa Logar: »Kinder, die mit Gewalt in der Familie aufwachsen, werden später eher Täter oder Opfer als Kinder, die gewaltfrei aufwachsen. Sie lernen Gewalt als Lösung anzunehmen. Auch deswegen ist Prävention so wichtig.« Frauen, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, rät die Expertin, zuerst das Gespräch mit dem Partner zu suchen:

»Sie müssen schon bei den ersten Anzeichen zeigen, dass das so nicht geht, dem Partner klar machen, dass die Gewalt der Liebe schadet. Sie sollen über die Kränkung sprechen, die ihnen durch die Worte oder die Handlung des Partners widerfahren ist.

Gewalt erzeugt Gewalt
Wenn eine Frau das aber nicht kann, weil sie Angst vor dem Partner hat, dann ist es höchste Zeit, Hilfe in Anspruch zunehmen.

Dann lebt diese Frau in einer Gewaltbeziehung.« Und Gewaltbeziehungen gehen uns alle an. Denn abgesehen davon, dass jeder Mensch irgendwann selbst von Gewalt in der Familie betroffen sein kann, kostet diese Gewalt auch volkswirtschaftlich ein Vermögen. Das teure dabei sind nicht die Hilfeeinrichtungen, sondern die Interventionen nachher.

Die Kosten für Polizei und Justiz, um Gewalttäter zu bestrafen und aus dem Verkehr zu ziehen. Aber auch die Kosten für durch Gewalt verursachte Kran-kenstände und Therapien. Um ein Schlusswort gebeten, meint Rosa Logar: »Schreiben Sie bitte, Gewalt zahlt sich nicht aus - für niemanden. Sie tötet die Liebe.«


I N F O R M A T I O N

Frauenhäuser

Frauenhäuser bieten Frauen, die Gewalt durch ihren Partner/Ehemann erleben, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit. Sie sind für alle Gewaltopfer offen, unabhängig von Nationalität, Einkommen oder Religion. Die Adressen der Frauenhäuser sind aus Sicherheitsgründen anonym. Anschrift und Telefonnummer von Frauenhäusern in Ihrer Nähe erfahren Sie über die Gratistelefonnummer der Frauenhelpline 0800/222 555. Österreichweit gratis rund um die Uhr.

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Katharina Klee (Freie Publizistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132812 Geiz ist geil! Unter den Beschäftigten gehen die Ansichten über Vor- und Nachteile der Teilzeitarbeit auseinander. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sind sich erst recht uneins: Während man auf der Seite der Wirtschaft die Möglichkeit sieht, Arbeit umzuverteilen und die Quote der Frauenerwerbstätigkeit zu steigern, erleben die Betroffenen zum Teil gravierende Nachteile. Sofern Teilzeit zu finden ist, denn mit steigender Qualifikation wird das Angebot dürftig und im Bereich der Führungspositionen ist Teilzeitbeschäftigung nach wie vor so gut wie nicht vorhanden.

Generell boomt Teilzeit jedoch: In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten von 170.000 auf zuletzt über 500.000 an. Während allerdings jede dritte Frau in Österreich Teilzeit arbeitet, tut das nur jeder 25. Mann. »Natürlich ist der Wunsch von Müttern, eine Teilzeitstelle zu finden, generell hoch«, erklärt Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen - Familien der AK Wien. »Österreichweit haben drei Fünftel aller Frauen mit Kindern bis 15 Jahren eine Teilzeitbeschäftigung. Aber in Wien, wo die Mobilität geringer ist als in den Bundesländern und die Infrastruktur der Kinderbetreuung wesentlich besser, liegt die Quote unter 40 Prozent. Da ist der Wunsch nach Teilzeit also deutlich weniger ausgeprägt.

Selbstverständlich ist es ein Thema, Familie und Arbeit vereinbaren zu können, aber ein Thema für Männer und Frauen. Männer werden im Betrieb immer begehrter, wenn sie Väter werden, weil sie als Ernährer einen Sicherheitsfaktor darstellen, Frauen werden hingegen zum Risiko. Dieses Muster sollte man aufbrechen.«

Wenn man es sich leisten kann …
Je höher das Bildungsniveau, so ein Ergebnis einer Studie zu »Qualifizierter Teilzeitbeschäftigung in Österreich«, desto attraktiver ist die Vorstellung, nicht vollbeschäftigt zu sein. »Wenn man es sich leisten kann, herrscht natürlich ein anderes Bewusstsein. Da setzen sich Frauen auch eher dafür ein, jede Art von Arbeit zu teilen, auch die unbezahlte zu Hause,« so Moritz.

So gibt es Gewinner und Verlierer: In bestimmten Lebensphasen ist Teilzeit eine willkommene Arbeitsform, manchen ermöglicht sie die Vergrößerung des persönlichen Handlungsspielraums. Für andere bedeutet sie aber unfreiwillige Beschränkung. Zwar ist die Teilzeitbeschäftigung arbeits- und sozialrechtlich der Vollzeitstelle gleichgestellt. De facto sind Teilzeitbeschäftigte aber hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung benachteiligt. Langfristig bedeutet Teilzeitarbeit ein niedriges Erwerbseinkommen und kann zur Armutsfalle werden, im Fall von Krankheit und Arbeitslosigkeit etwa, und seit zur Berechnung der Pension nicht mehr die 15 besten Jahre herangezogen werden, sondern der Durchrechnungszeitraum schrittweise erweitert worden ist.

Variable Arbeitszeiten
Während einem Vollzeitbeschäftigten ein Überstundenzuschlag von 50 Prozent zusteht, wird Mehrarbeit bis zum Umfang der Vollarbeitszeit von 38,5 bzw. 40 Stunden nur als Mehrarbeit ohne Ausgleichszahlung abgegolten. Moritz: »Teilzeitbeschäftigte kommen stärker unter Druck, variable Arbeitszeiten zu haben, ohne dass es Gegenleistungen dafür gibt, wenn die vertragliche Vereinbarung überschritten wird.«

Dort, wo Teilzeit angeboten wird - vor allem im Handel, in der Reinigung und den persönlichen Dienstleistungen -, gibt es sie jedoch nicht in der familienfreundlichen Form, die gewünscht wird.

Frau L. ist Mutter von drei Kindern und seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche. Als Ordinationshilfe kann sie nichts mehr finden, nun muss sie sich zwischen Angeboten in anderen Branchen entscheiden. Der Haken dabei: Die angebotenen Stellen als Altenpflegerin oder Feinkostverkäuferin sind zwar Teilzeitjobs und dementsprechend schlecht entlohnt, aber keineswegs familienfreundlich. Das Altersheim würde sie nur nachmittags von 14 bis 18 Uhr brauchen, der Supermarkt möchte ihr keine fixen Arbeitszeiten in Aussicht stellen, »die wären dann jeweils zu vereinbaren«.

Tatsächlich vermittelt das AMS derzeit mit Nachdruck in den Handel, denn dieser ist eine der größten Wachstumsbranchen. Zwar steigt die Gesamtzahl der Beschäftigten - laut einer Studie der AK hat sie sich im Zeitraum 1995 bis 2002 um 3,5 Prozent erhöht -, das Arbeitsvolumen ist jedoch abzüglich der Mehr- und Überstunden rückläufig, mit beträchtlichen Konsequenzen für die Arbeitsplatzgestaltung der Betroffenen. Während Vollzeit erst vom Filialleiter aufwärts im mittleren Management zu haben ist, wird im Kundenbereich des Einzel- und Großhandels nunmehr ausschließlich Teilzeit angeboten. Über ein Viertel aller im Handel Beschäftigten arbeiten Teilzeit, wobei der Trend zur geringfügigen Beschäftigung steigt, jeder Zehnte ist geringfügig beschäftigt. Und Teilzeit ist vorwiegend weiblich.

Keine fixen Arbeitszeiten
Frauen, die mit einer Teilzeitbeschäftigung eine Familie vereinen möchten, geraten jedoch immer mehr in Bedrängnis: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird eine Unternehmenspolitik der variablen Kostengestaltung praktiziert. Vollzeit gibt es nur mehr dort, wo sie tatsächlich gebraucht wird, darüber hinaus wird die Kostengestaltung dem Kundenverlauf angepasst, das bedeutet verstärkter Personaleinsatz zu Spitzenzeiten.

»Wir haben das Problem, dass es keine fixen Arbeitspläne gibt, es wird von Woche zu Woche neu eingeteilt. Häufig werden Frauen in der Früh zwei Stunden hereingeholt, dann schickt man sie im besten Fall nach Hause, im schlechtesten auf die Straße, und abends braucht man sie wieder für zwei Stunden«, klagt Manfred Wolf, GPA-Sekretär für Handel. Die Gründe für diesen Strukturwandel sieht er in der Liberalisierung der Öffnungszeiten im Jahr 1997, als bestehende Vollzeitarbeitsplätze in flexible Teilzeit umgewandelt wurden, aber auch im gnadenlosen Preisdumping. Geiz ist geil am Rücken der Beschäftigten, denn »jedes Sonderangebot wird von den Beschäftigten mitfinanziert«.

»Teilzeit ja, aber geregelt«, fordert eine Broschüre der GPA-Frauen. Geregelte Teilzeit ist im Handel nicht mehr anzutreffen. Ein Extrembeispiel ist Peek&Cloppenburg: Derzeit läuft ein Verfahren gegen die Textilkette, die ihren VerkäuferInnen Null-Stunden-Verträge anbietet und damit den Kollektivvertrag unterläuft. Im Arbeitsvertrag fehlt bei -einem Null-Stunden-Vertrag die Fest-legung der vereinbarten Arbeitszeit, von den Angestellten wird verlangt, dass sie zu Hause auf Abruf bereit auf ihren Einsatz warten.

Betrug?
Aber auch mit Stundenverträgen arbeiten Teilzeitbeschäftigte in der Regel mehr als die vereinbarte Zeit. Mehrleistungen, die, wenn schon nicht mit Überstundenzuschlag, dann wenigstens anteilsmäßig auch bei Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Abfertigung oder Entgeltfortzahlung bei Krankheit mitgerechnet werden müssen. Wenn sie denn auf ordnungsgemäßem Weg verrechnet werden. Im September dieses Jahres gingen Vorwürfe ehemaliger Angestellter des Rewe-Konzerns (Billa, Merkur, Emma, Bipa, Mondo/Penny) durch die Medien, dass Überstunden mit Gutscheinen an der Lohnverrechnung vorbei bezahlt worden seien, und zogen Beschwerden von weiteren Mitarbeitern über generell nicht bezahlte Mehrarbeit nach sich.

Zeitausbeutung und Mindestarbeitszeit
»Teilzeitbeschäftigte werden dazu angehalten, Mehrarbeit zu leisten. Da gibt es die Situation, dass jemand ungeplant von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends einspringen muss, dann sind da plötzlich 12 Stunden und der Filialleiter sagt, es dürfen nur 10 eingetragen werden. So beginnt sich das Karussell unbezahlter Überstunden, die häufig nicht offiziell aufscheinen, zu drehen.« Als Grund für den Trend zur ungeplanten Mehrarbeit führt Wolf das Sparprogramm in der Personalpolitik an. Einer Erhöhung der Gesamtzahl der Beschäftigten im Handel stehen die Reduzierung der Stunden sowie massive Produktivitätszuwächse entgegen.

So habe einerseits die Verkaufsfläche pro Angestellten zugenommen, andererseits würden Krankenstände und Fehlzeiten in der Personalplanung nicht mehr berücksichtigt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der ungeplanten Überstunden, die Probleme mit ihrer Verrechnung nehmen dabei mit wachsender Betriebsgröße zu.

»Der Filialleiter hat Budgetvorgaben, die sich mit den Überstunden, die notwendig werden, spießen. Auf dem Weg von der Filiale zur Zentrale gehen Stunden auf mehreren Schnittstellen verloren, wenn der Filialinspektor zum Beispiel Stunden nicht genehmigt, für deren Verrechnung dann andere Lösungen getroffen werden müssen. In der Lohnab-rechung scheint diese Arbeit nie auf.« Im besten Fall bedeuten diese anderen Lösungen Zeitausgleich, allerdings um den Preis des Verlustes von Sozialversicherungsleistungen.

Die Arbeitnehmervertreter fordern daher geregelte Grenzen für Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie Zuschlagspflicht, wenn die Arbeitszeit von Seiten der Arbeitgeber verändert wird. Einen ersten Schritt in diese Richtung gibt es im neuen Kollektivvertrag der HeimhelferInnen seit 1. Juni 2004, der Zuschläge auch für Mehrarbeit vorsieht.

Eine weitere zentrale Forderung ist die nach einer Mindestarbeitszeit von vier Stunden, um Zeitausbeutung zu verhindern. Nicht nur der Handel bedient sich dieses Instruments, auch in der Reinigungsbranche kämpfen die Beschäftigten mit zersplitterter Arbeitszeit: Geputzt wird außerhalb der Öffnungszeiten morgens und abends, hinzu kommen unterschiedlich lange Wegzeiten je nach Lage des jeweils zu reinigenden Gebäudes.

Während im Niedrigstverdienstsegment die Quote der überwiegend weiblichen Teilzeitbeschäftigten am höchsten und Teilzeit häufig nicht freiwillig gewählt ist, lässt sich der Wunsch nach Teilzeit in anderen Branchen schwerer erfüllen. Der klassische Halbtagsjob mit der kinderbetreuungsfreundlichen Vormittagsarbeitszeit ist auch andernorts rar. »Bei uns ist das noch relativ moderat, es gibt klare Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit, auch wenn es häufig andere Zeitmodelle sind, auf die man sich dann einigt, etwa tageweise Anwesenheit im Kundenbereich, wo man für den Nachmittag allein keinen Ersatz finden würde«, erzählt Ingrid Streibel, Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der BAWAG, aus dem Bankensektor.

Recht auf Elternteilzeit?
Seit 1. Juli 2004 soll ein neues Gesetz Abhilfe schaffen. Das Recht auf Elternteilzeit garantiert nicht nur den Anspruch auf Teilzeitarbeit bis zum siebenten Geburtstag des Kindes, den Beschäftigten wird auch die Möglichkeit zur Mitgestaltung der Arbeitszeit eingeräumt. Allerdings hat die neue Regelung gleich mehrere Haken. Sie gilt nur für jene, die seit mindestens drei Jahren (nur 36 Prozent aller Frauen und die Hälfte der Männer) einem Betrieb mit mehr als 20 Angestellten (acht Prozent aller Betriebe) angehören. Auch dauert der besondere Kündigungsschutz bis maximal vier Wochen nach dem vierten Geburtstag des Kindes. Danach gilt ein Motivkündigungsschutz, der besagt, dass eine Kündigung nicht aufgrund des Teilzeitverhältnisses ausgesprochen werden darf - was sich in der Praxis schwer beweisen lässt.

AK und Gewerkschaften üben Kritik daran, dass dieser Rechtsanspruch nicht nur nicht allen zugänglich, sondern darüber hinaus nur schwer durchzusetzen ist: Sofern der Arbeitgeber nicht zustimmt, bedarf es eines zeit- und kostenaufwändigen Verfahrens. Währenddessen muss erst recht die zusätzliche Kinderbetreuung organisiert werden. Und wer möchte schon weiter für einen Chef arbeiten, mit dem er einmal im Gerichtssaal gestanden ist? »Rechte allein reichen nicht aus«, betont Ingrid Moritz, »es muss ein Kulturwandel im Arbeitsklima stattfinden. Es muss ein Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stattfinden und ein Konsens darüber gefunden werden, dass die Bedürfnisse von Familien und Kindern auch einen Wert darstellen. Es sollte die Aufgabe der Regierung sein, ein Klima von Verständnis und Sensibilisierung zu fördern, damit diese neuen Rechte auch durchsetzbar sind und nicht in Mobbing enden.«

Rahmenbedingungen verbessern!
Während es Förderungen für Unternehmen gibt, die Ersatzkräfte einstellen, erhalten Arbeitnehmer, die sich für Elternteilzeit entscheiden, keine finanzielle Entschädigung, wie etwa im Fall der Altersteilzeit. »Das würde auch Männer eher motivieren, sich an dem Modell zu beteiligen, denn so bleibt die Betreuungsarbeit wieder an den Frauen hängen«, kritisiert Moritz.

Barbara Theider, Wiener Frauensekretärin der GPA, hat in der Beratung den Eindruck, dass der Wunsch von Frauen nach Elternteilzeit groß ist, sie weiß auch, dass es vielen in der Praxis schwer gemacht wird, diesen Wunsch durchzusetzen. Dennoch sieht sie in dem neuen Rechtsanspruch nicht nur eine Chance, sondern auch eine Gefahr. Denn nicht immer kann bei reduzierter Arbeitszeit die Qualität der Arbeit aufrechterhalten werden, und Frauen nehmen häufig eine Dequalifizierung in Kauf, um den beruflichen Anschluss nicht ganz zu verlieren. Auch Ingrid Streibel betrachtet als Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der BAWAG Teilzeit mit einem wohlwollenden und einem kritischen Auge. Häufig werde Teilzeitbeschäftigten weniger qualifizierte Arbeit überlassen, da sie für die laufend nötige Weiterqualifizierung nicht in dem Maß zur Verfügung stehen und am Informationsfluss weniger Anteil haben. Teilzeitbeschäftigte haben für das Unternehmen den Vorteil, in gedrängter Zeit effiziente Leistung zu bekommen. Ein Anliegen des Betriebsrates sei es daher, die Rahmenbedingungen für die positiven Aspekte der Teilzeit zu fördern und den Karriereknick zu verhindern.

»Das Gesetz ist erst jung«, gibt Theider zu bedenken. »Noch gibt es wenig Erfahrungen, wir hoffen aber, dass die Realität der Elternteilzeit keine negativen Auswirkungen auf die Formen der Frauenerwerbstätigkeit schlechthin hat.«

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Gudrun Braunsperger (Freie Publizistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132806 Gesundheit in der Arbeitswelt: Vom Gerüst gefallen Das Wesen der Statistik wird von humorvollen Zeitgenossen bisweilen so kommentiert: Mit zwei Schüssen, einer genau 50 Meter vor dem Hasen, der zweite 50 Meter hinter ihm vorbei, bedeutet im statistischen Durchschnitt: Toter Hase, genau in der Mitte getroffen.

Bei Statistiken, die Arbeitsunfälle und Krankenstände erfassen und die für die Arbeit der Experten unerläßlich sind, um Strategien gegen die Gefahren am Arbeitsplatz zu entwerfen, ist Zynismus nicht angebracht, sie täuschen aber dennoch über Wesentliches hinweg:

Erstens nützt es keinem Toten, Invaliden oder Verletzten, wenn er um einer weniger als im Vorjahr ist. Zweitens werden in den Statistiken nur die Fälle von Versicherten erfasst, die auch als Unfall bzw. als Berufskrankheit anerkannt wurden. Und drittens: Die Ursache, warum Krankenstände weniger häufiger auftreten, liegt nicht darin, dass die Österreicher bzw. in Österreich arbeitenden Menschen plötzlich gesünder werden. Sie gehen einfach auch dann zur Arbeit, wenn ihr Arzt oder Apotheker auf gefährliche Nebenwirkungen aufmerksam macht.

Kein Jubel
»Ich warne davor, in Jubelstimmung auszubrechen«, kommentierte ÖGB-Arbeitnehmerinnenschutzexpertin Renate Czeskleba (siehe Interview), das »Rekordtief« bei den Krankenständen, das laut einer Aussendung der Wirtschaftskammer Österreichs (WKÖ) im September vermeldet wurde. Dies, so die WKÖ, hinge in erster Linie mit Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zusammen.

»Betriebliche Gesundheitsförderung ist gut, aber noch sehr ausbaubar«, meint Czeskleba, Leiterin des ÖGB-Referats für Humanisierung, Technologie und Umwelt. »Nur: die Leute gehen auch arbeiten, wenn sie krank sind.«

Krankheiten in Ruhe auskurieren können sich heute nur Leute leisten, die Geld bzw. andere Menschen für sich arbeiten lassen können. Birgit B., 46, ist seit etwa zwölf Jahren in einer Schule als Reinigungskraft tätig. Keine großartige Sache, meint sie, dafür anstrengend, aber auch ein sicherer Job mit weniger Arbeit in den Schulferien. Nur wenn sie krank ist, wie seit letztem Winter immer wieder, verliert sie das Gefühl, dass der Job »sicher« ist. Eigentlich sollte sie nichts Schweres heben, wegen der Wirbelsäule und den Bandscheiben. »Vorzeitige Abnutzung«, hat ihr Arzt gemeint. Aber mit den Injektionen geht’s wieder, auch ohne Krankenstand. Denn Angst hat sie, ihren Job zu verlieren wenn sie daheim bleibt.

Kaputtes Kreuz
Kaputte Bandscheiben und Wirbelsäulenschäden allgemein sind eine der Haupt-ursachen, dass Menschen schließlich ihre Arbeit aufgeben müssen. In Europa, so die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, klagt fast jeder dritte Beschäftigte über Rückenschmerzen.

Für krummrückige Freiberufler und andere Menschen, die vorwiegend an Computer und Schreibtisch arbeiten, gibt es zwar Broschüren und auch - von der deutschen Gewerkschaft ver.di entwickelte - Bildschirmschoner, auf denen fröhlich hüpfende Männchen Anleitung zu Ausgleichsübungen geben. Aber wer nicht nur unter Fehlhaltung, sondern auch unter Stress leidet, wird keine Ruhe finden, das Männchen zu ertragen.

Und die Angst den Job zu verlieren, gilt heute als eine der Hauptursachen für Stress. Freiberufler hält das Bestreben, Aufträge zeitgerecht abzuliefern ohne Ausgleichsgymnastik zähe an der Computertastatur. Das Thema Freiberufler bedarf der gesonderten Behandlung. Gut organisierte, mit stählerner Disziplin, werden ganz einfach nicht krank oder haben eine teure Zusatzversicherung. Andere, mit schlechterem genetischen Material, mögen auf die Frage des Arztes »Soll ich Sie krank schreiben?«, mit leichter Krise reagieren.

Stress
Dauerstress macht krank, das weiß der Laie, und das wurde auch von Experten herausgefunden. Laut dem AUVA-Fachmagazin für Prävention in der Arbeitswelt »Sichere Arbeit« sind ein Viertel der Arbeitnehmer in Österreich von arbeitsbedingtem Stress betroffen. Dafür verantwortlich sind Zeitdruck, zu wenig Handlungsspielraum oder auch Über-, bzw. Unterforderung. Die Arbeitgeber können es aber auch wirklich keinem recht machen. »Chronischer Stress kann zu körperlichen Schäden führen und erhöht die Krankenstandshäufigkeit und Dauer«, wissen die Arbeitsmediziner.

Angst
»So wenig Krankenstände wie noch nie«, meldete auch die Tageszeitung »Die Presse« am 30. September in einem Beitrag, der die Jubelmeldung der WKÖ sogar durchaus kritisch hinterfragte. »Ist es die Angst vor einem Jobverlust in konjunkturell schwierigen Zeiten? Oder werden die Österreicher tatsächlich immer gesünder?«, lautete die Frage. Denn statistische Tatsache ist, dass die Zahl der Krankenstände seit 1993 kontinuierlich rückläufig ist. War 1993 noch jeder Arbeitnehmer, für Beamte liegen keine aktuellen Zahlen vor, im Durchschnitt 15,1 Tage im Krankenstand, so werden es heuer, laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger, nur mehr 12,5 Tage sein. Eine Verminderung anerkannter Berufskrankheiten meldet auch die Allgemeine Unfallsversicherungsanstalt (AUVA), bei der rund drei Millionen Erwerbstätige, 1,3 Millionen Schüler und Studenten und zahlreiche freiwillige Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten versichert sind. So wurden 2003 um 16 Prozent (224 Fälle) weniger Berufskrankheiten anerkannt. Führend dabei sind: Lärmschwerhörigkeit, Haut- und Infektionskrankheiten sowie Asthma bronchiale.

Gespräche mit Betriebsräten machen eines deutlich: Die Menschen werden nicht gesünder, im Gegenteil. Sie gehen einfach auch dann zur Arbeit, wenn sie krank sind.

Unfälle
Bei Unfällen kann sich der Mensch nicht selbst austricksen. Wenn er müde wird, kann es sein, dass er einfach wo herunterfällt. Zwar wird auch in der Sparte »Arbeitsunfälle« im Zeitraum 1993 bis 2003 insgesamt ein Rückgang von der AUVA vermeldet. Im Vorjahr allerdings ist die Zahl der »anerkannten Schadensfälle« insgesamt um ein Prozent gestiegen. Insgesamt betroffen waren 177.626 Personen.

Davon entfielen 121.303 auf Erwerbstätige und 56.323 auf Schüler und Studenten. Besonders »anfällig« waren die Arbeiter: Hier stieg die Zahl der Schadensfälle um 5378, bei den Angestellten um 708, bei den selbständig Erwerbstätigen um 82.

Von den 121.303 Schadensfällen Erwerbstätiger waren 120.125 Arbeitsunfälle und 1178 Berufskrankheiten. »Sowohl die Zahl der Arbeitsunfälle im engeren Sinn als auch die Wegunfälle stiegen gegenüber 2002«, heißt es im AUVA-Bericht zum Vorjahr. So stiegen die Arbeitsunfälle um 5040 auf über 108.000, die Unfälle auf dem Weg von bzw. zur Arbeit um 1263 auf über 12.000.

»2003 wurden 251 tödlich verlaufene Schadensfälle Erwerbstätiger anerkannt, um 29 mehr als 2002. Davon: Arbeitsunfälle 133 (um elf weniger als im Vorjahr), Wegunfälle 73 (um elf mehr) und Berufskrankheiten 45 (um 29 mehr).«

Einen »Erfolg« gab es im Baubereich, bei dem laut AUVA die Zahl der Todesfälle am meisten, nämlich von 28 auf 21, gesenkt werden konnte.

Schadensfall Milan
Milan J. zum Beispiel ist ein »Schadensfall«, der nirgends aufscheint. Er ist ein »Rigips-Mann«, 29, und ziemlich dürr für einen, der zwei, manchmal drei, sechs Quadratmeter große Rigipsplatten auf einmal schleppt. Normaltrainierte Heimwerker schaffen gerade das Quantum für die Verkleidung des Wohnzimmers, sechzehn Stück, dann große Pause. Milan schleppt den ganzen Tag, manchmal steigt er auch aufs Gerüst: Außenverkleidung. Und eines Tages, gerade vor Feierabend, ist er dann heruntergefallen. Zum Glück nicht tief und zum Glück war nur der Knöchel verstaucht. Versicherung? »Nix Versicherung. Die Frau geht mehr putzen, bis ich wieder Platten tragen kann.« Bei einer anderen Firma, weil von seiner letzten weiß Milan nicht einmal den Namen, nur die Handy-Nummer. »Bei der ersten Subfirma geht der Arbeitnehmerschutz auf Null«, weiß auch Renate Czeskleba.

Gefahr: Lenken
Ähnlich ist es bei den Berufslenkern, die im Konkurrenzkampf zwischen den Unternehmen zerrieben werden. Bei »Fahrzeugen und anderen Beförderungsmitteln«, so die AUVA-Statistik, ist die Zahl der Todesfälle im Jahr 2003 von 116 auf 128 gestiegen.

»Arbeitgeber haben immer weniger die Bereitschaft, den Lenkern Zeit für notwendige Arbeiten vor Fahrtantritt einzuräumen und vor allem, diese zu bezahlen«, berichteten Referenten bei der AK-Veranstaltung »Ausgeliefert - Arbeitsbedingungen der Berufslenker im Oktober des Jahres«. Denn obwohl der Sektor Straßengütertransport in Österreich nur zwei Prozent der Beschäftigung ausmacht, finden 15 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle in dieser Branche statt.

Keine Kontrolle
Steigender Druck und Stress sind die Hauptgründe. Die Zeit für die gesetzlich vorgeschriebene Kontrolltätigkeit vor Fahrtantritt - die bei Lkw mit Anhängern bis zu 100 Minuten dauern kann - wird den Lenkern vom Arbeitgeber immer häufiger verwehrt bzw. nicht bezahlt.

Christoph Herrmann, Autor einer AK-Studie mit dem Titel »Arbeitsbedingungen im Straßengütertransport«, nennt den beinharten Wettbewerb zwischen den Fuhrunternehmen als neue, zusätzliche Belastung der Arbeitsbedingungen der Lkw-Lenker. Wer sich an die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften hält, wird vom Markt verdrängt.

Anders als in Österreich ist in Deutschland die strafrechtliche Verfolgung von Fuhrunternehmen, die »billige« ausländische Kräfte zu sklavenartigen Bedingungen verdingen, seit 1998 Praxis. Die Vorgangsweise der Straftäter ist laut Christoph Thaler vom Hauptzollamt München immer die gleiche: »Billige Leute einstellen, ohne Steuer- und Sozialversicherung, Verschleiern von Überschreitungen der Ruhezeiten …« Und vieles mehr.

Vieles gebe es noch zu tun, auch wenn die Zahl der Krankenstände zurückgegangen und auch die »tödlich verlaufenden Schadensfälle« nicht eklatant gestiegen sind.

In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle in Österreich um 40 Prozent zurückgegangen. »Aber jeder Arbeitsunfall ist einer zuviel«, meinte auch ÖGB-Präsident Verzetnitsch am 28. April, dem »Commemoration Day«, an dem weltweit jener Menschen gedacht wird, die bei der Arbeit tödlich verunglückt sind.

Weltweit starben 2002, nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), rund 2,250.000 Menschen aufgrund von Arbeitsunfällen und gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen.

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Gabriele Müller http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Jan 2004 00:00:00 +0100 1186413132800 Die Betriebsräte müssen alles ausreizen! Arbeit&Wirtschaft: Kollegin Czeskleba, du leitest im ÖGB eine wichtige Abteilung, nämlich das Referat für Humanisierung, Technologie und Umwelt. Wir würden gerne von dir etwas über deine Tätigkeit, wie natürlich auch zu dir persönlich erfahren.
Renate Czeskleba:
In der Steiermark geboren, habe ich in Graz studiert, Geschichte und Deutsch. Weil ich mir nebenbei auch den Lebensunterhalt verdienen musste, hab ich relativ spät abgeschlossen. Als frischgebackene AHS-Lehrerin mit keinem Job habe ich begonnen, in Projekten zu arbeiten. Da ist zum Beispiel in Eisenerz eine Firma in Konkurs gegangen, und dann wurden Jungakademiker hingeschickt, die mit den gekündigten Arbeitern einen Berufsorientierungskurs machen sollten. Der Geschäftsleiter des Unternehmens hat dort verlesen, wer gekündigt wird und wer bleiben darf. Mit denen, die gekündigt wurden, haben ich und andere dann eine Stunde nach ihrer Kündigung eine Schulung gemacht. Für die Arbeiter eine fürchterliche Situation!

Wahnsinn: Die haben euch da hin geschickt als »Ersthilfe«?
Ja, das war für mich eine Arbeit, die war wirklich prägend. Ich hab viel gelernt von den Arbeitslosen dort. Zum Beispiel, dass man Arbeiter und Arbeitslose nicht anlügen oder ihnen Hoffnungen machen soll, sondern mit ihnen über die Situation reden soll, wie sie ist.

Auf dem Umweg über solche Projekte hast du dann in den ÖGB gefunden?
Nein, dann habe ich ein Jahr in einem Gymnasium in Graz unterrichtet. Parallel dazu habe ich eine Ausbildung gemacht zur Gestaltpädagogin. Also typisch: Studienabschluss und kein Job. Ich hab in der Zeit auch eine Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin gemacht. Das kommt mir heute alles zugute. Was ich damals gelernt habe ist, dass man nicht zu den Menschen reden soll, sondern mit ihnen. Sobald ich das erste feste Anstellungsverhältnis hatte, dass war bei »Jugend am Werk«, bin ich der Gewerkschaft beigetreten. 1992 bin ich nach Wien gezogen. Beim ÖGB-Bildungsreferat habe ich dann angefangen, weil die Arbeit dort Herausforderung war und Spaß gemacht hat. Nach einem Jahr habe ich in das Referat »Humanisierung, Technologie und Umwelt« gewechselt und relativ bald die Umweltagenden übernommen und 1996 auch die Leitung des Referates. Dann hatte ich plötzlich den gesamten Bereich dieser Abteilung in meiner Verantwortung - inklusive des Johann-Böhm- Fonds. Auch heute noch werden übrigens Diplomarbeiten, Dissertationen und Abschlussarbeiten von Fachhochschulen, die Bezug zur Arbeitswelt haben, gefördert.

Eine sehr umfassende Abteilung, die natürlich wie alle auch leicht unterbesetzt ist …
Neben mir arbeitet eine zweite politische Sekretärin im Referat und eine Büroassistentin. Dass ich derzeit das dritte Jahr mit dem Chancen-Nutzen-Büro zwei politische Sekretäre und eine halbe Bürokraft im Referat habe, liegt daran, dass wir um EU-Fördermittel für das Thema »Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt« angesucht haben.

Die Arbeiterkammer hat ja auch so -eine Abteilung?
Ja, ich bin froh über die Zusammenarbeit mit der Arbeiterkammer. Gemeinsam entwickeln wir Themen und führen Veranstaltungen durch, zum Beispiel in Wien, in Salzburg, in Graz oder in Linz. Mindestens so eng arbeite ich auch mit den Arbeitnehmerschutzdelegierten der Gewerkschaften zusammen. Sie sind in den Unternehmen und wissen am besten, wo Kolleginnen und Belegschaftsvertretungen der Schuh drückt.

Mit ein Grund, warum die Arbeitsunfälle zurückgegangen sind. Unternehmer heben aber den Rückgang der Krankenstände hervor und vergessen oft, dass der Grund im verstärkten Arbeitsplatzdruck zu suchen ist, dass die Leute arbeiten gehen, auch wenn sie krank sind.
Das ist auch meine Erfahrung aus Gesprächen mit Betriebsräten. Ein Mehr an betrieblicher Gesundheitsförderung ist mehr als wünschenswert. Sie ist im Vergleich zu dem, was bis jetzt im Arbeitnehmerinnenschutzumgesetz umgesetzt wurde, noch sehr ausbaubar. Krankenstände sind nur ein Indikator für Arbeitsbelastungen, Unfälle sind ein weiterer Indikator, genauso wie Invaliditätspensionen, aber auch Arbeitszufriedenheit. An dieser fehlt es oft. Die meisten Invaliditätspensionen kommen aufgrund von Muskel- und Skeletterkrankungen zustande. An zweiter Stelle stehen schon die psychiatrischen Erkrankungen. Arbeitnehmer schlucken ihren Stress runter und es kommt oft viel später zu Erkrankungen und Berufsunfähigkeit. Die Angst vorm Jobverlust ist eben sehr groß und einer der größten Stressursachen.

Ich habe da eine Statistik gesehen, die größte Angst ist jetzt vor dem Versagen oder Zusammenbruch des Gesundheitssystems.
Ja, du kannst die Menschen in der Arbeitswelt nicht für blöd verkaufen. Sie merken einfach, dass das mit der Gesundheit eine Zeitbombe ist. Seitens der Krankenkassen ist die betriebliche Gesundheitsförderung erst vorsichtig im Anlaufen. Eigentlich müssten AUVA und die anderen Sozialversicherungen viel mehr zusammenarbeiten, damit Krankenstände nachhaltig zurückgehen und Arbeitnehmer gesund in Pension gehen können. Arbeiten ist immer noch gesundheitsgefährlich! Neben unergonomischer körperlicher Schwerarbeit ist Stress ein Hauptfaktor für arbeitsbedingte Erkrankungen. Jeder dritte Arbeitnehmer und jede dritte Arbeitnehmerin klagt über arbeitsbedingten Stress. Das bestätigen europäische Studien, aber auch österreichische. Deutsche Studien und Studien in den nordischen Ländern sagen aus, dass 50 Prozent aller Erkrankungen arbeitsbedingt sind. Du weißt, es gibt Berufskrankheiten, z. B. Staublunge, Asbestose oder Hauterkrankungen. Doch wenn sich Arbeitnehmer aufgrund von Bildschirmarbeit kranke Augen und Haltungsschäden zuziehen, handelt es sich zumindest zum Teil um arbeitsbedingte Erkrankungen.

Arbeitsbedingt und berufsbedingt ...
Berufskrankheiten sind Krankheiten, die in einer Liste geführt werden und nur einen kleinen Teil der arbeitsbedingten Erkrankungen berücksichtigen. Berufskranke erhalten eine Pension über die AUVA. Arbeitsbedingte Erkrankungen werden zu 100 Prozent mit den Mitteln der Krankenkassen behandelt. Dass 50 Prozent von diesen 100 Prozent eigentlich arbeitsbedingt sind, ist kaum jemandem bewusst. Arbeitsbedingte Erkrankungen kommen aufgrund körperlicher Belastungen und aufgrund psychischer Belastungen zu Stande.

Bei psychischen Krankheiten haben die Leute immer noch Vorurteile …
Ja, leider. Nimm zum Beispiel einen Betriebsrat oder einen Arbeitnehmer, der sagt »Ich bin psychisch belastet« oder »Ich habe Stress«. Dann sagen alle »Der spinnt, der soll zum Vogerldoktor gehen!«. Aber es kümmert sich nicht wirklich jemand um ihn oder sie. Die einschlägigen wissenschaftlichen Studien sind da ernst zu nehmen. Zum Beispiel sind 70 Prozent aller Kreuzbeschwerden psychisch bedingt. Das ist eigentlich leicht nachvollziehbar: Wenn du gestresst bist, sitzt du nicht entspannt, sondern sehr angespannt an deinem Arbeitsplatz. Langfristig kommt es so zu Fehlhaltungen und letztendlich zu Abnützungen der Muskeln und der Knochen.

WenigerUnfälle ist natürlich ein Erfolg. Die meisten Unfälle, stelle ich mir vor, sind auf der Baustelle und …
Baubranche und Metallbranche. Das sind die Spitzenreiter.

Also in der Fabrik, die Maschinen ...
Fabrik ja, aber es gibt auch viel Metallarbeiten auf Baustellen. In der Produktion, besonders in größeren Unternehmen, gibt’s zunehmend Konzepte zur Unfallreduktion, die auch wirken.

Das rechnet sich ja auch.
Ja, da gibt’s Win-win-Situationen. Gesundheit muss organisiert werden. Im Baubereich ist die Situation schlimm, weil neben Sicherheitsrisiken und körperlicher Extrembelastung gibt es Druck und Stress. Leider sind Vorschriften wie die Erstellung eines Gesundheit- und Sicherheitsplanes noch immer nicht umgesetzt. Große Konzerne bemühen sich da noch leichter um den Arbeitnehmerschutz als die vielen Subunternehmen! Ein altes Problem: Subunternehmen, Schwarzarbeit. Und sobald du in die erste Subfirma gehst, geht der Arbeitnehmerschutz gegen Null.

Und die Arbeitsinspektion?
Die Arbeitsinspektionskontrolle ist personell immer noch unterbesetzt, insbesondere, wenn es darum geht, Arbeitszeiten zu kontrollieren. Überlange Arbeitszeiten sind nicht nur im Bau ein besonders sensibles Thema, wenn es um die Gesundheit geht.

Da sollten doch die Leute vom Zoll eingesetzt werden?
Nein, daraus ist leider nichts geworden.

Nur Schwarzarbeit. Also Alibiaktion?
Die Arbeitinspektion hat 300 Leute, die wirklich in die Betriebe gehen, das ist zu wenig, um die Einhaltung der Sicherheitsstandards und der Arbeitszeiten zu kontrollieren. Effiziente Kontrollen beinhalten Nachtausgänge, aber auch zum Beispiel den Vergleich von Arbeits--zeit-aufzeichnungen mit Gehaltsabrechnungen oder Daten der Gebietskrankenkasse!

Da war doch so ein Theater, weil die sich ja vorher ankündigen müssen. Die dürfen ja nicht überraschend kommen, hat der Wirtschaftsminister gesagt ...
Du redest von der Novellierung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 2001. Wir konnten die Arbeitspsychologen in das Gesetz bekommen - im Gegenzug mussten wir akzeptieren, dass die Arbeitsinspektoren jetzt ankündigen dürfen und bei Kontrollen nicht nur die Arbeiterkammer, sondern auch die Wirtschaftskammer mitnehmen dürfen.

Dürfen? Sie müssen nicht?
Sie müssen sich nicht ankündigen. Und sie dürfen sich auf keinen Fall ankündigen, wenn es um Gesundheit und Leben geht. Die Praxis schaut leider so aus, dass es einen ersten Missbrauch gibt, in einer Landes-Wirtschaftskammer, wo ein Betrieb von der Wirtschaftskammer über eine Kontrolle vorgewarnt wurde.

Ach ja, das war vor kurzem in den Zeitungen.
Viele Arbeitnehmerinnen und Betriebsräte haben das befürchtet.

Ist da jede Kontrolle lächerlich?
Naja, das Gesetz an sich ist so formuliert, dass die Arbeitsinspektion zu Recht sagen kann: »Ja, wir haben doch den Spielraum, unangekündigt zu kontrollieren.« Die Praxis ist so, dass wenn die Arbeitsinspektion mit der Arbeiterkammer in ein Unternehmen geht, sie die Wirtschaftskammer darüber informieren muss.

Jetzt ist da einer in der Firma und denkt sich, da geht’s ja wirklich rund, wir müssen einmal wen herholen, der sich das anschaut. Wie macht er das, ohne dass er selber draufzahlt?
Das ist im Arbeitsinspektionsgesetz sehr gut geregelt. Ein Arbeitsinspektor, der gerufen wird, darf nicht sagen, wer ihn gerufen hat. Arbeitsinspektoren sind meiner Erfahrung nach da sehr vorsichtig und halten sich an ihre Schweigepflicht. Das ist nicht das Problem der Arbeitsinspektoren. Ihr Problem ist, dass sie zu wenig Zeit haben …

Und unterbesetzt sind ...
… unterbesetzt sind und dass Arbeitszeit eines der wichtigsten Probleme ist, die am wenigstens kontrolliert werden.

Was ist noch ein Problem?
Zum Beispiel die Integration älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die müssen später in Pension gehen, sind zu diesem Zeitpunkt aber oft schon sehr krank. Oder die Integration behinderter Menschen in die Arbeitswelt. Die Themen Stressprävention und Prävention von arbeitsbedingten Erkrankungen hängen mit der Integration Älterer oder von Menschen mit Behinderung eng zusammen. Dass 50 Prozent des gesamten Krankheitsgeschehens arbeitsbedingt sind, ist ein Alarmsignal.

Das müssen wir uns alle vor Augen halten, das betrifft ja wirklich alle.
Ich sehe seitens der Regierung keine Anzeichen, dass sie sich dieses Themas wirklich annimmt.

Wie ist das als Frau in der Organisation? So viele Frauen haben wir ja immer noch nicht. Obwohl wir uns bemühen.
Es ist nicht so, dass es sie gar nicht gibt, die Frauen, es gibt sie halt fast nur auf der dritten Ebene. Du hast sie nur vereinzelt in Präsidien beispielsweise und auf der zweiten Ebene sehr sehr selten.

Bis zur europäischen Ebene geht das -so.
Ich sage dir einen kritischen Satz zu »Frauen in Führungspositionen«, weil ich selber ein bisschen in einer Führungsposition bin. Ich glaube, dass Frauen, auch wenn sie in Führungspositionen sind, typisch weibliche Themen »ausfassen«: zum Beispiel Gesundheit, Beratung, Service und andere so genannte »Soft-Themen«. Gott sei Dank gibt es Frauen dort! Auch ich arbeite sehr gerne im Bereich Arbeit und Gesundheit. Das widerspricht dem nicht. Ein weiteres Phänomen sind die Informationsflüsse, Frauen werden weniger und anders informiert als Männer. Auch innerhalb unserer Organisation. Natürlich gibt es Ausnahmen.

Zurück zu deinem Aufgabenbereich. Er betrifft uns alle direkt und täglich: Humanisierung, Arbeitnehmerschutz. Wie geht’s denn weiter? Wie sind denn die Aussichten für mehr Humanisierung?
Für die Arbeitnehmer in den Unternehmen und Dienststellen wird es deutlich härter. Der Zeitdruck nimmt immens zu. Es gibt in allen Branchen schon Leistungsverträge und Zeitvorgaben, die schwer einzuhalten sind. Mehr Arbeit in weniger Zeit und gleichzeitig Benchmarking. Das Referat Humanisierung hat zum Arbeitnehmerschutz in den letzten Jahren eine Kampagne durchgeführt. Ich werde auch versuchen, betriebliche Gesundheitsförderung noch mehr zum Thema zu machen. Größte Probleme sind arbeitsbedingter Stress und arbeitsbedingte Erkrankungen. Ich glaube, dass wir da als Arbeitnehmerorganisationen hier noch deutlich mehr bewegen müssen als bisher!

Was sollen die Betriebsräte machen? Oder überhaupt die Arbeitnehmer?
Betriebsräte haben ein hervorragendes Problembewusstsein. Viele Belegschaftsvertreter erleben am eigenen Leib, was Neoliberalismus, Rationalisierung und Arbeitsdruck ist. Da helfen Gesetze allein nicht. Trotzdem: Betriebsräte sind oft kompetenter, als ihnen selbst bewusst ist und wissen, dass sie sich vernetzen müssen - mit ihrer Arbeitsmedizinerin, mit dem Arbeitspsychologen. Immer wieder rufen Belegschaftsvertretungen auch zum Beispiel zum Thema Stress in ihrer Gewerkschaft an, natürlich auch bei mir. Meine Aufgabe ist es auch, etwa mit den Vertretern der Arbeitsmedizin oder der AUVA und dem Netzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung an der Entwicklung und Verbesserung der betrieblichen Betreuung zu arbeiten.

Was für eine Rolle spielen Betriebsräte im Arbeitnehmerschutz?
Das kann man im Arbeitsverfassungsgesetz nachlesen. Der Betriebsrat darf und muss kontrollieren, ob in seinem Unternehmen Arbeitnehmerschutz stattfindet. Viele Betriebsräte unterstützen ihre Arbeitsmedizinerin bei ihrer Arbeit. Eine Arbeitsmedizinerin, die keinen Betriebsrat hat, der sie unterstützt, ist in ihren Möglichkeiten eingeschränkt.

Das ist ein wichtiger Hinweis.
Das gleiche gilt für die Sicherheitsfachkräfte. Aber bei den Arbeitsmedizinerinnen oder auch Arbeitspsychologen und Sicherheitsvertrauenspersonen ist der Betriebsrat noch wichtiger.

Das ist eh nur in den großen Firmen. Die anderen haben ja keinen?
In kleinen Firmen, also in Arbeitsstätten bis 50 Arbeitnehmern, kann man die Arbeitsmedizinerinnen und Sicherheitsfachkräfte von der AUVA kostenlos anfordern. Die AUVA kann auch gerufen werden, wenn es besondere Anlässe, Unfälle, Erkrankungen, besondere Gefahren gibt. Betriebsräte müssen mit diesen Fachkräften zusammenarbeiten und jede mögliche Unterstützung ausreizen, wenn sich die gesundheitliche Situation in ihrem Betrieb verbessern soll.

Meine Vision ist ein gesunder Bauarbeiter, der 65 Jahre alt, eine gesunde Altenpflegerin, die 65 Jahre alt ist!

Wir danken für das Gespräch.

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Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132725 Kampagnen und Aktionen: Erfolgreich organisieren | (Folge 2) Bring die Menschen zum Lachen
und du hast ihre Herzen gewonnen.
John F. Kennedy

Im Rahmen eines Referates in einer Gewerkschaftsschulklasse in Graz haben wir uns intensiv mit dem Thema Kampagne auseinander gesetzt. Schon in den ersten Minuten war klar, hier sitzt ein hochmotiviertes Team, das »scharf« darauf ist, eine kreative Aktion im Rahmen des Sozialstaat-Volksbegehrens durchzuführen. Nachdem wir die Grundsätze von Kampagnen und einige Beispiele gemeinsam diskutiert hatten, entschied sich die Gruppe, eine Aktion durchzuführen. Ich war gespannt zu erfahren, für welche Aktionsform sie sich letztendlich entschieden hatten. Erfahren habe ich es dann durch einen Anruf des Landessekretärs, der das Gespräch mit den Worten: »Du kommst mir nimmer in mein Bundesland! Jetzt muss ich irgendwelche Viecher durch die Landstraße treiben!« begann. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Du weißt gar nicht, wie ich mich auf diese Aktion freue!« Die Gewerkschaftsschule Graz entschied sich im Rahmen des Sozialstaat-Volksbegehrens für eine Aktion, in der sie als »gerupfte Hühner« verkleidet durch die Innenstadt marschierten. Der Hahn war das Symbol für »Sozialstaat Österreich« und die gerupften Hühner waren mit dem Hinweis »So wollen wir nicht ENDEN« versehen.

Veranstalter waren die TeilnehmerInnen der Gewerkschaftsschule Graz. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass der Spaß, den die TeilnehmerInnen bei dieser Aktion hatten, sichergestellt hat, dass sie bei der nächsten Aktion wieder mitmachen.

Manchmal werden Kampagnen auch als letztes Abenteuer in der Organisation bezeichnet, weil man nie sicher weiß, wie es ausgeht.

Einbeziehen

Je stärker die Mitglieder involviert sind, umso stärker ist deine Kampagne!

Kampagnen bieten die Möglichkeit, Mitglieder direkt und ohne hierarchische Grenzen in Aktionen einzubinden. Wir bieten ihnen damit die Chance, hautnah Abläufe und organisatorische Überlegungen miterleben und vor allem mitgestalten zu können. Sie sind weder ZuschauerInnen, noch KonsumentInnen, sie sind aktiver Teil einer Kampagne. In diesem Fall ist es keine Kampagne für sie, sondern eine Kampagne mit ihnen. Das Gefühl, dabei gewesen zu sein, teilen sie in der Regel mit ihren KollegInnen. Positiver Nebeneffekt - der Multiplikationseffekt ist enorm.

Erkläre mir und ich werde vergessen.
Zeige mir und ich werde mich erinnern. Beteilige mich und ich werde verstehen!
Konfuzius

Eine Kampagne bietet die Möglichkeit, Mitglieder direkt für einen gewissen Zeitraum in die Organisation zu integrieren. Sie sind Teil organisatorischer Überlegungen, können Ideen einbringen und Aktionen mitgestalten. Durch dieses Engagement lernen die Menschen Politik aus nächster Nähe kennen - sie erleben Politik. Wer einmal Kampagnen oder Aktionen mit Mitgliedern durchgeführt hat, weiß wie stark sich das Bild vom ÖGB zum Positiven wendet. Mitglieder, die positive Erfahrungen in einer unserer Kampagnen gemacht haben, sind die besten Werbeträger.

Wie stark in einer Kampagne Mitglieder eingebunden werden sollen, muss von Anfang an klar sein. Beteiligung von Mitgliedern bedeutet nicht zwangsläufig, die pure Basisdemokratie auszurufen.

Verschiebe die Auseinandersetzung von einem Schaukampf Gewerkschaft gegen Management zu einem Anliegen der NutzerInnen und des Gemeinwohls!

Was geht das mich an?

Erfolgreiche Kampagnenstrategien zeichnen sich dadurch aus, dass über das Verhältnis Gewerkschaft versus Management noch andere Aspekte mit einbezogen werden. Wenn es beispielsweise zu einem Konflikt in einem Betrieb »Gewerkschaft gegen Management« kommt und wir unsere Kommunikationsstrategie auf die Situation der Beschäftigten reduzieren, wird bis auf die engsten Verwandten und Bekannten kein allgemeines Interesse und leider auch keine breite Solidarisierung erzeugt werden. Es muss gelingen, herauszuarbeiten, welche größere Dimension in diesem speziellen Konflikt beinhaltet ist. Also eine klare Antwort auf die Frage: »Was geht denn das mich an?«

Ein gutes Beispiel dafür war die Auseinandersetzung der FPÖVP-Regierung im Kampf gegen die KollegInnen bei den Österreichischen Bundesbahnen. Es wäre eine vollkommen falsche Strategie, wenn wir anfangen würden, von Unterschieden zu anderen Berufsgruppen, von Tradition, von erkämpften Rechten, etc. zu sprechen. Es wäre zwar politisch korrekt und in Fachkreisen gut argumentierbar, aber für Menschen, die weder das Eisenbahnerdienstrecht noch die spezi-fische Situation der EisenbahnerInnen kennen, nicht nachvollziehbar. Die Gewerkschaft der Eisenbahner ist daher mit ihrer Kampagne »Österreich braucht die Bahn« folgerichtig einen anderen Weg gegangen. Mit der Argumentation, wenn das Konzept der FPÖVP-Regierung durchgeht, dann bedeutet das für die NutzerInnen-(BahnkundInnen) größere Verspätungen, längere Wartezeiten, weniger Züge, teurere Tickets und mangelnde Sicherheit. Der Kampf der EisenbahnerInnen ist ein Kampf gegen die Zerschlagung eines wichtigen Unternehmens. Es ist ein Kampf der EisenbahnerInnen und BahnkundInnen gegen eine neoliberale und parteipolitisch motivierte Zerschlagung der Bahn. Das regionale Herunterbrechen des Slogans »Österreich braucht die Bahn« auf verschiedenste Städte (»Villach braucht die Bahn«) und sogar Dörfer (»Uttendorf braucht die Bahn«), hat das Aufzeigen der Interessen der PendlerInnen noch einmal verstärkt.

Nutze das Internet!

Kann man eigentlich eine größere Kampagne heute noch ohne Internet durchführen? Die Antwort ist klar: Kein/e politische/r AkteurIn, der/die sich in der Medienöffentlichkeit unserer Informationsgesellschaft bewegt, kann auf eine moderne Kommunikationsstrategie im Internet verzichten. Das Internet ist inzwischen die mächtigste Waffe im Werkzeugkasten des Widerstandes. Die Frage lautet also nicht mehr ob, sondern wie? Die Mediendemokratie fordert ihren Tribut. Wer im Internet nicht präsent ist und »vorne liegt«, kann keine erfolgreiche Kampagne führen. Die Frage, die sich jede/r CampaignerIn stellt: »Was muss getan werden, um im Internet kommunikations- und kampagnenfähig zu sein?«

Ein großer Fehler, der bei der Einschätzung der Bedeutung des Internets für die Politik gemacht wird, ist, das Internet als ein Medium unter vielen zu sehen. Das Internet spielt bei einer guten Kampagne eine wesentliche Rolle und wird in Zukunft zu einem immer wichtigeren Medium. Nicht nur, weil es sehr effizient und schnell Informationen an viele EmpfängerInnen verteilen kann, sondern auch, weil es parallel sehr zielgruppenspezifisch informieren kann.

Eine gute Internetseite bietet den UserInnen die Möglichkeit sich an der Kampagne zu beteiligen und bietet zudem auch echtes Service. Dies kann in unterschiedlichsten Formen geschehen.

Die Aufforderung, Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben und gleich die E-Mail-Adressen der Leserbriefredaktionen zu veröffentlichen, ist ein echtes Service und eröffnet auf einfache Weise die Möglichkeit, sich für die Anliegen der Kampagne zu engagieren.

Sei konsequent!

Bei etwas härter angelegten, oft provokanten und dadurch natürlich öffentlichkeitswirksamen Aktionen werden oft Fragen gestellt wie:

Na, dürfen die das?
Ist das nicht ein bisschen zu direkt?
Ist das nicht ein bisschen zu radikal?

Ein gutes Beispiel für die Konsequenz von kampfbereiten BetriebsrätInnenen sind die Aktionen der VOEST-BetriebsrätInnen und Post-PersonalvertreterInnen. Im September 2003 demonstrierte eine Abordnung von ca. 400 Beschäftigten und BetriebsrätInnen während der entscheidenden Verkaufssitzung des ÖIAG-Aufsichtsrates vor der ÖIAG-Zentrale in Wien.

Die DemonstrantInnen hatten den Zugang zur Aufsichtsratssitzung mit Einkaufswagen »verdichtet«. Die Auseinandersetzung zwischen den DemonstrantInnen und den Aufsichtsratsmitgliedern spielte sich so ab, dass die Aufsichtsratsmitglieder durch dieses enge Spalier zum Eingang mussten. Es gab lautstarke Buh-Rufe. Papierfetzen wurden geworfen. Der Effekt war, dass der Weg von den AufsichtsrätInnen nur ungern gegangen wurde.

Das festigte die AkteurInnen nach innen. Die Stimmung war: »Jetzt haben wir es ihnen einmal gezeigt, jetzt hatten die auch mal Bammel vor uns.« Es wurde nicht erwartet, dass die Aufsichtsräte ihr Abstimmungsverhalten ändern.

Wichtig war jedoch, was die Akti-vistinnen und Aktivisten empfanden, die sich an der Aktion beteiligten und dem Konfliktgegner »face to face« gegenüberstanden.

Gestalte Bilder!

Bilder prägen sich schneller und tiefer ins Gedächtnis ein als Worte. Sie sind ein grandioses Trägermedium um Gefühle zu produzieren - und Menschen sehnen sich förmlich danach, etwas »spürbar« vermittelt zu bekommen.

Der Zugang zu Gefühlen über Bilder ist unmittelbar und direkt. Dazu kommt, dass Menschen heute immer öfter Worten und Ideen misstrauen. Sie wollen zunehmend durch Bilder nachprüfen können, ob das, was da berichtet, gelehrt, angeboten wird, auch wirklich wahr und authentisch ist.

Die Faszination der Bilder kann man bei Aktionen sehr gut nutzen. Ob in den Medien, in der Politik, in der Wirtschaft oder im sozialen Bereich, man kann den Menschen mit Bildern Gefühle ermöglichen.

Auf Bilder kann nicht verzichtet werden. Deshalb gilt auch: Keine Veranstaltung ohne Logo!

Oder: Was denkst du, wenn du ein Inserat mit dem Text »Zwei schwitzen für Adidas« liest?

Und was denkst du, wenn du das Bild dazu siehst?

Der dritte Teil der Kampagnenserie beschreibt die wichtigsten Kampagneregeln und liefert wertvolle Kampagnentipps.

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Willi Mernyi (ÖGB-Referat für Kampagnen, Projekte, Zielgruppen) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132710 Kommentar | »Wo bleibt euer Aufschrei?« »Das Kapital hat die Bevölkerung agglomeriert, die Produktionsmittel zentralisiert und das Eigentum in wenigen Händen konzentriert.«
»Die Arbeiter, die sich stückweise verkaufen müssen, sind eine Ware wie jeder andere Handelsartikel und daher gleichmäßig allen Wechselfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgesetzt.«

Karl Marx/Friedrich Engels, 1848,
»Manifest der Kommunistischen Partei«

146 Jahre später warten in Deutschland - als ob es nie eine Zivilisierung des Klassenkampfes gegeben hätte - zehntausende von Arbeitern auf den nächsten Schlag aus den Konzernetagen von General Motors, Aventis, Volkswagen und Continental, der sie in die Arbeitslosigkeit und anschließend mit Hilfe der Politik auf die unterste Sprosse der sozialen Stufenleiter befördert.

Nicht das Gespenst des Kommunismus, vielmehr die Angst geht um in Europa - gepaart mit Wut, Abscheu und tiefem Misstrauen gegenüber den politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten, die ähnlich den Verantwortlichen in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus in die Industriegesellschaft offensichtlich unfähig sind, die unausweichliche Globalisierung der Ökonomie human zu gestalten.

Unter Berufung auf angebliche Gesetze des Marktes reden sie vielmehr einer anarchischen Wirtschaftsordnung, die über Leichen geht, das Wort. 100 Millionen von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen in Europa und den USA und 3 Milliarden Arme, die zusammen ein geringeres Einkommen haben als die 400 reichsten Familien der Erde, klagen an: die Adepten einer Shareholder-Value-Ökonomie, die keine Werte kennt jenseits von Angebot und Nachfrage, Spekulanten begünstigt und langfristige Investoren behindert. Sie klagen an: die Staatsmänner der westlichen Welt, die sich von den multinationalen Konzernen erpressen und gegeneinander ausspielen lassen. Sie klagen an: ein Meinungskartell von Ökonomieprofessoren und Publizisten, die meinen, die menschliche Gesellschaft müsse funktionieren wie DaimlerChrysler, und die sich beharrlich weigern, anzuerkennen, dass der Markt geordnet werden muss, auch global Regeln einzuhalten sind und Lohndumping die Qualität der Arbeit und der Produkte zerstört.

Die Arbeiter in den Industriestaaten und ihre Gewerkschaften, die angesichts der Massenarbeitslosigkeit mit dem Rücken an der Wand stehen, fühlen sich anonymen Mächten ausgeliefert, die von Menschen beherrscht werden, deren Gier nach Geld ihre Hirne zerfrisst. Die Menschen leben und arbeiten in einer globalisierten Ökonomie, die eine Welt der Anarchie ist - ohne Regeln, ohne Gesetze, ohne soziale Übereinkünfte, eine Welt, in der Unternehmen, Großbanken und der ganze »private Sektor« unreguliert agieren können. Die globalisierte Ökonomie ist auch eine Welt, in der Kriminelle und Drogendealer frei und ungebunden arbeiten und Terroristen Teilhaber an einer gigantischen Finanzindustrie sind und so ihre mörderischen Anschläge finanzieren.

Wo bleibt der Aufschrei der SPD, der CDU, der Kirchen gegen ein Wirtschaftssystem, in dem große Konzerne gesunde kleinere Firmen wie Kadus im Südschwarzwald mit Inventar und Menschen aufkaufen, als wären es Sklavenschiffe aus dem 18.Jahrhundert, sie dann zum Zwecke der Marktbereinigung oder zur Steigerung der Kapitalrendite und des Börsenwertes dichtmachen und damit die wirtschaftliche Existenz von tausenden mitsamt ihren Familien vernichten? Den Menschen zeigt sich die hässliche Fratze eines unsittlichen und auch ökonomisch falschen Kapitalismus, wenn der Börsenwert und die Managergehälter - an den Aktienkurs gekoppelt - umso höher steigen, je mehr Menschen wegrationalisiert werden. Der gerechte, aber hilflose Zorn der Lohnempfänger richtet sich gegen die schamlose Bereicherung von Managern, deren »Verdienst«, wie sogar die FAZ schreibt, darin besteht, dass sie durch schwere Fehler Milliarden von Anlagevermögen vernichtet und Arbeitsplätze zerstört haben.

Das Triumphgeheul des Bundesverbandes der Deutschen Industrie über die Billiglohnkonkurrenz aus dem Osten noch in den Ohren, müssen marginalisierte und von der Marginalisierung bedrohte Menschen sich vom politischen und ökonomischen Establishment als Neonazis und Kommunisten beschimpfen lassen, wenn sie radikale Parteien wählen, weil es keine Opposition mehr gibt und sie sich mit einer Großen Koalition konfrontiert sehen, die offensichtlich die Republik mit einem Metzgerladen verwechselt, in dem so tief ins soziale Fleisch geschnitten wird, dass das Blut nur so spritzt, anstatt durch Bürgerversicherung und Steuerfinanzierung die Löhne endlich von den Lohnnebenkosten zu befreien. Nur Dummköpfe und Besserwisser können den Menschen weismachen wollen, man könne auf die Dauer Solidarität und Partnerschaft in einer Gesellschaft aufs Spiel setzen, ohne dafür irgendwann einen politischen Preis bezahlen zu müssen. Warum wird tabuisiert und totgeschwiegen, dass es eine Alternative gibt zum jetzigen Wirtschaftssystem: eine -internationale sozial-ökologische Marktwirtschaft mit geordnetem Wettbewerb?

Ideen verändern die Welt.

Auch in einer globalen Wirtschaft sind Produktion und Service ohne Menschen nicht möglich. Neue Produktionsfaktoren wie Kreativität und Wissen sind hinzugekommen. Aber das Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Kapital ist geblieben. Die Kommunisten wollten den Konflikt lösen, indem sie das Kapital eliminierten und die Kapitaleigner liquidierten. Bekanntlich sind sie daran gescheitert. Heute eliminiert das Kapital die Arbeit. Der Kapitalismus liegt derzeit genauso falsch wie einst der Kommunismus.

Der Tanz um das Goldene Kalb ist schon einmal schief gegangen.

Abdruck mit freundlicher Erlaubnis
aus »DIE ZEIT« 47/2004

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Heiner Geissler (ehemaliger Generalsekretär der deutschen CDU und gehörte den deutschen Bundestagen an) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132702 Standpunkt | TINA und TAMARA Wenn Sie diese Überschrift lesen, glauben Sie vielleicht auf den ersten Blick, es geht um zwei reizende junge Damen dieses Namens, vielleicht Popsängerinnen oder Fernsehstars. Weit gefehlt! Es geht um Mantren und Couésche Formeln. Mantren sind diese ewig wiederholten religiösen Formeln1), die auch in den Gebetsmühlen stecken und durch einfaches Drehen ihre Wirkung entfalten. Emile Coué war ein französischer Apotheker, der ein Verfahren zur Aktivierung der Selbstheilkräfte durch die Wiederholung von autosuggestiven Formeln entwickelte2). TINA ist so eine Formel, sie kommt aus dem Englischen und heißt: »There Is No Alternative!«

Und wozu gibt’s keine Alternative! Natürlich zum Neoliberalismus, also dem System, das die Reichen immer reicher macht und den Ärmeren den Sozialstaat abbaut, die soziale Sicherheit untergräbt und Löhne stetig schrumpfen lässt.

Der Kampfruf der Kritiker der Neoliberalen lautet: »There Are Many And Real Alternatives« - es gibt viele und realistische Alternativen, also TAMARA.

Die neoliberalen Glaubenskrieger -bestreiten natürlich die Existenz oder die Möglichkeit jeder Alternative und wenn dies nicht gelingt, wird diese diskreditiert, was das Zeug hält. Aus ihrer Sicht ist zum Beispiel die Wertschöpfungsabgabe ein Griff in die unterste Lade des Klassenkampfs, obwohl oder gerade weil auch einige weiterdenkende Konservative sich damit ernsthaft beschäftigen.

Zum nicht nur im vereinigten Europa vorherrschenden Grundsatz »Nimm von den Armen und gib den Reichen« gibt es viele und realistische Alternativen. Es war Margaret Thatcher, die neoliberale britische Premierministerin, die immer wieder beteuerte, »there is no alternative«, der Markt werde alles regeln. Die formelhafte Wiederholung dieses Mantras führte dazu, dass viele Menschen, kritische Menschen, Menschen, die unter den gegenwärtigen Verhältnissen auch leiden, resigniert mit den Schultern zucken und schließlich glauben, dass es wirklich keine Alternative gäbe.

Simples Muster

Der Begriff TINA-Prinzip (auch -Tina-Prinzip) wurde letztendlich von dem leider viel zu früh verstorbenen französischen Soziologen Pierre Bourdieu geprägt und steht nicht nur für den Kampfruf der Margaret T., sondern ist die (mehr oder weniger ironisch gemeinte) Bezeichnung für ein bestimmtes, simples Muster, mit der (manche) Politiker(innen) in der Öffentlichkeit Entscheidungen begründen. Die Behauptung, es gebe keine Alternative, so die These, sei aber nicht real, sondern nur ein propagandistisches Mittel, um Kritik in der Öffentlichkeit die Legitimation zu nehmen und eine Diskussion zu unterbinden. TINA hat übrigens auch noch einen Bruder, der von (manchen) Politiker(innen) schamlos in den Mund genommen wird, den »Sachzwang«. In Eckhard Henscheids »Dummdeutsch«3) wird erklärt: »Wenn Politiker oder Parteien etwas halt partout nicht mögen, dann fällt dessen Unterbleiben in die Kategorie der Sachzwänge. Unter der Zwingherrschaft des Sachzwangs werden Wälder und Alleen abgeholzt, Altmühltäler entschärft und prima Betonlandschaften erzwungen - wobei das Zwängende der oft zu engen Sachen oft zu den zwingendsten Lösungen führt.«

Unter dem Schlachtruf TINA erfolgt jetzt der soziale Kahlschlag, ja mehr noch, die Enteignung des erkämpften sozialen Eigentums. Wollen Sie vielleicht die Post oder die Bahn kaufen oder ein paar -Krankenhäuser? Wenn Sie genug Kleingeld haben ...

TINA oder TAMARA? Es geht hier aber nicht um Glaubenssätze, sondern um unsere Zukunft. Und dazu sagt Erich Fried:

»Die Zukunft liegt nicht darin, dass man an sie glaubt oder nicht glaubt, sondern darin, dass man sie vorbereitet.« Darum geht es.

Siegfried Sorz

 

1) Zum Beispiel im (lamaistischen) Buddhismus und im Hinduismus das »Om« oder »Aum« oder »Om mani padme hum« - wir wollen keineswegs religiöse Gefühle verletzen und uns nur von den pseudoreligiösen der Neoliberalen distanzieren. Siehe auch: Dirk Baecker (Hg.) »Kapitalismus als Religion«, Kulturverlag Kadmos, 2002.
2) Coué empfahl zum Beispiel, den Satz "Mir geht es in jeder Hinsicht täglich besser und besser" zu wiederholen, 20-mal morgens und abends ...
3) Eckhard Henscheid: Dummdeutsch, Reclam-Verlag

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132698 Privatisierungen: Arge Betriebsräte? Seit rund 20 Jahren werden die ehemals verstaatlichten bzw. staatlichen Betriebe, meist profitable Vorzeigeunternehmen, Stück um Stück privatisiert. Die Privatisierungserlöse belaufen sich von 1986 bis 2003 auf insgesamt fast 10,7 Milliarden Euro, davon entfallen allein 3,95 Milliarden auf den Zeitraum von 1995 bis 1999 und 3,88 Milliarden Euro auf den Zeitraum von 2000 bis 2003. Seit dem Jahr 2000 hat die Staatsholding ÖIAG (Österreichische Industrieholding AG) gemäß dem ÖVP-FPÖ-Regierungsauftrag überdies die Totalprivatisierung aller ÖIAG-Betriebe/-Beteiligungen und die Auflösung der ÖIAG in der jetzigen Form zum Ziel. Den Einmaleinnahmen für den Staat steht der Verlust von Arbeitsplätzen - im ehemaligen Kernbereich der Verstaatlichten sind dies rund 80.000 seit Ende der Achtzigerjahre - gegenüber.

Viele zehntausende Arbeitsplätze verloren

Am Ende einer Totalprivatisierung befürchtet der ÖGB den Verlust weiterer zehntausender Arbeitsplätze. Laut Berechnungen der AK führt eine Totalprivatisierung zu einem Verlust an Steuer- und Dividendeneinnahmen des Staates aus seinen Beteiligungen von jährlich rund 250 Millionen Euro.

Dabei wurden die verkauften Firmen vielfach weit unter ihrem realen Unternehmenswert an die privaten Aktionäre verkauft. Etwa bei der OMV in den 1990er-Jahren, vor allem aber z. B. bei Austria Tabak, voestalpine oder Böhler Uddeholm. So erhielten etwa die neuen privaten und mehrheitlich ausländischen Eigentümer der voestalpine AG ihre Anteile um 400 Millionen unter dem tatsächlichen Unternehmenswert zur Zeit des Verkaufes im September 2003.

Mit dem Beginn der Aufsplitterung der verstaatlichten Betriebe gründete sich auch im Jahr 1987 die Arbeitsgemeinschaft ARGE-ÖIAG. Sie ist die Interessengemeinschaft der BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen der ÖIAG-Beteiligungen, der großen Unternehmen in Staatsbesitz bzw. mit staatlicher Beteiligung. Sie koordiniert seit 1987 die Betriebsräte der einzelnen Firmen unter dem Dach der ÖIAG, die in den Teilgewerkschaften der Privatangestellten, der Chemiearbeiter, Handel, Transport, Verkehr, Post- und Fernmeldebedienstete sowie Metall-Textil organisiert sind.

Informationsaustausch, Lobbying und Medienarbeit

Die ARGE-ÖIAG dient dem Informationsaustausch unter den Beteiligungen sowie einer engeren Bindung zu Arbeiterkammer und Gewerkschaften. Mangels einer gesetzlichen Vertretungsmöglichkeit (diese gibt es nur in Betrieben und Konzernen, nicht aber übergreifend für verschiedene Konzerne und Branchen) besteht diese Plattform. Seitens des ÖGB und der AK ist die ARGE-ÖIAG als Plattform anerkannt. So hat die ARGE ein Vorschlagsrecht an die AK betreffend der Besetzung der von Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der ÖIAG zu besetzenden Mitglieder.

Nach dem Abgang des Gründungsmitgliedes und langjährigen Vorsitzenden der ARGE-ÖIAG, Helmut Oberchristl (Konzernbetriebsratsvorsitzender der voestalpine AG), wurde Anfang November 2004 der Konzernvertretungsvorsitzende der OMV, Leopold Abraham, zum neuen Vorsitzenden der ARGE-ÖIAG gewählt. Als künftige Ziele seiner Vorsitzführung skizziert er verstärktes Lobbying in Politik, Parlament und der Bundesregierung sowie eine aktive Medienarbeit. Die weiteren Präsidiumsmitglieder der ARGE sowie Mitglieder im ÖIAG-Aufsichtsrat sind Gerhard Fritz (GPF-Vorsitzender und Vorsitzender des Zentralausschusses der Bediensteten der Österreichischen Post AG), Anton Beneder (Vorsitzender der Konzernvertretung der VA Tech AG), Michael Kolek, (Vorsitzender des Zentralausschusses der Bediensteten der Telekom Austria AG) und Helmut Oberchristl.

Mitarbeiterbeteiligung und Mitarbeitervorsorgekassen

Als Erfolge der ARGE-ÖIAG unter dem Vorsitz von Helmut Oberchristl bezeichnet Gottfried Sommer, Sekretär der ARGE, die erreichte Mitarbeiterbeteiligung in einigen ÖIAG-Bereichen sowie die Mitarbeitervorsorgekassen. Freilich, die Privatisierungen konnte die ARGE auf ÖIAG-Ebene nicht verhindern, sind doch die Arbeitnehmervertreter in der ÖIAG nur im Aufsichtsrat und da auch nur als Minderheit vertreten. Allerdings hat die ARGE kräftig dazu beigetragen, dass z. B. die Proteste gegen den Verkauf der voestalpine AG ein so großes mediales Echo und so viel Unterstützung in der Bevölkerung gefunden haben.

Die Rolle der ARGE zeigte sich auch in Sachen VA Tech. Als die Firma Siemens ein Angebot zur Übernahme der VA Tech-Aktien bekannt gab, wurde die ARGE-ÖIAG als Informationsdrehscheibe und Backoffice für den Konzernbetriebsrat tätig. Über den ARGE-Sekretär liefen in diesen Wochen die Koordination von Pressekonferenzen, die Medienbeobachtung und Lobbyingtätigkeiten. »Die Entscheidungen über die Zukunft der VA Tech sind weiterhin in Österreich zu treffen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die ÖIAG als stabiler Kernaktionär bleibt«, verlangte ARGE-ÖIAG-Vorsitzender Leopold Abraham bei der letzten Aufsichtsratssitzung Anfang Dezember 2004. Ähnlich die Forderung von AK Direktor Werner Muhm zur geplanten Mehrheitsübernahme der VA Tech durch Siemens: »Die ÖIAG muss als Kernaktionär an der VA Tech beteiligt bleiben und bei einer eventuellen VA Tech-Kapitalerhöhung voll mitziehen. Nur ein stabiler Kernaktionär ÖIAG kann für den Zusammenhalt des Konzerns sorgen.«

Dass es die ARGE-ÖIAG weitergeben soll, ist für die Belegschaftsvertreter keine Frage. Eine andere Frage ist, in welcher Form: So ist die ARGE-ÖIAG ja direkt an die ÖIAG-Beteiligungen gebunden. Der derzeitige Regierungsauftrag zur ÖIAG sieht vor, dass nach erfolgten Privatisierungen - als Ziel ist Ende 2006 vorgegeben - die ÖIAG als Gesellschaft aufgelöst werden und eine BBMG,
Bundesbeteiligungsmanagement-Gesellschaft die künftigen Aufgaben übernehmen soll. Damit ist die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung dieser ARGE gegeben. Für die Zukunft fordert Leopold Abraham daher, dass die ÖIAG eine echte Beteiligungsholding wird und nicht zur Ausverkaufsholding verkommt: »Angesichts der wirtschaftlichen Lage ist es wichtig, dass grundsätzliche Entscheidungen in Österreich getroffen werden.«

Dass die Befürchtungen der Arbeitnehmervertreter der ARGE-ÖIAG nicht aus der Luft gegriffen sind, beweist das Geschäftsziel der ÖIAG, nachzulesen auf deren Homepage:

»Die Österreichische Industrie Holding AG ist die Beteiligungs- und Privatisierungsagentur der Republik Österreich. Die ÖIAG praktiziert in ihrer Eigenschaft als Beteiligungs, und Privatisierungsagentur eine Doppelstrategie: einerseits die Wertsteigerung der ihr anvertrauten Beteiligungen, andererseits das ständige Prüfen von Exit-Szenarien sowie - so ein Regierungsauftrag besteht - die Teil- oder Vollprivatisierung des Unternehmens.«

Das heißt, zuerst die Betriebe auf Staatskosten, auf Kosten der Beschäftigten und Steuerzahler herzurichten, um sie dann an Private »wertsteigernd« zu verkaufen. Und man muss ergänzen, auszuverkaufen: So hat der jetzige Kapitalmarktbeauftragte der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung, Richard Schenz, noch als OMV-Generaldirektor im Frühjahr 2000 die Befürchtung geäußert, dass die Privatisierungen »die Verstaatlichte zu einem gefundenen Fressen für die Multis« machen würde.

Ausverkauf Österreichs?

Tatsächlich summierte sich bis zum Jahr 2002 der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen in Österreich bereits auf 41,2 Milliarden Euro. Das war fast das Doppelte von 1999, also vor Beginn der Totalprivatisierung, und das Fünffache von 1990 (8,51 Mrd. Euro). Dabei stammt fast die Hälfte des Auslandskapitals in Österreich allein aus Deutschland. Und hätte es noch eines Beweises bedurft, dann liefern die Vorgänge um die Übernahme der VA Tech durch die Siemens Austria, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft des deutschen Siemens-Konzern, das traurige Anschauungsmaterial. Soviel auch zur Beteuerung der Regierung, bei den Privatisierungen der ÖIAG-Beteiligungsbetriebe auf den Erhalt einer österreichischen Kernaktionärsschaft zu achten.

Gut für die Aktienbesitzer

Handelt es sich bei den jetzt zur Privatisierung anstehenden Betrieben vielleicht um schlechte Betriebe? Wären die verstaatlichten Betriebe nicht gut geführt worden, es würde sich wohl kaum ein Privater darum reißen. Wie die ÖIAG-Betriebe in Summe an der Börse liegen, darüber gibt der ÖIAG-Börsenindex Auskunft. In Dekade 1993 bis 2002 lag dieser immer über dem ATX, bis 2000 im Schnitt um 20 Punkte darüber. Von 1994 bis 2002 haben die ÖIAG-Betriebe 13 Milliarden Schilling oder 1,18 Milliarden Euro an Dividenden an den Staat abgeliefert.

In Zukunft geht der Staat leer aus. Das ist gut für die Aktionäre, arg für Beschäftigte und eine eigenständige österreichische Industrie. Nicht die Beschäftigten und die Betriebsräte, die sich gegen Privatisierungen wehren, sind arg, sondern die Privatisierungs- und Ausverkaufspolitik der Regierung.

Diese geht nach dem Motto »zuerst privatisieren, dann liquidieren« vor, wie es der Tiroler AK Präsident Fritz Dinkhauser anlässlich der geplanten Schließung von zwei Austria Tabak-Werken ausdrückte. Die Austria Tabak wurde 2001 an den britischen Konzern Gallaher verkauft. Kaum ist die bis Ende 2004 abgegebene Arbeitsplatz- und Standortgarantie abgelaufen, kündigt der Konzern die Schließung der Produktionen in Schwaz/Tirol und Fürstenfeld/Steiermark an. 160 Beschäftigte sind davon betroffen. Für den Vorsitzenden der ARGE-ÖIAG, Leopold Abraham, zeigt das Beispiel Austria Tabak, dass Arbeitsplatz- und Standortgarantien nichts als großspurige Ankündigungen sind - in der Realität Totalprivatisierung nur zu Arbeitsplatzvernichtung und zur Vernichtung von Volksvermögen führt. So hat Gallaher die 2001 für die Austria Tabak bezahlten 770 Millionen Euro schon nach fünf Jahren wieder zurückverdient. Die Vorgänge bei der VA Tech haben für Abraham die gleichen Vorzeichen wie sie derzeit bei den ATW zu Tage treten: »Abbau von Arbeitsplätzen in den Bereichen, wo Siemens und VA-Tech sich gemeinsam am Markt bewegen, sind programmiert. Da nützt auch eine Standort- oder Arbeitsplatzgarantie nichts.« Als Konsequenz fordern die ÖIAG-Belegschaftsvertreter, dass sich der Staat nicht unter die Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie aus den Unternehmen zurückziehen soll. Das gelte insbesondere für die Telekom, wie es von Minister Grasser auch schon mit Vertretern von Belegschaft und Gewerkschaft schriftlich vereinbart ist. Ein Börsegang der Post AG zum derzeitigen Zeitpunkt wird ebenfalls abgelehnt.

 
A B K Ü R Z U N G E N :

Aktienindex: Kennziffer für die Entwicklung des Kursdurchschnitts der bedeutendsten Aktiengesellschaften.
ARGE-ÖIAG: Arbeitsgemeinschaft der BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen der ÖIAG-Beteiligungen, d. h. der großen Unternehmen in Staatsbesitz bzw. mit staatlicher Beteiligung.
ATX: Aktienindex der Wiener Börse.
GPF: Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten.
ÖIAG: Österreichische Industrieholding AG, Holding der großen Unternehmen in österreichischem Staatsbesitz bzw. mit staatlicher Beteiligung.
OMV: Die OMV (früher: Österreichische Mineralöl Verwaltung) ist einer der führenden Erdöl- und Erdgaskonzerne in Mittel- und Osteuropa mit weltweiten Explorations- und Produktionsaktivitäten. Die integrierten Chemieunternehmen in der OMV produzieren Melamin und Geotextilien. Gemessen am Konzernumsatz und der Marktkapitalisierung ist OMV das größte börsennotierte Industrieunternehmen Österreichs.
VA Tech AG: VA Technologie AG. Der Konzern verfügt über führende internationale Positionen in den Bereichen Metallurgietechnik, Hydraulische Energieerzeugung, Energie-übertragung und -verteilung, Wassertechnik sowie Infrastruktur. Hervorgegangen aus den verstaatlichten Betrieben (u. a. ELIN), wird die VOEST-ALPINE Industrieanlagenbau 1988 eine rechtlich selbständige Gesellschaft. 1993 erfolgt die Gründung der VA Technologie AG mit den Tochtergesellschaften Austria Energy, VAI, ELIN Energieanwendung, ELIN Energieversorgung, EBG, aii, VOEST-ALPINE MCE. Seit 1994 notiert die VA Technologie AG an der Börse.

 
F A C H A U S D R Ü C K E :


AG: Aktiengesellschaft.
Aktiengesellschaft (AG): Handelsgesellschaft, deren Grundkapital (Aktienkapital) von Gesellschaftern (Aktionären) aufgebracht wird, die nicht persönlich, sondern mit ihren Einlagen für die Verbindlichkeiten haften.
Aktie: Anteilsschein am Grundkapital einer Aktiengesellschaft.
Holding: Gesellschaft, die nicht selbst produziert, die aber Aktien anderer Gesellschaften besitzt und diese dadurch beeinflusst oder beherrscht.

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Wilfried Leisch (Freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132612 Wirtschaftskrise: Was steckt dahinter? … unterstützt durch staatliche Sozialpolitik, welche prioritär die Angebotsbedingungen der Wirtschaft und deren Wettbewerbsfähigkeit stärken soll, stehen auf der Agenda.

Angespornt von ihren Verbänden nutzen große transnationale Konzerne die Massenarbeitslosigkeit und die allgegenwärtige Angst um den Arbeitsplatz: Ein normales Beschäftigungsverhältnis zu haben, soll als Privileg angesehen werden, das mit immer neuen Verzichtsleistungen verdient werden muss. Lohnsenkung durch kostenlose Arbeitszeitverlängerung, Streichen von Überstundenzulagen, von Erholungspausen, von Urlaubsgeld, von Feiertagen.

Drei Thesen

Drei in der öffentlichen Meinung nicht hinterfragte Thesen prägen den gegenwärtigen Diskurs in Deutschland:

1.  Der Prozess der Globalisierung ermöglicht dem Kapital eine unbegrenzte Mobilität und setzt das »Hochlohnland« Deutschland zunehmend unter Druck.
2. Diesem Konkurrenzdruck müssen die Unternehmen durch Auslagerung bzw. Outsourcing der lohnintensiven Produktion in Billiglohnländer begegnen, eine Entwicklung, die auch vor forschungsintensiven Dienstleistungen nicht Halt macht.
3.  Das führt dazu, dass die Wertschöpfung beim Exportweltmeister immer mehr auf importierten Vorprodukten aus diesen Niedriglohnländern beruht und der Standort zu einer Basarökonomie zu verkommen droht.

Die einzige Alternative zum unaufhaltsamen Abstieg sei deshalb die Senkung des Lohn- und Sozialstaatsniveaus, die Deregulierung des sklerotischen Arbeitsmarkts, kurz: überall »mehr Markt«, um so mit der Konkurrenz mithalten zu können und den Standort wieder attraktiv für Kapitalanlagen zu machen.

Unbestritten hat sich seit den Siebzigerjahren eine internationale Konstellation herausgebildet, die wesentlich durch die Wirkung globalisierter Finanzmärkte und der auf sie bezogenen Unternehmensaktivitäten strukturiert wird. Durch diese Internationalisierungsprozesse sind die Exit-Optionen von Unternehmen in der Tat enorm angewachsen.

Auch wenn nicht alle ökonomischen Akteure auf der Kapitalseite diese Option wahrnehmen können, da einige von ihnen standortgebunden sind, so können doch alle damit drohen und so als Akteure ihr Gewicht in der Politik erhöhen.

Die Gewerkschaften, deren Organisationspraxis auf dem beruhte, was man mit Max Weber als soziale Schließungen national begrenzter Teilarbeitsmärkte bezeichnen könnte, stellt diese Entwicklung vor strategische Herausforderungen. Im Grunde werden sie vor die Alternative gestellt, entweder die Organisationsgrenzen den veränderten Marktgrenzen anzupassen und durch nationale und internationale Aktion das Kapital wieder in »soziale Regulation« einzubetten oder aber auf eine protektionistische Politik der Verteidigungnationaler Teilarbeitsmärkte zurückzufallen.

Verzerrtes Bild

Doch beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass das Kapital so »entbettet« nicht ist, wie von manchem beschworen - genauso wie das Bild von Deutschland als »krankem Mann Europas« gnadenlos verzerrt ist.

Sieht man genauer hin, ist die deutsche Wirtschaft trotz aller Klagen eindeutiger Gewinner der Globalisierung: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ist hervorragend und die Abwanderungsdiskussion in Deutschland mehr Mythos als Tatsache. Wie erst unlängst die Investmentbank Morgan Stanley in London feststellte, sind seit Anfang der Neunzigerjahre lediglich 300.000 Jobs wegen der niedrigeren Lohnkosten nach Osteuropa abgewandert, so dass die deutsche Arbeitsmarktbilanz mit Mittelosteuropa unter dem Strich sogar positiv ausfallen dürfte.

Das alles ist kein Zufall: Industrie und Dienstleister verfügen in Deutschland über spezifische Produktionsbedingungen, die es ihnen ermöglichen, Produkt- und Prozesskompetenz auf hoch produktive Weise kombinieren zu können. Dabei spielt eine Rolle, dass die regionale Infrastruktur, die in den regionalen Netzwerken enthaltenen Erfahrungen, Routinen, die vorhandene Qualifikationsstruktur und die Erwartungssicherheiten von und zwischen Klein-, Mittel- und Großunternehmen selbst eine nicht zu unterschätzende Quelle von Produktivität sind. Erfahrungen damit haben deutsche Unternehmen in der letzten Zeit wiederholt machen müssen:

Deutsche Unternehmer

Daimler Chrysler zum Beispiel, nachdem es regionale Netzwerke zugunsten eines Global Sourcing ausgedünnt hatte, musste plötzlich feststellen, dass unerwartete Folgekosten auftraten und aufwendige Konferenzen mit einheimischen und ausländischen Zulieferern organisiert werden mussten, in denen das Erfahrungswissen der einheimischen Zulieferer den ausländischen Firmen vermittelt werden sollte, um so die Qualitätsstandards der Vorproduktion zu erhalten.

  • Auch viele Klein- und Mittelunternehmen sahen sich bei ihren Outsourcing-Abenteuern im Ausland mit unerwarteten Kosten konfrontiert: Rechtsunsicherheiten, mangelnde Infrastruktur, Schmiergeldzahlungen, hierarchische Arbeitskulturen, Management- und Organisationsprobleme, mangelnde Zuliefernetze etc. Dies machte die Bilanz gar nicht mehr so positiv wie erwartet, so dass als Ausweg häufig nur die aufwendige Rückverlagerung blieb.
  • Es ist kein Zufall, dass Unternehmen, wenn sie ins Ausland gehen, gerne ihre Unternehmenskultur und ihre bewährten Erfolgsmuster exportieren. Sie versprechen sich davon hohe Erwartungssicherheit und Produktivität. Treffen sie im Ausland Bedingungen an, die diesen Unternehmenskulturen nicht entsprechen, muss daran zwar das Auslandsengagement nicht scheitern, wohl aber sind Anpassungsstrategien erforderlich, die unerwartete Kosten nach sich ziehen können.

Rahmenbedingungen

Welche Rahmenbedingungen bietet der Standort Deutschland? Die Bundesrepublik hat zur Zeit

  • die niedrigste Steuerquote ihrer Geschichte.
  • Die Steuerbelastung liegt westeuropaweit an zweitletzter Stelle.
  • Bei der Abgabenquote (wie im übrigen beim Sozialleistungsniveau) liegt die deutsche Wirtschaft im Mittelfeld.
  • Die Nettorealeinkommen je Beschäftigten sind seit der deutschen Einheit nicht nur nicht gestiegen, sondern liegen heute unter denen des Jahres 1991.
  • Das Niveau der Lohnstückkosten ist durchschnittlich niedriger als das der Hauptkonkurrenten in den Industrienationen.
  • Die Lohnabschlüsse sind seit Jahren die niedrigsten der alten EU.
  • Die Folge davon ist, dass das kaufkraftbereinigte Pro-Kopf-Einkommen auf OECD-Durchschnitt zurückgefallen ist.

Dabei verzeichnet Deutschland Exportrekord auf Exportrekord. Seit 2002 ist Deutschland nicht nur Weltmeister beim Exportüberschuss, sondern auch bei der absoluten Höhe der Exporte - noch vor den USA - und das, obwohl dort mehr als dreieinhalbmal so viele Menschen arbeiten.

Gleichzeitig aber ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, ist die sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit rückläufig und das Wachstum schwach - mit den bekannten negativen Rückwirkungen auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Obwohl die Unterbeschäftigung steigt, fällt der Anteil der Arbeitnehmer-entgelte am gesamten Volkseinkommen (seit 2003 um 4% auf 69%) auf ein Niveau vom Jahre 1970, und die Firmen- und Vermögenseinkommen schnellen in die Höhe (seit 2003 um 20%)1). In den Betrieben müsste das längst spürbar sein. Die Lohnkosten je produzierter Einheit nehmen seit Jahren kaum mehr zu. Weil die Firmen gleichzeitig ihre Preise anheben konnten, liegen die Lohnstückkosten heute real zwei Prozent niedriger als 1996 und fünf Prozent niedriger als 1970. Und trotzdem: die Arbeitslosenzahlen steigen!

Rückläufige Realeinkommen

Wer vor dem Hintergrund der Gleichzeitigkeit von Exportrekorden und Massenarbeitslosigkeit danach fragt, was falsch läuft im Exportweltmeisterland, stößt unweigerlich auf die stagnierende Binnenkonjunktur - ein Ergebnis rückläufiger Realeinkommen und staatlicher Investitionsschwäche.

Die Binnennachfrage wird maßgeblich von der Lohnentwicklung und der Tarifpolitik mitbestimmt. In den letzten Jahrzehnten ist die Durchsetzung von Lohnsteigerungen in Höhe des verteilungsneutralen Spielraums immer weniger gelungen. Im Kern hatte das viel mit den wachsenden Durchsetzungsproblemen der Gewerkschaften angesichts hoher Massenarbeitslosigkeit und der Angst um den Arbeitsplatz zu tun. Das wird besonders deutlich, wenn man sich die Realität am unteren Ende der Lohnskala ansieht. Ein Niedriglohnsektor in Deutschland braucht nicht aufgebaut zu werden - er existiert bereits. Im vergangenen Jahr verfügten etwa 1,6 Millionen Vollzeiterwerbstätige über ein monatliches Nettoeinkommen von lediglich 700 Euro und weniger. Das sind immerhin 6,2 Prozent aller Erwerbstätigen. In Ostdeutschland betrifft das sogar fast zehn Prozent. Was wir hier antreffen, ist »arbeitende Armut« (Working Poor). Und das sind Zahlen vor dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen.

Arbeitende Armut

Eine Antwort auf diese »arbeitende Armut« wäre die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, so wie ihn praktisch alle westeuropäischen Nachbarländer kennen, von Irland angefangen mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 7,01 Euro bis Luxemburg mit einem gesetzlichen Mindestlohn von über 8 Euro pro Stunde. Ein gesetzlicher Mindestlohn wird nicht nur gebraucht, um Lohndumping im Zuge von Hartz IV oder der drohenden EU-Dienstleistungsrichtlinie zu begegnen, sondern auch um eine Entwicklung zu immer prekäreren Arbeitsverhältnissen zu verhindern. Ein Mindestlohn ist notwendig, um vielen Vollzeitbeschäftigten ein Einkommen zu sichern, von dem sie leben können. Und es ist wichtig, um hierdurch die Binnennachfrage zu stärken.

Ohne einen funktionierenden Flächentarif entwickelt sich statt produktiver Konkurrenz von Unternehmen um bessere Produktionsverfahren, Produkte und Dienstleistungen, eine zerstörerische Schmutzkonkurrenz. Nach Auffassung von Experten der Weltbank, die sich mit Deflationsgefahren beschäftigt haben, trägt das deutsche Tariflohnsystem maßgeblich dazu bei, Deflationsgefahren in Grenzen zu halten. Bei der Auseinandersetzung um den Flächentarifvertrag geht es also nicht nur um die Absicherung der Einkommen der Mitglieder. Es geht um die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt. Insofern nehmen Gewerkschaften mit der Verteidigung der Flächentarifverträge eine wichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Schutzfunktion wahr.

Schwächung der Binnennachfrage

Mit ihrer Politik tragen die staatlichen Akteure gegenwärtig zur Schwächung der Binnennachfrage bei. Mit einem Anteil der staatlichen Investitionen von gerade einmal 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt Deutschland zusammen mit Österreich ganz hinten. Zum Vergleich: In Frankreich, Spanien, den Niederlanden, Griechenland, Portugal, Irland und den USA liegen die staatlichen Investitionen oberhalb von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Durchschnitt der Euro-Zone liegt bei 2,6 Prozent.

Dabei sind öffentliche Investitionen wichtiger denn je. Fehlende Kinderbetreuungsplätze, Investitionsbedarf in Bildung, Forschung und Entwicklung, aber auch die Investitionsbedarfe der Verkehrssysteme, renovierungsbedürftige Schulgebäude, marode Abwassersysteme legen davon Zeugnis ab.

Um eine Wende bei der schwachen Binnennachfrage und den niedrigen staatlichen Investitionen herbeizuführen, ist ein deutlicher Impuls nötig: Ein groß angelegtes Zukunftsinvestitionsprogramm für Arbeit, Bildung und Umwelt. Ein 40-Milliarden-Programm brächte direkt über eine halbe Million zusätzliche Arbeitsplätze und einen starken Impuls für mehr und sinnvolles Wachstum. Die Mittel wären insbesondere für Bildung, Forschung und Entwicklung bereitzustellen. Deutschlands heutige Wettbewerbsstärke beruht nicht zuletzt auf den klugen Köpfen, die in der Vergangenheit durch das Schul- und Hochschulsystem, durch eine ausgezeichnete berufliche Bildung im Rahmen des dualen Systems hervorgebracht worden sind.

Gewerkschaften und Steuern

Fragt man nach der Finanzierbarkeit eines solchen Programms, darf nicht vergessen werden, wie sich die steuerlichen Belastungen in Deutschland entwickelt haben. Der Staat hat keine Problem zu hoher Ausgaben, sondern zu niedriger Einnahmen, zu niedriger Steuerzahlungen von denen, die es sich leisten können. Gerade in den letzten Jahren hat die rot-grüne Steuerpolitik zu einem massiven Einbruch der Unternehmenssteuern geführt. Mindestens 70 Milliarden Euro wurden verschenkt. Dieser Absturz ist nicht auf gesunkene Gewinne zurück zu führen. Im Gegenteil: Die Gewinne sind in der selben Zeit kräftig gestiegen, bei den Kapitalgesellschaften von 285 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf über 300 Milliarden Euro in 2003.

Deshalb muss der Spitzensteuersatz auf moderate 47 Prozent angehoben werden. Durch niedrigere Steuersätze im unteren Bereich sollen viele Beschäftigte entlastet werden. Entlastung der Normalverdiener, Belastung der Spitzenverdiener - das versteht ver.di unter Steuergerechtigkeit.

Der geänderte Tarifverlauf ist allerdings nur ein Element der gewerkschaftlichen Vorstellungen zur Steuerpolitik. Weitere wichtige Elemente sind die Wiedereinführung der Vermögensteuer und die Erhöhung der Erbschaftsteuer. Und zwar 16 Milliarden durch die Vermögensteuer und noch einmal 4 Milliarden durch eine reformierte Erbschaftsteuer könnte zu den anderen Vorschlägen der Steuerpolitik zu einem Steuermehraufkommen von jährlich rund 45 Milliarden Euro führen. Damit ließe sich das Zukunftsinvestitionsprogramm finanzieren.

Nationale und europäische Politik

Klar ist, dass eine Abstimmung nationaler und europäischer Politik nötig ist. Eine andere Politik der öffentlichen Haushalte muss durch einen veränderten Kurs der Geldpolitik der europäischen Zentralbank aktiv begleitet werden. Notwendig ist auch eine Reform des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der nicht das Defizitkriterium als Ziel hat, sondern die Tendenz des öffentlichen Schuldenstandes. Eine Ausweitung der öffentlichen Verschuldung nachhaltig einzudämmen, ohne konjunkturelle Schwächephasen zusätzlich zu verstärken - darum muss es gehen.

Ein sozialpolitischer Wettlauf nach unten als Antwort auf Wachstumsprobleme würde nicht nur die ökonomischen Konkurrenzvorteile europäischer Ökonomien zerstören, sondern auch die Bedingungen einer sozial und ökologisch nachhaltigen ökonomischen Entwicklung erodieren lassen. Hohe Qualifikation der Arbeitskraft verlangt eine entsprechende Bezahlung. Und zu einer hohen Mobilität und Qualifikation gehört als Voraussetzung ein hohes Sozialniveau - bei allen notwendigen Korrekturen im Funktionsmodus der sozialen Sicherung.


R E S Ü M E E

Politik ist Entscheidung
zwischen Alternativen und die Globalisierung ist keineswegs nur ein ökonomischer Prozess. Bezogen auf Deutschland geht es um den Erhalt und die Weiterentwicklung der spezifischen Stärken der deutschen Wirtschaft. Und dies lässt sich nur erreichen, wenn die momentane Fixierung auf Arbeits- und Sozialkostenreduzierungen durchbrochen und überwunden wird; das heißt Fortsetzung des Hauptweges der Innovation, Nutzung komparativer Vorteile und Stärkung des Binnenmarkts.

Dabei gibt es für die deutschen Gewerkschaften noch eine besondere europäische Dimension. Die Gewerkschaften tragen in Deutschland mit ihrer Lohn- und Arbeitszeitpolitik ein hohes Maß an Verantwortung für die Handlungsbedingungen der Gewerkschaften in den EU-Nachbarstaaten. Nirgends in Europa ist der Druck auf die Gewerkschaften, die Arbeitszeit zu verlängern und damit Lohnkosten zu senken so hoch wie in Deutschland. Wenn in der hochproduktiven Leitökonomie Deutschland aber die Arbeitszeiten ohne Lohnzahlung verlängert werden, wird das die Gewerkschaften in den Nachbarländern in einen Absenkungswettlauf zwingen.

Deshalb müssen die Gewerkschaften Strukturen schaffen, die sich über nationalstaatliche Grenzen hinaus an Wirtschafts- und Branchengrenzen orientieren.

Dieser Gestaltung der Globalisierung werden sich die Gewerkschaften stellen und nicht der kurzsichtigen Standortdebatte neoliberaler Ökonomen, Verbände und multinationaler Unternehmen in Deutschland klein beigeben.

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Autor: Frank Bsirske (Vorsitzender Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132597 Europa muss die Arbeitslosigkeit gemeinsam bekämpfen Das Wirtschaftswachstum liegt bereits drei Jahre in Folge weit unter zwei Prozent. Massive Sparprogramme und Sozialleistungskürzungen in allen Ländern verschärfen die Situation noch.

Während der Staatskonsum vor 1990 jährlich durchschnittlich um 3,2% pro Jahr anstieg, werden es 2004 nur mehr 1,3% sein (in Österreich sogar Rückgang bzw. Stagnation seit 2000!).

Parallel sinken auch die öffentlichen Investitionen. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird von zuvor 3,2% (1971-1990) um ein Viertel auf 2,4% (2004) fallen (die Werte beziehen sich auf die EU 15, Quelle: siehe Angabe Graphik).

Diese Politik hat zum längsten Wirtschaftseinbruch in den letzten 30 Jahren geführt!

  • Aufgrund stagnierender Löhne und gleichzeitiger Sparprogramme zur Erfüllung des Stabilitätspakts ist die Konsumnachfrage eingebrochen, und die öffentlichen Investitionen gehen zurück.

Die finanziell ausgehöhlten Gemeinden, die größten öffentlichen Investitions-träger, sind kaum mehr in der Lage zu investieren.

  • In Europa wächst die Wirtschaft nur zögerlich. Mit ein Grund ist die Politik der hohen Zinsen der Europäischen Zentralbank (EZB), die nur dem Inflationsziel verpflichtet ist. Dies trägt auch zum Anstieg des Euro-Wechselkurses bei.
  • Durch einen gnadenlosen Steuersenkungswettlauf bei den Unternehmenssteuern versuchen die EU-Staaten, einander Betriebe abzuwerben. Dadurch wird der Kuchen (BIP) nicht größer! Wo endet dieser Wettlauf?

Einsparen, Kürzen, Abbauen

Bei einem Gewinnsteuersatz von 12,5% wie in Irland oder gar null Prozent wie in Estland (bei nicht entnommenen Gewinnen)?

Die öffentlichen Budgets werden noch mehr ausgehungert, die Steuerlast wird auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verschoben und die Forderung nach Senkung der Steuern dadurch populärer.

Die Folge: Weitere Sozialleistungskürzungen und Umstellung sozialer Sicherungssysteme auf Privatvorsorge.

  • Durch Sozialleistungskürzungen und verstärkte Umstellung auf Privatvorsorge wird die Kaufkraft geschwächt und Angstsparen forciert.
  • Die Konsumschwäche wird noch verstärkt durch das Zurückbleiben der Löhne, die - unter dem Stichwort der Wettbewerbsfähigkeit durch Ausgliederungen, Unterzahlungen, etc. - hinter der Produktivität immer stärker zurückbleiben.

Wo bleiben Wachstum und Beschäftigung?

Eine eigenständige, koordinierte, auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtete Wirtschaftspolitik der EU gibt es nicht.

Ergebnis dieser einseitigen neoliberalen Politik einer reinen Kostensenkungsstrategie für Unternehmen unter dem Stichwort der Wettbewerbsfähigkeit und der völligen Vernachlässigung der Nachfrageseite: das Wachstum bleibt aus, die Steuereinnahmen stagnieren weiter (gehen im Unternehmenssteuerbereich sogar zurück), gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit weiter. Arbeitslosigkeit ist sehr teuer, und gleichzeitig kommen dadurch weniger Steuern und Abgaben herein.

Die extreme Sparpolitik hat erst recht in die Schuldenfalle geführt.

Sturer Sparkurs im Konjunktureinbruch hat Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze gekostet, was nun erst recht wieder zu mehr Schulden führt. Und damit steigen die Budgetdefizite wieder stärker - aber ohne den Nutzen, damit den Wohlstand erhöht zu haben, sondern auf Kosten des Wohlstandes der Menschen.

Nachfrage und Aufträge

Ohne Nachfrage keine Aufträge - ohne Aufträge keine Investitionen.

Unternehmen leben von den Aufträgen und nicht nur von niedrigen Kosten. Unternehmen werden nur investieren, wenn Aufträge in Sicht sind.

Bleiben die Aufträge aus, wird die Kostenschraube immer weiter nach unten gedreht, um die Rentabilität der einzelnen Betriebe zu erhalten. Das führt zu weniger Wohlstand und Einkommen der Staaten und der Mehrheit der Bevölkerung und geht letztlich auch auf Kosten der Gewinne.

In den meisten Staaten Europas fehlt die Binnennachfrage.

Fehlende Binnennachfrage

Dieser Befund der Wirtschaftsanalysten ist eindeutig. Durch den schwachen privaten Konsum und die geringen öffentlichen Investitionen stagnieren auch die Unternehmensinvestitionen. Aber trotzdem wird der Sparkurs noch verschärft und weiter auf einseitige Unternehmensentlastung sowie Verschärfung des Drucks auf Arbeitnehmer/-innen -gesetzt.

Durch Erhöhung der Exporte wird versucht, die Einbrüche im Inland zu kompensieren. Doch die Exporte des einen sind die Inlandsnachfrage des anderen.

Innerhalb Europas heißt das: Wächst die Wirtschaft insgesamt nur schwach, kann der Exportanteil wieder nur noch durch Kosteneinsparungen und auf Kosten der Exporte eines anderen Landes gesteigert werden. Und immerhin spielen sich rund 90% der Exporte der EU-Länder innerhalb Europas ab! Das kann einem Land nur kurzfristig Vorteile verschaffen. Der Kuchen wird wieder nicht größer.

Mit dem Lissabon-Prozess hat sich die EU vorgenommen, bis 2010 der dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu sein, mit dem Ziel eines dreiprozentigen jährlichen Wachstums. Erreicht werden sollte das vor allem durch Anhebung der Quoten für Forschung und Entwicklung (F & E), der Investitionen in Aus- und Weiterbildung und der Infrastrukturinvestitionen in Verkehr und Telekommunikation. Der Befund ist ernüchternd: Wegen der Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte wurde hier nicht mehr, sondern weniger investiert. (Selbst die Kommission kritisierte beim EU-Gipfel im April den Rückgang der Investitionen für F & E und in Aus- und Weiterbildung.)

Die EU ist die einzige Weltregion, die auf eine expansive, klar auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftspolitik verzichtet und darauf wartet, von der Belebung der Wirtschaft in anderen Weltregionen zu profitieren.

Europa für Menschen

Für ein modernes, leistungsfähiges, wirtschaftlich starkes Europa, das den Menschen soziale Sicherheit garantiert und öffentliche Dienstleistungen für alle sicherstellt!

Wachstumspolitik

Europa braucht eine aktive, gemeinsame Wachstumspolitik!

  • Ein großes europäisches Infrastrukturprogramm, das die Wirtschaft in Schwung bringt und die Basis für die Zukunft schafft. Forcierter Ausbau der Transeuropäischen Netze, Schaffung der Möglichkeit zur Kreditfinanzierung durch die EU (Europäische Investitionsbank - EIB)
  • Koordinierung einer wachstums-orientierten Wirtschaftspolitik in einem makroökonomischen Dialog der maßgeblichen Akteure (Rat, Kommission, Europäische Zentralbank - EZB, Mitgliedsstaaten, Sozialpartner). Der Binnenmarkt mit Beschäftigung und Wohlstand für alle wird nur funktionieren, wenn die wichtigen wirtschaftspolitischen Akteure gemeinsam aktiv werden.
  • Niedrige Zinsen, damit sich für die Unternehmen investieren lohnt - expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ermöglichen: Das System der EZB ist soweit zu reformieren, dass das Ziel einer wachstums- und beschäftigungsorientierten Wirtschaftspolitik dem Inflationsziel gleichwertig ist. Durch die derzeitige einseitige Fixierung auf das Inflationsziel wurde und wird wegen zu hoher Leitzinsen der Wirtschaftsaufschwung abgewürgt und der Wechselkurs des Euro hochgepuscht. Bei der Festsetzung der Leitzinsen muss auch die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung berücksichtigt werden.
  • Reform des so genannten Stabilitäts- und Wachstumspaktes: Der Pakt in seiner derzeitigen Form führt in Verbindung mit seiner Extremauslegung zu einer prozyklischen, krisenverschärfenden Finanzpolitik der Mitgliedsstaaten. Notwendig ist mehr Flexibilität - für das Wirkenlassen der automatischen Stabilisatoren und für vermehrte staatliche -Investitionen in der Wirtschaftskrise. -Investitionen sollen nicht in die Defizitrechnung eingehen (»Goldene Regel«, nach der Neuverschuldung unproblematisch ist, soweit sie der Finanzierung von Investitionen dient). Defizitreduktion in Zeiten, wo es sinnvoll ist, nämlich in der Phase der Hochkonjunktur.
  • Auch Konzerne sollen Steuern zahlen - Eindämmung des Steuerwettbewerbes bei Kapitalsteuern: Maßnahmen gegen das Steuer-Dumping bei Steuern auf Kapital (z. B. Mindeststeuer und Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer, Abschaffung spezieller Steuerbegünstigungen für ausländische Firmen) sind notwendig, damit die Mitgliedsstaaten ihre notwendigen Ausgaben für Bildung, F & E, Soziales, Investitionen usw. aufrecht erhalten können und sich die Abgabenlast nicht noch mehr auf den Faktor Arbeit verschiebt.
  • Produktivitätsorientierte Lohnpolitik: Die von der EU als Beschäftigungsmotor empfohlene Zurückhaltung in der Lohnpolitik (Lohnzuwächse ein Prozent unter dem Produktivitätszuwachs) ist gescheitert. Reallohnzuwächse müssen sich an den Produktivitätssteigerungen orientieren.
  • Der Staat muss Eigentümer wichtiger öffentlicher Betriebe bleiben, Absicherung der öffentlichen Dienstleistungen: kein Ausverkauf von Wasser, Post etc. Ob öffentlich oder privat soll Entscheidung der Mitgliedsstaaten bleiben.

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Gertraud Jahn, Franz Gall (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der AK Oberösterreich) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132591 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132540 Steuerverteilung Jeder von uns will öffentlich finanzierte Leistungen in Anspruch nehmen: Kindergärten, Schulen und Horte. Universitäten. Pensionen, Krankenversicherung und Krankenhäuser. Soziale Hilfe. Parks und Bäder. Straßen und Straßenbeleuchtung. Bahn, Bus und Post. Müllbeseitigung, Wasser und Strom. Polizei.

Wir wissen auch, dass wir alle dafür zahlen müssen. Mit Steuern, Abgaben, Beiträgen und Gebühren. Aber: Jeder meint, er zahlt zu viel und die anderen zahlen zu wenig. Das System ist ungerecht. Für ihn selber sollten die Belastungen jedenfalls geringer sein.

Man kann die These aufstellen, das wichtigste für uns alle ist eine blühende Wirtschaft. Daher solle man die Wirtschaft, wie es nur geht, fördern und von den Unternehmen und den Unternehmern möglichst wenig, womöglich sogar gar keine Steuern einheben. Man kann auch, etwas weniger krass, behaupten, jedenfalls müsste die Unternehmerbesteuerung bei uns geringer sein als in den anderen Ländern

Allerdings - wenn man ordentliche Statistiken halbwegs seriös betrachtet, kann man sowohl aus internationalen Vergleichen als auch an Hand von langfristigen Entwicklungen die verschiedenen Argumente einer aktuellen Steuerdebatte etwas neutraler beurteilen.

Ein gerade bei Konservativen beliebter internationaler Vergleich ist die so genannte Abgabenquote (auch Staatsquote genannt). Sie gibt an, ein wie großer Anteil des Bruttonationalprodukts vom Staat in Form von Steuern und Abgaben jeder Art zur Erfüllung seiner Aufgaben in Anspruch genommen wird. Wobei für solche internationalen Vergleiche als »Staat« immer der Gesamtstaat, inklusive seiner regionalen Untergliederungen (in Österreich die Bundesländer), den Gemeinden und der öffentlichen Sozialversicherung verstanden wird. Neoliberale meinen, um so geringer die Staatsquote, um so besser für ein Land.

Anderswo

Das dürfte aber so doch nicht stimmen. Schaut man sich nämlich solche Vergleiche an, dann fällt sofort auf, dass (bei aller Toleranz für statistische Unschärfen) vor allem die westeuropäischen Staaten mit einer sozialen Marktwirtschaft die höchsten Abgabenquoten haben und die ärmsten Entwicklungsländer die niedrigsten. Haben die es deswegen besser? Niedriger als in Europa ist die Abgabenquote allerdings auch in den USA. Warum? Nun weil es dort keine öffentliche Krankenvorsorge gibt, weil viele Schulen und Universitäten privat sind, weil die Infrastruktur (wie Straßen, Brücken, öffentliche Verkehrsmittel) vernachlässigt wird, kurz gesagt, weil es dort weniger und schlechtere öffentlich finanzierte Leistungen gibt. Ob das ein Vorteil für die Amerikaner ist, wird selbst in den USA von vielen, gerade auch von den Gewerkschaften, bezweifelt.

Aber bleiben wir in Westeuropa. Wie liegt da Österreich? Nun, allzu weit auseinander gehen hier die Abgabenquoten nicht. Besonders dann nicht, wenn man berücksichtigt, dass alle derartigen Statistiken zu einem erheblichen Teil auch auf Schätzungen beruhen müssen und daher ein oder zwei Prozent auf oder ab nicht allzu viel aussagen. In Westeuropa liegen die allermeisten Länder knapp bei 40%. Je nachdem, welche Statistik man verwendet, liegt Österreich ein bisschen weiter vorn oder hinten, aber jedenfalls im oberen Mittelfeld. Angesichts unserer guten öffentlichen Leistungen kein schlechter Platz.

Steuergerechtigkeit

Aber wie ist diese Abgabenquote auf die einzelnen Steuerträger verteilt? Wer finanziert unsere Abgabenquote und ist diese Finanzierung gerecht? Vom Standpunkt der Steuergerechtigkeit gilt ohne jeden Zweifel, dass man ganz grob vorerst zwischen direkten und indirekten Steuern unterscheiden muss. Die indirekten Steuern werden auf die Ausgaben der Steuerpflichtigen eingehoben. Es sind Steuern wie die Mehrwertsteuer (mit Abstand die wichtigste davon), die Mineralölsteuer, die Tabaksteuer usw.

Solche indirekte Steuern kann man nur schwer und in engen Grenzen sozial staffeln. Sie belasten im großen gesehen die Bezieher kleiner Einkommen in etwa mit dem gleichen Prozentsatz ihrer Einkommen wie die Bezieher hoher Ein-kommen. Die direkten Steuern werden auf die Einkommen (von Personen und von Firmen) und auf Vermögen eingehoben. Solche Steuern kann man wesentlich leichter sozial staffeln. Um so mehr jemand verdient oder Vermögen hat, einen um so größeren Anteil davon muss er als Steuer bezahlen. Das nennt man Steuerprogression und die gibt es in Österreich jedenfalls bei der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer der Unternehmer.

Man kann daher davon ausgehen: Um so kleiner der Anteil der direkten Steuern am gesamten Steueraufkommen, um so größer der Anteil der indirekten Steuern und um so weniger sozial gerecht ist das Steuersystem.

Vermögensteuer : Einkommensteuer

Hier schneidet Österreich im Vergleich besonders schlecht ab. Bei uns machen indirekte Steuern über 30% der Steuereinnahmen aus. Zum Vergleich: In den Niederlanden, in Belgien, in Deutschland und in Frankreich sind es knapp unter oder knapp über 26% und in den sicher nicht extrem sozialen USA sind es sogar nur 17%. Wollen wir ein gerechteres Steuersystem im Vergleich mit Ländern mit einem Wirtschafts- und Sozialsystem wie dem unseren, dann werden wir mittelfristig die Steuerlast allmählich doch zumindest ein bisschen von den indirekten zu den direkten Steuern verschieben müssen.

Die nächste Frage die man sich stellen muss ist die, wie die direkten Steuern verteilt sind. Die erste grobe Unterscheidung ist zwischen Steuern auf Einkommen und Steuern auf Vermögen. Bei den Steuern auf Vermögen zählt Österreich international gesehen zu den Schlusslichtern. Bei uns bezieht der Staat gerade einmal 2,7% seiner Einnahmen aus dieser Quelle, in Frankreich sind es zum Beispiel 5,0%, in der Schweiz 7,1% und bei Großbritannien stattliche 7,9%. Der amerikanische Staat bezieht sogar 11,4% seiner Steuereinnahmen von den Vermögen seiner Bürger.

Was ist die Ursache für das geringe Aufkommen der Steuern vom Vermögen in Österreich? Es kann wohl nicht an den geringen Vermögen liegen - die Österreicher gehören zu den reicheren Bürgern dieser Welt und Jahr für Jahr werden neue Vermögensrekorde gemeldet. Aber wir haben kaum Steuern auf Vermögen. Die Erbschaftssteuer, die in anderen Industriestaaten hohe Einnahmen erbringt, ist durch die niedrigen Bewertungen, vor allem aber durch die vielen Privatstiftungen in Österreich weitgehend ausgehöhlt. Die Grundsteuern bringen sehr wenig, weil die Einheitswerte unrealistisch niedrig sind. Und eine echte Vermögensteuer hat Österreich im Gegensatz zu vielen anderen Industriestaaten ohnehin nicht mehr.

Lohnsteuer: Gewinnsteuer

Es mag mehr oder weniger gute Gründe für diese extrem niedrige Besteuerung der Vermögen geben. Tatsache bleibt: Wenn man weniger Steuern von den Vermögen einhebt, muss man mehr Steuern von anderen Quellen schöpfen. Eine dieser Quellen ist, wie wir schon gezeigt haben, die wichtigste indirekte Steuer, die Mehrwertsteuer. Die zweite Quelle ist, wie wir nun zeigen werden, die Lohnsteuer.

Wenden wir uns den Steuern vom Einkommen zu. Hier ist es üblich, zwischen den Steuern auf Lohneinkommen (also Löhne, Gehälter und Pensionen), in Österreich Lohnsteuer genannt, und den Steuern auf Einkommen aus Unternehmen und Kapitalveranlagung, das sind in Österreich im Wesentlichen die veranlagte Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer der Kapitalgesellschaften und die Kapitalertragssteuer, zu unterscheiden. Einen ersten sehr groben Überblick gibt uns die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. In Österreich machten 2002 die Lohnsteuereinnahmen des Staates von den gesamten Arbeitnehmerentgelten immerhin 14% aus, die Gewinnsteuern aber nur 11% von den Betriebsüberschüssen (also Gewinnen) und Selbständigeneinkommen. Eine stärkere Steuerbelastung der (in der Regel im Einzelfall doch geringeren) Löhne, Gehälter und Pensionen als der (in der Regel wesentlich höheren) Gewinne und Unternehmereinkommen ist in einem angeblich progressiven (das heißt: die besser Verdienenden werden stärker belastet) Steuersystem geradezu grotesk.

Am interessantesten ist für Österreich aber ohne Zweifel der Vergleich der Einnahmen aus Gewinnsteuern einerseits und Lohnsteuer andererseits über eine lange Zeitperiode hinweg. Hier hat es wahrlich dramatische Veränderungen gegeben. Wir haben uns die Daten im Abstand von jeweils zehn Jahren angesehen und gehen dafür bis ins Jahr 1975 zurück. Als Gewinnsteuern haben wir definiert: die veranlagte Einkommensteuer für Unternehmer und Personengesellschaften (also Offene Handelsgesellschaft - OHG und Kommanditgesellschaft KG), die Körperschaftsteuer (das ist die gleiche Steuer für Kapitalgesellschaften wie Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GesmbH und Aktiengesellschaften - AG) und die Kapitalertragssteuer (also die Steuer, die auf Dividenden und Zinserträge eingehoben wird). Die Lohnsteuer ist die uns allen bekannte Steuer, die von Löhnen, Gehältern und Pensionen noch vor der Auszahlung eingehoben wird.

Und nun zu den Zahlen. So entwickelten sich die Staatseinnahmen aus den Gewinnsteuern einerseits und der Lohnsteuer andererseits (siehe Tabelle1: »Gewinnsteuern - Lohnsteuern«).

1 Gewinnsteuern Lohnsteuer
Jahr Mio. EUR % der Staats-
einnahmen
Mio. EUR % der Staats-
einnahmen
1975 2.093 17,4 2.166 18,0
1985 2.616 10,1 6.337 24,5
1995 5.736 15,2 10.917 28,8
2000 8.156 16,2 14.468 28,7
2005 (Budget) 7.550 13,4 17.000 30,2
Quelle: BMfF

Der Anteil der Lohnsteuer an den gesamten Steuereinnahmen steigt in 30 Jahren kontinuierlich von 18% auf über 30% an, während der Anteil der Gewinnsteuern zwar schwankt, aber insgesamt von 17,4% auf 13,4% gesunken ist. Dabei sind diese Zahlen noch zu Gunsten der Gewinnsteuern »geschönt«. Denn ab 1995 sind in ihnen sowohl die neu eingeführte Kapitalertragssteuer auf Zinsen und die Körperschaftsteuer auf den Gewinn der Oesterreichischen Nationalbank enthalten.

Lohnquote

Dieses Ergebnis kommt zustande, obwohl die Lohnquote spürbar gesunken ist - in den letzten zehn Jahren von über 70% auf 61%. Da hätte der Anteil der Lohnsteuer am direkten Steueraufkommen zurückgehen müssen, der Anteil der Gewinnsteuern hätte steigen müssen. Warum geschah das nicht? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Als erstes wäre die Senkung der Steuersätze gerade für die Kapitalgesellschaften zu nennen. 1975 war der Höchstsatz in der Körperschaftsteuer noch der gleiche wie in der Lohnsteuer; inzwischen ist er nicht einmal mehr halb so hoch.

Aber die Steuerleistung hängt nicht nur vom Steuersatz, sondern auch und vor allem von der Steuerbasis, der Bemessungsgrundlage, ab. Anders ausgedrückt: Es kommt nicht nur darauf an, wie viel Steuer (welcher Prozentsatz, welcher Steuertarif) vom steuerpflichtigen Gewinn zu bezahlen ist, sondern wie dieser »steuerpflichtige Gewinn« berechnet wird. Österreichs Unternehmer haben - vielleicht sogar noch erfolgreicher als ihre ausländischen Kollegen - zahlreiche Begründungen dafür gefunden, worum Teile ihrer Gewinne vor Anwendung des Steuertarifs noch von der Bemessungsgrundlage abzuziehen sind.

Cayman Islands

Also: Erst wird versucht, einen eher niedrigen Gewinn auszuweisen. Dann werden alle Möglichkeiten ausgenützt, um von diesem niedrigen Gewinn noch erlaubte Abzüge zu machen. Was dann noch übrig bleibt, ist die Bemessungsgrundlage und erst von dieser wird die Steuer nach dem Steuertarif (das ist dann der Prozentsatz, also in Österreich bei der Körperschaftsteuer in Zukunft 25%) berechnet. Wen wundert es da, dass zahlreiche tatsächlich gut verdienende Unternehmen (wie in diesem Beitrag noch dargelegt werden wird) keine oder nur sehr wenig Körperschaftsteuer bezahlen.

Mit dem Ausland hängen aber auch noch weitere Gründe für die schwache Entwicklung der Steuerbemessungsgrundlage und damit der Gewinnsteuern zusammen. So hat Österreich mit vielen Ländern »Doppelbesteuerungsabkommen« abgeschlossen, die zu einer völlig ungerechtfertigten Steuervermeidung ausgenützt werden.

In dieses Auslandskapitel gehören aber auch die so genannten Steueroasen. Verschiedene karibische Staaten, aber auch einige zu Großbritannien gehörende Inseln nahe England leben weitgehend davon, als Tarnadressen für Firmen zu dienen, die zu Hause keine oder zumindest weniger Steuer zahlen wollen. Wer sich die Mühe macht, Details nachzugehen, wird sicher überrascht sein, wie viele österreichische Unternehmen Konzernfirmen in so wirtschaftlich für sie »bedeutenden« Standorten wie den Cayman Islands oder Guernsey haben.

Privatstiftungen

Rein inländisch ist der Luxus, den wir uns mit (Familien-)Privatstiftungen leisten. In früheren Zeiten (und in anderen Ländern auch heute) dienten Stiftungen vor allem dazu, wohltätige (z. B. kulturelle, künstlerische oder soziale) Zwecke zu fördern. Das war eine edle Sache, die wohlhabende Menschen taten, um einen Teil ihres Wohlstandes der Allgemeinheit zugute kommen zu lassen. Solche Stiftungen gibt es vereinzelt auch in Österreich noch immer - aber fast alle heutigen österreichischen Stiftungen dienen einem ganz anderen Zweck, nämlich der Vermeidung von Steuern. Wer sein Geld (oder das seiner ganzen Familie) in eine Stiftung einbringt, muss viel, viel weniger Steuern zahlen. Kämen diese Stiftungen wohltätigen Zwecken zugute, könnte man das vielleicht noch rechtfertigen. Aber die typische österreichische Stiftung hat einen ganz anderen Stiftungszweck: Begünstigte sind der Stifter und seine Familie. Die Stifter beziehen ihr Geld nicht mehr von ihrem Besitz; dieser gehört der Stiftung. Die Stiftung aber verwendet ihre Mittel für den »edlen Zweck«, ihren Stifter und seine Familie zu fördern - auf ewig. Nicht einmal ein kleiner Teil wird gemeinnützigen Aufgaben gewidmet.

Gerade weil die Unternehmer in Österreich so gern und so laut über ihre hohe Steuerbelastung jammern, mag es besonders interessant sein, sich anzuschauen, wie viel Steuern vom Ertrag und vom Vermögen große Unternehmen in Österreich tatsächlich bezahlen. Und zwar nicht irgendwelche statistische Durchschnittsberechnungen, sondern die konkreten Zahlen einzelner Unternehmen. Wir -haben uns diese Mühe gemacht. Wir -haben die Bilanzen einzelner Großfirmen - besonders solcher, deren Aktien an der Börse notieren - hergenommen und uns daraus einige Angaben genauer besehen.
Tatsächlich gezahlt

Vorerst haben wir das Eigenkapital betrachtet, damit man eine ungefähre Vorstellung von der Größe des Unternehmens hat. Dann haben wir uns den ausgewiesenen Gewinn (präzise den Ertrag der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit - EGT) hergenommen. Dabei ist jedem klar, dass dieser in der veröffentlichten Bilanz ausgewiesene Gewinn eine Untergrenze darstellt. Es ist nur jener Teil des tatsächlichen Gewinns, den man mit allen Bilanztricks nicht mehr wegbekommt; denn die Unternehmen wollen natürlich möglichst wenig Gewinn ausweisen, weil sie von diesem Gewinn einen (wenn auch, wie wir sehen werden, oft sehr kleinen) Anteil als Steuer an den Staat abführen müssen.

Dann haben wir uns die in der Bilanz festgehaltene Steuerleistung der Unternehmen angesehen und das Verhältnis dieser Steuerleistung zu den ausgewiesenen Gewinnen berechnet. Was herauskommt, ist der Anteil dieser Steuern an dem möglichst gering angegebenen Gewinn: Der Prozentsatz der Gewinnbesteuerung. Natürlich kann es hier kleinere Verzerrungen geben. Wenn der Gewinn stark schwankt (was er aber bei diesen Unternehmen eher nicht tut) kann es Ausschläge geben, weil die Unternehmen ihre Steuern (im Gegensatz zu Arbeitnehmern) erst später, oft sogar erst einige Jahre später bezahlen. Deshalb haben wir nicht nur die Bilanz eines Jahres genommen, sondern die Bilanz der letzten vier vorliegenden Jahre (also die Jahresbilanzen 2000-2003) addiert. Das Eigenkapital ist jenes des Jahres 2003, aber Gewinn und Ertragssteuern sind jeweils für vier Jahre.

Mehr Lohnsteuer als Gewinnsteuer

Wir haben aber auch versucht, noch etwas zu ermitteln: Wie viel Lohnsteuer zahlen die Arbeitnehmer dieser Unternehmen im Vergleich zu den Gewinnsteuern des Unternehmens selbst? Das geht aus der Bilanz nicht hervor. Der vom Unternehmen als Lohnsteuer für seine Arbeitnehmer ans Finanzamt abgeführte Betrag wird nicht ausgewiesen. Aber es gibt die Personalkosten in der Bilanz. Wenn man extrem vorsichtig annimmt, dass die Lohnsteuerleistung der Arbeitnehmer bei 12% der Personalkosten liegt, wird man sicher nicht zu hoch schätzen. Diese Kennziffer haben wir dann, wieder für die vier Jahre 2000 bis 2003, mit den Ertragssteuern verglichen.

In der Tabelle 2 die Ergebnisse für einige bedeutende Unternehmen (siehe Tabelle 2: »Eigenkapital - Gewinn/Ertragssteuern ...«).

2 Eigenkapital - Gewinn/Ertragsteuern und
geschätzte Lohnsteuer von Großunternehmen (in tausend EUR)
Unternehmen Eigenkapital 2003 Gewinn 2000-2003 Ertragsteuer 2000-2003 Personalaufwand 2000-2003
      absolut % des Gewinns absolut geschätz. LohnSt.
BA-CA 5.815.000 2.469.000 411.000 17,6% 5.541.000 665.000
Uniqua - 137.000 -15.000 0,0% 2.005.000 240.000
Berndorf 44.335 16.445 575 3,5% 6.991 839
Porr 228.800 47.187 2.573 5,5% 1.716.00 205.900
Schoeller Bleckmann 43.300 22.920 1.808 7,9% 199.600 23.950
BWT 76.560 31.680 -102 0,0% 278.100 33.370
Rosenbauer 57.170 14.060 781 5,6% 130.160 15.620
Andrits 198.100 84.640 10.960 12,9% 329.200 39.500
EVN 1.178.000 440.000 54.314 12,3% 661.600 79.390
Baumax 89.373 21.920 136 0,6% 190.600 22.870
Quelle: Bilanzdatenbank der Arbeiterkammer

Man sieht also: Die von uns untersuchten Unternehmen bezahlen keine oder nur sehr wenig Gewinnsteuern. In allen Fällen zahlen die Arbeitnehmer der Unternehmen mit Sicherheit mehr Lohnsteuer als ihr Arbeitgeber Gewinnsteuern bezahlt.

Sind das Extremfälle? Sicher nicht! In der Bilanzdatenbank der Arbeiterkammer kann man lange Listen von größeren Unternehmen einsehen, die keine Körperschaftsteuer bezahlen, die weniger als 5% ihres Gewinnes zahlen oder die zwischen 5% und 10% zahlen. Nach der kommenden Steuerreform - also ab den Bilanzen für 2005 - werden diese Listen mit Sicherheit noch viel länger werden. Boshafte Kritiker meinen sogar, die verbleibenden Körperschaftsteuerzahlungen von Großunternehmen in Österreich werde man dann wohl als freiwilligen Beitrag zum österreichischen Staatshaushalt anerkennen müssen.

Wie hat die jetzige Bundesregierung auf die langfristige Entwicklung der Steuern und die geringe Steuerleistung der Großunternehmen bei ihrer »größten Steuerreform aller Zeiten« reagiert? Sie hat zwar die Lohnsteuer ein wenig gesenkt.

Aber vor allem hat sie den Steuersatz bei der Körperschaftsteuer, also der -Gewinnsteuer für die Kapitalgesellschaften (das sind Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) radikal abgesenkt und zwar von 34% auf 25%.

Nun brüstet sie sich im Ausland,
dass Österreich damit eine der niedrigsten Besteuerungen für Kapitalgesellschaften auf der ganzen Welt hat.


R E S Ü M E E

Welchen Schluss kann,
soll, ja muss man aus all dem Gesagten ziehen? Das Gejammer über die hohe Besteuerung der österreichischen Unternehmen ist, jedenfalls so weit es die größeren Unternehmen betrifft, schlicht und ergreifend falsch. Sie werden weder im internationalen Vergleich noch - was vielleicht sogar aussagekräftiger ist - im längerfristigen Vergleich in Österreich selbst besonders stark besteuert. Statt die Steuern der Kapitalgesellschaften zu senken, hätte die Regierung besser daran getan, die Lohnsteuer zu senken. Man hätte versuchen können, wenigstens einen kleinen Teil der langfristigen Verschiebung von den Gewinnsteuern zu der Lohnsteuer wieder auszugleichen. Die Regierung hätte sich überlegen müssen, ob es nicht wenigsten zu einer bescheidenen Verschiebung von den indirekten zu den direkten Steuern kommen könnte. Sie hätte sich zu fragen gehabt, ob die wohlhabenden Österreicher wirklich zu arm sind, um von ihren vorhandenen Vermögen wenigstens ähnlich hohe Steuern zu zahlen wie in anderen vergleichbaren Industriestaaten.

Wie anfangs gesagt: Niemand zahlt gerne Steuern und jeder glaubt, er sollte weniger, der andere mehr zahlen. Gerechtigkeit ist ein schwer zu definierender Begriff. Aber wenn man international vergleicht und die Entwicklung in Österreich über die Jahrzehnte betrachtet, kann wohl niemand behaupten, dass die nun in Kraft getretene Steuerreform tatsächlich mehr Steuergerechtigkeit bringt. Sie verstärkt ganz im Gegenteil die steuerliche Privilegierung der Konzerne, der Bezieher höchster Einkommen und der Eigentümer der großen Vermögen.

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Autor: Thomas Lachs (Pensionist in Wien, war Direktor der -Oesterreichischen Nationalbank) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132493 Warum nicht auch positiv? A&W: Warum soll es die Wertschöpfungsabgabe in Österreich geben?
Georg Kovarik: Ich kann nur empfehlen, auf die Internet-Seite der Steuerinitiative im ÖGB zu schauen. Da gibt es eine Fülle von Argumenten dazu. Immer mehr Bevölkerungskreise erkennen, dass sie keine Maschinensteuer ist, dass sie keine Arbeitsplätze vernichtet. Mittlerweile wurde die Diskussion etwas versachlicht. Und selbst Kreise, die vehement gegen diese Abgabe gemauert haben, werden jetzt zu Ansprechpartnern.

Zum Beispiel?
Die gewerbetreibenden personalintensiven Betriebe, wo der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten sehr hoch ist. Sie erkennen, dass sie steuerlich wesentlich entlastet und nicht belastet würden, wie es fälschlicherweise jahrelang propagiert wurde.

Ein Gegenargument ist die drohende Abwanderung von Betrieben ...
Wir hatten bereits in der Steuerkommission des damaligen Finanzministers Rudolf Edlinger eine Arbeitsgruppe, die sich auch mit der Wertschöpfungsabgabe auseinandergesetzt hat. Darin waren Vertreter der Bundeswirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und des WIFO. Die Belastung der Betriebe durch diese Abgabe wurde klar errechnet. Und zwar in einer Modellvariante, in der der Familienlastenausgleichsfonds, der zurzeit bei 4,5% der Lohnsumme liegt, auf eine Wertschöpfungsabgabe umgestellt wird. Herausgekommen ist, dass die Belastung selbst im ungünstigsten Fall nicht so ist, dass die Betriebe abwandern würden. Das ist ein Schreckgespenst jener, die sich nicht mit den Details auseinandersetzen wollen.

Würde die Wertschöpfungsabgabe ausreichen, um den Sozialstaat zu finanzieren?
Sie würde zweifellos die Beitragsgrundlage zur Finanzierung des Sozialstaates erweitern. Es würde nicht mehr die gesamte Last auf der Lohn- und Gehaltssumme liegen. Wenn die Gesellschaft insgesamt durch höhere Produktivität reicher wird, muss es das Ziel sein, diese Steigerung zur Finanzierung des Sozialstaates heranzuziehen. Man kann die Menschen dann nicht mehr damit schrecken, dass wir immer älter werden und daher der Sozialstaat unfinanzierbar ist. Finanzierungsprobleme wird es immer geben, wenn eine Politik gemacht wird, wo 60.000 Vollzeitarbeitsplätze verloren gehen, wie in den letzten vier Jahren. Wenn mitten in einem weltweiten Abschwung die öffentlichen Investitionen heruntergefahren und die kleinen und mittleren Einkommen massiv belastet werden.

Die Widerstände werden auch mit der Gefahr des Verlustes internationaler Wettbewerbsfähigkeit argumentiert ...
Es wird ganz Europa nichts anderes übrig bleiben, als den Weg dieser Abgabe Schritt für Schritt zu beschreiten, wenn insgesamt die Lohn- und Gehaltssumme am Anteil des Volkseinkommens sinkt und die Gesellschaft insgesamt reicher wird.

Wenn wir jetzt Vorreiter bei der Gruppenbesteuerung neu spielen, wenn ein Steuersenkungswettlauf nach unten losgetreten wird und Milliardengeschenke ohne positive Beschäftigungsimpulse gesetzt werden, warum sollten wir nicht bei einer Abgabe, die positive Wirkung hätte, auch Vorreiter sein?

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Sun, 15 Feb 2004 00:00:00 +0100 1186413132417 Sozialstaat: Zukunftsmodell Wertschöpfungsabgabe Sie können nicht alles aufs Spital abwälzen«, sagt der Herr in Weiß. Schon schäme ich mich und sehe sie vor mir, all die jungen Querschnittgelähmten, die auf einen Platz in der »Rehab« warten. »Vergeblich«, sagt der Oberarzt der Unfallabteilung. Selbst für die Jungen gäbe es schon Probleme bei der Unterbringung. Den Vater mit dem Oberschenkelbruch, 75 Jahre, auf Kur: »Wenn Sie Beziehungen haben«, meint der weiße Mann tatsächlich, und fixiert mich streng durch die Brille, »könnte es sein, dass Sie ihn wo unterbringen. Das ist so, bei uns in Österreich.«

Ein Beitragszahler ohne Beziehungen ist demnach in Österreich ein Bittsteller? »Es ist nicht entscheidend, ob die Gesellschaft insgesamt älter wird. Entscheidend ist, ob sie reicher wird. Und: Ob von diesem gesellschaftlichen Reichtum mehr zur gerechten Finanzierung des Sozialstaates herangezogen wird«, meint Georg Kovarik, Leiter des volkswirtschaftlichen Referats im ÖGB, ganz allgemein zur Frage der Beitragsfinanzierung. »Man kann die Menschen dann nicht mehr damit schrecken, dass sie immer älter werden.«

»Maschinensteuer«

Die Forderung nach einer neuen Form der Besteuerung, die ein getreueres Abbild der tatsächlichen Wirtschaftskraft eines Unternehmens und des Staates insgesamt gibt, ist nicht neu. Schon 1959 wurden in Deutschland die wirtschaftlichen Auswirkungen von Sozialabgaben auf lohnintensive Klein- und Mittelbetriebe untersucht. »Inwieweit ist es möglich, anstelle der Lohnsumme eine andere Bemessungsgrundlage für die Sozialabgaben einzuführen?« lautete die Fragestellung der Studie.

Am 10. Bundeskongress des ÖGB 1983 griff der damalige Sozialminister Alfred Dallinger die bundesdeutsche Diskussion auf und zog eine Änderung der Beitragsgrundlage der Dienstgeberabgaben zur Sozialversicherung in Erwägung. 1989 legte Dallinger einen Gesetzesentwurf zur Wertschöpfungsabgabe vor, die seither eine Reihe von Bezeichnungen erhielt, die ihr in den wenigsten Fällen gerecht werden. Von »Maschinensteuer«, »Experimentierfeld für linke Steuerideen« (Kronen Zeitung, »Der Unfug mit der Maschinensteuer«, 31. Jänner 1998), bis zur »Vertreibungssteuer« von Unternehmen aus Österreich reichen die Vorurteile, mit denen die Diskussion um eine gerechtere Steuerpolitik unterbunden wird. Auch Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer meldete sich - in der ORF-Pressestunde am vergangen 28. November - zu Wort: Mit derartigen »Uraltmodellen« könne man keinen Staat machen.

Uraltes Modell

Uralt ist tatsächlich die Finanzierung unseres Sozialsystems, das in der arbeitsintensiven Gesellschaft des 19. Jahrhunderts entstand. Damals machte es Sinn, als Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung die Löhne und Gehälter heranzuziehen. Aber aus den Fabrikhallen, in denen anno dazumal tausende Arbeiter beschäftigt waren, wurden menschenleere, aber wertschöpfungsintensive und hochprofitable Produktionsstätten. Die Beitragsgrundlage ist nach wie vor die Bruttolohn- und Gehaltssumme. Mit ihr werden die Sozialversicherungsbeiträge (Pensionen, Gesundheit, Unfallkosten und Arbeitslosigkeit) finanziert. Ebenso die Wohnbauförderung, die Kommunalabgabe und der Beitrag für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), aus dem unter anderem Familienbeihilfen und Karenzgeld berechnet werden.

Weiterentwicklung

Am 15. ÖGB-Bundeskongress 2003 stellte sich der ÖGB einmal mehr hinter die Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung von Sozial-, Gesundheits- und Pensionssystem. Seit Alfred Dallinger ist das Konzept weiterentwickelt worden. Die Modelle ähneln einander, Auffassungsunterschiede gibt es über die Schnelligkeit und Form der Einführung. Einigkeit besteht jedoch darin, dass die Berechnung der Sozialabgaben nach der Lohnsumme den heutigen Wirtschaftsstrukturen nicht mehr gerecht wird. »Die Alternative ist die Wertschöpfungsabgabe«, meint Hans Kohlmaier, Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der Hotel-Imperial-Gruppe.

Die Bezeichnung der Abgabe leitet sich davon ab, dass die Wertschöpfung eines Betriebes alternativ zur Lohn- und Gehaltssumme als Beitragsbasis für die Sozialleistungen dient. Georg Kovarik, Leiter des volkswirtschaftlichen Referats im ÖGB: »Damit wird die Bemessungsgrundlage breiter.

Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens soll zum Gradmesser werden, nicht nur die Lohnsumme.« Die Komponenten der Wertschöpfung enthalten dann die Lohnsumme, Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten und Steuern (siehe Kasten).

Immer mehr Stimmen, die kaum als linke Experimentierer bezeichnet werden können, reihen sich in den Chor der Befürworter, die bislang aus dem Bereich der Gewerkschaften und Sozialdemokratie kamen.

Tabubrüche

»ÖAAB bricht Tabu« titelte die »Presse« unter dem Schlagwort »Maschinensteuer« am 30. 1. 1998.

»Die mitgliederstärktste Teilorganisation der ÖVP befürwortet nun die Wertschöpfungsabgabe.« »Ja, das ist ein Tabubruch«, wurde der damalige ÖAAB-Generalsekretär Walter Tancsits zitiert. »Probieren wir es aus.« Jedenfalls habe der ÖAAB-Bundesvorstand »einhellig den Beschluss gefasst, die Wertschöpfungsabgabe beim Familienlastenausgleichsfonds einzuführen«.

Tanscits Begründung: »Um Rationalisierungen nicht nur über eine
Rationalisierung von Arbeitsplätzen attraktiv zu machen.« Die Reaktion des damaligen Wirtschaftskammer-Generalsekretärs Günther Stummvoll: »Es istlegitim, dass der ÖAAB eine andere Meinung hat. Sie ist aber nicht die der ÖVP.«

In der Presse vom 21. 9. 2004 will der nunmehrige Wirtschaftskammer-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner bei der Krankenkassenfinanzierung »Systemflüchtlinge« einfangen - und denkt dabei an Sozialversicherungsbeiträge auf Mieten und Pachten.

»Das heißt anderswo ›Verbreiterung der Bemessungsgrundlage‹, ist der erste Schritt zur Wertschöpfungsabgabe und in erweiterter Form in den vergangenen Monaten in Österreich unter anderem von SP-Finanzsprecher Christoph Maznetter, dem ÖGB, der Arbeiterkammer, der steirischen Ärztekammer, VP-Arbeitnehmerchef Fritz Neugebauer, den Grünen und Attac gefordert worden«, schreibt Presse-Kommentator Josef Urschitz.

Nicht erzkapitalistisch

Nicht gerade ein erzkapitalistisches Konzept sei dies, aber im Prinzip ein grundvernünftiges.

Die Rahmenbedingungen seien unumstritten: Es gelte weiterhin ein Sozialsystem zu erhalten und die zu hohen Arbeitskosten zu senken. Wenn hier Konsens herrsche, sei der gedankliche Schritt zur Verbreiterung der Finanzierungsbasis nicht mehr weit.

Der große Nachteil, so Urschitz: Eine echte Wertschöpfungsabgabe, die Mitterlehner dezidiert ablehnt, würde kapitalintensive Branchen stark belasten, einen Teil der Industrie vertreiben und Österreich als Standort für Finanzinstitutionen unattraktiv machen.

»Die Steuern sind der Eckpunkt in einem Sozialstaat, von dem vieles abhängt: Die Frage der Pensionen, der Krankenkassen, der Arbeitslosenversicherung, der Bildung und der Infrastruktur«, meint Hans Kohlmaier. Beim 15. ÖGB-Bundeskongress forderte der Gewerkschafter der HGPD (Hotel, Gastgewerbe, persönliche Dienste) eine Neupositionierung der Gewerkschaften in Sachen Steuern. Der rege Widerhall führte zur Gründung der überfraktionellen Steuerplattform, die seither - auch im Internet - eine ebenso rege Diskussionsrunde führt. »Es sollte eine strategische Neuorientierung in der Arbeit des ÖGB sein und keine parteipolitische Sache.

Will man in sozialen Fragen etwas erreichen, muss zuerst die Steuerfrage in Angriff genommen werden. Wir glauben, dass dies in Form eines Aktionsbündnisses aller Parteien, aller Nichtregierungsorganisationen und aller interessierten Menschen geschehen und der ÖGB dabei eine führende Rolle spielen soll.« Als taktische Methode, so Hans Kohlmaier, wäre eine Volksabstimmung zielführend. Drei Forderungen stehen im Zentrum der Plattform: Die Wertschöpfungsabgabe, die das Feld der Gewinn-erzeugung, sprich Wertschöpfung abdeckt.

Die Tobin-Steuer, um den ausufernde Finanzspekulationen zu entgegnen und eine Energieabgabe zur ökologischen Lenkung und Umgestaltung. Sind all dies nur utopische Vorstellung von linken Experimentierern zu Lasten der Unternehmen?

Reformen

Das Wort »Reform« ist heute fast zum Synonym für Leistungskürzungen geworden. Die Eigenverantwortung des einzelnen Bürgers gilt als neue Prämisse, der Opa möge sich die »Designerbrille« selbst finanzieren. Glücksspiele boomen wie einst die Pyramidenspiele in Albanien. Tausende bangen dreimal die Woche an den Fernsehgeräten mit dem Mitbürger am Fragestuhl: Schafft es die Studentin mit dem Telefonjoker bei Armin Assinger? Die wirkliche Millionenshow findet hinter den Kulissen statt.

Mit Steuersenkungen unter dem -Vorwand der Standortsicherung werden Spitzenverdiener und Großunternehmer finanziert. Der Verzicht für den einzelnen Bürger scheint unausweichlich, die Belastungen der Unternehmen sind zu groß, der Sozialstaat ist unfinanzierbar. Das Gegenteil stimmt, meint ÖGB-Experte Georg Kovarik. Es gehe primär darum, die Steuergeschenke an die Großunternehmer zu finanzieren (siehe Interview).

Warum Wertschöpfungsabgabe?

Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit im Verhältnis zur Besteuerung des Faktors Kapital vermindert den Einsatz von Arbeit in der Produktion bzw. führt zur Ersetzung durch Maschinen. Die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur Finanzierung von Sozialleistungen - oft auch als »Umbasierung« der Sozialversicherungsbeiträge bezeichnet - kann aufkommensneutral erfolgen, erläutert Georg Kovarik. Ein erster Schritt wäre etwa eine Umbasierung der Beiträge zum FLAF, mit einer Senkung des Beitragssatzes von derzeit 4,5 auf 2,5%. Mehr Beiträge hätten kapitalintensive Branchen, wie Energiewirtschaft, Banken, Versicherungen und die Landwirtschaft, zu leisten. Entlastet würden Industrie und Gewerbe insgesamt, der Handel und der Bausektor. In einer WIFO-Studie aus 1997 wurde die Beschäftigungswirkung einer Umstellung der FLAF-Finanzierung untersucht. Mittelfristig, so das Ergebnis, könnte durch diese geringfügige Änderung 21.000 Arbeitsplätze entstehen.

»Eine vorerst aufkommensneutrale Wertschöpfungsabgabe würde auch zu einer Steigerung des Beitragsaufkommens führen, weil die erweiterte Bemessungsgrundlage rascher steigt als die in den letzten 15 Jahren sinkende Lohnsumme. Von einer adäquaten Mitfinanzierung des Sozialstaates könnten sich Unternehmen, die jetzt durch Rationalisierungsinvestitionen und Kündigungen sparen, nicht mehr so leicht drücken«, schreiben Günther Chaloupek, Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK und Georg Kovarik in einem Grundsatzpapier (siehe Internetseite der Steuerinitiative:www.steuerini.at)

Sparen bei Kranken

Schon im Jänner 2001 ließ Sozialminister Haupt anklingen, eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherung, sprich Wertschöpfungsabgabe, zu überlegen.

Auch er kann nicht linker Experimentierfreudigkeit bezichtigt werden. Der Anlass: Eine Unterredung im Rahmen der Gesprächsreihe von ÖGB-Präsident Verzetnitsch, um bei den Ministern die Forderungen der ÖGB-Urabstimmung zu deponieren. VP-Klubobmann Andreas Khol bremste: Haupts Ansicht sei eine Meinungsäußerung, aber keine Ankündigung einer konkreten Politik.

Im November 2004 forderte Werner Thum, Vorsitzender der ÖGB-Pensionisten, die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe. »Mit dem Gesundheitspaket beschert die Regierung den Menschen in Österreich die bisher größten Leistungskürzungen der Zweiten Republik.« Rund 300 Millionen Euro an neuen Belastungen plane die Regierung den Österreichern im Gesundheitswesen aufzubürden. »Zur Finanzierung des Gesundheitswesens fällt der Regierung nichts anderes ein als Leistungskürzungen und Selbstbehalte.«

Häufiges Gegenargument: Nirgends in Europa gäbe es eine Wertschöpfungsabgabe. In Dänemark gibt es sie seit 1988 in Form einer Arbeitsmarktabgabe.

Die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung werden von der betrieblichen Wertschöpfung bemessen. In Österreich gibt es zwar keine Abgabe für Wertschöpfung.

Dafür gibt es eine so hohe Besteuerung der Arbeit wie sonst nur in Australien. In 14 OECD-Staaten ist eine Besteuerung der Lohnsumme überhaupt unbekannt.

»Der Faktor Arbeit muss entlastet werden. Immer weniger Menschen produzieren immer mehr. Es ist an der Zeit, europaweit über die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe nachzudenken«, meint ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. In der vielfach von der Wirtschaft geforderten allgemeinen Lohnzurückhaltung liegt nicht die Lösung.

Der Reallohnanstieg in Europa lag zwischen 1991 und 2002 um etwa neun Prozentpunkte unter dem Produktionsanstieg. Dennoch wurden massiv Arbeitsplätze abgebaut. Und was dem einzelnen Betrieb vielleicht nützt, ist für die Volkswirtschaft schädlich.

Und schließlich: Wer soll all die billig produzierten Waren und Dienstleistungen kaufen, wenn die Einkommen sinken?

Der Teufelskreis von niedrigen Löhnen, wachsender Arbeitslosigkeit und steigenden sozialen Lasten ist durch den Rückzug des Staates nicht lösbar. Auch bei der Millionenshow kommen nur Wenige zum Zug.


I N F O R M A T I O N

Mythos Maschinensteuer

Was ist die Wertschöpfungsabgabe?

Sie leitet ihre Bezeichnung davon ab, dass die Wertschöpfung eines Betriebes alternativ zur Lohn- und Gehaltssumme als Beitragsbasis für Sozialleistungen dienen soll. Mit dem Anknüpfen an die Wertschöpfung wird die Bemessungsgrundlage breiter. Die Leistungsfähigkeit des Unternehmens soll zum Gradmesser werden, nicht allein die Lohnsumme.

Warum Wertschöpfungsabgabe?
Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit im Verhältnis zur Besteuerung des Faktors Kapital vermindert den Einsatz von Arbeit in der Produktion bzw. führt zu seiner Ersetzung durch Maschinen. Probleme bei der Finanzierung der Sozialversicherung haben dazu geführt, dass nach zusätzlichen und breiteren Finanzierungsquellen gesucht wurde. In Österreich kommt als spezieller Beweggrund dass, dass aus den lohnbezogenen Beiträgen zum Familienlastenausgleich in erheblichem Umfang auch Leistungen an Selbständige (Bauern und Gewerbetreibende) finanziert werden.

Ist die Wertschöpfungsabgabe ein Maschinenkiller?
Die Bezeichnung »Maschinensteuer« ist unzutreffend, da durch eine Wertschöpfungsabgabe zwar die Abschreibungen besteuert werden sollen, nicht aber einseitig Maschinenankäufe. Es geht also nicht um eine einseitige Belastung des Kapitals, sondern um eine gleichmäßige Belastung aller Komponenten der Wertschöpfung.
Quelle: ÖGB-Volkswirtschaftliches Referat

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Gabriele Müller (Freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132377 Schwerarbeit: Regierung ist säumig Die Regierung tue so, als würde die Gewerkschaft sich erst jetzt einer Schwerarbeitsregelung annehmen. Doch es waren die »Regierungsparteien, die mit der Abschaffung der Frühpension und zahlreichen anderen Maßnahmen eine solche -Regelung erst notwendig gemacht haben«, so der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Bau-Holz und ÖGB-Vizepräsident Johann Driemer. Was hier passiere, sei ein vorgezogenes Wahlkampfgeplänkel. Driemer: »Einem Bauarbeiter ist es trotz bester Gesundheitsvorsorge nicht möglich, diesen Beruf mit seinen enormen Belastungen bis zum 65. Lebensjahr auszuüben. Hier müssen Lösungen gefunden werden, damit diese Menschen zu einem realistischen Zeitpunkt ohne Abschläge ihre Pension in Anspruch nehmen können!« Für Schwerarbeitsberufe fordert die GBH daher eine umfassende Gesundheitsvorsorge, individuelle arbeitsmedizinische Betreuung während des gesamten Berufslebens, Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verringerung schwerer beruflicher Belastungen, einen Rechtsanspruch auf Umqualifizierung in einen weniger belastenden Beruf bei schweren berufliche Belastungen oder Schädigungen, eine Schwerarbeitsregelung, die schwere berufliche Belastungen im Pensionsrecht berücksichtigt und eine Vernetzung der Gesundheitspolitik mit dem Pensionssystem.

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W. L. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132371 Standpunkt | Lohnräuber und Gewinnmaximierer Also das ist so: Bei den Sozialpartnerverhandlungen zur Arbeitszeitflexibilisierung ist unserem ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch die Geduld gerissen und er hat dann in einer Pressekonferenz von »Lohnraub« gesprochen. Wir zitieren: »Flexibilisierung der Arbeitszeit darf keine Einbahnstraße sein: sie muss auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vorteile bringen. Derzeit geht es der Wirtschaft um etwas völlig anderes als um die Frage der Flexibilisierung: um Lohnkürzung!

Wer Lohnraub will, soll das klar sagen. Der ÖGB und seine Gewerkschaften sind an einer sinnvollen Gestaltung der Arbeitszeit interessiert, aber nicht unter dem Titel ›mehr Arbeit - weniger Lohn‹«, erklärte ÖGB-Präsident Verzetnitsch. Er sprach von einem »Vorbeischleichen am Kollektivvertrag« und von einer »Einbahnstraße« und erklärte kategorisch: »Nicht mit uns!«

Der Partner von der Gegenseite, Christoph Leitl als Präsident der Wirtschaftskammer, mahnte als Antwort prompt eine Versachlichung der Diskussion ein und bat, von »emotionalen Argumenten« abzulassen. Christoph Leitl im O-Ton: »Es geht weder um Lohnraub, Feiertagsstreichung, Sonntagsarbeit, noch um eine generelle Arbeitszeitverlängerung, sondern um eine bessere Anpassung der Arbeitszeit an Auftragsspitzen und damit an die Erfordernisse des Marktes. Davon können alle Seiten nur profitieren, da nicht nur bestehende Arbeitsplätze gesichert und stabilisiert werden können, sondern auch das Entstehen neuer Arbeitsplätze zu erwarten ist.«

Dem ist mitnichten so, Herr Präsident Leitl, denn die seit Jahren geübte Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften und der damit verbundene Anstieg der Profite hat keineswegs dazu geführt, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden. Im Gegenteil, die Unternehmen haben ihre Profite lieber in die Finanzmärkte gesteckt und Aktien gekauft (siehe den Schwerpunkt dieses Heftes). Wir haben eine so hohe Arbeitslosigkeit wie noch nie, aber alles, was wir zu hören bekommen, ist: »Gebt uns noch mehr - damit wir konkurrenzfähig bleiben können.« Ja, auf welche Lohnteile sollen wir denn noch verzichten? Hat Eure Gier denn nie ein Ende?

Endlose Gier zerfrisst die Gehirne

Tschuldigen, das ist mir so rausgerutscht - eine rein rhetorische Frage, ich weiß, dass es hier kein Ende gibt. In einem -Gespräch bei Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ist man übereingekommen, von einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes abzusehen. Trotzdem bestehen die Wirtschaftsleute auf dem Modell Verankerung einer täglichen Normalarbeitszeit von 10, einer täglichen Höchstarbeitszeit von 12 Stunden und einem Durchrechnungszeitraum von zumindest einem Jahr, wenn nicht mehr (Formel 10/12/1-2), jetzt eben nicht mehr über ein Arbeitszeitgesetz, sondern über die Kollektivverträge.

KV-Verhandlungen gibt es derzeit viele, z. B. die im graphischen Gewerbe. Franz Bittner, der Vorsitzende der Druckergewerkschaft verweist zur Sache darauf, dass die derzeitige Flexibilisierungsdiskussion hervorgerufen sei durch die Wirtschaftskammerwahlen im März und erklärt: »Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Industriellenpräsident Veit Sorger beharren auf Jahresdurchrechnung-zeiträumen, die den Arbeitnehmern die meisten Überstundenzuschläge streichen würden. Lohnraub ist in unserer Republik angesagt. Der ÖGB und seine Gewerkschaften verwehren sich gegen einen solchen ›Lohnraub‹, wie es Präsident Verzetnitsch bezeichnet hat. Wird dieser geplante Lohnraub erfolgreich durchgesetzt, würde die Nettolohnquote noch mehr sinken, als sie bereits gesunken ist. Weiters würde sich die Konsumquote verringern (geringere Kaufkraft), die Sozialversicherung bekäme noch weniger Beiträge von denjenigen Versicherten, die noch Arbeit haben und die Arbeitslosigkeit würde weiter steigen. Eigentlich eine Entwicklung, die niemand haben möchte, auch nicht die Wirtschaft. Aber anscheinend geht es den Hardlinern nicht um das Gemeinwohl eines Staates, sondern um Gewinnmaximierung ihrer Betriebe und ihres persönlichen Einkommens.


Heiner Geissler von der CDU hat im Feber-Heft festgestellt, dass die Arbeiter in den Industriestaaten sich anonymen Mächten ausgeliefert fühlen, »die von Menschen beherrscht werden, denen die Gier die Gehirne zerfrisst«, um zum Schluss zu warnen: »Der Tanz um das Goldene Kalb ist schon einmal schief gegangen.«

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132349 Textilschwemme nach Quotenende Das Textil- und Bekleidungsabkommen (Agreement on Textiles and Clothing, ATC) der WTO regelte seit 1995 den Handel unter den WTO-Mitgliedsstaaten und ist mit Ende 2004 ausgelaufen. Ziel und Zweck des ATC war der geregelte Abbau der seit über 40 Jahren bestehenden Quotensysteme binnen 10 Jahren.

Das Ende
Mit 1. 1. 2005 wurden auch die als sensibel eingestuften Warengruppen in das quotenfreie Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) der WTO übernommen. Sie werden in Zukunft wie alle anderen Waren (mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Produkte) behandelt. Das bedeutet, dass nationale Textil- und Bekleidungsmärkte nur noch durch Zölle geschützt werden dürfen und der kontrollierte Marktzugang durch mengenmäßige Beschränkungen (Quoten) nicht mehr möglich sein wird. (Der Textil- und Bekleidungssektor macht einen weltweiten Exportanteil von fast 6% aus.)

Die Schutzmechanismen des ATC werden durch die allgemeine Schutzregelung des GATT abgelöst. Importe dürfen dann beschränkt werden, wenn sie unverhältnismäßig ansteigen und im Inland ernsthaften Schaden verursachen.

In der WTO wurde bis zum letzten Augenblick verhandelt, um Übergangsregelungen und Schutzmechanismen für die geänderte Situation zu schaffen. Freilich wäre eine Verlängerung des Quotensystems nicht nur kleinen Entwicklungsländern eine große Hilfe gewesen.

Auch die größten Industrieländer müssen ihre unter Druck geratenen Industrieproduktionen verteidigen. Die USA und die EU haben Maßnahmen gegen die Handelsliberalisierung, vor allem gegenüber China, vorbereitet.

China
Seit dem WTO-Beitritt Chinas 2001 sind die Fronten jedoch verhärtet. Selbst Studien zur Folgenabschätzung in Entwicklungsländern und technische Unterstützung, um mit der geänderten Situation auf dem Welttextilmarkt besser umgehen zu können, wurden von China kategorisch abgelehnt. Dabei ist technische Hilfe beim Auslaufen des ATC in der »Doha-Entwicklungsagenda« der WTO explizit vorgesehen. Die Anwärter, darunter Kenia, Uganda, Zimbabwe, Nicaragua oder Bangladesch wurden dennoch beinhart von China und Indien abgewiesen. Peking spielt den Ball an die großen Industrieländer weiter. Für einen schmerzloseren Übergang in den freien Handel sollen diesen Ländern Zollreduktionen gewährt werden. In den USA stößt dieser Vorschlag allerdings auf taube Ohren. In der EU ist man eher bereit, den ärmsten Ländern entgegenzukommen. Allerdings wird das neue EU-Zollpräferenzsystem erst ab Mitte des Jahres in Kraft gesetzt. Leider wurde es in der Vergangenheit von den Entwicklungsländern wenig in Anspruch genommen, weil die Zollpräferenzen mit Sozial- und Umweltauflagen verbunden sind. Jedenfalls ist zu erwarten, dass große und billige Textilproduzenten die kleinen verdrängen werden.

Absatzmärkte durch Quoten
Vor allem für Entwicklungsländer war der Abbau der durch das frühere Multifaserabkommen geregelten Textilquoten eine wesentliche Voraussetzung für den Abschluss der Uruguay-Runde. Sie wollten die Abschaffung der Quoten, um ihren Marktzugang zu wichtigen Absatzmärkten wie Nordamerika, Kanada und die EU zu verbessern. Das Öffnen der Märkte hat zweifellos geholfen, aber entscheidend war der richtige Mix aus Marktöffnung und geregeltem Marktzugang durch Quotenvergabe.

Für viele Entwicklungsländer, vor allem die 49 am wenigsten entwickelten Länder (LDC), hat das Auslaufen des ATC schlimme Folgen. Im Laufe der Zeit konnten sich diese Länder nämlich durch das Quotensystem einen gesicherten und vorhersehbaren Marktzugang in die USA und die EU aufbauen und dadurch ihre schwache Textil- bzw. Bekleidungsindustrie ausbauen. So entstand eine Alternative zu den traditionell rohstofflastigen Exporten. Deshalb waren viele dieser Länder auch für die Verlängerung des Quotensystems.

Der Textil- und Bekleidungshandel ist für viele Entwicklungsländer lebenswichtig und bestimmt weitgehend ihre Exporteinnahmen: Die Hälfte der Textil- und 70% der Bekleidungsexporte kommen aus Entwicklungsländern - die großen Exporteure China und Indien miteingeschlossen. Es gibt aber auch kleine, extrem exportabhängige Textilerzeuger, deren Exporteinnahmen zum Großteil aus dem Textilsektor stammen. Bangladesh bezieht 77% seiner Exporteinnahmen aus dem Textil- und Bekleidungssektor, wo 40% der Arbeitsplätze mit geschätzten 1,8 Millionen Arbeitnehmern angesiedelt sind.

Es wird allgemein erwartet, dass diese Länder der Konkurrenz aus China, Indien und anderen Billigproduzenten nicht standhalten werden können.

Textilflut
Die chinesische Wirtschaft ist dynamisch und ihre Textilexporte sind enorm. Überangebot und Preisverfall sind die Folge - was Industrieländer und Entwicklungsländer gleichermaßen schmerzt. Als unmittelbare Folge des Auslaufens der ATC-Quoten rechnen US-amerikanische Wirtschaftsforscher des Institutes Bloomberg für 2005 mit einem Anstieg der chinesischen Textil- und Bekleidungsexporte um mindestens 24%. EU-Handelskommissar Peter Mandelson fürchtet, dass die chinesischen Textilexporte in den kommenden Jahren um 150% steigen könnten, was einem Weltmarktanteil bei Textilien von 50% entspricht. Die Erfahrungen der vorletzten Quotenabbauphase per 1. 1. 2002 haben gezeigt, dass China zulasten anderer Entwicklungsländer zum Nutznießer der Liberalisierung wurde. So stieg der Marktanteil Chinas für die freigegebenen Produktkategorien auf dem US-Markt von 9% (2001) auf 65% (2004); ähnliche Entwicklungen wurden auch in der EU festgestellt. Die chinesische Währung ist stark unterbewertet, Energie wird subventioniert und Fertigprodukte werden oft unter dem Einstandspreis der Vormaterialien verkauft. Die Ursachen für die Dominanz Chinas liegen aber auch in der Nichtbeachtung von Sozial- und Umweltstandards. Insbesondere in den freien Produktionszonen werden Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden pro Tag an sieben Tagen pro Woche mit nur zwei Urlaubstagen im Jahr kritisiert.

Indien
Für Indien wird bis 2008 ein jährliches Wachstum zwischen 8 und 10% für Textilexporte vorhergesagt. Im vergangenen Halbjahr haben die Auslandsaufträge um 25 bis 30% zugenommen. In manchen Fertigungen (z. B. Herrenbekleidung) müssen indische Hersteller bis zu 65% des Vorprodukts Baumwolle aus dem Ausland zukaufen - und das, obwohl Indien der weltweit größte Baumwollproduzent ist. Auch hier werden durch die Aufhebung der Quoten Anpassungen erforderlich. Um die Exporte steigern zu können, werden z. B. Investitionsbedingungen für Ausländer liberalisiert und die Beschränkung der Kleiderherstellung auf Kleinunternehmen abgeschafft.

Während China in der Großproduktion stark ist, liegt Indiens Stärke in der Kleinstrukturiertheit der Unternehmen und der damit verbundenen Flexibilität in der Erzeugung. Die Textilindustrie mit ihrem großen Beschäftigungspotenzial ist in Indien mindestens so wichtig wie die IT-Branche. Sie beschäftigt eine Million Menschen, der Textilbereich 35 Millionen. Durch die vorgelagerte Baumwollproduktion kommen weitere 45 Millionen Arbeitsplätze hinzu.

Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass China und Indien auf das termingerechte Auslaufen des ATC bestanden haben. China empfahl, die Anpassungskosten empfindlicher Entwicklungsländer durch Hilfsprogramme von Weltbank und Internationalem Währungsfonds und durch präferenzielle Zollbehandlung auszugleichen. Beides wurde in Angriff genommen, wird aber nicht ausreichen, um diese Länder entsprechend zu stärken. Die USA haben sich nicht für die Verlängerung des Quotensystems eingesetzt. Jedoch arbeiten die US-Behörden an der Verlängerung von bestehenden und an neuen Schutzmaßnahmen, wie Einfuhrbeschränkungen und Anti-Dumpingzölle.

Vorbereitung der EU
Die Textil- und Bekleidungsindustrie der EU-25 beschäftigte 2003 cirka 2,5 Millionen Arbeitnehmer. Die wirtschaftliche Situation des gesamten Sektors ist nach wie vor schwierig: Nach deutlichen Produktions- und Beschäftigungsrückgängen in den letzten drei Jahren ging die Produktion 2003 um weitere 4,4% und die Beschäftigung um 7,1% zurück. Die wichtigsten Gründe sind die Folgen der Konjunkturabschwächung auf den EU-Textilsektor und auf ihre Absatzmärkte sowie die Wechselkursentwicklung zwischen US-Dollar und Euro, die die EU-Exporte in den Dollar-Raum verteuern.

Die Liberalisierung hat in manchen Importländern zu Schwierigkeiten in der eigenen Textil- und Bekleidungswirtschaft geführt, was ein steiles Anwachsen von Anti-Dumping-Maßnahmen in der WTO nach sich gezogen hat.

Die EU
Die EU war 2002 mit einem Anteil von 15% weltgrößter Textilexporteur und mit 11% zweitgrößter Exporteur von Textilien und Bekleidung nach China. Umgekehrt war die EU 2002 mit rund 20% (nach den USA) auch zweitgrößter Importeur von Textilien und Bekleidung aus China. Die EU hat seit 1996 etwa die Hälfte seiner Quoten gegenüber China abgeschafft. Experten rechnen nach der Freigabe der Quoten mit einem Anstieg der chinesischen Importe in die EU von derzeit 24% auf 35%.

Noch während der letzten Tage des ATC sind in der EU und den USA bestehende Quoten gefallen. Bis dahin waren zwar zirka ein Drittel dieser Güter zollfrei importierbar, aber bei der Abschaffung der Quoten ließ man sich bis zum Äußersten Zeit. Nur gegenüber den 49 am wenigsten entwickelten Ländern der Welt (LDC) bestehen seitens der EU weder Zölle noch quotenmäßige Beschränkungen.

Diese zögerliche Anpassung könnte für so manchen Hersteller bereits in diesem Jahr ernsthafte Konsequenzen haben. Die Preise bis zuletzt durch Quoten geschützter Textil- und Bekleidungskategorien werden im bevorstehenden Verdrängungswettbewerb vermutlich schockartig sinken und in Folge das Aus für deren Herstellung bedeuten.

EU-Kommission
Deshalb versuchte die EU-Kommission im letzten Moment den drohenden Schaden zu begrenzen: Sie hat im Oktober letzten Jahres einen Maßnahmenkatalog für den reibungslosen Übergang in ein quotenfreies System ausgearbeitet. Da die Gefahr in erster Linie in China liegt, soll ein Monitoringsystem in einer Übergangsphase bis Ende 2005 die chinesischen Textil- und Bekleidungsimporte überwachen.

Das bedeutet, dass bis dahin Importe aus China in die EU einer Genehmigung bedürfen. Erst nach dieser einjährigen Übergangsfrist wird auf das endgültige zollabgabengestützte Überwachungssystem umgestellt. Die weiteren Kommissionsvorschläge umfassten: Förderung von Forschung und Innovation, Öffnung der Märkte im Rahmen der WTO-Verhandlungen, um den Zugang der europäischen Unternehmen zu Drittländern zu verbessern, Gewährleistung lebenslangen Lernens und der beruflichen Bildung, Einrichtung eines Textilfonds im Rahmen des Strukturfonds für unvorhergesehene Krisen und schließlich die Stärkung der Maßnahmen zur Bekämpfung von Nachahmung und Piraterie.

Auch das Allgemeine Zollpräferenzsystem der EU wird auf die neue Situation zugeschnitten. Länder wie China, Indien und Brasilien könnten aus dem System ausgeschlossen werden, sodass dann für diese Länder -keine Zollbegünstigungen mehr gewährt würden.

Gleichzeitig sollen kleine und schwache -Entwicklungsländer durch günstigere Ursprungsregelungen derart gefördert werden, dass sie gegenüber der chinesischen Konkurrenz bevorzugt werden.

Die neue EU-Verordnung soll ab Mitte 2005 in Kraft treten und insbesondere auf die prekäre Situation der Entwicklungsländer nach Auslaufen des
ATC reagieren.

Luxusartikel
Der ehemalige EU-Handelskommissar Pascal Lamy fasste die Reaktion der EU auf die Post-ATC-Ära so zusammen: Konzentration auf Luxusartikel und Aufrechterhaltung der Wettbewerbsvorteile bei EU-Markengütern.

Die betroffenen österreichischen bzw. EU-Industriebranchen sind zwar auf das Auslaufen der WTO-Quoten gut vorbereitet, etwa durch hohe Investitionen in Design, Qualität und modernste Maschinenparks, Auslandsverlagerung der Produktion oder Weiterbildungs-Programme. Dennoch können unmöglich alle Unternehmen der Bekleidungsindustrie zu Nischen-Produzenten oder Luxus-Anbietern werden. China kann nach langjährigem Know-how-Aufbau gute Qualität liefern.

Angesichts der unfairen Produktionsbedingungen in China, Indien und vielen anderen Ländern, ist es selbst für jene europäische Bekleidungshersteller, die bereits in den neu beigetretenen EU-Mitgliedsländern investiert haben und dort fertigen lassen, unter Kostengesichtspunkten schwer mitzuhalten.

In der Textil- und Bekleidungsbranche rechnet man mit einem Verlust von rund 30 Millionen Arbeitsplätzen in der EU, den EU-Beitrittsbewerbern, Nordafrika, Asien, Nord-, Mittel- und Südamerika und Afrika.

Aus diesen Gründen sind sich Arbeitgeberverbände und Arbeitnehmerorganisationen weitgehend über die Unterstützung der Kommissions-Maßnahmen einig. Allerdings ist die Priorisierung aus Arbeitnehmersicht eine andere.

Gerechtere Produktion
Welche Maßnahmen wären für ge-rechtere Produktion und fairen Handel nötig

  • Der internationale Druck auf die Produktionskosten führt dazu, dass Arbeitsstandards unter die international anerkannten Mindestnormen gedrückt werden. Nur die Einhaltung eines Mindestmaßes an Sozial- und Umweltstandards kann den destruktiven Wettbewerb der Produktionskosten aufhalten. Regierungen müssen daher in die Pflicht genommen werden, die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen zu kontrollieren und Maßnahmen für die Nichteinhaltung zu setzten.
  • Konsumenteninformation: Bekleidungsstücke, die unter Verletzung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation hergestellt werden, sollten gekennzeichnet werden, um den Konsumenten eine faire Wahl zu ermöglichen.
  • Da die österreichische Textilindustrie bei Innovationen sehr erfolgreich ist, sollte die Regierung und die EU auf den Ausbau von Forschung und Entwicklung von neuen Materialien und Produktionsverfahren setzen. Österreichs Textilerzeuger sind Marktführer bei Textilien für die Autozulieferindustrie (Airbags, Sitze oder Seile). Eine aktivere Forschungsförderung würde in diesem Bereich die Beschäftigungssituation stabilisieren und ausbauen.
  • Die von vielen WTO-Mitgliedern geforderte Analyse und Identifikation der Probleme, die durch das Auslaufen des ATC für LDCs, Entwicklungs- und Industrieländer entstehen können, sollte seitens der Europäischen Union unterstützt werden. Geordnete Strukturen in Industrie- und Entwicklungsländern sind zu erarbeiten, Anpassungsprozesse müssen sozialverträglich gestaltet und Marktstörungen so gering wie möglich gehalten werden. Hier ist technische Hilfe durch die WTO für kleine und wenig wettbewerbsfähige Entwicklungsländer zu unterstützen.
  • Die EU sollte aktiv für ein Selbstbeschränkungsabkommen für den Textil- und Bekleidungssektor mit China eintreten.
  • Die Europäische Union sollte Maßnahmen gegen Umgehungsimporte, den Import von Waren mit tatsächlichem Ursprung in China, setzen. Umgehungsimporte werden als Folge der laufenden amerikanischen Schutzmaßnahmen erwartet.
  • Der von der EU-Kommission vorgeschlagene Monitoringmechanismus gegenüber Importen aus China ist zu unterstützten. Importe sollen hinsichtlich Quantität und Preis in Realzeit überwacht werden, sodass für Produktkategorien, bei denen anormale Volumenzunahmen oder Preissenkungen festgestellt werden, möglichst prompt Schutzmaßnahmen getroffen werden können.
  • Die EU sollte klare Richtlinien und Kriterien für Schutzmaßnahmen festlegen.


I N F O R M A T I O N

Beschäftigung sinkt, Ertrag steigt

Im Jahr 2002 gab es in der österreichischen Textilindustrie rund 15.400 Beschäftigte weniger als im Jahr davor. Wirtschaftlich ging es aufwärts.

Der stete Beschäftigungsabbau
konnte trotz besserer Erträge in der öster-reichischen Textilindustrie nicht aufgehalten werden. Denn wirtschaftlich ging es der Textilindustrie 2002 nach einem mageren Jahr 2001 etwas besser, zeigt die AK-Analyse »Die wirtschaftliche Lage der Textilindustrie« aus dem Jahr 2004.

So konnte der Jahresüberschuss von -5,4% in +0,4% umgewandelt werden. Die Branche hat an Krisensicherheit gewonnen. Optimismus herrscht vor allem bei den stärker in die Zukunft gerichteten Indikatoren. Unternehmensseitig wurde mehrheitlich eine Verbesserung der Geschäftslage infolge der Produktionssteigerung für die zweite Jahreshälfte 2004 erwartet. Die optimistischere Stimmung scheint sich jedoch nur sehr langsam in höheren Auftragsbeständen niederzuschlagen.

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Eva Dessewffy (Expertin der Abteilung Außenwirtschaft und Integration der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132323 Finanzausgleich 2005 Am 25. Oktober 2004 einigten sich die Finanzausgleichsverhandler von Bund, Ländern und Gemeinden in einem Paktum auf einen neuen Finanzausgleich bis 2008. Auch die nach der Einigung auf das Paktum aufgetretenen Unstimmigkeiten beim Spitalspaket konnten beseitigt werden. Die Verhandlungen gestalteten sich wie immer, insbesondere aber angesichts der knappen budgetären Mittel, schwierig. Sowohl die Länder als auch die Gemeinden erhofften sich eine Abgeltung jener Belastungen, die sich im Laufe der abgelaufenen Finanzausgleichsperiode angesammelt hatten. Besonders prekär war ja im Vorfeld der Verhandlungen die Finanzsituation der Gemeinden. Können daher mit dem Verhandlungsergebnis wirklich alle zufrieden sein? Der Beitrag geht dieser Frage auf den Grund und stellt die wichtigsten Details der Einigung in gebotener Kürze dar.

Die Maßnahmen des -Finanzausgleichs 2005 bis 2008
Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der beschlossenen Maßnahmen für den neuen Finanzausgleich: (siehe Tabelle 1 »Die Maßnahmen im Überblick«).

Vereinbarte Maßnahmen
Im Rahmen des Finanzausgleichs 2005 in Millionen Euro
1
Maßnahmen zur Spitalsfinanzierung maximal 300
Erhöhung Tabaksteuer (0,18 EUR/Packung) 90
Erhöhung Krankenversicherungsbeitrag - Befristung auf vier Jahre
(je 0,05 Prozentpunkte Dienstnehmer-/Dienstgeberbeitrag)
120
Erhöhung Höchstbeitragsgrundlage (+ 90 EUR auf 3.540 EUR/Monat) 30
Erhöhung Spitalskostenbeitrag - Kann-Regelung - Ermächtigung für Länder zur Anhebung max. 15
Erhöhung Rezeptgebühr (+0,10 EUR auf 4,45 EUR, auch für Generika) 10
Senkung der Zuschüsse für Sehbehelfe 35
Zusätzliche Finanzmittel (je 100 Millionen EUR Länder und Gemeinden) 200
Zusätzliche Transfers Landeslehrer 12
Gesamtvolumen maximal
512

112 Millionen Euro jährlich mehr für die Länder
Der Bund gewährt den Ländern eine jährliche Bedarfszuweisung in der Höhe von jährlich 100 Millionen Euro. Zusätzlich werden den Ländern für den Bereich der Pflichtschulen jährlich 12 Millionen Euro im Zusammenhang mit Strukturproblemen bei sinkender Schülerzahl und sonderpädagogischem Sonderbedarf zur Verfügung gestellt, wobei nach zwei Jahren eine Evaluierung stattfinden soll.

Die Mittel aus der Wohnbauförderung (1,78 Milliarden Euro jährlich) bleiben den Ländern im bisherigen Ausmaß erhalten, sie sollen jedoch verstärkt für die Erreichung der Kyoto-Ziele herangezogen werden (thermisch-energetische Sanierung im Althausbestand, Anreize für den Wärmeschutz und effiziente Energiebereitstellung im Wohnungsneubau, Einsatz erneuerbarer Energieträger und Fernwärme). Über die damit einher-gehenden Einsparungen von Treibhaus-gasen sollen in zweijährigen Abständen Evaluierungen gemacht werden. Entsprechend ihrer Verwendung werden die -bisherigen Wohnbauförderungsmittel umbenannt in »Investitionsbeitrag für Wohnbau, Umwelt und Infrastruktur«.

Der abgestufte Bevölkerungsschlüssel
Den Gemeinden gewährt der Bund eine Bedarfszuweisung von 100 Millionen -Euro pro Jahr. Gleichzeitig kommt es zu gravierenden Änderungen beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel. Für Gemeinden mit bis zu 10.000 Einwohnern wird der untere Vervielfältiger beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel von 1? auf 11⁄2 erhöht. Das bewirkt eine Verschiebung der Finanzmasse von rund 114 Millionen Euro zu den Gemeinden bis 10.000 Einwohner. Im Gegenzug wird der Sockelbetrag (72,66 Euro/Einwohner) abgeschafft. Das bedeutet eine Gegenfinanzierung in der Höhe von 53 Millionen Euro. Dadurch schrumpft der Gewinn der Gemeinden bis 10.000 Einwohner auf 61 Millionen Euro. Das ist gleichzeitig jene Summe, die die Gemeinden über 10.000 Einwohner verlieren. Dieser Verlust wird durch die oben erwähnten Finanzzuweisungen abgegolten. Die verbleibenden 39 Millionen Euro werden vereinbarungsgemäß zwischen den Städten und Gemeinden unter 10.000 Einwohnern und über 10.000 Einwohner aufgeteilt (siehe Tabelle 2: »Vervielfacher des abgestuften Bevölkerungsschlüssels«).

Vervielfacher des abgestuften
Bevölkerungsschlüssels
2
  FAG 2001-2004 FAG 2005-2008 Gewinne Neuregelung
in Millionen Euro
Gemeinden bis zu 10.000 Einwohner (EW) 11/3 11/2 80,5
Gemeinden zwischen 10.001 und 20.000 EW 12/3 12/3  
Gmeinden zwischen 20.001 und 50.00 EW 2 2 19,50
Gemeinden mit über 50.000 EW 21/3 2 1/3  

Durch diese Vorgangsweise gehören zwar alle Gemeinden zu den Gewinnern der neuen Regelung, aber die Gemeinden unter 10.000 Einwohnern erhalten zusätzlich rund 80,5 Millionen Euro jährlich, während die größeren Städte über 10.000 Einwohner nur 19,5 Millionen pro Jahr bekommen.

Der neue Finanzausgleich nimmt damit nur sehr unzureichend Rücksicht auf die Finanzlage der österreichischen Gemeinden. Die Gemeinden erhalten zwar in Summe um 100 Millionen Euro mehr, aber das reicht nicht aus, um die in den letzten Jahren eingetretene Verschlechterung der Finanzlage zu kompensieren. Benachteiligt werden zudem die größeren Gemeinden und Städte, weil die Umverteilung zu den kleineren Gemeinden weiterhin anhält.

Anreize für überregionale Kooperationen
Die Erträge aus der Kommunalsteuer können durch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Gemeinden geteilt werden. Damit wird ein Anreiz für überregionale Kooperationen gegeben. Bisher erschwerten die finanzausgleichsgesetzlichen Regelungen Betriebsansiedlungen. Belastungen und zu erwartende Einnahmen wurden immer zur Gänze der Standortgemeinde zugeordnet. Die Steuererträge verblieben aber nicht zur Gänze in der jeweiligen Gemeinde, sondern führten durch Einnahmenverluste über eine Erhöhung der Finanzkraft bzw. Mehrausgaben zu Verlusten aus dem interkommunalen Finanzausgleich. Diese Neuregelung und die damit verbundenen Anreize sind aus regionalpolitischer Sicht sehr zu begrüßen.

Siedlungswasserwirtschaft
Für die Siedlungswasserwirtschaft werden neue Zusagerahmen festgelegt. Dabei wird Bezug genommen auf die im Jahre 2003 durchgeführte Investitionskostenabschätzung für die aus der Umsetzung des Wasserrechts und der Wasserrahmenrichtlinie resultierenden Investitionserfordernisse.

Einheitlicher Verteilungsschlüssel
Die so genannten gemeinschaftlichen Bundesabgaben - mit Ausnahme der Werbeabgabe, der Grunderwerbsteuer und der Bodenwertabgabe - werden ab dem Jahr 2005 nach einem einheitlichen Verteilungsschlüssel basierend auf den Rechnungsabschlüssen 2004 erfolgsneutral aufgeteilt. Das entspricht einer langjährigen Forderung der Länder und Gemeinden. In Zukunft kommt es daher nicht mehr zu einer Verschiebung des Abgabenertrages zugunsten des Bundes und zulasten der Gemeinden und Länder, wenn der Bund im Verlauf einer Finanzausgleichsperiode Änderungen bei jenen Abgaben herbeiführt, an denen er mit einem höheren Schlüssel beteiligt war. Der Bund hat in der Vergangenheit steuerpolitische Maßnahmen wiederholt zu seinen Gunsten ausgerichtet, so etwa die Erhöhung der Mineralölsteuer im Zuge der Steuersenkung 2004.

Innerösterreichischer Stabilitätspakt
Die Finanzausgleichspartner haben im Rahmen des österreichischen Stabilitätspakts die Erreichung ausgeglichener Haushalte bis zum Jahr 2008 vereinbart. Dabei soll das Maastricht-Defizit des Bundes schrittweise von 2,4% des BIP im Jahr 2005 auf ein Defizit von 0,75% es BIP (2008) verringert werden. Im Gegenzug werden den Ländern für die Maßnahmen im Rahmen des neuen Finanzausgleichs steigende Stabilitätsbeiträge abverlangt. Die mit jeweils 0,6% des BIP auferlegten Beiträge für die Jahre 2005 und 2006 dürfen nicht unterschritten werden. Für die Jahre 2006 und 2007 erhöhen sich die Stabilitätsbeiträge auf 0,7 bzw. 0,75% des BIP. Dadurch geraten die Länder zum Teil unter erheblichen Druck. Das gilt z. B. für die Steiermark, die sich zumindest 2005 nicht in der Lage sieht, den anteiligen Überschuss zu erbringen. Sie will daher diesen Stabilitätspakt nicht unterzeichnen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass bei Fortdauer dieser Weigerung saftige Strafzahlungen im Finanzausgleichsgesetz festgesetzt wurden. Die Gemeinden müssen wie bisher länderweise ausgeglichene Haushalte haben. Die finanzielle Situation der Gemeinden wird sich dadurch weiter verschärfen (siehe Tabelle 3: »Maastrichtsalden gemäß österreichischem Stabilitätspakt«). Daraus folgt, dass die Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts für den Gesamtstaat nicht einfach und vor allem nicht ohne Konsequenzen sein wird. Weitere Sparmaßnahmen werden zur Zielerreichung notwendig sein.

Maastrichtsalden
gemäß österreichischem Stabilitätspakt 2005 bis 2008
3
  2005 2006 2007 2008
Bund -2,4 -2,2 -1,4 -0,75
Länder 0,6 0,6 0,7 0,75
Gemeinden 0 0 0 0
Gesamtstaat -1,9 -1,7 -0,7 0
Quelle: Österreichischer Stabilitätspakt 2005, Regierungsvorlage

Weiterhin kein aufgabenorientierter Gemeindefinanzausgleich
Durch die Änderungen beim abgestuften Bevölkerungsschlüssel wird die in den letzten Jahren zu beobachtende Nivellierungstendenz des Finanzausgleichs - also eine Umverteilung zu den kleineren Gemeinden - fortgesetzt. Völlig außer Acht gelassen werden zudem die steigenden Transferlasten der Gemeinden durch andere Rechtsträger (z. B. im Rahmen der Sozialhilfe oder bei den Krankenanstalten), die netto besonders die finanzstärkeren Gemeinden belasten. Eine Fortsetzung der Umverteilung zu den kleinen Gemeinden führt zu einer weiteren Schwächung der Finanzkraft der größeren Städte und Ballungsräume, in denen der Ausgabenbedarf für zentralörtliche und ballungsraumspezifische Aufgaben hoch ist. Gerade von diesen öffentlichen Leistungen in den Städten und Ballungsräumen profitieren auch die Umlandbewohner/-innen und Einpendler/-innen. Mit steigender Gemeindegröße steigen auch die Ausgaben für die Erledigung der Basisaufgaben an. Eine von der Arbeiterkammer Wien in Auftrag gegebene Studie1) hat einmal mehr gezeigt, dass der Finanzmittelbedarf mit der Gemeindegröße ansteigt. Mit anderen Worten: der abgestufte Bevölkerungsschlüssel hat weiterhin seine Berechtigung. Trotz dieser nicht ganz neuen Befunde orientiert sich die Finanzmittelverteilung der Gemeinden nach wie vor nicht an den tatsächlichen Aufgaben, sondern folgt der überholten Vorstellung der Einheitsgemeinde, wonach jede Gemeinde weitgehend ähnliche Aufgaben zu erfüllen hat.

Weitere Strukturreformen fehlen
Als Folge dieser Nivellierungstendenz und des Stabilitätspakts wird die Aufgabenerfüllung für die Gemeinden, insbesondere im Hinblick auf die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sowie im Hinblick auf deren Rolle als wichtigster Investor der öffentlichen Hand zunehmend schwieriger. Damit ist ein weiterer Rückgang der Investitionen - sie sind seit 1995 real gesunken - vorprogrammiert, und es ist mit Qualitätseinbußen bei den öffentlichen Leistungen zu rechnen.

Es fehlen aber weitere Strukturreformen, über die im Vorfeld der Verhandlungen sowie im Österreich-Konvent wiederholt gesprochen wurde. Das gilt insbesondere für die Entflechtung von Kompetenzen und Finanzierungsverantwortlichkeiten zwischen den Gebietskörperschaften. Von einer Zusammenführung der Einnahmen-, Ausgaben- und Aufgabenverantwortung fehlt jede Spur. Der Versuch des Bundes, die Steuerhoheit der Länder auszuweiten, ist kläglich gescheitert.

Das »Transferchaos« und die damit einher-gehende Tendenz zur Unwirtschaftlichkeit des Finanzausgleichs (Parallelförderungen, Ko-Finanzierungen als Mittel zur Abgangsdeckung, Tendenz zu Leistungsausweitungen) bleibt daher weiter bestehen.

Eine Änderung des Finanzausgleichs in Richtung verstärkter Ziel- und Managementorientierung war gar nicht erst Ziel der Verhandlungen.

Das Gesundheitspaket 2004
Zugleich mit dem neuen Finanzausgleich wird ein Gesundheitspaket beschlossen. Es besteht aus einem Finanzierungs- und einem Organisationsteil2). Im Rahmen des Finanzierungspakets (siehe Tabelle 1) werden den Ländern und Sozialversicherungsträgern zusätzlich 300 Mio. Euro zukommen. Die beschlossenen Maßnahmen entsprechen nicht zur Gänze dem Prinzip der solidarischen Finanzierung. Nach diesem Prinzip wäre das Gesundheitssystem über Beiträge oder Steuern zu finanzieren.

Nur einige der beschlossenen Finanzierungsmaßnahmen weisen diese solidarischen Elemente auf: die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge sowie die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage zur Krankenversicherung und der Tabaksteuer. Die Selbstbehalte (Spitalskostenkostenbeitrag, Sehbehelfe) werden von Arbeitnehmerseite wegen ihrer Verteilungswirkung (»Krankensteuer«) seit jeher abgelehnt.

Eine Zielsetzung des Gesundheits-pakets liegt darin, auch ausgabenseitige Sparmaßnahmen (Kostendämpfung, Effizienzsteigerung) im selben Umfang zu ergreifen. Die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge erfolgt daher nur befristet bis 2008. Dieses Finanzierungspaket erscheint zu knapp bemessen, bereits im Jahr 2006 ist erneut mit einer Finanzierungslücke im Gesundheitswesen zu rechnen.

In Anbetracht dieser zu erwartenden Finanzierungslücke und der gegebenen Erosion bei den Krankenversicherungsbeiträgen wären Schritte in Richtung einer Wertschöpfungsabgabe geboten. Problematisch wirkt sich auch aus, dass die Bundesregierung die gesetzliche Krankenversicherung seit einigen Jahren finanziell »aushungert«.

1) Bröthaler, J., Die Verwaltungsausgaben der österreichischen Gemeinden, Wien, Dezember 2004.

2) Auf die Organisationsreform wird hier nicht eingegangen.


I N F O R M A T I O N

Unterschiedliche Aufgabentypen von Gemeinden

Zu den Basisaufgaben zählen die von den Gemeinden aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen wahrzunehmenden behördlichen, dienstleistungsmäßigen und infrastrukturellen Kernaufgaben, die eine Grundversorgung der örtlichen Bevölkerung und der Wirtschaft gewährleisten (Kindergärten, Straßenreinigung, Kanäle etc.).

Zentralörtliche Aufgaben sind Leistungen der »zentralen Orte« für einen Nutzerkreis, der die Grenzen der Anbietergemeinde überschreitet und demnach auch Nutznießer/-innen im Umland zugute kommen (z. B. das Errichten und Betreiben von Krankenanstalten, Pflegeheimen für Betagte, Behindertenhilfe, Kinderheime, große Sportstadien, Kunst- und Kultureinrichtungen).

Die ballungsraumspezifischen Aufgaben umfassen spezielle Aufgaben der Gemeinden aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte in den Ballungsräumen. Der Nutzerkreis umfasst sowohl die Einwohner/-innen der Kernstadt als auch die des verstädterten Umlandes (z. B. Sozial- und Gesundheitsämter, Ämter der Stadtplanung, Berufsfeuerwehren, Haupt- und Sonderschulen, Mülldeponien oder regionale Kläranlagen).

 


B E G R I F F E

Finanzausgleich:
darunter versteht man die Verteilung der so genannten gemeinschaftlichen Bundesabgaben auf die unterschiedlichen Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden). In einer ersten Stufe werden entsprechend ihren Aufgaben die gemeinschaftlichen Bundesabgaben zwischen dem Bund, der Summe der Bundesländer und der Summe der Gemeinden verteilt (vertikaler Finanzausgleich). Bisher erfolgte die Aufteilung nach fixen Prozentsätzen, ab 2005 nach einem einzigen einheitlichen Verteilungsschlüssel. In einem zweiten und dritten Schritt werden die so ermittelten Abgaben zwischen gleichrangigen Gebietskörperschaften (also zwischen Gemeinden sowie zwischen Ländern) verteilt, um einen regionalen Ausgleich zu erhalten (horizontaler Finanzausgleich). Dabei kommen verschiedene Aufteilungsschlüssel zur Anwendung (z. B.: Volkszahl, Steueraufkommen). Der Finanzausgleich wird im Finanzausgleichsgesetz geregelt. Daneben gibt es viele andere Gesetze, die für den Finanzausgleich bedeutsam sind (z. B. Umweltförderungsgesetz).

Abgestufter Bevölkerungsschlüssel:
Da die ungleiche Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur von Gebietskörperschaften gleicher Ebene Auswirkungen auf Steueraufkommen und Ausgabenbedarf haben, kommen bei der Verteilung des Steueraufkommens verschiedene Verteilungsschlüssel zur Anwendung. Die wichtigsten sind die Bevölkerungszahl und der abgestufte Bevölkerungsschlüssel, der einer Gebietskörperschaft mit höherer Bevölkerungszahl mehr Geldmittel zugesteht als einer mit niedrigerer Bevölkerungszahl. Hinter dieser Maßzahl für den Bedarf steht die mehrfach empirisch belegte Annahme, dass die Pro-Kopf-Ausgaben mit steigender Gemeindegröße zunehmen, also je Einheit öffentlicher Leistung höhere Ausgaben anfallen.


R E S Ü M E E

Der neue Finanzausgleich 2005 bringt zwar den Ländern und Gemeinden mehr Geld, gleichzeitig wird ihnen aber im Rahmen des österreichischen Stabilitätspakts ein Sparkurs verordnet, um im Jahr 2008 wieder einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt darstellen zu können. Bei den Ländern gehören nur jene zu den Gewinnern, die ihre bisherigen Überschüsse zur Erfüllung des österreichischen Stabilitätspakts nicht durch budgetäre Tricks erwirtschaftet haben.

Bei den Gemeinden wird die Umverteilung zu den kleinen Gemeinden unter 10.000 Einwohner fortgesetzt. Sie gehören zu den Gewinnern. Die Finanzsituation der größeren Gemeinden und Städte wird sich hingegen weiter verschärfen. Das gilt insbesondere für die im internationalen Wettbewerb stehenden größeren Städte und Ballungsräume, die bereits jetzt keinen Spielraum für Investitionen haben. Sie sind mit Sicherheit die Verlierer dieses Finanzausgleichs. Da die zusätzlichen Mittel für die Gemeinden angesichts ihrer angespannten Finanzsituation eher knapp bemessen sind und da die Spielräume bei den Gebühren bereits weitgehend ausgereizt sind, ist davon auszugehen, dass die Investitionen der Gemeinden weiter sinken werden. Das kann auf mittlere Sicht nicht ohne Konsequenzen auf die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge und deren Qualität bleiben.

Der Finanzierungsteil des Gesundheitspakets bringt den Ländern und Sozialversicherungsträgern zwar zusätzliche Mittel, dennoch ist ab 2006 bereits wieder mit einer Finanzierungslücke zu rechnen. Die Maßnahmen des Finanzierungsteils entsprechen nur zum Teil dem Grundsatz einer solidarischen Finanzierung. Die Selbstbehalte (Spitalskostenbeitrag, Sehbehelfe) kommen einer »Krankensteuer« gleich und sind daher aus Arbeitnehmersicht abzulehnen. Eine sinnvolle Alternative bestünde in einer wertschöpfungsbezogenen Finanzierung der Krankenversicherung.

Die großen Strukturreformen sind in diesem neuen Finanzausgleich ausgeblieben. Das gilt sowohl für den seit Jahren beschworenen Grundsatz der Zusammenführung der Verantwortung für Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben und eine damit verbundene Vereinfachung des Finanzausgleichs als auch für eine stärkere Ausrichtung an Zielen und Managementgrundsätzen. Weiters aufrecht erhalten wird die Fiktion von der Einheitsgemeinde, wonach jede Gemeinde unabhängig von ihrer Struktur ähnliche Aufgaben zu erfüllen hat. Das Prinzip, wonach jeder Bürger und jede Bürgerin gleich viel wert ist, ist zwar heute mehr denn je überholt, bleibt aber für diesen Finanzausgleich ein wichtiges Leitmotiv. Eine Verteilung der Mittel nach den tatsächlichen Aufgaben, die aus regional- und gesamtwirtschaftlicher Betrachtung weitaus sinnvoller wäre (aufgabenorientierter Finanzausgleich), wurde also weiter auf die lange Bank geschoben. Es ist wenig tröstlich, dass auch der Österreich-Konvent bei diesen wichtigen Strukturreformen keinen Konsens erzielen konnte. Es bleibt die Hoffnung auf den Finanzausgleich 2009.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132244 Mehr und bessere Beschäftigung in der EU Bei der Lohn- und Einkommensteuer geht die Bundesregierung vom Grenzstufensteuertarif1) ab und stellt ein völlig neues Schema vor (siehe Tabelle »Bemessungsgrundlage I«).

Bemessungsgrundlage I
Zu versteuerndes Jahreseinkommen Steuer
bis 10.000 0
bei 25.000 5.750
bei 51.000 17.085
darüber 50% des übersteigenden Betrages

Was in Lissabon bis zum Jahr 2010 vereinbart und als Beschäftigungsziel festgeschrieben wurde: Im März 2000 lancierte der Europäische Rat in Lissabon ein ambitioniertes Programm mit ehrgeizigen Zielen für Wachstum und Beschäftigung. Die hohe Arbeitslosigkeit in der EU effektiv abzubauen und das Wachstum an Beschäftigung auf eine stabilere Grundlage zu stellen, das gehörte mit zum Masterplan für die Zukunft der EU-Politik der nächsten zehn Jahre.

  • Im Bereich der Beschäftigungspolitik sollte von Lissabon ein Politikwechsel ausgehen, der unter anderem zu einer deutlichen Anhebung der Erwerbsbeteiligung (insbesondere von Frauen und älteren Beschäftigten) führt.
  • Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum sollten einen effektiven Beitrag der Beschäftigungspolitik zur Armutsbekämpfung und zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts ermöglichen.
  • Verstärkte Anstrengungen der Mitgliedsstaaten im Bereich »Bildung und Innovation« sollten zu neuen Impulsen für die Europäische Beschäftigungsstrategie und zu einer Verbesserung der Arbeitsplatzqualität führen. Um dies zu erreichen wurden folgende quantitativen Ziele festgeschrieben:
  • Bis 2010 eine Anhebung der Gesamtbeschäftigungsquote im EU-Schnitt von 61 auf 70% und die der Frauen im selben Zeitraum von 51 auf 60% sowie für 55- bis 64-Jährige auf 50%;
  • entsprechende Zwischenziele bis 2005 (Beschäftigtenquoten: gesamt von 67%, für Frauen von 57%).

Nationale Ziele
Alle EU-Länder wurden aufgefordert, ausgehend von ihren jeweiligen Ausgangslagen entsprechende nationale Ziele zur Erreichung der gesamteuropäischen Vorgaben festzulegen. So startete Griechenland etwa bei einer Beschäftigungsquote von 55,3%, in Dänemark waren es 76%. Damit war klar, dass nicht jedes Land 70% bis 2010 erreichen wird und somit jene Länder, die schon näher am Durchschnitt liegen, eine höhere Latte zu überspringen haben - soll das Gesamtziel erreicht werden.

Im Klartext: Auch jene Länder, die im Jahr 2000 bereits eine Beschäftigungsquote von über 70% hatten (wie etwa Schweden, Holland, Dänemark, England) oder knapp darunter lagen (Österreich, Portugal, Finnland) sollten einen entsprechend ambitionierten Beitrag zum Lissabon-Ziel liefern.

Österreich müsste demnach bis 2010 eine Beschäftigtenquote von 73,2% und eine solche der Frauen von 66,8% erreichen.

Mehr und auch bessere Beschäftigung
Doch Lissabon setzte nicht nur die Perspektive nach »mehr Beschäftigung« in die Welt, sondern auch die, wonach die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft vor allem über die Förderung von Innovation und eine »bessere Qualität der Arbeit« erreicht werden soll.

Investitionen in Humankapital, Forschung, Technologie und Innovation wurde somit dieselbe Priorität eingeräumt, wie arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Orientierungen. Dementsprechend wurden weitere quantitative Ziele festgelegt:

  • Steigerung der Investitionen in Bildung (Beteiligung von 12,5% aller Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter an Weiterbildungsmaßnahmen und Halbierung der Zahl der 18- bis 24-Jährigen ohne weiterführende Schul- oder Berufsausbildung);
  • Erhöhung der Investitionen in Forschung und Entwicklung (3% des BIP, wobei 2/3 der Investitionen von den Unternehmen aufgebracht werden sollen);
  • Spürbarer Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen (Betreuungsplätze für 33% der bis 3-Jährigen und 90% der Kinder von drei Jahren bis zum Pflichtschulalter).

Ziele weit entfernt
In einem sind sich nahezu alle Kommentatoren mit Blick auf die Lissabonner Halbzeitbilanz einig: Sie fällt ernüchternd aus.1)

  • Die Beschäftigungsziele werden mit ziemlicher Sicherheit bis 2010 nicht zu erreichen sein. Denn Europa ist Mitte 2004 weiter denn je vom Weg hin zu mehr und besseren Arbeitsplätzen entfernt (siehe dazu die Grafiken 1 bis 3).
  • Vor dem Hintergrund, dass die europäische Wirtschaft das dritte aufeinander folgende Jahr ein sehr niedriges, deutlich unter den Möglichkeiten liegendes Wachstum erlebt, drohen die für 2010 gesetzten Vorgaben verfehlt zu werden.
  • Um etwa die in Lissabon festgelegte Zielmarke einer durchschnittlichen Beschäftigungsquote von 70% zu erreichen, müssten bis 2010 etwa 15 Millionen
    neue Arbeitsplätze in der EU-15 und 22 Millionen in der EU-25 geschaffen werden, mehr als 3 Millionen. im Jahr, so viel wie in der EU-15 im Jahre 2000, dem besten Jahr für Beschäftigung seit über einem Jahrzehnt.
  • Dazu kommt, dass die Beschäftigungsraten in den neuen Mitgliedstaaten deutlich hinter jenen der EU-15 liegen.

Auch Österreich hinkt den Lissabonner Beschäftigungszielen hinterher. Das betrifft die Erhöhung des Beschäftigungsvolumens ebenso wie auch andere Ziele, wie etwa Bildung und Kinderbetreuung. In Österreich gibt es somit keinerlei Grund, sich zurückzulehnen und die bestehende beschäftigungspolitische Misere, wie etwa von der Regierungsbank so gern geschehen, mit dem Verweis auf den EU-Vergleich herunterspielen (siehe Infokasten: Lissabonner Beschäftigungsziele: So steht Österreich wirklich).


I N F O R M A T I O N

Lissabonner Beschäftigungsziele:
So steht Österreich da

Die EU-Kommission hat im Jahr 2000, als die Lissabon-Ziele festgelegt wurden, den -notwendigen Beitrag Österreichs zur Erreichung der EU-Beschäftigungsziele berechnet. Österreich müsste demnach bis 2010 eine Gesamtbeschäftigungsquote von 73,2% und eine solche der Frauen von 66,8% erreichen. Konkret hieße dies: Plus 200.000 Arbeitsplätze bis 2010.

Die Bilanz für Österreich fällt ernüchternd aus
:

  • Schwaches Wachstum der Beschäftigungsquoten:
    Österreich startete im Jahr 2000 bei einer Gesamtbeschäftigungsquote von 68,6% und bei den Frauen mit 59,6%. Tatsächlich wurde in der Gesamtbeschäftigung bislang nur ein Zuwachs um ganze 0,6% und bei den Frauen um 3,2% erreicht (Eurostat, 2003).
  • Noch größeres Zurückbleiben in Vollzeitäquivalenten:
    In Vollzeitäquivalenten berechnet sieht die Lage in Österreich weit kritischer aus, werden bei Eurostat doch sämtliche Formen der Teilzeit als Beschäftigung gerechnet). In Vollzeit gerechnet ist die Beschäftigung in Österreich seit 2000 insgesamt sogar gesunken: um ca. 24.000. Bei den Frauen ist sie, anders als etwa in Schweden, Finnland oder Dänemark, nur geringfügig gewachsen (Wifo, März 2004).
  • Bei der Arbeitslosigkeit liegt Österreich im negativen Trend:
    Ein Blick auf die Arbeitslosenquoten zeigt zusätzlich, dass sich Österreich entgegen dem EU-Trend entwickelt: Während EU-weit die Arbeitslosigkeit seit 1999 sinkt - konkret von 8,7 auf 8,1% - ist sie in Österreich um 0,5% gestiegen. Parallel zur mäßigen Steigerung der Beschäftigungsquote erleben wir einen Rekord der Arbeitslosigkeit nach dem anderen. Frauen zählen nach wie vor zu den Hauptleidtragenden. Im EU-Ranking verliert Österreich Platz für Platz.
  • Auch beim Lebensbegleitenden Lernen unter dem EU-Schnitt:
  • Österreich hat sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2010 eine Teilnahmequote bei der Erwachsenenbildung von 12,5% im erwerbsfähigen Alter zu erreichen; dieser Anteil lag 2003 (das sind die zuletzt verfügbaren Zahlen) bei nur 7,5% und liegt damit unter dem EU-Durchschnittswert von 9,7%.
  • Großer Nachholbedarf bei der Kinderbetreuung:
    Mit einer Betreuungsquote von knapp 9% bei den bis 3Jährigen (Statistik Austria 2002) gehört Österreich europaweit zu den Ländern mit dem größten Handlungsbedarf zur Erreichung des Zieles von 33% Betreuungsquote für Kinder dieser Altersgruppe. Ebenfalls niedrig ist die Versorgungsdichte für Schulkinder: Für lediglich 21,8% der 6- bis 9-Jährigen und 11,1% der 10- bis 14-Jährigen gibt es Betreuungsplätze.

(Alle Daten: AK Wien, Juni 2004)

EWSA: Verfehlte Wirtschaftspolitik
Zweifellos liegt die aktuelle Beschäftigungsflaute in der EU in hohem Maß
in der wirtschaftlichen Entwicklung -begründet. Lissabon stand unter der Annahme eines jährlichen BIP-Wachstums von 3% im Durchschnitt. Stattdessen hat sich die wirtschaftliche Lage seit 2000 jedoch rapide verschlechtert. Das Wachstum sank in den Folgejahren deutlich: 1,7% in 2001, 1,0% in 2002 und gar nur 0,8% in 2003.

Vor diesem Hintergrund scheint klar zu sein, dass die beschäftigungspolitischen Ziele nur dann erreicht werden können, wenn es gelingt, einen nachhaltigen konjunkturellen Aufschwung einzuleiten. Der EWSA knüpft an diesem Punkt an seine Anfang 2004 verabschiedete Stellungnahme zu den »Wirtschaftspolitischen Grundzügen der EU« an und stellt in seinem aktuellen Bericht zur Beschäftigungspolitik2) in erfreulicher Deutlichkeit abermals fest, dass für die Flaute der letzten drei Jahre vor allem der wachstumshemmende makroökonomische Rahmen in der EU verantwortlich ist und nicht etwa strukturpolitische Gründe.

Konsequenterweise wird im Bericht auch deutlich darauf hingewiesen, dass nur eine spürbare Belebung der großen Nachfragekomponenten Konsum (über Realeinkommens- und Beschäftigungswachstum) und Investitionen (privat wie öffentlich) die Kaufkraftschwäche in Europa auszugleichen vermag, um die europäische Wirtschaft zurück auf den Wachstumspfad zu bringen. (Siehe dazu auch den Beitrag von Thomas Delapina »EWSA für neue Wirtschaftspolitik« in »Arbeit&Wirtschaft« Mai 2004.)

Sozialabbau schafft keine Arbeitsplätze
Was Europa heute also in erster Linie braucht, das ist also die spürbare Belebung der Nachfragekomponenten, um die Kaufkraftschwäche in Europa auszugleichen. Darauf aufbauend kann ein intelligentes Design an Strukturreformen, das die Binnennachfrage nicht noch weiter schwächt, wichtige Impulse bei der Schaffung von Beschäftigung liefern. In diesem Sinn ist der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit, der Beseitigung von Qualifikationsdefiziten sowie der Integration benachteiligter Gruppen am Arbeitsmarkt der Vorzug vor Aufrufen zur Lohnmoderation, dem Abbau arbeitsrechtlicher Standards, dem Ausbau atypischer Beschäftigungsverhältnisse sowie Leistungskürzungen im Sozialbereich zu geben.

Damit hebt sich dieser Bericht des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses in erfrischender Weise vom Mainstream der wirtschaftspolitischen Politikempfehlungen in den letzten Jahren ab, die uns wissen lassen wollen, dass vor allem strukturelle Faktoren (wie z. B. Lohnkartell der Gewerkschaften, rigide Arbeitsmarktregulierung, zu kurze Arbeitszeiten, Immobilität und Inflexibilität der Arbeitnehmer) am schwachen Beschäftigungswachstum schuld sind.

Auch in einem anderen Punkt lässt der Bericht mit deutlichen Worten aufhorchen: Das strategische Ziel von Lissabon besteht nicht in der Schaffung von Arbeitsplätzen um jeden Preis. Beim Lissabonner Prozess geht es nicht bloß um »Jobs, Jobs, Jobs«. Es geht um Beschäftigung als beste Prävention vor Armut und Ausgrenzung und somit vor allem auch um eine bessere Qualität der Arbeitsplätze. In diesem Sinn muss der europäische Weg zur Vollbeschäftigung mit angemessenen Löhnen, sozialer Sicherheit und hohen arbeitsrechtlichen Standards verbunden sein.

Forderungen des EWSA an die EU-Politik
An den bevorstehenden Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates im Mai 2005, der ebenfalls der Halbzeitbewertung der Lissabonner Strategie gewidmet sein wird, wendet sich der EWSA mit konkreten politischen und institutionellen Forderungen, um der europäischen Beschäftigungspolitik neue Dynamik zu verschaffen:

Gesunder makroökonomischer Kontext auf EU-Ebene: Dazu zählt vor allem eine Geldpolitik, die den Mitgliedstaaten bei wirtschaftlicher Stagnation Spielraum für konjunkturpolitisches Handeln in der Wirtschafts- und Finanzpolitik lässt. Dazu gehört auch, dass die Geld- und Haushaltspolitik Verantwortung für Wachstum und Beschäftigung übernimmt und das auch Eingang in die Grundzüge der Wirtschaftspolitik findet.

  • Unterstützung einer pragmatischen Geldpolitik der EZB: Die Europäische Zentralbank (EZB) soll demnach auf ein Stabilitätsziel ›im weiteren Sinn‹ verpflichtet werden, welches bei Stabilität des Geldwertes, auch die Stabilität von Wachstum, Vollbeschäftigung und der Systeme des sozialen Zusammenhalts im Auge hat. Das wird ohne eine effektive Koordinierung zwischen allen wirtschaftspolitischen Akteuren (Regierungen, EZB, Sozialpartnern) nicht zu haben sein.
  • Wachstumsfördernde Reform des Stabilitätspaktes: Berücksichtigung landesspezifischer Rahmenbedingungen (z. B. Konjunktur, Schuldenstand, Inflation) bei der Beurteilung der Budgetdefizite ebenso wie Rücksicht auf die Qualität der Staatsausgaben. So sollten etwa Wachstum fördernde Investitionen (z. B. in Forschung, Bildung und Entwicklung) bei der Defizitberechnung stärker Rechnung getragen werden.
  • Einbindung der Sozialpartner und Aufwertung des Makrodialoges: Ein realpolitisch aufgewerteter makroökonomischer Dialog kann erheblich zum ganzheitlichen Gelingen des Lissabonner Prozesses beitragen, ist er doch der einzige Ort, an dem alle wirtschafts- und beschäftigungspolitisch verantwortlichen Akteure im offenen Dialog darüber zusammenkommen, wie ein Wachstum und Beschäftigung fördernder »Policy Mix« in der EU erreicht werden kann.
  • Verzahnung von Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik in der EU: Seit Lissabon gab es positive Anstrengungen, die Koordinierung in der Beschäftigungspolitik mit jener der Wirtschaftspolitik zeitlich zu synchronisieren. Defizitär bleibt weiterhin die inhaltliche Verzahnung und Überlagerung beschäftigungspolitischer Leitlinien durch die Grundzüge der Wirtschaftspolitik.
  • Kooperation der zuständigen Ratsformationen: Um in der EU eine beschäftigungspolitische Gesamtstrategie erfolgreich verfolgen zu können, ist die Zusammenarbeit des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister mit jenem für Beschäftigung und Sozialpolitik erforderlich. Diese Koordinierung ist v. a. bei der Vorbereitung der Frühjahrsgipfel in der EU gefragt, ist Lissabon doch ein horizontaler Prozess und darf nicht allein in die Hände der Finanzminister gelegt werden.
  • »Lissabonnisierung« des EU-Budgets: Die Beschäftigungsziele der EU brauchen auch europäische Wachstumsinitiativen, die sich nicht nur auf eine Vorwegnahme bereits beschlossener Projekte der Europäischen Investitionsbank beschränken. Unterschiedliche Anregungen in Richtung Konjunkturbudget liegen vor. Diese Überlegungen müssen weitergeführt werden, damit vom künftigen EU-Budget wirkungsvolle europäische Wachstums- und Beschäftigungsinitiativen ausgehen können.
  • Stärkere nationale Verbindlichkeit bei Lissabon-Umsetzung: Die Nichterreichung gesamteuropäisch vereinbarter Ziele hat derzeit kaum Auswirkung auf die nationalstaatliche Politikgestaltung. Das öffentliche »An-den-Pranger-Stellen« erfüllt seine Funktion nur bedingt. Die allgemeinen Beschäftigungsziele müssen auf entsprechend ambitionierte nationale Ziele herunter gebrochen, mehr Transparenz hergestellt und eine breitere nationale Debatte rund um einen Lissabonner Umsetzungsbericht sichergestellt werden.
  • Nationale Reformpartnerschaften mit den Sozialpartnern: Zum Gelingen des Prozesses müssen echte nationale -Reformpartnerschaften gefördert und auch die nationalen Parlamente stärker in Verantwortung genommen werden. Der umfassenden Einbindung der Sozialpartner kommt dabei besondere Bedeutung zu, gerade wenn es um Strukturreformen sowie um Qualifikation und Innovation geht, aber auch in allen Phasen der Umsetzung der Europäischen -Beschäftigungsstrategie (Ausarbeitung, Umsetzung, Evaluierung der nationalen Aktionspläne).
  • Stärkere Berücksichtigung der Erweiterungsdimension: Die EU soll den Bedürfnissen der neuen Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Beschäftigungsstrategie besondere Aufmerksamkeit schenken, damit diese Länder die gemeinschaftsweiten Beschäftigungsziele auch erfüllen können. Besonderes Augenmerk ist gerade auch hier auf die adäquate und effektive Einbindung der Sozialpartner zu legen. Mit Blick auf einen möglichen Beitritt zum Euro-Raum müssen die Konvergenzkriterien so gestaltet sein, dass sie Wachstum und Beschäftigung fördern, nicht verhindern.

1) Siehe dazu auch den Beitrag von Silvia Angelo und Norbert Templ »Ein Gipfel macht noch keinen Frühling« in »Arbeit&Wirtschaft« Juni 2004

2) Der Autor ist seit 2002 Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und zeichnete als Berichterstatter maßgeblich für die EWSA-Stellungnahme zu den Lissabonner Beschäftigungszielen verantwortlich.


F A Z I T

Es geht um die Glaubwürdigkeit der EU-Politk

Der Europäische Rat mag sich an diesen Empfehlungen orientieren oder auch nicht, gefordert ist er allemal. Schließlich droht dem gesamten Lissabon-Prozess vor dem Hintergrund der mageren Halbzeitbilanz der Verlust der Glaubwürdigkeit. Einer Strategie, die im Jahr 2000 europaweit auf große Zustimmung gestoßen ist und zur Hoffnung geführt hat, dass das Projekt einer erweiterten EU den Bürgerinnen und Bürgern spürbar näher gebracht werden kann.

Dieses Glaubwürdigkeitsproblem kann nur entschärft werden, wenn die Menschen in Europa darauf vertrauen können, dass alle politisch Verantwortlichen energisch daran arbeiten, die Lissabon-Strategie mit ihrer Gleichrangigkeit von Zielen (Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen, Stärkung des sozialen Zusammenhaltes sowie nachhaltige ökologische Entwicklung) konsequent umzusetzen.

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Wolfgang Greif (Leiter der Abteilung Europa, Konzerne und Internationale Beziehungen in der GPA) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132228 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132232 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132236 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132188 Statt Realinvestitionen - mehr Finanzkapital! In den vergangenen Jahren verstärkt sich ein Trend, der für die Arbeitsplätze nichts Gutes verheißt: die Unternehmen investieren immer weniger in Realkapital, also zum Beispiel Maschinen, Büroausstattung, Gebäude, Kraftfahrzeuge. Viel interessanter werden Finanzinvestitionen, also zum Beispiel Beteiligungen, wie Kauf von Tochtergesellschaften. Auch vergeben die Unternehmen gerne langfristige Kredite innerhalb des Konzerns. Anders ausgedrückt: das Finanzkapital feiert einen steten Aufschwung. Ist aber das Finanzkapital überhaupt etwas anderes als das Realkapital? Schließt das eine das andere aus?

Von Sach- zu Finanzinvestitionen
War im Zeitraum 1992 bis 2001 in der österreichischen Industrie ein Rückgang der Sachinvestitionen bei gleichzeitigem Anstieg der Finanzinvestitionen feststellbar,1) so kann für die letzten drei Jahre (2001 bis 2003) von einer weiteren Umschichtung von den Sach- zu den Finanzinvestitionen bei den untersuchten Industrieunternehmen ausgegangen werden.2)

Die Industrieunternehmen haben in den vergangenen drei Jahren (2001 bis 2003) zwar um knapp 33% mehr investiert. Dieser Anstieg geht aber in erster Linie von den Finanzinvestitionen aus, die sich nahezu verdoppelt haben (+98%), während die Sachinvestitionen vergleichsweise schwach zunahmen (+11,8%). Die Investitionen in immaterielle Vermögensgegenstände, also zum Beispiel Patente, Lizenzen, EDV-Software, gingen sogar zurück (-31%). Besonders im Jahr 2002 gingen die Sach- und immateriellen Investitionen deutlich zurück, während die Finanzinvestitionen stark zunahmen (siehe Grafik 1: "Investitionen«).

Wachstum der Finanzinvestitionsquote
Wenn die absoluten Investitionssummen verglichen werden, können diese noch durch einige Großunternehmen verzerrt dargestellt werden. Eine bessere Aussagekraft haben die Investitionsquoten. Die absoluten Investitionen werden dann zum Umsatz oder zur Betriebsleistung in Beziehung gesetzt. In diesen drei Jahren nahm die gesamte Investitionsquote um 2,6 Prozentpunkte zu. Dies bedeutet, dass die Investitionen an sich relativ stärker zunahmen als der Umsatz. Allerdings zeigt die Detailanalyse, dass die Finanz-investitionsquote um 2 Prozentpunkte wächst, während die Sachinvestitionsquote nur um 0,7 Prozentpunkte zunimmt. Die immaterielle Investitionsquote ging sogar um 0,1 Prozentpunkte zurück. Wird ein längerer Zeitraum berücksichtigt, zum Beispiel von 1992 bis 2003, dann fällt ein noch deutlicherer Trend zu Gunsten der Finanzinvestitionen auf: die gesamte Investitionsquote sinkt dann seit 1992 um 0,8 Prozentpunkte. Die Finanz-investitionsquote steigt aber um 1,2 Prozentpunkte, während die Sachinvestitionsquote um 2 Prozentpunkte sinkt und die Immaterielle Investitionsquote unverändert bleibt.

Investitionsmotiv
Bei den Investitionsmotiven der österreichischen Industrie für das Jahr 2004, die das WIFO regelmäßig untersucht, steht das Motiv des »Ersatzes alter Anlagen« mit 35,4% an erster Stelle vor dem »Rationalisierungsmotiv« in Höhe von 31,1%. Die »Kapazitätserweiterung« liegt mit 18,2% deutlich abgeschlagen, darüber hinaus nimmt es seit 2001 ab. Ein spürbarer positiver Beschäftigungseffekt dürfte wohl eher von den Erweiterungsinvestitionen zu erwarten sein. Jedenfalls ist somit klar, welche Motive von den Industrieunternehmen mit den - schwachen - Realinvestitionen verbunden werden.

Finanzinvestitionen - Finanzkapital
Wurden früher innerhalb der Finanzinvestitionen vorwiegend langfristige Wertpapiere gekauft, geht die Bedeutung dieser Wertpapiere in den vergangenen Jahren zurück. Zur Erklärung dieser Ursachen muss an die Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen erinnert werden. Die Unternehmungen mussten für einen Teil der Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen auf der Aktivseite der Bilanzen langfristige Wertpapiere des Anlagevermögens aufnehmen. Finanzinvestitionen der Vergangenheit wurden also zum Teil auch gesetzlich vorgeschrieben.

Zwar wollten manche Industrieunternehmen diesen scheinbaren Ballast nicht tragen, andererseits konnten sie sich -zumindest über Zinserträge oder Kurssteigerungen freuen, die durch diese Wertpapiere verdient wurden. Ein Teil des Finanzkapitals (Banken, Versicherungen), aber auch Privatpersonen hätten es aber durchaus lieber gesehen, wenn sie selbst unmittelbarer davon profitieren könnten. Nun, dies ist ihnen mit den Pensions- und Mitarbeitervorsorgekassen bis zu einem gewissen Grad durchaus gelungen. Während zum Beispiel Industrie-unternehmen Pensions- und Abfertigungsrückstellungen in Pensions- und Mitarbeitervorsorgekassen überführen, werden gleichzeitig diese Wertpapiere in Teile des Finanzsektors mit entsprechendem Einfluss auf den Kapitalmarkt ausgelagert. Auch nimmt der Wertpapierhandel in diesem Sektor vergleichsweise zu.

Die Industrieunternehmen investieren daher nicht wie früher in die zur Deckung der Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen dienenden Wertpapiere. Außerdem soll nicht vergessen werden, dass die Industrieunternehmen den Beschäftigtenstand regelmäßig reduzieren. Selbst ohne Auslagerung in andere Finanzsektoren beschaffen sich die Industrieunternehmen weniger langfristige Wertpapiere, wenn wegen des niedrigeren Beschäftigtenstandes weniger Rückstellungen gebildet werden müssen.

Es hat sich hier im Konkurrenzkampf das unmittelbare Finanzkapital in der Form des Finanzsektors im engeren Sinn durchgesetzt. Der Zusammenhang zwischen Pension und Abfertigung einerseits, dem Profit - manchmal aber auch dem Verlust - durch Finanzveranlagungen andererseits, ist nunmehr unmittelbarer geworden. Auf wessen Kosten darf geraten werden!

Mehr Beteiligungen
Worin bestehen dann die Finanzinvestitionen für Industrieunternehmen in den letzten Jahren? Seit 2001 nehmen die Beteiligungsinvestitionen um rund 32% zu. Die Industrieunternehmen sind an neuen Tochterunternehmen interessiert. Manche Industrieunternehmen wollen offenbar nicht selbst ihre ursprüngliche Tätigkeit ausüben - dies zeigen die vernachlässigten Sachinvestitionen -, sondern beziehen Teile der Wertschöpfungskette von den neuen Konzernunternehmen. Zusätzlich lassen sich aber auch neue Gewinne in Form von Beteiligungserträgen erzielen!

Anstieg der Beteiligungserträge
Die Beteiligungserträge, also die Profite, die mit Tochtergesellschaften erzielt werden, steigen zwischen 2001 und 2003 bei den untersuchten Unternehmen um 57,6% an. Im Verhältnis zur Betriebsleistung (also im Wesentlichen der Umsatz) errechnet sich ein Zuwachs von 1,4%punkten, während die Beteiligungsaufwendungen nur um 0,4 Prozentpunkte anstiegen. Vom gesamten Gewinnzuwachs der Industrieunternehmen im Ausmaß von +2,2 Prozentpunkten geht allein ein Prozentpunkt auf die Tochterunternehmen zurück. So gesehen erhellt sich die Bedeutung der Finanzinvestitionen.

Daneben lässt sich allerdings auch eine wachsende Bedeutung von so genannten »Ausleihungen« feststellen. Diese stellen langfristige Kredite an andere Unternehmen dar. Auch hier kann eine Investitionsquote errechnet werden: diese steigt im Dreijahreszeitraum um 1,7 Prozentpunkte. Auffallend ist, dass höhere Kredite innerhalb des Konzernverbunds vergeben werden. Die Gründe mögen vielfältig sein. Natürlich können Kredite innerhalb der Konzerne zur Liquiditätsverbesserung vergeben werden. Allerdings steht hier nur ein kurzfristiger Charakter im Vordergrund.

Was steht dahinter?
Es darf vermutet werden, dass sich mit Hilfe der Ausleihungen auch Gewinne bzw. Verluste verschieben lassen. Kredite werden selbst innerhalb des Konzerns wohl kaum zinsenlos vergeben. Zwar erhalten die Kreditgeber Zinsen - aber zu welchem Zinssatz? Wird die unmittelbare Bankenkonkurrenz hinausgedrängt? Dann wird auch hier eine neue Funktion des Finanzkapitals sichtbar. Benötigen die anderen Konzernunternehmen zusätzliche finanzielle Mittel für Investitionen? Wenn, dann offenbar mehr für Finanz- als für Sachinvestitionen. Nutzen die Konzerne international unterschiedliche Steuersätze aus und verschieben daher Vermögensgegenstände sowie Erträge? Dies ist keine neue Strategie der Konzerne, eher wurde es ihnen - auch in Österreich - mit Steuergeschenken leicht gemacht, durch solche Strategien mehr Geld zu verdienen als durch Sachinvestitionen. Wohlgemerkt - verdient haben die Unternehmen auch durch Sachinvestitionen. Allerdings darf gefragt werden, welcher Arbeitsplatz durch - nennen wir es durchaus - Spekulationen langfristig geschaffen oder gar gesichert wird. Letztlich haben auch hier Gesetze die gewünschten Strategien beeinflusst.

Umschichtung vom Sach- zum Finanzanlagevermögen
Diese Investitionspolitik hat natürlich Auswirkungen auf das Vermögen der Unternehmen. Das gesamte Anlagevermögen sinkt zwischen 2001 und 2003 in Prozent der Bilanzsumme um 0,8 Prozentpunkte, wofür das Sachanlagevermögen wesentlich stärker verantwortlich war (-1,7 Prozentpunkte) als das Finanzanlagevermögen (-0,9 Prozentpunkte). Nur Firmenwerte im Zuge von Umstrukturierungen nahmen zu. Es wird mehrere Gründe für diese relative Umschichtung des Sachanlage zum Finanzanlagevermögen geben: Wachsende Bedeutung der profitablen Beteiligungen; Zukauf der Wertschöpfung von außen; Anlagenleasing. In den Neunzigerjahren wurde sichtbar, dass die Industrieunternehmen anstelle von Sachinvestitionen verstärkt das Anlagenleasing in Anspruch nahmen. So kann eine zu lange Bindung von Vermögensgegenständen verhindert werden. Auch könnte innerhalb des Konzerns das Anlagenleasing durch Finanztransaktionen gefördert worden sein (Verkauf von Anlagen an andere Konzernunternehmen mit entsprechender Aufwertung der Buchwerte bei gleichzeitigem »Zurückleasen« dieser Vermögensgegenstände; eventuell herbeigeführt auch durch international unterschiedliche Steuersätze).

Wie werden Investitionen finanziert?
Die Sach- und immateriellen Investitionen können zwischen 2001 und 2003 in allen drei Jahren aus dem Cash Flow (= Selbstfinanzierungskraft bzw. Nettogeldmittelfluss) finanziert werden. Im Dreijahresdurchschnitt errechnet sich ein Deckungsgrad von knapp 165%. Werden noch die Finanzinvestitionen hinzugezählt, dann errechnet sich im Dreijahresdurchschnitt ein Deckungsgrad von knapp 110%. Dies bedeutet, dass die -Unternehmen für höhere Sachinvestitionen sowie auch für höhere immaterielle Investitionen genügend selbsterwirtschaftete Mittel zur Verfügung gehabt hätten. Es hätten im Durchschnitt nicht einmal Kredite aufgenommen werden müssen. Allerdings wurden den Unternehmen die Finanzinvestitionen zunehmend wichtiger. Dennoch konnten sie alle Investitionen aus den selbstfinanzierten Mitteln abdecken. Bisweilen wird gefolgert, die Unternehmen können sich zusätzliche Investitionen nicht leisten.

Dies trifft bei der Mehrzahl der Unternehmen nicht zu (siehe Grafik 2: »Investitionsfinanzierung«). Wenn Arbeitsplätze abgebaut werden, dann verwundert es nicht, dass die Konsumausgaben nur schwach oder gar nicht wachsen. Auch die Lohnquote geht mittelfristig zurück. Darauf antworten dieselben Unternehmen mit einem Nachlassen der Sachinvestitionen und einem weiteren Druck auf die Arbeitsplätze. Wie durchbrechen aber die Industrieunternehmen diesen volkswirtschaftlich und auch betriebswirtschaftlich negativen Kreislauf selbst? Jedenfalls war es ihnen trotz schwacher Konjunktur bisher möglich, weiter steigende Gewinne zu erzielen.

Die Gewinne steigen
Wenn die Konjunktur die Unternehmen angeblich über sinkende Gewinne belastete, dann muss dem entgegengehalten werden, dass sich die betroffenen Industrieunternehmen und ihre Eigentümer/-innen auch in den vergangenen Jahren über steigende Gewinne freuen konnten. Der Jahresüberschuss steigt zwischen 2001 und 2003 im Verhältnis zur Betriebsleistung um 2,2 Prozentpunkte (Wachstum des absoluten Werts: +37,5%). Die Beteiligungserträge trugen einen Prozentpunkt zu diesem Anstieg bei. Die Gewinnausschüttungen stiegen um 1,3 Prozentpunkte. Selbst die Eigenkapitalausstattung der Unternehmen hat sich verbessert. Die untersuchten Industrieunternehmen haben den Beschäftigtenstand zwischen 2001 und 2003 um 8,9% bzw. knapp 6700 Beschäftigte verringert (Gesamtindustrie: -4,7%). Immerhin mehr als zwei Drittel der Unternehmen haben den Beschäftigtenstand reduziert (siehe Grafik 3: »Beschäftigtenstand«).

Nun ist klar, dass auch steigende Sachinvestitionen keine Gewähr für einen Zuwachs an Beschäftigung oder Arbeitsplatzsicherheit bieten. Wenn das Rationalisierungsmotiv bei den Investitionen im Vordergrund steht und die Kapazitätserweiterung vernachlässigt wird, sinkt der Beschäftigtenstand selbst bei einer Zunahme an Sachinvestitionen. Allerdings stellt sich die Frage, welche Industriearbeitsplätze mit den gewachsenen Finanzinvestitionen zu erreichen wären! Beteiligungsinvestitionen können höchstens bei stark gestiegenen Sachinvestitionen der Tochterunternehmen mit entsprechendem Erweiterungsmotiv eine Ent-lastung am Arbeitsmarkt bewirken. Auch dies war aber nicht der Fall, da alle österreichischen Industrieinvestitionen in diesen drei Jahren um 3,8% bzw. die -Investitionen der gesamten Sachgütererzeugung um 10,3% zurückgingen. Wenn der Staatssektor überdies keinen Ausgleich schafft, sondern sogar noch weitgehende Verlustanrechnungen innerhalb des Konzerns zum Einsparen einer Körperschaftsteuerbelastung fördert, mag wohl kaum ein deutlicher Beschäftigungszuwachs erwartet werden. Im Gegenteil - die Finanzinvestitionen dürften somit noch attraktiver werden.

1) Siehe: Kraus, A.: Investitionspolitik der Industrie. Mehr Beteiligungen - weniger Sachinvestitionen - weniger Personal; AK Wien; April 2003. In dieser Studie konnten 143 operative Industrieunternehmen untersucht werden.

2) Siehe neue Studie der AK Wien: Kraus, A.: Investitionspolitik der Industrie. Von Sach- zu Finanzinvestitionen; AK Wien; Dezember 2004. Analysiert wurden 100 große und mittelgroße operative Industrieunternehmen, die in dem angeführten Zeitraum den Jahresabschluss veröffentlicht haben (die ansonsten gleichbleibende Zahl der untersuchten Unternehmungen ist in der jüngeren Studie etwas geringer, was mit der Veröffentlichung der Jahresabschlüsse bzw. auch mit dem Grad an Umstrukturierungen zusammenhängt).

 
R E S Ü M E E

Braves Realkapital - böses Finanzkapital?

Es werden Umschichtungen innerhalb des Kapitals erkennbar, die auch eine geänderte Funktion des Finanzkapitals zur Folge haben. Die Vergabe von Investitionskrediten des Finanzkapitals im engeren Sinn kam in den letzten Jahren insofern unter Druck, als die Industrieunternehmen die Investitionen im Durchschnitt aus den selbsterwirtschafteten Mitteln finanzieren konnten. Der Bankensektor trennt sich zunehmend von Beteiligungen, während die Industrieunternehmen selbst Finanzinvestitionen in Form von Beteiligungen vornehmen. Eine Entflechtung des Bankensektors vom Industriekapital, zum Beispiel an der Konzernspitze, verringert zusätzlich Abhängigkeiten bei der Konditionengestaltung im Falle von Investitionskrediten. Langfristige Kredite werden aber auch innerhalb der Industriekonzerne vergeben (»Ausleihungen«). Die Zinserträge bzw. Kursgewinne (aber auch Kursverluste) werden daher zu den Industriekonzernen verlagert. Auf der anderen Seite gewinnt der Finanzsektor im engeren Sinn durch Auslagerungen
von Abfertigungs- und Pensionsrückstellungen zu Gunsten von Mitarbeitervorsorge, Pensionskassen beziehungsweise Fonds. Diese Gewinne (aber auch Verluste) werden daher zum Finanzsektor im engeren Sinn verlagert. Die geänderten Funktionen wurden im Konkurrenzkampf herbeigeführt. Sie sollen aber nicht überdecken, dass der scheinbare Gegensatz Real-/Finanzkapital eben nur ein scheinbarer ist. Wenn der Industriemulti die Wahl hat, den Gewinn durch mehr Sach- oder durch mehr Finanzinvestitionen zu erreichen, dann wird er selbst diese Finanzinvestitionen vornehmen, sofern sie höhere Gewinne erwarten lassen. Die internationalen Konzerne haben die Funktionen des Finanzkapitals übernommen, egal ob es sich um Industrie, Handels oder andere Multis handelt. Der »braven« Sachinvestition steht daher die »böse« Finanzinvestition auch nur scheinbar gegenüber. Es ist dasselbe Kapital!

Wenn die Realinvestitionen steigen sollen, sind zunächst deutlich steigende Einkommen der Beschäftigten notwendig. Diese erhöhen den Privatkonsum und in weiterer Folge das Interesse an zusätzlichen Realinvestitionen. Allerdings sparen die Industrieunternehmen bei den Beschäftigten. Erhöhen sie den Druck auf die Einkommen der Beschäftigten, fällt ihnen letztlich diese Politik auf den Kopf. Wenn nichts gekauft werden kann, dann fehlen eines Tages auch die Profite für weitere Finanzinvestitionen.Steuerliche Förderungen von Finanzverlagerungen innerhalb eines Konzerns (zum Beispiel Anrechnung von Verlusten der Tochtergesellschaften) schaffen wohl kaum Interesse an -zusätzlichen Realinvestitionen mit positiven Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Hier wird eher der Trend zu wachsenden Finanzinvestitionen gestärkt.

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Alfred Kraus (Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132147 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132151 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132155 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Mar 2004 00:00:00 +0100 1186413132087 Lohnzurückhaltung: Wie lange noch? Fünf Jahre nach der Jahrhundertwende ist es eine bedauernswerte Tatsache, dass das neue Jahrhundert wirtschaftlich in Österreich und im Großteil Europas einen schlechten Start gehabt hat. Das wurde zuletzt durch den Bericht der Wim Kok-Kommission deutlich, die bei ihrer Halbzeit-evaluierung der »Lissabon-Strategie« zu einem ernüchternden Schluss gekommen ist: Europa ist seiner selbst gewählten Zielsetzung, bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt« zu werden, bisher nicht nähergekommen, sondern hat sich weiter davon entfernt. Wenn diese Einsicht an sich keine Neuigkeit darstellt, so sollte doch der Anlass als Gelegenheit dazu benützt werden, die europäische wirtschaftspolitische Strategie und ihre konzeptuellen Grundlagen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

Die Lissabon-Strategie beurteilt Erfolg oder Misserfolg anhand von 14 Indikatoren für verschiedene Bereiche1). Letztlich kommt es aber für das Gesamtziel, das ein Aufholen des Rückstandes gegenüber den USA bedeutet, auf das Wirtschaftswachstum pro Einwohner an. Nachdem seit etwa drei Jahrzehnten der Wachstumsmotor der Wirtschaft immer wieder ins Stocken geraten ist und die Arbeitslosigkeit stark zugenommen hat, hat die Wirtschaftspolitik den Hebel für eine Behebung und Lösung dieser Problematik stets primär bei den Löhnen gesehen. Zuerst - in der Zeit der hohen Inflation - wurde die Mäßigung der Lohnforderungen von den Gewerkschaften verlangt, um die Lohnerhöhungen wieder besser mit dem Produktivitätsfortschritt in Einklang zu bringen und dadurch die Inflation wieder auf ein tragbares Ausmaß von zirka zwei bis drei Prozent zurückzuführen. Die Konzeption eines »inflationsfreien Wirtschaftswachstums« wurde auch von den Gewerkschaften mehr oder weniger akzeptiert unter der Prämisse, dass bei niedrigeren nominellen Lohnsteigerungsraten die Realeinkommen der Arbeitnehmer keine Einbuße erleiden würden und die Arbeitslosigkeit bei stärkerem Wachstum mittelfristig wieder abgebaut werden kann. Diese Erwartungen wurden allerdings von der tatsächlichen Entwicklung, welche die europäische Wirtschaft in den Neunzigerjahren genommen hat, enttäuscht.

Löhne zu hoch?
Zwar gelang es, die Inflation auf etwa 3% und später sogar auf weniger als 2% zu drücken. Eine nachhaltige Belebung des Wirtschaftswachstums blieb jedoch aus, und die Arbeitslosigkeit stieg bis weit in die Neunzigerjahre weiter an (bisheriger Höchstwert: 11,3% 1994), ohne dass es seither gelungen wäre, eine fühlbare Reduktion zu erreichen (derzeit immer noch fast 9%). In der in der EU-Kommission und in den politischen Kreisen vorherrschenden Sichtweise war die Erklärung für dieses Phänomen rasch gefunden: Wenn ein größerer Teil des Arbeitskräfteangebots keine Beschäftigung findet, dann sind die Löhne zu hoch. Zur Korrektur wurde eine allmähliche Anpassung durch fortgesetzte Lohnmoderation empfohlen, und zwar in der Weise, dass die Lohnerhöhungen eine Zeit lang im Schnitt jeweils unter der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Produktivität bleiben sollten. Damit soll ein deutlich über der Lohnzunahme liegendes Wachstum der Unternehmensgewinne ermöglicht werden, aus dem eine steigende Investitionsquote finanziert werden kann - und mehr Investitionen sollten dem Wachstum wieder auf die Sprünge helfen.

Nachdem in den letzten eineinhalb Jahrzehnten die Wirtschaftspolitik diesen Ratschlägen weitgehend gefolgt ist und die Steuerpolitik die Gewinne zusätzlich entlastet hat, ist das Resultat allerdings neuerlich eindeutig negativ, wie zunächst am österreichischen Beispiel gezeigt werden soll.

Löhne und Gewinne seit 1992
Der durchschnittliche Lohn und Gehalt je Arbeitnehmer hat in Österreich im Zeitraum 1992 bis 2003 nominell um 28,2% zugenommen. Im Vergleich dazu ist das Volkseinkommen je Erwerbstätigen (Löhne plus Selbstständigeneinkommen plus Gewinne der Kapitalgesellschaften) deutlich stärker gestiegen, nämlich um 36,7%. Für sich gesehen weist die Nichtlohn-Komponente des Volkseinkommens eine viel kräftigere Zunahme auf als die Löhne, nämlich um 65,2% (siehe Grafik 1: »Löhne je Arbeitnehmer, Gewinne, Volkseinkommen je Erwerbstätigen 1992-2003«). 

In der so genannten »funktionalen Einkommensverteilung«, also in den Anteilen von Löhnen und Gewinnen am Volkseinkommen, schlägt sich dies in einer sinkenden Lohnquote und in einer steigenden Gewinnquote nieder. Die Lohnquote sank von 72,7% im Jahr 1992 auf 69,5% 2003, wobei diese Werte den Rückgang sogar noch etwas untertreiben, da sie die Struktur der Erwerbstätigen längerfristig immer noch etwas zu den Arbeitnehmern verschiebt. Deren Zahl hat sich in dem betrachteten Zeitraum um fast 150.000 erhöht, während die Zahl der Selbständigen durch den anhaltenden Rückgang in der Landwirtschaft um 30.000 abgenommen hat. Die um diese Strukturverschiebung bereinigte Lohnquote ist noch um mehr als einen Prozentpunkt stärker gesunken (siehe Grafik 2: »Lohnquote 1992-2003«)

Falsch kalkuliert
Dem Kalkül der vorherrschenden wirtschaftspolitischen Schule entsprechend hätte das stark überdurchschnittliche Wachstum der Gewinne einen ebensolchen Zuwachs bei den Investitionen ermöglichen sollen, für deren Finanzierung ja wesentlich mehr Eigenmittel der Unternehmungen zur Verfügung gestanden sind. Genau dies ist allerdings nicht eingetreten, die Zunahme der Investitionen blieb weit hinter dem Gewinnwachstum zurück. Die Entwicklung unterliegt bei Investitionen naturgemäß stärkeren Schwankungen von Jahr zu Jahr, die im konkreten Fall auch durch befristete steuerliche Sonderförderungen von Investitionen zusätzlich verstärkt werden2). Insgesamt nahmen die Investitionen mit 37% signifikant weniger zu als das nominelle Bruttoinlandsprodukt (+49%) und blieben damit um 23%-Punkte hinter der Zunahme des Betriebsüberschusses zurück (siehe Grafik 3: »Zunahme von Investitionen und Gewinnen/Bruttobetriebsüberschuss 1992-2003«).

Im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist es üblich, mit Brutto- und nicht mit Nettoinvestitionen (letztere abzüglich Abschreibungen) zu rechnen. Den Bruttoinvestitionen müssen die Bruttobetriebsüberschüsse (Gewinne plus Abschreibungen) gegenübergestellt werden, da auch die Abschreibungen einen Finanzierungsbeitrag liefern.

Wo sind die Gewinne?
Daraus ergibt sich die Frage: Was haben die Unternehmungen mit den zusätzlichen Finanzmitteln gemacht, soweit sie nicht für reale Investitionen, also Maschinen, Anlagen und Bauten verwendet worden sind? Diese Frage lässt sich infolge der unzureichenden Datenlage nicht genau beantworten. Eine gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung, die sämtliche Zahlungsströme der Unternehmungen, der Haushalte und des Staates lückenlos erfasst, gibt es für Österreich nicht. Man kann dafür nur auf die Unternehmensbilanzen zurückgreifen, die aber nur die Kapitalgesellschaften erfassen, in denen aber manche Vorgänge anders berechnet oder abgebildet werden als in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (z. B. werden die Abschreibungen in der VGR unabhängig von den Bilanzen berechnet). Wenn die Gewinne der Unternehmungen steigen, die zusätzlichen Mittel aber nicht für reale Investitionen verwendet werden, so gibt es zwei alternative Verwendungsmöglichkeiten: Finanzinvestitionen oder Schuldentilgung. Analysen der AK Wien auf der Grundlage der Bilanzen von ca. 150 Kapitalgesellschaften im Sektor Industrie3) zeigen, dass beides stattgefunden hat. Die Mittelverwendung für Finanzanlagen (Bankguthaben, Wertpapiere, Beteiligungen an anderen Unternehmungen) hat im Zeitraum 1992-2003 ebenso überdurchschnittlich zugenommen wie die Verminderung der Schulden, die sich in einer deutlichen Erhöhung des Eigenkapitalanteils von anfänglich 30% auf über 40% am Ende der Periode niederschlägt.

In Wirklichkeit sind die Zusammenhänge aber noch komplizierter und die (negativen) Wirkungen der nicht real investierten Gewinne größer als diese Zahlen erkennen lassen. Im gesamtwirtschaftlichen Einkommenskreislauf sind Einkommen, Nachfrage und Produktion immer gleich groß. Nicht in Nachfrage nach Investitions- oder Konsumgütern umgesetzte Gewinne führen postwendend zu einer Absenkung der Produktion, aber gleichzeitig auch zu einer Absenkung der im Produktionsprozess entstehenden Einkommen. Dieser Effekt, nämlich der Ausfall an Sozialprodukt (BIP) und Einkommen als Folge des Investitionsattentismus der Unternehmen, ist bedeutender, und er ist die Ursache unserer nun schon vier Jahre anhaltenden Wachstumsschwäche.

Streit im deutschen -Sachverständigenrat
Auch in Deutschland - ebenso wie in den meisten anderen EU-Ländern - hat sich seit mehr als zwei Jahrzehnten die Schere zwischen Löhnen und Unternehmensgewinnen immer weiter geöffnet, ohne dass dies zur Belebung des Wachstums und zur Verbesserung der Beschäftigungslage geführt hätte. Das hindert die Mehrheit des als offizielles Beratungsorgan der Regierung fungierenden »Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung« nicht, unverdrossen immer wieder aufs Neue weitere Lohnzurückhaltung anzumahnen und als Therapie gegen die Stagnationskrankheit zu empfehlen. In mehreren Minderheitsvoten hat Professor Jürgen Kromphardt, der auf Vorschlag des DGB in den Sachverständigenrat nominiert wurde, dargelegt, warum ein Zurückbleiben des Lohnniveaus hinter der Produktivität nicht beschäftigungsfördernd sei, vielmehr zu diesem Zweck ein Anstieg der Reallöhne im Ausmaß der Produktivitätszunahme geboten ist. Die Lohnzurückhaltung führt unmittelbar zu einem Ausfall an Konsumnachfrage und damit an Einnahmen der Unternehmungen aus dem Verkauf von Konsumgütern. Deshalb haben die Unternehmen, »bei denen die zusätzlichen Gewinne anfallen, keinen Anreiz, mehr Investitionen durchzuführen, sodass auch die Investitionsgüterindustrie keine zusätzlichen Aufträge erhält. Wenn die Unternehmen die zusätzlichen Gewinne darauf am Kapitalmarkt anlegen, so könnten sich die Finanzierungsbedingungen anderer Unternehmen durch steigende Kurse und sinkende Zinssätze eventuell weiter verbessern, aber die entscheidende Voraussetzung für Erweiterungsinvestitionen, nämlich die Erwartung zusätzlich steigender Absatzmengen, wird dadurch nicht erfüllt. Diese Voraussetzung kann nicht durch das Argument ersetzt werden, Ersparnisse würden von den Kapitalmärkten regelmäßig in private und staatliche Nachfrage transformiert ... Gehen nämlich Produktion, Beschäftigung und Einkommen zunächst zurück, so entstehen erst gar keine zusätzlichen Ersparnisse, die in Nachfrage transformiert werden könnten.«4)

Wohlstand für alle!
Zuletzt hat sich Professor Peter Bofinger, der als Nachfolger Kromphardts in den Sachverständigenrat nominiert wurde, in diesem Gremium selbst und in seinem in den Medien viel beachteten Buch »Wir sind besser als wir glauben. Wohlstand für alle«5) vehement gegen die Leier zur Wehr gesetzt, dass es allen besser gehen wird, wenn eine Lohnsenkung - seit einiger Zeit im Gewand der Arbeitszeitverlängerung daher kommend - den Unternehmen höhere Gewinne ermöglichen würde. Einige Mitglieder des Sachverständigenrates reagierten darauf mit persönlichen Angriffen, was nicht gerade ein Anzeichen dafür ist, dass sie sich ihrer Sache besonders sicher sind.

Jedenfalls haben sich in den letzten Monaten Meldungen gehäuft, die darauf hinweisen, dass mangelnde Nachfrage und nicht schlechte Unternehmensgewinne der Grund der europäischen Konjunkturschwäche sind. Dass der europäische Exportboom 2004 sich nicht in einem beschleunigten Aufschwung 2005 fortsetzt, sondern das Wachstum bei 2% dahindümpelt, ist auf das anhaltend geringe Einkommenswachstum und die erhöhte Unsicherheit über die zukünftige Einkommenssituation zurückzuführen. Auf der anderen Seite tritt die Tatsache immer deutlicher ins allgemeine Bewusstsein, dass die Kassen der Unternehmen so voll sind wie schon lange nicht mehr. »Und sie schwimmen in Milliarden« übertitelte die deutsche Wochenzeitung »Die Zeit«6) einen Beitrag, in dem das wachsende Missverhältnis zwischen Realinvestitionen und Finanzanlagen analysiert wird. »Das Gros der Aktiengesellschaften schwimmt in Geld, in Deutschland genau so wie in Amerika oder Japan. Flüssige Mittel von je einer Billion Dollar schieben die börsennotierten Konzerne diesseits und jenseits des Atlantiks vor sich her, aber in keinem dieser Länder setzen die Unternehmen wieder auf Expansionskurs ... Anstatt zu investieren, schütten sie das Geld an ihre Aktionäre aus - entweder in Form von Sonder-dividenden oder indirekt, indem sie eigene Aktien zurückkaufen und auf diese Weise den Börsenkurs nach oben treiben.« Die damit verbundenen Einkommens- und Vermögenszuwächse sind allerdings in hohem Maße auf die oberste Einkommensschicht konzentriert, sodass davon nur ein verhältnismäßig geringer Impuls auf den Konsum ausgeht, bzw. diese Wirkung mit einiger Verzögerung eintritt.


D E F I N I T I O N E N

Der Nettobetriebsüberschuss (= exklusive AfA) ist das Einkommen, das den Wirtschaftseinheiten aus der Eigennutzung ihrer Produktionsanlagen zufließt.

Das Selbständigeneinkommen sind die Ein-kommen der Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit.

Das Arbeitnehmerentgelt = Bruttolöhne und -gehälter + Sozialbeiträge der Arbeitgeber.

Die bereinigte Lohnquote ergibt sich durch Konstanthalten der Beschäftigtenstruktur 1995 (Faktor: unselbständig Beschäftigte 95/Erwerbstätige 95).

Das Nettonationaleinkommen (NNE, auch: »Volkseinkommen« genannt) umfasst die Lohnsumme, den Nettobetriebsüberschuss und die Selbständigeneinkommen (bereinigt um den Saldo aus Faktoreinkommen an das bzw. aus dem Ausland)

 

Konsequenzen für die Steuerpolitik
Woher können Impulse für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage kommen, die zu einer höheren Wachstumsrate des BIP führen, und zwar so, dass dieser Impuls nicht in der darauffolgenden Periode wieder verloren geht, sondern dauerhaft zu einer Anhebung des Wachstumstempos und damit auch der Beschäftigung führt? Prinzipiell kommen dafür neben einer Erhöhung der staatlichen Nachfrage (öffentliche Investitionen und öffentlicher Konsum) Steuersenkungen in Frage, welche die Einkommen der Haushalte (vor allem der Arbeitnehmer) oder/und der Unternehmen erhöhen. Diese können, müssen aber nicht notwendigerweise für mehr privaten Konsum oder mehr Investitionen ausgegeben werden. Die Impulswirkung einer Steuersenkung wird umso größer sein, je mehr von dem zusätzlich verfügbaren Einkommen auch tatsächlich nachfragewirksam wird. Dazu gibt es in jüngster Zeit Erfahrungsbeispiele, die eine recht eindeutige Schlussfolgerung nahe legen.

In Deutschland hat die rot-grüne Regierung zu Beginn ihrer ersten Periode eine umfassende Steuerreform beschlossen, die massive Senkungen sowohl bei den Unternehmenssteuern als auch bei der Lohnsteuer vorsah. Unmittelbar am stärksten wurde diese Steuersenkung bei der Körperschaftsteuer wirksam. Vorübergehend wurden die Staatseinnahmen aus der Körperschaftsteuer sogar negativ (2001), das heißt dass die Rückvergütungen die Steuerzahlungen sogar übertrafen. Die Reform führte jedoch auch unter Berücksichtigung der Kompensationen im Bereich anderer Steuern dauerhaft zu einer massiven Entlastung vor allem der Kapitalgesellschaften. 2004 betrugen diese- Einnahmen rund 13 Milliarden Euro - 2000 waren es noch 23,5 Milliarden Euro gewesen. Es standen also den Unternehmungen in den letzten Jahren aus diesem Grund wesentlich mehr Finanzmittel zur Investitionsfinanzierung zur Verfügung. Die gesamten Investitionen der Unternehmungen entwickelten sich allerdings genau in die Gegenrichtung: von 2000 bis 2002 sanken sie nominell um fast 10%, auch danach blieben die Investitionen in Deutschland auf niedrigem Niveau.

Fehlende Nachfrage
Die Kapitalgesellschaften »schwimmen zwar in Milliarden«, aber sie investieren deshalb nicht mehr - weil es an Nachfrage für die Produkte fehlt. Wenn die Absatzerwartungen der Unternehmungen pessimistisch sind, bleibt eine Senkung der Unternehmenssteuern ohne Wirkung auf Wachstum und Beschäftigung - verschoben wird allerdings die Einkommensverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer.

Ein anderer Weg wurde in den USA beschritten. Die Steuersenkungen der Regierung von Präsident Busch kamen primär den Haushalten, längerfristig zwar vor allem den Beziehern hoher Einkommen zugute, kurzfristig besserten sie aber auch das verfügbare Einkommen aller Haushalte spürbar auf. Die Maßnahme hat sich als kurzfristig sehr wirksamer Impuls für den privaten Konsum erwiesen und wesentlich dazu beigetragen, dass die Wirtschaft der USA die Rezession 2001 rasch überwinden konnte und 2004 wieder doppelt so stark gewachsen ist als die europäische. Das Negativbeispiel Deutschland hat allerdings keinerlei Eindruck auf die -österreichische Regierung gemacht. Bei der Steuerreform 2005 hat sie ihre Dankesschuld an die Unternehmerseite für die politische Unterstützung in den vergangenen Jahren abgetragen und einen Großteil des vorgesehenen Entlastungsvolumens für eine Senkung des KöSt-Satzes von 34% auf 25% bzw. für die Einführung der so genannten »Gruppenbesteuerung« verwendet. Damit wurde die Chance vergeben, der privaten Konsumnachfrage durch eine stärkere Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer einen entsprechend kräftigen Impuls zu geben. Auch die Haushalte können - ähnlich den Unternehmungen - auf Erhöhungen ihrer verfügbaren Einkommen mit einer Erhöhung der Ersparnisbildung reagieren. Sie werden dies besonders dann tun, wenn ihre künftigen Einkommen unsicherer werden. In dieser Hinsicht hat die Politik durch Pensions- und andere Sozial-»Reformen« in den letzten Jahren das Ihrige dazu beigetragen, um die Kaufzurückhaltung zu fördern. Bei so vielen negativ wirksamen Einflüssen darf es eigentlich niemanden wundern, wenn die europäische Wirtschaft seit Jahren mehr oder weniger stagniert. Umgekehrt zeigt sich auch, wie wichtig es wäre, den Hebel auch bei einer stärkeren steuerlichen Entlastung der Arbeitnehmereinkommen anzusetzen.

Umdenken in der Verteilungspolitik ist überfällig!
Die Lohnpolitik ist prinzipiell eine Angelegenheit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden und keine Regierungsaufgabe. Sehr wohl aber beeinflussen die von der Regierung zu verantwortenden Bereiche der Wirtschaftspolitik die Entwicklung der Effektivlöhne. Wie bereits ausgeführt, hat die Regierung in der Steuerpolitik wichtige Instrumente in der Hand, mit denen die Nettolohnentwicklung innerhalb der budgetären Spiel-räume gesteuert werden kann. Darüber hinaus gehen von einigen Politikbereichen direkt und indirekt Einflüsse auf die Effektivlöhne aus. Man denke etwa an die Arbeitsmarktpolitik, die durch Intensität und Umfang ihres Schulungs- und Weiterbildungsangebots die Chancen von Personen, nach Verlust des Arbeitsplatzes einen ihren Fähigkeiten entsprechenden neuen Arbeitsplatz zu finden, mitbestimmt, aber auch durch die Höhe der Ersatzquote der Arbeitslosenversicherung.

Arbeitszeitpolitik
Besonders relevant ist in jüngster Zeit die Frage der Arbeitszeitpolitik. Statt den Druck auf die Einkommen durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen oder durch Arbeitszeitverlängerung bei gleichbleibendem Monatslohn durch -Änderungen des Arbeitszeitrechts zu -verstärken, wie dies die österreichische Regierung und auch die EU mit dem derzeit vorliegenden Entwurf einer neuen Arbeitszeitrichtlinie planen, sollte die -Politik sich darum bemühen, den vom Arbeitsmarkt ausgehenden Druck auf die Einkommen wegzunehmen, etwa durch eine strengere Regulierung der atypischen Beschäftigungsverhältnisse.

Die Beispiele einiger europäischer Länder zeigen, dass stärkere Reallohnerhöhungen und höheres Wirtschaftswachstum durchaus Hand in Hand gehen können.

Durchschnittliches Wachstum pro Jahr von 1
  BIP real Reallöhne je Beschäftigten
  1996-2000 2001-2004 1996-2000 2001-2004
Österreich 2,9 1,1 0,2 0,2
Deutschland 1,8 0,6 0,0 -0,2
EU 12 2,6 1,2 0,3 0,5
Großbritannien 3,2 2,4 2,3 2,9
Schweden 3,2 2,1 3,4 1,2
Quelle: EU-Kommission, Herbstprognose 2004

In der Periode 1996 bis 2000 erreichte das Wirtschaftswachstum in Österreich und in der Eurozone einen einigermaßen akzeptablen Wert, die Löhne haben in dieser Zeit praktisch stagniert (siehe -Tabelle 1). In den darauf folgenden vier Jahren ging das BIP-Wachstum bei anhaltender Lohnstagnation deutlich zurück. Großbritannien und Schweden haben in der ersten, aber vor allem in der zweiten Periode gemessen am BIP eine deutlich bessere Wirtschaftsentwicklung gehabt. In beiden Ländern sind die Reallöhne deutlich gestiegen, und zwar in beiden Perioden. Die bessere Entwicklung hat mittelfristig auch ein stärkeres Nachfragewachstum und damit auch ein deutlich besseres Wirtschaftswachstum ermöglicht.


1) Zu den gesamtwirtschaftlichen Indikatoren BIP (Bruttoinlandsprodukt) pro Kopf und Produktivität kommen Indikatoren für Beschäftigung, Bildung und Forschung, Wirtschaftsreform, sozialen Zusammenhalt und Umwelt.

2) In Österreich war - ursprünglich befristet mit Ende 2003 - eine besondere Investitionsförderung in Kraft (»Investitionszuwachs-prämie«), die dann auf das Jahr 2004 ausgedehnt wurde. Dies führte zum zeitlichen Vorziehen von Investitionen, wird sich allerdings im Jahr 2005 negativ auswirken, sodass in diesem Jahr die Investitionen der Unternehmungen nur sehr schwach steigen werden.

3) Siehe dazu den Beitrag von Alfred Kraus »Statt Realinvestitionen - mehr Finanzkapitel« auf Seite 14 in diesem Heft sowie seine beiden Untersuchungen über die »Investitionspolitik der Industrie« (April 2003 und Dezember 2004).

4) Aus dem Jahresgutachten 2003/04, Textziffer 659.

5) Verlag Pearson Studium, München, EUR 20,60.

6) »Die Zeit«, Ausgabe vom 7. Oktober 2004, Seite 21


R E S Ü M E E

Nicht nur aus verteilungspolitischen Gründen, sondern auch im Interesse eines stärkeren Wirtschaftswachstums und einer Verbesserung der Arbeitsmarktsituation haben die Gewerkschaften daher gute Gründe, bei den Kollektivvertragsverhandlungen Lohnerhöhungen im Ausmaß des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachses zu fordern. Dabei ist zu betonen, dass es gar nicht um eine ruckartige Lohnerhöhung geht, sondern um Größenordnungen, die die Lohnquote ebenso unverändert lassen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Exporte. Im Gegensatz zu einer immer noch vorherrschenden Ansicht wäre ein weiteres Zurückbleiben des Lohnniveaus hinter der Produktivität nicht beschäftigungsfördernd, vielmehr ist zu diesem Zweck ein Anstieg der Reallöhne im Ausmaß der Produktivitäts-zunahme geboten.

Die Arbeitnehmer habe dabei gar nichts dagegen, dass auch die Gewinne zunehmen und es den Unternehmen - oder wie ihre Interessenvertretung sagt: »der Wirtschaft« - noch besser geht.

Der umgedrehten Parole, dass erst die Unternehmensgewinne kräftig steigen müssen, damit es allen besser geht, können sich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer allerdings nicht anschließen - denn die Erfahrungen der letzten Zeit sprechen eindeutig gegen diese propagandistische Behauptung.

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Autor: Günther Chaloupek (Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132009 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132018 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413132022 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122744 AK und ÖGB Burgenland: 13,8 Millionen Euro erstritten Beide Institutionen sehen darin einen Beweis der härteren Vorgangsweise der Unternehmer gegen die Arbeitnehmer. Im Jahr 2003 wurden über 70.600 Beratungsgespräche im Bereich Arbeits- und Sozialrecht geführt, die Zahl der Vertretungsfälle stieg um 457 auf 6287. Damit hat fast jedes zehnte AK- oder ÖGB-Mitglied im Vorjahr einmal eine Vertretung durch eine der beiden Institutionen beantragt. In 90% der Fälle einigte man sich außergerichtlich, erklärt AK-Präsident Alfred Schreiner. In 4031 Fällen kam es jedoch zu Interventionen, weil zustehendes Geld nicht ausbezahlt wurde, 411 mal musste Klage eingereicht werden. Die meisten Interventionen betreffen seit der ersatzlosen Streichung aus dem Entgeltfortzahlungsfonds die Kündigungen von Arbeitnehmern durch ihre Firma bei längerer Krankheit. Dass sich der Druck auf die ArbeitnehmerInnen durch die ständig steigenden Arbeitslosenzahlen immer mehr erhöht, ist auch die Erfahrung des ÖGB: »Anfechtungen von Kündigungen wegen sozialer Härte sind früher so gut wie nie der Fall gewesen, hier gibt es eine Steigerung von 300 Prozent«, so der ÖGB-Landessekretär Gerhard Michalitsch.

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Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122738 Arbeitslose: Massiver Kaufkraftverlust Im Jahr 2002 betrug das Taggeld für Arbeitslose 22,20 Euro, das für NotstandhilfebezieherInnen 18,16 Euro. Bei einer Preissteigerung von 7% seit 1999 ist damit das Arbeitslosengeld durchschnittlichen real um 1,9%, die Notstandshilfe sogar um 4,3% gesunken.

Bezogen auf den Ausgleichzulagenrichtsatz von 708 Euro netto im Monat für allein stehende PensionistInnen zeigt sich, dass im Jahr 2002 zwei Drittel der gesamten Arbeitslosenleistungen unter dem sowieso niedrigen Niveau dieses Richtsatzes lagen.

Von den ArbeitslosengeldbezieherInnen erhielt fast die Hälfte eine Leistung unterhalb des Ausgleichszulagen-Einzelrichtsatzes, von den NotstandshilfebezieherInnen über vier Fünftel, wobei 75% der Männer und mehr als 90% der Frauen betroffen sind.

Hinter diesen Zahlen stecken hunderttausende Einzelschicksale. Offiziell waren im Winter rund 300.000 Menschen in Österreich arbeitslos.

Zusammen mit den in AMS-Schulung befindlichen Personen und den BezieherInnen von Karenz- oder Kinderbetreuungsgeld betrifft das rund 450.000 Menschen - das sind rund 15 Prozent der ArbeitnehmerInnen Österreichs!

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Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122732 Kommentar | Aufhebung Hinter dieser sperrigen Überschrift verbirgt sich ein wichtiges finanzpolitisches Ziel der Koalitionsregierung für das Gesundheitswesen. Motiv der Neuregelung des Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger in der sechzigsten ASVG-Novelle war die Verringerung der seinerzeit für 2002 und die Folgejahre prognostizierten hohen Abgänge der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Neuregelung wurde damit begründet, dass es dem Ausgleichsfonds in der Vergangenheit nicht gelungen sei, für eine ausgeglichene Gebarung und Liquidität der Krankenkassen zu sorgen. Eine Neugestaltung müsse daher dem Ausgleichsfonds »ausreichend Finanzmittel für einen wirksamen Strukturausgleich und für die Honorierung der Erreichung wirtschaftlicher Ziele zuführen«.

Zu diesem Zweck wurde der von den Kassen in den Ausgleichsfonds zu entrichtende Beitragsatz für die Jahre 2003 und 2004 von zwei auf vier Prozent der Beitragseinnahmen (340 Millionen Euro) erhöht. Auch die Versicherungsanstalten der österreichischen Eisenbahnen und der öffentlich Bediensteten wurden beitragspflichtig. Dazu kamen verzinsliche Darlehen (rund 175 Millionen Euro), die dem Fonds von einzelnen Versicherungsträgern mit Rücklagen (unter anderen von den Gebietskrankenkassen Niederösterreich, Salzburg, Vorarlberg, und Oberösterreich) gewährt werden mussten.

Die Darlehen und die Einnahmen aus der Beitragserhöhung werden nach folgenden Grundsätzen auf die Kassen aufgeteilt:

  • Ein Risikostrukturausgleich soll strukturelle Nachteile der Versicherungsträger ausgleichen. Kriterien sind u. a. die Beitragseinnahmen pro Versicherten, der Aufwand für Angehörige und Pensionisten, der »Großstadtfaktor« sowie die Kassenlage. Zuschüsse gebühren nicht, wenn ohnehin ausreichend liquide Mittel (Barbestände, Wertpapiere etc.) vorhanden sind.
  • Zuschüsse gebühren auch aus dem neuen »Zielerreichungstopf«, wenn alle Richtlinien und Beschlüsse und die »Zielvereinbarungen« mit dem Hauptverband eingehalten werden. 45 Prozent der Fondseinnahmen sind zum Ausgleich der Strukturnachteile zu verwenden, 55 Prozent für Zuschüsse.

Mit der Neuregelung verfolgte die Regierung in erster Linie das Ziel, einen Teil der Rücklagen der Kassen zur Verminderung des Kassendefizits abzuschöpfen. Da aber sowohl die Darlehen als auch die Einnahmen aus der Beitragserhöhung ab 2005 bis Ende 2009 vom Ausgleichsfonds wieder an die betroffenen Kassen zurückgezahlt werden müssen, ist sie keine nachhaltige Entlastungsmaßnahme.

Ganz im Gegenteil: Die Krankenversicherung respektive der Ausgleichsfonds werden in Zukunft beträchtliche Zusatzeinnahmen benötigen, um die Schulden bei den Kassen begleichen zu können. Durch die Auflösung der Rücklagen gewinnt die Regierung zwar Zeit, die notwendige Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung ist damit aber lediglich aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung wächst unvermindert weiter und wird 2006 bei 680 Millionen Euro liegen.

Verfassungsgerichtshof

Der Protest der betroffenen Kassen gegen diese Maßnahmen mündete schließlich in die Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof. Das Ergebnis liegt jetzt vor: Die Neuregelung verstößt wegen Benachteiligung einzelner Krankenkassen (»Sonderopfer«) gegen den Gleichheitssatz und ist verfassungswidrig. Gleiches gilt für die Anhebung des Beitragssatzes.

Damit werden wichtige Teile der sechzigsten ASVG-Novelle aufgehoben, was bedeutet, dass die bisher verteilten Gelder (Darlehen und höhere Beiträge) refundiert werden müssen. Die Rückabwicklung wird zur Folge haben, dass die »reichen« Kassen wieder über hohe Rücklagen verfügen, »arme« Kassen - allen voran die Wiener Gebietskrankenkasse - hingegen werden, solange der Krankenversicherung nicht neue Einnahmen zugeführt werden, Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen müssen. Es liegt auf der Hand, dass eine solche Situation untragbar ist.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes untersagt der Regierung bzw. dem Gesetzgeber, auf diese Rücklagen zu greifen. Umgekehrt ist die gesetzliche Krankenversicherung - unabhängig davon, wie sie organisatorisch (ob regional, nach Berufsgruppen oder zentral) aufgebaut ist - eine Solidargemeinschaft. Daher muss es auch Sache der Kassen sein, einander bei finanziellen Engpässen Beistand zu leisten. Dabei dürfen Rücklagen nicht nur auf eine effiziente Kassengebarung zurückgeführt werden, sondern können auch von unterschiedlichen Risikostrukturen in der Vergangenheit begünstigt worden sein.

Tatsache ist aber auch, dass schon kurzfristig der Finanzbedarf der Kassen nicht allein durch Rücklagen gedeckt werden kann. Vor diesem Hintergrund stellt sich unabhängig vom Erkenntnis des Gerichtshofes die Frage, wie es mit der gesetzlichen Krankenversicherung weitergehen soll. Bei der Regierung liegt die Verantwortung für das Gesundheitswesen, deswegen hat sie dafür zu sorgen, dass die benötigten finanziellen Ressourcen für das Gesundheitswesen bereitgestellt werden. Die »Sozialversicherung« hat keine Gesetzgebungskompetenz.

Es ist nur zu hoffen, dass die Regierung am Prinzip der solidarischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung festhält.

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Helmut Ivansits (Leiter der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122721 Standpunkt | Achtung, Überfall Heutzutage ist das nicht mehr ganz so leicht. Überfälle kommen zwar noch vor - vor allem auf Banken, Sparkassen oder Juweliere - aber im Allgemeinen gibt’s im Gegensatz zum Mittelalter Exekutive und Legislative, die sich auch durchsetzen können und Recht und Gesetz zum Durchbruch verhelfen.

Eine in neuerer Zeit aufgekommene Variante obigen Vorgehens ist es, bestimmten Gruppen der Bevölkerung überfallsartig etwas wegzunehmen, während andere Gruppen mit Geschenken überhäuft werden.

Die Pensionsreform war jedenfalls ziemlich überfallsartig, und was uns dazu erzählt wurde, war auch, gelinde gesagt, nicht ganz einwandfrei.

Man könnte die Frage allerdings auch stärker formulieren: Lügt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, oder hat er nur die Unwahrheit verbreitet?

Wenn die Arbeiterkammer aufzeigt, wie es bei den Pensionen wirklich aussieht, so kommt ihm das jedenfalls alles andere als gelegen. Und wenn einem ein Argument nicht gelegen kommt, kann man immer noch in der alten Trickkiste wühlen und zum Beispiel mit einem Argument zur Person anstatt zur Sache argumentieren. Das empfiehlt ja schon Arthur Schopenhauer in seiner »Eristischen Dialektik«, der Kunstgriff ist aber klassisch und war schon bei den Sophisten beliebt.

Ein ehrenwerter Mann

Es ist aber auch zu peinlich: da hat der Herr Bundeskanzler, guten Glaubens, das wollen wir ihm einmal zubilligen, denn er ist doch ein ehrenwerter Mann, einen Text unterschrieben. Da steht in einer Broschüre der Bundesregierung zur Pensionsreform (ein Teil daraus ist auf Seite 38 dieses Heftes im Faksimile abgebildet): »Die Übergangszeiten sind langfristig, damit sich alle auch auf die Änderung einstellen können. Außerdem haben wir für Bezieher von kleinen Pensionen und für Frauen mit Kindern besondere Maßnahmen getroffen, die in Zukunft Nachteile ausgleichen werden.«

Weiter unten heißt es dann noch: »Die maximal möglichen Verluste durch alle Maßnahmen werden auf 10% begrenzt. In den ersten Jahren liegen sie bei ca. 3% (Frauen) bzw. bei 5% (Männer). Diese möglichen Verluste kann man durch eine eigene private Zusatzpension ausgleichen, die vom Staat gefördert wird. Zusätzlich gibt es auch noch die betriebliche Mitarbeitervorsorge.«

Darunter steht ein Schriftzug: Dr. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzler (und daneben noch ein gewisser Mag. Herbert Haupt).

Der gute Mann ist sicherlich falsch informiert worden. Er hat wirklich geglaubt, dass die Verluste der Pensionisten wirklich nicht höher als drei bis fünf Prozent sind.

Was macht er jetzt, wo sich das herausstellt. Sagt er vielleicht: »Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger, es tut mir sehr leid, wir haben uns geirrt. Wir werden aber alles daransetzen, um das auszubessern und unsere Versprechung einzuhalten.«

Panikmache

Nein, der gute Mann macht das anders. Er sagt: »Stimmt alles nicht, die Berechnungen dar Arbeiterkammer sind falsch! Das ist eine Lügenkampagne, das ist Panikmache …«

Natürlich, auch eine Möglichkeit. Dazu haben wir jetzt einen Originalbescheid der Pensionsversicherungsanstalt abgebildet. Lügt die jetzt auch noch, Herr Bundeskanzler? Aber das sind doch diejenigen, die die Pensionen ausrechnen und zuweisen.

W. Schüssel hat als Regierungschef die Letztverantwortung - er kann sie nicht jetzt auf andere abschieben oder behaupten, das seien nur Einzelfälle.
Es handle sich aber eben nicht um Einzelfälle, sondern um tausende betroffene Menschen, sagte AK Präsident Herbert Tumpel in einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem ÖGB.

Fritz Verzetnitsch forderte einmal mehr die Rücknahme der Reform von 2003 und die Umsetzung des ÖGB-Stichtagsmodells für die Pensionsharmonisierung.
Was letzen Endes weiter geschieht, können auch wir mitentscheiden: als Wähler.

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122715 Lügenkampagne zu den Pensionen? Und bei der 10-Prozent-Kürzung ist die Streichung der ersten Pensionsanpassung noch gar nicht mitgerechnet! »Ungeheuerliche Falschinformation«, »Panikmache«, »Lügenkampagne« - als die AK Anfang März die ersten neuen Pensionsbescheide öffentlich machte, lief die Beschwichtigungs- und Beschönigungsmaschinerie der Regierung sofort wieder auf Hochtouren.

Die »ungeheuerliche Falschinformation« bestand darin, dass anhand von Bescheiden der Pensionsversicherungsanstalt die sofortigen Wirkungen der »Pensionsreform 2003« aufgezeigt wurden:

  • Männer, die nach 43 oder mehr Versicherungsjahren jetzt mit 61,5 in Pension gehen und nicht unter die sogenannte »Hackler-Regelung« fallen (z. B. wegen Saisonbeschäftigung am Bau oder wegen längerer Krankheit), trifft sofort die volle Pensionskürzung um 10%.
  • Aber auch jene, die mit 45 oder mehr Beitragsjahren von der Regierung als »Hackler« anerkannt werden und noch mit 60 in Pension gehen können, verlieren bereits jetzt nahezu 10%.
  • Mit voller Härte von den 10% Sofortkürzungen getroffen werden auch Frauen mit Kindern, die bald nach der Geburt ihres Kindes wieder zu arbeiten begonnen haben und eine lange Versicherungszeit erreichen (es sei denn, es werden die Anspruchsvoraussetzungen für die »Hacklerinnen-Regelung« erfüllt).
  • Auch viele Invaliditätspensionisten bleiben von den 10% Sofortkürzungen nicht verschont.

Und bei all diesen Kürzungen ist der zusätzliche Verlust aus der Streichung der ersten Pensionsanpassung noch gar nicht mitgerechnet.

Was jetzt mit einem Pensionsbescheid nach dem anderen belegt wird, hat die AK bereits vor der Beschlussfassung im Parlament am 11. Juni 2003 aufgezeigt und mit zahlreichen Fallbeispielen belegt.

Bundeskanzler Schüssel behauptet …

Bundeskanzler Schüssel behauptete demgegenüber noch in seiner Rede im Nationalrat am Tag der Beschlussfassung, dass die Berechnungen der AK falsch seien.

Belegen konnte er diese Behauptung naturgemäß nicht. Unter dem Titel »Was die Reform zur Pensionssicherung wirklich bringt« erklärte die Bundesregierung dann in einer »Informationsbroschüre« (siehe Faksimile), dass die maximalen Verluste in den ersten Jahren ca. 3% bei Frauen und ca. 5% bei Männern betragen werden. Dazu wurde noch mitgeteilt, dass man diese möglichen Verluste durch eine private Zusatzpension ausgleichen könnte.

Die Behauptung mit den maximalen Verlusten von 3% bzw. 5% war von Anfang an falsch und ist inzwischen auch mit etlichen Pensionsbescheiden widerlegt. Und der Hinweis auf den möglichen Verlustausgleich durch eine private Vorsorge kann von den Kürzungsopfern wohl nur als glatte Verhöhnung empfunden werden.

Tatsache ist, dass vor allem sehr viele Männer, die schon früh in das Berufsleben eingestiegen sind, bereits in diesem Jahr der maximale Pensionsverlust trifft. Und ohne den »Verlust-Deckel« würden die Kürzungen vielfach noch höher ausfallen.

Die drastischen Sofortkürzungen sind die logische Konsequenz der »Pensionsreform 2003«, die bei Langzeitversicherten gleich in der Anfangsphase zu doppelten Kürzungen führt. Zuerst werden die maximal erwerbbaren Steigerungsprozente vor Abzug der Abschläge mit 80 limitiert (es sei denn, es wird bei Zugrundelegung von 1,78% pro Jahr ein höherer Wert erreicht) und in einem zweiten Schritt werden die erhöhten Abschläge abgezogen.

Die Wahrheit ist …

Kürzungen bis zum 10%-»Verlust-Deckel« werden deshalb bereits in diesem Jahr bei Männern, die eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in Anspruch nehmen, keineswegs nur Einzelfälle betreffen, sondern eher die Regel darstellen. Auch Invaliditätspensionisten mit vielen Versicherungsjahren werden in vielen Fällen schon heuer Kürzungen in diesem Ausmaß hinnehmen müssen.

Selbst jene Männer, die unter die groß propagierte »Schutzbestimmung« der sogenannten »Hacklerregelung« fallen und die nach 45 oder mehr Beitragsjahren mit 60 Jahren in Pension gehen, werden bereits dieses Jahr drastische Pensionskürzungen in Kauf nehmen müssen. Insgesamt muss damit gerechnet werden, dass allein bei den Männern 7000 bis 10.000 Neupensionisten, die im Jahr 2004 ihre Pension beantragen, von Kürzungen im Ausmaß von rund 10% betroffen sein werden.

Bei den Frauen wird es 10% Kürzungen vorerst noch deutlich seltener geben. Jene Frauen, die unter die so genannte »Hacklerinnen-Regelung« fallen, werden in der Anfangsphase von der Pensionsreform sogar profitieren. Dramatisch anders sieht es für Frauen mit Kindern aus, die bald nach der Geburt wieder ins Erwerbsleben eingestiegen sind und viele Versicherungsjahre erworben haben (aber die Vorgaben für die »Hacklerinnen-Regelung« nicht ganz erfüllen). Bei einem Pensionsantritt mit z. B. 57 Jahren, droht bereits im Jahr 2004 eine 10%-Sofortkürzung.

W. Schüssel: »Wir haben uns Mühe gemacht …«

Ganz anders sieht das alles aus, wenn man den Ausführungen von Bundeskanzler Schüssel glaubt: »Wir haben uns die Mühe gemacht und haben die ersten zwei Monate durchgerechnet. Bisher waren da etwa 10.000 Neupensionisten, die haben Anträge gestellt und es ist herausgekommen, zwei Drittel davon haben überhaupt keine Kürzungen und im Durchschnitt haben Frauen etwa eineinhalb Prozent weniger als vor der Reform und Männer etwas über drei Prozent« (Wolfgang Schüssel im ZIB 1 Interview am Freitag, den 5. März 2004, unmittelbar vor den Landtagswahlen in Kärnten und Salzburg).

Was Wolfgang Schüssel nicht dazu gesagt hat und vielleicht auch gar nicht wusste, ist, dass bei diesen Zahlen offensichtlich auch all jene Neupensionen mitgerechnet wurden, für die das neue Recht noch gar nicht zur Anwendung kommen konnte. (Wenn die Anspruchsvoraussetzungen für eine Alterspension bis spätestens 31. 12. 2003 erfüllt waren, bleibt die alte Rechtslage anwendbar. Dies trifft zwangsläufig für die meisten Neuzuerkennungen zum Stichtag 1. Jänner 2004 zu.) Wahr ist, dass auch nach dieser Auswertung nahezu jeder zweite Mann, der bereits von der Pensionsreform betroffen ist, Kürzungen von 10% oder knapp darunter in Kauf nehmen musste.

Und es wird nicht viel Zeit vergehen, bis der bei weitem überwiegende Teil der Männer mit der 10%-Kürzung Rechnung muss. Auch bei den Frauen wird der 10%-Verlust bereits in wenigen Jahren der Regelfall sein.

Die auf jeder Hochglanzbroschüre der Regierung groß herausgestrichenen »Abfederungsmaßnahmen« ändern dann für die meisten Frauen nicht das Geringste!

Härtefonds ist Verhöhnung!

Als letztes Mittel zur Kaschierung der hohen Pensionsverluste blieb der Regierung zuletzt nur mehr der »Härtefonds«. Der Verweis auf diesen Fonds ist aber für die Opfer der 10%-Sofortkürzungen ebenso eine Verhöhnung wie der Verweis auf die Möglichkeit der privaten Altersvorsorge.

Ein bezeichnendes Beispiel für die argumentative Zuflucht zum Härtefonds hat vor kurzem Sozialminister Haupt geliefert. Als die AK eine 10%-Kürzung bei einem Niedrigpensionsbezieher öffentlich machte, verwies der Sozialminister prompt auf den Fonds.

Wenn man den Härtefonds berücksichtigt, gäbe es keinen Verlust mehr (APA 2. März 2004). Dazu ist fürs erste festzustellen, dass es keinerlei Rechtsanspruch auf eine Leistung aus dem Fonds gibt.

Vor allem aber ist völlig klar, dass die lebenslangen Pensionsverluste nicht mit einer Einmalzahlung aus dem Härtefonds ausgeglichen werden können.

Lügenkampagne: Wer lügt worüber?

Selbst bei einer relativ niedrigen Pension kann sich der Pensionsverlust schnell auf 27.000 Euro und mehr aufsummieren. Die Fondszahlungen sind demgegenüber mit maximal 1500 Euro begrenzt. Und wer eine Bruttopension über 1015 Euro bezieht, kann nach den Richtlinien des Härtefonds von vornherein keine Unterstützungsleistung erhalten. Offensichtlich ist der Sozialminister der Meinung, dass sofortige 10%-Kürzungen bei Pensionen über 1015 Euro keinerlei Härte darstellen können.

Es spricht Bände, wenn Mitglieder einer Bundesregierung seriöse Sachinformation der Interessensvertretungen der Arbeitnehmer gezielt als Lügenkampagne denunzieren oder die Bedeutung von Pensionskürzungen mit dem Verweis auf einen völlig unzureichenden Härtefonds herunterspielen.

Eine solche Vorgangsweise entbehrt jeder Redlichkeit, fügt sich aber gut ein in die seit einem Jahr von der Regierung praktizierte Öffentlichkeitsarbeit zur »Pensionsreform 2003«.

Rückblick

Am 31. März 2003, also fast genau vor einem Jahr, schickte die Regierung den Gesetzesentwurf zur »Pensionsreform 2003« in Begutachtung.

Fassungslosigkeit machte sich breit, als ÖGB und AK die ersten Fallbeispiele durchrechneten: Sofort-Kürzung der Neupensionen um bis zu knapp 20%, Kürzung der Pensionen der Jüngeren um durchschnittlich 30% bis 40% und in vielen Fällen lagen die Kürzungen noch deutlich darüber. Dazu kam noch die Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen ohne jede Rücksichtnahme auf die prekäre Arbeitsmarktsituation.

In den erläuternden Bemerkungen des Sozialministers wurde gleichzeitig eingestanden, dass der Pensionsaufwand in der gesetzlichen Pensionsversicherung in den kommenden Jahren ohne jede Reform zurückgegangen wäre.

Das hinderte die Regierung aber nicht daran, gleichzeitig eine akute, dramatische Finanzierungskrise zu beschwören und das frontale Zusammenstutzen der gesetzlichen Pensionsversicherung ohne jede Rücksicht auf den Vertrauensschutz in Angriff zu nehmen.

Wäre es nicht zu den größten Widerstandsaktionen des ÖGB seit Jahrzehnten gekommen, so hätte die Regierung die Demontage eines Kernstücks des österreichischen Sozialstaats mit ziemlicher Sicherheit durchgezogen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Deshalb ist es wichtig, die ursprünglich geplanten aberwitzigen Kürzungen nicht so schnell wieder zu vergessen.

Auch wenn die Betreiber dieses Projektes nun plötzlich so tun, als hätten sie mit dem geplanten Pensions-Kahlschlag nie etwas zu tun gehabt.

Die Pension fliegt: als Abfangjäger!

Wie wir wissen, musste die Regierung letztlich um einiges zurückstecken. Eine 10-Prozent-Deckelung der Verluste und etwas längere Übergangsfristen bei der Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen mussten zugestanden werden. Die schon im Grundansatz völlig verfehlte »Pensionsreform 2003« wurde dadurch aber nicht akzeptabel.

Sie ist und bleibt eine unsoziale Geldbeschaffungsaktion des Finanzministers auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Und der hat das »eingesparte« Geld inzwischen auch schon wieder ausgegeben - für unsinnig teure Abfangjäger und für Steuergeschenke an Großkonzerne!

Inzwischen versucht die Regierung mit dem Schlagwort »Harmonisierung der Pensionssysteme« vom Pensionsdesaster abzulenken, das die »Reform 2003« hinterlassen hat.

Doch auch für die längst überfällige Harmonisierung ist die 2003er-Reform ein Stolperstein, über den nun nur schwer hinwegzukommen sein wird.

Für den ÖGB ist jedenfalls klar: Zuerst die ASVG-Pensionen um 10 Prozent kürzen und dann auf dieser Basis in ferner Zukunft harmonisieren - so kann es nicht sein.

Dass es bei gutem Willen auch ganz anders gehen würde, hat der ÖGB mit seinem Modell der »Österreich-Pension« vorgezeigt (siehe »Arbeit&Wirtschaft« vom Dezember 2003, Seite 26, Schwerpunktbeitrag »Die Alternative zum Pensionsrecht« von Richard Leutner, - www.arbeit-wirtschaft.at/aw_12_2003/index.html)

 
F A L L 1

Frau Maria K., voller Verlust bereits im Februar 2004. Und das bei langer Versicherungszeit und baldigem Wiedereinstieg nach der Karenz!


Kaufmännische Lehre mit 14, vollzeitbeschäftigt, 1 Kind, Wiedereinstieg als Vollzeitbeschäftigte nach nur 7 Monaten Karenz, insgesamt 42 Versicherungsjahre. Aufgrund eines Firmenkonkurses seit Mitte 2000 arbeitslos. Pensionsantritt mit 56 Jahren und 4 Monaten am 1. 2. 2004.

   
Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 1332,26 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 1201,15 Bruttopension

Ergebnis:


  • EUR 131,11 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 1835,54 Pensionsverlust pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 56.900,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust).

Besonders bitter ist dieser finanzielle Verlust, da Frau K. aufgrund einer Vorausberechnung vom Herbst 2003 noch mit einer Pension von EUR 1332,- gerechnet hat. Nun muss sie plötzlich nach einem langen Arbeitsleben diese drastische Kürzung hinnehmen.

Der Fall zeigt, dass auch viele Frauen mit Kindern von Beginn an voll verlieren. Da die Pension von Frau K. über den Grenzen für den Härtefonds liegt, erhält sie nicht einmal eine bescheidene Einmalzahlung aus diesem Fonds.

Besondere Skurrilität:
Wäre Frau K. länger bei ihrem Kind zu Hause geblieben, wäre ihr Verlust im Vergleich zur Rechtslage 2003 geringer; das heißt, die Pensionsreform 2003 bestraft Wiedereinsteigerinnen mit höheren Verlusten.

 
F A L L 2

Herr Heinz M., voller Verlust bereits im Februar 2004. Begann sehr früh zu arbeiten, kann erst nach 61 mit fast 47 Versicherungsjahren in Pension gehen, 10% Pensionsminus.

Berufseinstieg vor 15 (Lehrling), Antritt einer vorzeitigen Alterspension mit 61 Jahren 4 Monaten am 1. Februar 2004. Insgesamt liegen zum Stichtag 46,833 Versicherungsjahre vor. Herr M. wurde mit 59 arbeitslos und kann deshalb wegen wenigen fehlenden Beitragsmonaten die »Hacklerregelung« nicht in Anspruch nehmen. Anstatt bereits vor
16 Monaten mit 60 Jahren und 80% in Pension zu gehen, musste er bis Februar 2004 zuwarten, wird zusätzlich von der Pensionsreform 2003 getroffen und verliert voll.

    Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 2299,77 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Pensionsbescheid: EUR 2030,26 Bruttopension

    Nach Anwendung des Verlustdeckels:
    (90% von EUR 2299,77) EUR 2069,79 Bruttopension

Ergebnis:

  • EUR 229,98 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 3219,72 Pensionsverlust pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 67.400,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust)

 

 
F A L L 3

Herr Peter D., »Hacklerregelung« schützt nicht vor massiven Pensionsverlusten! (Vorausberechnung der PVA)


Berufseinstieg mit 15 (Lehrling). Pensionsantritt mit 60 Jahren am 1. 5. 2004 auf Basis der sogenannten »Hacklerregelung« (mehr als 45 Beitragsjahre). Insgesamt liegen zum Stichtag 45,667 Versicherungsjahre vor.

    Pensionshöhe Rechtslage 31. 12. 2003
    Laut Vorausberechnung: EUR 2237,48 Bruttopension

    Pensionshöhe nach Pensionsreform 2003
    Laut Vorausberechnung: EUR 2042,96 Bruttopension

Ergebnis:

  • EUR 194,52 monatlich weniger Pension (+ Anpassungsverlust)
  • EUR 2723,28 Pensionskürzung pro Jahr (+ Anpassungsverlust)
  • Rund EUR 61.600,- Gesamtkürzung bezogen auf die durchschnittliche Lebenserwartung (einschließlich Anpassungsverlust).

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Autoren: Josef Wöss und Erik Türk (Mitarbeiter der Abteilung Sozialpolitik in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122670 Pensionsreform: Hoch bezahlt in die Notstandshilfe ATS 67.000 brutto steht auf dem Gehaltszettel von Herrn Hans M.(Name von der Redaktion geändert) vom Jänner 2000. Je nach Provisionslage hatte er durchschnittlich 2500 Euro netto pro Monat verdient.

Heute leben Herr M. und seine Frau von seinen 990 Euro Notstandshilfe. Zum finanziellen Abstieg kommt große Wut über die Ungerechtigkeit nach einem langen Arbeitsleben. Das Leben von Herrn M. wird von der Südautobahn und der Tangente begleitet. 36 Jahre seines Lebens ist er täglich die Südosttangente hinauf und bei Vösendorf herunter gefahren.

Zu »seiner« Firma, dem Baumaschinenunternehmen Terra, wo er nach der Automechanikerlehre als Baumaschinenmonteur begonnen und bis November 2000 beschäftigt war. Einen Tag nach seinem 56. Geburtstag kam für ihn das »Aus«.

Seither leben Herr und Frau M. in einem kleinen Schrebergartenhaus, einen Steinwurf von der Südosttangente entfernt.

Paradies

»Kommen Sie weiter, in unser kleines Paradies«, sagt Herr M. ohne jede Ironie und öffnet die Tür zu seinem kleinen Häuschen mit zugebauter Veranda, das er mit seiner Frau bewohnt. Etwa 150 Meter östlich ragt die Schallschutzmauer der Tangente meterhoch in den Winterhimmel. Das ständige Brummen des Verkehrs ist für Herrn M. fast »wie Meeresrauschen«. Nur wenn der Verkehrsfluss stockt, wirds ein wenig unangenehm. Dafür haben die M.s gleich hinter dem Maschendrahtzaun ihres winzigen Schrebergartens freies Gelände, das sich bis zum Praterstadion zieht. Noch, denn demnächst soll dort eine U-Bahn gebaut werden, aber all das scheint ihm nichts auszumachen, denn kaum ist die Türe zu, ist es ruhig wie in einem Büro nach Dienstschluss.

Dienstschluss

Für Hans M. war Ende 2000 Schluss. Den Tag der Ankündigung weiß er noch, und nicht nur deshalb weil sie ihm an seinem Geburtstag, dem 20. Oktober, unterbreitet wurde. Dass die Baumaschinenfirma Terra, ein Familienbetrieb, verkauft werden sollte, war der Belegschaft bekannt gewesen. Hatte der Chef doch in einem Rundbrief die Mitarbeiter informiert und »speziell den Langjährigen versichert, dass er froh sei, weil ein Österreicher übernimmt und alle bleiben können«. Der Abschied wurde in kleinen Dosen gegeben und schmerzt heute noch. Bis März 2001 könne er bleiben, hieß es zuerst, bis er im November 2000 plötzlich »freigestellt« wurde. Er hätte etwas Abwegiges über die Firma gesagt, erfuhr Herr M. auf Umwegen von Kollegen. Den neuen Geschäftsführer hatte er nur flüchtig am Gang gesehen.

»Für mich ist eine Welt zusammengestürzt, denn ich habe mit Leib und Seele für die Firma gelebt«, erzählt Hans M.. Vom Baumaschinenmonteur hatte er sich hochgearbeitet, den Fuhrpark übernommen und schließlich vom Test, Verkauf und Transport der Maschinen bis hin zu den Transportgenehmigungen für überschwere Fahrzeuge alles geregelt. Immerhin rund 70 Maschinen pro Jahr wurden mit Hilfe von Hans M. an Kunden aus Österreich, Griechenland und dem ehemaligen Jugoslawien verkauft. »Kostensparend«, sagt M., »weil ich habe immer so gearbeitet, als gehöre die Firma mir«.

Qualität chancenlos

In der Branche, wo »einer den anderen kennt«, wusste man auch um die Qualitäten des arbeitsamen Herrn M.. »Hans, du kannst zu uns kommen«, hieß es dann auch am Anfang seiner Arbeitslosigkeit. Und schließlich: »Herr M., so passen Sie nicht in unser Konzept.« Denn nicht mehr und nicht weniger als 1800 Euro netto wollte der damals mittlerweile 57-Jährige von einer neuen Firma. In ähnlicher Höhe wäre auch seine Pension gewesen, die er ab heuer bezogen hätte, »wenn die Pensionsreformen nicht gewesen wären.« Und in ähnlicher Höhe waren damals auch die Fixkosten des Ehepaares, samt Wohnung, Schrebergarten, Auto, Versicherungen und Bausparverträgen für die Kinder.

Heute fährt der ehemalige Gutverdiener Herr M. mit dem Fahrrad seine Einkaufsrunden zu den diversen Supermärkten der Umgebung und schaut, wo es preisgünstige Angebote gibt. »Ich fahre im Kreis, zum Hofer und zum Lidl, und ich spare wo es geht.« An ihm spart der Staat einiges, rechnet er vor. Eigentlich hatte er mit einer Pension mit 60 gerechnet, doch dann kam die erste Pensionsreform. »Normalerweise hätte so ich mit 60 Jahren in Pension gehen können. Bekommen hätte ich um die 1800 Euro netto. Wenn man nun die Jahre multipliziert, die ich jetzt in der Notstandshilfe warten muss, bis ich in Pension gehen kann, kommt einiges zusammen, was ich verliere.«

532 Versicherungsmonate bei der Firma Terra sind auf seinen Versicherungsauszug vom Dezember des Vorjahres vermerkt.Bis zu seiner Arbeitslosigkeit hatte er mit Ausnahme der Bundesheerzeiten immer gearbeitet. »Insgesamt habe ich 42 Jahre lang einbezahlt und nicht wenig. Auch die Provisionen, wenn ich ein Fahrzeug verkauft habe, wurden schließlich versteuert«, erzählt er. »Aber mein Glück war, dass ich so lange bei der Firma gewesen bin und ein Jahr Abfertigung bekommen habe. Davon habe ich das Schrebergartenhaus umgebaut, sodass wir die alte Wohnung aufgeben und hierher ziehen konnten.«

Wenn er von seinem »Pech« erzählt, darf der Nachsatz: »Aber zum Glück …« nicht fehlen. Leider habe seine Frau nie eine bezahlte Arbeit gehabt, erzählt er zum Beispiel, sonst hätten sie heute auch ein bisschen mehr. Mit dem gut verdienenden Ehemann hatte Frau M. auch nie Anspruch auf Karenzgeld, als die beiden Kinder zur Welt kamen. »Aber zum Glück sind wir immer noch verheiratet. Die meisten meiner Bekannten haben das nicht geschafft.«

Herr M. war 56,5 Jahre, als er - Anfang 2001 - in die Arbeitslosigkeit entlassen wurde. Für die vorzeitige Alterspension wegen Arbeitslosigkeit war er zu jung. Zum Arbeiten war er zu teuer oder »zu alt«. Auch für die vorzeitige Alterspension wegen langer Versicherungsdauer kam er nicht in Frage.

Betrogen

Hans M. hat das Gefühl, betrogen worden zu sein. »Wenn einer eine private Pensionsversicherung abschließt, die bis zu einer bestimmten Frist läuft und plötzlich heißt es: Ätsch, wir haben es uns anders überlegt, jetzt musst du noch sechs Jahre warten, zinsenlos, bis du dein Geld bekommst<, das geht doch auch nicht«, vergleicht er, aber zum Glück habe er sein Mountainbike. Radfahren in der Natur kostet fast nichts und wenn er seinen Termin am Arbeitsmarktservice wahrnimmt, dient das Mountainbike als Hauptthema beim kurzen Gespräch mit seinem Berater. »Was sollen wir sonst auch reden, ich bin ja jetzt überhaupt nicht mehr vermittelbar«, sagt der mittlerweile 60-Jährige.«.

Höhere Arbeitslosenrate

Hans M. ist einer von vielen, die schon von der ersten Pensionsreform 2000 betroffen waren. Schon damals verzeichnete die Arbeiterkammer einen überdurchschnittlich hohen Anstieg der Arbeitslosigkeit der über 55-Jährigen. Besonders dramatisch war (und ist) die Entwicklung bei 60-jährigen Männern: Zwischen Oktober 2000 und Oktober 2001 stieg der Arbeitslosenquote von 7,5% auf 19,1% an. Nebeneffekt: »Es kann davon ausgegangen werden, heißt es in der AK-ONLINE vom August 2002 (»Auswirkungen der Pensionsreform 2000«), »dass auch ein Teil der stark gestiegenen Jugendarbeitslosigkeit auf die Pensionsreform zurückzuführen ist. Es wird geschätzt, dass mindestens 2000 Jugendliche durch die erhöhte Altenbeschäftigung in die Arbeitslosigkeit abgedrängt wurden.« Befürchtungen, die sich zu bewahrheiten scheinen. So geht die AK davon aus, dass heuer die Arbeitslosenquote von sieben Prozent im Vorjahr noch übertroffen wird. Mit zusätzlich 10.000 Arbeitssuchenden sei zu rechnen, so AK-Präsident Herbert Tumpel. Dadurch würde die Jahresarbeitslosenquote auf 7,4 Prozent steigen. Die Gründe sieht der AK-Präsident in der Anhebung des Pensionsantrittsalters durch die Pensionsreform und der verfehlten Reform der Altersteilzeit.

Keine Armut

Von Altersarmut ist die Familie M. nicht betroffen. Zum Glück gab es die Abfertigung und dadurch den feinen Verandazubau zum Häuschen, sodass an den Festtagen auch die Kinder und die Enkel Platz haben. Das Alter merkt
man dem schlanken Sechziger nicht an und wenn er nicht gerade über seine Firma und sein »Pech« erzählt, könnte man ihn durchaus für zufrieden halten. Für diesen Eindruck sorgt er auch selber. »Wie es einem Pensionisten halt so geht«, sagt er zum Beispiel zu einem Bekannten am Telefon, »du weißt ja, immer viel zu tun.« Es muss nicht jeder wissen, dass einer nach 42 Jahren Arbeit in der Notstandshilfe ist. Trotzdem erwartet Herr M. mit Bangen seine Pension. Denn soviel weiß er jetzt schon: Er wird 10 Prozent verlieren, wenn er am 1. März 2007 mit 62 Jahren und 4 Monaten seine Pension antreten wird. Bis dahin wird Herr M. 47,5 Versicherungsjahre erworben haben.

Sein Prozentsatz am 1. 3. 2007, laut Berechnung der Arbeiterkammer: 571 Versicherungsmonate mal 1,78% durch 12 ergibt 84,7 an Steigerungspunkten. Der Abschlag errechnet sich nach folgender mathematischer Formel:

32 mal 0,35 = 11,2%
84,7 weniger 11,2% ergibt 75,21%

Das sind 6 Prozent Verlust allein aus den Steigerungspunkten. Dazu kommen um vier Jahre mehr an Durchrechnung. Für Herrn M. werden die »besten« 19 Jahre - in seinem Fall von 1982 bis 2000 - durchgerechnet werden. Das bedeutet, dass er wieder einmal doppelt verliert. Einerseits werden um vier Jahre mehr durchgerechnet, was zu mindestens vier Prozent zusätzlichem Verlust führt. Andererseits bricht sein Einkommen 2001 ab, wodurch seine Bemessungsgrundlage ohnehin schon deutlich entwertet wird.

Was diese Bundesregierung »für« Herrn M. getan hat, haben die AK-Experten Erik Türk und Wolfgang Panhhölzl errechnet: Sein Pensionsalter wurde um zweieinhalb Jahre angehoben und seine Pension um 10 Prozent gekürzt. Und: Durch die Kombination von späterem Pensionsantritt und vollen Pensionsverlusten wurde in keiner Weise auf seinen Vertrauensschutz Rücksicht genommen.


R E S Ü M E E

Hans M. versteht die Welt nicht mehr. Von der hoch bezahlten Fachkraft wurde er binnen kurzem zum Bezieher der Notstandshilfe. Die ist zwar höher als die Armutsgrenze. Aber das hat er sich dennoch nicht verdient, ist der 60-Jährige überzeugt. Nicht allein um sein Geld fühlt sich der ehemalige Baumaschinenmonteur betrogen. Er fragt sich: Wem bleiben eigentlich die Früchte seines Arbeitslebens?

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Autorin: Gabriele Müller (Freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413122315 Umverteilung zum Unternehmer Lohn- und Einkommensteuertarif

Der Tarif sieht sehr einfach aus, deshalb behauptet die Regierung, dass künftig jeder die Steuer auf einem Bierdeckel ausrechnen kann. In Wahrheit weiß man mit diesen Angaben nur, dass die Abgabe an den Finanzminister bei 25.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen 5750 Euro beträgt. Bei 51.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen beläuft sie sich auf 17.085 Euro. Wer ein anderes Einkommen hat, muss sich einer anderen Formel bedienen (siehe Tabelle »Bemessungsgrundlage II«).

Bemessungsgrundlage II
Zu versteuerndes Jahreseinkommen Steuer
bis 10.000 0
bis 25.000 (Einkommen - 10.000) x 5750
15.000
bis 51.000 (Einkommen - 25.000) x 11.335 + 5.750
26.000
Bei einem Jahreseinkommen von beispielsweise 24.000 sind - dieser mathematischen Formel zu Folge - 5.366,66 Euro an Steuern zu bezahlen.

Der Teil des Einkommens, der 51.000 Euro übersteigt, wird mit 50 Prozent besteuert. Für Arbeitnehmer müssen vom Berechnungsergebnis noch der Arbeitnehmerabsetzbetrag (54 Euro) und der Verkehrsabsetzbetrag (291 Euro), gegebenenfalls auch der Alleinverdiener- bzw. der Alleinerzieherabsetzbetrag samt Kinderzuschlägen, abgezogen werden. Für Pensionisten ist der Pensionistenabsetzbetrag zu berücksichtigen. Der allgemeine Absetzbetrag entfällt.

Wir glauben nicht, dass sich alle Arbeitnehmer das auf einem Bierdeckel ausrechnen können. Die meisten werden schon bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage Schwierigkeiten haben, bevor sie überhaupt zur Formel kommen.

Zur Errechnung der Bemessungsgrundlage kann Folgendes vom Jahresbruttobezug abgezogen werden:

  • steuerfreie Bezüge
  • begünstigt besteuerte Bezüge (13. und 14. Monatsbezug, Abfertigungen, usw.)
  • Sozialversicherungsbeiträge, AK-Umlage, Wohnbauförderungsbeitrag
  • Werbungskosten (zumindest eine Pauschale von 132 Euro)
  • Pendlerpauschale und andere Werbungskostenpauschalen
  • Sonderausgaben (zumindest eine Pauschale von 60 Euro)
  • außergewöhnliche Belastungen
    + Hinzugerechnet werden Sachbezüge, wie etwa die Nutzung des Firmenwagens und Ähnliches.

Weil uns klar ist, dass jetzt und auch in Zukunft diese Rechenoperationen nur von Spezialisten mit einer Tabelle oder einem elektronischen Rechner richtig bewältigt werden können, haben wir für Sie ausgerechnet, was Sie sich von 2004 auf 2005 an Lohnsteuer ersparen werden. Dabei wurden keine steuerfreien Bezüge und keine besonderen Freibeträge oder Absetzbeträge unterstellt (siehe Tabelle »Lohnsteuerrechner«).

Lohnsteuerrechner
Angestellter ohne Alleinverdiener- Alleinerzieherabsetzbetrag
laufende Abrechnung ohne Negativsteuer
Bruttogehalt
monatlich
LST 2004
laufend
LST 2005
laufend
Nettodifferenz
monatlich
2004 zu 2005
Nettodifferenz
jährlich
1000 0,00 0,00 0,00 0,00
1100 20,46 0,00 2›0,46 245,52
1200 52,04 23,10 28,94 347,28
1300 83,63 54,55 29,08 348,96
1400 115,22 86,01 29,21 350,52
1500 146,81 117,46 29,35 352,20
1600 176,76 148,91 27,85 334,20
1700 205,48 180,36 25,12 301,44
1800 234,20 211,82 22,38 268,56
1900 262,92 243,27 19,65 235,80
2000 291,63 274,72 16,91 202,92
2100 320,35 306,17 14,18 170,16
2200 349,07 337,63 11,44 137,28
2300 383,51 369,08 14,43 173,16
2400 420,84 400,53 20,31 243,72
2500 458,17 431,98 26,19 314,28
2600 495,50 465,22 30,28 363,36
2700 532,84 501,00 31,84 382,08
2800 570,17 536,77 33,40 400,80
2900 607,50 572,54 34,96 419,52
3000 644,84 608,31 36,53 438,36
3100 682,17 644,08 38,09 457,08
3200 719,50 679,85 39,65 475,80
3300 756,83 715,62 41,21 494,52
3400 794,17 751,39 42,78 513,36
3500 835,58 791,07 44,51 534,12
3600 880,84 834,67 46,17 554,04
3700 921,84 878,27 43,57 522,84
3800 962,84 921,86 40,98 491,76
3900 1003,84 965,46 38,38 460,56
4000 1044,84 1009,05 35,79 429,48
4100 1085,84 1052,65 33,19 398,28
4200 1126,84 1096,25 30,59 367,08
4300 1167,84 1139,84 28,00 336,00
4400 1208,84 1183,44 25,40 304,80
4500 1249,84 1227,03 22,81 273,72
4600 1290,84 1270,63 20,21 242,52
4700 1331,84 1314,23 17,61 211,32
4800 1372,84 1357,82 15,02 180,24
4900 1416,14 1402,36 13,78 165,36
5000 1466,14 1452,36 13,78 165,36
5100 1516,14 1502,36 13,78 165,36

Es fällt auf, dass gerade bei einem Durchschnittseinkommen um etwa 2000 Euro monatlich brutto die Entlastungen sehr klein werden. Im Bereich zwischen 1900 bis 2300 Euro sinken die monatlichen Entlastungen auf unter 20 Euro im Monat, im Extremfall sogar auf 10 Euro.

Ob es Zufall ist, dass gerade hier sehr viele Arbeitnehmer zu finden sind? 640.000 Arbeitnehmer und Pensionisten werden jedenfalls nach den Plänen der Bundesregierung mit diesen sehr geringen und kaum wahrnehmbaren Steuersenkungen leben müssen.

Budgetwirkung:

Minus 900 Millionen Euro Lohnsteuer, Minus 200 Millionen Euro veranlagte Einkommensteuer.

Eine Lohnsteuersenkung von 900 Millionen Euro ist jedenfalls nicht die »größte Steuerreform aller Zeiten«, sondern eine der geringsten Lohnsteuerentlastungen in den letzten 20 Jahren. Wirklich »groß« ist die Reform nur bei den Unternehmenssteuern.

Allein die kalte Progression seit der letzten Steuersenkung 2000 macht ungefähr 900 Millionen Euro aus, sodass diese Lohnsteuersenkung nicht viel mehr als die Korrektur der kalten Progression2) ist.

Familienpaket

Bei Familien soll es Zuschläge zum Alleinverdienerabsetzbetrag bzw. zum Alleinerzieherabsetzbetrag geben, der derzeit bei 364 Euro liegt. Und zwar: 130 Euro für das erste Kind, 175 Euro für das zweite und 220 Euro für das dritte und für jedes weitere Kind.

Gleichzeitig soll die Zuverdienstgrenze von 4400 auf 6000 Euro angehoben werden. Die Gesamtkosten werden mit 230 Millionen Euro angegeben.

Dieser Reformteil soll auf 2004 vorgezogen werden. Nach dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf soll eine Berücksichtigung in der Lohnverrechnung bei entsprechender Antragstellung ab Juli 2004 möglich sein. Der Dienstgeber kann im Dezember eine Aufrollung durchführen, womit die Kinderzuschläge für die erste Jahreshälfte berücksichtigt werden können.

Für Personen mit geringem Einkommen werden die Kinderzuschläge auch als Negativsteuer (Barauszahlung) im Wege der Veranlagung zur Auszahlung gelangen.

Völlig unverständlich ist aus unserer Sicht, dass nur Kinder von Alleinverdienerfamilien begünstigt sein sollen.

Über 800.000 Kinder, deren Eltern zusammen zum Familienunterhalt beitragen müssen oder wollen, haben davon nichts. Wir halten das schlicht für ungerecht.

Budgetwirkung:

Minus 250 Millionen Euro.

Erhöhung Pendlerpauschale

Sowohl die »kleine« als auch die »große« Pendlerpauschale soll um jeweils 15 Prozent erhöht werden. Aus unserer Sicht ist das absolut ungenügend:

Ein Pendler, der das Auto für die Fahrt zur Arbeitsstätte braucht, hat seit dem Jahr 2000 allein durch Abgabenerhöhungen tiefer in die Tasche zu greifen (siehe Tabelle »Pendlerbelastung«).

Pendlerbelastung
(Bei 50 km einfacher Fahrtstrecke)
Erhöhung der motorbezogenen Versicherungssteuer für ein
90 PS Auto ab Juni 2000 7,84 Euro monatlich
431,20
Diesel, Verbrauch 7 l pro 100 km; 20.000 km jährlich ab 2004 34,20
Erhöhung Vignette ab 2001 um 32,6 Euro jährlich 130,40
Summe 595,80

Die jährliche Mehrbelastung beträgt allein aus Abgabenerhöhungen 160,80 Euro. Dazu muss man noch Preissteigerungen bei Servicearbeiten, beim Benzin oder bei den Haftpflichtprämien zählen.

Die entsprechende Pendlerpauschale beträgt 768 Euro jährlich. Eine 15-prozentige Erhöhung macht 115,20 Euro aus und deckt nicht einmal die Abgabenerhöhungen. Die »große« Pendlerpauschale für dieselbe Fahrtstrecke beträgt 1470 Euro. Eine 15-prozentige Erhöhung würde 220,50 Euro ausmachen.

Die große Pendlerpauschale ist aber - zum Beispiel im Großraum Wien - praktisch nur zu bekommen, wenn man in der Nacht fährt.

Budgetwirkung:

Minus 20 Millionen Euro.

Völlig unverständlich ist uns, warum der Regierung die Subvention des Diesels für Landwirte 50 Millionen Euro wert ist und die beruflich anfallenden Kosten einer ungleich größeren Anzahl von Pendlern nur mit 20 Millionen Euro berücksichtigt werden sollen.

Kirchenbeitrag

Die Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags (für staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften) wird von 70 auf 100 Euro erhöht.

Budgetwirkung:

Minus 30 Millionen Euro.

Körperschaftsteuer

Die Körperschaftsteuer wird von 34 auf 25 Prozent gesenkt. Das bewirkt einen Steuerausfall von 1,1 Milliarden Euro. Gleichzeitig wird die begünstigte fiktive Eigenkapitalverzinsung und die Übertragungsmöglichkeit stiller Reserven gestrichen, sodass der Steuerausfall insgesamt 975 Millionen Euro beträgt.

Die Einführung einer Gruppenbesteuerung wird zusätzliche 100 Millionen Euro kosten, die Lockerungen bei versicherungstechnischen Rückstellungen weitere 25 Millionen Euro. Nach dem mittlerweile vorliegenden Begutachtungsentwurf wird die Möglichkeit, auch Verluste aus dem Ausland zu verrechnen bzw. Firmenwertabschreibung in der Gruppe vornehmen zu können, unserer Meinung nach einen wesentlich höheren Steuerausfall bewirken.

Die dramatische Senkung der Körperschaftsteuer wird mit dem Steuerwettlauf in den östlichen Nachbarstaaten begründet. Die Bundesregierung hält das zur Sicherung der Arbeitsplätze in Österreich notwendig.

Dazu nur zwei Fakten:

Faktum Nummer eins ist, dass die effektive Körperschaftsteuerbelastung im Vergleich zu den EU-15-Staaten in Österreich bereits eine der niedrigsten ist. Die Bundesrepublik Deutschland, die 2001 durch ihre Körperschaftsteuerreform einen Totalausfall produziert hat, hat die Industrie nicht zum Erblühen gebracht, sondern die Gemeindefinanzen derart ruiniert, dass über Jahre mit einer Investitionsschwäche des öffentlichen Sektors und damit mit einer Wachstumsschwäche in der BRD zu rechnen ist. Auch ist nicht davon auszugehen, dass mit einer kaputten öffentlichen Infrastruktur der Standort Deutschland attraktiver wird. Bildung oder Infrastruktur sind wohl für den Wirtschaftsstandort wichtiger als einige Prozentpunkte Unterschied bei der Körperschaftsteuer.

Faktum Nummer zwei: Die Körperschaftsteuer stellt im Normalfall nur einige Prozentpunkte der Kosten eines Industrieunternehmens dar. Bereits ohne wissenschaftliche Analyse kann man erkennen, dass das wohl nicht der entscheidende Standortfaktor für eine Industrieinvestition ist. Gerade die skandinavischen Staaten mit relativ hohen Steuerbelastungen weisen in den letzten Jahren die besten ökonomischen Erfolge aus.

Wer dazu Näheres wissen will, kann unsere Broschüre »Fakten und Analysen zur Körperschaftsteuer in Österreich und im internationalen Vergleich« bestellen. (AK Wien, Abteilung Steuerrecht, Telefon 01/501 65/207).

Gibt es auch Verlierer?

Durch die Tarifsenkung allein gibt es keine Verlierer. Die Regierung stellt den Sachverhalt nun so dar, als ob die Lohnsteuer die einzige Steuer sei.

Völlig vergessen wird auf die Steuererhöhungen im Bereich der Energieabgaben, der Sozialversicherungsbeiträge und Gebühren.

Es gibt jedenfalls zunächst eine ganz große Verlierergruppe: nämlich die rund 2,2 Millionen Arbeitnehmer und Pensionisten, die bereits vor der Steuerreform 2004 keine Lohnsteuer bezahlt haben.

Diese sind nämlich nur belastet, oder zumindest - weil die Regierung keine Erhöhung der Negativsteuer vornehmen will - nicht entlastet.

Aber auch ein Arbeitnehmer mit durchschnittlichem Einkommen und regulären Lebensverhältnissen wird im Saldo nicht entlastet.

Im Gegenteil, wie ein wahrlich nicht übertriebenes Beispiel zeigt (siehe Tabelle »Abgabenbelastung«).

Abgabenbelastung
Angestellter - Bruttomonatseinkommen 2000 Euro
Steuersenkung 2005   +16,91
Sozialversicherungs-Beitragserhöhung 0,3 %
(abzüglich Steuerminderungseffekt)
-3,81  
Motorbezogene Versicherungs-Steuererhöhung für PKW 90 PS -7,84  
Mineralölsteuererhöhung    
Diesel Verbrauch 7 l/100 km    
1.000 km/Monat -1,68  
Vignettenpreiserhöhung/Monat -2,72  
Elektrizitätsabgabenerhöhung -3,00  
Mineralölsteuererhöhung Heizölverbrauch 3.000 l/Jahr -7,48  
Monatliche Mehrbelastung durch Steuererhöhungen
der ÖVP-FPÖ Regierung 2000 bis 2005
-26,53  
Trotz der Steuersenkung bleibt eine Mehrbelastung von   -9,62

Auswirkungen der Steuerreform
für Arbeitnehmer und Unternehmer
Maßnahmen Arbeitnehmer
Pensionisten
Unternehmen
  Millionen EUR
Lohn-/Einkommensteuersenkung 2004 350 30
Halbsatz nicht entnommener Gewinn *)   400
einheitlicher Krankenversicherungsbeitragssatz -50 -50
Entfall Arbeitslosenversicherungs-Beiträge für ältere Arbeitnehmer 50 50
Freizeitunfallversicherung -100  
höhere Krankenversicherungsbeiträge Pensionisten   -210
Energiesteuer-/Mineralölsteuer-Erhöhungen 2004 -210 -170
Konjunkturbelebungspaket II
(I-Prämie, Forschungsförderung, Lehrlingsprämienerhöhung)
  350
Lohn-/Einkommensteuersenkung 2005 900 200
Familienpaket 200 50
Anhebung Pendlerpauschale 20  
Kirchenbeiträge 25 5
Körperschaftsteuersenkung/Streichung Eigenkapitalverzinsung   975
Gruppenbesteuerung   100
Lockerung Rückstellungen bei Versicherungen   25
Agrardiesel   50
Summe 975 2015
*) Wertansatz der Bundesregierung; die AK rechnet mit Ausfällen bis zu 600 Millionen Euro

1) Grenzstufensteuertarif, auch Grenzsteuersatz. Der Einkommensteuertarif war ein so genannter Stufentarif. Bei Überschreiten einer Tarifstufe war nur der »oberste Einkommensteil« mit dem höheren Prozentsatz, dem so genannten Grenzstufentarif zu versteuern (nämlich zu 21, 31, 41 oder 50 Prozent.

2) Kalte Progression, Ausdruck der Umgangssprache, misst den Anstieg der steuerlichen Realbelastung, die bei Progressionstarif auf die inflationär bedingte Ausweitung der Bemessungsgrundlage (Einkommen, Vermögen) zurückzuführen ist. Definition lauf Grüske/Recktenwald: Wörterbuch der Wirtschaft, 7. Auflage 1975


R E S Ü M E E

Umverteilung nach oben

Die Frage zu den verteilungspolitischen Folgen ist eindeutig zu beantworten. Denn fasst man die Budgetwirkungen der einzelnen Punkte der Steuerreformen 2004 und 2005 zusammen, ergibt sich eine Schieflage zugunsten der Unternehmer, die wohl keines Kommentars mehr bedarf. Von einer Entlastung 50:50, wie sie die Regierung versprochen hat, kann jedenfalls keine Rede sein (siehe Tabelle »Arbeitnehmer - Unternehmer«).
Unmittelbar aus den gröbsten Mängeln dieser Steuerreform leiten AK und ÖGB folgende Forderungen ab:

  • Für Wenigverdiener, die keine Steuer zahlen, die Verdopplung der Negativsteuer auf 220 Euro im Jahr.
  • Spürbare Entlastung für mittlere Einkommen.
  • Familienförderung, bei der alle Kinder gleich behandelt werden.
  • Die Erhöhung der Pendlerpauschale um zumindest 30 Prozent.

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Otto Farny (Leiter der Abteilung Steuerrecht in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413119782 Die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich 2004 Nach dem 4- bis 5-jährigen Rhythmus der AK-Wahlen wird in dem nun vorgelegten Bericht der Zeitraum nach 1999 behandelt, der auch identisch ist mit der Periode der seit Anfang 2000 gebildeten Bundesregierung durch eine Koalition von ÖVP und FPÖ. Der letzte Bericht zur Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trägt die Jahreszahl 1999. Im Folgenden werden wichtige Ergebnisse des neuen Berichtes präsentiert.

Stagnationsphase der Wirtschaft nach der Jahrhundertwende

Entscheidend für die Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen sowie der Einkommensverhältnisse der Arbeitnehmer ist das Wirtschaftswachstum, das heißt die Entwicklung der gesamten Produktion von Gütern und Dienstleistungen (»BIP« = Bruttoinlandsprodukt). Vom guten Anfangsjahr 2000 abgesehen, ist das neue Jahrhundert bisher enttäuschend verlaufen. Im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2003 erreichte der Zuwachs des realen BIP nur 1,6 Prozent, im Unterschied zu durchschnittlich 2,6 Prozent in den vier Jahren davor, oder 2,3 Prozent im Durchschnitt der neunziger Jahre 1990 bis 1999. War das Wirtschaftswachstum des Jahres 2000 mit 3,4 Prozent noch durchaus respektabel gewesen, so sind die letzten drei Jahre tatsächlich die längste Phase einer wirtschaftlichen Stagnation in der gesamten Nachkriegsgeschichte gewesen, und das nicht nur in Österreich. Besonders stark war Deutschland von der europäischen Wachstumsschwäche betroffen, aber auch in Österreich blieb das Wachstum unter dem EU(15)-Durchschnitt (siehe Grafik 1: »BIP-Wachstum Österreich und EU 1996 bis 2003«).

»Treffsicherheit«

Dass Österreich beim Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren nicht einmal mit dem nur sehr mäßigen EU-Durchschnitt Schritt halten konnte, ist der einseitig orientierten Wirtschaftspolitik der Regierung zuzuschreiben, die der raschen Erreichung des Ziels »Null-Defizit« den Vorrang vor allen anderen Zielsetzungen, also auch vor Wachstum und Beschäftigung eingeräumt hat - ohne diese Ziel letztlich zu erreichen. Im Zuge des forcierten Defizitabbaus in den Jahren 2001 bis 2002 wurden die Steuern auf breiter Front (nicht nur die Lohnsteuer, sondern auch verschiedene Verbrauchsteuern und Gebühren) erhöht und Sozialleistungen gekürzt (so genanntes »Treffsicherheits-Paket«, Pensionsreformen). Der Einkommens- und damit Nachfrageausfall führte zu fühlbaren Einbußen bei Wachstum und Beschäftigung. Die in einer Phase sinkender Beschäftigung dringend gebotene Intensivierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterblieb, die Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation wurde passiv hingenommen.

Geringe reale Lohn- und Gehaltszuwächse

Kumuliert betrug der Einkommenszuwachs vor Steuern und Sozialabgaben pro Arbeitnehmer in den vier Jahren 2000 bis 2003 nominell 8,8 Prozent. Nach Abzug der Inflation, von der ein gar nicht so geringer Teil auf Steuer- und Gebührenerhöhungen zurückzuführen ist, verbleibt ein Realeinkommensanstieg von nur 2,1 Prozent, der sich durch steigende steuerliche Abzüge noch weiter auf 1,9 Prozent reduziert (siehe Tabelle 1: »Lohnanstieg«).

 

Die in den Kollektivvertragsabschlüssen vereinbarten Lohnerhöhungen ergaben gemessen mit dem in seiner Gewichtung allerdings veralteten Index der Kollektivvertragslöhne für die Jahre 2000 bis 2003 eine etwas stärkere Zunahme (9,7 Prozent). Das deutet darauf hin, dass die Marktvorgänge auf dem Arbeitsmarkt (Arbeitsplatzwechsel, Änderung der Beschäftigtenanteile der einzelnen Branchen) die Einkommensentwicklung negativ beeinflusst haben. Nach sozialer Stellung unterschieden zeigt sich, dass die Arbeiterlöhne am meisten gestiegen sind, etwas weniger, aber immer noch über der Inflationsrate die Angestelltengehälter. Die Zunahme der Beamteneinkommen blieb hinter der Inflationsrate zurück, erst 2003 gab es hier ein gewisses Aufholen (siehe Grafik 2: »Tariflöhne- und Verbraucherpreisindex 1998 bis 2003«).

Der vom Markt ausgehende Druck auf die Entwicklung der Löhne lässt sich an den Überzahlungen im Bereich der Industrie ablesen, für den statistische Daten vorliegen.

Die Effektivlöhne der Industriearbeiter lagen 1998 noch um 20,9 Prozent über den Kollektivvertragslöhnen, 2002 betrug dieser Abstand nur noch 17,4 Prozent. Bei den Gehältern der Industrieangestellten war diese Differenz mit zuletzt 22 Prozent etwas größer und nur leicht rückläufig.

Höchste Einkommen nach Wirtschaftsklassen

Nach Wirtschaftsklassen betrachtet, erzielten im Jahr 2002 männliche Beschäftigte die höchsten Einkommen in der Bank- und Versicherungsbranche mit einem mittleren Einkommen (»Median«) von 2938 Euro monatlich (gerechnet 14mal im Jahr), gefolgt von der Energie- und Wasserversorgung (2920 Euro) und mit größerem Abstand von den Wirtschaftsklassen Papier, Druck und Verlag (2418 Euro) sowie Elektrotechnik (2416 Euro). Für die weiblichen Beschäftigten ist ebenfalls das Bank- und Versicherungswesen die am besten bezahlende Branche (1870 Euro), danach die Energie- und Wasserversorgung (1779 Euro) und der öffentliche Dienst (eine exakte Zahl ist für 2002 nicht verfügbar) sowie die chemische Industrie (1737 Euro).

Auffallend ist ein deutliches Einkommensgefälle von der Sachgütererzeugung zu den Dienstleistungsbranchen, besonders ausgeprägt bei den Männern: der weitaus überwiegende Teil der männlichen Beschäftigten in der Sachgütererzeugung arbeitet in Branchen mit überdurchschnittlicher Entlohnung, während in den Dienstleistungsbranchen die Bezahlung nur im Bank- und Versicherungswesen über dem Durchschnitt liegt, sonst überall mehr oder weniger deutlich darunter.

Bei den weiblichen Beschäftigten sind diese sektoralen Differenzen weniger stark ausgeprägt. Insgesamt wirkt sich die langfristig beobachtbare Verschiebung der Wirtschaftsstruktur daher insofern zu Ungunsten der Arbeitnehmer aus, als die Beschäftigung in der Sachgütererzeugung zurückgeht und die Beschäftigungszunahme vor allem in Branchen mit unterdurchschnittlicher Entlohnung erfolgt. Um so wichtiger ist daher die solidarische Lohnpolitik der Gewerkschaften, die das Ziel verfolgt, mit den jährlichen Kollektivvertragsabschlüssen über die Kaufkraftsicherung hinaus für alle Beschäftigten einen möglichst gleichmäßigen Anteil an der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszunahme zu erreichen.

Ungleichheit der Einkommensverteilung nimmt zu

Neben dem wirtschaftlichen Strukturwandel wirkt die zunehmende Arbeitslosigkeit auf eine Vergrößerung der Einkommensunterschiede hin, da Personen mit geringerer Qualifikation und Entlohnung deutlich überproportional von der Arbeitslosigkeit betroffen sind und sich dort das Verhältnis von Angebot und Nachfrage am deutlichsten zu Ungunsten der Arbeitnehmer verschiebt. Es ist bereits im letzten Bericht (1999) eine leichte Zunahme der Ungleichheit der Verteilung der Löhne und Gehälter festgestellt worden, die sich auch über den Zeitraum von 1998 bis 2002 fortgesetzt hat.

Ein grobes Maß der Einkommensunterschiede ist der so genannte »Quartilsabstand«. Dazu wird die Gesamtheit der ihrer Größe nach gereihten Einkommensbezieher in vier gleich große Gruppen geteilt und der Unterschied zwischen dem obersten und dem untersten Viertel berechnet. Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer exklusive Beamte betrug das untere Quartil in Prozent des oberen Quartils 1998 52,4 Prozent, 2002 nur noch 51,6 Prozent. Diese Zunahme der Ungleichheit ist zwar nicht dramatisch, bei Anhalten dieser Tendenz driften aber die Einkommen längerfristig weiter auseinander. 1995 lag der entsprechende Wert noch bei 53,5 Prozent. Dass die Tendenz für Männer weniger stark ausgeprägt ist als für die Frauen, ist nicht zuletzt auch auf die starke Zunahme der Teilzeitarbeit bei den Frauen in den letzten Jahren zurückzuführen.

Vergleich mit USA und Großbritannien

Im Vergleich mit den USA und mit Großbritannien, wo in den letzten zwanzig Jahren die Einkommensungleichheit unter den unselbständig Beschäftigten massiv zugenommen hat, ist die Entwicklung in Österreich immer noch sehr moderat, ähnlich wie in anderen europäischen Ländern (z. B. Deutschland, Holland, skandinavische Länder).

Hier zeigt sich, welchen Unterschied es ausmacht, wenn die Gewerkschaften über die Kollektivverträge die Lohnentwicklung maßgeblich mitgestalten können, und welche Einkommensabsicherungen die sozialen Sicherungssysteme leisten, insbesondere die Arbeitslosenversicherung.

Einkommensunterschiede Männer/Frauen

Ohne Berücksichtigung der Veränderungen der Arbeitszeiten zeigt sich etwa seit 1995 eine gewisse Zunahme des Einkommensabstandes zwischen Männern und Frauen, während sich bis dahin der Abstand verringert hatte. 2002 lag das mittlere Einkommen der Arbeiterinnen bei 61,5 Prozent des Lohnes der männlichen Arbeiter. Bei den Angestellten lag diese Relation bei 59,5 Prozent, lediglich bei den Beamten kamen die Frauen mit fast 95 Prozent knapp an die Einkommen der Männer heran.

Die Daten des für 2001 vorliegenden »Einkommensberichts« von Statistik Austria erlauben einen Vergleich der Einkommen von ganzjährig Beschäftigten mit mehr als 35 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit nach den Funktionen im Beruf. Sie sind also eine Annäherung an den »Vergleich von Frauen- und Männereinkommen bei gleichen Arbeitsbedingungen« (siehe Tabelle 2).

 

Während die Einkommensnachteile der Frauen in den unbereinigten Daten bei 40 Prozent der Männereinkommen bewegen, betragen sie in dieser Betrachtung zwischen 13 Prozent und 32 Prozent (die FacharbeiterInnen sind in der Erhebung nur sehr schwach vertreten). Dies ist um so dramatischer, als dabei bereits ein Großteil der »Erklärungen« wie Arbeitszeitunterschiede und unterschiedliche Arbeitsanforderungen ausgeschaltet wurden. Es ist also von einem Einkommensnachteil von 20 Prozent auszugehen, der nur auf das Geschlecht zurückzuführen ist. Ein Einkommensnachteil von 10 Prozent kann als absolute Untergrenze gelten.

Betrachtet man die arithmetischen Mittelwerte der Einkommen und berechnet man die hypothetischen Durchschnittseinkommen der Frauen, die sich ergäben, wenn sie sich auf die einzelnen Funktionen so verteilen würden wie die Männer, so liegt dieses hypothetische Durchschnittseinkommen um 27 Prozent unter jenem der Männer.

 

Zunahme der Teilzeitarbeit von Frauen

Im Bereich der Arbeitszeit gibt es in den letzten Jahren ziemlich spektakuläre Veränderungen bei der Teilzeitarbeit (Arbeitszeit mehr als 12 und weniger als 36 Stunden wöchentlich) und bei der Lage der Arbeitszeit. Im Jahr 2002 waren bereits fast 470.000 Personen teilzeitbeschäftigt, davon waren 420.000 Frauen. In Prozent aller Beschäftigten (»Teilzeitquote«) ergab sich eine Zunahme von 10,6 Prozent 1995 auf 15,1 Prozent 2002. Dass die Teilzeitarbeit überwiegend weiblich ist, zeigt sich an der hohen Teilzeitquote der Frauen von 31,8 Prozent 2002 (1995: 24 Prozent).

Stagnierende Beschäftigung bedeutet steigende Arbeitslosigkeit

Seit der zunehmenden Differenzierung der Arbeitszeitformen wird auch die Lage der Arbeitszeit genauer erhoben. Regelmäßig am Samstag arbeiten etwa 20 Prozent der Beschäftigten, am Sonntag etwa 10 Prozent (Angaben für 2002). Zugenommen hat seit 1997 die Arbeit am Abend zwischen 20 und 22 Uhr, nämlich von 304.000 auf 430.000 Beschäftigte.

Bei der schwachen Wirtschaftsentwicklung, die Österreich in den letzten drei Jahren hatte, ist die Stagnation der Beschäftigung eine praktisch unausweichliche Konsequenz. Die offiziellen Zahlen über eine steigende so genannte »Gesamtbeschäftigung« geben hier insofern ein falsches Bild, als darin die KindergeldbezieherInnen enthalten sind, deren Zahl nach der Ausweitung der Ansprüche auf diese Leistung stark gestiegen ist. Maßgeblich ist die »Produktivbeschäftigung«, das sind alle tatsächlich in Arbeit stehenden Personen, und deren Zahl hat seit 2000 um 6200 zugenommen (+0,2 Prozent), also stagniert. Im selben Zeitraum hat das Arbeitskräfteangebot nicht unerheblich zugenommen, und zwar vor allem aus zwei Gründen:

 

Insgesamt ergab sich daher bei annähernd gleich bleibender Beschäftigung eine massive Zunahme der Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt wurde 2003 mit 240.000 der höchste Wert nach 1945 registriert, das sind gegenüber dem Jahr 2000 um 45.800 oder 23,5 Prozent mehr. Durch die stark erhöhte Zahl der nicht als Arbeitslose erfassten Schulungsteilnehmer unterschätzen diese Zahlen sogar das Ausmaß der Verschlechterung. Die Zahl der von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen ist dabei deutlich höher: 2002 waren dies 751.600 (Daten 2003 noch nicht verfügbar), nach 688.900 im Jahr 2000.

Die Arbeitslosenrate gemessen an der Zahl der unselbständig Beschäftigten stieg von 5,8 Prozent im Jahr 2000 auf 7 Prozent 2003. Dass die Arbeitslosenrate nach Eurostat-Definition mit 4,5 Prozent (2003) im Vergleich zu den anderen EU-Ländern und zum EU-Durchschnitt von 8,1 Prozent immer noch niedrig ist, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Arbeitsmarktlage in Österreich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert hat (siehe Grafik 4: »Arbeitslosenraten 2000 bis 2003«).

Nach Wirtschaftssektoren und Branchen betrachtet setzte sich gerade in der Phase der Stagnation die bereits erwähnte Umschichtung von der Sachgütererzeugung zu den Dienstleistungen (Tertiärsektor) beschleunigt fort. 2003 waren nur noch 28,2 Prozent aller Arbeitnehmer in der Sachgütererzeugung beschäftigt, der seit 2000 46.500 Beschäftigte verloren hat. Fast 71 Prozent arbeiten in dem in sich sehr heterogenen Dienstleistungsbereich, um 52.000 mehr als 2000. Die fortgesetzte Expansion des Tertiärsektors ermöglicht eine weitere Zunahme der Frauenbeschäftigung um 33.500 von 2000 bis 2003, während die Zahl der männlichen Arbeitnehmer um 27.300 zurückging.

Innerhalb des Tertiärsektors war die Beschäftigung in den beim Einkommen an der Spitze liegenden Branchen Bank- und Versicherungswesen und öffentliche Verwaltung rückläufig. Die Beschäftigung im Handel stagnierte, Beschäftigungszunahmen gab es bei den unternehmensbezogenen Dienstleistungen, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe.

Unzureichende Lohnsteuersenkung nach Belastungswelle

Die einseitige Fixierung der gesamten Wirtschaftspolitik der ÖVP-FPÖ-Regierung auf das Ziel Nulldefizit hat zu einer stark prozyklischen Budgetpolitik geführt. Vor allem durch Steuererhöhungen wurde das Budgetdefizit des Gesamtstaats parallel zu der 2001 voll einsetzenden Konjunkturabschwächung mit mehr oder weniger Gewalt auf Null gedrückt. Die finanziellen Belastungen der Arbeitnehmer erreichten in den Jahren 2001 und 2002 jeweils etwa zwei Milliarden Euro, wobei Entlastungen (z. B. Kindergeld) berücksichtigt und die Wirkung der Pensionsreform nicht eingerechnet ist. Auch angesichts einer sich ständig weiter verschlechternden Konjunktur- und Arbeitsmarktsituation konnte sich die Regierung nicht zu nennenswerten Konjunkturimpulsen aufraffen. Die 2004 wirksam werdende Lohn- und Einkommensteuersenkung wird durch die »Gegenfinanzierungen« (neuerliche Energiesteuererhöhung, Anhebung von Sozialversicherungsbeiträgen) überkompensiert. Dem konjunkturpolitisch dringend gebotenen Vorziehen der im Regierungsprogramm für 2005 angesagten »großen« Steuerreform hat sich die Regierung endgültig widersetzt.

Die nun bekannt gewordenen Maßnahmen dieser Steuerreform 2005 haben noch vorhandene positive Erwartungen auf Arbeitnehmerseite schwer enttäuscht und die Befürchtungen hinsichtlich einer interessenpolitisch extrem einseitigen Orientierung der Regierung bestätigt, ja übertroffen. Unter dem Vorwand einer angeblichen gefährlichen Konkurrenzierung des Wirtschaftsstandortes Österreich durch die Niedrigsteuerpolitik der Slowakei wird nun die Körperschaftssteuer um mehr als ein Viertel, nämlich von 34 auf 25 Prozent gesenkt. Damit bleiben von dem im Budgetprogramm mit 2,5 Milliarden Euro festgesetzten Spielraum für eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer nur noch 1,1 Milliarden Euro übrig. Das heißt, dass die vorangegangenen Belastungen der Unternehmungen zu weit mehr als 100 Prozent wieder rückgängig gemacht werden, bei den Arbeitnehmern aber kaum mehr als die Hälfte. Ein großer Teil der Arbeitnehmer wird gar nicht oder nicht nennenswert von der angeblich »größten Steuerreform aller Zeiten« profitieren.

Wenn eine bloß verteilungspolitische Bewertung der Steuerreform zweifellos zu einseitig wäre: auch unter konjunktur- und wachstumspolitischen Gesichtspunkten erscheint diese Steuerreform verfehlt. Sie bringt nicht die kurzfristig so notwendige Stärkung der Nachfrage und sie bietet keinen Anreiz für mehr Investitionen oder mehr zukunftsorientierte Aufwendungen der Unternehmungen für Forschung und Entwicklung oder Aus- und Weiterbildung.

Verschlechterungen bei den sozialen Sicherungseinrichtungen

Die beschäftigungspolitische Strategie der Regierung ist seit 2000 auf der einen Seite durch eine rezessionsverschärfende Fiskalpolitik und auf dem Arbeitsmarkt durch eine tendenzielle Verschlechterung von sozialen Sicherungseinrichtungen gekennzeichnet, durch die der Druck auf Arbeitskräfte, die ihren Arbeitsplatz verlieren, verstärkt wird, zu ungünstigeren Bedingungen eine neue Arbeit anzunehmen. Die Ersatzquote des Arbeitslosengeldes wurde leicht abgesenkt, eine Valorisierung während des Bezuges findet nicht mehr statt. Zwischen 1999 und 2002 ist das durchschnittliche Arbeitslosengeld (Taggeld) real um 1,9 Prozent gesunken, die Notstandshilfe sogar um 4,6 Prozent.

Während die Aufwendungen für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe infolge der höheren Arbeitslosenzahlen zugenommen haben, ist im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik die so dringend geforderte Intensivierung der Maßnahmen unterblieben. Die Zahl der geförderten Arbeitslosen hat mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht Schritt gehalten. Maßnahmen zur beruflichen Orientierung, zur Unterstützung der Arbeitssuche und zur Vermittlung reiner Anpassungsqualifikationen überwiegen, echte berufliche Umschulung findet immer weniger statt. Die ohnehin bescheidene Steigerung des Budgets der aktiven Arbeitsmarktpolitik 2002/03 war nur vorübergehend, 2004 fällt ihr Finanzierungsvolumen wieder zurück auf den Stand von 1999/2000, als die Arbeitslosigkeit noch deutlich geringer war.

Bei der schlechten Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre hatte die Erhöhung des Pensionsalters eine Zunahme der Arbeitslosigkeit zur Folge und dadurch eine Verschiebung der Kosten vom Pensionssystem in das System der Arbeitslosenversicherung. Zwar ist erstmals seit vielen Jahren die Zahl der Frühpensionen gesunken. Zugleich ist aber auch die Zahl der Arbeitslosengeld- und NotstandshilfebezieherInnen sowie der BezieherInnen von Pensionsvorschüssen deutlich angestiegen. Dem Rückgang von 11.000 Frühpensionen seit 1999 stand bis 2002 ein Zuwachs von 17.000 Arbeitslosenleistungen (inklusive Pensionsvorschüsse) gegenüber. Nicht berücksichtigt ist hier der Zuwachs von Leistungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Insgesamt bedeutet diese Entwicklung, dass zuletzt mehr unselbständig Erwerbstätige auf Sozialleistungen angewiesen waren und durch die Verlagerung vom Pensionssystem hin zur Arbeitslosenversorgung das Versorgungsniveau von tausenden Menschen gesunken ist.

Einen beachtlichen Zuwachs an LeistungsbezieherInnen brachte die Verlängerung des Karenzgeldes bzw. die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes mit sich. Bis Ende 2003 hat sich deren Zahl (netto) um annähernd 60.000 erhöht. Dies brachte zwar eine Entlastung am Arbeitsmarkt mit sich, hat aber die Chancen der betroffenen Frauen auf einen baldigen Wiedereinstieg verschlechtert, wenn auch nicht ganz so dramatisch, wie ursprünglich befürchtet worden war.

Ein eindrucksvolles Beispiel für langfristig positive Effekte der Sozialpolitik ist der Rückgang der Zahl der Arbeitsunfälle von 121.100 im Jahr 1999 auf 107.500 im Jahr 2002. Damit setzte sich hier insgesamt und besonders erfreulicherweise auch bei der Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle der seit Mitte der neunziger Jahre beobachtbare Trend fort.


R E S Ü M E E

Die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich steht nach der Wende zum 21. Jahrhundert im Zeichen der Stagnation. Die ohnehin recht bescheidene Zunahme des Durchschnittseinkommens wurde durch die Steuererhöhungen im Jahr 2001 empfindlich reduziert. Die Arbeitsmarktsituation drückte auf die Lohnentwicklung und hatte auch ein gewisses Zurückbleiben der unteren Einkommen hinter dem Durchschnittseinkommen zur Folge. Die maßgeblich von den Kollektivvertragsabschlüssen bestimmte Lohnentwicklung hat allerdings ein deutlicheres Auseinanderklaffen verhindert. Die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen haben leicht zugenommen - eine Entwicklung, die weitgehend auf die starke Zunahme der Teilzeit bei Frauen zurückzuführen ist.

Fühlbar verschlechtert hat sich die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die massive Zunahme der Arbeitslosigkeit bei stagnierender Beschäftigung. Die Regierung hat bewusst darauf verzichtet, hier gegenzusteuern, sie hat durch die forcierte Budgetkonsolidierung in einer Phase des Konjunkturabschwungs und der Wachstumsschwäche die Lage sogar noch verschärft. Die aktive Arbeitsmarktpolitik wurde nicht den gestiegenen Erfordernissen entsprechend intensiviert. Die Erhöhung des Pensionsalters und die Senkung der Ersatzquote bei der Arbeitslosenversicherung hat den Angebotsdruck auf dem Arbeitsmarkt verstärkt. Eine Ausweitung im Bereich der Sozialleistungen gab es nur durch die Reform beim Kindergeld.

Grob enttäuscht wurden letztendlich auch alle Hoffnungen auf Seiten der Arbeitnehmer, die von der groß angekündigten Steuerreform in der zweiten Legislaturperiode der ÖVP-FPÖ-Regierung wenigstens eine gewisse Korrektur der wirtschafts- und verteilungspolitischen Orientierung erwartet hatten. Die Steuerreform 2005 kommt nicht nur aus beschäftigungspolitischer Sicht zu spät, sondern begünstigt durch die Senkung der Körperschaftsteuer extrem einseitig die Unternehmungen und nimmt bei den Arbeitnehmern gerade einmal die Einkommensverluste durch die »kalte Progression« zurück. Aus dieser Bewertung ergibt sich die Forderung nach einer grundlegenden Neuausrichtung der Budget-, Steuer-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, für die Arbeiterkammer und ÖGB seit Jahren eintreten. Sie werden dies auch künftig tun und ihre Alternativen in die öffentliche Diskussion einbringen.

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Günther Chaloupek (Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413119831 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413119835 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413119843 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Apr 2004 00:00:00 +0200 1186413119505 Meine Forderung: Schafft endlich Arbeit! Arbeit&Wirtschaft: Kollege Tumpel, heuer ist ein Super-Wahljahr. Warum ist die AK-Wahl 2004 trotzdem für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so wichtig?
Herbert Tumpel: Die AK-Wahl ist heuer die wichtigste Wahl für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es geht um viel bei dieser Wahl. Es geht um eine starke Vertretung für die Anliegen und Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegenüber der Wirtschaft und gegenüber der Regierung. In einer Zeit, wo die Regierung Politik für Großunternehmer, Selbständige und Bauern macht, ist es wichtig, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine starke Stimme haben. Dafür sind wir da. Die Regierung belastet seit mehr als vier Jahren einseitig die Arbeitnehmer. Wir werden das weiterhin klar und deutlich aufzeigen. Und die AK wird, gemeinsam mit den Gewerkschaften, die Regierung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen: Für mehr und sichere Arbeitsplätze, für die Ausbildung der Jungen, für die Weiterbildung, dafür, dass Beruf und Familie vereinbar sind, für eine gut vorbereitete EU-Erweiterung. Mehr Arbeit in Österreich ist machbar.

Was ist zu tun? Die Regierung sagt ja, ihr sind die Hände gebunden, wenn die internationale Konjunktur nicht anspringt.
Tumpel: Das ist nur eine Ausrede! Natürlich sind wir in Österreich nicht unberührt von der weltweiten wirtschaftlichen Lage. Aber die Regierung kann selbst für mehr Arbeit in Österreich sorgen - wenn sie will. 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze sind sehr rasch möglich, wenn die Regierung die kleinen und mittleren Einkommen steuerlich entlastet und mehr Geld in den Ausbau von Straße, Schiene und Telekommunikation investiert. Wir brauchen diese 30.000 Arbeitsplätze ganz dringend - weil heuer wird ein schlimmes Jahr auf dem Arbeitsmarkt. Und diese Entwicklung zeichnet sich schon lange ab. Seit mehr als drei Jahren steigt die Zahl der Menschen, die dringend Arbeit suchen - Monat für Monat. Die Arbeitslosigkeit ist das größte Problem, das Österreich derzeit hat. Daher auch meine zentrale Forderung an die Regierung: Schafft endlich Arbeit!

Aber angeblich, sagt zumindest die Regierung, haben wir in Österreich ja trotz steigender Arbeitslosigkeit Rekordbeschäftigung und liegen auch international gut.
Tumpel: Beides stimmt nicht. Von Rekordbeschäftigung kann gar keine Rede sein, wir haben keine Rekordbeschäftigung in Österreich - das bestätigt auch das Wirtschaftsforschungsinstitut. Und international liegt Österreich bei der Beschäftigung weit weg von der Spitze.

Aber mir geht es auch nicht um irgendwelche internationalen Schönheitswettbewerbe, mir geht es darum, dass wir in Österreich was gegen die Arbeitslosigkeit tun. Und da passiert viel zu wenig. Der offizielle angebliche Beschäftigungszuwachs geht zu 90 Prozent auf die neuen Kindergeldregeln zurück - mehr Frauen und Männer können länger das Kindergeld beziehen. Und diese Personen werden in der Statistik als Beschäftigte gezählt, wenn sie zum Kindergeld was verdienen, werden sie sogar doppelt gezählt. Das hat mit einer Rekordbeschäftigung aber nichts zu tun. Seit dem Jahr 2000 sind in Österreich 61.000 Vollzeit-Arbeitsplätze verlorengegangen. Teilzeitjobs ersetzen immer öfter Vollzeitarbeitsplätze. Das zeigt ganz deutlich: Wir brauchen mehr Arbeitsplätze, mehr Beschäftigung.

Zu mehr Beschäftigung soll, sagt die Regierung, ja die Steuerreform führen.
Tumpel: Nicht einmal in der Theorie. Das ist eine Steuerreform für große Unternehmen und Bauern, aber ganz sicher nicht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Steuerreform geht in die falsche Richtung. Sie kommt zu spät, sie entlastet die kleinen und mittleren Einkommen nicht und sie bringt praktisch nichts für mehr Beschäftigung. Für Großunternehmen wird die Steuer gesenkt, obwohl kaum wo in Europa Unternehmer tatsächlich so wenig Steuern zahlen wie in Österreich. Ein Durchschnittsverdiener bekommt 2005 weniger als 20 Euro Entlastung heraus. Für mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer und Pensionisten gibt’s überhaupt keine Steuerentlastung, sondern nur Belastungen - wie die höhere Steuer auf Heizöl, Gas oder Kohle oder die höheren Krankenversicherungsbeiträge. Für über 800.000 Kinder in Familien, wo beide Elternteile arbeiten gehen müssen, damit das Geld ausreicht, bringt diese Reform überhaupt nichts. Auf der anderen Seite bekommt ein Generaldirektor, der allein mehr verdient als ein Arbeiterehepaar zusammen, den höheren Alleinverdienerabsetzbetrag. Die Bauern bekommen zig Millionen Euro für den billigeren Diesel. Hunderttausende Pendler werden mit einer Mini-Entlastung abgespeist. Das sind die Fakten. Das soll eine faire Steuerreform sein? Das ist keine Steuerreform, die diesen Namen auch verdient. Ich will eine Steuerreform, die die kleinen und mittleren Einkommen wirklich entlastet. Das ist fair und gerecht nach all den Belastungen der vergangenen Jahre. Und das kurbelt die Wirtschaft an und schafft Arbeitsplätze! Der Vergleich ist eindeutig: Die Steuerreform der Regierung bringt nur 0,4 Prozent zusätzliches Wachstum und maximal 5000 Arbeitsplätze. Zwei Milliarden Entlastung für die kleinen und mittleren Einkommen, so wie sie AK und Gewerkschaften fordern, bringen, zusammen mit zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur, 1,5 Prozent zusätzliches Wachstum und 30.000 Arbeitsplätze. Das ist eine Steuerreform, wie sie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen und wie ich sie von der Regierung verlange.

Besonders die Jungen haben es derzeit auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht.
Tumpel: Ja, und das macht mich sehr betroffen. Wir haben 30 Jahre lang praktisch keine Jugendarbeitslosigkeit gehabt in Österreich. Und jetzt so etwas! Zehntausende Junge haben keine Arbeit und keine Chance auf eine gscheite Ausbildung, mit der sie eine gute Zukunft auf dem Arbeitsmarkt haben. Die Wirtschaft bietet immer weniger Lehrstellen an - wenn ein junges Mädchen in Wien EDV-Technikerin lernen möchte, bekommt sie zu hören: geh halt nach Tirol - dort brauchen’s eh Lehrlinge im Fremdenverkehr. Was muss sich ein Jugendlicher denken, wenn er was Gscheites lernen will und dann bekommt er so was zu hören. Oder die Mädchen und Burschen bekommen nach langem Suchen zwar irgendeine Lehrstelle, aber nicht die, die sie wollten und nicht die, die ihre Eltern für sie wollten.

So kann es nicht weitergehen. Die Wirtschaft kann nicht immer weniger ausbilden und dann laut über einen angeblichen Facharbeitermangel jammern. Und auch da ist die Regierung gefordert. Für die Mädchen und Burschen, die keine Lehrstelle im Betrieb finden brauchen, wir genug und sichere Plätze im Auffangnetz für die Jugendausbildung. Die Jungen und ihre Eltern brauchen die Sicherheit, dass sie eine gute Ausbildung bekommen. Die Regierung muss auch dafür sorgen, dass es genug Plätze an den berufsbildenden Schulen gibt. Wenn sich an Schulen mit einem EDV-Schwerpunkt viermal, fünfmal, sechsmal so viele Junge anmelden, wie es in der ganzen Schule überhaupt Plätze gibt, kann man nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen. Ich fordere ein Zukunftspaket für die Jungen, damit sie die bestmögliche Ausbildung bekommen können. Wer bei der Bildung kürzt, nimmt den Jungen wichtige Chancen für die Zukunft.

Die AK hat das Recht auf Teilzeit, wie es die Regierung will, heftig kritisiert.
Tumpel: Ja, weil dieses so genannte Recht drei von vier Frauen ausschließt. Weil es nur in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten gelten soll - und das auch erst nach drei Jahren im Betrieb. Ich will ein Elternpaket mit ausreichend Kinderbetreuungsplätzen in guter Qualität, einem wirklichen Recht auf Teilzeit für die Eltern kleiner Kinder und familienfreundlichen Arbeitsplätzen - mit Betriebskindergärten, einer Mitgestaltungsmöglichkeit bei der Arbeitszeit für Eltern und Unterstützung für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger, etwa bei Bildungsmaßnahmen.

Bildung, Weiterbildung wird ja für alle Arbeitnehmer immer wichtiger.
Tumpel: Natürlich - und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen das ganz genau. Vier von fünf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sagen: Weiterbildung ist für mich wichtig. Und es werden immer mehr. Aber nur ein Drittel der Arbeitnehmer kommt im Betrieb bei der Weiterbildung zum Zug. Die so genannten Älteren, Frauen oder weniger Qualifizierte haben überhaupt fast keine Chance auf eine Weiterbildung im Unternehmen. Dabei wäre das ganz wichtig: Eine einzige Stunde EDV-Kurs kann schon so viel kosten, wie eine Arbeiterin an einem ganzen Tag verdient. Für viele ist das unerschwinglich. Und in dieser Situation hat die Regierung das Budget für die Weiterbildung um ein Viertel gekürzt - das ist unverantwortlich. Gerade jetzt, wo die Lage auf dem Arbeitsmarkt so schwierig ist, brauchen alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Chance zur Weiterbildung. Die Unternehmen und die Regierung müssen was tun. Weil eines ist klar: Gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Nulltarif wirds nicht geben.

Es scheint, als wollte die Wirtschaft diese angeblich fehlenden Fachkräfte lieber aus dem Ausland importieren.
Tumpel: Den Eindruck hab ich auch. Vielen kann es mit der EU-Erweiterung und der Öffnung des Arbeitsmarktes gar nicht schnell genug gehen. Da wird behauptet, es fehlen Fachkräfte und daher müssen die Grenzen gleich ganz aufgemacht werden. Wir haben nicht zu wenig Fachkräfte, wir haben zu viele Arbeit Suchende. Wenn Fachkräfte fehlen sollten, dann höchstens die, die salopp gesagt, einige in der Wirtschaft so gerne hätten: 35-jährige gut ausgebildete Männer, die bereit sind, für den halben Lohn doppelt so lange zu arbeiten.

Im Klartext: Mit der Osterweiterung wird der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steigen. Ich höre immer - es wird ja niemand kommen, nicht einmal die Ostslowaken wandern in die Westslowakei. Wir haben uns das ganz genau angeschaut. Wenn ein Ostslowake nach Bratislava wandert, kann er sein Gehalt "ver-1,6-fachen". Wenn er die paar Kilometer nach Wien weiterfährt, kann er sein Gehalt versechsfachen. Natürlich besteht für viele der Anreiz, in Österreich zu arbeiten. Wir brauchen daher Schutz für den Arbeitsmarkt: Wir brauchen dringend Maßnahmen, die den organisierten illegalen Schwarzunternehmern das Handwerk legen. Das sind keine einzelnen schwarzen Schafe. Das ist organisierter, systematischer Sozialbetrug. Da werden Kolleginnen und Kollegen um ihren Lohn betrogen, für den sie hart gearbeitet haben. Da werden die Krankenkassen um Millionen betrogen - alleine die bei der Gebietskrankenkasse Wien ausständigen Beitragszahlungen der Bauwirtschaft machen über 164 Millionen Euro aus. Die Regierung macht viel zu wenig. Bis 2006 werden 70.000 Arbeitnehmer aus dem Ausland in Österreich arbeiten. Das alles vor dem Hintergrund einer Arbeitsmarktlage, wie sie dramatischer kaum sein kann.

Wir haben jetzt schon zu viele Praktikanten aus Osteuropa, die als billige Regalschlichter und Künettengräber eingesetzt werden und in Wahrheit nichts lernen und ungarische Grenzgänger, die nicht, wie vorgesehen, nur im Burgenland arbeiten, sondern für österreichische Frächter als billige Lkw-Lenker quer durch ganz Europa fahren. Mit noch mehr Praktikanten, Grenzgängern, Saisoniers und weiteren Beschäftigungsabkommen unterläuft die Regierung die Übergangsfrist zum Schutz des österreichischen Arbeitsmarktes völlig. Es darf aber nicht sein, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Verlierer der Erweiterung werden. Und die Regierung macht auch sonst nichts, um Österreich auf die Erweiterung vorzubereiten. Wir brauchen dringend einen Ausbau von Straße und Schiene, damit Österreich bei der Erweiterung nicht im Verkehr erstickt. Außer einem Generalverkehrsplan, der das Papier nicht wert ist, ist nichts passiert. Wir brauchen dringend mehr Geld für die Aus- und Weiterbildung. Es reicht nicht, immer nur von den Chancen der Erweiterung zu reden. Die Regierung muss auch den Risiken vorbeugen.

Die Erweiterung dient ja jetzt auch als Argument für die Senkung der Unternehmenssteuern.
Tumpel: Ja, und das ist völlig absurd. Zuerst haben die Wirtschaftsvertreter gejubelt, dass mit der Erweiterung angeblich alles wunderbar wird. Jetzt drohen sie damit, in die Erweiterungsländer abzuwandern, wenn für sie in Österreich nicht die Unternehmenssteuern gesenkt werden. Dabei ist die effektive Körperschaftssteuer, die die Unternehmen unterm Strich wirklich zahlen, kaum wo niedriger als in Österreich.

Meine Hauptkritik ist, dass die Körperschaftssteuer einfach so mit der Gießkanne gesenkt wird. Da wird nicht geschaut, ob die Unternehmen investieren, ob sie was tun für die Ausbildung oder die Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, ob sie den Jungen eine Chance geben. Das ist einfach ein warmer Geldregen für die Unternehmen. Die österreichische Regierung muss sich darüber hinaus in Brüssel auch für einheitliche Unternehmenssteuern einsetzen. Es kann nicht sein, dass in Brüssel alles und jedes geregelt wird, aber bei den Unternehmenssteuern jeder machen kann, was er will. Österreich zahlt als Nettozahler viele hundert Millionen, damit Länder wie die Slowakei den Anschluss an die EU schaffen können. Und was machen die Slowaken? Sie nutzen das Geld, um mit einem Steuerwettbewerb nach unten österreichische Unternehmen anzulocken. Das muss schleunigst gestoppt werden. Es kann ja nicht sein, dass am Ende nur mehr die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den vollen Steuersatz zahlen!

Kollege Tumpel, du bist seit 1997 Präsident der Arbeiterkammer. Was sind die wichtigsten Veränderungen in dieser Zeit und was sind die Herausforderungen für die Zukunft?
Tumpel: Die wichtigste Veränderung ist, dass die Arbeitnehmer mit einer Bundesregierung konfrontiert sind, die sie einseitig belastet. Aber wir in der AK suchen uns keine Regierung aus. Wir vertreten ganz konsequent die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unsoziale Unfallrentensteuern, eine so genannte Pensionsreform, die schon im ersten Jahr gerade den so genannten Hacklern zehn Prozent Pension wegnimmt, eine Alibi-Steuerreform, eine völlig verfehlte Arbeitsmarktpolitik - wir zeigen das klar und konsequent auf. Wir sind aber auch ein moderner Dienstleister, auf den sich unsere Mitglieder verlassen können. Wir von der AK treten in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften dafür ein, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur Rechte haben, sondern auch Recht bekommen. Betriebsräte, Gewerkschafter, wir in der AK - wir wissen, welche Probleme die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben und die Arbeitnehmer wissen: Wir sind für sie da! Wer die AK als starke Interessenvertretung will, muss sie wählen! Die AK Wahl 2004 - das ist unsere Wahl!


ZUR PERSON HERBERT TUMPEL

Beharrlichkeit für Arbeitnehmeranliegen

Herbert Tumpel, geboren 1948, ist seit 1997 Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien und Präsident der Bundesarbeitskammer.

Tumpel ist ausgebildeter Textilingenieur und studierter Nationalökonom und begann 1973 als Mitarbeiter im volkswirtschaftlichen Referat des ÖGB, dessen Leitung er 1983 übernahm. 1987 wurde Herbert Tumpel Leitender Sekretär des ÖGB, zuständig für Grundsatzfragen und Finanzen.

Der AK-Präsident - Eigendefinition: beharrlich, wenn es um die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht - entspannt beim Laufen, Kochen und Lesen.

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Christian Spitaler http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1186413117780 Europäischer Sozialfonds: Nachdenkpause zur Halbzeit Anlass ist die Halbzeit der laufenden Programmperiode (2000-2006), aber auch die bevorstehende »Agenda 2007«, das ist der Budgetrahmen für die nächste Periode von 2007 bis 2012. Teil der neuen Budgetverhandlungen wird eine Neuorganisation der Strukturfonds sein. Da die große Erweiterung vor der Tür steht und zugleich die Lissabon-Strategie bis 2010 erfüllt werden sollte, bleibt einiges zu tun: Schaffung von Arbeitsplätzen, Reform der Arbeitsmärkte und vor allem Investitionen in Humankapital.

Die große Herausforderung

Nun stehen aber gerade einige harte Herausforderungen an: Wenn das Lissabon-Ziel der Vollbeschäftigung erfüllt werden soll, müssten bis 2010 - man möchte fast sagen: theoretisch! - in der EU-25 insgesamt noch 22 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Schaffung dieser Arbeitplätze ist eng mit der Investition in Humankapital verbunden, wie sie der ESF vorsieht. Doch das Beschäftigungs- und Armutsgefälle zwischen den Regionen ist immer noch groß und wird sich nach der Erweiterung verdoppeln. Es werden auch in Brüssel immer mehr Stimmen laut, die die Erfüllung der Lissabonziele als unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen für nicht machbar erklären.1)

Die Erweiterung im Mai wird unter dem Budgetrahmen stattfinden, der 1999 in Berlin beschlossen wurde. Die EU wird danach jedoch nicht mehr 15, sondern 25 Mitglieder zählen, und bis zu einer EU mit 28 Mitgliedern ist es nicht mehr weit. Das bedeutet einen Gebietszuwachs von mehr als einem Drittel und ein Viertel mehr Einwohner.

Damit wird auch die Zahl der Menschen, die in Regionen mit Entwicklungsrückstand leben, stark wachsen, nämlich von derzeit unter 70 Millionen auf 125 Millionen. Zugleich werden sich auch die Einkommensunterschiede vergrößern und die sozialen Unterschiede verschlimmern. Die Kaufkraft in den neuen Mitgliedsländern liegt bekanntlich deutlich unter dem derzeitigen EU-Durchschnitt.

Was kann der ESF?

Der Europäische Sozialfonds ist das wichtigste Finanzinstrument, mit dem die EU ihre beschäftigungspolitischen Ziele in konkrete Maßnahmen umsetzt. Er ist der älteste der so genannten Strukturfonds und wurde bereits 1957 im Vertrag von Rom verankert. Mit ESF-Mitteln wird seit über 40 Jahren in Programme investiert, die den Menschen helfen sollen, ihre Fertigkeiten und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu entwickeln.

Investition in Humankapital, also Ausbildung, Weiterbildung, Anpassungsfähigkeit und so fort, ist die Hauptaufgabe des ESF, zusammen mit der Umsetzung der Europäischen Beschäftigungsstrategie, die auf die Reform und Modernisierung der Arbeitsmärkte abzielt. Weitere Aufgaben sind Hilfestellungen bei der Armutsbekämpfung und die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt.

Die Programme, die die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen entwickeln oder wiederherstellen sollen, werden von den Mitgliedstaaten in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission erstellt und über Vermittler im öffentlichen und privaten Sektor umgesetzt. Zu diesen Vermittlern gehören unter anderen die Sozialpartner, also auch Gewerkschaften und Betriebsräte.

Während der Programmperiode von 2000 bis 2006 kommen 62,5 Milliarden Euro zum Einsatz. Dazu kommen noch 3 bis 4 Milliarden Euro für die neuen Mitgliedsstaaten für den Zeitraum von 2004-2006. Der ESF trägt zur Zeit etwa ein Drittel zur Gesamtsumme der insgesamt vier großen europäischen Strukturfonds2) bei.

Die Strukturfonds haben drei Ziele. Ziel 1 und 2 sind Regionen zugeordnet, das heißt Gebieten mit Entwicklungsrückstand und solchen mit strukturellen Schwierigkeiten. So hat das Burgenland Ziel-1-Status und damit Anspruch auf Fördermittel, die helfen sollen, den wirtschaftlichen Rückstand aufzuholen. Die Zahl dieser Ziel-1-Gebiete wird jedoch, wie erwähnt, ab Mai sprunghaft zunehmen.

Ziel 3, das den größten Anteil der ESF-Förderungen beansprucht, bezieht sich auf Themenbereiche, nämlich Beschäftigung, Ausbildung und Bildung. Der ESF finanziert auch die Gemeinschaftsinitiative EQUAL: Sie dient dazu, neue Wege gegen Diskriminierung und Ungleichbehandlung von ArbeitnehmerInnen und Arbeitsuchenden zu erproben.

EU-Projekte im ÖGB

Im EU-Projektbüro, das alle von der EU geförderten Projekte des ÖGB und der Gewerkschaften koordiniert, erfolgt auch die Koordination der Mitarbeit des ÖGB an EQUAL: der ÖGB ist an 24 der österreichweit 58 Entwicklungspartnerschaften - Netzwerke aus Teilprojekten - beteiligt und spielt vor allem in den Partnerschaften wie »Miteinander arbeiten und leben«, »Sensi_Tec« und »MIDAS« eine wesentliche Rolle.

Die Osterweiterung wird hier sehr positiv erlebt und gibt Anlass zu Optimismus. Elisabeth Mitter, verantwortlich für EQUAL im ÖGB, hält fest: »Netzwerke werden nach der Erweiterung wichtiger denn je werden. Wir arbeiten schon jetzt bei zahlreichen Projekten sehr intensiv mit den Beitrittsländern zusammen, ab Mai wird sich diese Zusammenarbeit noch verstärken.« Die Befürchtung, dass die Finanzmittel den Bedarf nach der Erweiterung nicht mehr abdecken könnten, teilt Mitter nicht: »Für gute Projekte wird es genauso wie bisher genügend Mittel geben.«

1) Darunter Wim Kok, Vorsitzender der Task Force »Beschäftigung«, deren Bericht vom letzten November pessimistisch ausfiel.
2) Die vier Strukturfonds sind: 1. Europäischer Sozialfonds ESF; 2. Europäischer Fonds für regionale Entwicklung EFRE; 3. Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft EAGFL; 4. Das Finanzierungsinstrument für die Ausrichtung der Fischerei FIAF.


I N F O R M A T I O N

EQUAL im ÖGB: ÖGB-Homepage unter 
www.oegb.at

Europäische Kommission - Generaldirektion (GD) Beschäftigung und Soziales:
europa.eu.int/comm/employment_social/index_de.html

ESF Österreich: 
www.esf.at

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Barbara Lavaud (ÖGB Europabüro) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1186413117775 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1186413117770 Standpunkt | Die Mucker und die Aufmucker Eine unterlegene Präsidentschaftskandidatin, die mit den »linken Emanzen« hadert, weil die angeblich ihre Wahl verhindert haben, hat einen gewissen Unterhaltungswert. Wie diese Frau allerdings sagen kann, sie hätte noch nie in ihrem Leben gelogen, ist mir ein Rätsel. Offensichtlich fehlt mir eine spezielle Brille, um diesen starken Schein des Heiligen zu erkennen.

Schneewittchen

»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Aufrichtigste im ganzen Land?«

»Frau Königin, das seid ihr. Hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen, ist allerdings eine, die ist noch viel aufrichtiger als ihr«, heißt es doch schon beim Schneewittchen. Oder so ähnlich jedenfalls.

»Alle Kreter lügen, sagte der Kreter Epimenides.« Dieses berühmte Paradoxon wird durch das so freimütige und offenherzige Geständnis von Frau Benita würdig und trefflich ergänzt. Wie dürsten wir doch alle nach der Wahrheit und wie haben wir doch alle diese tägliche Lügerei satt bis obenhin.

Speziell wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden ja täglich mit Lügen gefüttert wie die Stopfgänse. Alle meinen es so gut mit uns und wollen uns helfen bei den Pensionen und bei der Krankenversicherung, beim Kündigungsschutz und bei den Kollektivverträgen, bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei den Selbstbehalten im selben Fall. Alle wollen sie nur unser Bestes. Selbstbehalte bei den Arzneimitteln oder bei der Krankenhauspflege, Abschläge bei den Pensionen und Erhöhung von Gebühren - alles nur für uns und unser Wohl.

Was die lieben Leute nicht alles tun für uns. Bei der Krankenkasse bemühen sie sich wirklich und bald werden sie es schaffen, uns bei jedem Arztbesuch zwanzig Prozent Selbstbehalt aufzuhalsen. Ist das nicht eine Freude?

Übrigens, wissen Sie, liebe Leserin, warum unsere Wirtschaft nicht so wächst, wie sie sollte, warum der Aufschwung nur so »flach« verläuft?

Nein? Ich sag's Ihnen, denn ich hab's vor kurzem in einem Leitartikel in der altehrwürdigen gutbürgerlichen Zeitung »Die Presse« gelesen.

Da wären Sie sonst nie draufgekommen: Es ist der »absurde Kündigungsschutz«.

Es ist ja auch wirklich absurd, dass die armen Unternehmerinnen und Unternehmer die Leute nicht einfach auf die Straße stellen können. Da gibt es ganz lästige Kündigungsfristen und außerdem ist da immer noch eine Abfertigung zu zahlen. Ist doch wirklich absurd, nicht?

Billige und Willige

Wie die Kurve des Aufschwungs plötzlich steil ansteigen würde, wenn man jeweils eine teure Arbeitskraft durch eine oder zwei billigere ersetzen könnte. Bei einer Arbeitslosenrate von fast 8 Prozent gibt es ja genug billige und willige. Und wenn’s hart auf hart kommt, könnte man vielleicht auf eine »schwarze« Arbeitskraft zurückgreifen, nicht wahr? Solange die Strafen so gering und die Kontrollen so wenig sind, geht das ja wirklich sehr gut und profitabel.

Wir Lohnabhängigen kriegen es doch täglich eingebläut, was jetzt für uns gelten soll: Tief ducken und hoffen, dass es uns nicht trifft.

Oder gleich ein Kerzerl bei Sankt Florian: »Beschütz mein Haus, zünd' das vom Nachbarn an!«

Duckmäuserei und Muckertum

Was, aufmucken wollen Sie und die Leute über ihre Rechte aufklären? Etwa gar einen Betriebsrat gründen? Mitbestimmung? Einspruch erheben bei Kündigungen oder Entlassungen? Die Lohnabrechnung überprüfen und die Anwendung des Kollektivvertrages? Über die Einhaltung von Pausen und von Schutzbestimmungen wollen sie reden?

Aufbegehren wollen Sie, vielleicht noch gemeinsam mit anderen, kollektiv?

Ja, daran erkenne ich unsere Leserinnen. Die lassen sich nicht unterkriegen, halten nichts von Duckmäuserei und Muckertum. Die wissen auch, warum sie wählen gehen. Warum es wichtig ist. Warum es nicht den Anderen überlassen werden sollte. Die geben nicht auf - trotz allem. Die schicken auch noch die hin, die Zweifel haben.

Einer von uns sagt immer: »Wer nicht Politik machen will, mit dem wird Politik gemacht.« So ist es.

Deswegen: Wählen gehen! Mitreden! Aufmucken! Und Spaß dran haben ...

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1186413117764 Zehn Jahre freies Südafrika Es war einer jener Tage, die einem immer in Erinnerung bleiben. Vor Sonnenaufgang hatten wir ausländische Ehrengäste uns an einem Treffpunkt nahe dem großflächig abgesperrten Regierungsbezirk in Pretoria einzufinden. Es war noch finster und kalt. Mit Bussen wurden wir in den halbrunden, zum Park hin offenen Ehrenhof von Union Buildings gebracht, dem Sitz der südafrikanischen Regierung.

Als wir ankamen, ging gerade die Sonne auf, und es wurde ein ziemlich heißer Tag. Staatsgäste aus aller Welt waren gekommen, von Hillary Clinton bis Fidel Castro, um an der Angelobung des ersten demokratisch gewählten Präsidenten Südafrikas teilzunehmen. Und - so wie ich - Vertreter/innen von Anti-Apartheid-Bewegungen, die seit Jahrzehnten den Kampf der unterdrückten Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung um volle Bürgerrechte unterstützt hatten. Gegen Mittag an diesem 10. Mai 1994 legte der ehemalige Staatsfeind Nr. 1 seinen Amtseid ab: Nelson Rohlihlala Mandela.

Einen Tag später gab er die Zusammensetzung seiner Regierung bekannt, verfassungskonform aus Persönlichkeiten aller Parteien mit mehr als 10% Wählerstimmenanteil gebildet: African National Congress (der ehemaligen Befreiungsbewegung, die allein mehr als 63% der Stimmen erhalten hatte), Nasionale Party und Inkatha Freedom Party. Damit begann vor 10 Jahren das antirassistische Experiment Südafrika.

Geschichte der Diskriminierung

Eine Geschichte der Diskriminierung hatte in den Jahrhunderten zuvor der Geschichte Südafrikas ihren Stempel aufgedrückt: Ab 1652 hatten Einwanderer/innen aus Holland am Kap der Guten Hoffnung ein System der Leibeigenschaft und Sklaverei errichtet. Ab dem beginnenden 19. Jahrhundert und vor allem seit der Entdeckung der großen Diamanten- und Goldlagerstätten nach 1870, hatte Großbritannien begonnen, die einheimische Bevölkerung durch hohe Geldsteuern und Absiedlung in Reservate zur Annahme kaum bezahlter Lohnarbeit in den Bergwerken zu zwingen. Und ab 1948 hatte die von ideologischem Rassismus geprägte Nationalpartei all diese vorhandenen Mechanismen der Diskriminierung in ein System der so genannten Apartheid (»Getrenntheit«) kodifiziert, dessen Verwandtschaft mit den Nürnberger Rassegesetzen des Nationalsozialismus nicht zu leugnen ist: Klassifizierung aller Menschen Südafrikas in drei gesetzlich definierte Rassengruppen, Europäer, Afrikaner und Asiaten; Reservierung allen fruchtbaren Landes, qualifizierte Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten ausschließlich für »Europäer«; zwangsweise Umsiedlung von »Afrikanern« in entlegene, meist unfruchtbare Gebiete; Aberkennung politischer Mitspracherechte für »Nicht-Europäer« - kein Wahlrecht, keine politischen Parteien, teilweise auch ihre Gewerkschaften verboten. Diskriminierung war Grundgesetz im damaligen Südafrika. Durch den beharrlichen Widerstand der Bevölkerung und durch internationale Solidarität aber war dieses System Anfang der 1990er-Jahre zusammengebrochen, Verhandlungen mit dem aus »lebenslänglicher« Haft entlassenen Mandela und der von ihm geführten Befreiungsbewegung hatten die ersten demokratischen Wahlen vom April 1994 ermöglicht. Mit Spannung wurden nun die ersten Schritte der neuen Regierung erwartet.

Rückblickend ist heute zu sagen, dass dieses erste Jahrzehnt der demokratischen gesellschaftlichen Transformation Südafrika in wesentlichen Bereichen verändert hat. Hier läuft ein Projekt des Aufbaus einer nicht-diskriminierenden Gesellschaft, zu welchem in anderen Ländern kaum etwas Vergleichbares existiert und das in vieler Hinsicht Lehrbuchcharakter auch für die industrialisierten Länder des Nordens - inklusive die Europäische Union - besitzt: Wie gehen wir um mit Rassismus und Vergangenheitsbewältigung, wie und durch welche Wirtschaftspolitik können soziale Grundrechte verwirklicht werden? Die Bilanz dieser ersten zehn Jahre des Abbaus rassistischer Strukturen und ausbeuterischer Verhältnisse in Südafrika seit 1994 kann sich durchaus sehen lassen.

Auf staatlicher Ebene wurden stabile demokratische Institutionen geschaffen, die sich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich verankerten Nichtdiskriminierungsgebots widmen; die politische Gewalttätigkeit der letzten Jahre des Apartheidregimes wurde beseitigt, Todesstrafe und Folter abgeschafft, rechtstaatliche Verhältnisse im Justizwesen geschaffen. Die kulturelle und religiöse Vielfalt des Landes und seiner Bevölkerung wird nicht nur respektiert, sondern aktiv gefördert - was nicht zuletzt in der Anerkennung von elf (!) Amtssprachen zum Ausdruck kommt. Ein Prozess aktiver Vergangenheitsbewältigung wurde in Angriff genommen. Menschenrechtsverbrechen der Apartheidzeit (wie die systematische Folter und Ermordung politisch Andersdenkender, die medizinischen Experimente an »Schwarzen«, die Mitverantwortung von Konzernen, Medien und Kirchen an der Apartheid) wurden nicht unter den Teppich gekehrt, sondern in einem jahrelangen, in voller Öffentlichkeit stattfindenden Prozess aufgearbeitet und bewertet. Wichtigstes Element dabei war die vom früheren anglikanischen Erzbischof von Kapstadt und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu geleitetete Wahrheits- und Versöhnungskommission - eine Einrichtung ohne Parallele in der deutschen und österreichischen Geschichte nach 1945.

Restitution und Umverteilung

Aufgehoben wurden die wirtschaftlich unterentwickelten Reservate (»Homelands«) und damit die gesetzlich festgelegte Teilung in »europäischen« und »nicht-europäischen« Grundbesitz (87% der Fläche Südafrikas waren zuvor für die »weiße« Bevölkerungsminderheit reserviert gewesen); neun neue Provinzen sowie zahlreiche neue Gemeinden wurden geschaffen, um bisher nach Rassen getrennte und somit unterschiedlich geförderte Zonen in integrierte Entwickungsregionen zu verwandeln. Eine einheitliche Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik für das ganze Land wurde konzipiert - angesichts der südafrikanischen Geschichte keineswegs eine Selbstverständlichkeit.

Ein breit angelegter Prozess der Restitution von apartheid-enteignetem Grund und Boden samt Landreform wurde gestartet, in dessem Rahmen bis heute etwa drei Millionen Hektar Land umverteilt oder entschädigt wurden; das entspricht etwa einem Drittel der Fläche Österreichs. Dieser (im Gegensatz zum benachbarten Zimbabwe) transparent und daher nur langsam vor sich gehende Restitutionsprozess, in dessem Rahmen fast siebzigtausend (Sammel-)Anträge zu behandeln sind, soll nach den Vorstellungen der Regierung in den kommenden Jahren abgeschlossen werden; die spektakulärsten Fälle von Zwangsumsiedlung unter dem Apartheidregime (wie jene aus dem District Six in Kapstadt, die der Makululeke aus dem Kruger-Nationalpark oder des Dorfes Mogopa im westlichen Gauteng) wurden bereits durch die Übergabe von Besitzurkunden an die Nachkommen der seinerzeit vertriebenen Familien abgeschlossen.

Volle Gewerkschaftsfreiheit

Mit der Garantierung voller demokratischer Rechte für die gesamte Bevölkerung ging auch die Herstellung voller Gewerkschaftsfreiheit Hand in Hand. Drei große Gewerkschaftsverbände - der dem ANC nahestehende Congress of South African Trade Unions (COSATU), die Federation of Unions of South Africa (FEDUSA) sowie der National Council of Trade Unions (NACTU) - vertreten heute die Interessen der Beschäftigten; alle drei Organisationen gehören wie der ÖGB dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) an. Ein neues Arbeitsrecht wurde seit 1994 geschaffen, Grundlagen eines funktionsfähigen sozialen Dialoges zwischen Regierung, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und wichtigen Nichtregierungsorganisationen (etwa den Jugendverbänden) wurden gelegt. Durch die Verstaatlichung der Mineralienreserven des Landes und Konzessionserteilung nur an Firmen mit einem Mindestanteil an »schwarzen« Aktionären wurden darüber hinaus auch erste Schritte zur Umgestaltung der einseitig von »Europäern« dominierten Besitzverhältnisse an Produktionsmitteln getätigt.

Katastrophale soziale Hinterlassenschaft

Welchen Einfluss hatten all diese Reformen auf die konkrete Lebenssituation der Bevölkerung? Von Anfang an hatte sich die Regierung Mandela mit einer katastrophalen sozialen Hinterlassenschaft der Apartheidära konfrontiert gesehen. Etwa ein Viertel der Bevölkerung war obdachlos oder lebte in unzureichenden Wohnverhältnissen (in Zelten oder Wellblechhütten), zwei Drittel hatten keinen Zugang zu elektrischer Energie oder sauberem Wasser, etwa die Hälfte der Bevölkerung im wirtschaftlich potentesten Land Afrikas war unterernährt. Und: Armut betraf ausschließlich Menschen »schwarzer« Hautfarbe - ein deutlicher Ausdruck der entlang der »Rassengrenze« wirksam gewesenen Umverteilungspolitik des Apartheidsystems.

Zwar kann von einem endgültigen Durchbruch bei der Armutsbekämpfung in diesem ersten Jahrzehnt seit der Befreiung noch keine Rede sein. Erfolgen in einzelnen Bereichen, die im übrigen auch in einer merkbaren Verbesserung des so genannten Gini-Koeffizienten zum Ausdruck kommen, mit dem die Verteilungsgerechtigkeit einer Gesellschaft gemessen wird, steht die bisher ungelöste Schwierigkeit einer nachhaltigen Finanzierung sozial- und gesundheitspolitischer Maßnahmen gegenüber.

Essen und Gesundheit

Schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit hatte Mandela die Bereitstellung einer täglichen kostenlosen Mahlzeit für Schulkinder sowie kostenlose Gesundheitsversorgung für schwangere Frauen und Kinder bis zum fünften Lebensjahr angeordnet; finanziert wird dieses Programm aus dem vorwiegend durch Spenden südafrikanischer Unternehmer und ausländischer Entwicklungshilfe gespeisten Mandela-Kinderfonds.

Aus Budgetmitteln wurde ein massives Programm zur Armutsbekämpfung gestartet, in dessen Rahmen unter anderem bisher vernachlässigte städtische und ländliche Regionen mit Elektrizität, sauberem Trinkwasser etc. versorgt wurden - eine fühlbare Verbesserung der alltäglichen Lebensqualität; 3,8 Millionen Haushalte wurden im Rahmen dieses Programms an Elektrizität und sauberes Trinkwasser angeschlossen. Seit 1994 wurden in den ländlichen Regionen des Landes 486 neue Gesundheitsstationen errichtet, täglich werden 4,5 Millionen Gratismahlzeiten an Schulkinder abgegeben, etwa eine Million neuer Wohneinheiten wurde errichtet (was allerdings wesentlich unter dem geschätzten Bedarf von etwa 10 Millionen liegt) etc.

Wiederintegrierung in die Weltwirtschaft

Diesen nicht zu unterschätzenden Erfolgen im Sozialbereich stehen allerdings wirtschaftspolitische Schwierigkeiten gegenüber, die eine nachhaltige Sicherung und Ausweitung dieser sozialen Transformation bisher behindert haben. Nach Jahren außenwirtschaftlicher Isolation infolge der von der internationalen Gemeinschaft aus Protest gegen die Apartheid verhängten Sanktionen stand Südafrika 1994 vor der Notwendigkeit einer Wiederintegrierung in die Weltwirtschaft. Damit waren das Land und die weitreichenden Transformationspläne seiner neugewählten und von gewaltigen Erwartungen begleiteten Regierung allerdings auch mit dem neoliberalen Zeitgeist der Globalisierung konfrontiert: Privatisierungen der verstaatlichen Wirtschaft waren schon in den letzten Jahren der Apartheid eingeleitet worden, die Belastung der südafrikanischen Volkswirtschaft durch Auslandsschulden (zu deren Rückzahlung sich die neue Regierung bekannte) war hoch, und nun kamen noch die Herausforderungen einer Liberalisierung des Außenhandels gemäß den Spielregeln der neu errichteten Welthandelsorganisation (WTO) hinzu.

Arbeitslosigkeit und Aids

Südafrikas wohl zu rasche Akzeptanz dieses globalen Rahmens ließ eine von vielen unterschätzte Auslandsabhängigkeit seiner Volkswirtschaft erkennen. Hatte schon die Amtsübernahme Mandelas dazu geführt, dass Milliarden US-Dollar offenbar aus politischen Gründen aus dem »neuen« Südafrika abgezogen wurden, so gab die Berufung des ersten Zentralbankgouverneurs »schwarzer« Hautfarbe im Sommer 1998 Anlass zu Devisenspekulationen und zu einem schlagartigen Währungsverfall von 20 Prozent. Ökonomisch erwies sich die südafrikanische Exportwirtschaft in vielen Bereichen als entweder zu wenig konkurrenzfähig oder als dem europäischen Protektionismus im Agrarbereich nicht gewachsen. Der seitens der Europäischen Gemeinschaft mit großer Propaganda angekündigte Freihandelsvertrag fiel für die südafrikanische Wirtschaft enttäuschend aus, Investitionsanreize der Regierung führten zwar zu einem Anstieg der kurzfristigen, kaum aber zu langfristigen und beschäftigungsrelevanten Investitionen. Das Ausmaß der Arbeitslosigkeit (um die 40 Prozent) hat sich somit nicht verringert. Gleichzeitig brachte die verheerende HIV/Aids-Epidemie, die erst in den letzten Jahren in ihren vollen Tragweite zum Bewusstsein kam, auch eine schwere Belastung der staatlichen Gesundheitsausgaben mit sich - von den humanitären und bevölkerungspolitischen Konsequenzen gar nicht zu reden.

Neuer Wirtschaftskurs

Mandelas Nachfolger als Staatspräsident, Thabo Mbeki, hat daher in den letzten Monaten die Weichen wieder zugunsten eines keyesianistischen wirtschaftspolitischen Kurses gestellt.

Begünstigt durch die merklich gesunkene Auslandsverschuldung und angesichts einer international zunehmenden Erkenntnis des offensichtlichen Scheiterns der neoliberalen Wirtschaftsmodelle Großbritanniens und der Vereinigten Staaten sollen nun das Tempo der Privatisierung gebremst und die Außenhandelsbeziehungen mit anderen Ländern der Dritten Welt (etwa Brasilien, Indien oder China) stärker ausgebaut werden.

Ein gewaltiges Programm öffentlicher Arbeitsbeschaffung soll in den kommenden Jahren eine Million neuer Arbeitsplätze schaffen, die Infrastruktur (auch im Bahnbereich) soll ausgebaut, die Ausgaben aus dem Budget für Bildung, Soziales und Gesundheit sollen erhöht und durch eine verstärkte Einbeziehung von NGOs effizienter eingesetzt werden.

Rückbesinnung auf die eigenen ökonomischen Kräfte anstatt des ergebnislosen Hoffens auf ausländische Investoren scheint nun die Devise.

 
R E S Ü M E E

Südafrika wird nicht nur in Bezug auf die Bewältigung von Rassismus und der enormen menschenrechtlichen Belastung der Vergangenheit, sondern auch in wirtschaftspolitischer Hinsicht zu einem »Laboratorium«, dessen Bedeutung über das Land selbst und seinen afrikanischen Kontext weit hinausreicht. Ob sich Wirtschaftspolitik an der Verwirklichung sozialer Grundrechte oder an kurzfristigen Gewinninteressen orientierten sollte (und welche wirtschaftspolitische Strategie der Erreichung welches dieser beiden Ziele angemessen ist), ist heute eine Frage von globaler Relevanz - nicht zuletzt für die internationale Gewerkschaftsbewegung. Daher müssen auch wir an einem Erfolg des Modells »Neues Südafrika« interessiert sein. Daher verdient der Prozess der gesellschaftlichen Umgestaltung Südafrikas, wie er an jenem erinnerungswürdigen Tag des Jahres 1994 seinen Anfang genommen hat, auch weiterhin unsere Solidarität und Unterstützung.

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Walter Sauer (Internationales Referat des ÖGB) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1186413117758 Stress statt Transmissionsriemen Die Umsetzung der europäischen Bestimmungen zum Arbeitnehmerschutz erfolgte in Österreich vor allem durch das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (AschG) und die dazu erlassenen Verordnungen. Dieses Gesetz hat einige grundlegende Änderungen in den Regelungsbereich und das Verständnis des Arbeitnehmerschutzes gebracht. Dies wiederum brachte Umstellungen und Probleme für Unternehmen, Gesetzgeber, Sozialpartner und AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) mit sich.

Zwei wesentliche Neuerungen, die mit dem ASchG gekommen sind, seien kurz angerissen: Die Richtlinien der EU stehen alle unter dem Motto »weniger Staat, mehr privat«, also mehr Eigenverantwortung des Einzelnen. Im Arbeitnehmerschutz hatte dies zur Folge, dass die wesentlich verstärkte Eigenverantwortung des Arbeitgebers für einige Verunsicherung sorgte. Die neue Philosophie wird vor allem durch die weitgehende Umdefinierung der gesetzlichen Grundlagen weg von klaren Anforderungen und Detailregelungen hin zu Schutzzielen erkennbar. Begriffe wie »ausreichend«, »entsprechend«, »wenn es die betrieblichen Verhältnisse erfordern« oder »erforderlichenfalls« sind gängig und keine Seltenheit.

Logische Konsequenz dieses Ansatzes war die gesetzliche Forderung an den Arbeitgeber, seine Arbeitsplätze zu »evaluieren«, das heißt, die Gefahren im Zusammenhang mit der Arbeit zu ermitteln, zu beurteilen und Maßnahmen gegen sie festzulegen. Die Brisanz dieser Forderung liegt darin, dass dieser Prozess dokumentiert werden muss und somit auch - vom Arbeitsinspektor, oder im schlimmsten Fall einem Staatsanwalt -schriftlich eingefordert und überprüft werden kann.

Der Arbeitgeber wurde also durch das ASchG zu »aktivem Tun« verpflichtet, das bloße Einhalten von gesetzlichen Mindestanforderungen allein ist nicht mehr möglich. Wie will man auch die Forderung, eine ausreichende Anzahl geeigneter Löscheinrichtungen bereitzustellen, einfach »einhalten«? Bildlich gesprochen stand der Unternehmer plötzlich vor der Notwendigkeit, sich mit der Evaluierung quasi seinen eigenen Bescheid zu erstellen - schriftlich, nachvollziehbar, überprüfbar und somit auch angreifbar.

Das zweite schwierig umzusetzende Novum war die Forderung nach sicherheitstechnischer und arbeitsmedizinischer Betreuung für alle Betriebe, nicht nur für Großbetriebe. Diese Forderung hatte starke organisatorische Anstrengungen auf betrieblicher Seite, bei Behörden, Interessenvertretungen und AUVA zur Folge. Die AUVA hat diesbezüglich eine eigene Organisationseinheit geschaffen. Die »Präventionszentren« (AUVAsicher) bieten auf Anfrage die Betreuung von Kleinbetrieben mit bis zu 50 Arbeitnehmern kostenlos an.

Zukünftige Herausforderungen

Seitdem sind einige Jahre vergangen und die Richtlinien wurden in Österreich weitgehend umgesetzt. Begriffe wie »Arbeitsplatzevaluierung«, »Schutzziele«, »Kleinbetriebsbetreuung« oder »Risikoanalyse« sind keine Fremdwörter mehr.

Doch Stillstand ist Rückschritt, und auch die Europäische Kommission sowie die Agentur wollen den Arbeitnehmerschutz weiterentwickeln und an neue Gegebenheiten anpassen. Im März vorigen Jahres veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung zur »Anpassung an den Wandel von Arbeitswelt und Gesellschaft: eine neue Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz 2002-2006«. In diesem Dokument werden die Weichen für die zukünftige Marschrichtung im europäischen Arbeitnehmerschutz gestellt.

EU-Umfrage zu Arbeitsbedingungen

Die europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit Sitz in Dublin führte heuer eine Umfrage in den Mitgliedsstaaten durch, die eine Zunahme der arbeitsbedingten Gesundheitsprobleme, die Intensivierung der Arbeit und flexible Beschäftigungsformen ergab. Resümee: die Anforderungen, Gefahren und Belastungsfaktoren verschieben und verändern sich, aber es ist im Ganzen keine subjektive Verbesserung der Arbeitsbedingungen festzustellen.

Es wurde eindringlich vor der falschen Annahme gewarnt, dass Arbeitsbedingungen sich quasi von selbst verbessern und ein einmal erreichter Standard »automatisch« dort bleibt, wo er ist. Stillstand ist Rückschritt - ein altes Schlagwort, aber nach wie vor gültig.

Arbeitsbedingungen im Wandel

Ohne alte und wichtige Themen wie Maschinensicherheit, Elektroschutz oder Lärmschutz in den Hintergrund drängen zu wollen, muss man feststellen: Die Schwerpunkte der Präventionsarbeit verlagern sich und neue Themen gewinnen an Bedeutung. Themen wie Stress, Mobbing, Belastungen des Bewegungs- und Stützapparates, Ergonomie oder neue Arbeitsstoffe werden forciert. Kleinunternehmen, die demographische Entwicklung, neue Beschäftigungs- und Ausbildungsformen rücken in den Mittelpunkt der Überlegungen.

Die Präventionskultur soll sich wandeln: Weg von der Belehrung hin zur Sensibilisierung und Motivierung. Natürlich muss es auch weiterhin Experten für die verschiedenen Fachbereiche geben, aber der Trend muss eindeutig zu einer Ausbildung gehen, die auf Risikobewusstsein und Eigenverantwortung angelegt ist. Überzeugen statt überreden muss das Schlagwort sein.

Im Folgenden einige allgemeine Ideen darüber, welche Themen und Schlagworte in den nächsten Jahren von der EU und der Agentur forciert werden sollen.

Soziale Risiken

Geht es im klassischen technischen Ansatz der Prävention vor allem darum, gefährdende Situationen durch sichtbare technische Schutzmaßnahmen zu vermeiden oder einzudämmen, ist der heutige Ansatz wesentlich weiter gefasst: Ziel ist die Verbesserung des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens bei der Arbeit. Der Faktor Mensch rückt in den Mittelpunkt, gefährdende Faktoren wie Zeitdruck, zu wenig, zu viel oder schlechte Information, Stress, Mobbing oder Alkoholprobleme werden thematisiert.

Neue Risiken - Neue Ansätze

Neue Schwerpunkte und Ziele verlangen einen geänderten und erweiterten Ansatz für die zukünftige Präventionsarbeit. So wird ein neuer, interdisziplinärer Ansatz weiter forciert werden müssen, in dem Technik, Arbeitsmedizin, Psychologie, aber auch Wirtschafts- und Sozialwissenschaft koordiniert und ergänzend zusammenarbeiten müssen. Arbeitnehmerschutz darf in den Köpfen der Betroffenen kein isoliertes und schon gar kein lästiges Thema sein. Das Verständnis dafür, dass Präventionskultur im Betrieb ein harmonischer, unverzichtbarer und notwendiger Teil des Ganzen ist, muss transportiert werden. Das erklärte Ziel ist es, dass Arbeitnehmerschutz zu einem natürlichen Bestandteil und Kriterium bei betrieblichen Entscheidungen wird.

Systeme statt Einzellösungen

Hier knüpft nahtlos das Konzept an, die Präventionsarbeit weg von der Behandlung von Einzelfällen hin zu systematischen Systemen zu entwickeln. Es müssen in verstärktem Ausmaß Organisations-, Management- und Methodikthemen forciert werden, von Einzelfällen gelöste Prozesse für bestimmte Branchen und Betriebsgrößen entwickelt werden. Diese Arbeitnehmerschutzsysteme bzw. integrierte Systeme von Sicherheit, Qualität und Umweltschutz sollen auch auf europäischer Ebene entwickelt werden.

Die kleineren Betriebe waren lange ein Stiefkind der Prävention, die Arbeit beschränkte sich fast ausschließlich auf mittlere und große Unternehmen. Die besonderen Anforderungen und Ansprüche von Kleinbetrieben waren mit früheren Strukturen schwer bis gar nicht zu befriedigen.

Neue Zielgruppe Kleinbetriebe

Da jedoch die überwiegende Mehrzahl der europäischen Betriebe in diese Kategorie fallen, kann ein Ausblenden dieser Problematik auf Dauer nicht verantwortet werden. Die Forderung nach Berücksichtigung von Kleinunternehmen zieht sich seit langem wie ein roter Faden durch viele Bereiche der EU, im Arbeitsschutz wurde bereits 1995 ein »Handbuch für eine Selbstüberprüfung über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz« herausgegeben.

Kosten und Nutzen

Häufig scheitern innovative und gute Präventionskonzepte an der Unwilligkeit der Unternehmer, in Sicherheit zu investieren. Der soziale und menschliche Zugang allein reicht oft leider nicht aus, die Sache muss auch finanziell vertretbar sein. Deshalb ist es der Kommission ein Anliegen, die »Kosten der Nichtqualität«, also die direkten und indirekten Kosten, die durch arbeitsbedingte Unfälle und Krankenstände anfallen, möglichst objektiv zu erforschen und den betrieblichen Entscheidungsträgern zu vermitteln. Erhöhte Produktivität und verbesserte Wettbewerbsfähigkeit gehen Hand in Hand mit guten Arbeitsbedingungen und einer gesunden und motivierten Belegschaft.

Arbeitnehmerschutz ist auch keine »Insellösung«, sondern ein integrierter Bestandteil des gesamten betrieblichen Geschehens.

Alle Beteiligten und Betroffenen müssen in die Prävention eingebunden werden. Arbeitnehmerschutz ist nicht nur Angelegenheit von einigen wenigen Experten.

So wird von der Kommission in der Einleitung der Mitteilung über die Gemeinschaftsstrategie festgehalten: »Die Politik der Gemeinschaft muss daher im Rahmen einer Regierungsführung, die sich auf die Teilnahme aller stützt, sämtliche Akteure einbeziehen - Behörden, Sozialpartner, Unternehmen, öffentliche und private Versicherer usw.«

Durch eine breit gefächerte Anhörung und vertretbare Berücksichtigung unterschiedlicher Zugänge soll eine möglichst weite Akzeptanz erreicht werden, was auch in Sachen Verbreitung der Inhalte wesentliche Vorteile bringt.

Letztlich ist die Forderung nach einer möglichst breiten Basis auch eine logische Konsequenz aus dem Wunsch, den Arbeitnehmerschutz aus seiner Isolation herauszulösen und als Bestandteil der Betriebskultur zu etablieren.

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Christian Schenk (Präventionsexperte der AUVA) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1186413117755 Wie weiter mit dem Gesundheitswesen? Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Mitte März die Neuregelung des Ausgleichsfonds der Krankenkassen aufgehoben. Das Problem der Finanzierung des Gesundheitswesens ist damit wieder höchst aktuell. Es müssen sehr schnell nachhaltige Lösungen gefunden werden.

VfGH-Urteile

Vom VfGH aufgehobene Gesetze im Bereich der Sozialversicherung:
16. 3. 2001: Die Ambulanzgebühr wird wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung aufgehoben. Reparaturfrist und neue Beschlussfassung.
17. 12. 2002: Die Besteuerung der Unfallrenten wird wegen fehlender Übergangsfristen als verfassungswidrig aufgehoben.
27. 6. 2003: Die im Herbst 2000 beschlossene Neuregelung der Hinterbliebenenpensionen wird als verfassungswidrig angesehen.
10. 10. 2003: Der VfGH kippt die Reform des Hauptverbandes.
13. 3. 2004: Teile des Ausgleichsfonds der Sozialversicherungsträger werden als verfassungswidrig aufgehoben.

VfGH-Entscheid: Alle wesentlichen Elemente des im Jahr 2002 von der Regierung beschlossenen Modells zur Sanierung der Krankenkassen wurden als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben: die Neuregelung des Ausgleichsfonds, die Zielvereinbarungen, die Erhöhung der Beiträge, die »Zwangsdarlehen« und die Einbeziehung von vier weiteren Krankenkassen in den Fonds.

Der Ausgleichsfonds soll der unterschiedlichen Versichertenstruktur der verschiedenen Kassen Rechnung tragen. Denn Kassen in den Bundesländern, in welchen es mehr Menschen mit niedrigen Einkommen, mehr Arbeitslose oder Pensionisten gibt, haben eine vergleichsweise schlechtere Finanzsituation. Daher haben alle Gebietskrankenkassen 2% ihrer Beitragseinnahmen in den Ausgleichsfonds gezahlt, der derartige Unterschiede in der Versichertenzusammensetzung teilweise ausgeglichen hat.

Im Jahr 2002 wurden die Kassen der Bauern, der Eisenbahner und der öffentlich Bediensteten in den Ausgleichsfonds integriert mit der Folge, dass etwa die Rücklagen der Eisenbahner abgezogen wurden und die Kasse der Bauern, die nie Einzahlungen in den Ausgleichsfonds geleistet hat, auf einmal große Zuflüsse aus dem Fonds erhalten hat. Des Weiteren wurde der Beitragssatz für die Zahlungen in den Fonds von 2% auf 4% angehoben und Zahlungen in den Fonds nicht nur von der Versichertenzusammensetzung abhängig gemacht, sondern auch davon, ob die Kassen die Vorgaben des Hauptverbandes umsetzen oder nicht.

VfGH: »Die Neuregelung des Ausgleichsfonds durch die Einbeziehung weiterer Krankenkassen (konkret: die Versicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter, die der Eisenbahner, die der Gewerblichen Wirtschaft und die der Bauern) führt zu systemimmanenten Benachteiligungen bzw. Begünstigungen einiger Krankenkassen.«

Höhere Beitragssätze

Schon höhere Beitragssätze in einzelnen Krankenkassen bzw. zusätzliche Einnahmequellen (wie etwa Selbstbehalte) haben zur Folge, dass sie im Ausgleichsfonds-System stärker belastet werden. Die Erhöhung des Beitrags von 2% auf 4% wurde als verfassungswidrig aufgehoben, weil die Mittel u. a. für die Zahlungen im Zusammenhang mit der Zielerreichung verwendet werden sollten.

Unklarheiten über den Charakter und die Regelungen zu den Zielvereinbarungen - die eigentlich keine Vereinbarungen sondern Vorgaben sind - wurden ebenso als verfassungswidrig erkannt wie die Verpflichtung mancher Kassen, dem Fonds Zwangsdarlehen zu gewähren.

Die aufgehobenen Regelungen dürfen nicht mehr angewandt werden. Auf ihrer Grundlage sind bisher 561 Millionen Euro geflossen. Rückzahlungen werden die Folge des Urteils sein.

Es stellt sich die Frage, wie die defizitären Kassen die aus dem Fonds erhaltenen Beträge zurückzahlen sollen.

Hinweise wie jene der Ministerin, die meinte, der Obmann der Wiener Kasse solle »in sich gehen und überlegen, was schiefgegangen ist«, werden dem Ernst der Lage nicht wirklich gerecht, zumal der Gesetzgeber dieses Problem geschaffen hat und nicht die Gebietskrankenkassen.

 Neuerungen im Gesundheitswesen 2004

Für alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen wird seit Jahresbeginn in der Krankenversicherung ein »Zusatzbeitrag für Freizeitunfälle« von 0,1% eingehoben. Dieser ist allein von den Versicherten zu bezahlen, der Dienstgeberbeitrag ist davon nicht betroffen! Es handelt sich um eine Beitragssatzerhöhung ohne neue Leistungen, denn Freizeitunfälle waren schon bisher versichert.

Für Angestellte beträgt der Dienstnehmerbeitrag in der Krankenversicherung ab heuer 3,7%, also um 0,3% mehr als im Vorjahr. Für ASVG-PensionistInnen werden die KV-Beiträge 2004 und 2005 um jeweils 0,5% erhöht. Hinzu kommt der erwähnte »Zusatzbeitrag für Freizeitunfälle«, womit 4,35% (2004) bzw. 4,85% (2005) zu bezahlen sind.

Wenn Christoph Leitl vorschlägt, die Kassen sollen bei drohender Zahlungsunfähigkeit kurzfristig Kredite aufnehmen, so stellt dies lediglich einen teuren Aufschub, aber keinesfalls eine Lösung des Problems dar.

Explodierende Gesundheitsausgaben?

Trotz der schwierigen Finanzsituation der Krankenkassen muss eines festgehalten werden: Die Gesundheitsausgaben in Österreich sind im internationalen Vergleich der Industrieländer relativ gering. Die gesamten Gesundheitsausgaben (öffentliche und private) lagen im Jahr 2001 in Österreich bei 7,4% des BIP. Spitzenreiter waren die USA mit 13,7%, die Schweiz und Deutschland lagen bei 10,4%.

Auch im Zeitvergleich ist die Ausgabenentwicklung keineswegs dramatisch.

Das österreichische Finanzierungsproblem resultiert aus der Entwicklung, dass die Einnahmen hinter den Ausgaben zurückbleiben. Das liegt auf der Einnahmenseite an Faktoren wie der hohen Arbeitslosigkeit und dem Verlust an gut bezahlten Vollzeitarbeitsplätzen. Seit dem Jahr 2000 sind 61.000 Vollzeit-Arbeitsplätze verlorengegangen. Gleichzeitig stiegen die Teilzeitstellen um 65.000. Auf der Ausgabenseite wirken vor allem die Medikamentenkosten als Preistreiber. Der steigende Anteil älterer Menschen zusammen mit neuen Behandlungsmethoden hat ebenfalls erhöhte Kosten zur Folge.
Von 1997 bis 2002 stiegen:

  • Das BIP um 18%.
  • Die Versicherungsleistungen der Krankenkassen um 24,4%.
  • Die Beitragseinnahmen um 14,3%.
  • Die Arbeitnehmerentgelte um 16,4%.

Ausgabenbegrenzung?

Eine Koppelung der Ausgaben an die Einnahmen, die von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat vorgeschlagen wurde, liefe auf weitere Belastungen für kranke Menschen hinaus. Diese tragen aber keine Schuld an der ungünstigen Einnahmen-Ausgabenentwicklung der Krankenkassen.

Darüber hinaus hat die Regierung selbst durch einige Maßnahmen den Krankenkassen Finanzierungsquellen »abgedreht« (siehe Kasten).

Verländerung oder Vereinheitlichung?

Die Regierung plant nun eine völlige Neuordnung des Gesundheitswesens: Unter dem Schlagwort »Gesundheitsagenturen« sollen zwei Ziele umgesetzt werden:

  • Eine weitere Kompetenzverschiebung zu den Ländern.
  • Eine Entmündigung der Krankenkassen bzw. der Selbstverwaltung.

Eine weitere »Verländerung« des Gesundheitswesens wäre eine bedenkliche Entwicklung. Denn das hieße, dass Gebietskrankenkassen mit gleichen Beitragssätzen verstärkt unterschiedliche Versicherungsleistungen erbringen würden.

Die Sozialversicherung verliert im Rahmen der geplanten Gesundheitsagenturen ihre Gestaltungsmöglichkeiten und wird auf eine reine »Vollziehung« der Vorgaben der Gesundheitsagentur reduziert. Die Planungs- und Steuerungsbeschlüsse der Agentur sind für die Sozialversicherung verbindlich. Es ist aufgrund der letzten VfGH-Urteile (Hauptverband, Krankenkassenausgleichsfonds) nicht davon auszugehen, dass diese Konstellation verfassungskonform ist, weil jene selbstverwalteten Kassen, die die Leistungen finanzieren, keine Gestaltungsmöglichkeiten auf den Leistungskatalog hätten.

Die Gesundheitsagentur soll folgendermaßen beschickt werden:

  • 40% Länder
  • 20% Bund
  • 40% Sozialversicherung

Das ergibt wieder eine Mehrheit für Schwarz-Blau. In den Krankenkassen richtet sich die Entsendung der Vertreter der ArbeitnehmerInnen nach den Ergebnissen der AK-Wahl. Diese fände in der Zusammensetzung der Gesundheitsagenturen keinerlei Entsprechung mehr.

Gesundheitsagenturen

Ministerin Maria Rauch Kallat will die Gesundheitsagenturen im Herbst beschließen lassen. Das Thema sei mit den Finanzausgleichsverhandlungen verknüpft, die bis Ende des Jahres neu geregelt werden müssen.

Die Gesundheitsagenturen würden die gesamten Mittel in den Bundesländern zusammenfließen lassen und damit die gesamte Gesundheitsversorgung finanzieren.

Dies würde zu einer Kompetenzverteilung weg von der Sozialversicherung führen, welche nicht gerechtfertigt wäre. Die Verwaltungskosten der Landesfonds haben sich 1997 bis 2001 verdreifacht, die der Kassen sind nur um 7% gestiegen.

Laut Franz Bittner, Chef der Wiener Kasse, zahlen Bund, Länder und Gemeinden nur 26% der Krankenhausausgaben, hätten jedoch in der Gesundheitsagentur eine Mehrheit (Wirtschaftsblatt vom 18. 3. 2004). Wenn man auch die niedergelassenen Ärzte berücksichtigt, finanziert die Krankenkasse etwa zwei Drittel der Kosten.

In diese Kerbe schlägt auch Hans Sallmutter. »Die Sozialversicherungen würden so nur noch die Ausgaben abwickeln, können aber die Verwendung der Mittel, die Leistungen und die Verhandlungen mit den Vertragspartnern nicht mehr gestalten«, so Sallmutter. »Länder und Gemeinden sind Anbieter von Spitälern und haben ein Interesse, dass hier mehr Geld hineinfließt.«

Strukturausgleich

Eine zusätzliche Verländerung kann aber nicht die Antwort auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen sein. Denn je nach Höhe der Einkommen, dem Verhältnis zwischen Beschäftigten zu Arbeitslosen und Pensionisten haben die Kassen eine gute oder schlechte Finanzsituation. Eine Form des Risikostrukturausgleiches wäre hier durchaus notwendig, wenn man den Weg einer Zusammenlegung der Kassen nicht gehen will. Das VfGH-Urteil schreibt vor, den Ausgleichstopf zwischen unterschiedlichen Kassen aufzuheben (Bauern und Gebietskrankenkassen), nicht jedoch zwischen den Gebietskrankenkassen selbst.

Privatisierung?

Die Gesundheitsagenturen könnten sich auch als Weg zu einer weiteren Privatisierung der Gesundheitsausgaben entpuppen. So ist im diesbezüglichen Papier zu diesem Thema schon vom »Einkauf von Leistungen am Gesundheitsmarkt« die Rede. Der Wirtschaftsbund fordert in diesem Zusammenhang eine schrittweise Privatisierung von Spitälern und eine Zurückdrängung der Arbeitnehmervertreter in den Krankenkassen.

Derzeit werden die Gesundheitsausgaben zu 68,5% öffentlich (Sozialversicherung, Bund, Länder, Gemeinden) und zu 31,5% privat getragen.

Sinnvolle Reformvorschläge

Gesundheitsministerin Rauch-Kallat will die öffentlichen Gesundheitsausgaben bei 5,5% des BIP einfrieren. Das bedeutet, dass der zu erwartende zusätzliche Bedarf an Leistungen des Gesundheitswesens automatisch von den Betroffenen selbst aufgebracht werden muss und damit kein Solidarausgleich stattfindet. Die Probleme würden zunehmend auf jeden Einzelnen abgewälzt werden.

Sinnvolle Gesundheitsreformen müssen sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben ansetzen, ohne Grundlagen wie einen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen und Solidarausgleich durch die Pflichtversicherung in Frage zu stellen. Eine verstärkte Finanzierung des Systems über Selbstbehalte ist unsozial und daher abzulehnen. Selbstbehalte belasten sozial schwache und krankheitsanfällige Menschen überproportional.


 Maulkorberlässe für die Sozialversicherung

Die Regierung verbietet den SV-Trägern per Gesetz die freie Meinungsäußerung:
Schritt 1: SV-Träger dürfen Informationen an die Versicherten nur nach Absprache mit den betreffenden Ministerien aussenden. (Hintergrund: Die SV-Träger haben die Versicherten kritisch über den »Unsinn« der Ambulanzgebühren informiert, zu deren Umsetzung sie gezwungen wurden.)
Schritt 2: SV-Träger müssen die Versicherten im Auftrag des Ministeriums in dessen Sinne informieren.
Schritt 3: Auch die neuerliche Deckelung der Verwaltungskosten auf Basis 1999 kommt einer Knebelung der Entscheidungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger gleich.

Probleme der derzeitigen Struktur

Im gegenwärtigen Gesundheitssystem gibt es eine Vielzahl an Akteuren, Leistungsfinanciers und Leistungserbringern. Hier ein Mehr an Koordination und ganzheitlichem Denken einzuführen wäre durchaus sinnvoll. Doch nicht jeder Vorschlag, der dies offiziell zum Ziel hat, würde die Situation optimieren.

Ein wesentlicher Grundsatz sollte sein, dass die Leistungsfinanciers im Rahmen der Selbstverwaltung auch eine Gestaltungsmöglichkeit haben. Im Modell der Gesundheitsagenturen sind die Krankenkassen, die den weitaus größten Teil der Finanzmittel stellen, völlig unterrepräsentiert und würden de facto auf die Vollziehung beschränkt werden.

Ein systemischer Schwachpunkt des derzeitigen Gesundheitssystems ist die duale Finanzierung.

Die Spitäler werden über Länderfonds von der Sozialversicherung, dem Bund, den Ländern und Gemeinden finanziert.

Die niedergelassenen Ärzte werden von den Krankenkassen finanziert.

Das führt zu Schnittstellenproblemen und Versuchen, sich gegenseitig Kosten zuzuschieben. Da die Zahlungen der Kassen für die Spitäler gedeckelt und pauschaliert sind, während jeder Arztbesuch über die Einzelabrechung Mehrkosten verursacht, ist für die Kassen eine ambulante Behandlung in einer Krankenanstalt finanziell schonender.

Umgekehrt wollen die Länder mehr an Behandlung von den Ambulanzen zu den Ärzten verlagern, weil für sie dadurch keine finanziellen Belastungen entstehen würden.

Hier wäre eine ganzheitliche Struktur ein Fortschritt, wenn sie nicht zu einer Entmachtung der Krankenkassen führt, sondern zum Ziel hat, das gegebene System zu optimieren. Auf keinen Fall dürfte eine neue Struktur als Mittel zur Privatisierung des Gesundheitswesens instrumentalisiert werden.

Was getan werden soll:

  • Bundeseinheitliche Leistungen auf hohem Niveau.
  • Zweckwidmung von Alkohol- und Tabaksteuer für das Gesundheitssystem.
  • Geringerer Mehrwertsteuersatz auf Medikamente.
  • Verstärkter Einsatz von Generika zur Senkung der Kostendynamik bei den Medikamenten.
    Generika sind wirkstoffgleiche »Nachbau-Medikamente« von Präparaten, deren Patentschutzfrist abgelaufen ist. (Der Anteil der Generika beträgt in Österreich 11%, in Deutschland hingegen 52%.)
  • Teile der Akutbetten in geriatrische Betten umwandeln.
  • Bessere Schnittstellen zwischen den Gesundheitseinrichtungen.
  • Ausbau der Vorsorgemedizin statt Hürden durch Selbstbehalte.
  • Verbreitung der Bemessungsgrundlage für die Finanzierung des Gesundheitssystems.

Verbreitung der Bemessungsgrundlage - Wertschöpfungsabgabe

Doch selbst wenn notwendige Optimierungen im System erfolgen, ist eine Erhöhung der Finanzmittel für das Gesundheitswesen notwendig, will man den Weg zur Zweiklassengesellschaft im Bereich der Gesundheitsversorgung nicht gehen. Die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe wird nun auch vom Präsidenten der Wiener Ärztekammer, Walter Dorner, unterstützt. Die Vertreter der Wirtschaft, Christoph Leitl, und der Industrie, Lorenz Fritz, haben erwartungsgemäß sofort abgeblockt.

Die Gesundheitsexpertin des IHS, Maria Hofmacher, meint zwar auch, dass kurzfristig über eine Optimierung der Versorgungskette etwas eingespart werden könne, die Finanzierungslücke grundsätzlich aber einnahmenbedingt ist. Seit Mitte der 80er-Jahre nehmen die Kosten stärker zu als die Einnahmen. Die Schere geht immer weiter auseinander. An einer Erhöhung der Beiträge oder der Bemessungsgrundlage führt daher kein Weg vorbei.

Ungleiche Chancen

Die Kosten für das Gesundheitswesen hängen aber auch davon ab, ob wir in einer krankmachenden Gesellschaft leben. Gesundheit hängt neben dem individuellen Verhalten auch von zahlreichen sozialen Faktoren ab, die ihrerseits auch das individuelle Verhalten prägen:

Der Zustand der Wohnungen, die Qualität der Ernährung, Bewegung, Konsum von Nikotin, Alkohol, Bildung und Erziehung, das alles sind Faktoren, die in verschiedenen sozialen Schichten sehr unterschiedlich sind und den Gesundheitszustand beeinflussen.

Ungleiche Chancen in der Gesellschaft spiegeln sich auch im Gesundheitszustand und der Lebenserwartung wider. Weniger Gebildete und arme Menschen werden öfter und schwerer krank als gebildete und reiche. Das Sterberisiko von Pflichtschulabgängern ist bei Männern zwischen 36 bis 64 um 109% höher als bei Akademikern; bei Frauen ist die Sterblichkeit der Pflichtschulabgängerinnen um 50% höher als bei Akademikerinnen.

Eine Verbesserung des allgemeinen Bildungsniveaus und der Lebensbedingungen verbessert den Gesundheitszustand und entlastet damit das Gesundheitswesen langfristig. Auch die Arbeitsbedingungen und die soziale Sicherheit wirken sich aus. Menschen werden durch Mobbing, Stress, Überanstrengung oder etwa »unsichere« Arbeitsplätze krank. Man muss derartige Faktoren als Teil des Komplexes Gesundheit sehen.

Der britische Wissenschafter Richard Wilkinson hat festgestellt, dass Menschen in Ländern mit geringeren Einkommensunterschieden eine höhere Lebenserwartung haben.

Bemühungen um eine nachhaltige Konsolidierung des Gesundheitswesens müssen daher auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen als gesundheitsbestimmende Faktoren berücksichtigen.


Regierung hungert Krankenkassen aus

Durch eine Reihe von Maßnahmen hat die Regierung die Einnahmen der Krankenkassen unter anderem reduziert:

  • »Körberlgeld« für Finanzminister: Mehrwertsteuer für Medikamente.
  • Krankenversicherung übernimmt Bundeszahlungen für Spitäler.
  • Krankenversicherung übernimmt Bundesbeitrag für Bauern-Krankenversicherung.
  • Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenversicherung.
  • Senkung der Beitragsgrundlage Zivildiener.
  • Halbierung der Beiträge der Arbeitslosenversicherung.
  • Beitragssenkung für Dienstgeber.
  • Längere Zahlungsfrist für Dienstgeber.
  • Mehr Beitragsgeld für Privatspitäler.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Mitte März die Neuregelung des Ausgleichsfonds der Krankenkassen aufgehoben. Das Problem der Finanzierung des Gesundheitswesens ist damit wieder höchst aktuell. Es müssen sehr schnell nachhaltige Lösungen gefunden werden.

VfGH-Urteile

Vom VfGH aufgehobene Gesetze im Bereich der Sozialversicherung:
16. 3. 2001: Die Ambulanzgebühr wird wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung aufgehoben. Reparaturfrist und neue Beschlussfassung.
17. 12. 2002: Die Besteuerung der Unfallrenten wird wegen fehlender Übergangsfristen als verfassungswidrig aufgehoben.
27. 6. 2003: Die im Herbst 2000 beschlossene Neuregelung der Hinterbliebenenpensionen wird als verfassungswidrig angesehen.
10. 10. 2003: Der VfGH kippt die Reform des Hauptverbandes.
13. 3. 2004: Teile des Ausgleichsfonds der Sozialversicherungsträger werden als verfassungswidrig aufgehoben.

VfGH-Entscheid: Alle wesentlichen Elemente des im Jahr 2002 von der Regierung beschlossenen Modells zur Sanierung der Krankenkassen wurden als verfassungswidrig erkannt und aufgehoben: die Neuregelung des Ausgleichsfonds, die Zielvereinbarungen, die Erhöhung der Beiträge, die »Zwangsdarlehen« und die Einbeziehung von vier weiteren Krankenkassen in den Fonds.

Der Ausgleichsfonds soll der unterschiedlichen Versichertenstruktur der verschiedenen Kassen Rechnung tragen. Denn Kassen in den Bundesländern, in welchen es mehr Menschen mit niedrigen Einkommen, mehr Arbeitslose oder Pensionisten gibt, haben eine vergleichsweise schlechtere Finanzsituation. Daher haben alle Gebietskrankenkassen 2% ihrer Beitragseinnahmen in den Ausgleichsfonds gezahlt, der derartige Unterschiede in der Versichertenzusammensetzung teilweise ausgeglichen hat.

Im Jahr 2002 wurden die Kassen der Bauern, der Eisenbahner und der öffentlich Bediensteten in den Ausgleichsfonds integriert mit der Folge, dass etwa die Rücklagen der Eisenbahner abgezogen wurden und die Kasse der Bauern, die nie Einzahlungen in den Ausgleichsfonds geleistet hat, auf einmal große Zuflüsse aus dem Fonds erhalten hat. Des Weiteren wurde der Beitragssatz für die Zahlungen in den Fonds von 2% auf 4% angehoben und Zahlungen in den Fonds nicht nur von der Versichertenzusammensetzung abhängig gemacht, sondern auch davon, ob die Kassen die Vorgaben des Hauptverbandes umsetzen oder nicht.

VfGH: »Die Neuregelung des Ausgleichsfonds durch die Einbeziehung weiterer Krankenkassen (konkret: die Versicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter, die der Eisenbahner, die der Gewerblichen Wirtschaft und die der Bauern) führt zu systemimmanenten Benachteiligungen bzw. Begünstigungen einiger Krankenkassen.«

Höhere Beitragssätze

Schon höhere Beitragssätze in einzelnen Krankenkassen bzw. zusätzliche Einnahmequellen (wie etwa Selbstbehalte) haben zur Folge, dass sie im Ausgleichsfonds-System stärker belastet werden. Die Erhöhung des Beitrags von 2% auf 4% wurde als verfassungswidrig aufgehoben, weil die Mittel u. a. für die Zahlungen im Zusammenhang mit der Zielerreichung verwendet werden sollten.

Unklarheiten über den Charakter und die Regelungen zu den Zielvereinbarungen - die eigentlich keine Vereinbarungen sondern Vorgaben sind - wurden ebenso als verfassungswidrig erkannt wie die Verpflichtung mancher Kassen, dem Fonds Zwangsdarlehen zu gewähren.

Die aufgehobenen Regelungen dürfen nicht mehr angewandt werden. Auf ihrer Grundlage sind bisher 561 Millionen Euro geflossen. Rückzahlungen werden die Folge des Urteils sein.

Es stellt sich die Frage, wie die defizitären Kassen die aus dem Fonds erhaltenen Beträge zurückzahlen sollen.

Hinweise wie jene der Ministerin, die meinte, der Obmann der Wiener Kasse solle »in sich gehen und überlegen, was schiefgegangen ist«, werden dem Ernst der Lage nicht wirklich gerecht, zumal der Gesetzgeber dieses Problem geschaffen hat und nicht die Gebietskrankenkassen.

 Neuerungen im Gesundheitswesen 2004

Für alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen wird seit Jahresbeginn in der Krankenversicherung ein »Zusatzbeitrag für Freizeitunfälle« von 0,1% eingehoben. Dieser ist allein von den Versicherten zu bezahlen, der Dienstgeberbeitrag ist davon nicht betroffen! Es handelt sich um eine Beitragssatzerhöhung ohne neue Leistungen, denn Freizeitunfälle waren schon bisher versichert.

Für Angestellte beträgt der Dienstnehmerbeitrag in der Krankenversicherung ab heuer 3,7%, also um 0,3% mehr als im Vorjahr. Für ASVG-PensionistInnen werden die KV-Beiträge 2004 und 2005 um jeweils 0,5% erhöht. Hinzu kommt der erwähnte »Zusatzbeitrag für Freizeitunfälle«, womit 4,35% (2004) bzw. 4,85% (2005) zu bezahlen sind.

Wenn Christoph Leitl vorschlägt, die Kassen sollen bei drohender Zahlungsunfähigkeit kurzfristig Kredite aufnehmen, so stellt dies lediglich einen teuren Aufschub, aber keinesfalls eine Lösung des Problems dar.

Explodierende Gesundheitsausgaben?

Trotz der schwierigen Finanzsituation der Krankenkassen muss eines festgehalten werden: Die Gesundheitsausgaben in Österreich sind im internationalen Vergleich der Industrieländer relativ gering. Die gesamten Gesundheitsausgaben (öffentliche und private) lagen im Jahr 2001 in Österreich bei 7,4% des BIP. Spitzenreiter waren die USA mit 13,7%, die Schweiz und Deutschland lagen bei 10,4%.

Auch im Zeitvergleich ist die Ausgabenentwicklung keineswegs dramatisch.

Das österreichische Finanzierungsproblem resultiert aus der Entwicklung, dass die Einnahmen hinter den Ausgaben zurückbleiben. Das liegt auf der Einnahmenseite an Faktoren wie der hohen Arbeitslosigkeit und dem Verlust an gut bezahlten Vollzeitarbeitsplätzen. Seit dem Jahr 2000 sind 61.000 Vollzeit-Arbeitsplätze verlorengegangen. Gleichzeitig stiegen die Teilzeitstellen um 65.000. Auf der Ausgabenseite wirken vor allem die Medikamentenkosten als Preistreiber. Der steigende Anteil älterer Menschen zusammen mit neuen Behandlungsmethoden hat ebenfalls erhöhte Kosten zur Folge.
Von 1997 bis 2002 stiegen:

  • Das BIP um 18%.
  • Die Versicherungsleistungen der Krankenkassen um 24,4%.
  • Die Beitragseinnahmen um 14,3%.
  • Die Arbeitnehmerentgelte um 16,4%.

Ausgabenbegrenzung?

Eine Koppelung der Ausgaben an die Einnahmen, die von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat vorgeschlagen wurde, liefe auf weitere Belastungen für kranke Menschen hinaus. Diese tragen aber keine Schuld an der ungünstigen Einnahmen-Ausgabenentwicklung der Krankenkassen.

Darüber hinaus hat die Regierung selbst durch einige Maßnahmen den Krankenkassen Finanzierungsquellen »abgedreht« (siehe Kasten).

Verländerung oder Vereinheitlichung?

Die Regierung plant nun eine völlige Neuordnung des Gesundheitswesens: Unter dem Schlagwort »Gesundheitsagenturen« sollen zwei Ziele umgesetzt werden:

  • Eine weitere Kompetenzverschiebung zu den Ländern.
  • Eine Entmündigung der Krankenkassen bzw. der Selbstverwaltung.

Eine weitere »Verländerung« des Gesundheitswesens wäre eine bedenkliche Entwicklung. Denn das hieße, dass Gebietskrankenkassen mit gleichen Beitragssätzen verstärkt unterschiedliche Versicherungsleistungen erbringen würden.

Die Sozialversicherung verliert im Rahmen der geplanten Gesundheitsagenturen ihre Gestaltungsmöglichkeiten und wird auf eine reine »Vollziehung« der Vorgaben der Gesundheitsagentur reduziert. Die Planungs- und Steuerungsbeschlüsse der Agentur sind für die Sozialversicherung verbindlich. Es ist aufgrund der letzten VfGH-Urteile (Hauptverband, Krankenkassenausgleichsfonds) nicht davon auszugehen, dass diese Konstellation verfassungskonform ist, weil jene selbstverwalteten Kassen, die die Leistungen finanzieren, keine Gestaltungsmöglichkeiten auf den Leistungskatalog hätten.

Die Gesundheitsagentur soll folgendermaßen beschickt werden:

  • 40% Länder
  • 20% Bund
  • 40% Sozialversicherung

Das ergibt wieder eine Mehrheit für Schwarz-Blau. In den Krankenkassen richtet sich die Entsendung der Vertreter der ArbeitnehmerInnen nach den Ergebnissen der AK-Wahl. Diese fände in der Zusammensetzung der Gesundheitsagenturen keinerlei Entsprechung mehr.

Gesundheitsagenturen

Ministerin Maria Rauch Kallat will die Gesundheitsagenturen im Herbst beschließen lassen. Das Thema sei mit den Finanzausgleichsverhandlungen verknüpft, die bis Ende des Jahres neu geregelt werden müssen.

Die Gesundheitsagenturen würden die gesamten Mittel in den Bundesländern zusammenfließen lassen und damit die gesamte Gesundheitsversorgung finanzieren.

Dies würde zu einer Kompetenzverteilung weg von der Sozialversicherung führen, welche nicht gerechtfertigt wäre. Die Verwaltungskosten der Landesfonds haben sich 1997 bis 2001 verdreifacht, die der Kassen sind nur um 7% gestiegen.

Laut Franz Bittner, Chef der Wiener Kasse, zahlen Bund, Länder und Gemeinden nur 26% der Krankenhausausgaben, hätten jedoch in der Gesundheitsagentur eine Mehrheit (Wirtschaftsblatt vom 18. 3. 2004). Wenn man auch die niedergelassenen Ärzte berücksichtigt, finanziert die Krankenkasse etwa zwei Drittel der Kosten.

In diese Kerbe schlägt auch Hans Sallmutter. »Die Sozialversicherungen würden so nur noch die Ausgaben abwickeln, können aber die Verwendung der Mittel, die Leistungen und die Verhandlungen mit den Vertragspartnern nicht mehr gestalten«, so Sallmutter. »Länder und Gemeinden sind Anbieter von Spitälern und haben ein Interesse, dass hier mehr Geld hineinfließt.«

Strukturausgleich

Eine zusätzliche Verländerung kann aber nicht die Antwort auf die Herausforderungen im Gesundheitswesen sein. Denn je nach Höhe der Einkommen, dem Verhältnis zwischen Beschäftigten zu Arbeitslosen und Pensionisten haben die Kassen eine gute oder schlechte Finanzsituation. Eine Form des Risikostrukturausgleiches wäre hier durchaus notwendig, wenn man den Weg einer Zusammenlegung der Kassen nicht gehen will. Das VfGH-Urteil schreibt vor, den Ausgleichstopf zwischen unterschiedlichen Kassen aufzuheben (Bauern und Gebietskrankenkassen), nicht jedoch zwischen den Gebietskrankenkassen selbst.

Privatisierung?

Die Gesundheitsagenturen könnten sich auch als Weg zu einer weiteren Privatisierung der Gesundheitsausgaben entpuppen. So ist im diesbezüglichen Papier zu diesem Thema schon vom »Einkauf von Leistungen am Gesundheitsmarkt« die Rede. Der Wirtschaftsbund fordert in diesem Zusammenhang eine schrittweise Privatisierung von Spitälern und eine Zurückdrängung der Arbeitnehmervertreter in den Krankenkassen.

Derzeit werden die Gesundheitsausgaben zu 68,5% öffentlich (Sozialversicherung, Bund, Länder, Gemeinden) und zu 31,5% privat getragen.

Sinnvolle Reformvorschläge

Gesundheitsministerin Rauch-Kallat will die öffentlichen Gesundheitsausgaben bei 5,5% des BIP einfrieren. Das bedeutet, dass der zu erwartende zusätzliche Bedarf an Leistungen des Gesundheitswesens automatisch von den Betroffenen selbst aufgebracht werden muss und damit kein Solidarausgleich stattfindet. Die Probleme würden zunehmend auf jeden Einzelnen abgewälzt werden.

Sinnvolle Gesundheitsreformen müssen sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben ansetzen, ohne Grundlagen wie einen gleichen Zugang zu Gesundheitsleistungen und Solidarausgleich durch die Pflichtversicherung in Frage zu stellen. Eine verstärkte Finanzierung des Systems über Selbstbehalte ist unsozial und daher abzulehnen. Selbstbehalte belasten sozial schwache und krankheitsanfällige Menschen überproportional.


 Maulkorberlässe für die Sozialversicherung

Die Regierung verbietet den SV-Trägern per Gesetz die freie Meinungsäußerung:
Schritt 1: SV-Träger dürfen Informationen an die Versicherten nur nach Absprache mit den betreffenden Ministerien aussenden. (Hintergrund: Die SV-Träger haben die Versicherten kritisch über den »Unsinn« der Ambulanzgebühren informiert, zu deren Umsetzung sie gezwungen wurden.)
Schritt 2: SV-Träger müssen die Versicherten im Auftrag des Ministeriums in dessen Sinne informieren.
Schritt 3: Auch die neuerliche Deckelung der Verwaltungskosten auf Basis 1999 kommt einer Knebelung der Entscheidungsmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger gleich.

Probleme der derzeitigen Struktur

Im gegenwärtigen Gesundheitssystem gibt es eine Vielzahl an Akteuren, Leistungsfinanciers und Leistungserbringern. Hier ein Mehr an Koordination und ganzheitlichem Denken einzuführen wäre durchaus sinnvoll. Doch nicht jeder Vorschlag, der dies offiziell zum Ziel hat, würde die Situation optimieren.

Ein wesentlicher Grundsatz sollte sein, dass die Leistungsfinanciers im Rahmen der Selbstverwaltung auch eine Gestaltungsmöglichkeit haben. Im Modell der Gesundheitsagenturen sind die Krankenkassen, die den weitaus größten Teil der Finanzmittel stellen, völlig unterrepräsentiert und würden de facto auf die Vollziehung beschränkt werden.

Ein systemischer Schwachpunkt des derzeitigen Gesundheitssystems ist die duale Finanzierung.

Die Spitäler werden über Länderfonds von der Sozialversicherung, dem Bund, den Ländern und Gemeinden finanziert.

Die niedergelassenen Ärzte werden von den Krankenkassen finanziert.

Das führt zu Schnittstellenproblemen und Versuchen, sich gegenseitig Kosten zuzuschieben. Da die Zahlungen der Kassen für die Spitäler gedeckelt und pauschaliert sind, während jeder Arztbesuch über die Einzelabrechung Mehrkosten verursacht, ist für die Kassen eine ambulante Behandlung in einer Krankenanstalt finanziell schonender.

Umgekehrt wollen die Länder mehr an Behandlung von den Ambulanzen zu den Ärzten verlagern, weil für sie dadurch keine finanziellen Belastungen entstehen würden.

Hier wäre eine ganzheitliche Struktur ein Fortschritt, wenn sie nicht zu einer Entmachtung der Krankenkassen führt, sondern zum Ziel hat, das gegebene System zu optimieren. Auf keinen Fall dürfte eine neue Struktur als Mittel zur Privatisierung des Gesundheitswesens instrumentalisiert werden.

Was getan werden soll:

  • Bundeseinheitliche Leistungen auf hohem Niveau.
  • Zweckwidmung von Alkohol- und Tabaksteuer für das Gesundheitssystem.
  • Geringerer Mehrwertsteuersatz auf Medikamente.
  • Verstärkter Einsatz von Generika zur Senkung der Kostendynamik bei den Medikamenten.
    Generika sind wirkstoffgleiche »Nachbau-Medikamente« von Präparaten, deren Patentschutzfrist abgelaufen ist. (Der Anteil der Generika beträgt in Österreich 11%, in Deutschland hingegen 52%.)
  • Teile der Akutbetten in geriatrische Betten umwandeln.
  • Bessere Schnittstellen zwischen den Gesundheitseinrichtungen.
  • Ausbau der Vorsorgemedizin statt Hürden durch Selbstbehalte.
  • Verbreitung der Bemessungsgrundlage für die Finanzierung des Gesundheitssystems.

Verbreitung der Bemessungsgrundlage - Wertschöpfungsabgabe

Doch selbst wenn notwendige Optimierungen im System erfolgen, ist eine Erhöhung der Finanzmittel für das Gesundheitswesen notwendig, will man den Weg zur Zweiklassengesellschaft im Bereich der Gesundheitsversorgung nicht gehen. Die Forderung nach einer Wertschöpfungsabgabe wird nun auch vom Präsidenten der Wiener Ärztekammer, Walter Dorner, unterstützt. Die Vertreter der Wirtschaft, Christoph Leitl, und der Industrie, Lorenz Fritz, haben erwartungsgemäß sofort abgeblockt.

Die Gesundheitsexpertin des IHS, Maria Hofmacher, meint zwar auch, dass kurzfristig über eine Optimierung der Versorgungskette etwas eingespart werden könne, die Finanzierungslücke grundsätzlich aber einnahmenbedingt ist. Seit Mitte der 80er-Jahre nehmen die Kosten stärker zu als die Einnahmen. Die Schere geht immer weiter auseinander. An einer Erhöhung der Beiträge oder der Bemessungsgrundlage führt daher kein Weg vorbei.

Ungleiche Chancen

Die Kosten für das Gesundheitswesen hängen aber auch davon ab, ob wir in einer krankmachenden Gesellschaft leben. Gesundheit hängt neben dem individuellen Verhalten auch von zahlreichen sozialen Faktoren ab, die ihrerseits auch das individuelle Verhalten prägen:

Der Zustand der Wohnungen, die Qualität der Ernährung, Bewegung, Konsum von Nikotin, Alkohol, Bildung und Erziehung, das alles sind Faktoren, die in verschiedenen sozialen Schichten sehr unterschiedlich sind und den Gesundheitszustand beeinflussen.

Ungleiche Chancen in der Gesellschaft spiegeln sich auch im Gesundheitszustand und der Lebenserwartung wider. Weniger Gebildete und arme Menschen werden öfter und schwerer krank als gebildete und reiche. Das Sterberisiko von Pflichtschulabgängern ist bei Männern zwischen 36 bis 64 um 109% höher als bei Akademikern; bei Frauen ist die Sterblichkeit der Pflichtschulabgängerinnen um 50% höher als bei Akademikerinnen.

Eine Verbesserung des allgemeinen Bildungsniveaus und der Lebensbedingungen verbessert den Gesundheitszustand und entlastet damit das Gesundheitswesen langfristig. Auch die Arbeitsbedingungen und die soziale Sicherheit wirken sich aus. Menschen werden durch Mobbing, Stress, Überanstrengung oder etwa »unsichere« Arbeitsplätze krank. Man muss derartige Faktoren als Teil des Komplexes Gesundheit sehen.

Der britische Wissenschafter Richard Wilkinson hat festgestellt, dass Menschen in Ländern mit geringeren Einkommensunterschieden eine höhere Lebenserwartung haben.

Bemühungen um eine nachhaltige Konsolidierung des Gesundheitswesens müssen daher auch die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen als gesundheitsbestimmende Faktoren berücksichtigen.


Regierung hungert Krankenkassen aus

Durch eine Reihe von Maßnahmen hat die Regierung die Einnahmen der Krankenkassen unter anderem reduziert:

  • »Körberlgeld« für Finanzminister: Mehrwertsteuer für Medikamente.
  • Krankenversicherung übernimmt Bundeszahlungen für Spitäler.
  • Krankenversicherung übernimmt Bundesbeitrag für Bauern-Krankenversicherung.
  • Verringerung der Zahlungen der Pensionsversicherung an die Krankenversicherung.
  • Senkung der Beitragsgrundlage Zivildiener.
  • Halbierung der Beiträge der Arbeitslosenversicherung.
  • Beitragssenkung für Dienstgeber.
  • Längere Zahlungsfrist für Dienstgeber.
  • Mehr Beitragsgeld für Privatspitäler.

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David Mum (Gewerkschaft der Privatangestellten, Grundlagenabteilung) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538707327 EWSA für neue EU-Wirtschaftspolitik Die mit überwältigender Mehrheit (nur fünf Gegenstimmen) beschlossene Stellungnahme des EWSA dazu beinhaltet eine harte Kritik an der erfolglosen europäischen Wirtschaftspolitik und fordert eine grundsätzliche Neuorientierung.

Die Wirtschaftspolitik der EU …

Was sind nun die Grundpfeiler der Konzeption der Wirtschaftspolitik, wie sie seit Jahren weitgehend unverändert von EU-Kommission und Europäischem Rat gepredigt werden?

Kurz zusammengefasst könnte man sagen, die »Grundzüge der Wirtschaftspolitik« der EU beruhen auf drei Säulen:

Erstens soll die makroökonomische Politik (also die drei großen Bereiche Budgetpolitik, Geldpolitik und Lohnpolitik) für Stabilität sorgen;

zweitens sollen so genannte Wirtschaftsreformen zu besser funktionierenden Märkten (Arbeits-, Güter- und Kapitalmärkte) und damit zu besserer Wettbewerbsfähigkeit führen, und

drittens muss die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit gebührend berücksichtigt werden, um zu gewährleisten, dass die Bemühungen auch längerfristig die gewünschten Resultate bringen.

… als Bremse für Wachstum und Beschäftigung

Was steckt hinter diesen - auf den ersten Blick gar nicht so unvernünftig erscheinenden - Empfehlungen? Zuerst zu den drei großen makroökonomischen Politikbereichen:

Unter einer »stabilitätsorientierten Budgetpolitik« versteht die EU vor allem, dass die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes strikt eingehalten werden müssen. In der Ausgabe vom Jänner 2004 (Seite 20) erschien in »Arbeit&Wirtschaft« ein ausführlicher Beitrag von Thomas Lachs, in welchem die ökonomischen Unsinnigkeiten dieses Paktes - der im Übrigen ein reiner »Stabilitätspakt« ist, denn mit »Wachstum« hat er kaum zu tun - ausführlich dargestellt werden. Das Grundproblem dieses Paktes liegt darin, dass dem Ziel, ausgeglichene öffentliche Haushalte (oder gar Budgetüberschüsse) zu erreichen, gegenüber dem Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum absolute Priorität eingeräumt wird. Der Pakt verpflichtet die Finanzminister auch dann zum Sparen, wenn aufgrund niedriger privater Nachfrage besonderer Bedarf danach bestünde, dass durch öffentliche Ausgaben die Nachfrage, also Konsum und Investitionen und damit Wachstum und Beschäftigung, stimuliert werden. Das Grundübel des Paktes besteht im Ignorieren eines fundamentalen Zusammenhanges: Bei schwachem Wirtschaftswachstum fallen auch die Steuereinnahmen des Finanzministers niedriger aus und das Budgetdefizit steigt. Wenn dann das Defizit aber reduziert werden soll, müssen Staatsausgaben gekürzt werden, was dämpfend auf die Nachfrage wirkt und damit das Wachstum weiter bremst - also ein Teufelskreis!

Schrittchen und Schritte

Wie sich die EU eine »stabilitätsorientierte Geldpolitik« vorstellt, wurde uns in den letzten Jahren von der Europäischen Zentralbank (EZB) demonstriert. Geldwertstabilität um jeden Preis heißt das Ziel, Inflationsbekämpfung steht im Zentrum, auch wenn es nichts zu bekämpfen gibt. Als 2001 weltweit die Konjunktur einbrach und sich davon in der Folge in Europa bis heute nicht nachhaltig erholte, wagte die EZB erst viel zu spät und zu zaghaft einige kleine Zinssenkungsschrittchen, nachdem die Nachfrage und das Vertrauen der Investoren längst abgesackt waren.

Was die Lohnpolitik betrifft, so fordern die »Grundzüge«, dass die Nominallohnerhöhungen mit Preisstabilität und Produktivitätsgewinnen vereinbar sind. Dieser im Grunde nicht unvernünftige Ansatz wird in den nachfolgenden Sätzen jedoch mit Ausdrücken wie »moderat«, »zurückhaltend« oder »bescheiden« präzisiert, und spätestens wenn gefordert wird, dass die Lohnerhöhungen eine Erholung der Gewinne ermöglichen sollen, wird klar, dass es dabei nicht um eine »produktivitätsorientierte Lohnpolitik« geht, sondern vielmehr um eine Umverteilungsstrategie zu ungunsten der Arbeitnehmer.

Irrglaube

Hinter den in den »Grundzügen« geforderten so genannten Wirtschafts- und Strukturreformen, die zum besseren Funktionieren der Märkte beitragen sollen, verbirgt sich nichts Anderes als der Ruf nach Liberalisierung, Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisierung. Wir haben es also wieder einmal mit dem weit verbreiteten neoliberalen Irrglauben zu tun, dass Wachstumsschwäche und Arbeitslosigkeit auf zu starre Arbeitsmärkte und auf zu großzügige Sozialsysteme zurückzuführen seien. Denn »Arbeit müsse sich wieder lohnen«, meinen die »Grundzüge«, und dazu müssen die Arbeitsmärkte flexibler und »relativ großzügige Sozialleistungssysteme oder Vorruhestandsanreize« zurechtgestutzt werden. In der Terminologie der »Grundzüge« liest sich dies so: »Die Ausgestaltung und Handhabung für Leistungsbezugsvoraussetzungen verbessern, um die Arbeitsaufnahme zu fördern; die Struktur der Lohnersatzrate prüfen; die Höhe, die Bezugsdauer und/oder die Bedürftigkeitskriterien für den Fall von Leistungen überdenken.«

Kinderbetreuung und Teilzeit

Gerechterweise muss man hinzufügen, dass dieses Kapitel der »Grundzüge« durchaus auch positive Empfehlungen enthält, wie zum Beispiel: Es wird die Notwendigkeit von ausreichenden Kinderbetreuungseinrichtungen betont, um insbesondere Frauen die Arbeitsaufnahme zu erleichtern; es werden Teilzeitjobangebote für diejenigen gefordert, die dies wünschen (also ausdrücklich auf freiwilliger Basis!); größerer Zusammenhalt und die Einbindung der Sozialpartner bei Reformen sei wichtig.

Es wird auch die Bedeutung von Investitionen, insbesondere in Wissen und Innovation betont sowie die Rolle der EU-Ebene für Investitionen in Schlüsselbereiche der Infrastruktur wie etwa die transeuropäischen Netze. Auch die Forderung nach universeller Verfügbarkeit und hoher Qualität von Leistungen der Daseinsvorsorge ist voll zu unterstützen.

Auch im dritten großen Abschnitt, nämlich über die Nachhaltigkeit, gibt es Licht und Schatten. Positiv ist etwa, dass erkannt wird, dass bezüglich der sozialen Nachhaltigkeit Arbeit und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen den besten Schutz gegen Armut und soziale Ausgrenzung darstellt, oder dass die Modernisierung der Sozialschutzsysteme unter Wahrung eines angemessenen Niveaus der sozialen Sicherung erfolgen muss. Auch Forderungen zur ökologischen Nachhaltigkeit, wie etwa nach einer konsequenteren Anwendung des Verursacherprinzips und mehr Kostenwahrheit im Verkehrssektor sind zu begrüßen.

Dreigleisig

Zur wirtschaftlichen Nachhaltigkeit verweisen die »Grundzüge« auf die im Jahr 2001 in Stockholm beschlossene dreigleisige Strategie: Steigerung der Beschäftigungsquote, Verringerung der Staatsverschuldung sowie Reformen der Renten- und Gesundheitssysteme. In dieser allgemeinen Form erscheinen die Ansätze sinnvoll, natürlich kommt es letztendlich auf die Details an. Dazu ein Beispiel: eine Erhöhung des effektiven Renteneintrittsalters kann sinnvoll sein, aber nur wenn sie freiwillig erfolgt und entsprechende Arbeitsplätze vorhanden sind.

Denn sonst bedeutet dies bloß steigende Altersarbeitslosigkeit oder Rentenkürzungen. Erfreulich ist, dass im Gegensatz zu früher nicht mehr auf eine Umstellung der Rentenfinanzierungssysteme weg vom (öffentlichen) Umlageverfahren auf ein (privates) Kapitaldeckungsverfahren gedrängt wird. Die negative Entwicklung der Aktienmärkte und damit der privaten Pensionsvorsorgen in den letzten Jahren scheinen also nicht ohne Einfluss geblieben zu sein.

Abschließend fordern die »Grundzüge« speziell für das Euro-Gebiet eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik, was in einer Währungsunion eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Stagnation ist auch Stabilität!

Diese seit Jahren unveränderte Konzeption der europäischen Wirtschaftspolitik wird vom EWSA zu Recht als erfolglos bezeichnet. Zu Beginn dieses Jahrhunderts waren weltweit alle Wirtschaftsräume von einem massiven Konjunktureinbruch betroffen. In den USA und in Japan gelang rasch eine Wiederbelebung, da die Wirtschaftspolitik entschlossen und massiv die Nachfrage ankurbelte. Die US-Zentralbank senkte die Leitzinsen von 6,5 Prozent im Jahr 2000 auf ein Prozent, und der Budgetsaldo drehte sich von einem Plus von 1,1 Prozent des BIP im Jahr 2000 auf ein Minus von über fünf Prozent im Jahr 2003. Damit wurde den Investoren und Konsumenten klar gemacht, dass eine Krise ohne Rücksicht auf Budgetdefizite oder steigende Inflation verhindert werden soll.

Die EU dagegen verzichtete als einziger großer Wirtschaftsraum auf eine aktive makroökonomische Politik, welche die Nachfrage und damit Wachstum und Beschäftigung ankurbelt. Die EU setzte weiterhin auf eine einseitig angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, also eine stabilitätsfördernde Wirtschaftspolitik mit kostensenkenden Flexibilisierungsmaßnahmen.

So eine Politik wirkt allerdings wachstumsdämpfend, und sie kann den herrschenden Mangel an Nachfrage, vor allem von Investitionen, nicht beheben. Wenn durch niedrige Einkommen und hohe Arbeitslosigkeit die Nachfrage der Haushalte schwach ist, werden auch noch so günstige Angebotsbedingungen und niedrige Kosten die Unternehmer nicht zum Investieren bringen. An wen sollten sie ihre Produkte verkaufen?

Somit trug die europäische Wirtschaftspolitik wesentlich dazu bei, dass auch heuer die Arbeitslosenzahlen wieder ansteigen und Europa als einziger großer Wirtschaftsraum nach drei Jahren extrem niedrigen Wachstums noch immer keinen Wiederaufschwung geschafft hat. Diese Stagnation kann doch nicht die von der EU gewünschte »Stabilität« sein?

EWSA fordert aktive Wachstumspolitik

Der EWSA analysiert in seiner Stellungnahme: Die bisherige angebotsorientierte Politik der EU vernachlässigte die Tatsache, dass sich im Wirtschaftskreislauf Angebot und Nachfrage die Waage halten müssen. Daher bedarf es einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik und einer Beseitigung der innereuropäischen Blockaden für eine nachhaltige Belebung von Wachstum und Beschäftigung. Wir brauchen eine aktive, auf Nachfragewachstum ausgerichtete und koordinierte Politik mit dem erklärten Ziel der Vollbeschäftigung. Die EU muss sich wieder auf ihre internen Kräfte stützen und darf nicht - wie bisher - passiv darauf warten, dass man an der Wachstumsbelebung der übrigen Welt als »Trittbrettfahrer« (in Form von höheren Exporten) mitnaschen kann.

Von der Budgetpolitik fordert der EWSA, dass diese klar den Zielen Wachstum und Beschäftigung anstatt einem diffusen Stabilitätsbegriff verpflichtet sein soll. Zusätzliches Sparen bei niedrigem Wirtschaftswachstum wird als kontraproduktiv abgelehnt. Die undifferenzierte Betrachtung von Budgetsalden (Nulldefizit, oder höchstens drei Prozent des BIP pro Jahr) soll durch eine bessere Analyse von strukturellen und qualitativen Aspekten ersetzt werden. Denn es macht einen wesentlichen Unterschied aus, ob ein Defizit durch höhere Repräsentationsausgaben verursacht wird oder etwa durch Infrastrukturinvestitionen. Wenn letztere, zum Beispiel Schulen, mehreren Generationen zugute kommen, wäre es im Sinne der Generationengerechtigkeit auch anzustreben, diese Kosten über mehrere Generationen zu verteilen. Jedenfalls müsste der Stabilitäts- und Wachstumspakt so neu interpretiert werden, dass die Haushaltspolitik auf unterschiedliche Wirtschaftslagen auch angemessen reagieren kann. Denn ein Schuldenabbau ist sicherlich anstrebenswert, doch wird dieser durch eine rasch wachsende Wirtschaft viel leichter erreicht werden als durch knausrige Finanzminister.

Geldpolitik

Auch die Geldpolitik darf nicht isoliert nur die Inflationsdämpfung als einziges Ziel verfolgen. Der EWSA verlangt, die Europäische Zentralbank (EZB) auf ein viel weiter gefasstes Stabilitätsziel zu verpflichten, das neben der Geldwertstabilität auch die Stabilität von Wachstum, Vollbeschäftigung und des Systems des sozialen Zusammenhaltes beinhaltet. Eine in diesem Sinne verantwortungsvolle und pragmatische Geldpolitik hätte - wie in den USA - schon im Falle eines sich androhenden Abschwunges entschlossen gegensteuern müssen. Zinssenkungen erst ein halbes Jahr nach Eintreten eines Abschwunges sind nicht hilfreich, wenn die Zuversicht der Investoren gestützt werden soll.

Zur Lohnpolitik stellt der EWSA fest, dass Löhne nicht nur als Kostenfaktor der Unternehmen gesehen werden dürfen. Denn diese einseitige Sicht übersieht, dass im Wirtschaftskreislauf Löhne auch den größten Bestimmungsfaktor der Inlandsnachfrage darstellen. Eine ausgeprägte Lohnzurückhaltung schwächt also die Gesamtnachfrage und damit Wachstum und Beschäftigung. Eine verantwortungsvolle Lohnpolitik muss daher gleichermaßen Verantwortung für die Angebotsseite (Kosten- und Preisentwicklung) und für die Nachfrageseite (Konsum, Wachstum) übernehmen. Eine mittelfristige Orientierung des Lohnzuwachses am jeweils nationalen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt und der Inflation entspräche am besten der Balance zwischen ausreichender Nachfrageentwicklung und Wahrung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit.

Effiziente Koordinierung fehlt

Mittlerweile existiert zwar eine gemeinsame europäische Währung, aber eine dazu passende gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik fehlt. Die Notwendigkeit einer gegenseitigen Abstimmung von Haushalts-, Geld- und Lohnpolitik wird zwar in Sonntagsreden, bei Ratsgipfeln und auch in den »Grundzügen« immer wieder betont, doch blieb der so genannte »Köln-Prozess« des makroökonomischen Dialoges bislang unbedeutend. Denn effektive Koordinierung zwischen den Akteuren (Regierungen, EZB, Sozialpartner) kann es nicht geben, solange gepredigt wird, die Geldpolitik habe ausschließlich auf Geldwertstabilität und die Haushaltspolitik habe ausschließlich auf stabile Staatsfinanzen zu achten. Was soll dann noch koordiniert werden, wenn diesen Politikbereichen die Verantwortung für die realwirtschaftliche Entwicklung, also für Wachstum und Beschäftigung, abgesprochen wird?

Natürlich muss dabei die volle Unabhängigkeit der Akteure, der Tarifparteien ebenso wie der EZB, gewahrt bleiben. Dennoch müssen alle drei Akteure ihre Verantwortung für die europäische Wirtschaft wahrnehmen und bereit sein zu einem offenen, permanenten Dialog über die Einschätzung der Wirtschaftslage und der Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik.

Reformen und Nachhaltigkeit

Da sich die Hauptkritik des EWSA gegen den sogenannten makroökonomischen »Policy-mix« richtet, wird auf die beiden anderen Themenkreise, nämlich Wirtschaftsreformen und Nachhaltigkeit, hier weniger ausführlich eingegangen. Eine Reihe der in den »Grundzügen« vorgeschlagenen Maßnahmen wird vom EWSA durchaus begrüßt, doch weist der Ausschuss mit deutlichen Worten darauf hin, dass dabei gewisse Grundsätze eingehalten werden müssen.

Wahrung der sozialen Balance

So müssen alle Modernisierungsschritte unter voller Einbindung der Sozialpartner erfolgen, die soziale Balance müsse gewahrt bleiben, fundamentale Interessen der Beschäftigten müssen berücksichtigt und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit gewährleistet werden. Weiters distanziert sich der Ausschuss deutlich von Forderungen nach einem Rückzug des Staates und nach einer generellen Reduktion staatlicher Eingriffe.



Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA)

Die Stimme der organisierten Zivilgesellschaft in Brüssel

Der EWSA wurde durch die Römischen Verträge im Jahr 1957 als beratendes Organ ins Leben gerufen. Er repräsentiert die großen wirtschaftlichen und sozialen Gruppen und soll mit seinen Stellungnahmen die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und das Europäische Parlament beraten. Er ist somit eine wichtige Stimme der Sozialpartner und der sonstigen wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen im Beschlussfassungsprozess der Gemeinschaft und ein wesentliches Vertretungsorgan der organisierten Zivilgesellschaft in der EU.

Der EWSA hat zur Zeit 222 Mitglieder (nach der Erweiterung 317), die paritätisch in drei große Gruppen aufgeteilt sind: Arbeitgeber (Gruppe 1), Arbeitnehmer (Gruppe 2 - steht in enger Zusammenarbeit mit dem EGB) und Verschiedene Interessen (Gruppe 3 - dazu zählen z. B. Vertreter der Bereiche Landwirtschaft, Freie Berufe, aber auch Konsumenten- und Umweltschutz, Sozial- und Familienverbände, Wissenschaft usw.). Österreich entsendet 12 Mitglieder in den Ausschuss.

Die Mitglieder werden von den nationalen Regierungen (nach Abstimmung mit den repräsentativen Verbänden) vorgeschlagen und vom Rat der Europäischen Union auf vier Jahre ernannt (Wiederernennung ist zulässig); sie sind unabhängig und weisungsfrei. Ihre Tätigkeit ist unentgeltlich, die Mitglieder gehen ihren beruflichen Tätigkeiten in den Heimatländern nach und kommen nur zu den Sitzungen des Ausschusses nach Brüssel.

Im Ausschuss bestehen sechs Fachgruppen zu folgenden Themengruppen:

ECO: Wirtschafts- und Währungsunion, Kohäsion
INT: Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch
TEN: Verkehr, Energie, Infrastruktur, Informationsgesellschaft
NAT: Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz
REX: Außenbeziehungen

Die Entwürfe für Stellungnahmen werden in kleinen Studiengruppen unter Federführung eines Berichterstatters verfasst. Diese werden dann in der entsprechenden Fachgruppe und danach im Plenum diskutiert und verabschiedet und anschließend dem Rat, der Kommission und dem Europäischen Parlament übermittelt sowie im Amtsblatt veröffentlicht. Der Ausschuss muss sich um Konsens bzw. Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Interessen bemühen. Denn je höher der Grad der Zustimmung bei der Verabschiedung ist, desto größer ist die Chance, dass der Inhalt der Stellungnahme auch Berücksichtigung findet.
Durch diesen Ausschuss bringen die unterschiedlichen repräsentativen Interessengruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in institutionalisierter Form gebündelt ihren praxisnahen Sachverstand und ihre Standpunkte in den europäischen Entscheidungsprozess ein. Nähere Infos gibt es auf der EWSA-Webseite:www.esc.eu.int



I N F O R M A T I O N
Österreichische Arbeitnehmervertreter im EWSA

Die Interessen der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im EWSA werden
derzeit von folgenden KollegInnen vertreten:
Eva Belabed
(Leiterin der Abteilung Europapolitik der AK-Oberösterreich), Fachgruppen INT und REX
Thomas Delapina (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK-Wien), Fachgruppen ECO und TEN
Wolfgang Greif (Internationaler Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten), Fachgruppen SOC und ECO
Angela Pfister (Mitarbeiterin des Volkswirtschaftlichen Referates des ÖGB), Fachgruppen TEN und REX
Gustav Zöhrer (Internationaler Sekretär der Gewerkschaft Metall-Textil), Fachgruppen SOC und INT



R E S Ü M E E 
Sozialpartner fordern einhellig Neuorientierung

Diese Stellungnahme des EWSA zu den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik« der EU ist vor allem deshalb ein bemerkenswertes Dokument, weil ganz wesentliche Kritikpunkte und Argumentationen, die seit vielen Jahren von Arbeitnehmervertretern vorgebracht werden, erstmals auf europäischer Ebene praktisch einvernehmlich von allen großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gruppen unterstützt werden, also auch von der überwiegenden Mehrheit der Arbeitgeberseite im EWSA.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die bisherige Wirtschaftspolitik der EU ist gescheitert. Die unausgewogene, da rein angebotsseitige Politik bemüht sich seit Jahren erfolglos um eine Wiederbelebung des Wachstums, die in Lissabon für das Jahr 2010 gesteckten Ziele werden so kaum erreicht werden. Eine nur auf Stabilität ausgerichtete und damit restriktiv wirkende Geld- und Haushaltspolitik, kombiniert mit kostensenkenden Flexibilisierungsmaßnahmen, reicht nicht aus, um Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, da sie den Nachfragemangel nicht beheben kann.

Gefordert ist daher eine grundlegende Neuorientierung des Policy-mix, eine auf Expansion ausgerichtete, koordinierte Wirtschaftspolitik, die aktiv die andauernde Nachfrageschwäche bekämpft. Nur wenn alle Akteure der Wirtschaftspolitik glaubhaft die Ziele Wachstum und Vollbeschäftigung anstreben, wird das Vertrauen von Konsumenten und Investoren so weit gestärkt werden, dass sich auch die Nachfrage wieder belebt.

Der Autor ist seit 1995 Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, und er war als Berichterstatter zu den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik« maßgeblich für diese Stellungnahme des EWSA verantwortlich.

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Thomas Delapina (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538707241 Vier Jahre schwarz-blaue Budgetpolitik Die Budgets der Jahre 2003/2004 standen unter dem Motto »Erfolgsmodell Österreich: Den Staat reformieren! Den Bürger entlasten!« Angesichts solcher Ansagen ist es an der Zeit eine Bilanz zu ziehen, zu überprüfen, ob sich das bewahrheitet hat, was uns der Finanzminister in diesen und anderen Budgetreden - in flotten Werbesprüchen verpackt - versprochen hat. Schließlich meinte ja auch Schüssel bei Amtsantritt, dass man die Regierung an den Maßnahmen und Programmen messen soll. Das soll hier an Hand der Ziele Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Preisstabilität und Verteilungsgerechtigkeit geschehen. Zuvor wird aber ein Blick auf den Kurswechsel der Budgetpolitik geworfen.

1. Kurswechsel in der Budgetpolitik

Die heftige Kritik des Ecofin-Rates am österreichischen Stabilitätsprogramm im März 2000 wurde von der schwarz-blauen Regierung zum Anlass genommen, eine neue budgetpolitische Ära einzuleiten. Das »Nulldefizit« und seine Erreichung innerhalb von nur zwei Jahren wurde zur obersten wirtschaftspolitischen Priorität erklärt.

Vom »Nulldefizit« als oberster Priorität über den Haushaltsausgleich im Konjunkturzyklus ...

In einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Kampagne »Zukunft ohne Schulden« versuchte die Regierung der Bevölkerung permanent zu vermitteln, dass der Staat vor dem Bankrott stünde und daher ein Sanierungsfall sei. Diese Argumentation hatte natürlich eine Schlagseite, weil der Staat keineswegs vor dem Bankrott stand und weil den Schulden Vermögenswerte gegenüberstehen, die erheblich zur Wohlfahrtssteigerung in Österreich beigetragen haben und die auch von unseren Kindern und Kindeskindern genutzt werden können. Im BIP-pro-Kopf Vergleich lag Österreich im europäischen Spitzenfeld (siehe Tabelle 1: »Maastrichtdefizite und -überschüsse in den Stabilitätsprogrammen«).

Tabelle 1
Maastrichtdefizite und -überschüsse in den Stabilitätsprogrammen
in % des BIP
  1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
November 1998 -2,2 -2,0 -1,7 -1,5 -1,4          
März 2000   -2,0 -1,7 -1,5 -1,4 -1,3        
November 2000     -1,4 -0,75 0,0 0,0 0,0      
November 2001       0,0 0,0 0,0 0,2 0,5    
März 2003         -0,6 -1,3 -0,7 -1,5 -1,1 -0,4
November 2003         -0,1 -1,3 -0,7 -1,5 -1,1 -0,4
tatsächliches Ergebnis*) -2,4 -2,3 -1,5 0,2 -0,2 -1,1        
*) 2003 vorläufiges Ergebnis
Quelle: Österreichische Stabilitätsprogramme, BMF

Durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt war der abrupte budgetpolitische Kurswechsel nicht gerechtfertigt, weil damals die Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts noch als mittelfristiges Ziel angesehen wurde. Auch ökonomisch lässt sich nach Ansicht prominenter Ökonomen der »Nulldefizit-Kurs« nicht begründen. Es verbleibt also die politische Begründung, derzufolge mit der permanenten Forderung nach einem Sparkurs und nach dem Ende des Schuldenmachens in der Bevölkerung die Opferbereitschaft erzeugt werden soll, um die Zustimmung zum nachfolgenden Sparkurs und Rückbau des Staates zu erhalten.

Im Rahmen der österreichischen Strategie zur nachhaltigen Entwicklung der Regierung vom Mai 2002 wurde der starre »Nulldefizit-Kurs« fallen gelassen. Das starre »Nulldefizit«-Ziel hat ausgedient, ab sofort werden ausgeglichene öffentliche Haushalte über den Konjunkturzyklus angestrebt. Diese Kurskorrektur spiegelte sich auch in den Stabilitätsprogrammen vom März und November 2003 wider (siehe Tabelle 1).

... zur Zurückdrängung des Staates durch die »Politik der leeren Kassen«

Ein zentrales Element solider öffentlicher Finanzen ist in dieser Nachhaltigkeitsstrategie die Senkung der Abgabenquote bis 2010 auf unter 40% des BIP. Bei ausgeglichenen Haushalten führt die Realisierung dieser Zielsetzung zu Ausgabenkürzungen bzw. Gebührenerhöhungen, die alle bisherigen Budgetkonsolidierungen weit übertreffen. Selbst der konservative Wirtschaftsprofessor Erich W. Streissler bezeichnete diese Zielsetzung als »... einen der größten und unwahrscheinlichsten Witze der Geschichte«. Eine Strategie, die lediglich darauf abzielt, dem Staat durch Steuersenkungen die finanziellen Mittel zu entziehen, führt durch das »Diktat der leeren Kassen« sehr rasch zu einem »mageren« Staat und damit zu einer Absage an den Wohlfahrtsstaat. Der damit einhergehende Rückzug des Staates lässt befürchten, dass er zu Lasten der sozial Schwächeren geht, da die erforderlichen Ausgabeneinschränkungen - im Ausmaß von 17 bis 20 Milliarden Euro - sozial Schwache weit stärker betreffen als Reiche. Der Slogan Grassers »Weniger Steuern - Mehr fürs Leben«, mit dem er die Senkung der Abgabenquote den Menschen schmackhaft machen will, dürfte für viele Menschen nachteilige Folgen haben. Das gilt insbesondere für die unteren EinkommensbezieherInnen. Denn sie profitieren von den Steuersenkungen im Regelfall wenig, während bei ihnen das Haushaltseinkommen durch die öffentlichen Ausgaben gesenkt wird.

Die »Politik der leeren Kassen« löst somit jene budgetpolitische Ära ab, in der der Staat eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion ausübte, sei es durch die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Herstellung einer gerechten Verteilung oder die Stabilisierung des Wirtschaftswachstums.

Der Staat wird nach dem neuen Verständnis immer mehr wie ein Unternehmen betrachtet. Demzufolge wird der Staat zunehmend nach privatwirtschaftlichen Kalkülen geführt bzw. werden Aufgaben oder bisher öffentliche Unternehmen an Private übertragen. Begründet wird das mit dem Argument, dass der Markt effizienter sei als der Staat. Natürlich ist Staatsversagen ernst zu nehmen, es kann aber auch nicht so sein, dass Marktversagen und dessen gravierende Folgen dabei geflissentlich übersehen werden.

2. Beurteilung der Budgets 2000 bis 2004

Die folgende Darstellung behandelt nur die Bundesbudgets der Jahre 2000 bis 2004.

2.1 Das Budget 2000

Das Budget 2002 wurde innerhalb nur weniger Wochen erstellt. Entgegen der Ankündigung den Defizitabbau über Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite erreichen zu wollen, lag das Schwergewicht auf einnahmenseitigen Maßnahmen. Zur Entlastung des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung (mehr als eine Milliarde Euro) wurde auf die Reservetöpfe (Familienlastenausgleich, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Insolvenzentgeltsicherung) zurückgegriffen. Darüber hinaus wurden die Ermessensausgaben stark gekürzt und ein Personalabbauprogramm eingeleitet. Einnahmenseitig wurden erste Steuer- und Gebührenerhöhungen - zynisch als »Steueranpassungen« bezeichnet - beschlossen (Tabaksteuer, motorbezogene Versicherungssteuer, Elektrizitätsabgabe, höhere Gebühren für Reisepässe etc.). Durch diese Maßnahmen wird die noch von der rot-schwarzen Koalitionsregierung 1999 beschlossene Steuersenkung einschließlich des Familienpakets zu etwa zwei Drittel wieder rückgängig gemacht. Ergänzend spielen auch Einmalmaßnahmen (erhöhte Dividenden der OeNB, Versteigerung der Mobiltelefon-Lizenzen, Liegenschaftsverkäufe) eine große Rolle.

Der Budgetvollzug konnte unter konjunkturpolitisch guten Bedingungen durchgeführt werden. Die nachfragestimulierenden Effekte überwiegen durch die Steuerreform der Vorgängerregierung, so dass vom Budget 2000 trotz guter Konjunktur expansive Effekte ausgingen.

Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wirkten sich die Personalreduktion, die Kürzung der Ermessensausgaben, der Verzicht auf substanzielle Maßnahmen zugunsten älterer ArbeitnehmerInnen, Frauen, Wiedereinsteigerinnen sowie Langzeitarbeitsloser und das Fehlen von Mitteln zur Fortsetzung des Auffangnetzes jugendlicher SchulabgängerInnen negativ aus.

Untere Einkommen überproportional belastet

Aus verteilungspolitischer Sicht hat eine Verschiebung der Steuerbelastung von der Lohn- und Einkommensteuer zu den Verbrauchssteuern stattgefunden. Durch die Erhöhung zahlreicher Verbrauchssteuern wurden die unteren Einkommen überproportional belastet. Zudem gingen von den Steuer- und Gebührenerhöhungen inflationserhöhende Effekte aus.

2.2 Das Doppelbudget 2001/2002

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Doppelbudgets 2001/2002 wurden die Konjunkturaussichten noch günstig beurteilt. Die Erreichung des »Nulldefizits« schien somit in eine konjunkturell günstige Phase zu fallen. Für das Jahr 2001 wurde daher ein umfangreiches Konsolidierungsprogramm beschlossen.

Abgabenquote in Rekordhöhe ermöglicht »Nulldefizit«

Ausgabenseitig sollten bis zum Ende der Legislaturperiode (2003) rund 11.000 Planstellen - getarnt als Verwaltungsreform - abgebaut werden. Schulen und Universitäten waren zwar ausgenommen, es wurden aber äquivalente Sparmaßnahmen ergriffen. Weitere wichtige Maßnahmen waren eine Pensionsreform, mit der das Antrittsalter stufenweise angehoben wurde, inklusive einer Anhebung von Pensions(sicherungs)beiträgen und die Fortsetzung der Abschöpfung von Fondsüberschüssen zur Entlastung der Pensionsversicherung. Auf der Einnahmenseite kam es zu Steuererhöhungen für Unselbstständige und Unternehmungen, zur Erhöhung von Steuervorauszahlungen und zur Einführung von Zinsen für Steuerrückstände. Insbesondere die letzten beiden Maßnahmen waren dafür verantwortlich, dass das angestrebte »Nulldefizit« für den Staat bereits ein Jahr früher erreicht wurde als geplant. Kaum merkbare Steuererhöhungen wurden für Vermögende beschlossen (Privatstiftungen, Erbschafts- und Schenkungssteuer). Diese Steuererhöhungen führten ja bekanntlich zur höchsten Abgabenquote der zweiten Republik (45,4% des BIP). Das Budget enthielt weiterhin Maßnahmen mit Einmaleffekten (OeNB-Gewinnabfuhr, Veräußerungserlöse von Liegenschaften).

Vorwiegend ein Sozialabbauprogramm

Einen besonderen Stellenwert hatten die so genannten Maßnahmen zur Erhöhung der »sozialen Treffsicherheit« (darunter die Besteuerung der Unfallrenten, die mittlerweile teilweise rückgängig gemacht wurde, Belastungen für Arbeitslose, Einführung der Studienbeiträge, Einschränkungen der Mitversicherung in der Krankenversicherung). Es handelte sich dabei vorwiegend um ein Sozialabbauprogramm.

Das umfangreiche Sparpaket für die Budgets 2001 und 2002 führte nach Schätzungen des WIFO zu Wachstumseinbußen von je einem Viertel-Prozentpunkt, aus der Steigerung der Rohölpreise resultierte eine weitere Wachstumsdämpfung. Das Budget 2001 war somit deutlich nachfragedämpfend angelegt. Die bereits beschlossene Preiserhöhung der Autobahnvignette hat die Inflation weiter angeheizt. In verteilungspolitischer Hinsicht kommt der Leiter des WIFO, Helmut Kramer, zu folgendem Ergebnis: »Im unteren Drittel der Einkommensverteilung übertrifft die durch diese Maßnahmen ab Mitte 2000 wirksame Mehrbelastung die vorhergehende Entlastung aus der Lohnsteuersenkung deutlich.« Und weiters: Durch die Änderung des Einkommenssteuerrechts ab 2001 büßen somit sowohl aktive Arbeitnehmer als auch Pensionisten der mittleren Einkommenskategorie (bis etwa ATS 42.000)1) am meisten von Vorteilen aus der Steuerreform 2000 wieder ein. Zusammenfassend meint er: »Die Konsolidierungsmaßnahmen trafen und treffen ab Anfang 2001 besonders die Bezieher niedriger (nicht unbedingt der niedrigsten) und mittlerer Einkommen, die ein Jahr zuvor stärker begünstigt erschienen.« Der Konsolidierungsbeitrag der Reichen und Superreichen bleibt sehr bescheiden.

Saldenfetischismus

Das Konsolidierungsprogramm 2001 prägte auch das Budget 2002, das ebenfalls restriktiv angelegt war. Die Abschöpfungen aus der Arbeitslosenversicherung an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger erreichten ein Rekordniveau, sodass Gelder für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen fehlten. Echte Schwerpunktsetzungen sind - abgesehen von der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes - nicht erkennbar, da die Budgetansätze des Jahres 2001 in weiten Bereichen einfach übernommen wurden. Das Budget 2002 ist erneut ein Beleg dafür, dass Saldenfetischismus Vorrang vor gestaltender Wirtschafts- und Sozialpolitik hat. Ablesbar ist das auch an den zukunftsorientierten Ausgaben, die ja von der Regierung als prioritär eingestuft waren. Die Mittel für die Schulbildung werden eingefroren, die Höherdotierung der Investitionen für die Universitäten reichten nicht für einschneidende Verbesserungen. Die im Offensivprogramm auch schon 2001 vorgesehenen Mittel waren schon damals erkennbar zu gering, um die Forschungsquote auf 2,5% des BIP anzuheben.

Konjunkturabschwächung lange Zeit kein Thema

Am schwersten wiegt jedoch, dass die Regierung sich lange Zeit weigerte, den Konjunkturabschwung zur Kenntnis zu nehmen und konjunkturstabilisierende Maßnahmen einzuleiten. Sie reagierte vielmehr mit Realitätsverweigerung und hielt lange Zeit am »Nulldefizitkurs« fest. Im Dezember 2001 wurde unter dem Druck steigender Arbeitslosigkeit zwar das Konjunkturbelebungspaket I beschlossen, es beinhaltete aber vorwiegend Maßnahmen, die mit kurzfristiger Konjunkturpolitik nichts zu tun haben. Wenn trotz des Wachstumsrückgangs im Jahr 2001 früher als erwartet ein geringfügiger Haushaltsüberschuss erreicht wurde, so war das vor allem auf die unerwartet hohen Einnahmen aus der Einführung der Besteuerung von Steuerrückständen und die Überschüsse der Länder- und Gemeindebudgets zurückzuführen.

Da sich die oft angekündigte konjunkturelle Erholung auch bis zum Spätsommer 2002 nicht einstellte, wurde erneut ein Konjunkturbelebungspaket beschlossen, das vor allem Steuer- und Abgabenerleichterungen im Ausmaß von 562 Millionen Euro mit sich brachte (Investitionszuwachsprämie, befristete vorzeitige Abschreibung, Forschungsfreibetrag(-prämie), Bildungsfreibetrag(-prämie), Lehrlingsprämie, Lohnnebenkostensenkung für Lehrlinge etc.). Wenngleich beiden Paketen in Summe gesamtwirtschaftliche Effekte zugesprochen werden können, so muss doch betont werden, dass angesichts der langen Dauer der Stagnation auch dieses Paket aus wachstums- und beschäftigungspolitischer Sicht unzureichend war. Die Forderungen der Oppositionsparteien, der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer nach einer vorgezogenen Steuerreform und einer Intensivierung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen blieben ohne Wirkung.

2.3 Das Doppelbudget 2003/2004

Obwohl Österreich in den Jahren 2001, 2002 und 2003 durch eine ungewöhnlich lange Phase der Stagnation gegangen ist - im Durchschnitt betrug das Wachstum nur 1% pro Jahr, in der EU hingegen 1,2% pro Jahr - und die aufgrund der zu restriktiven Fiskalpolitik zum Teil hausgemachten Wohlfahrtsverluste dieser schleichenden Wirtschaftskrise jenen der großen Rezessionen der Nachkriegszeit (1975, 1981/82, 1993) entsprachen, sprach Finanzminister Grasser in seiner Budgetrede von hervorragenden Ausgangsbedingungen.

Einem schwach expansiv wirkenden Budget 2003 folgt das Sparbudget 2004, das die Basis für die Steuerreform im Jahr 2005 schaffen sollte. Mit diesen Budgets reagierte Österreich weiterhin nicht annähernd ausreichend auf die wichtigste Ursache dieser Wachstumsschwäche, nämlich auf den gravierenden Mangel an Binnennachfrage. Ohne wirtschaftspolitische Impulse kann sich die konjunkturelle Lage nicht durchgreifend verbessern.

Weiterhin fehlende Konzepte für Wachstum und Beschäftigung

Die Budgets der Jahre 2003 und 2004 lassen eher einen orientierungslosen Zick-Zack-Kurs der Regierung erkennen als ein zukunftsweisendes Konzept zur Schaffung von Wachstum und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Auswirkungen der ersten Etappe der Steuerreform (2004) verpuffen, weil den Steuersenkungen Steuer- und Abgabenerhöhungen gegenüberstehen (Mineralölsteuer, Energieabgabe, Krankenversicherung). Auch das im Spätherbst 2003 beschlossene Konjunkturbelebungspaket III (Wachstums- und Standortpaket) bringt wenig unmittelbar konjunkturwirksame Maßnahmen mit sich.

Wenn es überhaupt Wachstumswirkungen auslöst, dann am ehesten aufgrund der Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Bei den angekündigten Infrastrukturinvestitionen handelt es sich nicht um zusätzliche Investitionen, sie waren schon im Regierungsprogramm angekündigt.

Weitere Belastungen für ArbeitnehmerInnen, Entlastungen für Unternehmen

Im Gegensatz zum Budget 2003 brachte das Budgetjahr 2004 erhebliche strukturelle Änderungen mit sich. Kernstücke der Sparmaßnahmen sind die »Pensionssicherungsreform«, moderate Pensionsanpassungen für die Jahre 2004 und 2005, die Erhöhung der Abgaben in der Krankenversicherung, die erste Etappe der »größten Steuerreform aller Zeiten« sowie Entlastungen der Lohnnebenkosten für ältere ArbeitnehmerInnen.

Trotz der ersten Etappe der Steuerreform und des Konjunkturbelebungspakets III werden durch das Budget 2004 keine expansiven, die Nachfrage stabilisierenden Effekte ausgelöst.

Aus verteilungspolitischer Sicht zeigt sich, dass durch dieses Maßnahmenpaket die ArbeitnehmerInnen/PensionistInnen mit ansteigender Tendenz belastet werden, während die Unternehmen zwar zunächst belastet, in den darauffolgenden Jahren aber deutlich entlastet werden.

Wenn der Finanzminister in seiner Budgetrede von einem Zukunftsbudget gesprochen hat, so lassen sich erneut die Schwerpunkte Bildung, Forschung, Wissenschaft und Infrastrukturinvestitionen nicht erkennen. Die Mittel für Forschung und Entwicklung werden zur Realisierung der angestrebten Zielsetzung neuerlich nicht ausreichen. Den Schulen steht real weniger Geld zur Verfügung.

Die Mittel für die Universitäten lagen im Budget 2003 unter denen des Vorjahres. Mit der Ausgliederung der Universitäten per 1. Jänner 2004 stehen den Universitäten wieder mehr Mittel zur Verfügung, allerdings weniger als die Einnahmen aus den Studienbeiträgen. Die Regierungsschwerpunkte konzentrieren sich auf die Ausgaben für Familien und das Heer. Zusammen mit der Entscheidung über den Ankauf von Abfangjägern wird den Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren mehr Bedeutung zugemessen als den tatsächlichen Zukunftsausgaben (Bildung, Forschung, Infrastrukturinvestitionen) und den Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

3. Die »größte« Steuerreform der 2. Republik?

Zusammen mit der ersten Etappe der Steuerreform 2004 wird die Steuerreform 2005 ein Entlastungsvolumen von 3 Milliarden Euro haben. So gesehen handelt es sich tatsächlich um die »größte« Reform. Misst man sie jedoch daran, was sie den ArbeitnehmerInnen bringt, dann ist sie sehr klein. Die Steuersenkungen 2004 und 2005 sind im Bereich der Lohnsteuer mit etwa 1,3 Milliarden Euro im Vergleich zu früheren eher bescheiden. Gerade im mittleren Einkommensbereich (1900 bis 2300 Bruttomonatseinkommen) mit sehr starken Besetzungszahlen (640.000 Personen) fallen die Entlastungen mit unter 20 Euro monatlich eher dürftig aus. Nach Berechnungen der Arbeiterkammer Wien deckt das Entlastungsvolumen gerade den Effekt der kalten Progression seit der Steuersenkung 2000 und die seither vorgenommenen Lohnsteuererhöhungen ab, sodass dieser Entlastungseffekt rasch verpuffen wird.

Massive Umverteilung zu den Unternehmen

Ganz im Gegensatz dazu gibt es dauerhafte und massive Steuersenkungen bei der Körperschaftsteuer. Die Absenkung des Steuersatzes von 34% auf 25% bringt den Kapitalgesellschaften einen Entlastungseffekt von einer knappen Milliarden Euro. Dazu kommen zusätzliche Begünstigungen durch eine neue Gruppenbesteuerung. Keine Entlastung gibt es für jene ArbeitnehmerInnen, die auch schon vor den Reformen keine Lohnsteuer gezahlt haben. Das betrifft beachtliche 2,2 Millionen Menschen. Sie werden durch die Sparpakete der Vergangenheit nur belastet. Rechnet man die Entlastungen bzw. Belastungen der Steuerreformmaßnahmen 2004 und 2005 zusammen, dann werden die Unternehmen etwa doppelt so stark entlas tet wie die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Von einer fairen Verteilung der Steuerentlastung kann also keine Rede sein.

Aus konjunkturpolitischer Sicht kommt die Steuerreform viel zu spät, sie entlastet im unteren und mittleren Einkommensbereich viel zu wenig und bringt daher keinen Impuls für die Beschäftigung. Die Körperschaftsteuerentlastung bringt konjunkturpolisch wenig, weil sie entweder gespart oder für Ausrüstungsinvestitionen mit hohem Importanteil verwendet wird. Eine große Chance zur Stärkung der Massenkaufkraft wurde daher vertan.

4. Wer sind die Gewinner bzw. Verlierer der budgetpolitischen Maßnahmen?

Abschließend ist natürlich aus ArbeitnehmerInnensicht von besonderem Interesse, wer die Gewinner bzw. die Verlierer aller budgetpolitischen Maßnahmen in den letzten Jahren waren (siehe Tabelle 2: »Belastungen und Entlastungen budgetärer Maßnahmen 2000 bis 2005«).

Tabelle 2
Belastungen und Entlastungen budgetärer Maßnahmen 2000 bis 2005
in Millionen Euro
  ArbeitnehmerInnen
PensionistInnen
UnternehmerInnen
Sparpakete 2000 und 2001*) 3.023 565
Sparpaket 2003 Budgetbegleitgesetz 2003**) 882 –224
steuerliche Entlastungen durch die Konjunkturbelebungspakete I - III***)   –743
Entlastungen durch die Steuerrreform 2005 –1.140 –1.390
Gesamtsumme der Be- und Entlastungen 2.765 –1.791
+ bedeutet Belastung, - bedeutet Entlastung
*) Unter Berücksichtigung von Entlastungen wie z. B. Kinderbetreuungsgeld.
**) Unter Berücksichtigung der 1. Etappe der "größten" Steuerreform.
***) Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2006.

Tabelle 2 zeigt, dass in Summe gesehen die ArbeitnehmerInnen zu den großen Verlierern zählen, während die Unternehmer vor allem wegen der Steuerreform 2005 und der Konjunkturbelebungspakete die großen Gewinner sind.

Bei den ArbeitnehmerInnen werden die Entlastungen aus der Steuerreform bei weitem überkompensiert durch die zahlreichen Belastungen der letzten Jahre. Unter den ArbeitnehmerInnen verlieren jene besonders stark, die von den Steuersenkungen nicht profitieren, aber von den Belastungen voll getroffen werden, darunter vor allem AlleinerzieherInnen, Teilzeitbeschäftigte und PensionistInnen.

Keine Rede also von den Versprechungen in der Budgetrede 2003/2004, wo Grasser »die Entlastung des Bürgers« angekündigt hatte. Weit und breit nichts zu merken von »Weniger Steuern - Mehr fürs Leben«. Die anfängliche Sparpolitik und die damit einhergehende höchste Abgabenquote wurden also dafür benutzt, um die größte Umverteilungsaktion zugunsten der UnternehmerInnen zu finanzieren.

1) Das sind 3052 Euro.


R E S Ü M E E 
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Der Übergang Österreichs zu einer Budgetpolitik mit »Nulldefiziten« und die praktisch ausschließliche Konzentration darauf haben den Konjunkturabschwung durch eine fast durchgängig prozyklische Politik verschärft. Die Folge waren zum Teil hausgemachte Wohlfahrtsverluste. Das schwache Wachstum war begleitet von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Konjunkturpakete wurden sehr zögerlich beschlossen und beinhalteten kaum kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Überwindung der Nachfrageschwäche. Bis heute fehlen Wachstumsinitiativen, die zu einer durchgreifenden konjunkturellen Erholung führen können.

Die Konzentration auf den Budgetsaldo hat den Blick für die Budgetstrukturen verstellt. Die in der Strategie von Lissabon eingeforderte Qualität der öffentlichen Finanzen insbesondere in Bezug auf die Zukunftsbereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung spiegelt sich in den Budgets der vergangenen Jahre nicht wider, obwohl es sich dabei um prioritäre Schwerpunktsetzungen der Regierung handelte. Prioritäre Ziele der Regierungspolitik waren die Förderung der Familien und die Landesverteidigung sowie die Steuerentlastung, der eine Reihe von Sparmaßnahmen vorgeschaltet war.

Aus verteilungspolitischer Sicht haben die Konsolidierungsmaßnahmen der ersten Phase besonders die BezieherInnen niedriger und mittlerer Einkommen betroffen. Das Sparpaket 2003/2004 führte zu weiteren massiven Belastungen, die durch die Steuersenkungen 2004 und 2005 nur partiell ausgeglichen werden. Am stärksten betroffen sind die niedrigsten Einkommen, die davon nicht profitieren, aber auch die mittleren Einkommen. Aus horizontaler Sicht werden die ArbeitnehmerInnen massiv belastet, während den Unternehmen die bisher größte Steuerentlastung zugestanden wird. Angelegt ist diese Umverteilung in der Steuerreform 2005, die nicht nur aus verteilungspolitischer, sondern auch aus wachstums- und beschäftigungspolitischer Sicht zu kritisieren ist, weil durch die Steuerentlastung die Masseneinkommen in zu geringem Ausmaß und zu spät entlastet werden.

Die von der Regierung angestrebte nachhaltige Sanierung der Staatsfinanzen konnte bisher nicht erreicht werden. Da die Steuerreform 2004 teilweise defizitfinanziert ist, sind weitere Sparpakete in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen; ganz sicher dann nicht, wenn die Abgabenquote bis 2010 tatsächlich auf 40% des BIP gesenkt werden sollte. Die damit einhergehende »Politik der leeren Kassen« offenbart, worum es Schwarz-Blau wirklich geht: um die weitere Zurückdrängung des Staates zulasten der Einkommensschwachen.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538707214 Das wäre ein fataler Fehler »Arbeit&Wirtschaft«: Kollege Ettl, erzähl uns bitte etwas über deinen Werdegang.
Harald Ettl: Nach einigen Berufsjahren in der Privatwirtschaft wurde ich 1971 Sekretär bei der Gewerkschaft Textil, Bekleidung, Leder und zwei Jahre später wurde ich bereits Zentralsekretär - mit 26 Jahren der jüngste im ÖGB. 1984 wurde ich dann Vorsitzender. Da war ich nicht mehr der jüngste.

Wann bist du Minister geworden?
Ettl: Anfang 1989 wurde ich Minister für Gesundheit und Öffentlichen Dienst, wie das damals geheißen hat. Ich hatte ja schon vorher sehr mit Rehabilitation und Spitälern zu tun wegen meiner Funktion als Vorsitzender des Sektionsausschusses Unfallversicherung im Hauptverband der Sozialversicherung.

1992 bin ich als Minister ausgeschieden und wieder zurück in die Gewerkschaft. Meine europäische Laufbahn habe ich 1995 als Mitglied im Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Union begonnen. Seit 1996, gleich mit den ersten Wahlen nach dem Beitritt Österreichs, bin ich Mitglied im Europäischen Parlament.

Zu deiner Tätigkeit als EU-Abgeordneter: Derzeit ist es doch mehr so, dass soziale Rechte abgebaut werden und die Gewerkschaften eher mit dem Rücken zur Wand stehen. Wir bemühen uns zwar, mehr Soziales da reinzubringen …
Ettl: Das ist zu pessimistisch. Marktwirtschaft und Wettbewerb haben eine starke Dominanz innerhalb der heutigen 15 Mitgliedsstaaten. Dieser Trend wird sich auch durch die Erweiterung nicht stark verändern. Das ist wohl zu befürchten. Das hat aber sehr viel mit den nationalen Regierungen zu tun. Zwar hat das Europäische Parlament schon viel Mitentscheidungsrecht bei der Gesetzgebung, aber der Europäische Rat - also die Regierungen Europas beeinflussen die EU immer noch sehr stark.

Ja und was macht das Parlament, wenn wie derzeit in allen Ländern die Arbeitslosenzahlen steigen und überall die sozialen Errungenschaften abgebaut werden? Ist das nicht das neoliberale Modell, das hier - auch durch die EU - propagiert wird?
Ettl: Gegen das neoliberale Modell zu kämpfen sehe ich als eine unserer Aufgaben im Parlament. Vor ein paar Jahren hatten wir in der EU schon einmal die Tendenz in Richtung 20 Millionen Arbeitslose. Derzeit liegen wir zwischen 13 und 14 Millionen Arbeitslose. Das ist immer noch viel zu viel, aber dennoch deutlich weniger. Das Parlament hat gut mit den europäischen Gewerkschaften zusammengespielt und Gegenmaßnahmen eingefordert. So hat 1997 die Beschäftigung - die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit - einen neuen Stellenwert in der europäischen Politik bekommen. Damals wurde beschlossen, dass wir in der EU eine Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitik brauchen. Dies soll durch die Beschäftigungsleitlinien erreicht werden. Leider klappt das mit der Umsetzung dieser Leitlinien noch nicht in allen Mitgliedsstaaten. Es mangelt an Geld und vor allem an politischem Willen. Aber die entscheidenden Impulse kommen von der Europäischen Union - sie wurden erkämpft und parlamentarisch erstritten.

Also du siehst dich wirklich als Arbeitnehmervertreter …
Ettl: Ich sehe mich als österreichischer und auch europäischer Gewerkschafter. In den Ausschüssen, in denen ich arbeite, Soziales und Beschäftigung und Wirtschaft und Währung, setze ich mich für die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein. Mir geht es um ein soziales Europa, das nicht nur Arbeitstitel sein soll. Darum, dass Soziales dem Wirtschaftlichen gleichgestellt wird.

Wir haben immer wieder über die EU berichtet, über die Lissabon-Strategie. Auf dem Papier liest sich das ja sehr schön …
Ettl: Derweil sind die in Lissabon beschlossenen Ziele noch viel zu sehr Papier, das ist richtig. Die Lissabon-Strategie ist wahrscheinlich eine der intelligentesten Entscheidungen, die in der EU in den letzten Jahren getroffen wurde. Es geht dabei um den industriellen Wandel, eine andere Beschäftigungspolitik, eine neue Bildungspolitik. Das Schlagwort der »europäischen Wissensgesellschaft« kommt nicht von ungefähr. Ziel ist bis 2010 mit 25 Mitgliedsstaaten, mit 450 Millionen Einwohnern zum größten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Das heißt aber auch, dass wir unseren relativen Wohlstand so ausbauen müssen, dass alle davon profitieren. Wenn uns das nicht gelingt, gilt für die ganze europäische Politik, dass sie gescheitert ist.

Also wir waren bei Lissabon und den Vorsätzen, die mit Beschäftigung, mit dem Abbau der Arbeitslosen zu tun haben. Das sind ja sehr ehrgeizige Ziele bis 2010.
Ettl: Die Lissabon-Strategie gliedert sich in zwei Etappen, es gibt Zwischenziele, die bis 2005 erreicht werden sollen - wie etwa die Erhöhung der Beschäftigungsquote auf 67 Prozent bis 2005, auf 70 Prozent dann bis 2010. Heute sind wir sehr weit davon entfernt. Das liegt, wie schon erwähnt, am mangelnden Willen der Mitgliedsstaaten. Denn die Umsetzung ist deren Aufgabe.

Lebenslanges Lernen ist angesagt. Das gilt sowohl für Facharbeiter wie auch für Universitätsabgänger. Wir müssen unsere Bildungssysteme umbauen. Grundvoraussetzung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von morgen oder eigentlich schon von heute ist Flexibilität. Die soll von der Ausbildungsseite her mitbekommen. Parallel dazu muss das soziale Fundament für die sich stark verändernde Industrie- und Beschäftigungspolitik neu justiert werden. Während ein Teil der Politiker Europas - quer durch alle Parteien - auf absolute Reduktion der Arbeitskosten, der Sozialkosten etc. setzt, gibt es noch andere Philosophien, von denen wir viel lernen könnten und die den für Arbeitnehmer entstehenden Druck abschwächen.

So haben z. B. Schweden, Finnland, Dänemark einen ganz anderen Zugang zu Sozialer Sicherheit als das beispielsweise in Deutschland oder bei unserer eigenen Regierung der Fall ist. Der ehemalige - übrigens konservative - Regierungschef Finnlands ist davon überzeugt, dass die von ihm durchgeführten Reformen nur darum erfolgreich waren, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer keine Ängste haben mussten, in ein soziales Loch zu fallen, wenn sie einmal keinen Arbeitsplatz hatten. Am Beispiel Finnlands zeigt sich damit deutlich, dass ein gesichertes soziales Fundament und eine gute Ausbildung die Mobilität und Flexibilität der Arbeitnehmer erhöhen. Jede Politik, die Ängste produziert hat sich nie mit sozialen Konflikten und Problemen auseinandergesetzt. Und wir als Gewerkschafter, als gewerkschaftliches Netzwerk im Europäischen Parlament arbeiten auf Reformen mit ausreichender sozialer Absicherung hin. Wir müssen überlegen, wie wir uns den neuen Herausforderungen stellen.

Neue Herausforderungen, die auch Auswirkungen auf Beschäftigung haben. Am ersten Mai erweitert sich die Europäische Union von 15 Mitgliedsstaaten auf 25. Das löst viele Ängste in der Bevölkerung aus.
Ettl: Die Erweiterung löst viele Ängste aus. Aber es gibt auch Hoffnung. Die »Neuen« sind in einer etwas schwierigeren Situation. Sie haben einen enormen Anpassungsdruck an die Wettbewerbssituation in der EU. Das bedeutet Umbau der Industrie und teilweiser Verlust von Arbeitsplätzen.

Was ich damit sagen will, ist, dass neue Mitgliedsländer zwar schon vieles in Richtung Anpassungsprozess geleistet haben, und das gibt Hoffnung, dass da in Zukunft ein neuer Schwung kommt. Aber bei der Beschäftigung, da klappt es noch nicht so richtig. Die neuen Mitgliedsländer haben ein doppelt so hohes Wirtschaftswachstum wie der Durchschnitt der EU-15. Dieses Wachstum sollte eigentlich auch mehr Beschäftigung bringen. Da aber die Produktivität sehr stark gestiegen ist, gibt es keinen wirklichen Beschäftigungszuwachs. Für Österreich heißt das, dass wir die Entwicklung der Arbeitsmärkte bei uns und in den angrenzenden neuen Mitgliedsländern genau beobachten müssen. Auf Druck der Gewerkschaften und des Europäischen Parlaments wurden bis zu sieben Jahre gehende Übergangsfristen im Bereich Arbeitnehmerfreizügigkeit durchgesetzt. Das kann helfen, die bestehenden Probleme - Stichwort Lohndumping und Arbeitsmigration - zu überwinden.

Voraussetzung ist aber, dass in den sieben Jahren auch tatsächlich etwas getan wird. Wir haben jetzt schon das Problem der Schwarzarbeiter ...
Ettl: Ja, ein Schwarzarbeitsgesetz ist schon längst überfällig. Wieso das die Regierung nicht beschließen lassen will, ist mir einfach schleierhaft. Auch die Überarbeitung der Entsenderichtlinie steht an. Die würde sicherstellen, dass die Arbeitnehmer, die vorübergehend in einem anderen EU-Land arbeiten, nach dem jeweiligen nationalen Recht behandelt werden. Die Arbeitsmärkte müssen kontrollierbar und überschaubarer werden - auf beiden Seiten der noch bestehenden Grenze. Grenzübergreifende Kooperationen sind notwendig - nach dem Motto: »Gemeinsam sind wir stark.« Der ÖGB lebt das ja auch vor mit den grenzübergreifenden Gewerkschaftskooperationen in Ungarn und Tschechien … Aber das wahrscheinlich größte Problem der EU beim Erweiterungsprozess ist die schlechte interne - institutionelle - Vorbereitung. Wir haben immer noch Einstimmigkeit in vielen Fragen im Rat, das heißt, wenn ein Staat was nicht will, dann kann er die Entscheidung blockieren. Das muss dringend aufgehoben werden.

Deswegen auch der Konvent und die Neuausrichtung der EU? Welche Schritte sind notwendig, um die EU handlungsfähiger zu machen?
Ettl: Ja, ja. Die Ergebnisse des Konvents lindern die Probleme, aber sie lösen sie noch nicht. Am Beispiel der Steuerpolitik, die ist so ein Produkt der Einstimmigkeit im Rat. Die völlig unterschiedlichen Steuererfassungssysteme in der Europäischen Union lassen viel zu viel Raum für Steuerwettbewerb. Das saugt Staaten finanziell aus und schränkt außerdem die Möglichkeiten für staatliche Leistungen ein. Das bedeutet dann auch, dass sich die Staaten dann von öffentlichen Dienstleistungen usw. verabschieden müssen. Einige malen sich das auch wunderbar aus. Immer mehr privatisieren unter dem Deckmantel des Wettbewerbsrechts der EU. Im Europäischen Parlament gibt’s eine überwiegende Mehrheit die sagt, dass die öffentlichen Leistungen ein wesentlicher Bestandteil eines sozialen Europas sind. Das betrifft sowohl soziale Leistungen, aber auch Wasserversorgung oder Nahverkehr, die von den Städten und Gemeinden erbracht werden.

Und wie ist das mit der Nettozahlerfunktion vereinbar. Ist es denn nicht so, dass wir als Nettozahler Dinge mitfinanzieren?
Ettl: Zur Nettozahlerfrage: Natürlich sind die leistungsfähigsten Staaten in der Europäischen Union Nettozahler, wie etwa Deutschland. Es ist aus meiner Sicht völlig unangebracht, wenn der österreichische Oberbuchhalter, unser Herr Finanzminister, den deutschen Finanzminister auch noch runtermacht wegen der Nichteinhaltung der Defizitregelung. Die Deutschen haben große Schwierigkeiten und können den Stabilitätspakt nicht erfüllen - aber die haben auch erst vor 10 Jahren neue Bundesländer aufgenommen - und das kostet Geld. So wie die Erweiterung der Union Geld kostet. Das Geld kommt in der Zukunft zurück, weil wir wirtschaftlich durch die Erweiterung wachsen. Davon profitieren dann zuerst die an die neuen Staaten angrenzenden Länder wie Österreich. Natürlich muss man erst sehen, wie viel Gelder in Zukunft in Europa bereitgestellt werden können. Wir brauchen neue Umverteilungsmechanismen in der EU. Die Fragen, die gestellt werden müssen, sind: Wie viel ist noch leistbar? Wie viel können die Nettozahler zu dieser Verteilung beitragen - unter Beibehaltung des Eurostabilitätspakts? Aus meiner Sicht ist das Problem, dass die viel zu unflexiblen Vorschriften des Stabilitätspaktes kaum mehr Spielraum lassen, in wirtschaftlich schwierigen Situationen entgegenzusteuern. Das ist das Problem. Und der Steuerwettbewerb.

Nicht das Einzige, was die Bürger bewegt. Es heißt, da gibt es so genannte
Spesenritter unter den EU-Abgeordneten. Vielleicht sollten wir dazu auch was sagen.
Ettl: Hm, ja … Wir - die Europaparlamentarier haben das Problem schon seit längerem erkannt. Wir haben ein Zulagensystem, das nicht überschaubar ist. Wir haben Reisekostenpauschalen für den Flugverkehr, die besser anders geregelt werden sollten. Das wollen wir auch und wir haben uns dafür auch stark gemacht. Gescheitert ist die vom Parlament vorgeschlagene Regelung schlussendlich im Rat. Die Neuregelung hatte ein einheitliches Gehalt und Abrechnung der Spesen nach tatsächlich angefallenen Kosten zum Inhalt. Leider hat dafür im Rat die notwendige Mehrheit gefehlt. Obwohl das viel überschaubarer gewesen wäre.

Als europäische Abgeordnete können wir keinen Zusatzberuf haben, keine Zusatzfunktion haben. Weil es zeitlich nicht vereinbar ist. Wenn man die Tätigkeit als Parlamentarier ernst nimmt, entspricht der Arbeitsaufwand ungefähr dem eines Ministers bei uns.

Trotzdem … Derzeit wird in manchen Medien kolportiert, dass die EU-Abgeordneten in der Mehrzahl ihre Tätigkeit nicht so ernst nehmen. Wenn es ums Aufdecken geht in der EU, dann denke ich zwar eher an den Abgeordneten Bösch, der ja Betrügereien im EU-Dschungel sehr effizient aufgedeckt hat und auch im Haushaltskontrollausschuss sitzt.
Ettl: Der Abgeordnete Bösch hat, wenn’s ums Aufdecken von Skandalen in der Europäischen Union geht, ausgezeichnete Arbeit geleistet. Er hat ja auch OLAF - die Betrugsbekämpfungseinheit der EU miteingerichtet. Dann haben wir noch den Europäischen Rechnungshof, der uns kontrolliert - und unsere Zulagen. Wir haben ein Statut, das sehr großzügig ist und das einfach auch geändert gehört. Das ist gar keine Frage.

Grundsätzlich würde ich ja meinen, dass die EU trotz allem ein positives Projekt ist …
Ettl: Die EU ist das größte und wichtigste Projekt seit Jahrhunderten. Sowohl friedenspolitisch, als auch, wenn es um die Zusammenarbeit verschiedener Kulturen und Völker geht. Europa braucht die EU vor allem für die Zukunft. Wichtig ist, sicherzustellen - und da sind wir mitten in der Ausgestaltung - dass ist derzeit die einzige Chance für die Zukunft - gerade, weil wir so stark mit der Globalisierung zu kämpfen haben. Für mich als Arbeitnehmervertreter stellt die EU - das Europäische Parlament in starker Zusammenarbeit mit den Europäischen Gewerkschaften - eine Möglichkeit dar, für soziale Wärme in Europa zu sorgen.

Das heißt, die Leute sollen auf jeden Fall am 13. Juni zur Wahl gehen.
Ettl: Ja und am Rande bemerkt: Zwischen 70 und 80 Prozent aller Entscheidungen die für uns in Österreich wichtig sind, werden vom Europäischen Parlament direkt oder indirekt beeinflusst. Das heißt, die EU geht uns alle an. Das Europäische Parlament geht uns alle an. Nicht wählen zu gehen, heisst, die Entscheidung für die EU aus der Hand zu geben, das wäre ein fataler Fehler. Denn die EU, das sind wir alle.

Kollege Ettl wir danken für das Gespräch.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538691776 Standpunkt | Falschmünzer der Sprache Falschmünzerei ist eine höchst strafbare Angelegenheit, hierzulande aber nur wenig verbreitet. ›Das liegt wahrscheinlich daran, dass wir nur relativ kleine Münzen haben, die Sache also nicht einträglich genug ist. Anders ist das schon beim Papiergeld. Das ist ob der höheren Werte einträglicher.

In unserer Sprache gibt es immer noch genug Falschmünzerei, Falschwörter sind gang und gäbe. Ein Beispiel gefällig: Was heißt »Flexibilisierung des Arbeitsmarktes«, vielleicht auch noch in Kombination mit »Differenzierung der Lohnstrukturen«?

Ganz einfach: dabei handelt es sich um erleichterte Kündigung und Niedriglöhne unter dem Kollektivvertrag.

Es handelt sich also nicht um die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen, sondern um billigere Arbeitsplätze. Die Kündbarkeit nach »hire and fire« gilt als Flexibilisierung, Niedriglöhne nennt man »Differenzierung der Lohnstrukturen«.

Ein besonders interessantes Vokabel ist die »Eigenverantwortung«. Im Prinzip ist damit gemeint, dass der Arbeitnehmer gefälligst allein bezahlen soll, was bisher als Lohbestandteil zur Hälfte vom Arbeitgeber eingezahlt - und später vom Staat bzw. der Sozialversicherung wieder ausgezahlt wurde. Wenn Arbeitnehmer künftig nicht schlechter versorgt sein wollen, zum Beispiel bei Krankheit oder bei den Pensionen, sollen sie die Differenz selber aufbringen. Es geht also nicht darum, die »Lohnnebenkosten« zu senken, sondern sie den »Arbeitnehmern« aufzuladen.

Es geht um Lohnsenkung, und damit das nicht so harsch klingt, spricht man von einer Senkung der »Nebenkosten« des Lohnes.

Was möchten Sie als Nebenkosten ansehen? Urlaub? Weihnachten? Den Anteil des Arbeitgebers an der Pensionsversicherung oder der Krankenversicherung? Oder vielleicht nur ein bisschen Unfallversicherung, Insolvenzentgelt oder Weiterbeschäftigung im Krankheitsfall?

Wer gibt eigentlich Arbeit und wer nimmt sie? Derjenige, der seine Arbeit hergibt, heißt bei uns »Arbeitnehmer«, der sie nimmt, heißt »Arbeitgeber«.

Ich zitiere aus dem »Falschwörterbuch« von Ivan Nagel, erschienen im Berliner Taschenbuch Verlag, in dem der Autor auch versucht, die historischen Zusammenhänge dieses Begriffspaares aufzuklären:

»Der Unternehmer stellte die Arbeit als seine gnädige Gabe hin, der Arbeiter nahm das Geschenk dankend entgegen, wissend, dass seine Arbeit ihm nicht gehörte - weshalb die Schenkung jederzeit rückgängig gemacht werden konnte. Heute ist das Begriffspaar ein vertrautes Gebrauchsobjekt unseres Alltages; und doch ist es eigentlich veraltet. Es könnte manchen auf die Idee bringen, dass der Arbeitgeber schuld daran sei, wenn er keine Arbeit mehr gibt - dem Arbeitgeber die Arbeit nimmt.«

Zurück zu den Lohnkosten. Das Prinzip wäre also: »Machen wir die Reichen noch ein bisschen reicher und hoffen wir, dass dabei Arbeitsplätze entstehen.«
Aber heute spricht man nicht von den »Reichen«, es ist nur von den »Besserverdienenden« die Rede. Von den Armen oder »Schlechterverdienenden« hört man wenig.

Diejenigen, die doch davon sprechen, die sich für die Gerechtigkeit einsetzen, zum Beispiel bei den Löhnen, für die hat man viele Ausdrücke.
Die Rede ist von den »Blockierern«, »Bremsern« oder »Besitzstandwahrern«. Wissen Sie schon, wer gemeint ist?

Ja, ja, es sind die Gewerkschaften und die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter.

Apropos, schaun Sie doch einmal auf die Seite gegenüber. Dort stehen die Ergebnisse der Wahlen in den Arbeiterkammern. Für mich beweisen diese Ergebnisse unter anderem auch, dass das Konzept der täglichen Desinformation nicht aufgeht.

Wir werden uns weiter beschäftigen mit »Schlechterverdienenden«, mit Minilöhnen von Ungelernten, mit dem Arbeitslosengeld der Arbeitslosen, mit dem Minipensionen der Mindestrentner und - mit der Solidarität, nicht nur als Prinzip, sondern in der täglichen praktischen Anwendung.

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 30 Jul 2007 16:19:52 +0200 1185538691708 Ecuador | Armut, Kinderarbeit, Korruption und Gewalt Als im Januar 2003 der neue ecuadorianische Präsident Lucio Gutierrez sein Amt antrat, waren viele Hoffnungen damit verbunden.

Als Oberst der Streitkräfte war er einer der Anführer einer Volkserhebung im Januar 2000, die einen unfähigen Präsidenten gestürzt hatte. Seine Regierung wurde unterstützt von der großen Bewegung der Indigenas (Indios), den Gewerkschaften und der politischen Linken. Doch die Hoffnungen schwanden noch im ersten Amtsjahr.

Heute ist die Mehrheit der Bevölkerung ärmer denn je, die einstigen Alliierten stehen in Opposition zu Gutierrez. Es wächst die Sorge, Ecuador könnten den Weg des blutigen gesellschaftlichen Konflikts gehen wie sein Nachbarstaat Kolumbien.
Ecuador ist ein schönes Land, Alexander von Humboldt hat es in seiner großen Reisebeschreibung im 19. Jahrhundert gewürdigt. Auf relativ kleiner Fläche vereint das Land schneebedeckte Sechstausender und Pazifikstrände, immergrüne Regenwälder und saftige Viehweiden, Kartoffelfelder und tropische Fruchtplantagen - und als Zugabe die Galapagos-Inseln. Zu den Naturschönheiten kommt eine freundliche Bevölkerung, die insbesondere im Hochland rings um die Hauptstadt Quito von den Indigenas (Indios) dominiert wird.

Kinderarbeit

Doch das hässliche Gesicht der Armut wird immer offensichtlicher: Kinderarbeit in fast allen Restaurants, in den Bussen, auf den Märkten. Kein Wunder: der Mindestwarenkorb beläuft sich auf 378 US-Dollar im Monat, der familiäre Durchschnittsverdienst nur auf 253 (Zahlen von Dezember 2003), da müssen halt alle dazuverdienen. Etwa 80 Prozent der ecuadorianischen Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze.

Dollarisierung und Überleben

Die Wirtschaftskrise in dem Andenstaat sollte durch die »Dollarisierung« überwunden werden. Der Sucre wurde vor vier Jahren durch den US-Dollar abgelöst. Gutierrez hatte sich erst skeptisch demgegenüber geäußert, verkauft die Dollarisierung nun allerdings als Erfolg. Immerhin sei das Land noch zahlungsfähig, heißt es. Dies stimmt. Allerdings nur, da den Zinszahlungen für die mehr als 16 Milliarden Dollar Auslandsschulden Vorrang gegenüber sozialen Investitionen gegeben wird. Ein Großteil der Ecuadorianerinnen und Ecuadorianer kann nur überleben, da mehr als zehn Prozent der Bevölkerung ins Ausland geflüchtet sind und von da Gelder (2003 etwa 1,6 Milliarden Dollar) an ihre Familien schicken. Und selbst dieses Modell ist nur möglich, weil die Preise für Erdöl, dem wichtigsten Exportgut Ecuadors, überdurchschnittlich hoch sind. Eine Normalisierung des Ölpreises - und Ecuador stünde vor dem Kollaps.

Faschistische Elemente

Angesichts dieser Krise kann es kaum verwundern, dass selbst die viel gepriesene Friedfertigkeit Ecuadors auf der Kippe steht: Spätestens seit dem Anschlag auf Leonidas Iza am 1. Februar dieses Jahres muss eine Übertragung des »schmutzigen Krieges« gegen Oppositionelle, wie es aus dem Nachbarland Kolumbien nur zu bekannt ist, ernsthaft befürchtet werden. Iza ist der Vorsitzende des mächtigen Indioverbandes CONAIE, der die Regierung zunächst gestützt hatte. »Wir konnten Gutierrez nicht richtig einschätzen, insofern war es ein Fehler, diese Regierung erst zu ermöglichen. Ohne die Indigenas und sozialen Bewegungen wäre Gutierrez nichts ins Amt gekommen, heute zeigen sich faschistische Elemente in seiner Regierung. Das ist natürlich ein herber Rückschlag«, sagt er mir im Gespräch. Wer denn wohl hinter dem Attentat gesteckt habe, das auf ihn vor dem Hauptsitz der CONAIE verübt wurde? »Das können Gruppen sein, die der Regierung sehr nahe stehen. Hier gab es bereits versteckte Andeutungen zu dem Aufbau paramilitärischer Gruppen. Es könnten auch ausländische Kräfte sein, beispielsweise die USA. Es kann auch die Regierung selbst sein.«

I N T E R V I E W

Rosen und Gewerkschaftsrechte

Interview mit Jaime Arciniega, Vorsitzender des ecuadorianischen Gewerkschaftsbundes CEOSL

Arbeit&Wirtschaft: Ihre Gewerkschaft hat anfangs die Regierung Gutierrez unterstützt. Wie kam es dazu?
Jaime Arciniega: Unsere Organisation unterstützte Gutierrez im Wahlkampf und auch in den ersten Monaten seiner Regierung, denn er hatte sich gegen die Korruption ausgesprochen, wollte die nationale Industrie stärken, neue Arbeitsplätze schaffen und die Kinderarbeit überwinden. Mein Vorgänger im Amt des Gewerkschaftsvorsitzenden zog als Berater in den Präsidentenpalast ein. Gutierrez versprach alles …

… hat aber nichts gehalten.
Das ist leider richtig, inzwischen ist Gutierrez auf eine ultrarechte Position eingeschwenkt. Er will die Gewerkschaften niederringen und den öffentlichen Sektor abschaffen. Unsere Bevölkerung hat der Präsident völlig vergessen, er sichert nur die Privilegien seiner Familie. Seine alten militärischen Freunde sind in hohe Ämter gerückt, für die sie keine Qualifikation haben.

Was ist also die Perspektive für diese Regierung?
Die Regierung macht die Gesetze gegen die Arbeiter, für das Großkapital. Es wäre besser, der Präsident würde bald zurücktreten. Es sieht aber so aus, als wolle er an seinem Amt festhalten. Es mehren sich anonyme Drohungen und erste Attentate gegen oppositionelle Kräfte, auch gegen die Gewerkschaften. Die Situation in Ecuador ist im Moment sehr unsicher und besorgniserregend.

Kann die internationale Öffentlichkeit für die Verteidigung der Gewerkschaftsrechte und der Demokratie in Ecuador von Nutzen sein?
Ja, sicher. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr gute Erfahrungen mit der Solidarität von Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen aus den USA in Bezug auf die Situation in der ecuadorianischen Bananenindustrie gemacht. In den USA werden diese Bananen überwiegend verkauft, deshalb haben die Unternehmen auf die Kritik dort reagiert. Wir konnten einzelne konkrete Erfolge in den Plantagen erzielen, selbst der Bananen-König und ehemalige Präsidentschaftskandidat Noboa spürt den Druck. Es wäre gut, ähnliche Initiativen zum Beispiel in Bezug auf die Blumenindustrie zu starten. Wir haben mehr als 300 Blumenplantagen in Ecuador, aber nur in dreien existiert eine Gewerkschaft. Wir haben beim Arbeitsministerium den Antrag auf eine Branchengewerkschaft für die Blumenindustrie gestellt, der aber abgelehnt wurde. Regierung und Unternehmer stecken unter einer Decke, die Korruption ist enorm. Es wäre gut, wenn sich hierzu in Europa, wo ja viele unserer schönen Rosen verkauft werden, deutliche Kritik in der Öffentlichkeit erheben würde.
(Das Interview führte Frank Braßel im März in Quito.)

Alle Versprechen gebrochen

Die CONAIE wie auch die Linkspartei MPD und der Gewerkschaftsverband CEOSL (siehe Interview) zogen sich nach 200 Tagen wieder aus der Regierung zurück. Präsident Gutierrez hatte nicht ein Versprechen erfüllt. Statt eine sozial ausgewogene Wirtschaftspolitik zu führen, gaben schnell die Neoliberalen den Ton an.

Statt gegen die immensen Auslandsschulden und die knallharten Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorzugehen, zeigt Gutierrez blinden Gehorsam. Und statt die US-Militärbasis in Manta nur auf Aktionen zur regionalen Drogenbekämpfung zu begrenzen, wie es der Vertrag vorsieht, wird Ecuador immer mehr zum Element der Regionalisierung des kolumbianischen Bürgerkriegs.

Das gilt für das Agieren des US- und offenbar auch des kolumbianischen Geheimdienstes im Lande und der zunehmenden Gewaltwelle.

Gutierrez entwickelt sich zu einem selbstherrlichen Präsidenten, der sich mit einer kleiner Gruppe von ehemaligen Militärfreunden und Familienangehörigen umgibt. So löste ihn sein jüngerer Bruder Gilmar Ende Februar als Vorsitzender seiner Partei ab, der »Patriotischen Gesellschaft«. Gutierrez reagiert zunehmend gereizt auf niedrige Umfragewerte und Kritik in den Medien.

»Das Land will positive Nachrichten, will Optimismus. Alle unsere Anstrengungen werden nutzlos sein ohne die Hilfe der Massenmedien. Deshalb Schluss mit den Skandalberichten«, forderte er in aggressivem Tonfall Anfang März.

Autoritärer, arroganter Führer

Offenbar hat sich ein neuer autoritärer, arroganter Führer installiert. Die Opposition plädiert für den Sturz Gutierrez’, doch die Frage ist: Welche realistischen Alternativen gibt es, gegen die reaktionären Eliten und gegen die Macht Washingtons eine wirklich alternative Regierung aufzubauen?

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre stimmen wenig optimistisch.

Vermutlich werden auch in den kommenden Jahren Armut, Kinderarbeit, Korruption und zunehmende Gewalt die Mehrheit der ecuadorianischen Bevölkerung belasten.

I N F O R M A T I O N

CEOSL - Central Ecuatoriana de Organizaciones Sindicales Libres = Bund der freien Gewerkschaften Ecuadors
MPD - Movimiento Popular Democratico = Demokratische Volksbewegung

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F. Braßel http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538691406 Vielfalt als Chance! Die Schulung, in der diese dynamische Mischung nicht totgeschwiegen wird, sondern auch Thema ist, ist kein schöner Traum. Es gibt sie. Diversity Management ist ein bereits weltweit erfolgreiches innovatives und modernes (Personal-) Managementmodell, das zur Integration von unterschiedlichen Gruppen von Beschäftigten führen soll. Dabei geht es um gezieltes Wahrnehmen und bewusstes Wertschätzen der Unterschiedlichkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Projekt »Managing Diversity« des europäischen Sozialfonds und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit kommt dieser Ansatz auch fünf österreichischen Pilotbetrieben zugute. Dabei werden neue integrative Modelle entwickelt und erprobt. Die funktionierende Zusammenarbeit von Menschen unterschiedlichster kultureller, gesellschaftlicher oder arbeitsgeschichtlicher Hintergründe wird als Schlüssel zum Erfolg gesehen. Eine solche Zusammenarbeit wird in Zeiten der Internationalisierung und Globalisierung auch immer wichtiger. Es ist keine Seltenheit mehr, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen mit unterschiedlichen Mentalitäten zusammenarbeiten. Die betrieblichen Strukturen haben sich in den letzten Jahren ebenfalls stark verändert: Team- und Projektarbeit hat zugenommen. Das bedeutet, dass Mitarbeiter mit unterschiedlicher Ausbildung und Erfahrung, unterschiedlichem Denken und unterschiedlicher Arbeitsweise kooperieren sollen.

Der Weg zur treffgenauen Schulung

Treffgenaue Schulungen, die zu den jeweiligen Zielgruppen passen, fallen natürlich nicht vom Himmel. Individuelle, innovative und die Chancengleichheit fördernde Angebote sind nicht einfach zu entwickeln. Es ist viel Vorarbeit notwendig, um bei den tatsächlichen Potenzialen der Beschäftigten anzusetzen und diese bewusst zu machen. Verschiedene Forschungs-, Trainings- und Beratungsinstitutionen arbeiten als Team im Rahmen einer »EQUAL«-Entwicklungspartnerschaft zusammen.

Wissenschaftliche Vorarbeit

Bevor die Arbeit in den Betrieben beginnen konnte, musste überlegt werden, wie man die Vielfalt in der Belegschaft am besten erhebt und die Bedürfnisse der verschiedenen Gruppen feststellt. Das ZSI, das Zentrum für soziale Innovation, hat diese Aufgabe in unserem Projekt übernommen und das Thema »Diversity« arbeitsmarktpolitisch aufbereitet, Diversity-Management-Studien und
-konzepte in anderen Ländern recherchiert, Good-Practice-Beispiele erhoben, Überlegungen zu einem Messinstrumentarium angestellt und Diversity-Merkmale zusammengestellt. Dabei war »Gender« - also die gesellschaftlich geprägte Geschlechterrolle - eine wesentliche Dimension der Analyse. In der Rahmenanalyse wurde versucht, Vielfalt in der Belegschaft auf breiter Basis zu erfassen und die Chancen, aber auch die Probleme, die sich daraus ergeben können, zu berücksichtigen.

Die Betriebsanalyse

Auf diesen Untersuchungen basierend, führt der Verein für Betriebssozialarbeit die eigentliche Betriebsanalyse durch. Sie besteht aus einer IST-Analyse der betrieblichen Kennzahlen, Angaben zur Beschäftigtenstruktur und einer Befragung, in der diese Daten ergänzt werden. Für diese Befragung wurden spezielle Erhebungsinstrumente entwickelt, um diversity-spezifische Aspekte gut herausarbeiten zu können. Es werden personenzentrierte Interviews an Hand eines teilstandardisierten Leitfadens geführt, der an firmenspezifischen Fragestellungen ausgerichtet ist. Die Fragen betreffen die Unternehmenssituation, firmenspezifische Spannungsfelder, die nationale und kulturelle Vielfalt der Firma, die Weiterbildung der Belegschaft, das Personalmanagement und die Arbeitszufriedenheit.

Bereits bei der Befragung wird darauf geachtet, dass die Befragten eine für die Diversität im Betrieb repräsentative Stichprobe darstellen. Aufgrund der IST-Anlayse und der Befragung kann ein bestimmter Schulungsbedarf abgeleitet werden, der dann in Vorschlägen zur Qualifizierung mündet. Diese Vorschläge sind für die jeweilige Firma »maßgeschneidert«. Gemeinsam mit den Pilotunternehmen werden aus den Vorschlägen jene ausgesucht, die in den laufenden Prozess passen und auf die betrieblichen Teilprojekte abgestimmt sind.

Das bedeutet auch, dass es in jedem der fünf Pilotbetriebe andere Schulungsmaßnahmen, Interventionen und Handlungsfelder geben wird. Diese Analysephase ist beim ersten Pilotbetrieb bereits abgeschlossen, beim zweiten Betrieb ist sie gerade im Gange.

Die Schulungen

Die Schulungen sollen sowohl die Führungsebene als auch die Beschäftigten für das Thema Diversity sensibilisieren und zu einer positiven Bewertung von Unterschieden führen. Bei den Schulungen sind das BEST Institut für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining und der Verein zur Förderung von Gleichstellung, Vereinbarkeit und Diversity aktiv.

Aus dem ersten Betrieb, der Firma Flowserve, der die Analysephase bereits abgeschlossen hat und wo schon Schulungen stattgefunden haben, liegen bereits erste Ergebnisse vor. Dort hat sich ein Schwerpunkt im Hinblick auf »Soft Skills«, also die Schulung von sozialen Kompetenzen, ergeben.

Bei »Flowserve« gibt es Trainings zur Führungsentwicklung, bei denen Führungsaufgaben geklärt werden und am »Wie« der Vermittlung dieser Aufgaben gearbeitet wird. Die Trainings finden in Form von Seminaren und Kleingruppencoachings statt, wobei auf den Erfahrungsaustausch besonderer Wert gelegt wird. Weiters gibt es ein Projekt zur Einschulung neu Eingestellter, da die Unternehmensanalyse in diesem Bereich einen konkreten Handlungsbedarf ergeben hat. Das kreative Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter soll der Lösungsfindung und damit der Akzeptanz der gefundenen Lösung sehr zugute kommen.

Diversity-Kompetenz

Der Transfer von Diversity-Kompetenzen wird ein weiterer Schwerpunkt des Trainings der Führungskräfte sein. Er richtet sich an Führungskräfte, Personalverantwortliche und den Betriebsrat. Der produktive Umgang und das produktive Managen von Diversitäten im Unternehmen stellt Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsräte als die Vertretung der Beschäftigten vor große Herausforderungen und bedingt den gezielten Aufbau von Kompetenzen sowie entsprechende Sensibilisierungsschritte. Das Sensibilisierungstraining baut auf den Ergebnissen der Betriebsanalyse auf und soll helfen, die Diversity-Perspektive in die Führungsarbeit, die Personalentwicklung und die Betriebsratsarbeit zu integrieren und Diversity-Maßnahmen umzusetzen.

Neben der Schulung der Führungskräfte ist auch die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zentraler Wichtigkeit. Hier heißt das wichtigste Thema Teamentwicklung. Es geht dabei um die Bearbeitung von Konflikten, um die Etablierung einer anderen Konfliktkultur durch die Förderung von Akzeptanz und Wertschätzung diversity-spezifischer Unterschiede um die Verbesserung der Gesprächskultur im Hinblick auf Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Beschäftigtengruppen und um die entsprechende Motivation.

Die vielfältigen sozialen Ebenen der Beschäftigten und deren weiteres Umfeld stehen im Zentrum der Zusammenarbeit der Fachhochschule für Sozialarbeit in St. Pölten mit der Caritas und Südwind. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Diversity-Potenzialen sollen speziell unterstützt werden. Es wird Hilfe bei beruflichen und sozialen Anliegen angeboten, und die unterschiedlichen Kulturen im Betrieb sollen in Form eines Betriebsjournals dargestellt werden.

Projektbegleitung und Evaluation

Damit die sieben Akteure, die in diesem Projekt aktiv werden, das gemeinsame Ziel nie aus den Augen verlieren, hat das Österreichische Institut für Raumplanung die wissenschaftliche Projektbegleitung übernommen. Es erstellt eine Ziel- und Bedarfsanalyse, überprüft die Zielkonsistenz und Zielkohärenz, vergleicht die Zielformulierungen im Antrag mit der aktuellen Operationalisierung und gibt Feedback zur Abstimmung der Ziele zwischen den Modulen. So trägt es zur Verschränkung von Lernprozessen bei und spiegelt Ergebnisse zurück.

Auswahl der Betriebe

Für das Projekt wurden Betriebe mit 70 bis 200 Beschäftigten ausgewählt, in denen Personengruppen arbeiten, die sich durch Geschlecht, Alter, Ausbildung, kulturelle und soziale Herkunft, körperliche oder psychische Disposition unterscheiden. Im Projekt »Managing Diversity« wird das Schulungs- und Beratungsprogramm in fünf Betrieben vom Industrieunternehmen bis zum Krankenhaus angeboten.

Die Schulungen bei Flowserve haben im November 2003 begonnen, ab Februar starten die Schulungen im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, im Frühjahr ist der Schließanlagenhersteller EVVA an der Reihe. Zwei weitere Betriebe werden gestaffelt folgen.

Die beteiligten Firmen

Flowserve ist ein Pumpenerzeuger mit Sitz in Niederösterreich und ist ein Tochterunternhemen der Flowserve Corporation mit Sitz in Dallas, Texas. Das Unternehmen beschäftigt 14.000 Personen in 56 Ländern. Am Standort Brunn am Gebirge werden Kreiselpumpen und Kolbenpumpen für die chemische und petrochemische Industrie sowie für allgemeine industrielle Anwendungen entwickelt, erzeugt und repariert. Der Umsatz an diesem Standort beträgt 30 Millionen Euro im Jahr, der Exportanteil 99 Prozent. Das Unternehmen befindet sich in einer Wachstumsphase, der Umsatz wurde in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Unterschiede als Störfaktor

Die Belegschaft besteht aus 165 Personen und ist multikulturell zusammengesetzt. Der Anteil der Beschäftigten nicht-österreichischer Herkunft beträgt im Werksbereich 23 Prozent, im Büro ein Prozent. Der Frauenanteil ist sehr gering und liegt im Werk bei zwei Prozent, im Büro bei 16 Prozent. Bisher wurde versucht, keine Unterschiede zu machen, Diskriminierungen aufgrund unterschiedlicher nationaler Herkunft zu vermeiden. Dies trug aber unbeabsichtigt dazu bei, Unterschiede wie Störfaktoren zu behandeln - gerade das Gegenteil des »Managing Diversity«-Programmes, das versucht, Unterschiede als Potenziale zu sehen. Daran wird gearbeitet werden müssen.

Daher liegen bei Flowserve die Schulungsangebote im Rahmen des Projektes hauptsächlich im Bereich der soft skills. Bisher gab es kein Training in dieser Richtung. Es gibt, wie bereits beschrieben, Angebote zur Führungsentwicklung insbesondere im Hinblick auf das produktive Managen von Diversitäten, zur Teamentwicklung, Motivation und Gesprächskultur, ein Projekt zur Einschulung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Unterstützung und Beratung im sozialen und betrieblichen Umfeld der Arbeiter und Angestellten.

Diversity im Krankenhaus

Der zweite Betrieb, in dem »Managing Diversity« bereits begonnen hat, ist das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Wien, ein Unternehmen der St. Vinzenz Holding. Es hat 387 Beschäftigte und betreut im Jahr rund 9000 Patientinnen und Patienten stationär und rund 19.000 Personen ambulant. Die Bettenauslastung beträgt 90 Prozent. Die medizinischen Schwerpunkte betreffen die ganzheitliche interdisziplinäre Betreuung von Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechsel-Erkrankungen, Osteoporose, psychosomatischen Erkrankungen, orthopädischen und proktologischen Erkrankungen sowie von Personen mit Wundheilstörungen, die in der Abteilung für plastische Chirurgie behandelt werden.

Die Betriebsanalyse ist gerade im Gange. Hier könnten sich Handlungsfelder bezüglich der Unterschiede zwischen geistlichen und weltlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, dem unterschiedliche Ausbildungsstand der Beschäftigten und dem Verhältnis zwischen inländischen und ausländi-schen Beschäftigten ergeben. Im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern gibt es bereits ein breites Schulungsangebot und eine jährliche Bedarfserhebung per Fragebogen. Diese Schulungen finden getrennt für die einzelnen Beschäftigtengruppen statt (Pflege, Ärzte, Verwaltung, medizinisch-technischer Dienst). Bereichsübergreifende, interdisziplinäre Schulungen gab es bisher nicht, sie sind aber für 2004 geplant. Es hat sich bereits gezeigt, dass nicht alle Gruppen der Belegschaft geschult wurden. Daher sollen im Rahmen des Projekts vor allem jene berücksichtigt werden, die bisher kaum Schulungen erhielten: benachteiligte Gruppen wie Behinderte, weniger qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie solche ausländischer Herkunft, die schlecht deutsch sprechen. Stephan Lampl, Geschäftsführer und Verwaltungsdirektor des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern: »Die Förderung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegt mir persönlich sehr am Herzen. Das Angebot von zusätzlichen Weiterbildungsmaßnahmen kommt jedoch nicht nur den Beschäftigten, sondern in weiterer Form auch unseren Patientinnen und Patienten zugute. Die Teilnahme am Managing Diversity Projekt trägt weiter dazu bei, die bereits hohe Kompetenz unseres Krankenhauspersonals auszubauen.«

Familienbetrieb für Sicherheit

Als nächster Betrieb kommt das österreichische Familienunternehmen EVVA, dessen Zentrale sich in Wien befindet, an die Reihe. EVVA ist einer der traditionsreichsten und gleichzeitig innovativsten Hersteller von Produkten im Bereich der Security. Die Firma ist auf Schließtechnik (Beschläge, Schließanlagen und Schlösser) sowie auf die Zu- und Austrittskontrolle von Gebäuden und Behältnissen spezialisiert.

In der Zentrale in Wien arbeiten 390 Personen, der Exportanteil beträgt 50 Prozent. Der Konzern hat auch Niederlassungen in Deutschland, den Niederlanden, Schweden, der Slowakei, Tschechien und Ungarn. EVVA will seine führende Marktstellung in Europa weiter ausbauen. Das Hauptanliegen an Managing Diversity ist der Umgang mit Veränderungen. Die Betriebsanalyse in diesem Betrieb beginnt im Frühjahr 2004. In zwei weiteren Betrieben, mit denen noch Vorgespräche geführt werden, wird das Projekt im Laufe des Jahres 2004 beginnen.

Informationen zum Projekt auf der Projekthomepage:
www.managing-diversity.at

R E S Ü M E E

Diversity Management will Unterschiede zwischen Beschäftigten vom Störfaktor in Vorteile verwandeln. Am Ende der Projektlaufzeit werden fünf österreichische Pilotbetriebe Strategien und Ansätze zum Diversity Management erprobt haben. Der Diversity-Ansatz wurde damit in den Modellbetrieben im betrieblichen Umfeld verankert. Damit ist man dem Ziel von EQUAL, der Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten am Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich, ein Stück näher gekommen.

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Doris Hecht-Aichholzer (Mitarbeiterin des Instituts für berufsbezogene Weiterbildung und Personaltraining) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538690444 Ein Gipfel macht noch keinen Frühling Natürlich war das zentrale Thema des heurigen Frühjahrstreffens der Staats- und Regierungschefs die Terrorbekämpfung in Europa. Gerade in sicherheitspolitischen Fragen, aber auch in der Außenpolitik zeigt sich, wie weit Europa von einer politischen Union tatsächlich noch entfernt ist. Entstanden ist der Gipfel allerdings, um alljährlich die Fortschritte der so genannten Lissabon-Strategie zu bewerten. Jener Strategie, die im Jahr 2000 entwickelt wurde, um Europa bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

Vollbeschäftigung in der EU ein realistisches Ziel?

Im Jahr 2000 hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis 2010 der dynamischste Wirtschaftstraum der Welt zu werden. Konkret wurde angestrebt, bis 2010 eine Gesamtbeschäftigungsquote von 70% zu erreichen. Ein Jahr später in Stockholm gingen die Staats- und Regierungschefs so weit, bereits für 2005 eine Quote von 67% anzustreben. Wiederum ein Jahr später verpflichteten sie sich, bis 2010 die Hälfte aller 55- bis 64-Jährigen in Beschäftigung zu bringen. Um dies alles möglich zu machen, wurde ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent als notwendig erachtet. Konkret bedeuten die Lissabonner Beschäftigungsziele die Schaffung von zusätzlich ca. 20 Millionen Arbeitsplätzen bis 2010. Vier Jahre später sieht die ökonomische Situation Europas weit weniger rosig aus als noch Anfang des Jahrtausends erhofft.

Ziel und Wirklichkeit

Das Wachstum in der EU war nun schon das dritte Jahr in Folge sehr schwach (2003: 0,8%): »Over the past three years, the average annual growth rate has been in the region of 1,25% compared with 2,7% for the second half of the 90s«1) (European Commission 2004:5). Die Beschäftigung hat sich zwar von 1999 auf 2002 von 62,5% auf 64,3% erhöht, allerdings stellt selbst die Kommission in ihrem Bericht für den Frühjahrsgipfel fest, dass dies nicht genügen wird, um das für 2005 ins Auge gefasste Zwischenziel zu erreichen. Wie weit sind wir konkret vom Ziel entfernt?


»Konkret bedeuten die Lissabonner Beschäftigungsziele die Schaffung von zusätzlich ca. 20 Millionen Arbeitsplätzen bis 2010.«

Im Jahr 2000 entwickelte die EU-Kommission auf Basis bestimmter Annahmen2) ein Szenario über die Entwicklung der Beschäftigung in den einzelnen Mitgliedstaaten (vergleiche dazu European Commission Ad hoc/008/en 2000 und Europäische Kommission 2000). Dabei ist die Erreichung des EU-Ziels insbesondere von der Entwicklung in den großen Ländern Deutschland, Frankreich und Italien abhängig. Die Kommission dazu im Jahr 2000: »Der Anteil dieser drei Länder am gesamten Beschäftigungswachstum, das für die Zeit von 1999 bis 2010 für die EU-15 prognostiziert wird, beträgt fast 50%. Wenn im Extremfall in diesen Ländern keine bessere Entwicklung eintreten sollte, sondern nur die Beschäftigungsentwicklung der 1990er-Jahre wiederholt werden würde, so würde die Beschäftigungsquote in der Europäischen Union insgesamt bis 2010 nur auf etwas über 67% steigen …« (Europäische Kommission 2000:51).

Der Extremfall scheint im Jahr 2004 eingetreten zu sein: Deutschland hinkt mit seiner wirtschaftlichen Entwicklung hinterher und auch Frankreich bzw. Italien haben zur Erreichung ihres Zieles noch einen weiten Weg zu gehen (siehe Grafik: »Ziele und Realität«).

Die Lissabon-Strategie reiht sich in eine Reihe von EU-Projekten - viele von ihnen Ergebnis so genannter Gipfeltreffen zwischen Staats- und Regierungschefs -, die jeweils mit der Hoffnung eines Wachstumsschubs verbunden waren: Das Binnenmarktprogramm Mitte der 80er-Jahre, der Luxemburg-Prozess zur Reform der Arbeitsmärkte (1997), gefolgt vom so genannten Cardiff-Prozess 1998 zur Reform der Gütermärkte und natürlich die Wirtschafts- und Währungsunion (2000).

1988 schätzte der berühmte Cecchini-Bericht (Europa '92 - Der Vorteil des Binnenmarkts), dass sich die jährliche Wachstumsrate der EG bis 1992 um einen Prozentpunkt erhöhen würde. Verschiedene Studien und Modellsimulationen3), die seit 1992 durchgeführt wurden, versuchten in den Folgejahren die Wachstums- und Beschäftigungseffekte des Binnenmarkts ex post, also im Nachhinein, zu quantifizieren (vergleiche unter anderem Ziltener 2001, Pichelmann 2002). All diese Analysen kommen zu deutlich niedrigeren Ergebnissen als die ex ante - im Voraus - Schätzungen des Cecchini-Berichts.

Allerdings sind auch diese deutlich niedrigeren Zahlen mit einiger Vorsicht zu genießen. Nicht nur, dass von vollkommen funktionierenden Märkten ausgegangen wird, so widersprechen Beschäftigungsdaten häufig diesen Befunden (vergleiche Ziltener 2003).

Aufbauend auf der Doktrin, dass Marktliberalisierung gefolgt von einer gemeinsamen Währung Wachstum und Beschäftigung schafft, wurden in Maastricht 1992 die Voraussetzungen für den Euro beschlossen. Kombiniert mit dem Abschwung Anfang der 90er-Jahre haben sich die kollektiven Konsolidierungsbestrebungen der EU-Staaten zur Erreichung der so genannten Maastricht-Kriterien4) in Folge jedoch eher hemmend auf Wachstum und Beschäftigung ausgewirkt. Die Versuche der EU-Kommission, expansive Wirkungen von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen zu beschwören, erscheinen bei genauerem Hinsehen wenig glaubwürdig. Trotzdem orientiert sich die europäische Wirtschaftspolitik weiterhin primär am Ziel einer niedrigen Inflationsrate (Primat der Preisstabilität in der Zielsetzung der Europäischen Zentralbank). Diese Festlegung erfährt ihre inhaltliche Konkretisierung im Stabilitäts- und Wachstumspakt und in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik.


»2003 wurden im Euro-Raum insgesamt 200.000 Stellen abgebaut - der erste Rückgang seit 1994.«

Die »Post-Maastrichtkrise«, wie Aust (2000) sie vielleicht etwas euphemistisch nennt - mit wachsenden politischen Widerständen gegen den Maastrichter Vertrag und der ökonomischen Rezession mit ansteigenden Arbeitslosenzahlen Anfang der 90er-Jahre -, hat zwar zu einer rhetorischen Wende in der Wahrnehmung der europäischen Arbeitsmarktkrise geführt. Mit dem so genannten Luxemburg-Prozess wurde 1997 der Grundstein für eine aktivere Rolle der EU in beschäftigungspolitischen Fragen gelegt. Allerdings liegen auch hier die politischen Schwerpunkte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf Arbeitsmarktreformen, das heißt auf Strukturreformen. Daher fällt das Ergebnis bzw. der Erfolg der Strategie nach mehr als sechs Jahren »Beschäftigungsstrategie« auch bei diesem Prozess eher bescheiden aus (vergleiche dazu eine umfassende Analyse in Schweighofer 2003).

Onkel aus Amerika

So war die relativ gute Wachstumsperformance und das Beschäftigungswachstum der EU in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre vor allem einer guten Konjunktursituation geschuldet, die weniger von der EU selbst, sondern den USA ausging. Oder - wie es in der Tageszeitung »Der Standard« einmal formuliert wurde: »Der Aufschwung ist ein Onkel aus Amerika.«

Dieses Wachstum brach dann in der EU auch gleich nach dem Abschwung 2000 in den USA ein, während die USA sich allerdings aber wieder rascher erholten, dümpelt die europäische Wirtschaft noch vor sich hin. Im Frühling 2000 waren sich die Staats- und Regierungschefs noch sicher, dass sie ein jährliches dreiprozentiges Wachstum bis 2010 erreichen könnten. Tatsächlich schlitterte die EU in eine nun schon seit über drei Jahren währende Stagnation, aus der sie sich nicht befreien kann oder will (siehe Grafik: »BIP- und Beschäftigungswachstum«). Das Problem der EU ist, dass die Jobs, die Ende der 90er-Jahre geschaffen wurden (immerhin 13 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze), Anfang des 21. Jahrhunderts wieder verloren gehen könnten - wenn nicht gegengesteuert wird!

Andere makroökonomische Politik?

Die lange Phase der Stagnation fordert auch ihren Tribut am Arbeitsmarkt. 2003 wurden im Euro-Raum insgesamt 200.000 Stellen abgebaut - der erste Rückgang seit 1994! Die Arbeitslosenquote steigt auf 8,1% (Euro-Raum: 8,9%). Und auch Österreich ist von dieser Entwicklung nicht verschont: bei Wachstum und Beschäftigung steht Österreich im EU-Vergleich eher durchschnittlich da (siehe Walterskirchen 2004).

Welche Faktoren sind nun aber tatsächlich schuld an dieser Entwicklung? Zur Klärung dieser Frage gibt es zwei Antworten: Während KritikerInnen der Entwicklung beklagen, dass die ökonomische Ausrichtung der EU - restriktive Budget- und Geldpolitik - wachstumshemmend ist, halten Kommission und Rat bedingungslos an alten Rezepten fest: Strukturreformen auf den Arbeits- und Gütermärkten heißt in diesem Zusammenhang das Zauberwort (vergleiche Angelo 2003).

Angesichts der schwachen Investitionen und des niedrigen privaten wie öffentlichen Konsums stellt sich jedoch die Frage, ob es nicht eher mangelnde Nachfrage ist, die für die anhaltende Krise verantwortlich zeichnet. Statt antizyklisch zu agieren geschieht das Gegenteil, und so trifft das, was Galbraith für die USA festhält, besonders dramatisch für die EU zu: »... Stagnation also promotes plans to cut essential services, including health, education and pensions«5) (Galbraith, 2004:10).

Chance nicht genutzt

Statt die Chance zu einer Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (SWP) zu nutzen, die die Ratsentscheidung zur Aussetzung der Sanktionen im vorigen November geboten hätte, ruft die scheidende EU-Kommission den EUGH an, um stur auf der Einhaltung der Verträge zu beharren. »Die Finanzminister fordern das Recht ein, eine Politik zu machen, die in der gesamten Welt als alternativlos im Falle einer anhaltenden Schwächephase der Wirtschaft gilt. Die Kommission aber, sicherlich mit geistiger Unterstützung der Europäischen Zentralbank, beharrt auf einer prozyklischen Politik, obwohl diese gerade in fast allen Ländern gescheitert ist« (Flassbeck 2004:2). Und dies, trotzdem es auch innerhalb der Kommission zumindest auf wissenschaftlicher Ebene durchaus Kritik (Barriere für Investitionen, prozyklischer Anreiz, kurzfristige Orientierung) und daraus resultierend Verbesserungsvorschläge für den SWP gibt (vergleiche unter anderem auch Buti 2003). Diese Vorschläge reichen bis hin zur Einführung einer so genannten goldenen Finanzierungsregel, das heißt die Ausklammerung der öffentlichen Investitionen aus der Defizitberechnung.

Deutsche Wissenschafter gehen noch einen Schritt weiter und verlangen darüber hinaus noch ausgabenseitige Fiskalregeln. Für konjunkturunabhängige Staatsausgaben soll ein nicht zu überschreitender Wachstumspfad vorgegeben werden, der mittelfristig zu einer Konsolidierung führt, das heißt unter dem trendmäßigen nominalen BIP-Wachstum liegt.

Demgegenüber sollen die konjunkturabhängigen Ausgaben je nach Konjunkturlage um diese Ausgabenpfad variieren, das heißt die automatischen Stabilisatoren können voll wirken (Hein 2003).

R E S Ü M E E
Über Optionen zur Erreichung der Lissabon-Ziele wird derzeit nicht diskutiert - und der Frühjahrsgipfel in Brüssel war eine weitere vergebene Chance, Europa aus der Wachstumskrise zu holen.
Somit ist absehbar, dass die für 2005 vorgesehene Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie noch ernüchternder ausfallen wird als der diesjährige Frühjahrsbericht der Europäischen Kommission.

1) Zu Deutsch: »Während der letzten drei Jahre lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im Bereich von 1,25%, verglichen mit 2,7% in der zweiten Hälfte der 90er.«
2) Zu diesen Annahmen zählen z. B. ein jährliches BIP-Wachstum von 3%, ein Beschäftigungswachstum von 1,2% und bestimmte Annahmen zur demografischen Entwicklung (siehe dazu genau: Europäische Kommission 2000:50ff).
3) Auf Basis eines makroökonomischen Modells (QUEST-Modell der Kommission) werden die Effekte der Produkt- und Arbeitsmarktliberalisierung von 1992 bis 2002 geschätzt.
4) Der Vertrag von Maastricht sieht vor, dass die Budgetpolitik in der WWU einer Disziplinierung zu unterwerfen ist. Als Zielvorgabe wurden zwei fiskalische Konvergenzkriterien festgelegt, die postulieren, dass das Maastricht-Defizit nicht höher als 3% des BIP und die öffentliche Verschuldung des Gesamtstaates nicht höher als 60% des BIP sein soll.
5) Zu Deutsch: »Die Stagnation fördert Pläne zur Reduktion lebenswichtiger Versorgungsdienste wie Gesundheit, Bildung und Pensionen.«



WEITERFÜHRENDE LITERATUR:

Angelo, Silvia (2003): Die Auswirkungen der EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik auf die Sozialpolitiken der Nationalstaaten, in: WISO 3/2003

Aust, Andreas (2000): »Dritter Weg« oder »Eurokeynesianismus«? Zur Entwicklung der Europäischen Beschäftigungspolitik seit dem Amsterdamer Vertrag. in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 29/3

Buti, Marco, Eijffinger, Sylvester und Franco, Daniele (2003): Revisiting the Stability and Growth Pact: Grand design or internal adjustment? In: European Commission (Hrsg.), European Economy Nr. 180

European Commission Ad hoc/008/en: Employment rate scenarios for 2010 - Summary, Brussels 2000

Europäische Kommission (2000): Beschäftigung in Europa 2000, Brüssel 2000

Europäische Kommission (2004): Delivering growth, Bericht der Kommission für den europäischen Frühjahrsgipfel, Brüssel 2004

Galbraith, James K. (2004): The American Economic Problem, in: Intervention - Zeitschrift für Ökonomie 1/2004, Darmstadt

Flassbeck, Heiner (2004): Europa versagt an vielen Fronten, 2. Teil einer dreiteiligen Serie, in: WuM April 2004

Hein, Eckhard (2003): Voraussetzungen und Notwendigkeiten einer europäischen Makrokoordinierung, in: Wirtschaftspolitische Koordination in der WWU, Wirtschaftswissenschaftliche Tagungen der AK Wien, Nr. 7, Wien

Pichelmann, Karl et al. (2002): Structural reforms in labour and product markets and macroeconomic performance in the EU, in: The EU-Economy, 2002 Review, Brüssel

Schweighofer, Johannes (2003): Ist die »europäische Beschäftigungsstrategie« nach fünf Jahren am Ende? Zur Bewertung des Luxemburg-Prozesses 1998-2002, Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft Nr. 84, Arbeiterkammer Wien 2003

Walterskirchen, Ewald (2004): Die Position Österreichs im internationalen Strukturwettbewerb - Die neuen EU-Strukturindikatoren. Materialien zu Wirtschaft und Gesellschaft Nr. 86, Arbeiterkammer Wien 2004

Ziltener, Patrick (2001): Wirtschaftliche Effekte der europäischen Integration - Theoriebildung und empirische Forschung in: MPlfG Working Papers 7/2001

Ziltener, Patrick (2003): Hat der EU- Binnenmarkt Wachstum und Beschäftigung gebracht? in: WSI Mitteilungen 4/2003

Die AutorInnen Silvia Angelo und Norbert Templ sind beschäftigt bei der Arbeiterkammer Wien und befassen sich mit europäischen Themen

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538690152 Altenpflege zwischen Demografie und Budget - Geriatrische Langzeitpflege in Österreich Die zu erwartenden Kosten in den kommenden Jahren müssen daher entweder direkt von den PatientInnen oder von der öffentlichen Hand getragen werden.

Demografische Herausforderung

Die Pflege, insbesondere die Altenpflege, sieht sich derzeit im Spannungsfeld zwischen demografischen Herausforderungen und budgetären Engpässen. Dies gilt für Österreich ebenso wie für die anderen EU-Länder.


»Bereits 1994 haben sich die Bundesländer gegenüber dem Bund verpflichtet, die sozialen Dienste im Pflegebereich flächendeckend auf- und auszubauen.«

Heute gibt es in Österreich etwa 350.000 Personen, die Pflegegeld beziehen, davon sind 290.000 über 60 Jahre alt. (Es gibt Schätzungen, die sagen, dass die Zahl der Pflegefälle noch deutlich höher liegt, da es auch pflegebedürftige Menschen gäbe, die kein Pflegegeld erhalten.) Betrachtet man die Altersstruktur, so sieht man eine deutliche Erhöhung des Pflegerisikos rund um den achtzigsten Geburtstag: Während in der Altersgruppe »60 bis 80 Jahre« 9% aller Personen Pflegefälle sind, können in der Altersgruppe »Über 80 Jahre« 50% als Pflegefälle bezeichnet werden. Die Prognosen der Statistik Austria zeigen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte insbesondere für die Gruppen Alte und Hochbetagte hohe Steigerungsraten.

Es ist sehr schwierig abzuschätzen, ob in dieser größer werdenden Gruppe von alten Menschen auch vermehrt Pflegefälle sein werden oder ob in Zukunft die Alten länger gesund sein werden. Nimmt man an, dass der Anteil der Pflegefälle gleich bleibt, so ist in den kommenden Jahren mit folgenden Steigerungsraten zu rechnen: Bis 2010 wird es um 15% mehr Pflegefälle geben als heute, bis 2030 um ca. 65% mehr und bis 2050 um ca. 125% mehr.

Wie ist Österreich für diese Herausforderungen gerüstet? Der Befund ist leider nicht allzu gut. Bereits heute lesen wir immer wieder vom »Pflegenotstand«. Da drängt sich umso mehr die Frage auf, wer in Zukunft die größer werdende Gruppe der geriatrischen Langzeitpflegefälle pflegen soll. 15% der Pflegefälle sind heute in Heimen. Das ist im internationalen Vergleich eher eine unterdurchschnittliche Zahl. Es gibt einfach Fälle, die nur in stationärer Betreuung ausreichend umsorgt werden können: Alzheimer, Demenz, fortgeschrittene Formen von Behinderung, etc.

Pflegestrukturen in Österreich

Bekanntermaßen steht es nicht in allen Altenheimen zum Besten. Bereits 1994 haben sich die österreichischen Bundesländer gegenüber dem Bund verpflichtet, die sozialen Dienste im Pflegebereich flächendeckend auf- und auszubauen. Diese »Bedarfs- und Entwicklungspläne« sollen bis 2010 erfüllt werden, es bedarf hier allerdings noch großer Anstrengungen, um dieses Ziel zu erreichen. Wie so oft liegt dies auch daran, dass zu viele Köche am »Pflegebrei« mitmischen (Bund, Sozialversicherung, Länder, Gemeinden, Soziale Dienste, Landesfonds, Behindertenhilfe, …). Dadurch wird das System unübersichtlich, es gibt keine klaren Zuständigkeiten und es entstehen Ineffizienzen in der Kostenstruktur. Auch die Qualitätsstandards der Heime sind äußerst ungleich - hier könnte möglicherweise das soeben in Beschlusslage befindliche Bundesheimvertragsgesetz etwas ändern.


»Der Staat zahlt jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro an Pflegegeld.«

85% der Pflegefälle werden hingegen zu Hause betreut. Etwa 25% dieser Personen geben an, dass sie auch professionelle Hilfe erhalten. Da diese aber auch nur wenige Stunden am Tag abdeckt, bleibt der Großteil der Pflege heute in der Verantwortung der Familien. Gerne wird argumentiert, dass es dafür ja das Pflegegeld gäbe. Dieses steht aber in keinem Verhältnis zu den tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen - um sich damit professionelle Hilfe zu kaufen, ist es zu wenig, als materielle Absicherung der pflegenden Familienangehörigen kann es auch kaum gesehen werden. Dennoch zahlt der Staat jedes Jahr 1,5 Milliarden Euro an Pflegegeld aus und diese Kosten würden parallel mit der Zahl der Pflegefälle steigen, wenn es zu keinen Reformen kommt.


»Die Forderung nach mehr Mobilität zwischen den Gesundheits- und Pflegeberufen ist nach wie vor ungenügend erfüllt.«

Es ist aber kaum vorstellbar, dass die so genannte informelle Pflege (also jene, die von Familienangehörigen erbracht wird) tatsächlich noch zunehmen kann. Die nach wie vor steigende Frauenerwerbstätigkeit und das Anheben des Pensionsalters führen dazu, dass Frauen immer mehr und länger auf dem Arbeitsmarkt bleiben - der Großteil der heute pflegenden Angehörigen rekrutiert sich aber genau aus dieser Gruppe der 50- bis 60-jährigen Frauen. Hier entsteht analog zur Kinderbetreuung eine Vereinbarkeitsproblematik. Ohne professionelle Hilfe ist es nicht möglich, Beruf und innerfamiliäre »Sozialleistungen« zu vereinen, womit die materielle Absicherung für diese Frauen zunehmend schwieriger wird. Aus diesem Grund wird in Österreich wie auch im Rest Europas der Ruf nach ambulanter Pflege immer lauter: Es muss dringend die Hauskrankenpflege ausgebaut werden, wie dies auch die bereits oben erwähnten Bedarfs- und Entwicklungspläne der Länder vorsehen.

Der Ausbau der ambulanten Pflege ist allerdings teuer. Ein Pflegefall, der mehr als vier Pflegestunden am Tag professionell betreut wird, kommt »billiger«, wenn dies in einem Altenheim geschieht. Wegzeiten, höherer Administrationsbedarf, schlecht für Pflege ausgestattete Wohnungen, unzureichende Möglichkeit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung, dies sind einige der Faktoren, die kostentreibend für die ambulante Pflege wirken. Dennoch spricht natürlich der Wunsch nach eigenständigem und selbstbestimmtem Leben sehr für die ambulante Pflege.


»Es muss dringend die Hauskrankenpflege ausgebaut werden.«

Heute werden neben den bereits erwähnten 1,5 Milliarden Euro an Pflegegeld ca. 1,6 Milliarden Euro für Sachleistungen ausgegeben (ca. 1,1 Milliarden Euro für die Pflegeheime und ca. 500 Millionen Euro für die ambulante Pflege). Hier muss es zu einer Strukturveränderung kommen, wenn der erhöhte Pflegebedarf der Zukunft qualitätsvoll befriedigt werden soll. Daher sprechen sich auch die ArbeitnehmerInnen der Interessenvertretungen dafür aus, dass in der Pflege vermehrt Anstrengungen zum Ausbau des professionellen Bereichs unternommen werden müssen (sei es der notwendige Ausbau von Pflegeheimen oder sei es die flächendeckende, leistbare Zurverfügungstellung von ambulanter Pflege) - Sachleistungen ist vor Geldleistungen (also dem Pflegegeld) der Vorrang zu geben, so kann man diese Forderung kurz zusammenfassen.

Arbeitnehmerinnen in der Pflege

Natürlich interessiert in diesem Zusammenhang auch, wie es den Arbeitnehmerinnen (und es sind fast nur Frauen) in diesem Bereich geht. In den Pflegeheimen gibt es etwa 14.000 Vollzeitarbeitsplätze, in der ambulanten Pflege sind es heute ca. 6000. Es handelt sich dabei um keine sehr attraktiven Jobs. Dies beginnt bereits bei der Ausbildung. Diese ist sehr uneinheitlich und weitgehend unverbunden. Wenn eine junge Frau mit 15 Jahren sich entscheidet, in eine Krankenschwesternschule zu gehen, so hat sie nach drei Jahren einen Abschluss, aber keine Matura. Sollte sie also nach diesen drei Jahren draufkommen, dass sie sich eigentlich in diesem Beruf nicht wirklich wohlfühlen wird, so muss sie mit einer anderen Ausbildung ganz von vorne beginnen. Für die rein auf die Pflege ausgerichteten Berufe gibt es in den verschiedenen Bundesländern die unterschiedlichsten Bezeichnungen und Berufsbilder. Dies hat sich zwar durch eine neue Vereinbarung der Länder etwas gebessert, die Forderung, die Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen nach einer durchlässigen Ausbildungssituation (man soll zwischen verschiedenen Ausbildungen relativ einfach wechseln können) und nach mehr Mobilität zwischen den Gesundheits- und Pflegeberufen (man soll relativ einfach in verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens arbeiten können, z. B. ein paar Jahre als Geriatrie-Schwester und dann vielleicht auch einmal als Säuglingsschwester) ist aber nach wie vor ungenügend erfüllt.


»Schätzungen sprechen von 10.000 bis 40.000 Personen, die jährlich vor allem aus Tschechien und der Slowakei kommen und in Österreich schwarz Pflegeleistungen erbringen.«

Und natürlich ist auch die Bezahlung gerade im Altenpflegebereich sehr schlecht. Und so ist es kein Wunder, wenn bereits heute von einem Fehlbestand von ca. 1350 Krankenschwestern, 3500 PflegehelferInnen und weiteren 400 Personen in den Hilfsdiensten ausgegangen wird. Es könnte eine kurz- bis mittelfristige Erleichterung sein, hier den Zustrom von ausländischem Pflegepersonal zu erleichtern (was auch ein Beitrag in der Bekämpfung der Schwarzarbeit wäre), längerfristig wird aber vor allem die Entlohnung in diesem Bereich deutlich besser werden müssen.

Wie ist es anderswo?

In allen westeuropäischen Ländern wird die für die nahe Zukunft zu erwartende Zunahme der geriatrischen Pflegefälle als wichtiges sozialpolitisches Problem gesehen. Die meisten EU-Länder unterscheiden sich dabei von Österreich dadurch, dass bereits heute wesentlich stärker der Sachleistungsbereich betont wird. Lediglich Deutschland kennt auch ein Pflegegeld, allerdings wird auch hier versucht, die Nachfrage stärker in Richtung von professionellen Leistungen zu lenken.

In vielen Ländern gibt es zweckgebundene Geldleistungen, die also nur zum Ankauf von qualifizierter Pflege verwendet werden dürfen. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass bis zu einem gewissen Grad hier ein Markt entstanden ist, der ein vielfältiges Angebot an möglichen Pflegeleistungen hat.


»Qualitätsstandards der Heime sind äußerst ungleich.«

Derartige Ansätze haben sicherlich ihre Berechtigung, es ist immer nur darauf zu achten, dass es zu keinen unerwünschten Verteilungswirkungen kommt (hochqualitative Pflege für die Reichen, mangelhafte Pflege für die Armen). Insofern spricht auch die internationale Erfahrung dafür, stärker die professionelle Pflege auszubauen und die Familien in ihrer fast alleinigen Verantwortung für Pflegefälle spürbar zu entlasten.

Obwohl die Beitrittsländer eine etwas jüngere Bevölkerung haben als der EU-Durchschnitt, sehen auch sie für die kommenden Jahre einen Ausbaubedarf im Pflegewesen. Dieser Umstand gemeinsam mit der prognostizierten mittelfristigen Angleichung der Lohnniveaus wird dazu führen, dass die heute bestehende Schwarzarbeit in Österreich stark zurückgehen wird. Schätzungen sprechen von 10.000 bis 40.000 Personen, die jährlich vor allem aus Tschechien und der Slowakei kommen und in Österreich schwarz Pflegeleistungen erbringen. Fällt diese Gruppe weg, so droht der Pflegebereich in Österreich zusammenzubrechen, wenn nicht rechtzeitig gegensteuernde Maßnahmen gesetzt werden.

Entwicklung der Kosten?

Bereits die prognostizierte Entwicklung der Bevölkerungszahlen hat klar gezeigt, dass der Ausgabendruck in der nahen Zukunft steigen wird. Möglicherweise wird dies etwas abgeschwächt, wenn tatsächlich die Alten länger gesund bleiben. Aber das ist keineswegs sicher und es gibt auch ganz entgegengesetzte Prognosen.
Die Analyse der bereits bestehenden Probleme hat aber gezeigt, dass ganz dringend Strukturänderungen notwendig sind. Bereits in den allernächsten Jahren muss es zu einer Verbesserung bei den Heimen kommen. Neben den dafür notwendigen baulichen Maßnahmen wird dies auch eine Verbesserung der Bezahlung der Pflegekräfte bedeuten müssen. Damit werden in diesem Bereich gerade in den kommenden Jahren starke Kostensteigerungen entstehen.

Mittelfristig wird sich aber vor allem das Gewicht zwischen informeller und formeller Pflege verändern: Die Pflegeleistung, die heute unbezahlt innerhalb der Familien erbracht wird, wird zunehmend von professionellen ambulanten DienstleisterInnen übernommen werden. Wie bereits erwähnt, wird diese Entwicklung teuer sein. Blieben ansonsten die Pflegestrukturen gleich, so bedeutete ein Anstieg des Anteils der ambulanten Pflege um einen Prozentpunkt im Jahr (also von heute 3% auf 10% im Jahr 2010 bzw. 25% im Jahr 2025), dass sich die Kosten des Pflegebereichs insgesamt bereits bis 2020 mehr als verdoppeln und bis 2030 fast vervierfachen würden. Diese Steigerungsraten (ohne Berücksichtigung der Inflation) könnten auch in keiner Weise durch das Wirtschaftswachstum ausgeglichen werden - heute macht der Pflegebereich 1,39% des BIP aus, die Erhöhung der ambulanten Betreuung würde den Anteil bis 2010 auf 1,76% des BIP erhöhen, bis 2020 wären es 2,32%, 2030 3,18%.

Nicht berücksichtigt ist in diesen Rechnungen, dass es nach wie vor Pflegefälle gibt, die gar keine Versorgung bekommen bzw. dass viele Pflegefälle sagen, sie bräuchten wesentlich mehr Versorgung als ihnen laut Pflegestufe »zusteht«. Wenn diese Defizite auch ausgeglichen würden im Zuge einer Verstärkung des ambulanten Sektors, würden sich die Pflegekosten bis 2030 fast vervierfachen bzw. 3,97% des BIP ausmachen.

R E S Ü M E E

Fasst man die (zugegeben sehr technische) Prognose zusammen, so kann man sagen, dass der rein demografische Effekt aller Wahrscheinlichkeit nach durch das Wirtschaftswachstum »abgedämpft« werden kann: Der Anteil der Pflegeausgaben am BIP würde von heute 1,39% auf 1,70% im Jahr 2030 steigen. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Strukturprobleme und der Pflegenotstand, die es bereits heute gibt, weiter bestehen blieben bzw. sich aller Voraussicht nach verschärfen würden.

Um hier entgegenzusteuern, bedarf es des Ausbaus insbesondere der ambulanten Pflege. Diese ist zwar in vielen Fällen teurer als die stationäre Pflege, entspricht aber mehr den Bedürfnissen der Menschen. Daneben wird aber bereits in naher Zukunft eine Verbesserung des stationären Bereichs notwendig sein. Um in den professionellen Pflegediensten (ambulant wie stationär) Verbesserungen und Erweiterungen zu ermöglichen, müssen die Pflegeberufe aufgewertet werden. Es handelt sich dabei nämlich um Tätigkeiten mit einem sehr hohen Anforderungsprofil, das heute vollkommen unzureichend honoriert wird. Die gewerkschaftlichen Forderungen nach besserer Entlohnung, umfassenderer Ausbildung und durchlässigeren Berufsbildern sind jedenfalls zu unterstützen.

Um dies alles zu erreichen, wird die Pflege in den kommenden Jahren deutlich mehr kosten müssen als heute. Die hier dargestellte Prognose kann als eher vorsichtig bezeichnet werden, Schätzungen aus anderen EU-Ländern zeigen, dass unter Berücksichtigung aller notwendigen Lohnveränderungen das nominelle Wachstum (also unter Berücksichtigung der Inflation) noch eine deutlich höhere Dynamik aufweisen würde.

Das zusätzliche Geld sollte dabei großteils direkt in die sozialen Dienste fließen und nicht den »Umweg« über den Pflegefall nehmen. Selbstverständlich wird man auch über eine bessere Absicherung pflegender Angehöriger nachdenken müssen, das Hauptaugenmerk sollte aber sowohl organisatorisch als auch finanziell auf die formelle Pflege gelegt werden und dies besser heute als morgen.

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Agnes Streissler (Mitarbeiterin in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538690106 Selbstbehalte: Härten ohne Effekt Die KGKK ist eine jener Gebietskrankenkassen, deren Probleme kein Gerede von effizienter Verwaltung wegdisputieren kann: Sie hat einen überproportional hohen Anteil von Versicherten mit geringem Bruttogehalt. Fast die Hälfte der KGKK-Versicherten erzielt weniger als 900 Euro monatlich Bruttoeinkommen. Von dieser ungünstigen Einkommenssituation sind in vermehrtem Ausmaß Frauen betroffen. Für die KGKK bedeutet diese Einkommensstruktur im Österreich-Schnitt niedrige Beitragseinnahmen.

Das Problem wird durch das Anwachsen der Zahl geringfügig Beschäftigter und der Teilzeitbeschäftigten immer weiter verschärft. Selbst bei Vollbeschäftigung geht die Zahl der Versicherten, die den vollen Beitragssatz bezahlen, immer weiter zurück.

Viele Mitversicherte

Ein Österreich-Vergleich zeigt, dass in Kärnten anteilsmäßig weniger Erwerbstätige, dafür aber mehr beitragsfreie Mitversicherte und Pensionisten zu betreuen sind. In den Gruppen der »Alten« und »Hochbetagten« ist auch ein besonders hoher Prozentsatz von Rezeptgebühren befreit, also weitestgehend von der Entrichtung eines Selbstbehaltes ausgenommen.

In der von Direktor Alfred Wurzer, Roswitha Robing und Josef Rodler erstellten Untersuchung wurden 67 Prozent der gesamten Versicherungsleistungen im Jahre 2002 erfasst: Ärztliche und zahnärztliche Leistungen, Krankenhausaufenthalte, Medikamente, Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel. Dabei sollte geklärt werden, welche Gruppen von Versicherten welche Leistungen in welchem Ausmaß in Anspruch nehmen und wie hoch dabei ihr Selbstbehalt ist. Als Datenquelle diente die Versichertendatenbank der KGKK.

Selbstbehalte

Folgende Selbstbehalte wurden berücksichtigt: Krankenscheingebühr (3,63 Euro), Zuzahlungen bei Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung (50 Prozent der tariflichen Gesamtkosten), Rezeptgebühr (4,14 Euro, 2004 auf 4,35 erhöht), Kostenanteil an Heilbehelfen und Hilfsmitteln (zehn Prozent, mindestens 21,80 Euro), Spitalskosten-Selbstbehalt (7,68 Euro pro Verpflegstag für maximal 28 Pflegetage jährlich). Nicht berücksichtigt wurden Zuzahlungen bei Wahlärzten, Selbstbehalte über den satzungsmäßigen Höchstgrenzen, Zuzahlungen für verbesserte Ausführungen und Selbstzahlungen).

50 Prozent des Aufwandes für sieben Prozent

Unter den Ergebnissen springen mehrere Zahlen sofort ins Auge: 1,7 Prozent der Versicherten benötigen 25 Prozent des Kassenaufwandes.

Sieben Prozent der Versicherten beanspruchen bereits 50 Prozent des Gesamtaufwandes. Dieser kleine Anteil an den Versicherten, der die meisten Leistungen benötigt, zählt überwiegend zu den oberen Altersklassen - und zu den Beziehern niedriger Einkommen. Knapp drei Viertel der »Hochleistungsbezieher« sind Pensionisten, ein Drittel von ihnen ist von der Rezeptgebühr befreit.

84 Prozent der Versicherten beanspruchten 2002 mindestens eine Leistung der KGKK. 78 Prozent benötigten ärztliche Hilfe und verursachten damit 22 Prozent des Aufwandes, 37 Prozent benötigten zahnärztliche Hilfe (acht Prozent des Aufwandes), 15 Prozent mussten ins Krankenhaus, was mit 44 Prozent des Gesamtaufwandes zu Buche schlug.

65 Prozent der KGKK-Versicherten benötigten 2002 Medikamente (22 Prozent des Aufwandes) und 13 Prozent Heilbehelfe bzw. Hilfsmittel vier Prozent).

Langfristig negativ

Eine Modellrechnung der Kärntner Gebietskrankenkasse führte zu dem Ergebnis, dass die Einführung eines zehnprozentigen Selbstbehaltes bei der Inanspruchnahme ärztlicher Ordinationsleistungen zwar die Ausgaben der KGKK für Ärztekosten um acht Prozent verringern würde, doch beim finanziellen Gesamtaufwand der Krankenkasse schlüge diese Ersparnis lediglich mit zwei Prozent zu Buche. Dafür würde die Maßnahme für einzelne Gruppen von Versicherten eine Mehrbelastung von 12 Prozent bedeuten.

Man müsse hinterfragen, meint die KGKK, »ob Selbstbeteiligungen bei ihrer neu- oder weitergehenden Einführung Entlastungseffekte, etwa für die gesetzlichen Krankenversicherungen, bewirken oder ob sie auch gleichzeitig längerfristige negative Auswirkungen verursachen, etwa wenn durch Selbstbehalte in zusätzlicher Weise Menschen von der Inanspruchnahme gesundheitlicher Einrichtungen bzw. Diagnosen und Therapien ›gehindert‹ werden und Folgewirkungen in verspäteter dann wieder von der Versicherten-, also Solidargemeinschaft - zu tragen sind, abgesehen vom persönlichen Leid der Betroffenen.«

Ja zu Reformen

Dabei wird die Notwendigkeit von Reformen von der Kärntner Gebietskrankenkasse nicht in Frage gestellt. Sie lehnt aber die üblichen Vergleiche mit anderen »Märkten« ab, da sich »das Gesundheitswesen in weiten Bereichen allgemeinen marktwirtschaftlichen Grundsätzen entzieht«.

Hinter der Vielfalt der von den gesetzlich erbrachten Leistungen »steht das Konzept der Solidarität - dieses ist eigentlich das Herzstück der heimischen gesetzlichen Krankenversicherungen ... Umgelegt auf den Bereich der Krankenversicherungen ist Solidarität ein Prinzip, in dem Junge für Alte, Gesunde für Kranke und Besserverdienende für Menschen mit niedrigem Einkommen einstehen und in gegenseitiger Weise und Hilfestellung im ›Anlassfall‹ Sicherheit, Berechenbarkeit und Leistung bereit stellen.«

Eine ganze Reihe von Faktoren führte zu steigenden, »manchmal auch als Überlastung umschriebenen« Anforderungen an dieses Solidarsystem und zu dessen finanziellen Schwierigkeiten:

  • Ausweitungen der Leistungsangebote.
  • Anwachsen der Zahl der beitragsfreien Mitversicherten.
  • Höhere Lebenserwartung.
  • Neue therapeutische Möglichkeiten und Leistungen.
  • Erosion des Arbeitsmarktes.

Alle diese Einflussfaktoren bringen den Solidaritätsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung, die ein Spiegelbild der wirtschaftlichen, sozialen und einkommensbezogenen Bedingungen darstellt, finanziell gesehen ins Wanken. Die möglichen Konsequenzen müssen offen und ohne Tabus durchdacht werden. Die Aufrechterhaltung des Solidaritätsprinzips erfordert eine Vielzahl von Aktivitäten, Kooperationen, Leistungsabstimmungen zwischen Spitälern und niedergelassenen Ärzten, Vermeidung von Mehrgeleisigkeiten.

Rekord: 2300 Euro Rezeptgebühr

Der besondere Stellenwert der von der Kärntner Gebietskrankenkasse vorgelegten Untersuchung besteht darin, dass sie die von einem Teil der Politiker fast wie ein Zauberwort gehandelten Selbstbehalte gründlich entzaubert und relativiert.
Wenn sieben Prozent der Versicherten 50 Prozent und 1,7 Prozent ein volles Viertel der Leistungen beanspruchen und zugleich mehrheitlich zu den Ärmeren zählen, erweist sich das Zauberwort vom rettenden Selbstbehalt als fauler Zauber.
Die Selbstbehalte liegen in Österreich längst im oberen Mittelfeld. Österreichs Patienten tragen schon heute einen relativ hohen Anteil der Gesundheitskosten selbst, je nach Leistungsart und Altersklasse bis zu 40 Prozent. So zahlen unter den Versicherten der KGKK die Patienten in der Altersklasse der 71- bis 80-Jährigen 32 Prozent der Kosten für Zahnarzt und Zahnbehandlung und 19 Prozent der Medikamente selbst. Und schon heute schlägt der Selbstbehalt in Einzelfällen unbarmherzig zu. Ein trauriger »Rekord«: Ein einziger Kärntner Patient zahlte im Jahre 2002 volle 2380 Euro Rezeptgebühr.

Konflikt mit sozialen Zielen

Die Untersuchung bestätigt die Ergebnisse einer vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen vorgelegten internationalen Studie über die Wirkung von Selbstbehalten.

Auch sie gelangte zu dem Ergebnis, »dass Selbstbeteiligungen im Gesundheitswesen nur sehr eingeschränkt als Steuerungsinstrument einsetzbar sind. Meist bewirken Selbstbeteiligungen nur eine vorübergehende Verhaltensänderung, die zu einer kurzfristigen Entlastung der öffentlichen Budgets beiträgt ... Selbstbeteiligungen treffen primär schwächere Gruppen wie chronisch Kranke und Personen mit niedrigem Einkommen und kommen somit auch in Konflikt mit den sozialen Zielen der Solidargemeinschaft.«

R E S Ü M E E

Die KGKK stellt fest, dass der Selbstbehalt in den unteren Gehaltsklassen einen bedeutenden Teil des Einkommens aufzehren kann. Sollte es zu einer Ausweitung der Selbstbehalte kommen, müssten Indikatoren wie Einkommen, Alter, familiäre Situation, vor allem aber Indikation eingebaut werden. Auch die ethische Forderung, dass der Zugang zu medizinischen Leistungen im Krankheitsfall unbedingt gewährleistet sein muss, dürfte keinesfalls unter den Tisch fallen.

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Hellmut Butterweck (Freier Journalist und Schriftsteller in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538689912 Kein Geld für die Kassen? Durch die gesetzliche Sozialversicherung ist so gut wie jeder Österreicher und jede Österreicherin, ob Arbeiter, Angestellter, Bauer, Selbständiger, ob Kind oder Jugendlicher, ob erwerbslos oder in Pension, versichert - insgesamt acht Millionen Menschen. Die Beiträge dafür bringen die arbeitenden Menschen selbst auf. Das Budget der Sozialversicherung beträgt rund 36,4 Milliarden Euro (500 Milliarden Schilling). 97 Prozent davon (knapp drei Prozent macht der Verwaltungsaufwand aus) fließen in Form von Leistungen für die Versicherten zurück. In der Sozialversicherung wird kein Gewinn gemacht - absichtlich und im Interesse der Versicherten. Die SV ist der größte Non-Profit-Bereich Österreichs, ebenso wie in den anderen Sozialversicherungsländern Europas. Ihr Budget ist das zweitgrößte nach dem des Bundes.

Seit Jahren wird getrommelt: »Gesundheit muss uns mehr wert sein« oder »Krankheit wird zu teuer«. Hinter solchen Sprüchen steckt die Absicht der privaten Versicherungsunternehmen, der Banken und eines wachsenden Marktes von privaten Gesundheitsanbietern, mit unserer Gesundheit bzw. Krankheit immer höhere Gewinne zu erzielen. Das ist aber nicht möglich, solange es die Sozialversicherung gibt. Deshalb wird in der Öffentlichkeit von Überschuldung und Ineffizienz geredet, um sie leichter zerstören zu können.

Schröpfung

Aber das ist nicht alles. Statt durch eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage die finanziellen Probleme der Gebietskrankenkassen in den Griff zu bekommen, wurden die Kassen in den letzen Jahren vom Gesetzgeber sogar noch zusätzlich zur Kasse gebeten. Sie sollen auch noch zur Erreichung des »Nulldefizits«, zur Spitalsfinanzierung und durch Senkung der Dienstgeber-Beiträge obendrein auch noch zur Entlastung der Unternehmen beitragen. Auf der anderen Seite fallen für die Gebietskrankenkassen auf der Seite der Einnahmen durch die steigenden Arbeitslosenzahlen erhebliche Beträge aus.

Man kann derzeit von einer ausgesprochenen Miesmacherkampagne sprechen. Dazu kommen Schikanen wie etwa die ungerechtfertigte Sonderprüfung der Wiener Gebietskrankenkasse und eine systematische finanziellen Aushungerung. Im Jahr 2001 wurde außerdem mit der »Strukturreform« des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger begonnen, die Sozialversicherung organisatorisch zu demontieren. Da der Verfassungsgerichtshof diese »Reform« aufgehoben hat, soll nun mit Hilfe der »Gesundheitsagenturen« die gesetzliche Sozialversicherung zerschlagen werden: Über die Länder soll ein möglichst großer Teil des 36,4-Milliarden-Budgets der Sozialversicherung zum privaten Gesundheitsmarkt umdirigiert werden. Der Schaden für die Versicherten wäre gigantisch, denn die Privaten bieten ihre Leistungen viel teurer an als die Sozialversicherung und haben einen wesentlich höheren Verwaltungsaufwand von bis zu 25 Prozent.

Defizit

Jüngstes Beispiel für die systematischen Versuche, die Sozialversicherung schlecht zu machen: Die Angriffe auf die Wiener Gebietskrankenkasse und deren Obmann Franz Bittner. Bittner spricht sich gegen Selbstbehalte aus, weil diese die Gesundheit für die Reichen billiger und für die Einkommensschwachen teurer machen würden. Nachdem sich alle Vorwürfe (ineffiziente Führung, zu teurer neuer Kassenvertrag mit den Wiener Ärzten, schlechte Finanzgebarung) in Luft auflösten und auch die Sonderprüfung durch das Gesundheitsministerium nicht das erhoffte Resultat brachte, musste zuletzt das Defizit des Hanusch-Krankenhauses, das der Wiener Gebietskrankenkasse gehört, als Angriffsziel herhalten. Dass in den letzten zehn Jahren unter allen Ausgaben der Wiener Gebietskasse die Ausgaben für Medikamente mit fast 90 Prozent Steigerung am stärksten stiegen, wird in der öffentlichen Debatte gerne verschwiegen. Schließlich handelt es sich hier um Ausgaben, die der Pharmaindustrie und den Apotheken, also der Privatwirtschaft, zugute kommen.

Tatsächlich weist die Wiener Gebietskrankenkasse für das Jahr 2003 ein Defizit von 196 Millionen Euro aus. Dieses wird zum Vorwand genommen, um den »Bankrott« und die »Unfähigkeit« der Sozialversicherung an die Wand zu malen. Doch Obmann Franz Bittner schätzt allein den Entfall von Beiträgen durch die ständig steigende Arbeitslosigkeit, dem die Regierung tatenlos zusieht, bei der Wiener Gebietskrankenkasse für das Jahr 2004 auf 64 Millionen Euro.

Licht ins Dunkel

Aber nicht nur durch die Arbeitslosigkeit gehen der Sozialversicherung Beiträge verloren. Um Licht ins Dunkel der Kassenfinanzierung zu bringen, richtete der Abgeordnete zum Nationalrat und Metaller-Gewerkschafter Franz Riepl an Sozialminister Herbert Haupt eine parlamentarische Anfrage, wie hoch eigentlich die Beitragsrückstände bei den Gebietskrankenkassen seien. Die Antwort des Sozialministers bewies, dass die Zahlungsrückstände der Unternehmen gewaltig viel zum Defizit der Gebietskrankenkassen beitragen.

Zahlungsrückstände 900 Millionen

Im Jahr 2003 sind die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen bereits auf 897,2 Millionen Euro (12,35 Milliarden Schilling) angewachsen. Das waren um 52 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Bei fast der Hälfte dieser Rückstände, 405 Millionen Euro, handelte es sich um von den Arbeitnehmern Monat für Monat einbehaltene, aber nicht eingezahlte Beiträge der Dienstnehmer. Ganz abgesehen davon, dass alle Sozialversicherungsbeiträge, ob Dienstnehmer- oder Dienstgeberbeitrag, von den Arbeitnehmern erwirtschaftet werden: Jedes verspätete Abführen von Dienstnehmerbeiträgen ist eine rechtswidrige Handlung, weil der Dienstgeber ja nur der Treuhänder dieser Beiträge ist, was auch Hans-Georg Kantner vom Kreditschutzverband von 1870 (KSV) bekräftigt. In nicht weniger als 1082 Fällen mussten die Kassen im Jahre 2003 Anzeige wegen Verstoß gegen die Vorschriften über die Einbehaltung und Einzahlung der Beiträge von Dienstnehmern durch die Dienstgeber nach § 114 ASVG erheben.

Rückstände: Defizit mal zwei

Am stärksten betroffen von den Unternehmerschulden ist die Wiener Gebietskrankenkasse, die besonders im Mittelpunkt der Angriffe von Regierung und Wirtschaftskammer steht. Für Franz Riepl ist das ein durchsichtiges Spiel: »Wenn ÖVP-Wirtschaftssprecher Mitterlehner fordert, speziell die Wiener Gebietskrankenkasse stärker ›unter Druck zu setzen‹, um mehr Reformbereitschaft einzufordern, sollte er sich einmal vor Augen halten, dass einige ›seiner‹ Unternehmer der Gebietskrankenkasse allein in Wien bereits 328,8 Millionen Euro schulden.« Das ist fast doppelt soviel wie das von der Wiener Kasse ausgewiesene Defizit des Jahres 2003. Damit löst sich der Vorwurf der Ineffizienz in Luft auf. Regierung und der Wirtschaft verfahren ganz einfach nach der alten Methode »Haltet den Dieb«.

Aus den von Sozialminister Haupt vorgelegten Zahlen geht auch hervor, dass die Hälfte der Zahlungsrückstände auf Insolvenzen zurückzuführen ist. Dabei sind die Betriebe aus der Baubranche führend.

Erkennen, was gespielt wird

Riepl erklärt jede weitere Belastung der Versicherten und jede weitere Einschränkung der medizinischen Versorgung für nicht hinnehmbar, solange die Unternehmen den Kassen hunderte Millionen Euro schulden: »Würden alle Unternehmer ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge so pünktlich und genau abliefern wie die Arbeitnehmer und Pensionisten, dann hätten wir einen riesigen Spielraum für Sozialpolitik.« Viele Unternehmen sind ja nicht nur bei der Sozialversicherung lässige Zahler, sondern auch beim Staat, dem sie im Herbst des Vorjahres knapp 1,7 Milliarden Euro Steuern (23,4 Milliarden Schilling) schuldig waren. (Wirtschaftsblatt, 5.9.2003)

Da für viele Unternehmen das Zurückhalten der Sozialversicherungsbeiträge billiger ist als ein Kredit, fordert Franz Riepl, den Kassen entsprechende Instrumente in die Hand zu geben, um zu ihrem Geld zu kommen. Etwa durch Strafzuschläge oder höhere Zinsen für Beitragsschulden. Ein weiteres Mittel, der Sozialpolitik mehr Spielraum zu verschaffen, wäre eine effizientere Bekämpfung der Schwarzarbeit und des Schwarzunternehmertums. Riepl: »Seit der Zeit von Sozialministerin Hostasch liegt ein diesbezüglicher Gesetzesvorschlag im Parlament. Die Regierung verschleppt aber die notwendige gesetzliche Regelung.«

Die Regierung arbeitet, so Riepl, »nicht an einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung, sondern bloß an politischer Einflussnahme. Obwohl das Funktionieren der sozialen Systeme kompliziert ist, erkennen die Menschen, was hier gespielt wird. Das zeigen auch die Ergebnisse der AK-Wahlen.«

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W. Leisch http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185538689608 Argumente zur Gesundheitspolitik

In Österreich werden jährlich über 16 Milliarden Euro für Gesundheitsleistungen ausgegeben. Mit rund 7,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen Österreichs Gesundheitsausgaben im EU-Mittelfeld: In den bisherigen 15 EU-Staaten machen sie durchschnittlich 8,1 Prozent des BIP aus.

Österreichs Gesundheitsausgaben werden zum allergrößten Teil aus den Beiträgen zur Sozialversicherung finanziert. Die öffentlichen Haushalte (Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände), also die Steuerzahler, bringen nur etwa 20 Prozent der nötigen Mittel auf.

Die Sozialversicherungsbeiträge und die Zuschüsse aus den öffentlichen Haushalten decken derzeit rund 70 Prozent der Gesundheitsausgaben. Den Rest bringen die Patienten durch private Zuzahlungen verschiedener Art auf: Selbstbehalte, Prämien für private Krankenversicherungen, sonstige Eigenleistungen.

30 Prozent Zuzahlung

Mit 30 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben liegt der private Finanzierungsanteil in Österreich im europäischen Vergleich bereits im oberen Bereich. Man darf annehmen, dass die Folge davon eine negative Verteilungswirkung zu Lasten niedriger Einkommen ist (siehe Tabelle 1: »Gesundheitsausgaben in Österreich«).

In den Neunzigerjahren sind die Gesundheitsausgaben in ganz Europa gestiegen. Als Erklärung dafür werden insbesondere die demografische Entwicklung (mehr ältere Menschen und steigende Lebenserwartung), der medizinische und technische Fortschritt und steigende Erwartungshaltungen an das Gesundheitssystem hervorgehoben. Grafik 1 »Gesamte Gesundheitsausgaben im Vergleich« zeigt, dass Österreich dabei keine Sonderstellung einnimmt und der Anteil der Gesundheitsausgaben um weniger als einen Prozentpunkt gestiegen ist.

Zwei Grundpositionen

Als Antwort auf die steigenden Abgänge der Krankenversicherung stehen sich zwei völlig unterschiedliche Positionen gegenüber, die sich vereinfacht etwa so darstellen:

  • Die Abgänge der Krankenversicherung sind Ausdruck struktureller Änderungen im medizinischen Bedarf der Bevölkerung und Folge höherer Kosten durch die Weiterentwicklung der medizinischen Behandlungsmöglichkeiten. Angesichts dieser steigenden Anforderungen werden zusätzliche Mittel für das Gesundheitswesen gefordert.
  • Die Gegenposition geht davon aus, dass genügend Geld vorhanden sei, dieses aber falsch eingesetzt wird. Durch eine bessere Verteilung und einen effizienten Einsatz der Ressourcen könnten Beitragserhöhungen oder die Bereitstellung zusätzlicher Steuermittel vermieden werden.

In diesem Beitrag geht es hauptsächlich um die Verteilung der vorhandenen Mittel am Beispiel des Ausgleichsfonds der Krankenversicherung. Weil die Beitragseinnahmen der Krankenkassen und der Bedarf ihrer Beitragszahler unterschiedlich sind, ist der Ausgleich innerhalb der einzelnen Solidargemeinschaften unzureichend. Ein bundesweiter Finanzierungsausgleich zwischen den Kassen ist unumgänglich. Ist er nicht vorhanden oder mangelhaft, kann der gleiche Zugang zu Gesundheitsleistungen bei gleichem Bedarf nicht gewährleistet werden. Versicherungsträger, die in einem relativ günstigen Umfeld handeln, können Rücklagen ansammeln und bessere Leistungen bieten. Jene mit einem höheren Krankheitsrisiko ihrer Versicherten oder niedrigeren Beitrageinnahmen weisen hingegen Abgänge aus und müssen ihr Leistungsangebot einschränken.

In diesem einfachen Umstand ist die herausragende gesundheitspolitische Bedeutung des solidarischen Finanzierungsausgleichs begründet. Er ist eine unabdingbare Voraussetzung für die bedarfsgerechte Versorgung mit Gesundheitsleistungen.

Gekipptes Gesetz

Der Verfassungsgerichtshof hat die von der Regierung im Jahr 2000 festgelegte Neuorganisation der Krankenkassen-Finanzierung als verfassungswidrig aufgehoben. Damit wurde der ohnehin mangelhafte Ausgleichsfonds zu einem völlig untauglichen Instrument des solidarischen Finanzierungsausgleichs.

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes berührt vier Themen:

  1. Die Solidargemeinschaft
  2. Erhöhte Beitragsleistung, Zielvereinbarungen
  3. Mangelhafte Kriterien für den Strukturausgleich
  4. Gewährung von Darlehen

1. Die Solidargemeinschaft

Durch die Neuregelung wurden die Krankenkassen der öffentlich Bediensteten, der Eisenbahner, der Gewerblichen Wirtschaft und der Bauern in den Ausgleichsfonds einbezogen.

Im Verfahren des Verfassungsgerichtshofes wurden die Grenzen der Solidargemeinschaft neu definiert. Dadurch, dass die Beitragssätze und Beitragsgrundlagen sowie die Selbstbehalte der einzelnen Krankenkassen unterschiedlich sind, kann eine systemimmanente Begünstigung bzw. Benachteiligung einzelner Träger resultieren. Sind ihre Einnahmen dadurch günstiger, werden sie in einem übergreifenden Finanzierungsausgleich benachteiligt.

Zudem findet bei den genannten Trägern durch die bundesweite Organisation bereits intern ein Risikoausgleich statt, während die Gebietskörperschaften regional gegliedert sind.

Diese Besonderheiten wurden nicht berücksichtigt, daher sah der Verfassungsgerichtshof die Einbeziehung dieser Träger als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und somit als verfassungswidrig an.

Demgegenüber werden die Unterschiede im beitragspflichtigen Einkommen pro Kopf der Versicherten ausdrücklich als zulässige Ausgleichskriterien bestätigt.

Zur (Bauern-)Kasse gebeten

Im Ergebnis wird mit dieser Entscheidung ein zentrales Leitmotiv der Regierung angesprochen. Bis 2000 hat der Bund einen finanziellen Ausgleich für die bäuerliche Krankenversicherung aus Steuermitteln aufgebracht (zuletzt 670 Millionen Schilling bzw. 48,7 Millionen Euro).

Die Einbindung in den Geltungsbereich des Ausgleichsfonds sollte in erster Linie den Bundeshaushalt entlasten, die aus strukturellen Gründen bestehenden Finanzierungserfordernisse der bäuerlichen Krankenkasse wurden auf alle anderen Versichertengemeinschaften verlagert. Dies hätte die systematische Begünstigung eines Trägers zu Lasten aller anderen bewirkt. Dabei war die erforderliche Festlegung der maßgeblichen Kriterien für einen zulässigen und auch notwendigen Ausgleich unterschiedlicher Risikostrukturen jedoch unterblieben.

2. Erhöhte Beitragsleistung, Zielvereinbarungen

Der Beitrag der Träger zum Ausgleichsfonds war zuletzt mit zwei Prozent der Beitragseinnahmen festgelegt. Für die Jahre 2003 und 2004 wurde die Beitragsleistung auf vier Prozent angehoben. In Summe wären damit rund 450 Millionen Euro zur Verfügung gestanden. Die zusätzlichen Einnahmen aus der Verdoppelung des Beitrags waren zur Finanzierung eines besonderen Zuschusses gedacht: Ausgehend von Zielen, die durch die Geschäftsführung und den Verwaltungsrat einseitig vorgegeben worden wären, sollten finanzielle Anreize für die Umsetzung dieser Ziele geschaffen werden. Die gesetzliche Umsetzung war jedoch so mangelhaft und in ihrer Formulierung unbestimmt, dass auch sie vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.

Unklarheit ermöglicht Willkür

Die Unklarheiten der Verteilungskriterien hätten es möglich gemacht, nach Gutdünken völlig unterschiedliche Ziele zu verfolgen. Damit wurde das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit bei der Vollziehung von Gesetzen verletzt.
Weil der Verwendungszweck als verfassungswidrig beurteilt wurde, wurde auch die damit in Verbindung stehende Beitragserhöhung zum Ausgleichsfonds von zwei auf vier Prozent aufgehoben.

Auch damit wurde ein zentrales Leitmotiv der Bundesregierung außer Kraft gesetzt.
Die Regelung basierte auf der fragwürdigen Vorstellung, dass eine starke Geschäftsführung einseitig Zielvorgaben formuliert und die Selbstverwaltung in den Krankenversicherungsträgern durch finanzielle Anreize dazu gebracht hätte, sie umzusetzen.

Die Versicherungsträger wären nach diesem Konzept zur Zahlung eines Beitrages verpflichtet worden, hätten aber über die Verwendung nicht mitentscheiden können. Es war genau dieser systematisch angelegte Ausschluss der Selbstverwaltung, der letztlich zur Aufhebung der Reform des Hauptverbandes geführt hat.

3. Mangelhafte Kriterien für den Strukturausgleich

Im Verfahren standen auch die Kriterien zur Diskussion, die für die Verteilung der Mittel im Ausgleichsfonds herangezogen werden sollten.

Der Ausgleichsfonds soll eine ausgeglichene Gebarung der Krankenkassen gewährleisten und eine ausreichende Liquidität der einzelnen Träger sicherstellen. Dabei sollen Strukturnachteile berücksichtigt und in Form von Zuwendungen an Träger mit nicht beeinflussbaren Risikofaktoren ausgeglichen werden.

Das Gesetz listete folgende Faktoren demonstrativ auf:

  • Beitragseinnahmen pro Versichertem
  • Aufwand für beitragsfrei Mitversicherte
  • Beiträge der Träger zur Krankenanstaltenfinanzierung pro Versichertem
  • Aufwand für Pensionisten
  • Belastung durch den Betrieb einer Krankenanstalt
  • Großstadtfaktor
  • Kassenlage

Die nähere Festlegung und Gewichtung dieser Faktoren wurde an die Geschäftsführung und den Verwaltungsrat übertragen.

Die Entwicklung von brauchbaren Risikofaktoren ist in erster Linie Ausdruck eines Solidaritätsverständnisses zwischen den Trägern. Die bisherige Diskussion hat sehr deutlich die Grenzen zwischen programmatischer Selbstverständlichkeit und realer Umsetzung aufgezeigt. Über den Grundsatz des gleichen Zugangs zu Gesundheitsleistungen bei gleichem Bedarf, unabhängig vom Einkommen und Wohnsitz, besteht grundsätzlich Übereinstimmung. Schwieriger ist aber die Umsetzung, weil sie die Bereitschaft zur regionalen Umverteilung von finanziellen Mitteln erfordert. Tatsächlich ist es bisher nicht gelungen, einen brauchbaren Konsens herzustellen. Dies ist auch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eindrucksvoll dokumentiert worden.

Kassenlage - was ist das?

In seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof zwei Faktoren wegen mangelnder Bestimmtheit aufgehoben: Die »Kassenlage« kann von verschiedenen Umständen auf der Einnahmen- und Ausgabenseite bestimmt werden, diese Faktoren wurden nicht dargestellt. Gleiches wurde über den »Großstadtfaktor« gesagt. Im Gesetz finden sich keine Kriterien, die dafür als Messgröße herangezogen werden könnten. Es fehlt die Bezeichnung der Strukturnachteile, die eine Zahlung aus dem Ausgleichfonds auslösen können.

Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof den Strukturnachteil, der aus dem Betrieb einer Krankenanstalt entsteht, ausdrücklich bestätigt, weil der Gesetzgeber Gebietskrankenkassen zum Betrieb von Krankenanstalten verpflichtet, die sie am 30. Juni 1994 betrieben haben.

4. Gewährung von Darlehen

Insgesamt haben die Krankenversicherungsträger ein strukturelles Defizit. Dieses ist auch auf die Verlagerung von Finanzierungslasten vom Bund zu den Krankenversicherungsträgern zurückzuführen (Umsatzsteuer für Medikamente, Beiträge für Arbeitslose usw.). Die Ausgangssituation innerhalb der Krankenkassen ist allerdings sehr unterschiedlich. Einige haben Überschüsse in Form von Rücklagen, während andere ihre laufenden Ausgaben mit Darlehen finanzieren müssen und am Rande der erforderlichen Liquidität stehen. Vor diesem Hintergrund wurde eine Empfehlung der Sozialpartner umgesetzt und den Trägern, die über Rücklagen verfügen, die Zahlung eines Zwangsdarlehens an den Ausgleichsfonds auferlegt. Die Höhe des Darlehens war gesetzlich festgelegt. Die Rückzahlung sollte auf der Grundlage eines Tilgungsplans im Jahr 2005 beginnen und 2009 abgeschlossen sein.

Die leidigen Zwangsdarlehen

Auch diese Konstruktion war schon bei der Beschlussfassung äußerst umstritten, weil damit ein unzulässiger Eingriff in die Gebarung der positiv abschließenden Krankenkassen gesehen wurde. Für die Übertragung von Überschüssen an andere Sozialversicherungsträger konnte die Bundesregierung die Erfordernisse eines persönlichen und sachlichen Zusammenhangs nicht begründen. Der Verfassungsgerichtshof hat daher auch die Zwangsdarlehen aus sachlichen Gründen abgelehnt. Bereits im Vorfeld wurde von den Krankenkassen die erkennbare Unfähigkeit des Hauptverbandes zur Rückzahlung der Darlehen problematisiert. Um welche Beträge es dabei geht, verdeutlicht Grafik 2 (»Die Zahler der Zwangsdarlehen im Einzelnen«).

Ergebnis der Verfassungsgerichtshofentscheidung

Die Aufhebung der neu gestalteten Krankenkassen-Finanzierung reiht sich in eine lange Serie ähnlich verfehlter Entscheidungen in der Gesundheitspolitik. Bestehende Strukturprobleme werden dadurch noch verschärft. In der nächsten Zeit ist nicht nur die Neukonzeption eines Struktur- und Risikoausgleichs notwendig, der die vorhandenen Mittel nicht nach Willkür, sondern nach bedarfsorientierten Kriterien verteilt. Darüber hinaus ist die Rückzahlung der erhöhten Beiträge und der Zwangsdarlehen (rund 380 Millionen Euro) zu leisten.

Einige Träger haben bereits die vorzeitige Tilgung der Darlehen durch den Hauptverband geltend gemacht und ihre Ansprüche gegen die laufenden Zahlungen an den Ausgleichsfonds gegengerechnet. Fest steht jedenfalls, dass einige Träger dadurch höhere Überschüsse ausweisen werden, zumindest vorübergehend, während andere auf dem Geldmarkt zusätzliche Darlehen aufnehmen müssen.

Neuer Struktur- und Risikoausgleich

Ein Struktur- und Risikoausgleich soll die Verteilung der vorhandenen Geldmittel so steuern, dass die Krankenkassen ihre Leistungen unabhängig vom Wohnsitz und Einkommen der Versicherten finanzieren können.

Ausgehend von der funktional und regional aufgesplitterten Verantwortung im Gesundheitswesen ist die Zuordnung von Finanzmitteln auch im Verteilungsschlüssel vom Bund zu den Ländern im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung relevant. Auch hier ist der Bedarf der Bevölkerung das entscheidende Kriterium. Als bedarfsgerecht kann die Zuteilung von Mitteln angesehen werden, wenn sie der Risikostruktur und dem daraus abgeleiteten finanziellen Bedarf entspricht.

Dabei werden demographische Faktoren (Alter, Geschlecht), Mortalität und Morbidität (Sterblichkeit und Krankheitsanfälligkeit) sowie sozio-ökonomische Kriterien berücksichtigt. Zusätzlich werden meist auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen im Verhältnis zu den Anbietern von Gesundheitsleistungen berücksichtigt.

Der demographische Faktor

Demographisch orientierte Modelle sehen Alter und Geschlecht als maßgebliche Faktoren für die Gesundheitsausgaben. Tatsächlich können enorm unterschiedliche Gesundheitsausgaben für die verschiedenen Altergruppen festgestellt werden. Für alle Versorgungsebenen gilt, dass die Gesundheitsausgaben mit dem Alter steigen. Daraus folgen konsequenterweise höhere Ausgaben für Krankenkassen mit einem höheren Anteil älterer Menschen.

Der klare Zusammenhang zwischen Alter und steigenden Gesundheitsausgaben kann etwa am Beispiel der Ausgaben für Medikamente gezeigt werden. Er gilt aber auch für die ärztliche Versorgung und die Behandlung im Spital. Auf allen Versorgungsebenen ist der Bedarf Älterer an Gesundheitsleistungen am höchsten. Dies illustriert Grafik 3: »Ausgaben für Medikamente und Ärzte 2002«.

Alter als Kostenfaktor

In der gesamten Sozialversicherung sind rund 34 Prozent der Versicherten über 50 Jahre alt, 22 Prozent über 60 und 12 Prozent über 70. Tabelle 2 (»Anteil älterer Menschen an den Versicherten, 2002«) zeigt aber, wie verschieden die Altersverteilung bei den einzelnen Trägern ist. Der Anteil der über 50-Jährigen ist am höchsten in der VA-Bergbau (63,8 Prozent) und am niedrigsten in Tirol (27,1 Prozent). Angesichts solcher Unterschiede ist der Ausgleich der unterschiedlichen Bedürfnisse jüngerer und älterer Menschen in jedem Risikoausgleich ein unverzichtbares Element.

Tatsächlich zeigt auch ein europäischer Vergleich, dass alle Gesundheitssysteme das Alter als Ausgleichsfaktor berücksichtigen. Dabei zeigt sich zwischen den Geschlechtern keine grundlegende Abweichung. Gesundheitsausgaben für jüngere Frauen liegen aber über denen der gleichaltrigen Männer. Auch dies wäre zu berücksichtigen.

Bei den diagnoseorientierten Modellen werden die Gesundheitsausgaben aus der Art der Erkrankungen abgeleitet. Diagnosen werden nach Kosten bewertet und im Risikoausgleich berücksichtigt. Voraussetzung ist jedoch die Verfügbarkeit gesicherter Daten über den Zusammenhang von Diagnose, Alter und Behandlungskosten. Alter und Geschlecht, verbunden mit der Verschreibung von Arzneimittel für bestimmte Diagnosen, können insbesondere bei der Erklärung der Ausgaben für chronisch Erkrankte brauchbare Ergebnisse bringen.

Erfahrungsgemäß fallen in den letzten Lebensjahren höhere Gesundheitsausgaben an. In dieser Zeit konzentrieren sich intensive und kostspielige Behandlungen. Die Mortalitätsraten der Krankenkassen beeinflussen daher auch ihre Gesundheitsausgaben. Doch sind die tatsächlichen Kosten sehr unterschiedlich und schwer vorauszusagen.

Eine Aufstellung der Mortalitätsraten nach Bundesländern zeigt deren überdurchschnittliche Höhe in Niederösterreich, Wien und im Burgenland. Dementsprechend sind diese Kassen mit Mehrausgaben konfrontiert (siehe Tabelle 3: »Mortalitätsrate«).

Sozio-ökonomische Faktoren

Kriterien, die an der Beschäftigungslage, der Familiengröße, Lebensform (Allein Stehende!) oder anderen sozio-ökonomischen Besonderheiten einer Region anknüpfen, können den unterschiedlichen Bedarf an Gesundheitsleistungen abbilden. Dieser Ansatz geht davon aus, dass ungünstige sozio-ökonomische Bedingungen auch mit einer höheren Mortalität und Morbidität verbunden sein können.

Dieser Zusammenhang wird am Beispiel der Arbeitslosigkeit besonders deutlich. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit, weist aber deutliche regionale Gefälle auf, was Grafik 4 (»Arbeitslosigkeit 2002«) verdeutlicht. Auch für Österreich kann gezeigt werden, dass Arbeitslose ein höheres Krankheitsrisiko haben. Dementsprechend führt auch die Höhe der Arbeitslosigkeit zu unterschiedlichen Gesundheitsausgaben. Dies gilt auch für Sozialhilfebezieher.

Arbeitslosigkeit macht krank

Die Krankenstände bei Arbeitslosen sind in den Neunzigerjahren drastisch gestiegen und derzeit doppelt so hoch wie bei Erwerbstätigen (siehe Grafik 5: »Krankenstandsquoten«).

Auch die überdurchschnittliche Häufigkeit von Spitalsaufenthalten kann als Hinweis auf relativ ernsthafte Erkrankungen angesehen werden.

Die Bewertung solcher sozialer Lebenslagen hängt allerdings in hohem Maß vom Solidaritätsverständnis der gesundheitspolitischen Akteure ab.

Regional unterschiedliche Produktionskosten (Lohnniveaus, Mieten oder Produktionskosten auf Anbieterseite) können von den Krankenkassen schwer beeinflusst werden. In den Niederlanden wird beispielsweise zwischen fünf Kategorien der Urbanisierung unterschieden. Bei der Zuteilung von Ressourcen variieren die durchschnittlichen Kopfquoten zwischen 11 Prozent unter dem Landesdurchschnitt im ländlichen Raum und 18 Prozent darüber in hochverdichteten Zentralregionen.

R E S Ü M E E
Wenn der gleiche Zugang zu Gesundheitsleistungen weiter Ziel der Gesundheitspolitik sein soll, ist die Neuordnung des Ausgleichsfonds ein dringendes Anliegen. Die derzeitige Konstruktion wurde aber vom Verfassungsgerichtshof wegen ihrer Unsachlichkeit zu Recht aufgehoben. Die bessere Verteilung der vorhandenen Mittel ist notwendig. Es sind aber auch zusätzliche Mittel erforderlich, um in Verbindung mit einem effizienten Einsatz den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Die Neuordnung wird neben demographischen Kriterien, die außer Streit stehen dürften, auch weitere Faktoren zu berücksichtigen haben, die von Solidaritätsverständnis der geundheitspolitischen Akteure abhängig sind.

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Georg Ziniel (Mitarbeiter der Wiener Gebietskrankenkasse) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185538689494 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185538689525 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185538689536 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292462382 Standpunkt | Ja zur Arbeitszeitverlängerung - für die Arbeitslosen Es wird ja nur noch gejammert von den Damen und Herren Kapitalistinnen. »Wir müssen die Zukunft sichern und konkurrenzfähig bleiben.« Die Profite steigen und steigen, während die Löhne so knapp am Inflationsausgleich dahindümpeln. Schon seit Jahrzehnten bleibt die Reallohnerhöhung weit hinter dem Zuwachs der Arbeitsproduktivität zurück. Arbeitszeitverkürzungen wurden jeweils mit Verzicht auf mögliche Lohnerhöhungen erkauft. Aber es wird immer nur gejammert und gejammert, wie schlecht es der Wirtschaft geht. Und je weiter man nach Osten geht, desto billiger werden die Arbeitskräfte. Für den Gehalt eines Österreichers kriegt man 10 Chinesen - oder 20 oder 30 oder noch mehr. Also wird gejammert und gejammert.

Um eine drohende Abwanderung und Werksschließung zu verhindern, wurde in Deutschland in einigen Werken zwischen IG Metall und Unternehmern vereinbart, die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich auf 40 Stunden zu verlängern und auf Weihnachts- und Urlaubsgeld zu verzichten.

Au fein, jubelt der neu gewählte Präsident der Industriellenvereinigung, der Papierindustrielle Veit Sorger. »Wir müssen tabulos diskutieren«, sagt er, »selbst wenn es darauf hinausläuft, die eine oder andere Stunde in der einen oder anderen Woche mehr zu arbeiten.«

Au fein, jubelt der Industrielle Martin Bartenstein, der ja Minister für Wirtschaft und Arbeit ist, und möchte die Arbeitszeit etwas lockerer handhaben. »Man braucht den Leuten nicht auf die Stunde genau vorschreiben, wie viel sie in der Woche arbeiten müssen.«

Für blöd gehalten

Vor allem braucht man, meine ich, die Leute nicht für blöd zu halten. Leicht erkennbar, dass es hier um Lohnkürzung oder die Nichtbezahlung von Überstunden geht. Und diese rhetorischen Übungen kommen diesen Leuten derartig leicht von den Lippen, weil sie sich denken: "Und wenn’s sonst nichts bringt, zumindest können wir bei der nächsten KV-Runde noch ein bisschen was abzwacken, wir kriegen das schon hin.

Die Herren von der Industrie und ihre Vereinigung sind ja etwas aufgefallen, weil aufgekommen ist, wie sie die »Homepage« von Finanzminister Karl Heinz Grasser kräftig »gesponsert« haben. Der Finanzminister wiederum ist mit diesen Geldern sehr locker umgegangen und hat auch verabsäumt, sie zu versteuern. Dies erwähne ich hier nur, um sozusagen die Aura zu umschreiben, welche diese Herren umgibt. Und was die besondere Ausstrahlung des Herrn Bartenstein betrifft: Jedenfalls glaubt keiner, der recht bei Trost ist, dass der Arbeitsminister aufseiten der Arbeitnehmer steht.

Was von den Redeübungen dieser Herren zu halten ist, hat Heiner Flassbeck sehr präzise auf den Punkt gebracht:

»Die Debatte um die Arbeitszeitverlängerung ist symptomatisch. Statt darüber zu diskutieren, wie die Unternehmen bewogen werden können, die Arbeitszeit der Arbeitslosen zu verlängern, wird allen Ernstes diskutiert, die Arbeitszeit der noch Beschäftigten zu verlängern, obwohl das nach Lage der Dinge die Arbeitslosigkeit erhöhen muss.«

Mit 215.494 Arbeitslosen Ende Mai hat Österreich einen neuen Höchststand erreicht. Darüber haben die Herren von der Industrie kein Wort verloren.

Alles klar? Dann sollten Sie noch wissen, was Walter Rotschädl, der Präsident der AK Steiermark, dazu sagt: »Wenn Wirtschaft und Industrie nicht mehr weiter wissen, ist das einzige fantasielose Rezept, den Beschäftigten weniger zu zahlen und sie länger arbeiten zu lassen. Die Menschen sind am Ende ihrer Leidens- und Leistungsfähigkeit angelangt. Die Beschäftigten leisten seit Jahren Mehrarbeit, freiwillige und meist unbezahlte. Voll abgegoltene Überstunden sind eher die Ausnahme als die Regel. Und die meisten Arbeitnehmer beschäftigten sich auch in ihrer Freizeit mit ihrer Arbeit.«.

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292462358 Das verborgene Gold im Unternehmen

ArbeitnehmerInnen fühlen sich in Österreich aufgrund ihres Alters im Vergleich zu anderen EU-Staaten überproportional diskriminiert. Das ergab die »Zweite Europäische Umfrage über Arbeitsbedingungen« aus dem Jahr 19961). Eine erst kürzlich durchgeführte Befragung bestätigt diese Einschätzung, was ältere ArbeitnehmerInnen betrifft. Nur fünf Prozent der über 45-Jährigen sehen im Falle von Arbeitslosigkeit »sehr gute Chancen« für sich einen angemessenen neuen Job zu finden. Das ergab der Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich im Herbst 20032).

Selbstbild

Das Selbstbild, das ältere ArbeitnehmerInnen von sich haben, wird durch objektive Arbeitsmarktdaten bestätigt. Österreich zählt innerhalb der EU zu jenen Staaten mit der niedrigsten Beschäftigungsquote von älteren MitarbeiterInnen zwischen 55 und 64 Jahren. Im Jahr 2002 betrug diese nur 30 Prozent, während der EU-Schnitt 2002 bei 40 Prozent lag.

Eine diskriminierende Haltung älteren ArbeitnehmerInnen gegenüber wird aber in Zukunft besonders für Unternehmen erhebliche Probleme schaffen, denn die Belegschaften werden aufgrund der demographischen Entwicklung insgesamt älter. Die 45-Jährigen werden in wenigen Jahren zur größten ArbeitnehmerInnengruppe werden. In den Unternehmen wird derzeit oft noch eine Personalpolitik betrieben, die fast ausschließlich auf jüngere ArbeitnehmerInnen setzt. Die demographische Entwicklung wird alle Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, denn sie müssen auch mit älteren ArbeitnehmerInnen innovativ und wettbewerbsfähig bleiben. Dies wird nur durch eine alternsgerechte Gestaltung der Unternehmen gelingen.

Mit der Broschüre »Ältere ArbeitnehmerInnen - Das verborgene Gold im Unternehmen« möchte der ÖGB vor allem für die betriebliche Ebene Informationen zur Verfügung stellen, um Bewusstsein über die bevorstehenden Veränderungen in der Alterszusammensetzung der Belegschaften zu schaffen.

Andererseits soll die Broschüre Anregungen bieten, die Gesundheit, die Motivation und die Qualifikation älterer MitarbeiterInnen im Betrieb aktiv zu unterstützen und die Vorteile einer altersgemischten Belegschaft zu nutzen. Die Zielgruppe der Broschüre sind BetriebsrätInnen, Sicherheitsvertrauenspersonen, ArbeitsmedizinerInnen, Sicherheitsfachkräfte, ArbeitspsychologInnen, aber auch Personalverantworliche und PersonalentwicklerInnen.

Wie kann die Arbeitsfähigkeit der ArbeitnehmerInnen im Betrieb erhalten und gefördert werden?

Drei Säulen

Bildlich gesprochen braucht es drei Säulen, die auf einem starken Fundament der Arbeitsfähigkeit aufbauen (siehe Grafik):

1. Maßnahmen im ArbeitnehmerInnenschutz und in der Gesundheitsförderung

Für die Arbeitsfähigkeit bis ins Pensionsalter spielt die Gesundheit der einzelnen ArbeitnehmerInnen und die Arbeitsbedingungen sowie die Arbeitsgestaltung eine große Rolle. Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz sowie die Bundesbedienstetenschutzgesetze bieten sehr gute Instrumente, über die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren am Arbeitsplatz z. B. entsprechende Gesundheitsmaßnahmen für ältere ArbeitnehmerInnen zu setzen.

Gesundheitsverschleiß

Ziel ist, die Arbeitsaufgaben und die Arbeitsorganisation dem Prozess des Alterns der ArbeitnehmerInnen entsprechend zu gestalten. Deshalb wird in der Broschüre der Begriff "alternsgerecht" verwendet. Wenn ein 50-jähriger Schweißer z. B. immer wieder von schwerer körperlicher Arbeit entlastet wird und in dieser Zeit Lehrlinge anweist, bleibt er für die körperliche Arbeit leistungsfähiger und ist somit für das Unternehmen produktiver. Die alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen muss aber bereits in jungen Jahren beginnen, wenn die Gesundheit bis zum Pensionsantrittsalter erhalten werden soll. Ein Gesundheitsverschleiß durch Heben und Tragen von schweren Lasten oder durch Nachtschichtarbeit in jungen Jahren kann im Alter nur mehr ganz schwer ausgeglichen werden.

2. Qualifizierung und Weiterbildung von ArbeitnehmerInnen

Viele ältere ArbeitnehmerInnen verfügen oft über spezifische und durchaus verwertbare Qualifikationen. Häufig fehlen aber die Möglichkeiten, die entsprechenden Kompetenzen zu erwerben, die durch Umstrukturierungen im Unternehmen oder durch technische Veränderungen notwendig wären. Häufig wird bei Veränderungen der Arbeitsorganisation nicht darauf Rücksicht genommen, dass auch ältere ArbeitnehmerInnen die Gelegenheit haben müssen, die notwendigen Kompetenzen zu erwerben. Dazu kommt, dass der Kenntnisstand einseitig wird, wenn über einen längeren Zeitraum immer wieder die gleichen Tätigkeiten ausgeübt werden.

Durch eine maßgeschneiderte Qualifizierung und Weiterbildung können in diesen Fällen die individuellen Ressourcen und Fähigkeiten gestärkt und verbessert werden.

Goldbergbau

Das Potential von älteren ArbeitnehmerInnen ist oft nicht auf den ersten Blick sichtbar. Dies ist das Erfahrungswissen, die soziale Kompetenz und die Routine, die sie sich im Laufe ihres Arbeitslebens angeeignet haben. Diese Ressourcen müssen wie im Goldbergbau freigelegt und durch spezielle Methoden für den Betrieb verfügbar gemacht werden. Dass Erfahrungswissen der Älteren erfolgreich zum Nutzen des Unternehmens an die junge Generation weitergegeben werden kann zeigen z. B. das Programm LIFE in der Voestalpine und die Schmidt Schraubenfabrik in Hainfeld, Niederösterreich.

3. Unternehmenskultur

Oft verstellen Vorurteile gegenüber älteren ArbeitnehmerInnen in unserer Gesellschaft, aber auch in den Betrieben die Sicht auf das Potential von Älteren. Diese Vorurteile wirken sich bei der Einstellungspraxis von älteren ArbeitnehmerInnen negativ aus aber auch bei was einen längeren Verbleib im Unternehmen anlangt. Vorurteile kommen besonders durch den Gebrauch der Sprache zum Ausdruck. Eine Unternehmenskultur, die diskriminierende Äußerungen erlaubt wie »Wie lange wollen sie denn noch bleiben?« oder »Mit 50 gehört man weg!« wirkt sich besonders negativ auf das Selbstwertgefühl und die Motivation von Älteren aus. Das mindert ihre Leistungsfähigkeit und ihr Engagement. Dadurch wird eine negative Spiralbewegung in Gang gesetzt, die sowohl den Älteren als auch dem Unternehmen nur Nachteile bringt. Im Umkehrschluss heißt dies, wenn es gelingt, älteren MitarbeiterInnen Wertschätzung und Anerkennung von Seiten der Unternehmensleitung und der Vorgesetzten entgegenzubringen, dann stellt dies eine wichtige Komponente für die Förderung von Gesundheit und Arbeitszufriedenheit dar. Erfahrungen aus den Pilotprojekten zu alternsgerechtem Arbeiten bestätigen das.

Es wird in Zukunft eine verstärkte Zusammenarbeit aller AkteurInnen des innerbetrieblichen ArbeitnehmerInnenschutzsystems notwendig sein, um ältere ArbeitnehmerInnen länger in Beschäftigung zu halten. Um auf der betrieblichen Ebene zu überprüfen, ob das Unternehmen alternsgerecht ist, stellt die Broschüre »Ältere ArbeitnehmerInnen - Das verborgene Gold im Unternehmen« eine Checkliste zur Verfügung. Eine Analyse des Unternehmens kann Ausgangspunkt für entsprechende Maßnahmen für Ältere im Unternehmen sein.

Gegen Diskriminierung

Durch die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union (RL 2000/78/EG) wird es darüber hinaus ein zusätzliches Instrument auf der betrieblichen Ebene geben, um Diskriminierungen aufgrund des Alters zu bekämpfen. Sollte es z. B. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung oder beim beruflichen Aufstieg aufgrund des Alters eine Ungleichbehandlung geben, kann die Gleichbehandlungskommission oder das Gericht angerufen werden. Es ist zu erwarten, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie im Laufe des Jahres 2004 im neuen Gleichbehandlungsgesetz umgesetzt werden. Die Bundesregierung wäre übrigens bereits bis spätestens 2. Dezember 2003 verpflichtet gewesen, diese Bestimmungen in nationales Gesetz umzusetzen.

Natürlich müssen auch auf der gesellschaftlichen Ebene Maßnahmen getroffen werden, die die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit von älteren ArbeitnehmerInnen erhöht. Notwendige Schritte sind z. B. die Weiterentwicklung des ArbeitnehmerInnenschutzes, die Förderung des lebensbegleitenden Lernens, ein sozialer Dialog über gesundheitsfördernde Arbeitszeitmodelle und eine offensivere Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung von älteren ArbeitnehmerInnen.

Finnland hat in den 90er-Jahren durch das nationale Aktionsprogramm für ältere ArbeitnehmerInnen gezeigt, dass das Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters in Verbindung mit individuellen, betrieblichen und gesellschaftspolitischen Maßnahmen zu einer höheren Beschäftigungsfähigkeit von Älteren führen kann (siehe Arbeit&Wirtschaft 1/2004, Seite 34, Gabriele Schmid: »Österreich kann von Suomi lernen«).


R E S Ü M E E

Der ÖGB fordert auch für Österreich ein nationales Aktionsprogramm für ältere ArbeitnehmerInnen, in dem alle Maßnahmen gebündelt werden können. Nur ein vernetzter und ganzheitlicher Ansatz wird positive Erfolge bei der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit Älterer bringen. Dies erfordert die Zusammenarbeit aller AkteurInnen im ArbeitnehmerInnen- und Bedienstetenschutz: Sozialpartner, AUVA, Krankenkassen, Pensionsversicherungen, Arbeitsinspektion und zuständige Ministerien sowie alle AkteurInnen in der Beschäftigungs- und Bildungspolitik.

Nur so wird die Vorgabe der EU (in Lissabon 2000), bis 2010 eine Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen von 50 Prozent zu erreichen, in greifbare Nähe rücken.

1) Second European Survey on Working Conditions (1996), Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, im Internet unter:
www.eurofound.eu.int/working/surveys/index.htm
2) Arbeitsklima News 4/03, im Internet unter:
www.arbeiterkammer.com

 

Ältere ArbeitnehmerInnen - Das verborgene Gold im Unternehmen
Inhaltliche Schwerpunkte der Broschüre:

  • Informationen über den Prozess des Älterwerdens
  • Betriebliche Beispiele für alternsgerechtes Arbeiten
  • Handlungsmöglichkeiten für BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen
  • Checkliste »Ist mein Unternehmen alternsgerecht gestaltet?«

Bestellung:
ÖGB-Referat für Humanisierung,
Technologie und Umwelt
Wipplingerstraße 35, 1010 Wien
Tel. 01/53444 DW 440 (Martina Fitzka)
E-Mail:martina.fitzka@oegb.at
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Ingrid Reifinger (ÖGB-Referat für Humanisierung, Technologie und Umwelt) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292462182 AK Wahlen 2004: Ein Erfolg starker Interessenvertretung Rund 1,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben gewählt und bei den AK Wahlen 2004 ein klares Signal an ihre Interessenvertretung, aber auch an die Bundesregierung abgegeben: Mit dem großen Wahlsieg der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen wurde der politische Kurs der AK bestätigt.

Es hat sich gezeigt, dass die unsoziale Belastungspolitik der Bundesregierung bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Widerstand stößt, der Wunsch nach einer starken Interessenvertretung war wohl das stärkste Wahlmotiv.

Flexibles Wahlsystem angenommen

Das Wahlrecht, dessen Reform der vergangenen AK Wahl 2000 vorausgegangen war, hat sich erneut bewährt.

Eine Reihe von Umständen hatten erwarten lassen, dass die Wahlbeteiligung sinken könnte. Die AK Wahlen fanden im Umfeld von zwei Landtagswahlen, der Bundespräsidentenwahl und der Europawahl statt. Die Änderung der Sozialstruktur - immer mehr AK Mitglieder arbeiten nicht in Vollzeitbeschäftigung - und das Entstehen neuer Mitgliedergruppen (wie etwa an den Universitäten) im Gefolge von Ausgliederungen aus dem Bundesdienst, die die AK und ihre Wahl noch nicht kennen, erschweren den Zugang zu vielen Mitgliedern.

Dass die Wahlbeteiligung mit 48,8 Prozent (nach 49,1 im Jahr 2000) gehalten werden konnte, ist daher als Erfolg zu werten. In absoluten Zahlen gingen sogar bundesweit 26.000 AK-Mitglieder mehr zur Wahl.

Wie schon im Jahr 2000 zeigt sich auch diesmal, dass es richtig ist, die Wahl näher zu den Mitgliedern zu bringen (mit dem Schwerpunkt auf der Betriebswahl und der Möglichkeit zur Briefwahl) und zeitlich flexibel auf die regionalen Besonderheiten abzustimmen.

Wahlsieger FSG

Eindeutiger Wahlsieger sind die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen, die in allen Bundesländern an Stimmen und anteilsmäßig stark dazugewannen: Die FSG hat bundesweit rund 85.000 Stimmen mehr errungen und 750.000 Stimmen erreicht, das bedeutet bundesweit eine Steigerung von 57,5 auf 63,4 Prozent. In den sozialdemokratisch geführten Kammern hat die FSG überall die Zweidrittelmehrheit zum Teil deutlich überschritten - nachdem sie bereits 2000 massiv dazu gewonnen und in sechs Kammern mehr als 60 Prozent der Stimmen erreicht hatte - und hat jetzt in den FSG-geführten Arbeiterkammern zwischen 67 und 72 Prozent.

Am stärksten ist die FSG mit 72 Prozent in Kärnten, den stärkster Zugewinn erreichte sie mit 8,6 Prozent in der Steiermark, den stärksten Zuwachs an Stimmen in Niederösterreich mit einem Plus von mehr als 23.000, gefolgt von der Steiermark und Wien mit einem Plus von je rund 14.000 Stimmen für die FSG. Auch in den ÖAAB-dominierten Arbeiterkammern in Tirol und Vorarlberg gab es deutliche FSG Gewinne - der stärkste Zugewinn überhaupt gelang der FSG in Vorarlberg mit einem Plus von 19 Prozent von 16,1 auf 35,2 Prozent (und damit weit über den Verlust von 1999 hinaus); in Tirol erreichte die FSG 24,3 Prozent (plus 5,8).

In Mandaten erreichte die FSG damit 539 der 840 Sitze aller Vollversammlungen der Länderkammern, das ist ein Zugewinn von 57 Sitzen. In der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer werden nun 51 (bisher 47) Mandate von der FSG besetzt.

"Denkzettel" gegen die Belastungspolitik

Die Fraktionen der Regierungsparteien haben beide großteils starke Verluste hinzunehmen.

Der ÖAAB - Christliche Gewerkschafter verlor bundesweit 22.000 Stimmen, österreichweit fiel der ÖAAB unter ein Viertel der Stimmen von 26,2 auf 23,7 Prozent.

Bei der Wahl 2000 konnte der ÖAAB in den von ihm geführten Länderkammern - vor allem in Tirol - noch dazugewinnen, während er in den anderen Bundesländern schon damals bis zu 5,5 Prozent verloren hatte.

Bis auf eine Ausnahme verlor der ÖAAB nun in allen Bundesländern, am deutlichsten und schmerzhaftesten in Vorarlberg, wo die Christliche Fraktion von 60 auf 46,6 Prozent (-13,4) fiel und damit die absolute Mehrheit verlor. Auch in Tirol verlor der ÖAAB rund drei Prozent oder 5000 Stimmen. Lediglich in Oberösterreich gelang es dem ÖAAB, fast 9000 Stimmen (vier Prozent) dazuzugewinnen. In den FSG-geführten Kammern betrugen die ÖAAB-Verluste zwischen 1,3 Prozent in Salzburg, 2,1 Prozent in Wien, 4,1 Prozent im Burgenland, 5,8 Prozent in der Steiermark. Eine besondere Situation war in Niederösterreich, wo sich die Liste Alfred Dirnberger vom ÖAAB abgespalten hatte und auf Anhieb drei Prozent und drei Mandate errang, hier verlor der ÖAAB drei Prozent; dramatisch ist das Ergebnis in Kärnten, wo der ÖAAB nur mehr auf 8,3 Prozent (minus 5,2) der Stimmen kam.

Auch in der Mandatsverteilung schlagen sich die Verluste deutlich nieder. In allen Vollversammlungen zusammen gerechnet hat der ÖAAB nunmehr 206 (minus 26) Mandate, in der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer nunmehr 16 (minus 2) Mandate.

Der ÖAAB selbst sah offenbar seine Niederlage als »Denkzettel« gegen die unsoziale Belastungspolitik der ÖVP-geführten Bundesregierung. Generalsekretär Amon erklärte: »Offenbar hat es bei den Wählern das Bedürfnis gegeben, der Regierung einmal die Meinung zu sagen.« (Salzburger Nachrichten vom 17. 5.)

In den Tagen nach der AK Wahl kam es deshalb zu einer heftigen Auseinandersetzung innerhalb der ÖVP, weil zahlreiche ÖAAB-Vertreter - freilich erfolglos - ein stärkeres soziales Profil der ÖVP verlangten, das führte bis zur Forderung nach einem ÖAAB-geführten Staatssekretariat.

Massiv waren die Verluste der Freiheitlichen Arbeitnehmer. Im Jahr 2000 hatten die Freiheitlichen zwar die absolute Stimmenzahl im Vergleich zur Wahl 1994 bei rund 112.000 halten können, anteilsmäßig aber (aufgrund der stark gestiegenen Wahlbeteiligung) bundesweit 4,7 Prozent verloren und waren in fünf Länderkammern unter die Zehn-Prozent-Marke gerutscht.

Nunmehr büßten die Freiheitlichen Arbeitnehmer rund die Hälfte der Stimmen von 2000 ein, nach 9,7 Prozent bundesweit im Jahr 2000 kamen sie diesmal nur auf 4,9 Prozent.

Auch in der traditionellen Hochburg Kärnten verloren die FA 2,9 Prozent und haben jetzt einen Anteil von 16,2 Prozent; in den anderen Länderkammern beträgt ihr Anteil zwischen 3,1 Prozent (Tirol) und 6,3 Prozent (Vorarlberg). In der Konsequenz verloren daher die Freiheitlichen Arbeitnehmer auch die beiden Mandate, die sie in der Hauptversammlung der Bundesarbeitskammer bisher eingenommen hatten.

Hinzugewinnen konnten die Grünen Gruppierungen, die sich erstmals bundesweit als Listenverbund verstanden und in den meisten Länderkammern unter dem Namen »Alternative und Grüne GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG)« antraten.

Sie gewannen in allen Bundesländern (außer Niederösterreich) leicht dazu, erreichten bundesweit 4,4 (plus 0,7) Prozent der Stimmen und insgesamt 33 Mandate.

In Kärnten, wo sie erstmals kandidierten, schafften sie den Einzug in die Vollversammlung mit 2 Mandaten, in Wien (5,7 Prozent) den Einzug in den Vorstand.

Bei dieser Wahl sind keine neuen Gruppen (mit Ausnahme der Liste Dirnberger in Niederösterreich und einer Abspaltung der Freiheitlichen Arbeitnehmer in Salzburg) zur Wahl angetreten, wohl aber haben die meisten der kleinen Fraktionen erneut kandidiert und sich im wesentlichen behaupten können.

Arbeiterkammer gestärkt

Bei allen Unterschieden und regionalen Besonderheiten zeigen die AK Wahlen doch einen gemeinsamen Trend: Die WählerInnen stimmten gegen die Auswirkungen der Regierungspolitik, wo sie als ArbeitnehmerInnen betroffen sind, und honorieren eine klare und konsequente Interessenpolitik. Eine bundesweite Wählerbefragung liegt nicht vor, stellvertretend können aber die Hauptergebnisse einer Nachwahlanalyse des Meinungsforschungsinstituts SORA Aufschluss über die wichtigsten Wahlmotive geben:

    * Als stärkstes Wahlmotiv gaben 94 Prozent aller WählerInnen an, mit ihrer Stimme »die Arbeiterkammer stärken« zu wollen.
    * 83 Prozent wünschen sich, dass die Regierung mehr auf die Arbeiterkammer hört.
    * 69 Prozent der Befragten geben als ihre Überzeugung an, dass die Regierung einseitig die ArbeitnehmerInnen belastet.

Wesentlich ist aber nicht nur die Kritik an Maßnahmen, die sich gegen die ArbeitnehmerInnen richten. Interessenpolitik bedeutet vorrangig die Entwicklung von Vorschlägen und Forderungen zur Lösung von gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen.

Die AK hat immer - und in den letzten Jahren verstärkt - an dieser ihrer Kompetenz gearbeitet und Programme vorgelegt. In den letzten Jahren standen Fragen der Arbeitsmarktpolitik, der Aus- und Weiterbildung und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Vordergrund. Die Nachwahlbefragung zeigt, dass die WählerInnen dies (und die Kontinuität in der Interessenpolitik) honorieren:

Befragt nach den für sie wichtigsten Themen nennen die ArbeitnehmerInnen das Engagement für Arbeitsplätze (93 Prozent) und Weiterbildung (92 Prozent), insbesondere auch für jüngere Arbeitnehmer (96 Prozent) als die vorrangigsten Aufgaben, wo sie sich auch von der AK klare Interessenvertretung erwarten. Für 91 Prozent der ArbeitnehmerInnen ist auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein wichtiges Anliegen.

Vertrauen in AK ist gewachsen

Ein gleiches Pensionssystem für alle, Maßnahmen gegen das Schwarzunternehmertum, das Verhindern von Selbstbehalten im Gesundheitswesen und Maßnahmen gegen Lohndruck sind Anliegen, bei denen jeweils mehr als zwei Drittel der Mitglieder die Forderungen der Arbeiterkammer unterstützen.

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass das Ansehen der AK in der Bevölkerung und die Anerkennung des Leistungsspektrums durch die Mitglieder wachsen. Ein (nicht von der AK in Auftrag gegebenes) Monitoring des Vertrauens der Bevölkerung in Institutionen der österreichischen Gesellschaft zeigt, dass das Vertrauen in die AK wächst, mehr als 60 Prozent stimmen dem zu, die AK liegt damit deutlichst zum Beispiel vor der Bundesregierung.

Eine AK-Umfrage unter den Mitgliedern hat 2001 gezeigt, dass die Zufriedenheit mit der Höhe des Mitgliedsbeitrags und den vorhandenen Leistungen gegeben ist. Mit dem Programm AK plus haben die Arbeiterkammern bundesweit ihren Leistungskatalog an neue Bedürfnisse angepasst und sind damit auf positives Echo gestoßen: Die neuen (und alten) Leistungen der AK, insbesondere in der Beratung, im Konsumentenschutz und in der Weiterbildung, werden von Jahr zu Jahr noch mehr in Anspruch genommen.

Dieser Kurs der AK - klare und konsequente Interessenvertretung und gleichzeitig ausgebaute direkte Leistungen für die Mitglieder, damit die ArbeitnehmerInnen nicht nur Rechte haben, sondern auch Recht bekommen - dieser Kurs ist bei den AK Wahlen 2004 bestätigt worden. Damit haben ihn die Wählerinnen und Wähler auch erneut als Auftrag formuliert.

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Werner Muhm (Direktor der Bundesarbeitskammer und der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185292462194 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185292462214 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1185292462229 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292461622 Der Betriebsrat der Zukunft Das gesellschaftspolitische Diskussionsforum (gedifo) sucht nach einem neuen Selbstverständnis der bestriebsrätlichen Arbeit. Kommunikation und Netzwerkarbeit stehen dabei im Vordergrund.

Durchs Reden kommen die Leute zusammen, wussten unsere Großeltern. Die hatten noch keinen E-Mail-Verteiler, um die ganze österreich-, böhmen- und mährenweit verteilte Sippe mit einem einzigen Klick zum Familientreff zu laden. Brauchten sie auch nicht, weil es genügte Onkel Hans. Denn der sagte es Tante Inge und die wiederum … bis hinauf in die hohe Tatra gelangte die Botschaft zu den weitschichtigen Mlineks.

Mit minimalstem Einsatz größtmögliche Wirkung also. Ein Mechanismus, der auch dem Informatiker Jon Kleinberg aufgefallen war, wie der Spiegel in einem Beitrag »Wie eine Botschaft Millionen erreicht,« berichtete. Ob der Schmetterling, der in Brasilien mit den Flügeln wachelte und so einen Tornado in Texas auslöste eine Erfindung aus der Meteorologie ist, tut nichts zur Sache. Kleinberg jedenfalls legte das Modell ins virtuelle Netz um und siehe da, es funktionierte.

Eine einzige E-Mail, abgeschickt in Brasilien, löste in Texas heftige Debatten aus.

Info-Filter

Eine Reaktion, von der Betriebsräte nur träumen können. »Schickt man als Betriebsrat sehr oft eine Mail hinaus, schalten die Mitarbeiter einen Filter ein und sagen: ›Weg damit!‹«, berichtet Martin Korn, Betriebsratsvorsitzender von Tecwings, dem 1998 durch Ausgliederung aus Alcatel entstandenem High-Tech-Betrieb.

Ähnliche Erfahrungen hat auch der Betriebsrat des IT-Dienstleistungsbetriebes Siemens Business Services (SBS), Fritz Spinka: »Informationen des Betriebsrates werden von vielen nicht mehr wahrgenommen. Erst wenn der Betriebsrat gebraucht wird, bei rechtlichen Fragen, zum Beispiel. Aber da ist es oft zu spät.«

»Man operiert ein bißchen im luftleeren Raum«, weiß Herbert Schulze, Betriebsrat von Compaq-HP, »und dazu kommt, dass viele Mitarbeiter Angst haben, den Betriebsrat zu kontaktieren. Vielleicht, weil das Unternehmen die Gewerkschaft als verdächtig gebrandmarkt hat.«

Tecwings, SBS und Compaq-HP sind hochtechnisierte Unternehmen, auch betriebsintern sind die Medien, von Intranet, E-Mail bis Internet am neuesten Stand. Aber gerade in der High-Tech- und Telekommunikationsbranche leidet die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft, wie die Arbeitnehmervertreter berichten.

Die Belegschaft? Das ist heute ein heterogenes Konglomerat aus unterschiedlichsten Menschen mit unterschiedlichen Arbeitsverträgen und Bedürfnissen, unter denen die Gruppe der »neuen Selbständigen« ständig wächst.

Schwere Zeiten für Betriebsräte, die einerseits die »alte« Rolle als Schützer und Kontrollinstanz arbeitsrechtlicher Errungenschaften einnehmen sollen, andererseits aber zwischen den unterschiedlichsten Interessenslagen der Beschäftigten aufgerieben werden.

Pioniergruppe

Seit dem Vorjahr arbeitet nun eine Projektgruppe aus Betriebsräten, Wissenschaftern, Organisationsberatern und Experten der Arbeiterkammer am komplexen Thema der internen Kommunikation zwischen Belegschaft und Betriebsrat. Auf Initiative des gesellschaftspolitischen Diskussionsforums der Arbeiterkammer (www.gedifo.or.at) hat die Gruppe zuerst den Ist-Zustand der Kommunikation zwischen Betriebsrat und Mitarbeitern untersucht.

Die Frage: »Wen vertreten wir eigentlich?« klingt simpler als sie ist. Denn eine erste Bestandsaufnahme der Betriebsräte in ihren jeweiligen Unternehmen hat gezeigt, wie unterschiedlich die Zusammensetzung des Mitarbeiterstabes ist. Hohe Fluktuation, Außendienste und freie Werkverträge erschweren zudem die Pflege der Kontakte, die für eine kontinuierliche Arbeit unerlässlich sind. Zudem, so das Fazit, »wird den Mitarbeitern vorgekaukelt, eigenständige Unternehmer zu sein. ›Unternehmerisches Denken‹ - was immer das ist - gilt als unvereinbar mit einer betrieblichen Vertretung.«

»Das alles wird vom Management bewusst gesteuert, meint SBS-Betriebsrat Fritz Spinka. Die Ziele des Unternehmens werden zu denen des Mitarbeiters gemacht, scheinbar werden eigene Ziele« verfolgt. Eine Strategie, die äußerst erfolgreich ist und welche die Arbeit der Betriebsräte erschwert, wenn nicht gar verhindert.

Co-Management

Eine bereits seit längerem bekannte Strategie des Managements besteht darin, Betriebsräte durch Gremienarbeit in die Entscheidungen einzubinden. Sie werden so zu einer Art Co-Manager. »Co-Management steht für eine gewerkschaftliche Betriebspolitik, wonach der Interessensgegensatz von Kapital und Arbeit durch Mitbestimmung überwunden werden kann. Die Interessensgegensätze werden daduch verwässert. Für den Betriebsrat entstehen vielerlei Probleme. Gremienarbeit ist für viele Beschäftigte intransparent. Er kann unter dem Verdacht stehen, sich vereinnahmen zu lassen. Er kann Loyalitätsprobleme bekommen«, schreiben Michael Vlastos und Hannes Schneller (siehe A&W 7-8/2002, »Betriebsratsarbeit im Wandel«).

Zur zunehmenden Aufsplitterung der Belegschaft in unterschiedliche Gruppen kommt also auch die immer komplexer und gleichzeitig diffuser werdende Rolle des Betriebsrates.

»Womit beschäftigen wir uns eigentlich?« lautete daher eine weitere Frage des Teams, das die Auseinandersetzung mit dem Thema als Versuchslabor versteht, in dem auch Irrtümer als wichtiger Teil eines Prozesses verstanden werden.

Ein weiteres Ergebnis der von den Betriebsräten bisher in ihren Unternehmen durchgeführten Befragung: Der Schwerpunkt der betriebsrätlichen Tätigkeit richtet sich auf klassische Aufgaben wie Sicherung und Bewahrung bestehender Strukturen. Tecwings-Betriebsratsvorsitzender Martin Korn: »Es hat sich herausgestellt, dass alles sehr vergangenheitsbehaftet oder nicht genau definiert ist. Wir haben all das gemacht, was wir im Lauf unserer Karriere gelernt haben: Einhaltung des Arbeitsverfassungsgesetzes, der Kollektivvertragspolitik und die Wahrung der Schutzfunktionen.« In all den Jahren, so Korn, wurde nicht gelernt, dass Betriebsratsarbeit zum überwiegenden Teil aus Kommunikation besteht. Aber das Management der Unternehmen hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr wohl mit Kommunikations- und Veränderungsprozessen auseinandergesetzt.

Ein Widerspruch tut sich auf, den die Betriebsräte in ihrer täglichen Arbeit zu spüren bekommen: »Einerseits haben die Arbeitnehmer die Vorteile aus selbstbestimmterem Handeln genutzt, aber auch den Kampf der Vertreter gegen Verschlechterungen und Kürzungen der Rechte unterstützt«, heißt es im Dokument zum Thema der internen Kommunikation, das die Arbeitsgruppe als eines der ersten Ergebnisse ihrer bisherigen gemeinsamen Tätigkeit verfasst hat. Denn so schlimm ist es um den Betriebsrat auch wieder nicht bestellt, nimmt man etwa die Beteiligung zur Betriebsratswahl bei Compaq-HP von immerhin 70 Prozent. »Eigentlich ein sehr guter Weg für einen außendienststrukturierten Betrieb mit vielen Filialen«, kommentiert Betriebsrat Schulze.

Dennoch ist die Rolle des Betriebsrates einem Wandel unterzogen. »Wichtig ist daher«, lautet die Conclusio der Gruppe, »Grundwidersprüche, wie ›Kooperation - Konkurrenz‹ zu verstehen und daraus Schlussfolgerungen für den Betriebsrat zu ziehen. Es ist nicht möglich, beide Pole eines Spannunsgfeldes gleich stark zu besetzen.«

Neues Leitbild

Ein neues Leitbild, ein neues Selbstverständnis des Betriebsrates, das den tatsächlichen Gegebenheiten angepasst ist, muss her. »Vom Regulator und Beglücker zum Entwickler«, nennt Betriebsrat Martin Korn die Verlagerung der bisherigen Betriebsratsarbeit hin zum »Management von Unterschiedlichkeiten«.

Harald Katzmair, Geschäftsführer des sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitutes FAS.research, sieht die Zukunft des Betriebsrates in einer Funktion als »Makler«. »Einer, der Leute zusammenbringt, die ein Eigeninteresse daran haben, mit Leuten zusammengebracht zu werden, die ihnen irgendwann in ihrer Karriere nützen können.«

Katzmair liebt die pointierte Rede, er spricht gar von einem Steckengebliebensein gewerkschaftlicher Organisationsstrukturen, einem Verschlafen der Transformation, die in den 70er-Jahren begonnen und mit der Abkehr von der fordistischen, von oben nach unten durchorganisierten Fabrik, völlig neue Arbeitsbedingungen gebracht hat, die unter den Schlagwörtern Flexibilität und Projektorientierung zusammengefasst werden können. Kurzum, sagt Katzmair, »wir haben ein völliges Auseinanderdriften von Realität und alten hierarchischen, paternalen, recht autoritären Strukturen.«

Die Motivation Harald Katzmairs, dem die gewerkschaftliche Organisation ein Anliegen ist, an der Arbeitsgruppe teilzunehmen: Er will den Austausch mit Kollegen, die »aufgrund ihrer Realität einfach nicht mehr weiterkommen. Dazu braucht es Offenheit und Respekt. Unterschiedliche Personen sollen zusammenkommen, mit der Bereitschaft, sich horizontal zu vernetzen«.

Denn der Betriebsrat von heute braucht eine neue Art der Informationsbeschaffung, Informationsverarbeitung und Informationsverbreitung. Ein weiteres Phänomen gesellt sich nämlich hinzu: Je mehr Information, umso uninformierter sind die Mitarbeiter. »Immer mehr informieren noch mehrere über Angelegenheiten, die nur für wenige von Interesse sind«, fasst Betriebsrat Martin Korn das Dilemma zusammen. Je kürzer und prägnanter, umso mehr Chance hat die Botschaft einen entsprechenden Empfänger zu finden. Telekom-Betriebsrat Alois Pillichshammer hat inzwischen die früheren Tagessitzungen auf vier Stunden gekürzt.

Der Betriebsrat ist immer noch Ansprechpartner im Sinn des Wortes. Denn das direkte Gespräch können E-Mails oder Broschüren nicht ersetzen, meint Pillichshammer. »E-Mails funktionieren nur bei aufrechter Kommunikation.« Informationsmaterial?

»Die Leute lesen gar nicht, was darauf steht. Das haben wir bei den AK-Wahlen gesehen. Da muss die Kommunikation von uns ausgehen, sonst verläuft die Information im Sand.«

Es herrscht also kein Mangel an Information, sondern vielmehr an Kommunikation, wo wir wieder beim neuen Selbstverständnis des Betriebsrates, dem internen Unternehmenskommunikator, wären.

Netzwerke

Interner Unternehmenskommunikator: Eine Funktion, die der Betriebsrat der Zukunft durch Nutzung jener gewerkschaftlich bislang unbeachteten Strukturen erreichen könnte, die als »Netzwerke« seit den 70ern Gegenstand weltweiter Forschung sind. Die Hewlett-Packard-Labors waren die ersten, deren Forscher eine Art Kommunikations-Spektrographie erstellten, indem sie die E-Mail-Verteiler der Firma mit Hilfe einer speziellen Software analysierten. »Sage mir, mit wem du sprichst, und ich sage dir, wer was zu melden hat«, lautete der unwissenschaftlich formulierte Grundgedanke dieser Mühewaltung, die sich letztendlich aber lohnt. Das weiß auch die Werbebranche, die ihre Botschaften zielgerichtet und kostensparend lanciert, sobald sie die »Leithammeln« ausfindig gemacht hat, die innerhalb einer Gesellschaft das Verbraucherverhalten prägen. Das wissen auch Politik, Wirtschaft und sogar Geheimdienste und Sicherheitsapparate, die mithilfe von Diagrammen der gepflegten Kontakte ganze Banden ahnungsloser Täter aufspüren.

Vernetzt sind auch die Shareholder und Aufsichtsräte. »50 Prozent der 2500 umsatzstärksten Unternehmen in Österreich sind mit mindestens einer der anderen Firmen über den Aufsichstrat vernetzt«, weiss Harald Katzmair, Geschäftsführer des auf die Untersuchung sozialer Netzwerke - von Unternehmensverflechtungen bis zur Analyse von Entscheidungsnetzwerken im Kundenbereich - spezialisierten Forschungsinstitutes FAS.research.

Astrid Zimmermann, Betriebsratsvorsitzende bei der Tageszeitung »Standard«, holt sich Tipps aus der Gruppe für ein künftiges Netzwerk von Betriebsräten von Tages- und Wochenzeitungen, das bereits in der Urform, nämlich dem Stammtisch, vorhanden ist. Für sie ist das Bild der Unternehmensvernetzung sehr illustrativ. Ein Bild, das »wir simpel nachgezeichnet haben: Wo sitzen die Medienmanager, in welchen Gremien, und erzählen einander stolz, wo wieder eingespart wurde? Das geht quer durch Österreich und ist in allen Häusern gleich.«

Die Betriebsräte in der gedifo-Plattform haben einstweilen die unterschiedlichen Konstellationen in ihren Betrieben, von Kaffee- und Freizeitgruppen bis zu Freizeitgemeinschaften und Gesprächsrunden ausfindig gemacht, die in keinem offziellen Organisationsplan aufscheinen. Der erste Weg zur sozialen Netzwerkanalyse, derer sich die Gruppe bedienen will, um die gewerkschaftliche und betriebsrätliche Arbeit effizienter und effektiver zu gestalten. Die soziale Netzwerkanalyse, eine wissenschaftliche Methode, um die »soziale Infrastruktur der informellen Kommunikation innerhalb einer Organisation freizulegen«, soll dazu beitragen herauszufinden, wer wo das Sagen hat. Denn kennt man die Schlüsselpersonen (im Fachjargon »Hubs«, bzw. »Drehkreuze«), weiß der Betriebsrat oder der Gewerkschafter, wer besonders zu berücksichtigen ist, damit die Information an richtiger Stelle landet. Netzwerke, dessen sind sich die Beteiligten klar, sind in unsicheren Zeiten nicht nur eine Frage des Überlebens des Betriebsrates als Einrichtung, sondern und vor allem des Überlebens der Mitarbeiter.

 R E S Ü M E E

Besonders in hochtechnisierten Betrieben spüren Betriebsräte zunehmend eine »Entfremdung« zwischen ihnen und der Belegschaft. Auf Initiative des gesellschaftspolitischen Diskussionsforums (gedifo) haben Betriebsräte, Betriebsberater, Forscher und AK-Experten begonnen, den Ursachen auf den Grund zu gehen und nach Verbesserungen zu suchen. Unter dem Titel »Interne Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft« wird der Ist-Zustand der Kommunikation in den Betrieben eruiert und die Technik der sozialen Netzwerkanalyse für künftige Verbesserungen nutzbar gemacht.

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Gabriele Müller (Freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292461434 »Hoffnungsfall« Kollege Lindner, du bist noch relativ neu in dieser Funktion als Jugendsekretär.
Heuer im Jänner habe ich die Nachfolge vom Stefan Maderner angetreten, der jetzt das ÖGB-Referat für Betriebsarbeit leitet. Ich bin 22 Jahre alt, komme ursprünglich aus der Steiermark, habe 1997 bei der ÖBB den Beruf des Elektroinstallateurs erlernt. Ich komme also aus der Gewerkschaft der Eisenbahner, wo ich lange Jugendvertrauensrat war und dann Jugendvorsitzender. Danach wurde ich stellvertretender ÖGJ-Bundesjugendvorsitzender und Vorsitzender der FSG-Jugend.

Und wie geht es dir bei deinem Job? Die Jugendsituation ist halt nicht schön, mit 14.000 Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen.
Die Situation ist katastrophal. Die Zahlen sind an sich schon erschreckend, aber wenn`s um Jugendbeschäftigung geht, darf man nicht nur von Zahlen reden. Hinter den Zahlen stecken Menschen, und jeder - vor allem junge - Mensch ohne Lehrstelle ist einer zuviel. Und mit über 45.000 Jugendlichen, die momentan arbeitslos sind, ist die Situation mehr als kritisch.

Ich höre dauernd alle sagen, man muss was tun, man muss was tun. Es geschieht ja auch ein bisschen was. In Wien z. B. hat man ja einige tausend Jugendliche wieder untergebracht in Kursen und Stiftungen. Aber das ist immer noch zu wenig, oder?
Man muss sich immer genau anschauen, was passiert und ob es sinnvoll ist. Die Betriebe bekommen 1000 Euro Lehrlingsprämie, ohne dass sie sich an irgendwelche Qualitätskriterien halten müssen. In der Produktion, vom Auto bis zum Fernseher, ist Qualitätssicherung heute selbstverständlich, aber in der Ausbildung ist sie nach wie vor ein Fremdwort - da fehlt es im System. Für die ausbildenden Unternehmen müssen Qualitätskriterien festgesetzt werden und die Einhaltung muss überprüft werden. Nur wer gut ausbildet und für den richtigen Beruf soll gefördert werden, und zwar erst bei erfolgreich abgelegter Lehrabschlussprüfung.

Im ersten Jahr zahlen die Betriebe, glaube ich, keinen Krankenkassenbeitrag. Das zahlen dann alle anderen. Obwohl Lehrlinge noch relativ gesund sind, hoffen wir. Also 1000 Euro ist diese Prämie?
Im nächsten Jahr wird sie zirka 1340 Euro sein.

Das ist schon ein gutes Geschäft …
Ja, man kann sagen, dass man mit einem Lehrling, wenn man ihn anstellt, ein Geschäft macht.

Da gibt es ja manche Bereiche, wo es besonders im Argen liegt und wo vor allem nach der Erhöhung der Probezeit die Jugendlichen wirklich nur als billige Hilfsarbeiter verwendet werden.
Die schwarz-blaue Bundesregierung hat die Probezeit für Lehrlinge von zwei auf drei Monate verlängert. Große Betriebe, zum Beispiel im Gastgewerbe, holen sich Lehrlinge von Juni bis August, sprich immer genau für die Hauptsaison. Die missbrauchen die Jugendlichen, denen sie eigentlich etwas beibringen sollten, als billige Hilfskräfte - und kurz vor Ende der Probezeit werden die Lehrlinge wieder gekündigt. Nicht einmal einen Grund muss der Unternehmer angeben, wenn er den Lehrling loswerden will. 17.000 Lehrverträge wurden im vergangenen Jahr vorzeitig aufgelöst, davon 70 Prozent allein im Bereich der Frisöre. Es ist auf jeden Fall schlechter geworden für die betroffenen Jugendlichen, die in dieser Situation waren. Landeshauptmann Jörg Haider hat ja gefordert, die Probezeit von drei Monaten auf ein Jahr zu verlängern. Das wäre der absolute Wahnsinn. Dann, glaube ich, gibt es sowieso fast keine Jugendlichen, die zur Lehrabschlussprüfung antreten werden. Und das kann es nicht sein. Wir als Gewerkschaftsjugend werden uns auf jeden Fall wehren gegen solche Maßnahmen - wir fordern die Verkürzung der Probezeit auf ein Monat!

Als Fritz Verzetnitsch noch Jugendsekretär war - und ich noch Jugendredakteur, haben wir einmal das 100.000 Mitglied der Gewerkschaftsjugend gefeiert. Wie schaut es denn eigentlich jetzt aus?
52.000 Mitglieder. Die Geburtenjahrgänge sind schwächer, und die Lehrstellen gehen immer mehr zurück. Das Angebot von früher ist einfach nicht mehr da. Die Betriebe bilden nicht mehr aus und beschweren sich gleichzeitig über Fachkräftemangel.

Wenn man sich anschaut, dass in den letzten 20 Jahren die Lehrstellen von über 194.000 auf 120.000 zurückgegangen sind, dann kann man sich schon berechtigterweise die Frage stellen, was da im System nicht stimmt, dass es einen solchen Lehrstellenschwund gibt.

Wie glaubst du, wird das weitergehen? Im Grunde bleibt ja nur die Hoffnung, dass die Leute draufkommen, dass es davon abhängt, wem sie bei den Wahlen die Stimme geben.
Es ist sicher so eine Frage und ich glaube jede Regierung muss daran gemessen werden, was sie für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tut und speziell aus unserer Sicht: Was macht sie für die Jugendlichen. Da hat sich in den letzten vier Jahren unter Schwarz-Blau einiges verschlechtert. Ich glaube, dass die Jugendlichen bei der nächsten Wahl auch dementsprechend ihre Stimme abgeben werden. Wenn die Regierung, ganz egal wer die Mehrheit hat, ein bisschen mehr auf die Gewerkschaftsjugend und auf ihre Forderungen hören würden, dann würde die Jugendarbeitslosigkeit auch nicht so dramatisch sein wie sie es derzeit ist.

Wie ist das mit dem Egon Blum?
Der Regierungsbeauftragte für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung Egon Blum ist sicher ein Hoffnungsfall. Die einzige Frage, die sich für mich stellt, inwieweit lässt die Regierung jetzt zu, dass er das, was er jetzt vor hat, auch wirklich umsetzten kann. Er hat auf jeden Fall sehr gute Ideen.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292461416 Jugend ohne Chance? Alles im Griff, kein Jugendlicher müsse auf der Straße stehen, so hört man es von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein gebetsmühlenartig jeweils nach dem Bekanntwerden der aktuellen Arbeitsmarktdaten. Außerdem, so der Standardsatz der Regierung, stehe Österreich mit seinen Daten im Europavergleich noch immer hervorragend da. Ein schwacher Trost für jeden einzelnen betroffenen österreichischen Jugendlichen, der eine Lehrstelle oder Beschäftigung sucht.

»200 Bewerbungen um eine Lehrstelle als Sekretärin habe ich geschrieben«, schildert Bettina ihre Erfahrung als Lehrstellen Suchende nach dem Pflichtschulabschluss. »Nicht einmal die Hälfte der angeschriebenen Firmen hat geantwortet, Lehrstelle gab’s keine.« Dann hat sie der Vater zum Arbeitsmarktservice (AMS) geschickt. Jetzt sitzt sie über AMS-Vermittlung in einem zehnmonatigen Auffangnetz-Lehrgang, der gemäß Jugendausbildungssicherungsgesetz (JASG) abgewickelt wird. Dieses Schicksal teilt sie mit rund 5000 anderen Lehrstellen Suchenden: Arbeitslosmeldung beim AMS, Lehrstellensuche mit Hilfe des AMS, bei Nichterfolg Berufsorientierung und Coaching, und danach Besuch eines Auffang-Lehrgangs, der auf die Lehrzeit angerechnet wird. Während dieser Zeit sind die Jugendlichen beim jeweiligen Lehrgangträger sozialversichert, besuchen die Berufsschule wie in der Lehre und machen ein Praktikum in Betrieben.

Bettina ist froh, einen solchen Lehrgangsplatz erhalten zu haben. Sie absolviert ihn bei »Jugend am Werk« (»JaW«) und lässt sich zur Immobilienkauffrau ausbilden. Wenn sie nach diesem ersten Lehrgang noch immer keine Lehrstelle in einem Betrieb findet, hofft sie auf einen Fortsetzungslehrgang.

»Das kannst gleich vergessen!«

Tatsächlich liegen die Vermittlungsquoten - unterschiedlich nach Lehrberuf - zwischen 30 und 50 Prozent. Für die Bautechnischen Zeichner, die z. B. bei »Jugend am Werk« ausgebildet werden, gibt es bereits einen JASG-Folgelehrgang, der das zweite Lehrjahr ersetzt. Da die Aussichten, in einem Betrieb die Bautechnikerlehre zu beenden, nicht rosig sind, ist es möglich und vorgesehen, über die »Qualifizierung zur Lehrabschlussprüfung« die Jugendlichen zum Ausbildungsabschluss zu führen, weiß Ausbildungsleiter Dieter Augustin von »Jugend am Werk«.

Neben den 5000 Jugendlichen, die wegen der fehlenden betrieblichen Lehrstellenplätze in Auffangkursen ausgebildet werden, gibt es zusätzlich rund 9000 Jugendliche, die entweder ganz aktuell eine Lehrstelle suchen oder kurzfristige AMS-Kurse absolvieren und daher auch einen Lehrplatz brauchen.

So auch Eric: »Das Zeugnis musst gleich mitschicken. Wenn du keine guten Noten hast, kannst es gleich vergessen«, drückt er seinen Frust aus der Bewerbungszeit aus, denn Antwort oder gar eine Lehrstelle hat er nicht bekommen. Jetzt ist er seit einem Monat im Lehrgang Elektrotechnik des Wiener Berufsförderungsinstituts (bfi) in Wien-Favoriten und hofft, dass es durch Ausbildung und Betriebspraktikum nach neun Monaten besser klappt.

»Es ist schlimm …«

»Es ist schlimm, wenn der erste Weg von Jugendlichen nach der Schule zum Arbeitsmarktservice statt in die Arbeitswelt führt«, beklagt Wolfgang Dikovics, Abteilungsleiter Jugendmaßnahmen des bfi, die Situation: »Pro Jahr verschwinden allein Wien 300 bis 400 Lehrstellen. Dabei wird die Lehrstellennachfrage erst 2007 ihren Höhepunkt erreichen und noch 2011 auf dem Stand von heute sein.« Dass hier schnell etwas passieren muss, ist auch für Manfred Jank, Leiter der Berufslehrgänge des 1. Lehrjahres im bfi, klar: »Hatten wir 2000 noch einen Kurs pro Jahr, so sind es jetzt schon drei Starttermine im Jahr. Ewig werden wir aber mit solchen Notlösungen nicht durchkommen.«

Das bfi ist - neben »Jugend am Werk«, WIFI, BPI (Berufspädagogisches Institut) Weidinger & Partner, oder dem Fachausschuss der Friseure der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe und Persönliche Dienstleistungen (HGPD) - Träger von Lehrlingslehrgängen nach dem JASG.

Fachausbilder mit Meisterprüfung und mindestens zweijähriger Erfahrung in Jugendausbildung, LehrerInnen für den Stütz- und Förderunterricht in der Berufsschule, SozialarbeiterInnen, die bei etwaigen Problemen mit Familie, Wohnung, Geld, Drogen oder Berufsschule helfen, sowie Coaches (Psychologen, Pädagogen, ausgebildete Trainer), die in Richtung Lehrstellenvermittlung und Bewerbungsunterstützung tätig sind, stehen den jungen Berufseinsteigern bei den Trägerorganisationen zur Seite.

Qualifikation?

Neben dem Umstand, dass bis zum Kursjahr 2002/2003 die JASG-Lehrgänge jährlich neu durchgesetzt werden mussten und damit die Planung extrem erschwert wurde, entstand ab 2003 ein zusätzliches Problem: Anstelle des bis dahin geltenden Verhandlungsverfahrens werden seither die Kurse gemäß Bundesvergabegesetz nach dem »Bestbieterprinzip« ausgeschrieben. »Das führt zu einem Wettbewerb der verschiedenen bestehenden und neu auftretenden Anbieter«, schildert Reinhold Bauer, Leiter des Bereichs Berufsbildung Jugendlicher von »Jugend am Werk«, die gegenwärtige Situation: »Mit dem dadurch in Gang gekommenen Preiskampf konzentrierten sich viele Anbieter nur auf Coaching und Vermittlung und damit weniger auf die eigentliche Qualifikation der Jugendlichen. Verstärkt wird mit ›freien Trainern‹ gearbeitet, die zwar über hohe Kompetenzen im Coaching aber selten über praktische Kompetenzen im Berufsfeld verfügen.« Konkurriert wird hauptsächlich um Berufe im Bürobereich, im Einzelhandel, in der EDV-Technik und im Gastgewerbe, weil die Ausbildung in handwerklichen Berufe hingegen mit hohen Fixkosten (Maschinen, große Räumlichkeiten, Fixpersonal) verbunden ist.

Die Entwicklung am Jugendbeschäftigungs- und speziell am Lehrstellenmarkt war und ist seit Jahren absehbar. Seit 1980 ist die Zahl der Lehrstellen von 194.000 auf heute 120.000 zurückgegangen. Die Ursachen für die Krise am Lehrstellenmarkt sieht Arthur Baier, Leiter der Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz der AK Wien, vor allem im Auslassen von Industrie und Handel, die heute etwa zwei Drittel weniger Lehrlinge ausbilden als früher. Im Zuge von Rationalisierungen, Liberalisierung und Globalisierung wurden Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sowie Lehrwerkstätten in den großen Industriebetrieben geschlossen. Im Einzelhandel kam es zu den bekannten Konzentrationen, die ebenso Lehrplätze kosteten. Gleichzeitig hat die konjunkturelle Krise besonders das Gewerbe getroffen, das traditionell Lehrlinge ausbildet. Dies alles hat auf den gesamten Lehrstellenmarkt durchgeschlagen, sodass es heute gerade noch in der Tourismusbranche kleine Zuwächse gibt.

Jahrelange Gehirnwäsche

Hinzu kommt, so Alexander Prischl, Leiter des Referates für Berufsbildung im ÖGB, dass die »jahrelange Gehirnwäsche der Wirtschaftskammer, dass die Lehrlingsausbildung zu teuer sei, bei ihren Mitgliedsbetrieben durchaus erfolgreich war. So haben wir jetzt die Wirkung, dass sie immer weniger Fachkräfte ausbilden, gleichzeitig aber den Mangel und den Qualitätsverlust beklagen.« Dabei waren Lehrlinge noch nie so billig. Erhielt ein Betrieb 2003 pro Lehrling und Jahr rund 700 Euro, sind es heuer ca. 1000 Euro und im nächstes Jahr schon ca. 1340 Euro. Selbst ohne Berücksichtigung von Lehrlingsprämie und diversen kommunalen Förderungen, aber sehr wohl unter Einrechnung der geringeren Anwesenheitszeit durch den Berufsschulbesuch, kostet beispielsweise ein Lehrling im Einzelhandel über die gesamte Lehrzeit dem Betrieb bloß 63 Prozent einer Fachkraft und 68 Prozent einer Hilfskraft, rechnet Prischl vor.

Spießrutenlauf

1993 gab es das letzte Mal mehr offene Lehrstellen als Lehrstellen Suchende. Seitdem geht die Schere von Lehrstellenangebot und Lehrstellennachfrage jährlich weiter auseinander. Selbst als 1998 mit dem JASG die Notbremse gezogen wurde und erstmals 3500 Jugendliche in den neu geschaffenen Lehrlingsstiftungen untergebracht werden konnten, stieg die Zahl der Suchenden weiter an.

Trotzdem wurden mit Antritt der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2000 die erfolgreichen Lehrlingsstiftungen, die Jugendliche bei Bedarf bis zum Lehrabschluss besuchen konnten, gestrichen und durch bloß zehnmonatige Lehrgänge ersetzt. Diese müssen jedes Jahr neu bewilligt werden. Das machte für Jugendliche und Lehrgangsträger die Berufs- bzw. Ausbildungsplanung zum Teil zum Spießrutenlauf. Denn es war für die Jugendlichen nicht mehr absehbar, ob sie im Fall der Nichterlangung einer Lehrstelle in einem weiterführenden Lehrgang unterkommen oder nicht und ob sie überhaupt einen Lehrabschluss erlangen konnten.

Verschärft wurde die Situation noch dadurch, dass die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung bereits ab 2000 die Probezeit für Lehrlinge in Betrieben auf drei Monate ausdehnte und die Behaltefrist von vier auf drei Monate verkürzte. Ergebnis: Lehrverträge werden leichter gelöst und Jugendliche, besonders im Handel und in Saisonbetrieben (Tourismus), als billigste Hilfskräfte eingesetzt statt ausgebildet.

Die Statistik für das Jahr 2003 zeigt, dass über 1400 oder fast ein Viertel der in Wien jährlich eingegangenen Lehrverhältnisse bereits in der Probezeit gelöst werden. 70 Prozent davon allein in den Branchen Haar- und Körperpflege (Friseur, Kosmetik, Fußpflege), Gastronomie und Hotellerie, Handel und verwaltende Berufe (z. B. Bürokaufmann/frau). Insgesamt werden z. B. in Wien ca. 20 Prozent aller derzeit bestehenden 17.000 Lehrverträge vorzeitig aufgelöst. Formal handelt es sich dabei in den meisten Fällen um »einvernehmliche« Lösungen.

»Leben schwer gemacht …«

»Weil diese Zahl früher nicht so hoch war, aber in den letzen Jahren sichtbar gestiegen ist«, vermutet Arthur Baier von der AK, »dass vielen Lehrlingen das Leben so schwer gemacht wird, bis sie von selbst gehen.« Diese Menschen drängen zusätzlich auf den Lehrstellenmarkt. Besonders erschwerend kommt in diesen Fällen hinzu, dass es extrem schwierig ist, für die Restlehrzeit eine neue Lehrstelle und einen Lehrabschluss zu bekommen.

Natürlich ist es wichtig für die Lehrstellensucher, dass es wenigstens das bestehende, wenn auch leider sehr flickwerkartige Auffangnetz gib. Weil es aber in den Kursen keine durchgängige Ausbildung zum Lehrabschluss gibt, ist ein enormer Verdrängungswettbewerb unter den Lehrstellenbewerbern entstanden. Arthur Baier: »Die potentiellen Lehrherren holen sich natürlich lieber die bereits Vor- und Höherqualifizierten aus den JASG-Lehrgängen als Lehrlinge in das Unternehmen. Die neuen Schulabgänger haben da nur wenig Chancen, direkt im Anschluss eine Lehrstelle zu ergattern und kommen in die Warteschlange.«

Spirale nach unten

So dreht sich die Spirale nach unten weiter: Die Auffangnetze laufen Gefahr zum Regelfall des Lehreinstiegs zu werden. Den derzeit österreichweit durchschnittlich für das erste Lehrjahr abgeschlossenen 35.000 Lehrverträgen stehen nach Schätzungen der AK rund 51.000 eine Lehrstelle suchende Jugendliche gegenüber. 2004/2005 werden maximal 7000 Jugendliche in die JASG-Auffanglehrgänge untergebracht werden können. Rund 4500 Schulabgänger werden in kurzfristigen Schulungsmaßnehmen des AMS unterkommen. Den restlichen geschätzten 4500 Jugendlichen, die sofort eine Lehrstelle suchen, stehen nur 2000 bis 2500 offene Lehrstellen für sofort zur Verfügung.

Erst seit Herbst 2003 schuf der Gesetzgeber aufgrund des weiter extrem gesunkenen Lehrstellenangebotes und wegen des Protestes und Drängens von Gewerkschaften und Arbeiterkammern die Möglichkeit, die Ausbildung auf ein weiteres Jahr zu verlängern. Zusätzlich konnte seit diesem Zeitpunkt auf Initiative der Sozialpartner die integrative Berufsausbildung durchgesetzt werden. Damit wird benachteiligten (z. B. Sonderschulabgänger, Jugendliche ohne Pflichtschulabschluss) und behinderten Personen eine neue Chance eröffnet. Sie ersetzt die Vor- und Teillehre und sieht die Berufsausbildung entweder in einem Lehrberuf mit einer um bis zu zwei Jahren verlängerten Lehrzeitdauer oder in einer Teilqualifikation eines Lehrberufes in einer Zeitdauer von ein bis drei Jahren vor. Zur Unterstützung wurde die Berufsausbildungsassistenz eingeführt, die als Drehscheibe zwischen diesen Jugendlichen, der Berufsschule und dem Lehrbetrieb dient.

Effektive Maßnahmen!

Überdies konnte in Wien bei einem Arbeitsmarktgipfel im April 2004 Übereinstimmung erzielt werden, dass für 800 Jugendliche aus der Region in sozialökonomischen Betrieben eine Beschäftigungsmöglichkeit geschaffen werden soll.

Wenn sich die Wirtschaft immer weniger der Verantwortung der Fachausbildung der Jugendlichen stellt, dann sollte das nicht zusätzlich zu Lasten der Jugendlichen gehen. Daher fordern AK, Gewerkschaften und Lehrgangsträger Maßnahmen, die eine systematische Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung ermöglichen. An erster Stelle steht dabei die Forderung nach effektiven Maßnahmen zur Erhöhung des betrieblichen Lehrstellenangebots, etwa durch eine Ausbildungsfinanzierung über einen Berufsausbildungsfonds. In diesem Fonds sollen nicht ausbildende Betriebe für ausbildende Unternehmen verpflichtend einzahlen und daraus auch überbetriebliche Ausbildungseinrichtungen finanziert werden. Dies würde einen Lastenausgleich zwischen Lehr- und Nichtlehrbetrieben ermöglichen.

Förderung verdoppelt

Die Wirtschaft beklagt in diesem Zusammenhang immer, dass dafür kein Geld da sei und pocht auf freiwillige Lösungen. Doch trotz der massiven Lehrlingsförderungen haben die Unternehmen bisher keinen flächendeckenden Lehrlingsfonds auf freiwilliger Basis zustande gebracht. Die Firmen haben noch nie so viel an Lehrlingsförderung erhalten wie heute: Letztes Jahr waren es in Summe 83 Millionen Euro, heuer werden es 121 Millionen Euro und im Jahr 2005 schon 159 Millionen Euro sein, die sich aus 1000 Euro Prämie pro Lehrling, aus der Streichung der Arbeitgeberbeiträge zur Kranken- und Unfallversicherung und des Zuschlags zur Arbeitslosenversicherung sowie aus AMS-Förderungen zusammensetzen. Das bedeutet eine Verdoppelung der Förderungen innerhalb von nur zwei Jahren. »Trotzdem werden von Jahr zu Jahr weniger Lehrlinge ausgebildet«, stört Jürgen Eder, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), die Blauäugigkeit der Unternehmen: »Statt mit der Gießkanne Geld zu verteilen, müssen Förderungen an überprüfbare Qualitätskriterien gebunden sein und in einen Ausbidlungsfonds einfließen.«

Weiters sollte mangels betrieblicher Ausbildungsplätze die flächendeckende qualifizierte Ausbildung zu einem Lehrberuf und der Lehrabschluss auch in außerbetrieblichen Ausbildungsstätten eingeführt werden und Ausbildungsverbünde mit Betrieben, die nicht die gesamte Palette einer Lehrberufsaubildung abdecken, verstärkt werden. Die JASG-Lehrgänge müssen langfristig zu- und abgesichert werden sowie eine ausreichende Finanzierung für 9000 Plätze sichergestellt sein.

BHS-Schulabbrecher

Mehr Mittel (24 Millonen Euro) und Plätze (4000) sind auch für Anfänger in den heillos überfüllten berufsbildenden Schulen (HAK, HTL, Fachschulen) nötig. Geld-, Lehrer- und Raummangel und damit erhöhter Druck auf die Schüler führen dazu, dass ein Fünftel der Besucher einer berufsbildenden höheren Schule (BHS) bereits nach einem Jahr wieder aussteigen muss; bis zur Matura schaffen es nur drei von fünf Schülern. Diese hohe Zahl an Schulabbrechern drückt ebenfalls auf den Lehrstellenmarkt.

Daraus resultierend ist nicht zuletzt die Finanzierung der »zweiten Chance« ein Muss. Denn derzeit ist der zweite Bildungsweg fast zur Gänze privat von den Betroffenen zu bezahlen und für diese Gruppe von Berufsanfängern alleine kaum aufzubringen. So sind für das Nachholen eines positiven Hauptschulabschlusses 700 Euro (für über 18-Jährige), für die Vorbereitung auf die außerordentliche Lehrabschlussprüfung 610 Euro sowie für die Vorbereitung auf die 1997 eingeführte Berufsreifeprüfung zwischen 2000 und 4000 Euro zu bezahlen.

Investition in »Zweite Chance«

Diese Investitionen der öffentlichen Hand würden sich jedenfalls bezahlt machen, sind AK und ÖGB überzeugt. Denn wer keinen oder nur einen Pflichtschulabschluss hat, hat ein extrem höheres Risiko arbeitslos zu werden als entsprechend ausgebildete und qualifizierte junge Menschen. Tatsächlich haben laut AMS-Arbeitslosenstatistik zwei Fünftel der 20- bis 24-Jährigen keinen positiven oder nur einen Pflichtschulabschluss.

Wer den Elan gesehen hat, mit dem sich die Jugendlichen in den verschiedenen Lehrgängen einlassen, dass sie trotz des schwierigen Umfeldes ihre Witzigkeit und ihren Humor nicht verloren haben, der müsste sich schämen, den Lehrlingen keine besseren Rahmenbedingungen und keine bessere Perspektive für ihre berufliche und persönliche Zukunft zu bieten.

»Wer unserer Jugend vertraut, und ihr das auch beweist, wird von ihr nicht enttäuscht.« Diesem Leitsatz zur Ausbildungsphilosophie des Regierungsbeauftragten für Jugendbeschäftigung und Lehrlingsausbildung, Egon Blum, ist voll und ganz zuzustimmen. Auch die Aufforderung, in die Jugend zu investieren, weil das Investitionen in die Zukunft sind, hört man immer wieder bei offiziellen Anlässen zum Thema Lehrlingsausbildung und Jugendbeschäftigung. In der Realität wird der Jugend jedoch diese notwendige zukunftsträchtige Investition bislang verweigert. Wer so handelt, darf sich nicht wundern, dass er (bei Wahlen) die Jugend verliert, die ihm die Rechnung für die Chancenverweigerung präsentiert.

R E S Ü M E E
Jugendbeschäftigung ist zu Schulschluss zwar in aller Munde, die Hoffnung auf eine Lehrstelle oder auf einen geeigneten Schulplatz geht aber nur für einen Teil der Jugendlichen in Erfüllung. Neben den 5000 Jugendlichen, die wegen der fehlenden betrieblichen Lehrstellenplätze in Auffangkursen ausgebildet werden, gibt es zusätzlich rund 9000 Jugendliche, die entweder ganz aktuell eine Lehrstelle suchen oder kurzfristige AMS-Kurse absolvieren und daher auch einen Lehrplatz brauchen. AK und ÖGB fordern daher vor allem die Erhöhung des betrieblichen Lehrstellenangebots durch eine Finanzierung über einen Berufsausbildungsfonds sowie mehr Mittel und Plätze für Anfänger in den heillos überfüllten berufsbildenden Schulen.

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Wilfried Leisch (Freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292461319 Kommentar | Vergleichende Gedanken 1. Bild

In einzelnen Städten in den USA haben sich die Reichen der Stadt hinter hohen Mauern und elektrischen Zäunen und unter Bewachung von Videokameras und eigener, bis auf die Zähne bewaffneter Privatpolizei eine scheinbare Sicherheit geschaffen. Vor wem fürchten sich die Reichsten und Wohlhabendsten?

Die USA bauen an der Grenze zu Mexiko elektrische Zäune, mit Hunden bewacht, um sich im wohlhabenden Norden vor den angeblichen »Wirtschaftsflüchtlingen« aus dem Süden zu schützen.

Mittlerweile geben die USA mehr Geld zur Betreibung von Gefängnissen aus als für Bildung.

2. Bild

Anlässlich der Beschlussfassung des neuen Asylgesetzes begründet der zuständige Innenminister Strasser im Bundesrat dieses Asylgesetz unter anderem damit, die rot-grün geführte Regierung der Bundesrepublik Deutschland hätte ein noch viel strengeres Asylgesetz erlassen. Es müsste eine abschreckende Wirkung erzielt werden, um die wirklichen Asylwerber von den so genannten »Wirtschaftsflüchtlingen« zu trennen und die letzteren abzuschrecken. Es gebe zu viele so genannte »Wirtschaftsflüchtlinge,« z. B. aus Rumänien. Sie kommen illegal nach Österreich, haben hier keine Arbeit, kein Einkommen und sind zur Kriminalität gezwungen. Wegen dem strengen Asylgesetz in der Bundesrepublik ging die Anzahl der Asylanträge von 170.000 auf nur mehr 70.000 pro Jahr zurück. Im Wettbewerb will der österreichische Minister eine ähnliche Wirkung erzielen.

Die Festung Europa nimmt Gestalt an. Die Festungsmauern und elektrischen Zäune durch die Wohngebiete werden vielleicht erst in 20 Jahren notwendig sein. Oder noch früher.

3. Bild

Israel zieht einen elektrischen Zaun, verbunden mit einer Mauer, durch die Landschaft und durch die Städte, um sich vor den Palästinensern zu schützen. Öffentlich wird argumentiert, es seien Terroristen, vor denen man sich schützen will, es seien Kinder und Mütter und Frauen die hier in den Krieg hineingezogen würden, die man schützen will. So werden Milliarden investiert, um eine scheinbare Sicherheit zu schaffen.

Vermutlich wüssten alle österreichischen Staatsbürger für Israel sofort eine billigere und wirksamere Lösung.

4. Bild

In Italien werden illegale Flüchtlinge, die mit Booten und Schiffen über das Meer von Afrika oder Albanien ins wohlhabenden Europa flüchten wollen, in Schutzhaft genommen. An der österreichisch-ungarischen Grenze stehen bewaffnete Soldaten. Junge, unerfahrene Soldaten werden auf illegale Flüchtlinge losgelassen. Auf Menschen, die tausende Euro dafür gaben, um sich von professionellen Schlepperbanden auf scheinbar sicheren Pfaden in eine hoffnungsvolle, bessere Zukunft bringen zu lassen. Die illegalen Flüchtlinge werden in »Schutzhaft« genommen und wieder »abgeschoben«.

5. Bild

Vor wenigen Tagen tauchte in Traun auch ein Ausländer auf, einer der wohlhabendsten Italiener, Mitglied einer der reichsten italienischen Familien, der Familie Safilo. Er kam in Begleitung mehrer Rechtsanwälte. Er kam nicht unter Polizeischutz, wurde vor einigen Jahren herzlich willkommen geheißen, als er die damals in Konkurs befindliche Firma Anger aufkaufte. Mitsamt millionenschweren Marken wie Christan Dior, Carrera oder Porsche samt Werbe- und Sponsorverträgen und Maschinen. Facharbeiterkenntnisse, Produktions-Know-how, jahrelang angesammeltes Wissen der hier arbeitenden Menschen über die technischen Feinheiten beim Produzieren von Metallbrillen oder Sportbrillen gehörten selbstverständlich dazu, auch wenn sie im Kaufvertrag nicht extra erwähnt wurden. Alles zusammen, Lieferverträge und Lizenzen gab`s als Schnäppchen um einige hundert Millionen Schilling. Jetzt ließ der reiche Herr aus dem schönen Italien von einer Minute zur nächsten von einem seiner italienisch sprechenden Rechtsanwälte übersetzten, es werde die Firma zugesperrt, aus. Als die ArbeiterInnen am Abend die Fabrik verließen, weinten sie. Dem Herrn aus Italien passierte nichts. Die Firma schrieb jahrelang zweistellige Millionenbeträge Gewinn in ihre Bilanzen. Der Herr Großkapitalist war gönnerhaft, er schickte die ArbeitnehmerInnen nach Hause, sie sollten sich von dem Schrecken erholen, bevor sie zum Zusammenräumen und Maschinenabbauen wieder in die Fabrik kommen. Er werde alles bezahlen, sagte er. Und er wurde nicht verhaftet. Er wurde nicht in Schutzhaft genommen. Obwohl er österreichische Gesetze missachtete, obwohl er die Regeln, die in unserem Land gelten, nicht einhielt.

Diese Art »Wirtschaftsflüchtling« hat er, der Herr Innenminister, gemeint? Doch wie kindlich naiv gefragt, dieser Herr brachte doch sein Geld nicht illegal in einem schwarzen Koffer über die Grenze. Welche legalen Mittel hatten die 473 Arbeiterinnen und Arbeiter, um für ihre Zukunft zu sorgen, um das Geld, das ihnen zusteht, sicher zu bekommen? Sich an die neuen Maschinen anketten, wie der Betriebsrat androhte? Die Juristen wissen, welche Gesetze da verletzt würden.

Wo ist nun aber der Zusammenhang zwischen diesen Geschichten? Wie hängt ein Bild mit den anderen zusammen?

Trost für all jene, die ob der nicht gesehenen Zusammenhänge einen Verzweiflungsanfall oder Wutausbruch bekommen:

Man muss sich noch nicht fürchten. Es ist wahrscheinlich erst in 20 Jahren notwendig, als Wohlhabender in Österreich einen elektrischen Zaun zu errichten und eine Privatarmee zu beschäftigen, um seinen Wohlstand zu sichern. Im Moment fürchtet das niemand. Im Moment wird uns durch eine manipulierte öffentliche Darstellung glaubhaft versichert, wir seien auf der richtigen Seite der Festung Europa, wir seien auf der Seite, die berechtigt ist, den Zaun zu errichten.

Wofür sollten wir das Geld wirklich ausgeben, wenn nicht für Zäune, Asylgesetze, Festungen, Privatarmeen und Gefängnisse?

Wir könnten eines Tages zu jenen gehören, die sich ihre Privatpolizei leisten können. Darum tun wir auch nichts gegen ein Asylgesetz, weil es uns scheinbar schützt. Darum tun wir auch nichts gegen GATS und WTO-Abkommen, weil sie scheinbar unseren Wohlstand fördern. Und darum lassen wir auch einen italienischen Milliardärssprössling und Großkapitalisten unter Begleitung von schwarz gekleideten Rechtsanwälten unbehelligt aus dem Land. Er bringt sein Geld nicht im Koffer aus dem Land. Aber was hat das alles miteinander zu tun?

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Erich Gumplmaier (Landessekretär des ÖGB Oberösterreich) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1185292461303 Standpunkt | Wunschkonzert der Bocksgesänge Die Unternehmer klagen. Und klagen. Und klagen.
Die Arbeit ist zu teuer.
Jetzt sollen wir mehr arbeiten. Natürlich ums selbe Geld. Dabei sind sie ja noch großzügig, die Unternehmer. Zumindest versuchen sie uns das einzureden. Sie nehmen uns nichts weg. Nur ein bisserl mehr arbeiten sollen wir halt. Damit die Arbeit wieder ein bisserl billiger wird. Und die Profite ein bisserl steigen tun.

Die Experten sagen ihnen zwar immer, und ganz langsam und deutlich: Das bringt nix! Wer soll denn das Zeugs kaufen, das produziert wird, wenn die - potentiellen - Käufer immer weniger kriegen? In der Sprache der Experten heißt das: »Einen Nachfragemangel kann man nicht durch Kürzung der kaufkräftigen Nachfrage beheben.« (Siehe zum Beispiel Seite 8 dieses Heftes: »Lohnsenkung durch die Hintertür«.)

Der alte Schmäh

Allen logischen Einwänden zum Trotz gehen die Bocksgesänge der Unternehmerseite aber munter weiter. Wenn es nicht die Wochenarbeitszeit als solche ist, dann zumindest ein bisserl weniger Urlaub oder zumindest ein paar Feiertage weniger.

Und wenn sonst nichts mehr geht, kommt wieder der alte Schmäh, dass ein Teil des Arbeitslohnes zu Nebenkosten erklärt wird, die es auf jeden Fall zu senken gilt: die alte Leier von den Lohn-nebenkosten, die uns seit Jahren in den Ohren klingt und die durch die Wiederholung auch nicht glaubwürdiger oder überzeugender wird.

Die Umverteilung geht munter voran

Was die Einkommen betrifft, haben die Arbeitnehmer ein Zehntel weniger als vor fünfzehn Jahren (die bereinigte Lohnquote hat in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich abgenommen).

Was die Steuern betrifft, sind die Arbeitnehmer mehr belastet als je. Die Nettolohnquote ist im Vergleich zur Bruttolohnquote noch stärker gefallen. Das Kapital wird ganz einfach besser behandelt als Arbeit, ein immer kleiner werdender Teil der Gesamteinkommen in Österreich kommt den unselbständig Beschäftigten zugute und ein immer größer werdender Teil den Gewinnen und Erlösen selbständiger Unternehmer und des Kapitals.

Was die Pensionen betrifft, ist man dabei, wieder ein ordentliches Stück abzuschneiden. Detto bei der Gesundheitsversorgung.

Wer bedient sich aus dem Steuertopf?

Wem gibt man, wem nimmt man?

Und wer ist daran interessiert, die Arbeitslosenrate hoch zu halten, eine Reservearmee von arbeitslosen Lohnabhängigen zu haben? Und diejenigen, die noch in Lohn und Brot stehen, mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes zu bedrohen?

Die Dinge sollten beim Namen genannt werden: eine Erpressung ist eine Erpressung. Und die Arbeitslosigkeit hat nichts mit etwaigen überzogenen Einkommensansprüchen der unselbständig Beschäftigten zu tun. Die industrielle -Reservearmee gehört zum System. Vollbeschäftigung hätte für die Unternehmer negative Konsequenzen: Ihre Verhandlungsposition gegenüber den Gewerkschaften wäre geschwächt, und die Entlassung als Disziplinarmaßnahme würde auch ihre abschreckende Wirkung verlieren. Mit einem Wort, die arbeitenden Menschen würden sich weniger gefallen oder bieten lassen.

Appelle an das Gerechtigkeitsgefühl oder etwaige ethische Prinzipien greifen zu kurz. Was zählt, ist was anderes, »weil jeder so viel Recht hat, als er Macht hat«.

F A Z I T

Es ist nicht so, dass wir jetzt sagen müssten:

»Wir stehen selbst enttäuscht und sehnbetroffen
den Vorhang zu und alle Fragen offen ...«

denn dieses oft strapazierte Zitat geht weiter:
»... Der einzige Ausweg aus diesem Ungemach:
Sie selber dächten auf der Stelle nach ...
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!«

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220449 Wir werden nichts unversucht lassen! Arbeit&Wirtschaft: Nachdem die Sozialpartner dieses neue Pensionsreformmodell nicht mehr tragen wollten, macht offensichtlich die Regierung alleine weiter. Kann man das so sagen?

Richard Leutner: Der ÖGB hat ein Pensionskonzept, die Österreich-Pension, vorgelegt. Ich glaube, das ist ein sehr konsequentes und allgemein anerkanntes Konzept, das wir in den Verhandlungen dargestellt haben. In den Verhandlungen hat sich leider herausgestellt, dass die Bundesregierung in wesentlichen Teilen sozial hinter dem ÖGB-Konzept zurückgeblieben ist. Das ist auch das Problem gewesen, das zum Ausstieg des ÖGB geführt hat.

Für uns war vor allem entscheidend, dass es weiterhin Möglichkeiten des vorzeitigen Pensionsantrittes vor 65 und 60 Jahren gibt. Allerdings sind in dem jetzt zu erwartenden Harmonisierungsentwurf voraussichtlich hohe Abschläge vorgesehen, wo für die Menschen bei der Sicherung des Lebensstandards Probleme entstehen werden ...

Arbeit&Wirtschaft: Ist das jetzt, wo die Blauen sagen, sie wollen eine andere Lösung, die Schwerarbeiter …

Richard Leutner: Nein, das ist die normale Anfallsaltersregelung, wo ein Pensionskorridor zwischen 62 und 68 geplant worden ist. Aber da sind die Abschläge für die Menschen bis zu 20 Prozent sehr schnell da. Das ist inakzeptabel für uns gewesen. Der zweite Punkt war, dass vor allem auch Frauen nicht in den Genuss des Pensionskorridors kommen werden. Sie können nicht analog zu den Männern bereits dann mit 57 in Pension gehen, sondern für sie gibt es keinen Korridor. In Wirklichkeit heißt dass, das alle vorzeitigen Pensionsantritte für Frauen abgeschafft werden und für Männer jetzt wieder Möglichkeiten zur vorzeitigen Pensionierung eingeführt werden. Das widerspricht aber der Gleichbehandlung.

Arbeit&Wirtschaft: Aber auch ohne Verlustdeckel, wie wir auch im nebenstehenden Beitrag …

Richard Leutner: Auch ohne Verlustdeckel, das heißt, das war ein weiterer Punkt, dass es zu erwarten ist, dass die Verluste aus der so genannten Pensionssicherungsreform 2003 weiter zu Buche stehen werden. Und nicht ausreichend gemindert wurden. Das war als der dritte Punkt letztendlich der Grund des Scheiterns der Verhandlungen.

Arbeit&Wirtschaft: Also es kommt dabei raus, dass die Leute mit bis zu 20 Prozent Verlusten rechnen müssen.

Richard Leutner: Wenn sie vorzeitig in Pension gehen, ja.

Arbeit&Wirtschaft: Und die Sozialpartner dies überhaupt nicht mittragen wollten.

Richard Leutner: Das wollte der ÖGB nicht mittragen, wie man versteht. Das hat dazu geführt, dass man eigentlich aus unserer Sicht sagen muß, die Harmonisierung ist nicht wirklich erreicht.

Arbeit&Wirtschaft: Für Sozialpartner kann man ÖGB und AK einsetzen?

Richard Leutner: Ja das kann man so sagen.

Arbeit&Wirtschaft: Und wie wird das weitergehen? Was kann man zu diesen Turnübungen der Blauen sagen? Das nimmt irgendwie eh keiner mehr ernst.

Richard Leutner: Für uns wird jetzt sehr entscheidend sein, uns in die politischen Prozesse einzuklinken. Weil die Letztentscheidung und Verantwortung über die Pension muss ja im Parlament getroffen werden. Ich glaube, dass es für uns wichtig ist, noch einmal die Schwerarbeiterregelung besonders zu thematisieren.

Das war auch ein Scheiterungsgrund, weil wir natürlich in unserem Modell, im ÖGB-Modell, gesagt haben, Schwerarbeiter sollen mit 60 beziehungsweise 55 in Pension gehen können, aber ohne Abschläge.

Aber in dem zu erwartenden Entwurf aus unserem jetzigen Wissenstand wird es sicherlich auch für Schwerarbeiter Abschläge geben. Wie hoch die sind, steht allerdings noch nicht fest.

Arbeit&Wirtschaft: Wie stehen also die Chancen für die Arbeitnehmer? Müssen wir warten, bis eine neue Regierung kommt?

Richard Leutner: Ich persönlich glaube, dass das ÖGB-Pensionskonzept ders Österreich-Pension wirklich ein Plan für eine überlegene Vorsorgemethode in der Zukunft ist.

Und wir werden nichts unversucht lassen, dieses Konzept zu verwirklichen und damit eine Zukunft der Alterssicherung zu gewährleisten.

Kollege Leutner, wir danken für das Gespräch.

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Siegfried Sorz http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220433 Nicht genügend! Setzen! Die Regierung zeigte sich auf Druck des ÖGB zwar bereit, die Reform 2003 in Teilen zu entschärfen, teilweise will sie aber die Nachteile der Reform sogar noch deutlich verstärken.

Die geplanten zusätzlichen Abschläge bei der vorzeitigen Alterspension und auch bei Schwerarbeitspensionen sowie die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Pensionskorridor waren laut Richard Leutner, leitender Sekretär des ÖGB, die wesentlichen Gründe, warum es zu keinem sozialpartnerschaftlichen Konsens über die Pensionsreform gekommen ist.

Die folgenden Ausführungen basieren auf der von der Bundesregierung vorgelegten Punktation, auf deren Grundlage bis Ende August ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden soll.

Frauen und Arbeiter wurden von Regierungsseite immer wieder als Gewinner der Reform bezeichnet. Tatsächlich gewinnen diese Gruppen - wenn überhaupt - aber nur unter sehr realitätsfernen Bedingungen.

Frauen mit Kindern

Frauen mit Kindern sind durch die - auf Druck des ÖGB zugestandene - bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten nicht automatisch Gewinnerinnen der Pensionsreform und sind schon gar nicht besser gestellt als im bisherigen Recht. Die Kindererziehung führt ja nicht nur für die Zeit der Berufsunterbrechung zu einem Einkommensverlust.

Ersatzzeiten für Kindererziehung sollen zwar künftig mit dem Medianeinkommen der Frauen in der Höhe von 1350 Euro bewertet werden, doch reicht diese Maßnahme entgegen der Propaganda der Regierung bei sehr vielen Frauen nicht aus, die Verluste durch die Pensionsreform szu kompensieren. Fast 60 Prozent der Frauen arbeiten nach ihrer Rückkehr ins Berufsleben nicht mehr Vollzeit, sondern Teilzeit. Längere Phasen mit Teilzeitarbeit fielen beim früheren Durchrechnungszeitraum von 15 Jahren nicht so sehr ins Gewicht, bei lebenslanger Durchrechnung kommt es zu massiven Verlusten, wenn entsprechende Ausgleichsmaßnahmen unterbleiben. Im ÖGB-Modell ist deshalb auch eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten für sieben Jahre pro Kind vorgesehen. Die ersten beiden Jahre werden mit dem Medianeinkommen der Männer und Frauen (rund 1700 EUR) bewertet, das dritte und vierte Jahr mit 66% und das fünfte bis zum siebenten Jahr mit 33% davon.

Außerdem gilt diese höhere Bewertung nur für die nach dem Neurecht berechnete Pension. Frauen, die jetzt oder in den nächsten Jahren in Pension gehen, haben daher gar nichts von dieser Maßnahme. Aber auch jene Frauen, deren Pension bereits zu einem Gutteil nach dem neuen Recht errechnet wird, werden zumeist deutliche Verluste hinnehmen müssen.

Die Arbeiterin Hilde K.

Zwei realistische Beispiele, je ein Fallbeispiel für eine Arbeiterin und eine gleich alte Angestellte sollen belegen, dass die in der Regierungspunktation vorgesehenen Änderungen trotz der besseren Anrechung der Ersatzzeiten für Kindererziehung nicht zu einer besseren Pension führt. Hier hätte es weiterer Ausgleichsmaßnahmen bedurft, um Verluste zu vermeiden.

Die Arbeiterin Hilde K. ist 1971 geboren. Sie arbeitet seit ihrem 15. Lebensjahr, bekommt mit 23 Jahren ein Kind und unterbricht ihren Beruf für drei Jahre. Derzeit arbeitet sie Teilzeit und plant in fünf Jahren wieder voll zu arbeiten (für die Zukunft wurde ein für Arbeiterinnen durchaus typischer Einkommensverlauf angenommen). Wenn sie im Jahr 2033, nach 47 Versicherungsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen möchte, hätte sie nach der bis 31. 12. 2003 gültigen Rechtslage auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse 848 Euro Pension bekommen. Da Frau K. unter 55 Jahre alt ist, wird ihre Pension nach der so genannten Parallelrechnung berechnet werden. Die bisher erworbenen Zeiten werden nach dem alten System berechnet, die zukünftigen Zeiten nach dem neuen System. Nach dieser Berechnung werden ihr nur mehr 722 Euro Pension bleiben, was ein Minus von rund 15 Prozent ergibt. Diese Verluste ergeben sich aus der 12-jährigen Teilzeitphase und der Tatsache, dass sie mit 62 Jahren in Pension gehen will, was aufgrund der nunmehr vorgesehenen zusätzlichen Abschläge hohe Verluste bedeutet.

Die Angestellte Barbara S.

Die gleich alte Angestellte Barbara S. hat mit 19 Jahren begonnen zu arbeiten. Sie hat zwei Kinder, ihren Beruf deswegen vier Jahre unterbrochen und arbeitet jetzt Teilzeit. Mit etwa 40 Jahren will sie wieder voll arbeiten. Auch sie möchte im Jahr 2033 mit 43 Versicherungsjahren in Pension gehen (Auch hier wurde für die Zukunft ein für Angestellte plausibler Einkommensverlauf angenommen). Sie wird noch mehr verlieren als die Arbeiterin Hilde K. Nach der alten Rechtslage hätte Frau S., wieder auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse, 1349 Euro Pension bekommen, sie wird im Jahr 2033 nur mehr auf 1105 Euro Pension oder auf einen Verlust von 18 Prozent kommen. Bei ihr wirkt sich das geringe Einkommen während der Teilzeitphase und der damit verbundene Karrierenachteil noch stärker aus, da ihre Einkommenskurve nicht so flach ist wie die von Frau K. und sich der längere Durchrechnungszeitraum daher negativer auswirkt.

Die Beispiele zeigen, dass die höhere Bewertung der Kindererziehungszeiten keineswegs dazu führt, dass Frauen zu den Gewinnern dieser Reform zählen. Im Gegenteil sind diese in der Regel zu gering, um die Durchrechnungsverluste auch nur annähernd auszugleichen.

Auch beim Pensionsantrittsalter werden Frauen benachteiligt. Das Regelpensionsalter von Frauen beträgt 60 Jahre und steigt erst von 2024 in Halbjahresschritten bis 2033 auf 65 Jahre an. Bis zum Jahr 2023 ist das so genannte Regelpensionsalter also für Frauen 60 und für Männer 65 Jahre. Die Regierung plant nun zur Schaffung von »Wahlmöglichkeiten« für Männer und Frauen einen Pensionskorridor ab 62 zu eröffnen. Das bedeutet im Ergebnis, dass für Männer nun doch wieder eine Art vorzeitige Alterspension eingeführt wird (allerdings mit zusätzlichen Abschlägen), für Frauen aber die Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen beibehalten wird.

Arbeiter

Auch die Arbeiter, die angeblich durch die Pensionsreform gewinnen, verlieren durch die von der Regierung vorgesehene Form der Parallelrechnung, also dem Mischsystem von deutlich abgewerteten bisher erworbenen Zeiten und zukünftigen Zeiten im neuen System besonders viel. Eigentlich müssten Arbeiter durch die typisch flachen Erwerbskarrieren von der Reform profitieren, weil im neuen Recht - dem ÖGB-Modell folgend - zurückliegende Zeiten fair aufgewertet werden sollen. (Noch in der Pensionsreform 2003 wollte die Regierung von einer fairen Aufwertung nichts wissen!) Für sie wirken sich aber die von der Regierung geplante Bewertung von Arbeitslosenzeiten mit 70 Prozent der Bemessungsgrundlage und die in der Punktation vorgesehenen Zusatzabschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt besonders negativ aus.

Der Bauarbeiter Kurt W.

Wieder ein konkretes Beispiel dazu: Die Verluste des 1941 geborenen Bauarbeiters Kurt W., der am 1. Juni 2004 nach 47 Versicherungsjahren mit 62 Jahren in Pension gegangen ist, werden durch die letztlich von der Regierung zugestandene Absenkung des Verlustdeckels auf anfangs fünf Prozent abgefedert. Die Deckelung soll nun für das Jahr 2004 fünf Prozent betragen und dann jedes Jahr um ein Viertelprozent ansteigen, bis 2024 wieder der ursprünglich geplante Zehn-Prozent-Deckel erreicht ist. Zu beachten ist aber, dass im Gegensatz zum ursprünglichen Zehn-Prozent-Verlustdeckel Abschlagsverluste hiervon nicht mehr oder nur mehr teilweise erfasst sein sollen. Diese führen daher zu zusätzlichen Kürzungen, so dass die Verluste in wenigen Jahren in Summe weit über zehn Prozent liegen werden.

Kein Verlustdeckel

Dieser Verlustdeckel bezieht sich außerdem nur auf die durch die Pensionsreform bewirkten Verluste bei der Altrechtspension, die Verluste bei der Pension nach dem Neurecht sind hingegen nicht gedeckelt.

Herr W. hat mit 15 Jahren begonnen zu arbeiten, hat das Bundesheer abgeleistet und war vom 19. bis zum 45. Lebensjahr jedes Jahr saisonbedingt drei Monate arbeitslos und erst ab 1986 bis zu seinem Pensionsantritt durchgehend beschäftigt.

Im alten Recht hätte er 1429 Euro Pension erhalten, jetzt erhält er wegen der Beharrlichkeit der Verhandler von ÖGB und AK 1358 Euro, immerhin mehr als die ursprünglich geplanten 1286 Euro, die er bei einer Deckelung von zehn Prozent erhalten hätte.

Wenn er elf Jahre jünger wäre und erst im Jahr 2015 in Pension gehen würde, würde er auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse nur 1183 Euro Pension erhalten, was einen Verlust von 17,2 Prozent ausmacht. Dieser hohe Verlust entsteht durch die Zusatzabschläge von 4,2 Prozent pro Jahr vorzeitigem Pensionsantritt die zu der Deckelung von 7,75 Prozent im Jahr 2015 noch dazu kommen.

Grobe Schönheitsfehler

Doch auch abgesehen von diesen »Gewinnern« der Pensionsreform hat diese mehr als grobe Schönheitsfehler.

Besonderer Zankapfel ist derzeit die Regelung für Schwerarbeiter, die 2006 kommen soll. Es muss aber noch definiert werden, was Schwerarbeit überhaupt ist, das heißt es müssen Tätigkeitsmerkmale für diese Art von Arbeit gefunden werden. Dass die Regierung trotzdem jetzt schon weiß, dass nur fünf Prozent aller Arbeitnehmer unter diese Regelung fallen werden, zeugt von prophetischer Gabe bzw. vom Bestreben, möglichst viele Arbeitnehmer davon auszuschließen.

Sehr umstritten sind die Abschläge, die nach Meinung der Regierung auch bei Schwerarbeitspensionen anfallen sollen. Bei zumindest 20 Jahren Schwerarbeit soll es möglich sein, fünf Jahre früher in Pension zu gehen. Männer können dann frühestens im Alter von 60 Jahren mit 45 Versicherungsjahren, Frauen mit 55 Jahren und 40 Versicherungsjahren in Frühpension gehen.

Allerdings soll es dann ebenfalls zusätzlich zu den mit fünf bis zehn Prozent gedeckelten Verlusten Abschläge von bis zu 15 Prozent geben (drei Prozent pro Jahr). Gegen diese Pläne gibt es sogar innerhalb der Regierung Widerstände. Vertreter der FPÖ sowie einige Arbeitnehmervertreter der ÖVP haben angekündigt, dass sie diesen Plänen nicht zustimmen werden. Ähnliche Ankündigungen sind allerdings bereits bei der Pensionsreform 2003 weitgehend ohne Konsequenzen geblieben.

Akademiker

Ganz sicher keine Gewinner sind auch Akademiker. Für sie ist es durch den späten Arbeitsbeginn im jetzigen System nicht möglich, bei einem Antrittsalter von 65 Jahren auf 45 Versicherungsjahre zu kommen. Außerdem schadet ihnen der lange Durchrechnungszeitraum, da ihre Gehälter üblicherweise im Laufe der Zeit stark ansteigen.

Überprüft man dann noch die allgemeinen Aussagen der Regierung wie gleiche Leistungen für gleiche Beträge in allen Systemen, muss man erkennen, dass sich diese nur in den Werbeaussendungen der Regierung finden. Es gibt zwar auf dem Papier einen einheitlichen Beitragssatz für Angestellte, Bauern und Selbständige von 22,8 Prozent, doch Bauern erbringen nur 15 Prozent (statt bisher 14,5 Prozent) und Unternehmer 17,5 Prozent (statt bisher 15 Prozent) Eigenleistung, die Differenz bezahlt der Bund. Diese höheren Prozentsätze werden überdies bei den Bauern erst 2008 und bei den Selbständigen erst 2016 erreicht. Von gleichen Beiträgen für gleiche Leistungen ab 1. 1. 2005, wie von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel behauptet, kann keine Rede sein. Vielmehr zahlen unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Beiträge und erhalten durch staatliche Zuschüsse die gleiche Leistung, was einen eindeutigen Rückschritt bedeutet.

Landes- und Gemeindebedienstete

Auch die immer wieder wiederholte Aussage des harmonisierten, also gleichen, Pensionssystems für alle Berufsgruppen stellt sich als falsch heraus. Landes- und Gemeindebedienstete sind von der Reform nicht betroffen. Auch freie Berufe wie Notare und Rechtsanwälte werden nach dem derzeitigen Informationsstand von der Reform nicht betroffen sein.

Selbst die Bundesbeamten waren zum Zeitpunkt der Vorlage der Regierungspunktation zur »Harmonisierung« noch nicht mit an Bord. Laut Bundeskanzler stehen die Verhandlungen mit den Beamten erst bevor. Die Verhandlungen mit ihnen beginnen erst Ende August. Das hindert ihn allerdings nicht daran zu verlautbaren, dass er keine Änderungen zu den »Reformvorschlägen« zum ASVG mehr akzeptieren werde. Als Ausgleich zu den zukünftig geringeren Pensionen fordern die Beamten ein neues Besoldungsrecht mit höheren Anfangsgehältern und einem insgesamt höheren Aktiveinkommen.

 F A Z I T

Zusammenfassend kann man sagen:
Das Regierungskonzept zur Pensionsharmonisierung beinhaltet weder ein einheitliches Pensionssystem für alle noch gleiche Beiträge für alle (es gibt Zuschüsse für Bauern und Selbständige). Wer den Pensionskorridor oder die angekündigte Schwerarbeitsregelung nützen kann und will, muss mit massiven zusätzlichen Abschlägen rechnen. Für Frauen ist überhaupt kein »Korridor« vorgesehen. Die Regierung beharrte auf diesen Punkten und hat damit eine Einigung auf eine zukunftsweisende, faire Pensionsreform unmöglich gemacht.

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Doris Hecht-Aichholzer (Freie Journalistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220427 Vier Jahre schwarz-blaue Sozialpolitik - Ein Schaustück in zwei Akten Einleitend ist wichtig, auf die »günstigen Rahmenbedingungen« für die Politikgestaltung der ÖVP-FPÖ-Regierung ab 2000 hinzuweisen.

Im europäischen Kontext der Maastricht-Kriterien und des Wirtschafts- und Stabilitätspakts wurde das Ziel der österreichischen Regierung, ein Nulldefizit anzustreben, in Brüssel begrüßt, es lagen somit ideologisch höchst willkommene Argumente vor, um Kürzungspolitik und Gürtel-enger-Schnallen als »europäisch« darstellen zu können.

Umverteilung

Denn in Wirklichkeit ist es nicht vorrangig ums Sparen gegangen, sondern immer wieder ganz klar um Umverteilungspolitik hin zur Regierungsklientel: Wurden auf der einen Seite Sozialleistungen gekürzt, wurden auf der anderen Seite Leistungen (Familien, Selbständige) ausgedehnt.

Die Regierungsübernahme erfolgte in einer Zeit günstiger Beschäftigung- und Wirtschaftslage. Dem Wirtschaftsabschwung ab 2001 konnte und wollte die Regierung nicht steuernd entgegentreten. Die Folge Rekordarbeitslosigkeit wurde nicht nur hingenommen, sondern durch die selbst zu verantwortende Erhöhung des Arbeitskräftepotentials verschärft.

Unter dem Motto »Speed kills« setzte die neue Bundesregierung sehr schnell nach Amtsantritt mehrere einschneidende Maßnahmen.

Erster Akt: 2000-2002
Vorrang für Wirtschaftsinteressen 1) Stopp den Rechten von Arbeitnehmern

Schon die Neuordnung der Ministerien - die Zusammenlegung der Ressorts von Arbeit und Wirtschaft, bisher mit Absicht nicht gemeinsam verwaltet - und die Entkoppelung des Sozialressorts von Arbeitsweltbelangen, ließen erkennen, welch ideologischer Hintergrund hinter diesem Ansinnen stand. So erklärte sich Minister Bartenstein selbst zum Standortminister: Standorterhalt und nicht Arbeitnehmerinteressen sind wichtig. Auf eine eigene Frauenministerin wurde verzichtet. Die nebenzuständige Frauenministerin Maria Rauch-Kallat2) brachte außer Lob jeglicher Regierungsaktivitäten keine einzige Initiative zu gleichstellungsrelevanten Themen zustande.

Im ersten Gesetzeswerk der neuen Regierung wurde ihr Politikstil unmittelbar spürbar. Obwohl es sich um Kernmaterien des Arbeitsrechts handelte, wurden ÖGB und AK nicht zu Sozialpartnergesprächen eingeladen.

Das ARÄG (Arbeitsrechts-Änderungsgesetz) wurde als Umsetzung der langjährigen Forderung des ÖGB nach arbeitsrechtlicher Gleichbehandlung von ArbeiterInnen und Angestellten dargestellt. Tatsächlich wurden bloß die Entgeltfortzahlungsfristen angeglichen3). Seither kein Wort mehr über weitere Anpassungen.

Die kleine Rechtsangleichung aber wurde der Wirtschaft versüßt: Klare Verschlechterungen brachten die Einführung der Urlaubsaliquotierung, die Abschaffung des Postensuchtages bei Selbstkündigung, die Auflösung des Entgeltfortzahlungsfonds, die Beseitigung des Hausbesorgergesetzes. Schwerwiegende Folgen zeigen sich etwa nach der Abschaffung des Entgeltfortzahlungsfonds: Kranke Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in KMUs werden vermehrt gekündigt. Ohne Rückerstattung müssen Einzelunternehmen die Krankenstandskosten tragen, was sich viele nicht leisten können oder wollen.

Keine soziale Realität

Die Etablierung eines Rechts, todkranke Angehörige über eine Karenzierung vom Arbeitsverhältnis begleiten (in Kraft seit 1. 7. 2002) zu können (Familienhospizkarenz), ist ein richtiger und menschlicher Ansatz. Aber er kennt bezeichnenderweise keine soziale Realität: Menschen mit geringem Einkommen können sich die unbezahlte Karenz nicht leisten.

EU-Vorgaben entsprechend wurde das Frauennachtarbeitsverbot aufgehoben und eine geschlechtsneutrale Nachtarbeitsregelung wurde Gesetz. Auch hier das gleiche Bild: die Forderungen nach Begleitmaßnahmen zur gesundheitsschädlichen Nachtarbeit wurden nicht erfüllt. Ausschließlich den Wirtschaftsinteressen wurde nachgekommen.

Die Pensionsreform des Jahres 2000 mutet aus heutiger Sicht wie ein Testballon4) für die nachfolgende Pensionsreform 2003 an. Ihr Inhalt: die Anhebung des Pensionszutrittsalters um eineinhalb Jahre, Abschlagserhöhung bei Pensionsantritt vor 60/65, Witwen/Witwerpensionskürzung, sofortige Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit.

Beweggrund für die überfallsartige Pensionsreform 2000 war die Kürzung der Budgetzuschüsse zu den Pensionen, um das Hauptziel der Regierung - das Nulldefizit - leichter erreichen zu können. Dass es der Regierung nicht darum gegangen ist, auf sozial verträgliche Weise einen längeren Verbleib im Erwerbsleben anzustoßen, ist daran ersichtlich, dass die wenigen beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Begleitmaßnahmen5) der Situation unangemessen waren. Besonders deutlich wird dies an den Folgen der Abschaffung der vorzeitigen Alters-pension wegen geminderter Erwerbsfähigkeit. Auf diese Pensionsart waren fast ausschließlich schlecht qualifizierte Hilfsarbeiter mit Gesundheitsproblemen angewiesen. Viele dieser ohnehin schwer belasteten Gruppe warten nun 4,5 Jahre länger auf die Pension.

Provokationen

Die Langzeitbetrachtung der Folgen der Pensionsreform 2000 belegt: die Stabilisierung der Beschäftigung konnte nur unter enormen Mitteleinsatz der Arbeitslosenversicherung (Altersteilzeit!) erreicht werden. Die Arbeitslosigkeit Älterer ist deutlich angestiegen. Die Pensionsreform 2000 ist zu einem Gutteil für das rasante Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit verantwortlich.

Als provokativ wird von vielen ASVG-Versicherten die Ausdehnung der Vorruhestandsregelungen für Beamte ab 55 empfunden. Hinter diesen Golden-Handshake-Regelungen steckt wiederum das Budgetkonsolidierungsziel. Zur Erreichung der Zielgrößen beim Personalabbau im öffentlichen Dienst bedarf es großangelegter Frühpensionierungen, die immer noch billiger scheinen als die Weiterbeschäftigung der Betroffenen.

Die Einlösung von Wahlversprechen, endlich »treffsichere Sozialpolitik zu realisieren und gegen vermeintlichen Missbrauch von Sozialleistungen aufzutreten, sollte im Rahmen des »Treffsicherheitspakets« der Bundesregierung gelingen.

Dabei ist die ideologische Zielsetzung besonders beachtenswert: Unfinanzierbarkeit, Treffsicherheit und Missbrauch werden in eine Zusammenhangskette gestellt: Würden nur diejenigen Leistungen erhalten, »die sie wirklich brauchen«, wären die Finanzierungsprobleme verschwunden - so die jahrzehntelang getrommelte Sozialstaatssicht.

Sozialstaat am Scheideweg

Dabei steht der Sozialstaat tatsächlich am Scheideweg. Soll die Absicherung individueller Risiken solidarisch getragen werden? Ist es die Aufgabe des Sozialstaats, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit herzustellen? Wenn ja, dann braucht es einen starken Sozialstaat, der umverteilt, der alle solidarisch in Rechte und Pflichten einbezieht. Oder sollen nur die Ärmsten vom Staat unterstützt werden? Sollen und können Menschen eigenverantwortlich für ihre soziale Sicherheit sorgen? Wenn ja, dann ist die Aufgabe des Staates, Anti-Armutspolitik zu machen und für ein Mindestmaß an gleichen Startchancen zu sorgen, sich darüber hinaus aber nicht in die sozialen Belange der Gesellschaft einzumischen.

Die Treffsicherheits-Gruppe der Regierung kam zum Schluss, dass neben Über- auch Unterversorgung vorliegt. Die Regierung reagierte darauf mit Kürzungen in deutlich höherem Ausmaß als angekündigt6). Die Besteuerung der Unfallrenten, die Einschränkung der beitragsfreien Mitversicherung in der Krankenversicherung, die Kürzung der Familienzuschläge bei Arbeitslosigkeit, Verschlechterungen beim Bezug von Arbeitslosenleistungen sowie die Einführung von Studiengebühren sind die zentralen Elemente des Treffsicherheitspakets.

Treffsicher

Die Folgen dieser Maßnahmen wurden heftig kritisiert. Besonders Arbeitslose mit Familie mussten bei ohnehin geringem Arbeitslosengeld empfindliche Schmälerungen der Existenzsicherung hinnehmen.

Ein bezeichnendes Schicksal hat die Besteuerung der Unfallrenten erlitten. Aufgrund massiver Proteste von UnfallrentnerInnen war bald klar, dass von Überversorgung wohl keine Rede sein kann. So sah sich die Regierung gezwungen, für Härtefälle eine Härteklausel vorzusehen, die eine Rückerstattung bereits einbehaltener Steuer vorsah. Neu zuerkannte Unfallrenten sollten aber wieder voll besteuert werden. Dann hat der Verfassungsgerichtshof die Unfallrentenbesteuerung für 2001 und 2002 als verfassungswidrig aufgehoben: es ist keine Besteuerung vorzunehmen. 2003 wiederum lebte die Unfallrentenbesteuerung für ein Jahr wieder voll auf, um schließlich 2004 nicht mehr zur Anwendung zu kommen.

Die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes 2002 bezeichnet die Regierung selbst gerne als familienpolitischen Meilenstein. Das Karenzgeld, das bisher nur erwerbstätigen Eltern zustand, wurde durch ein Erziehungsgeld für alle Familien mit Kleinkindern ersetzt. Arbeitnehmerinnen erhalten kaum mehr Geld als bisher. Hausfrauen, Studierende und Selbständige7) erhalten neu eine Geldleistung. Dass die Regierung mit der Neuregelung nicht eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie für erwerbstätige Eltern beabsichtigte, ist daran ersichtlich, dass die Dauer des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld ungleich der Länge der Karenzzeit vom Arbeitsverhältnis ist. Zwar dürfen alle während des Kindergeldbezuges nun dazuverdienen, was aber in der Regel mit dem Verlust des Kündigungsschutzes verbunden ist.

Kindergärten?

Das Kinderbetreuungsgeld ist sehr teuer und manövrierte den Financier FLAF schon 2003 in die roten Zahlen. Keine Finanzmittel gibt es daher für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen oder die Ausweitung der Wiedereinstiegshilfen. Nach zweijähriger Erfahrung mit dem Kinderbetreuungsgeld wissen wir: zwar nimmt der überwiegende Teil der Mütter Kinderbetreuungsgeld in voller Länge in Anspruch - auch weil geeignete Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen -, die Rückkehr in die Arbeitswelt ist aber deutlich schwerer geworden. Die Arbeitslosigkeit von Wiedereinstiegerinnen ist deutlich gestiegen8).

Die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung ließ derartige Bemühungen schmerzlich vermissen. Angetreten in einer günstigen Arbeitsmarktsituation hat die Regierung ein aktives Gegensteuern gegen die sich verschlechternde Beschäftigungslage unterlassen und aus eigener Kraft zur Verschärfung beigetragen. Auf der einen Seite wurden dem AMS stetig Mittel fürs Budget entzogen, auf der anderen Seite wurde durch die Pensionsreform 2000 und die Ausweitung der Saisonierkontingente das Arbeitskräftepotential deutlich ausgeweitet. Die Folge war eine seither stetig steigende Arbeitslosigkeit auf ein bisher unbekanntes Rekordniveau.

Größte Lehrstellenkrise

Besonders negative Auswirkungen zeitigte diese Politik auf die Arbeitsmarktlage Jugendlicher. Auf die sich verschlechternde Lehrstellensituation wurde nur zögerlich mit der Aufstockung der Plätze im Auffangnetz für lehrstellensuchende Jugendliche reagiert: Jahr für Jahr war die Zahl der Plätze unterdimensioniert. Mit Hilfe der neuen Lehrausbildungsprämie für Unternehmen, einer leichteren Auflösbarkeit von Lehrverträgen und einer Lohnnebenkostensenkung für Lehrlinge wurden 2002 neue Versuche zur Verbesserung der Lehrstellensituation gestartet. Erfolge dieser wirtschaftsfreundlichen Regelungen sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil: im Jahr 2004 befinden wir uns in der größten Lehrstellenkrise seit Jahrzehnten.

Mit der Einladung an ÖGB und AK, an Sozialpartnergesprächen zur Neuregelung der Abfertigung sowie des Arbeitnehmerschutzes teilzunehmen, wurde die aktive Mitwirkung nach zweijähriger Blockade wieder angefragt. Die »heiße Kartoffel« Abfertigung wurde überhaupt zur Erarbeitung an die Sozialpartner delegiert, die Sozialpartnereinigung schließlich von der Regierung großteils übernommen.

Dass vom Ziel, den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen, nicht abgegangen wurde, wurde evident, als die Regierung die Zusammensetzung der Führungsgremien im Hauptverband der Sozialversicherungsträger gesetzlich änderte (»Lex Sallmutter«).

Österreichs Gewerkschaften haben eine lange Tradition maßgeblicher Mitwirkung bei der Verwaltung der Sozialversicherung.

Weil eine regierungsparteienkonforme Einflussnahme mit Hilfe der bislang bestehenden Beschickungsregelungen nicht zu erreichen war, hat die Regierung 2001 den Hauptverband im Sinne eines Aufsichtsratsmodells mit klarer Entmachtung der ArbeitnehmerInnenvertretungen restrukturiert9).

Gesundheitspolitk

Kritik an der Gesundheitspolitik der Bundesregierung entzündete sich vor allem an der Einführung neuer Selbstbehalte (z. B. Ambulanzgebühr 2001).

Die Ambulanzgebühr erlebte ein der Unfallrentenbesteuerung nicht unähnliches Schicksal. Nach mehrmaliger Abänderung wegen dauernder Kritik wurde die Ambulanzgebühr vom VfGH aufgehoben.

Dass für Selbständige die Mindestbeitragsgrundlage zur Krankenversicherung ab 2003 deutlich herabgesetzt und ihre Versehrtenrente deutlich angehoben wurde, muss erneut in die Rubrik Klientelpolitik eingeordnet werden. Der Arbeitgeberbeitrag zur KV der Arbeiter wurde mit 2003 abgesenkt.

Dazu wurden Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung nach Unfällen in KMUs beschlossen. Diese Regelung kann als indirekter Reparaturversuch nach der Abschaffung des EFZG-Fonds verstanden werden.

Die Verbesserungen für Selbständige und Unternehmen bei den Krankenversicherungsbeiträgen sind unausgewogen und angesichts der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung wirklich unverständlich.

Zweiter Akt: 2003-2004
Am Kurs festhalten - Ständige Reparatur von Härten durch Almosengabe

Angesichts einer sich dramatisch verschlechternden Wirtschaftslage nahm die Regierung Schüssel II im Regierungsprogramm Abstand vom Nulldefizit. Jedoch sollte die Abgabenquote bis 2006 gesenkt und das Budgetdefizit auf konstantem Niveau gehalten werden. Dies bedeutet im Wesentlichen die Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses, weiterhin geprägt von einer markanten Ungleichverteilung von Lasten und Begünstigungen.

Zum zentralen Thema der Jahre 2003/2004 hat sich zweifellos die Pension entwickelt. Um die Pensionsreform 2003 ist eine der wichtigsten politischen Auseinandersetzungen in der 2. Republik entstanden.
Die wesentlichen Inhalte der Reform sind den meisten Interessierten noch in bester Erinnerung: Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen, umfangreiche Kürzung der Pensionshöhe, usw.

Wären die Regierungspläne nach dem Begutachtungsentwurf umgesetzt worden, hätte dies Pensionskürzungen für Junge bis zu 50 Prozent im Vergleich zu heute bedeutet. Eine lebensstandardsichernde Alterssicherung aus der öffentlichen Pensionsversicherung wäre damit abgeschafft gewesen.

Streik

Nachdem die Kritik von ÖGB und AK an den Regierungsabsichten ohne Reaktion blieb, war es unumgänglich, das Nein der ArbeitnehmerInnen drastisch zum Ausdruck zu bringen. Der massive Widerstand über Großdemonstration und Streik erreichte schließlich eine deutliche Abmilderung der Härten der Reform. Ein Verlustdeckel von 10 Prozent soll die Pensionseinbußen begrenzen, ein Härtefonds allzu große Härten (zumindest im ersten Jahr) abfedern.

ÖGB und AK lehnen trotz dieses erreichten Erfolge die Pensionsreform als unzumutbare Verschlechterung ab. Der politische Druck führte später zu Verhandlungen über die Harmonisierung der Pensionen, bei der ÖGB und AK im Unterschied zu vorangegangenen Regierungsprojekten eine entscheidende Rolle spielten. Die Verhandlungen sind auf gutem Weg letztlich doch an überzogenen Forderungen der Regierung (übergebührliche Abschlagserhöhung bei Pensionsantritt vor 65, kein Pensionskorridor für Frauen etc.) gescheitert.

Arbeitsmarktpolitische Begleitmaßnahmen zur Pensionsreform wurden anlässlich der Verschärfung der Situation nicht breit ausgeweitet, sondern im Gegenteil deutlich eingeschränkt. Altersteilzeit wird faktisch abgeschafft. Der schwache Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wurde weiter beschnitten. Über die Senkung der Lohnnebenkosten für Ältere wird eine Umverteilungsaktion zugunsten von Arbeitgebern eingeleitet, wobei nennenswerte Beschäftigungseffekte nicht zu erwarten sind.

Große Empörung entstand im Jänner 2004, als erstmals für hunderttausende Pensionistinnen und Pensionisten echte Nettopensionsverluste spürbar wurden. Der Vergleich der ÖVP-Abgeordneten Silvia Fuhrmann, dass es sich ohnehin nur um den Wert von zwei Wurstsemmeln drehen würde, war Öl ins Feuer des öffentlichen Protests. Die Regierung musste unter Druck schließlich nachbessern: alle Pensionen unter 780 monatlich erhalten 2004 einen Ausgleich. Mit Juli 2003 wurden die Ladenöffnungszeiten nach mehreren Fehlversuchen ausgeweitet. Damit engst verbunden sind weitere Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen von Handelsangestellten10). Kopfschütteln erzeugt dabei der Umstand, dass trotz Gesprächsbereitschaft der Gewerkschaften keine Bereitschaft bestand, die Interessen der Handelsangestellten zu berücksichtigen. Eine WIFO-Studie11) belegt, dass atypische Beschäftigung und sinkende Einkommen im Handel normal geworden sind.

Mit 2005 wird mit der Einführung eines generellen Selbstbehalts in der Krankenversicherung ein weiterer Schritt in Richtung Krankensteuer gesetzt. Positiv ist 2004 die Angleichung der Beitragssätze in der KV für Arbeiter und Angestellte.

Familienfreundlich

Eine sehr alte Forderung von ÖGB und AK ist eine verbesserte Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch ein Recht auf Elternteilzeit. Ab Juli 2004 wird diesem Anliegen nun immerhin zum Teil Rechnung getragen: Weil dieses Recht aber nur für Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten und nach dreijähriger Beschäftigungsdauer durchsetzbar ist, bleibt die Mehrzahl der erwerbstätigen Eltern von dieser familienfreundlichen Regelung ausgeschlossen. Die Erhöhung der Familienbeihilfe ab 2003 setzt die geldleistungsorientierte Familienpolitik der Regierung fort.

In der vorangegangenen Legislaturperiode war die Regierung mit ihrem Wunsch nach Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung nicht durchgekommen. Basierend auf einem Sozialpartnerkompromiss löst ab 2005 künftig ein Entgeltschutz den aktuell schwachen Berufsschutz ab. Zwar waren die ursprünglichen Reformpläne wesentlich drastischer, der Druck auf Arbeitsuchende wird dennoch weiter steigen. Die angekündigte Einbeziehung selbständig Erwerbstätiger in die Arbeitslosenversicherung, ein wichtiger Schritt der sozialen Sicherheit für viele atypisch Beschäftigte, kommt nun nicht.

1) 1999 hat die Wirtschaftskammer ihr Forderungsprogramm an die Bundesregierung »Besser wirtschaften - Die Zukunft gestalten Check-List« vorgelegt. Dies wird nun Punkt für Punkt im Sozialbereich umgesetzt.

2) Desgleichen ihr Vorgänger Herbert Haupt

3) Andere Gleichstellungsschritte (Kündigungsfristen, Dienstfreistellungsgründe) sind bis heute unterblieben.

4) Auch wenn Bundeskanzler Schüssel noch vor den Wahlen versprach, keine weiteren Pensionsreformen vorzunehmen.

5) Altersteilzeit im Blockmodell ist die einzige Maßnahme, die umfassende Inanspruchnahme erreichte.

6) Aus im Regierungsübereinkommen angekündigten Kürzungen in der Höhe von drei Milliarden ÖS wurde schließlich eine sieben Milliarden ÖS schwere Budgeteinsparung.

7) Selbständige erhielten vorher eine Karenzgeldleistung in halber Höhe.

8) Siehe WIFO Studie »Wiedereinstieg und Beschäftigung von Frauen mit Kleinkindern«, Februar 2004

9) Die Regelung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben, an einem »Hauptverband neu« wird gearbeitet.

10) Nicht einmal die von der GPA durchgesetzte Schwarz-Weiß-Regelung (auf Samstag in Beschäftigung folgt arbeitsfreier Samstag) wird überleben.

11) WIFO-Studie: »Beschäftigung im Handel«, Mai 2004

 F A Z I T

Im Unterschied zur ersten Regierungsperiode der ÖVP-FPÖ Koalition musste die Regierung bei vielen unsozialen Regelungen aufgrund des großen Widerstands nachbessern. Sie tat dies vielfach in Form von Härteregelungen und Härtefonds, die klarlegen, dass es sich nur um Almosen und nicht um Rechtsansprüche handelt. Die Arbeitnehmerseite erkämpfte sich wieder einen bedeutenden Status im politischen Geschehen, an dem die Regierung nicht länger vorbeikann. An der Absicht der Regierung, Arbeitnehmerrechte zugunsten von »Mehr privat - weniger Staat« und einer »freieren« Marktwirtschaft zu beschneiden, ist aber keine Änderung ersichtlich.

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Gabriele Schmid (Mitarbeiterin der Abteilung Sozialpolitk http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220314 Gesetzlicher Mindestlohn, Fluch oder Segen? DGB-Chef Michael Sommer warnt angesichts sinkender Löhne im Rahmen der Diskussionen um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Deutschland vor allem davor, dass das »Bundesdeutsche Einkommensniveau auf breiter Front, vor allem für einfache Arbeiten nach unten ins Rutschen kommt«. »Wir kriegen, wenn es so weiter geht, Armutslöhne für 6,3 Millionen Menschen, die heute schon für geringe Einkommen arbeiten und müssen dagegen etwas tun!«, so DGB-Chef Sommer.

Die Meinungen darüber, was man tun sollte, gehen allerdings in Deutschland auseinander. In der Politik und im DGB. So sind die Gewerkschaften ver.di und NGG (Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten) beispielsweise für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes für alle, die großen Industriegewerkschaften wie IG-Metall und IG-BCE sind dagegen.

In Österreichs Politik sprechen sich vor allem »die Grünen« für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes (1100 Euro) aus, weil ein Generalkollektivvertrag zu diesem Thema zu schwierig umzusetzen sei. Die ÖVP und die SPÖ glauben, dass es eine Mindesteinkommenssicherung (ca. 1000 Euro) geben sollte, die Verwirklichung aber Sache der Sozialpartner in der Kollektivvertragspolitik sei. Die Freiheitlichen wollen eine Mindesteinkommensregelung durch Generalkollektivvertrag. Mehrheitsmeinung dürfte aber sein, dass der Parlamentarismus in ökonomischen Fragen sowieso nur bedingt kompetent sei, Lohnpolitik aber ganz sicher »nichts im Parlament verloren hätte«.

Die Gefahr des Entstehens von »Working Poor«, Menschen, die trotz Vollzeitarbeit von dem verdienten Einkommen wegen dessen Geringfügigkeit nicht leben können, nimmt in ganz Europa immer mehr zu. Bedingt durch verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen in der Arbeitslosenversicherung sowie durch mehr Teilzeitjobs, aber auch durch die allgemeine schleichende Deregulierung und abnehmende kollektive Einkommensbindung in manchen Bereichen und der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse mit und ohne geringfügiger Beschäftigung entstehen Einkommen, die »Hungerlöhnen« gleichkommen.

Hungerlöhne

Dazu besteht bei manchen Unternehmern und auch Politikern die Meinung, die angebotene Arbeit sei zu teuer, um die allgemeine Beschäftigungslage ausweiten zu können. Sie meinen, durch geringere Lohnkosten könnten mehr Arbeitsplätze entstehen. Diese Meinung ist empirisch belegbar falsch. Seit Anfang der Achtzigerjahre sinkt in ganz Europa (West) tendenziell die Nettolohnquote und gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit kontinuierlich an. In Niedriglohnbereichen (wie zum Beispiel Ostdeutschland) werden nur ein Viertel der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nach Kollektivvertrag bezahlt, die Durchschnittslöhne liegen um ein Viertel unter dem Westniveau, aber keine Spur eines positiven Beschäftigungseffektes ist zu bemerken.

Um also Lohndumping und Armutsgehälter zu verhindern, brauche man den Staat, der durch Gesetz ein Mindesteinkommen festlegen muss, meint man. Laut Forderung von ver.di am letzten DGB-Kongress, 1500 Euro für Vollzeitarbeit. Ein »Segen« also, auch für österreichische Einkommensniveaus (Frauenmedianeinkommen 1335 Euro)!

Was auf den ersten Blick hin im Interesse der Betroffenen liegt, hat allerdings auch Haken.

Jugendarbeitslosigkeit

Viele Gewerkschaften in Europa und viele Sozialökonomen fürchten, dass bei Einführung eines gesetzlichen Mindesteinkommens nicht nur in die gemäß Europäischer Menschenrechtskonvention geschützte Tarifautonomie der Sozialpartner eingegriffen werden würde, sondern die Mindesteinkommensgestaltung durch langsame parlamentarische Prozesse ad absurdum geführt werden könnte. Außerdem zeige die Erfahrung in manchen Ländern, die ein gesetzliches Mindesteinkommen haben, dass die Anpassung der gesetzlichen Mindesteinkommen nicht ökonomischen, sondern wahltaktischen Überlegungen folgt. Dazu komme noch, dass eine unausgewogene Mindestlohnpolitik die Jugendarbeitslosigkeit steigen lässt. Da Jugendliche noch über wenig Erfahrung und Ausbildung verfügen, spielt die Lohnhöhe für ihre Anstellung eine zentrale, branchenbezogene Rolle. So bestehe die
Gefahr, so die Kritiker des gesetzlichen Mindestlohnes, dass es auf dem Nie--drig--lohnsektor zu ungewollter Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt kommt, da es günstiger ist, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit Mindestlohn einzustellen als Jugendliche.

Entweder der gesetzliche Mindestlohn ist zu hoch, dann wird er mit Arbeitszeitvereinbarungen unterlaufen, oder er ist zu niedrig, dann ist er nicht wirksam oder kontraproduktiv. Auch die Problematik der Armutsbekämpfung werde durch einen gesetzlichen Mindestlohn nicht unterstützt, meinen OECD-Experten und verweisen darauf, dass 80 Prozent der Niedriglöhne in Europa zu einem Haushalt mit sonst hohem Einkommen gehören, also so genannte Zuverdiener sind.

Gedämpfte Einkommen

Als wesentlich merken die Kritiker an, dass durch ein staatliches Mindesteinkommen die branchenbezogene Kollektivvertragspolitik nicht mehr ohne Orientierung am Mindesteinkommen möglich ist, was meist dämpfende Effekte für die Einkommenspolitik hat. Die staatlichen Vorgaben werden aber auch keine Rücksicht auf schwierige Branchen und branchenspezifische Eigenheiten nehmen, was wieder zur Ineffektivität des gesetzlichen Mindesteinkommens führen kann.

Ökonomen behaupten: Ein gesetzlicher Mindestlohn zeigt nur Wirkung, wenn er über dem so genannten markträumenden Lohn liegt. Dann aber führt er zu einem allgemein höheren Lohn und mehr Arbeitslosigkeit!1)

Der gesetzliche Mindestlohn sei kein Wert an sich, sondern müsse sinnvoll gestaltet sein. Er muss existenzsichernd sein, das ist unabdingbar. Dann aber besteht die Gefahr, dass ein Mindestlohn für viele auch der Maximallohn wird. In Frankreich, wo ein gesetzliches Mindesteinkommen für 14 Prozent der Beschäftigten bei 35 Wochenstunden gilt, ist dieser Mindestlohn auch der Normallohn 1100 Euro.

Kollektivvertragskultur

Sind gesetzliche Mindestlöhne ein Fluch?

Nach einem Rundblick in die Europäische Union gibt es in neun von den 15 alten EU-Mitgliedsstaaten gesetzliche Mindesteinkommen und ebenso in zwölf der 13 neuen Ländern. Im Jahre 2004 lag der monatliche Mindestlohn in Portugal, Griechenland und Spanien zwischen 416 und 605 Euro, in den übrigen alten Ländern betrug er mehr als 1000 Euro (zwischen 1073 Euro in Irland und 1369 Euro in Luxemburg). In den meisten neuen Ländern und Kandidatenländern lag der gesetzliche Mindestlohn zwischen 56 Euro und 212 Euro (siehe Kasten).

In den betroffenen Ländern gibt es ein Abkommen zwischen Regierung und Gewerkschaften, wonach jährlich die Höhe des gesetzlichen Mindesteinkommens überprüft und wenn nötig angepasst wird. Das hat in manchen Ländern mit schlechter Kollektivvertragskultur und meist nicht funktionierender Sozialpartnerschaft zufolge, dass die Anpassungsverhandlungen des Mindesteinkommens schon die wesentlichen KV-Verhandlungen sind und in Branchen und Betrieben nur mehr marginal angepasst bzw. in reichen Branchen überdimensional angepasst wird. Eine solidarische Lohnpolitik, wie wir sie verstehen, wird dadurch sehr schwer möglich.

Nach der Europäischen Sozialcharta sind alle Staaten verpflichtet, keine Löhne zuzulassen, die niedriger als 68 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes sind. Bis heute ist diese Richtlinie nicht mehr als eine Empfehlung und wird nur von wenigen Ländern wie zum Beispiel Frankreich eingehalten.

Der französische Mindestlohn (SMIC) wird manchmal überdimensional erhöht (im Juli 2004 um 5,5 Prozent). Das entspricht bei einer in Frankreichs Industrie üblichen 35-Stunden-Woche (gesetzlich verankert) einem monatlichen Mindestlohn von 1090,48 Euro brutto.

Diese Aktion zeigt auch die Schwäche der französischen Gewerkschaften einerseits, Lohnpolitik zu betreiben, zeigt aber andererseits auch, welchen Einfluss die Politik auf die Lohngestaltung nimmt bzw. nehmen kann, unabhängig von ökonomischen Aspekten. Es zeigt sich deutlich, dass Lohnpolitik in Verantwortung des Staates sich immer auf Mindestlohnpolitik beschränkt. Das lässt den Gewerkschaften oft KV-politisch keinen Spielraum, ja oft nicht einmal Luft zum Atmen. Die Regierungen gestalten dann meistens Lohnpolitik unter dem Aspekt des »nationalen Zusammenhaltes«, der vor Parlamentswahlen eine besondere Bedeutung bekommt.
 

Monatliche Mindestlöhne
In EUR, Januar 2004
Belgien 1163
Griechenland 605
Spanien 526
Frankreich 1154
Irland 1073
Luxemburg 1369
Niederlande 1249
Portugal 416
England 1105
Bulgarien 56
Estland 138
Litauen 125
Lettland 116
Malta 535
Polen 201
Rumänien 73
Slowakei 118
Slowenien 451
Tschechische Republik 199
Türkei 189
Ungarn 212
USA 877
Quelle: EU-Bulletin 4/2004

USA - das Land der Mindestlöhne

Mindestlöhne gibt es in den USA seit 1912. 1938 trat in den USA mit dem »Fair Labor Standards Act« eine bundesweite Regelung in Kraft. Obwohl die Unternehmervertreter und die Südstaatenpolitik heftig gegen dieses Gesetz opponierten, wurde der gesetzliche Mindestlohn eingeführt. Seit Mitte der Achtzigerjahre hat der US-Mindestlohn, der meist unter demokratischer Führung alle zwei Jahre angehoben wurde, trotzdem verloren und ist hinter der Preisentwicklung weit zurückgeblieben und hat zirka ein Viertel seiner Kaufkraft verloren.

Schätzungsweise sechs Prozent der Amerikaner und Amerikanerinnen verdienen derzeit den Mindestlohn (sieben Millionen Menschen). In vielen Gegenden Amerikas kann man mit umgerechnet 877 Euro keine Familie ernähren. Für die USA gilt nicht, dass ein Großteil der Niedriglöhner so genannte Zuverdiener sind. Die meisten Niedriglöhner in den USA müssen für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie arbeiten. In diesen Fällen wirkt der gesetzliche Mindestlohn wohlfahrtssteigernd und armutsbekämpfend. Besonders gilt das für die Regionen mit großem Anteil an Schattenwirtschaft und formloser Arbeit (Arbeit ohne Regeln, Taglöhnertum).

Alle Studien der ILO (Internationale Arbeitsorganisation) zum Thema gesetzliches Mindesteinkommen sagen, dass das geregelte Mindesteinkommen nur ein kleiner Teil und ein ungenügendes Werkzeug zur Armutsbekämpfung sei. Um echter Armut vorzubeugen, wäre es nach Meinung der ILO wichtiger, die Produktivität geleisteter Arbeit zu erhöhen, Gesundheit, Ausbildung und Lebensstandard der Arbeitnehmer zu fördern und vor allem der Entwicklung der Märkte ein Augenmerk zu schenken, indem in Innovation, Forschung und Entwicklung, aber auch in Infrastruktur investiert wird.

Die ILO setzt aber für ein echtes Wirksamwerden eines gesetzlichen Mindestlohnes voraus, dass es eine funktionierende Kollektivvertragskultur und Sozialpartnerschaft gibt. Sonst, vermuten die Experten, wird die Armutsbekämpfung durch normative Mindestlöhne ein »Kampf auf niedrigstem Niveau«, eine Methode, die nicht nachhaltig genug wirkt und außerdem den Beweis schuldig bleibt, nur Nutzen und keine Schäden -
(z. B. Arbeitslosigkeit) zu produzieren.2)

Schlussfolgerungen für Österreich

Der Nutzen gesetzlicher Mindestlöhne ist unleugbar, besonders für Gesellschaften mit unterentwickelter Sozialpartnerschaft. Er kann sich aber nur sinnvoll entfalten, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sich zu diesem Nutzen bekennen und die Wirkung dieser Entgeltmethode nicht in Frage stellen. Schwierig, nicht? Auch in Österreich bekommt die Diskussion über die Sinnhaftigkeit gesetzlicher Mindestlöhne neue Nahrung, je größer der Anteil der Schattenwirtschaft in Österreich wird und je mehr Arbeit in prekäre Vertragsverhältnisse abwandert. Verschiedene allgemeine Mindestnormen durch EU und OECD, die wichtig für die Diskussion sind, gibt es ja schon.

Produktivitätsorientierte Einkommenspolitik

Allerdings geht eben aus allen ILO- und OECD-Studien hervor, dass gesetzliche Mindestlöhne dort funktionieren und Sinn machen, wo auch die betriebliche und überbetriebliche Sozialpartnerschaft funktioniert. In Österreich, mit einer KV-Dichte von mehr als 90 Prozent (wenn ich den öffentlichen Dienst mitrechne, der sein Einkommen über Gesetze [Gehaltsabkommen] regelt) lässt die sozialpartnerschaftliche Kultur es zu, dass wir Mindestlöhne in den Kollektivverträgen regeln können und damit auch erfolgreich sind. Das hat den Vorteil, dass wir uns die Nachteile gesetzlicher Mindestlöhne ersparen, die in der problematischen Anpassungsmethode der Mindestsummen liegen. Der ÖGB und die Gewerkschaften betreiben massiv Mindestlohnpolitik in jenen Bereichen, wo es auf die Mindestlöhne ankommt, weil sie auch real gezahlt werden. In jenen Bereichen, wo gegenüber den KV-Mindest-ansätzen hohe Überzahlungen üblich sind, machen sie eine andere Politik. So ist es gelungen, die Forderung von 1000 Euro Mindestlohn (brutto) für Vollzeitarbeit praktisch überall wo das Sinn macht umzusetzen. Die Methode der Gewerkschaften in Österreich, die Gehaltsansätze jährlich anzuheben, wobei wir in einer KV-Runde österreichweit eine Summe von mehr als der Hälfte des BIP bewegen, lässt zu, dass wir auch ohne gesetzlichen Mindestlohn zu Rande kommen. Wie schon ausgeführt, hat ein gesetzlich festgelegter Mindestlohn nicht nur Vorteile und er kann sehr leicht unterlaufen werden. Volkswirtschaften mit guter korporatistischer Struktur schaffen die von der EU geforderte Mindesteinkommensregelung auch ohne normativ festgelegte Mindesteinkommen. Es muss noch erwähnt werden, dass die normative Wirkung der österreichischen Kollektivverträge und die so genannte Außenseiterwirkung flächendeckende Mindesteinkommenslösungen durch KV möglich machen. Solche Möglichkeiten gibt es in anderen Ländern nicht bzw. nicht so gut wie in Österreich.

1) ILO (EMP/STRAT) C. Sager

2) ILO-Convention 1970 Nr. 131


R E S Ü M E E

Noch kann der
ÖGB auch ohne gesetzlich festgelegtes Mindesteinkommen eine produktivitätsorientierte Einkommenspolitik und eine effektive Mindesteinkommenspolitik machen, und das nützt der österreichischen Volkswirtschaft derzeit mehr, als manche »Wirtschaftsauguren« das zugeben wollen.

Die Diskussion über Fluch oder Segen von gesetzlich geregelten Mindesteinkommen wird aber weitergehen, wenn es nicht gelingt, die wirklichen Probleme in der österreichischen Volkswirtschaft rasch zu lösen. Nur einige Schlagworte: Zunehmendes Schwarzunternehmertum und Schattenwirtschaft, Steuerverweigerung, chaotische Betriebsgründungen und blitzartige Auflösungen, Betriebsvereinbarungen »contra legem« und überhaupt mehr und mehr Verstöße gegen das Straf- und Zivilrecht, so als hieße »Rot« an der Verkehrsampel nicht STOPP, sondern nur ACHTUNG QUERVERKEHR!


Q U E L L E N

How to get the maximum out of the minimum wage.
C. Sager, ILO (EMP/STRAT) 2004
Minimum wages and employment, OECD D. Kyloh 2004
Die Zeit 2004, Nr. 11-15, Wirtschaftsteil
Informationen aus dem DGB-Bundesvorstand und dem Internationalen Referat des ÖGB

 

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Karl Klein (Leiter des Referats Kollektivverträge im ÖGB und Vorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter - FCG) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220263 Lohnsenkung durch die Hintertür - Zur aktuellen Debatte um eine Verlängerung der Arbeitszeit Eigentlich ist der Fall paradox: In einer sich immer länger hinziehenden Phase der wirtschaftlichen Stagnation steigt die Zahl der Arbeitslosen von Jahr zu Jahr an, was bedeutet, dass für immer mehr Menschen gegen ihren Willen die Arbeitszeit auf Null gesetzt wird, und gleichzeitig kommt ein Wirtschaftsprofessor nach dem anderen mit Vorschlägen, die Arbeitslosigkeit zu senken durch Verlängerung der Arbeitszeit für jene Arbeitnehmer, die Arbeit haben. So geschehen in Deutschland in den letzten Monaten, wobei es dort zu einem Überbieten in der Radikalität dieser Vorschläge zwischen besonders medienorientierten Wirtschaftsprofessoren gekommen ist. Vorangegangen ist der Präsident des Münchner ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans Werner Sinn, mit dem Vorschlag einer Ausweitung der Normalarbeitszeit um zehn Prozent von 38 auf 42 Stunden. Um mit diesem Thema ebenfalls in die Schlagzeilen zu kommen, überbot der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Klaus Zimmermann ein paar Monate später diese Forderung locker, indem er forderte, dass, »um Jobs zu sichern, auch mal 50 Stunden pro Woche gearbeitet werden müsse«.

I N F O R M A T I O N

ifo-Chef Sinn für generelle 42-Stunden-Woche

München (APA/dpa) - ifo-Chef Hans-Werner Sinn hat sich für die generelle Einführung einer 42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich in Deutschland ausgesprochen. Sinnvoll sei nur eine pauschale Arbeitszeitverlängerung in der Gesamtwirtschaft und nicht in Einzelbetrieben, sagte Sinn.

Nur bei einer pauschalen Ausweitung könnten die einzelnen Betriebe mit einem Nachfrageschub von anderen Firmen rechnen. Dieser sei Voraussetzung dafür, dass die Arbeitszeitverlängerung nicht in Kündigungen mündet. Sinn betonte, er habe entgegen anderslautenden Presseberichten keine-44-Stunden-Woche gefordert. »Diese Aussage ist falsch.«

Große Sprüche und Drohungen

Wenn man solche Duelle mit großen Sprüchen, die den Ruf der Zunft schädigen, zunächst einmal als Effekthascherei und Ausdruck einer zunehmend hysterischen Stimmung im größten Mitgliedsland der EU sehen sollte, so haben sie doch das Ziel, unter den Arbeitnehmern eine Stimmung der Mutlosigkeit zu erzeugen und so ihre Interessenvertretung, die Gewerkschaften, zum Einlenken gegenüber der Unternehmerseite zu bewegen. Diese ist auch in Deutschland in ihren konkreten Forderungen weniger radikal als die vorauseilenden Wirtschaftsprofessoren, hat aber bereits einige Erfolge bei der Zurückdrängung von Arbeitnehmerpositionen im Bereich der Arbeitszeit erzielen können. Unter der Drohung der Konzernleitung von Siemens, die Produktion von Mobiltelefonen nach Ungarn zu verlagern, hat die deutsche IG Metall der Verlängerung der Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich in zwei Produktionsstätten zugestimmt und dafür die Zusage erhalten, dass dadurch 4500 Arbeitsplätze an ihren Standorten in Deutschland verbleiben werden. Bereits Ende Juli kam es zu einem ähnlichen Abkommen mit dem Daimler-Chrysler-Konzern. Für die Ausweitung der Arbeitszeit auf 40 Stunden in Teilbereichen werden die 6000 Arbeitsplätze im Mercedes-Werk Sindelfingen bis 2012 garantiert. Weitere Unternehmungen haben in ähnlicher Absicht Verhandlungen mit der Gewerkschaft gefordert.

Auch in Österreich haben die Gewerkschaften in den letzten Wochen mehrere Botschaften in diese Richtung von Industrieseite empfangen, etwa von der neuen Führungsmannschaft der Industriellenvereinigung. Auch wenn solche Auseinandersetzungen in Österreich gewöhnlich etwas anders ausgetragen werden als in unserem größeren Nachbarland - sichtbar etwa am Beispiel der Arbeitszeitverkürzung unter 40 Stunden in den achtziger Jahren -, werden die Gewerkschaften auch bei uns in nächster Zeit mit harten Forderungen von Unternehmerseite konfrontiert sein.

Lohnsenkung als »Nebeneffekt«

Der Vorstandsvorsitzende des Siemens-Konzerns und auch Vertreter des deutschen Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall haben die Arbeitszeitverlängerung in zwei Siemens-Werken als spezielle Problemlösung bezeichnet und - vorerst? -keine generellen Forderungen tarifpolitischer Art an die Gewerkschaft gestellt. Hingegen sind auf der politischen Bühne agierende Repräsentanten der Unternehmer wie der frühere CDU-Fraktionschef im deutschen Bundestag Merz mehrfach mit Aussagen hervorgetreten, dass »wer höheres Wirtschaftswachstum erzielen will, an längeren Arbeitszeiten nicht vorbeikommt.«1)

Dass Funktionäre von Unternehmerverbänden Vorschlägen zur Erhöhung der Arbeitszeit um zehn Prozent oder sogar um noch mehr einiges abgewinnen können, liegt auf der Hand, und man wird auch nicht fehl gehen in der Erwartung, dass sie um viel Geld bereits teure Studien bei renommierten Professoren in Auftrag gegeben haben, welche der zunächst noch staunenden Öffentlichkeit und den uneinsichtigen Gewerkschaften »beweisen« sollen, welch probates Mittel eine Arbeitzeitverlängerung zur Überwindung der wirtschaftlichen Stagnation, aus der Deutschland und Europa seit über drei Jahren nicht herauskommen, und damit auch zur Lösung des Beschäftigungsproblems wäre.

Aber nicht der angeblichen positiven Beschäftigungswirkung der Arbeitszeitverlängerung gilt das eigentliche Interesse der Unternehmerseite und auch kaum der Verfügbarkeit der Arbeitskraft für eine längere Zeit, sondern dem »Nebeneffekt« der Arbeitszeitverlängerung: Eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich ist mit einer entsprechenden Senkung des Lohns pro Arbeitsstunde verbunden. Klagen der Unternehmer über »zu hohe Löhne« sind zwar häufig zu hören, die Arbeitgeberverbände scheuen jedoch meist davor zurück, Forderungen nach Lohnsenkung in Kollektivvertragsverhandlungen zu stellen. Die Arbeitszeitverlängerung hat auf den ersten Blick keine so schlechte Optik, sie macht die Lohnsenkung gleichsam durch die Hintertüre möglich. Für die Arbeitnehmer sind die Folgen auf den ersten Blick deshalb weniger schlimm als bei einer Lohnsenkung, weil das wöchentliche oder monatliche Einkommen nicht sinkt, solange die erhöhte Arbeitszeit voll geleistet wird.

Negative Beschäftigungswirkungen

Für die Unternehmungen ist die Arbeitszeitverlängerung auf jeden Fall deshalb vorteilhaft, weil die Arbeitskraft billiger wird, unabhängig davon, ob sie während der zusätzlich zur Verfügung stehenden Arbeitszeit überhaupt verwendet wird. In Unternehmungen mit einer größeren Zahl von Beschäftigten entsteht dadurch die Möglichkeit, durch Reduktion der Zahl der Arbeitnehmer (nicht unbedingt gleich im vollen Ausmaß der Arbeitszeitverlängerung) den gleichen Output zu niedrigeren Lohnkosten zu produzieren. Diese Reaktion der Unternehmer ist bei den derzeit gegebenen Bedingungen einer stagnierenden Nachfrage viel wahrscheinlicher als die andere, theoretisch mögliche Variante, dass die Beschäftigtenzahl gleich bleibt und die Mehrarbeit zur Erhöhung der Produktion verwendet wird. Dies wäre zwar ohne zusätzliche Lohnkosten möglich, sehr wohl aber würden zusätzliche andere Kosten anfallen (Material- und sonstige Betriebskosten), wobei es für den Unternehmer unsicher ist, ob er diese Kosten über einen erhöhten Absatz wieder hereinbekommt.

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»Banale Lohnsenkung«

Als geradezu abenteuerlich
bezeichnet Oberösterreichs AK-Präsident Johann Kalliauer den Vorstoß von Minister Bartenstein in Richtung Lohnkürzung: »Auch wenn Bartenstein verbrämt von Arbeitszeitflexibilisierung spricht, so ist das tatsächlich gemeinte längere Arbeiten ohne entsprechende Lohnzuwächse im Kern nichts anderes als eine ganz banale Lohnsenkung.«

Damit werde, so Kalliauer, kein einziger Arbeitsplatz in Österreich gesichert, das Gegenteil sei der Fall. Unsere gesamtwirtschaftliche Entwicklung leidet schon jetzt an der beharrlich zu geringen inländischen Nachfrage. Einkommenskürzungen bei den Arbeitnehmer/-innen würden dieses Problem noch massiv verschärfen und die Arbeitslosigkeit weiter in die Höhe treiben!

Wider besseren Wissens wird so getan, als würde die österreichische Industrie ein Problem bei der preislichen Wettbewerbsfähigkeit haben. Dabei sprechen die Fakten eine völlig andere Sprache: Seit Mitte der neunziger Jahre sanken laut Wifo die so genannten Lohnstückkosten im Durchschnitt um 2,2 Prozent pro Jahr, während sie im Durchschnitt der Handelspartner stagnierten. Und wie eine Untersuchung des IHS belegt, hat die enorme Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie inzwischen ein Ausmaß erreicht, dass die Lohnstückkosten sogar unter dem Niveau von Polen und Ungarn lagen (2001).

Sinkende Gesamtnachfrage

Wenn wir nun diese Überlegungen aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens auf die Gesamtwirtschaft übertragen, so lässt sich daraus bereits eine wichtige Schlussfolgerung über die Wirkung der Arbeitszeitverkürzung auf das BIP bzw. auf die Beschäftigung ableiten. In der Situation eines generellen Nachfragemangels führt die Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichzeitiger Senkung des Stundenlohnes in Summe zu einer Senkung der Beschäftigung bei zunächst gleichbleibender Produktion. Sinkende Beschäftigung führt jedoch über die Reduktion der Lohnsumme zu einer sinkenden Gesamtnachfrage, was zu einer Reduktion der Produktion führt, die wiederum eine weitere Reduktion der Beschäftigung nach sich zieht. Insgesamt löst die Arbeitszeitverlängerung beim BIP und bei der Beschäftigung eine Anpassungsbewegung nach unten aus, die sich auf jeweils tiefer liegenden Niveaus stabilisiert. Plausibel ist daher, dass die Arbeitszeitverlängerung gerade das Gegenteil von dem bewirkt, was ihre Befürworter behaupten, um dem Vorschlag ein positives wirtschaftspolitisches Mäntelchen umzuhängen. Letztlich ist das Resultat auch aus der Sicht der Unternehmer nicht positiv, doch sehen diese oft nur die Lohnersparnis, ohne deren weiteren Folgen zu beachten, und lassen sich durch diese Kurzsichtigkeit täuschen.

Auch am Beispiel des deutschen Bundeslandes Bayern, wo die Arbeitszeit für Beamte mit September 2004 um zwei Stunden wieder auf 42 Wochenstunden verlängert wird2), kann man die unmittelbar beschäftigungssenkende Wirkung dieser Maßnahme erkennen, auch wenn sie im gegebenen Fall nicht groß sein wird. Es werden zwar die individuellen Einkommen nicht vermindert. Vermindern wird sich aber die Zahl der Neueinstellungen für die in Pension gehenden oder aus anderen Gründen ausscheidenden Beamten. Denn um ein gleiches Arbeitsvolumen zu erbringen, müssen für 20 Ausscheidende nur noch 19 neu eingestellt werden. Eine Weitergabe der Gehaltseinsparung in Form einer Steuersenkung ist aber nicht zu erwarten, wenn das Staatsdefizit reduziert werden soll. Was also im Endeffekt bei der Maßnahme herauskommt, ist eine Senkung der Endnachfrage und damit eine Kontraktion von BIP und Beschäftigung.

EU-Lohnsenkungswettbewerb deflationär

Worauf kann sich sonst noch - sachlich betrachtet - die Erwartung positiver Wachstums- und Beschäftigungswirkungen einer Arbeitszeitverlängerung stützen? Hans Werner Sinn begründet sie mit einer verbesserten Konkurrenzfähigkeit der deutschen Exporte gegenüber den Konkurrenzländern. In Wirklichkeit wird bei dieser Argumentation die Arbeitszeitverlängerung nur als Trick verwendet, um eine - verhältnismäßig massive - Lohnsenkung durchzusetzen und damit die Profitabilität der Exporte zu erhöhen. Genauso gut oder sogar besser könnte man einfach eine entsprechende Lohnsenkung verlangen, wovor aber nicht nur die Unternehmer, sondern in diesem Fall auch der sich unverständlicher Weise zum »Kathedersozialismus« bekennende Professor zurückschrecken, weil dies politisch schlecht aussehen würde. Es ist aber schwer zu verstehen, wie ein so renommierter Ökonom wie Sinn dazu kommt, ein so plumpes Lohndumping zu empfehlen, und dabei anscheinend noch damit rechnet, dass nicht alle merken, dass es sich um eine Lohnsenkung handelt3).

Abwärtsbewegung in ganz Europa

Zweifellos würden die ausländischen Konkurrenten Deutschlands diese Lohnsenkung nicht reaktionslos hinnehmen, sondern müssten wohl oder übel eine ähnliche Maßnahme zur Wiederherstellung ihrer Konkurrenzposition setzen. Damit geht der positive Effekt beim Export wieder verloren, während die Kontraktion der Lohneinkommen und der Nachfrage von Deutschland auf die anderen Länder übergreift.

Das würde bedeuten, dass die gesamtwirtschaftliche Abwärtsbewegung sich nach und nach in ganz Europa fortsetzen würde. In etwas milderer Form haben wir eine solche Entwicklung schon seit zwei Jahrzehnten, indem die Lohnzuwächse leicht hinter der Produktivität zurückbleiben.

Dies ist die Ursache der immer wieder und gerade jetzt erneut so heftig beklagten Nachfrageschwäche, die dazu führt, dass die europäische Wirtschaft ihr Wachstumspotenzial nicht ausschöpfen kann und die Arbeitslosigkeit steigt bzw. nicht zurückgeht. Was allerdings Ökonomen wie H. W. Sinn und K. Zimmermann nicht daran hindert, immer noch eine zusätzliche Schwächung der Nachfrage durch Lohnsenkungen zu fordern.

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»Unehrlich und kurzsichtig«

»Es wäre ehrlicher,
wenn jene, die eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich fordern, gleich offen zugeben würden, dass sie in Wahrheit die Einkommen der ArbeitnehmerInnen kürzen wollen. Denn nichts anderes würde eine Arbeitszeitverlängerung und Abschaffung der Feiertage ohne Lohnausgleich bedeuten«, kritisiert ÖGB-Präsident Verzetnitsch. »Dafür sind wir Gewerkschafter sicher nicht zu haben.«

Der ÖGB-Präsident bedauert auch die volkswirtschaftliche Kurzsichtigkeit der Anhänger einer Arbeitszeitverlängerung: Das schaffe erstens keinen zusätzlichen Arbeitsplatz. Zweitens würden derartige Maßnahmen die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kürzen, worunter besonders die Binnennachfrage leiden würde. »Diese ist aber laut Wirtschaftsexperten entscheidend für den Wirtschaftsaufschwung in unserem Land.« Verzetnitschs Resümee: »Arbeitszeitverlängerung schafft keinen neuen Arbeitsplatz und schwächt die so wichtige Kaufkraft der Konsumenten für das notwenige Wirtschaftswachstum.«

Illusion Rentabilitätsverbesserung

Auf der Grundlage der neoklassischen Ökonomie wird ferner argumentiert, dass durch eine Lohnsenkung die relativen Preise für Arbeit und Kapital zugunsten des Kapitals verändert werden müssen, um die Beschäftigung von Arbeitskräften profitabler zu machen, was längerfristig wieder zu mehr Beschäftigung führen würde. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die keynesianische Gegenargumentation.

Schon Keynes argumentierte in der Großen Depression gegen Lohnsenkungen, weil die negativen nachfrageseitigen Wirkungen auf Produktion und Beschäftigung in einer Situation der Stagnation viel schneller eintreten als alle positiven Wirkungen aus einer verbesserten Rentabilität.

Dies gilt heute genauso wie damals: Einen Nachfragemangel kann man nicht durch Kürzung der kaufkräftigen Nachfrage beheben.

Für die Arbeitskraft insgesamt gilt eben nicht, was für einen einzelnen Produktmarkt gilt, vorausgesetzt, er fällt gesamtwirtschaftlich nicht ins Gewicht bzw. es gibt gleichzeitig genügend Vorgänge in der Gegenrichtung: wenn eine Ware zum erwarteten Preis nicht zur Gänze abgesetzt werden kann, so wird das Ungleichgewicht dadurch beseitigt, dass der Preis gesenkt wird. Denn wenn alle Löhne plötzlich um zehn Prozent gesenkt werden, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage drastisch ab, und das Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich noch weiter.

Es kommt zu Zweit- und Drittrundeneffekten derselben Art, und die Stabilisierung von Produktion und Beschäftigung erfolgt auf einem Niveau, das tiefer ist als in der an sich schon ungünstigen Ausgangssituation.

Dass in diesen Anpassungsprozessen auch die Preise sinken, mildert das Resultat nicht - Deflation ist immer ein schmerzhafter Prozess für die Unternehmungen.

Wenn Deutschland 10,5 Prozent und Österreich sieben Prozent Arbeitslose hat, so bedeutet dies ja an sich schon, dass das Angebot an Arbeit im Verhältnis zu der von den Unternehmungen und vom Staat nachgefragten Arbeitsmenge zu groß ist. Rechnerisch lässt sich das Problem durch eine Verkürzung der pro Person geleisteten Arbeitszeit lösen, eine Verlängerung verschärft es nur. Eine Verkürzung der pro Arbeitnehmerin durchschnittlich geleisteten Arbeitszeit findet seit langem laufend in Form einer stark zunehmenden Teilzeitarbeit von Frauen statt. Soweit diese arbeitnehmerseitig erwünscht ist, entspricht es den individuellen Präferenzen und ist dagegen nichts einzuwenden. Aber leider trifft dies auf viele Fälle nicht zu. Als Notmaßnahme wurden auf betrieblicher Ebene Modelle einer temporären Verkürzung der Arbeitszeit entwickelt (in Deutschland z. B. 1994 bei VW, zuletzt in der deutschen Telekom), die mit mehr oder weniger empfindlichen Einkommenseinbußen für alle verbunden sind, aber so wenigstens die Konsequenzen der unzureichenden Arbeitsnachfrage in noch verkraftbaren Grenzen halten.

Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bietet sich bei bloß rechnerischer Betrachtung als probates Mittel gegen die hohe Arbeitslosigkeit an. In einer Situation wie der heutigen, in der die Einkommen der Arbeitnehmer schon jahrelang stagnieren oder vielleicht sogar eher rückläufig sind, begegnet eine Arbeitszeitverkürzung wegen der damit verbundenen Lohneinbußen und bei dem zu erwartenden Widerstand der Unternehmer auf betrieblicher Ebene erheblichen Implementationsproblemen - ganz abgesehen von der Durchsetzbarkeit, die in realistischer Betrachtung ebenfalls äußerst skeptisch zu sehen ist.

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»Besonders herzig«

»Mit seinen jüngsten
Äußerungen zum Arbeitszeit-Thema hat sich Martin Bartenstein einmal mehr als Arbeitsminister disqualifiziert«, sieht sich der Präsident der steirischen Arbeiterkammer, Walter Rotschädl, in seiner Auffassung bestätigt, dass die Wirtschafts- und Arbeitsagenden in einem Ressort nicht vereinbar sind: »Mit seinen wohlwollenden Worten für eine von der Industriellenvereinigung ins Spiel gebrachte Arbeitszeitverlängerung hat Bartenstein bewiesen, auf welcher Seite er steht. Jedenfalls nicht an der Seite der Arbeitnehmer.«

Wenn der Minister eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten fordert, verschweigt er offenbar bewusst, dass es in zahlreichen Kollektivverträgen - gerade in der Industrie - bereits jetzt großzügige Flexibilisierungsmöglichkeiten gibt, die zum Teil gar nicht ausgenützt werden. Rotschädl: »In Wirklichkeit geht es also um den plumpen Versuch, eine Arbeitszeitverlängerung schönzu-reden.« Besonders »herzig« findet es Rotschädl, wenn der Minister beteuert, dass niemand Lohndumping will: "Eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich bzw. der Entfall von Überstundenzuschlägen ist nichts anderes als eine Lohnkürzung durch die Hintertür."

Mit Lohndumping sei der Standortwettbewerb mit Billiglohnländern aber nicht zu gewinnen, so Rotschädl: »Was wir brauchen, ist vielmehr eine Qualifikationsoffensive, die Förderung von Forschung und Entwicklung, massive Investitionen in die Infrastruktur sowie eine Verringerung der steuerlichen Belastung des Faktors Arbeit, Stichwort Wertschöpfungsabgabe.«

Zahlen zur Arbeitszeitverlängerung

Die Beschäftigungswirkungen der nicht sehr massiven kollektivvertraglichen Arbeitszeitverkürzungen, die in Österreich seit Einsetzen der Stagnationstendenzen ab etwa 1980 stattgefunden haben, waren aus diesen Gründen geringer als die bis etwa Mitte der siebziger Jahre in einem langen Schwung vollzogene Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden. Immerhin kann man anhand der empirischen Schätzungen für die Beschäftigungswirkungen der stattgefundenen Arbeitszeitverkürzungen eine umgekehrte Daumenrechnung machen, was die Effekte einer Arbeitszeitverlängerung um fünf oder zehn Prozent wären. Die in der letzten Studie des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen zu diesem Thema4) erstellten Simulationsrechnungen ergaben je nach lohnpolitischer Variante (Art des Lohnausgleichs) Elastizitäten von 0,4 bis 0,7. Das würde in umgekehrter Richtung bedeuten, dass eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit um fünf Prozent die Gesamtbeschäftigung um 2 bis 3,5 Prozent senken würde. Ex post - das heißt nach der Verkürzung der Arbeitszeit in zahlreichen Branchen auf 38 Stunden - durchgeführte Schätzungen ergaben eher geringe Elastizitäten. Wie immer man die Sache betrachtet, eine positive Wirkung einer Arbeitszeitverlängerung wird sich auch mit sehr großen Kunstgriffen nicht plausibel machen lassen.

Was tun?

Wie auf jedem anderen Markt auch, vermindert ein Angebotsüberschuss auf dem Arbeitsmarkt die Marktmacht der Anbieter, also der Arbeitnehmer und der sie in den Kollektivvertragsverhandlungen vertretenden Gewerkschaften. Diese Situation nutzen die Unternehmer und ihre Verbände nun aus, um Positionen, welche die Arbeitnehmer unter günstigeren Arbeitsmarktkonstellationen errungen haben, wieder zurückzudrängen. Als Ziel steht derzeit bevorzugt die 35-Stunden-Woche im Visier, die in großen Teilen der (west-)deutschen Industrie in den achtziger Jahren und in Frankreich per Gesetz in den größeren Betrieben in den neunziger Jahren eingeführt worden ist. Die Gewerkschaften sind nicht bereit, über eine generelle Verlängerung der Arbeitszeit zu verhandeln, wie sie vom französischen Wirtschaftsminister Nikolas Sarkozy oder von einzelnen deutschen Unternehmervertretern gefordert wird.

Allerdings haben die deutschen Industriegewerkschaften in ihre Tarifverträgen seit einiger Zeit Klauseln aufgenommen, die in Einzelfällen für Betriebe unter bestimmten Bedingungen das Abgehen von der 35-Stunden-Woche gestatten. Wie die beiden Siemens-Beispiele zeigen, kann es unter Umständen das kleinere Übel sein, eine solche Regelung zu akzeptieren - vor allem dann, wenn dadurch wirklich Arbeitsplätze mit anspruchsvollem Qualifikationsprofil erhalten werden können. Wie sich zeigt, versuchen sofort andere Unternehmungen, dem Beispiel zu folgen. Es ist daher notwendig, von Gewerkschaftsseite diesem Drang der Unternehmerseite Grenzen zu setzen: sowohl bei der Arbeitszeit (z. B. 40 Stunden) als auch bei den sonstigen Bedingungen, unter denen sich die Gewerkschaften und/oder die Betriebsräte auf derartige Verhandlungen einlassen.

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50-Stunden-Woche

Als Mittel gegen die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland fordern Wirtschaftsexperten in Deutschland nun sogar die vor-übergehende Einführung der 50-Stunden-Woche. »Um Jobs zu sichern, müssen auch mal 50 Stunden pro Woche gearbeitet werden«, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, der »Bild«-Zeitung.

Propagandawelle

Von besonderer Wichtigkeit ist es für die Gewerkschaften in ganz Europa, der Propagandawelle von Seiten der Unternehmungen, der Medien und einzelner »Wirtschaftsweiser« entgegenzuwirken, die die Arbeitnehmer entmutigen und davon überzeugen wollen, »dass alle wieder mehr arbeiten müssen, wenn wir wollen, dass es uns besser geht«. Daher müssen die Gewerkschaften aufzeigen, dass eine generelle Arbeitszeitverlängerung nicht nur Lohnkürzung für alle bedeutet, sondern auch die Beschäftigung senken und die Arbeitslosigkeit erhöhen würde. So kann der Rückhalt der Gewerkschaften bei den Arbeitnehmern für ein Festhalten an den kollektivvertraglichen und gesetzlichen Regelungen der Normalarbeitszeit gestärkt und der Widerstand gegen allfällige Vorstöße auf politischer Ebene für eine Anhebung der Arbeitszeit im Gesetzeswege aufgebaut werden.

In Österreich ist im Vergleich zu Deutschland die Ausgangssituation eine andere, und das Meinungsklima neigt bei uns in dieser Frage nicht zu solch hysterischen Übersteigerungen.

Die wöchentliche Normalarbeitszeit liegt zwar in mehreren Branchen (siehe Kasten »Arbeitszeiten«), die insgesamt etwa 35 Prozent der Arbeitnehmer umfassen, unter 40 Stunden, jedoch überwiegend deutlich höher als 35 Stunden. Zudem wurden bei kollektivvertraglichen Verkürzungen der Normalarbeitszeit unter 40 Stunden meistens Regelungen getroffen, nach denen Mehrarbeit bis zur Grenze der früheren Normalarbeitszeit nicht als zuschlagspflichtige Überstunden gelten und daher wie Normalarbeitszeit zu entlohnen sind.

Arbeitszeiten
Ausgewählte Wirtschaftsbranchen mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von weniger als 40 Stunden
Branche/Wirtschaftsklasse Wöchentliche Normalarbeitszeit laut KV
Bergbau 38,5
Eisen-, metallerz.- u. -verarb. Industrie 38,5
Eisen-, metallerz.- u. -verarb. Gewerbe 38,5
Erdölindustrie 36,0–38,0
Chemische Industrie 38,0
Glasindustrie 38,0
Papierindustrie 36,0
Holz verarbeitende Industrie 38,5
Stein - Keramik - Baustoffindustrie 38,5
Bauindustrie, -gewerbe, -nebengewerbe 39,0
Textilindustrie 38,5
Lebens- und Genussmittelindustrie 38,0–38,5
Elektrizitätsversorgung 38,5
Graphisches Gewerbe 36,0–38,0
Handel 38,5
Banken 38,5
Versicherungen 38,5
Quelle: ÖGB, Referat Kollektivverträge

1997 wurde zudem ein erhöhter Flexibilitätspielraum bei der Arbeitszeit durch eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes geschaffen. Den Kollektivvertragsparteien wurde die Möglichkeit zur Durchrechnung der Wochenarbeitszeit eingeräumt, an einzelnen Tagen bzw. Wochen kann die Normalarbeitszeit dabei auf bis zu zehn Stunden bzw. auf bis zu 50 Stunden ausgedehnt werden.

Was das Diskussionsklima in Österreich im Vergleich zu Deutschland betrifft, so wird ein gewisser Unterschied an der Tatsache sichtbar, dass der Leiter des WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung), Helmut Kramer, von einer Arbeitszeitverlängerungsdiskussion abgeraten hat und von einer solchen Maßnahme keine positiven Wachstums- oder Beschäftigungseffekte erwartet. In ähnlichem Sinn hat sich der Direktor des IHS (Institut für Höhere Studien) Bernhard Felderer ausgesprochen.

Auf Unternehmerseite konnte die neu bestellte Führung der Industriellenvereinigung nicht darauf verzichten, sich durch die allerdings vage gehaltene Forderung nach der Bereitschaft, mehr zu arbeiten, »kantiges« Profil zuzulegen. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein hat sich in diesem Zusammenhang zwar gegen »Lohn--dumping« oder Lohnkürzungen ausgesprochen, sich gleichzeitig aber für Maßnahmen zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit ausgesprochen. Dass dies durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen zu Lohneinbußen führen kann, die sich für Österreichs Arbeitnehmer auf mehrere hundert Millionen Euro summieren, hat er dabei dezent verschwiegen. Auch die altbekannten Forderungen nach einer Streichung von Feiertagen, deren Anzahl allerdings in Österreich gar nicht über dem europäischen Durchschnitt liegt, und nach einer Kürzung des Mindesturlaubs dürfen in der einmal entbrannten Arbeitszeitverlängerungsdiskussion nicht fehlen.

1) Zitiert nach »Frankfurter Allgemeine Zeitung« vom 26. 6. 2004

2) Arbeiter und Angestellte des Bundeslandes Bayern werden ab dem 1. September 2004 nur noch dann neu eingestellt oder befördert, wenn sie 42 Stunden lang arbeiten. Für 50- bis 60-Jährige gilt die 41-Stunden Woche, ab 60 beträgt die Arbeitszeit 40 Stunden. In fünf Jahren wird die 42-Stunden-Woche für drei Viertel der 300.000 bayrischen Landesbediensteten gelten. (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. März 2004)

3) Zudem übersieht H. W. Sinn geflissentlich, dass ein Land mit einem anhaltend hohen Exportüberschuss wie Deutschland offensichtlich kein Problem bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit seiner Exporte hat, dass Deutschlands Wachstumsschwäche vielmehr in der mangelnden Binnennachfrage ihre Ursache hat.

4) »Arbeitszeitentwicklung und Arbeitszeitpolitik«, Wien 1984

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Günther Chaloupek (Leiter der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220218 Pensionsharmonisierung: Frauenschicksal arm im Alter? Karoline Huber hat Glück gehabt. Wenn die Heimhelferin heuer in Pension geht, werden für die Berechnung ihrer Pension noch die besten 15 Jahre herangezogen 1). Vor ihrer Babypause war sie Vollzeit beschäftigt und hat nicht schlecht verdient. »Durch die ›Pensionsreformen‹ der Regierung wird sich das ändern«, erklärt ÖGB-Frauenvorsitzende Renate Csörgits.

Die Ausweitung des Durchrechnungszeitraums auf das gesamte Berufsleben wird wohl zur Folge haben, dass in Zukunft immer mehr Frauen im Alter in die Armutsfalle tappen. Allein zwei Drittel der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten Teilzeit. Das Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen lässt diesen Frauen kaum eine andere Alternative, zusätzlich bieten viele Branchen fast nur atypische Beschäftigungsverhältnisse an.

Csörgits: »Wenn ich mir zum Beispiel die Situation im Handel ansehe: Hier gibt es für Frauen fast nur mehr Teilzeitarbeitsplätze. Fehlende Kinderbetreuungsplätze tun ihr Übriges. Frauen sind somit doppelte Verliererinnen. Die geringen Einkommen schlagen sich später in der Pensionshöhe nieder.« Das wirkt sich natürlich auch auf das Medianeinkommen der Frauen aus. Das Medianeinkommen ist jenes Einkommen, für das gilt, dass 50 Prozent der in der Statistik erfassten Personen mehr, die anderen 50 Prozent weniger verdienen. Und daran macht sich auch ein weiterer Kritikpunkt der ÖGB-Frauen fest.

Bis zum 7. Lebensjahr

Laut Regierungsplan soll in Hinkunft das Medianeinkommen der Frauen als Beitragsgrundlage für die Anrechnung der Kindererziehungszeiten herangezogen werden. Das ÖGB-Modell sieht dagegen eine weit höhere Anrechnung vor. Csörgits: »Unser Modell - die Österreich-Pension - hätte vorgesehen, dass dazu das Median-Einkommen aller, also von Männern und Frauen herangezogen wird.« Und das liegt derzeit bei 1800 Euro - während das für die Frauen bei ca. 1350 Euro liegt.

Auch will die Regierung trotz aller Familienfreundlichkeit die Kindererziehung nur bis zum vierten Geburtstag des Kindes anrechnen. Im ÖGB-Modell werden die Zeiten, die Frauen für die Kinderbetreuung aufwenden, bis zum siebten Geburtstag angerechnet. Nach folgendem Schlüssel: Für das 1. und 2. Lebensjahr des Kindes 100 Prozent des Median-Einkommens von Männern und Frauen, für das 3. und 4. Jahr 66 Prozent und für das 5., 6. und 7. Lebensjahr 33 Prozent des Medianeinkommens. »Und das zusätzlich zum Erwerbseinkommen«, fordert Csörgits: »Nur so haben Frauen eine faire Chance auf eine eigenständige Alterspension.«

Frauen haben keine Wahl

Kritik üben die ÖGB-Frauen auch am Pensionskorridor zwischen 62 und 68 Jahren. Frauen würden wegen ihres gesetzlich geregelten früheren Pensionsantrittsalters erst 2028 in den Korridor hineinkommen.

Das bedeute eine »doppelte Diskriminierung der Frauen«, empört sich Renate Csörgits: »Faire Behandlung von Frauen muss Ziel des politischen Wollens sein. Wenn Männer mit 62 Jahren, also drei Jahre vor dem Regelpensionsalter gehen können, dann muss es Frauen möglich sein, mit 57 die Pension anzutreten, also drei Jahre vor dem für sie derzeit vorgesehenen Regelpensionsalter.« Schafft man ab dem 1. 1. 2005 einen Korridor ab 62 ohne auf das frühere Antrittsalter der Frauen Rücksicht zu nehmen, bliebe für Männer die Wahlmöglichkeit erhalten, während diese bei Frauen abgeschafft wird.

Csörgits: »Es muss auch für Frauen eine Wahlmöglichkeit geben.« Die ÖGB-Frauenvorsitzende steht mit ihren Bedenken nicht alleine da - auch die Verfassungsjuristen Theo Öhlinger und Heinz Mayer haben berechtigte Zweifel, dass sich diese Regelung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbaren lässt.

Wer leistet Schwerarbeit?

Großen Raum in den Diskussionen um das Pensionsharmonisierungsmodell der Regierung nahm vor allem während der Sommermonate die SchwerarbeiterInnenregelung. »Abschläge ja oder nein und in welcher Höhe?« war eine Frage. »Wer leistet Schwerarbeit?« eine andere. Pro Jahr sollen - nach Regierungswillen - nur fünf Prozent der frisch Pensionierten unter diese Regelung fallen. Eine aus ArbeitsmedizinerInnen, Fachleuten der Sozialpartner und ExpertInnen der Unfallversicherung (AUVA) zusammengesetzte Arbeitsgruppe soll nun im Auftrag von Sozialminister Haupt klären, was Schwerarbeit ist.

Als Basis dient eine vom Münchner Arbeitsmediziner Heinz Schmidtke erstellte Liste mit rund 250 Berufen, gereiht nach ihrer Belastung. Am schwersten arbeiten laut dieser Liste Forstarbeiter, gefolgt von zahlreichen klassischen Männerberufen. Erst auf Platz 35 findet sich der Krankenpflegefachdienst Altenpflege. »Natürlich ist mir klar, wie hart und körperlich anstrengend die Arbeit ist, die Bergleute, Bauarbeiter oder Gerüster tun«, betont Csörgits: »Aber wir sollten uns auch überlegen, was die vielen Frauen leisten, die in den Spitälern, Wohnheimen und Privatwohnungen Kranke und Alte pflegen. Auch ihre Bandscheiben sind früh kaputt. Und zu all dem kommt die psychische Belastung. Das sind Aspekte, die auch im Sinn des Gender Mainstreaming bei der Bewertung von Schwerarbeit berücksichtigt werden müssten.«

Gender Budgeting

»Die Pensionsdebatte zeigt uns die Auswirkungen von Finanz- und Wirtschaftspolitik auf Frauen einmal besonders deutlich«, meinte die ÖGB-Frauenvorsitzende bei unserem Interview Ende August zur von der zweiten Nationalratspräsidentin Barbara Prammer losgetretenen Gender Budgeting Diskussion:

»In diesen Tagen wird zum Beispiel gerade der Finanzausgleich diskutiert. Wenn die Gemeinden weniger Geld bekommen, sehe ich die Gefahr, dass bei der Kinderbetreuung und Altenpflege Einschnitte erfolgen. Und wer muss dann einspringen? Die Frauen.«

Und damit hätten Frauen wieder einmal weniger Chancen auf einen Vollzeitjob und damit weniger Geld und damit weniger Pension.

1) Durch die Pensionsreform 2003 beträgt der generelle Durchrechnungszeitraum heuer bereits 16 Jahre, bei Frauen mit Kind(ern) liegt er noch bei 15.


I N F O R M A T I O N

Siehe zu dem Thema »Pensionsharmonisierung« auch den ausführlichen Beitrag »Pensionsreform: Nicht genügend! Setzen!« von Doris Hecht-Aichholzer in »Arbeit&Wirtschaft«, September 2004, -Seite 30, sowie auch die laufenden Beiträge in den letzten Jahren.

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Katharina Klee http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842220208 Organisierter Sozialbetrug: Kein Kavaliersdelikt Statt einer neuen »Sozialschmarotzerdebatte« fordert der ÖGB im Zusammenhang mit der Aussage von Justizministerin Miklautsch, dass Sozialbetrug kein Kavaliersdelikt sein darf, schnell Verschärfung der Sanktionen gegen das Schwarzunternehmertum und die Aufnahme des organisierten Sozialbetrugs als strafrechtlichen Tatbestand ins Strafgesetzbuch. »Denn Schwarzunternehmertum schädigt die -Sozialversicherung und die öffentliche Hand. Zudem werden die betroffenen Arbeitnehmer geschädigt, da sie meist zu wenig Entlohnung für ihre Arbeit bekommen und um ihre sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche umfallen«, so Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB.

Konkret fordert der ÖGB:

  • Einführung des Strafrechtsbestandes »Sozialbetrug«;
  • wirksame Kontrollmöglichkeiten nicht angemeldeter Beschäftigung durch die Verpflichtung, Arbeitskräfte sofort bei Arbeitsbeginn zur Sozialversicherung anzumelden;
  • höhere Strafsätze im Verwaltungsrecht bei illegaler Beschäftigung;
  • Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils bei jenen, die Profite aus der illegalen Beschäftigung ziehen;
  • Ausweitung der personellen Ressourcen der Kontrollbehörden;
  • stärkere Haftung der Generalunternehmer bei illegaler Ausländerbeschäftigung, bei Nichteinhaltung der Arbeitsbedingungen und Nichtabfuhr der Sozialversicherungsbeiträge durch die Subunternehmer.
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W. L. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842219690 Standpunkt | Hochzufrieden im Alptraum leben? Ja, Sie sehen richtig, es ist eine Pfandleihanstalt. Fernseher, Stereoanlagen, Schmuckstücke stapeln sich hier. So finanzieren verzweifelte und sehr kranke Menschen ihre Behandlung in unserem Krankenhaus der Zukunft. Sie machen das, weil sie entweder gar keine oder keine ausreichende Versicherung haben.

Finden Sie diesen Blick in die Zukunft zu schwarzseherisch? Das Land der Zukunft sind die USA, die Vereinigten Staaten von Amerika. Dort sind derartige Zustände schon gang und gäbe. Was, das glauben Sie nicht, das finden Sie übertrieben?

Also bitte, wie Sie wissen, ist »Die Presse« eine bürgerlich konservative und ganz sicher keineswegs linkslastige Zeitung. Dort finden Sie am 17. 9. einen Beitrag mit dem Titel: »USA - Fernseher für eine Operation: Die Pfandleihe im Spital.« Unter anderem können Sie dort lesen, dass 15 Prozent der Amerikaner keine Krankenversicherung haben. 15 Prozent sind immerhin 45 Millionen Menschen, die im Krankheitsfall vor einer existentiellen Katastrophe stehen.

Diese Dinge sind wohl schwer zu begreifen. So hat mir vor kurzem ein befreundeter Arzt rundheraus erklärt: »Das glaubst du wohl selber nicht!« Dabei habe ich nichts anderes gemacht, als versucht, ihm diese zugegeben sehr düstere Zukunft auszumalen. Ich mochte es nicht glauben, muss aber wohl, angesichts all dieser Vorzeichen.

Bruno Kreisky hat seinerzeit einmal gesagt, er hätte den Eindruck, die Banken und die Versicherungen hätten unser Land schon übernommen. Er war sehr scharfsichtig, der alte Herr.

Jedenfalls ist es wohl so, geschätzter Leser, dass es eine Seite gibt, die nur profitieren kann, wenn unser System der sozialen Sicherung nachhaltig ruiniert wird, wenn unsere Krankenversicherung immer weniger ausreicht und wenn die Menschen in unserem Land generell verunsichert sind. Für Qualtingers Herrn Karl war ein Packerl Aspirin ausreichend. Wir alle tun wohl gut daran, jetzt schon fleißig zu sparen, weil wir ja einmal krank werden könnten.

Vielleicht sollten wir alle Versicherungsmakler werden? Ist das eine Alternative? Jedenfalls ist es ein Boom. Ich will Sie gewiss nicht pflanzen, aber haben sie vielleicht Versicherungsaktien?

Tja, was nun die Banken betrifft, so haben wir da zum Beispiel die Weltbank. Die Weltbank macht sich Sorgen. Sorgen um unser Bruttoinlandsprodukt. In unseren BIP ist nämlich ein zu hoher Anteil an Pensionskosten: 15 Prozent. Das mache uns zunehmend wettbewerbsunfähig, heißt es.

An ihre Rüge schließt die Weltbank eine Forderung an. Gefordert wird ein schneller Umstieg auf das Kapitaldeckunsverfahren, also auf private Pensionsvorsorge.

Die Chicago Boys von der Weltbank machen dann Systemvergleich und sagen, das zum Beispiel die USA oder Großbritannien viel weniger für die Pensionen ausgeben. Ja, Herrschaftsseiten, Leute, natürlich ist der Anteil der Pensionskosten am BIP dort geringer. Die Höhe der staatlichen Pensionen hängt wohl auch von den Einzahlungen ab, welche bei uns deutlich höher sind als in diesen Ländern. Aber das ist denen von der Weltbank wurscht. Ihre Sorge sind ja nicht die Bedürfnisse der Bürger, sondern die Gewinne der Banken. Dort liegen ihre Interessen und das liegt ihren Interessenten am Herzen: Profit, Profit, Profit.

Uns naiven Normalverbrauchern, uns Arbeitnehmern und unseren Familien ist schon längst der offene Wirtschaftskrieg erklärt worden!

Die Weltbank kennen wir übrigens als offene Unterstützer von Diktaturen wie dem Chile von Pinochet, oder als jene, die dem seinerzeitigen Jugoslawien ein Wirtschaftsprogramm aufgedrückt haben, das zu einer enormen Inflationsrate und neben den ethnischen Gründen auch zum Krieg geführt hat. Allein was sie in Russland angerichtet haben, ist sagenhaft. Oberstes Ziel dieser Institution ist die rigorose Öffnung der Märkte. Die materielle Lebensgrundlage der Menschen steht auf dem Spiele - doch was für sie zählt, ist nur der maximale Profit.

Streichung von Feiertagen, Ausweitung der Wochen-, Monats- und Lebensarbeitszeit, überfallsartiger Pensionsverlust oder besser Pensionsraub, sinkende Reallöhne und steigende Steuern und Abgaben und und und.

Sollen wir die Augen ganz fest zumachen und uns vorsagen: »Es ist nicht wahr, es ist nicht wahr!« Dieser Albtraum ist leider Wirklichkeit.

Und was sagt der Herr Sozialminister: »Die Arbeitnehmer und ihre Vertreter sind hochzufrieden, sonst hätten sie schon was getan ...«. Hat er Recht? Hat er wirklich Recht?

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz (Chefredakteur) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842219635 Armutsfalle oder Zukunftschance? Sozialpolitik in den USA Derzeit scheint die US-amerikanische Wirtschaft etwas schneller aus der Rezession herauszufinden als Europa. Wie so oft in den vergangenen beiden Jahrzehnten wird der angeblich so starre europäische Sozialstaat dafür verantwortlich gemacht, dass die europäische Wirtschaft zu »unflexibel« wäre und der Konjunkturmotor daher nicht anspringen könne. Wie berechtigt ist dieser Vorwurf und welche Vor- und Nachteile haben denn nun wirklich die Sozialsysteme diesseits - und jenseits des Atlantiks?

In der Februar-Nummer dieses Jahres der »Arbeit&Wirtschaft« fand sich eine sehr ausführliche Beschreibung zum US-amerikanischen Sozialstaat. Die Details zum System finden sich also dort. Hier sollen nun die wichtigsten Ergebnisse einer Studie wiedergegeben werden, die ich im Herbst 2003 publiziert habe.1)

Unterschiedliche Entwicklung

Die USA unterschieden sich von Anbeginn an von Europa in der Entwicklung ihrer Sozialsysteme: In den USA hatte es keinen Feudalismus gegeben, der einerseits erste Formen der sozialen Verantwortung für die »Untertanen« ausgebildet hätte, und andererseits wie in Europa den Grundstein für den Klassenkampf gelegt hätte. Es hatte sich aber vor allem keine tragfähige Arbeiterbewegung herausgebildet, die wie in Europa Demokratie und Sozialpolitik gleichzeitig vorangetrieben hätte. Im 20. Jahrhundert hatte es zwar durch das New Deal (in den 1930er-Jahren) und die Great Society (in den 1960er-Jahren) eine leichte Annäherung an Europa gegeben, spätestens seit den 1980er-Jahren unter Reagan entfernte sich das US-Sozialsystem zunehmend vom europäischen Sozialmodell.

Es gibt zwar auch innerhalb Europas bzw. innerhalb der EU verschiedene sozialstaatliche Modelle mit unterschiedlichen Ergebnissen, gemeinsam ist ihnen aber allen bislang, dass umfassender Sozialschutz ein Grundrecht darstellt.

Wenig bundeseinheitliche Sozialpolitik in den USA

In den USA gibt es als bundesweit einheitliche staatliche Sozialpolitik eigentlich nur die Pensionsversicherung (social security), die tatsächlich große Teile der Bevölkerung umfasst.

Die staatliche Gesundheitspolitik in den USA umfasst hingegen nur die Armen und die Alten, wobei allerdings 32% der armen Bevölkerung bzw. 16% aller US-AmerikanerInnen gar nicht versichert sind. Das US-amerikanische Gesundheitssystem ist gleichzeitig in Summe wesentlich teurer als das europäische, da es Spezialmedizin für privilegierte Gruppen bietet (und die ÄrztInnen noch dazu gezwungen sind, sich enorm hoch gegen Schadenersatzklagen zu versichern). Das Problem der ungleichen Verteilung der Gesundheitsleistungen auf die Bevölkerung wirkt sich durchaus sichtbar auf das Ergebnis aus (siehe Tabelle 1: »Das Gesundheitswesen im Vergleich«).

Das Gesundheitswesen im Vergleich 1
   Öffentliche Gesundheits-ausgaben Private Gesundheits-ausgaben Gesundheits-ausgaben pro Kopf Lebenserwartung bei Geburt AIDS-Rate
in % des BIP in US-$ Jahre %
Schweden 6,7 1,3 1.707 79,3 0,08
Niederlande 6,0 2,5 1.974 77,9 0,19
Deutschland 7,9 2,6 2.488 77,3 0,10
Österreich 5,8 2,4 1.978 77,7 0,23
Italien 5,6 2,6 1.830 78,2 0,35
Frankreich 7,3 2,3 2.102 78,1 0,44
Großbritannien 5,9 1,1 1.532 77,2 0,11
USA 5,8 7,3 4.180 76,5 0,61
Quelle: UNO 2002

Die Arbeitslosenversicherung in den USA ist Angelegenheit der einzelnen Bundesstaaten und sehr unterschiedlich ausgestaltet, gleiches gilt für die Armuts- und Wohnpolitik. Familienpolitik im europäischen Sinn gibt es in den USA überhaupt nicht.

Träger der Sozialpolitik

Aus einem anderen Blickwinkel kann man sich ansehen, wer in Europa und wer in den USA zuständig für Sozialpolitik ist (siehe Tabelle 2: »Brutto- und Nettosozialausgaben 1997«).

Brutto- und Nettosozialausgaben 1997
(in % des BIP)
2
   Öffentliche Sozialausgaben Gesamte Sozialausgaben
Brutto Netto Brutto Netto
Schweden 35,7 28,5 39,1 30,6
Niederlande 27,1 20,3 32,6 24,0
Deutschland 29,2 27,2 31,6 28,8
Österreich 28,5 23,4 30,3 24,6
Italien 29,4 24,1 30,1 25,3
Frankreich (keine Angaben) - - -
Großbritannien 23,8 21,6 28,0 24,6
USA 15,8 16,4 24,6 23,4
Quelle: OECD 2003

Tabelle 2 zeigt für ausgewählte europäische Länder und die USA, wieviel für Sozialangelegenheiten ausgegeben wird, sowohl von der öffentlichen Hand als auch privat. Es wird dabei unterschieden zwischen Brutto- und Nettoausgaben: Zweitere enthalten die Sozialabgaben und die Steuern auf Sozialleistungen ebenso wie steuerliche Vergünstigungen aufgrund bestimmter sozialer Tatbestände.

Der wichtigste Träger der Sozialpolitik ist in Europa der Staat, in den USA hat der Staat ebenfalls einen wichtigen Einfluss - allerdings sehr indirekt: Es gibt Absetzmöglichkeiten für private Versicherungen oder Kinderbetreuung, es gibt Kreditgarantien für Hauskauf, es gibt staatlich geförderte Ansparmöglichkeiten für die Finanzierung der Ausbildung etc. Diese »sozialpolitischen« Förderungen helfen allerdings wesentlich stärker der Mittel- und Oberschicht als den ärmsten Einkommensgruppen. Staatliche Sozialpolitik in den USA bedeutet also zu einem nicht unbeträchtlichen Teil eine Verteilung öffentlicher Mittel nach oben.

Privatwirtschaft

Eine besonders wichtige Rolle hat in den USA aber schon immer die Privatwirtschaft auch in sozialen Belangen gespielt. Einerseits erfolgt ein Großteil der Abdeckung sozialpolitischer Risiken über private Versicherungen, andererseits sind insbesondere in den größeren Unternehmen die MitarbeiterInnen über betriebliche Sozialpakete abgesichert. Diese betrieblichen Sozialleistungen wurden aber in den vergangenen Jahren deutlich zurückgeschraubt und dienen heute eher dazu, die hochqualifizierten MitarbeiterInnen im Unternehmen zu halten. Dieses System hat also eigentlich nur dann am besten und am umfassendsten funktioniert, als es auch in den USA die Regel war, ein Leben lang bei einem Unternehmen einen Vollzeitjob zu haben und die Konjunkturschwankungen nicht zu groß waren (siehe Tabelle 3: »Betriebliche Sozialabsicherung in den USA«).

Einkommensverteilung
Die reichsten 10% verdienen ... mal so viel wie die ärmsten 10%
4
  70er-Jahre 80er-Jahre 90er-Jahre
Schweden 2,8 2,6 2,7
Niederlande 2,7 2,8 3,2
Deutschland - 3,3 3,7
Österreich - 2,9 3,0
Italien - 3,8 4,6
Frankreich - 3,8 4,6
Großbritannien 3,1 3,6 4,1
USA 4,9 5,7 5,5
Quelle: Förster; Pearson 2002
Armut
Armutsquoten in Prozent der Bevölkerung
5
Mitte der 80er Mitte der 90er Langzeitarbeitslosigkeit
Schweden 5,3 6,4 1,1
Niederlande 3,4 6,3 0,8
Deutschland 6,4 9,4 1,8
Österreich 6,1 7,4 -
Italien 10,3 14,2 -
Frankreich 8,0 7,5 -
Großbritannien 6,9 10,9 6,1
USA 18,3 17,0 4,6
Quelle: OECD 2003

Das Auseinanderdriften der Einkommen in den USA geht inzwischen so weit, dass namhafte US-amerikanische Ökonomen das Entstehen einer Plutokratie sehen. Die Mittelschicht wird ausgehöhlt, während das oberste Prozent bzw. Zehntelprozent in den letzten Jahren aberwitzige Einkommenssteigerungen erfuhren. Diese Superreichen kaufen sich Politiker, Medien und die öffentliche Meinung und modellieren sich das Steuersystem zu ihren Gunsten. Die Moral dieser Gruppe lässt sich mit »anything goes« zusammenfassen (in etwa »alles ist erlaubt«).

USA - Nachzügler oder Vorbild?

Sind die USA nun ein Nachzügler in dem Sinn, dass die sozialpolitischen Outputs in Europa höher liegen oder ein Vorreiter bzw. Vorbild in dem Sinn, dass Europa erst lernen muss, neben der nationalstaatlichen Sozialpolitik noch andere Varianten sozialen Handelns zu lernen?

Die genannte Studie, die natürlich noch wesentlich tiefer ins Detail geht als hier ausgeführt, legt den Schluss nahe, dass die Antwort »weder-noch« heißt. Es handelt sich um unterschiedliche Systeme mit unterschiedlicher Geschichte. Während in den USA umfassende Sozialpolitik im 20. Jahrhundert von der Bundesebene nach unten gesickert ist (es wurden immer mehr Kompetenzen von Bundesebene an die einzelnen Bundesstaaten abgegeben), haben sich in Europa nationalstaatliche Sozialsysteme unterschiedlichster Prägung etabliert, und erst heute beginnt die Diskussion, welche Kompetenzen auf EU-Ebene verlagert werden sollten.

Es ist zurzeit unvorstellbar, dass sich die USA an dem europäischen Sozialmodell orientieren würden. Zu sehr wird die Politik von Gruppierungen bestimmt, die Werte wie Solidarität als Hemmschuh sehen und die von der eigenen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft als bestes Sprungbrett nach oben überzeugt sind. Außerdem wird in den USA seit jeher dem Staat misstraut. Die traditionellen Werte stellen wesentlich stärker darauf ab, »sein Leben selbst in die Hand zu nehmen«.

Demgegenüber steht die europäische Sicht, dass der Wohlfahrtsstaat die Freiheit des Einzelnen erhöhe, da man sich einerseits nicht selbst um die Absicherung der eigenen sozialen Risiken kümmern müsse, und man andererseits wisse, dass sich um die Ärmeren gekümmert wird. Während nämlich US-Amerikanern am ehesten in sozialpolitischen Belangen die Chancengleichheit (also die Ausgangsposition) wichtig ist, ist für die EuropäerInnen das Ergebnis sozialpolitischen Handelns (ausgeglichenere Einkommen, geringere Armut, etc.) wichtig.

Vorbilder in Europa

Daher sollte sich auch Europa seinerseits nicht zu sehr an den USA orientieren. Es gibt innerhalb Europas genügend Vorbilder. So schneiden die skandinavischen Staaten bei den meisten Wohlstandsindikatoren nach wie vor am besten ab (neben den bereits genannten betrifft dies auch die gesellschaftliche und materielle Position von Frauen, die Verteilung von Bildungschancen und -erfolgen und das allgemeine soziale Wohlbefinden). Nachzügler in Bezug auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und insbesondere die Bedeutung der Wissensgesellschaft sind hingegen die eher »konservativ« orientierten Staaten Kontinentaleuropas (Deutschland, Österreich und die Mittelmeerländer). Sie werden zu sehr durch ihre vergangenheits-orientierte Sozialpolitik belastet. Während die angelsächsischen Länder voll auf Ausbildung setzen, haben die Skandinavier einen Mix, der Solidarität mit den Schwächeren in der Gesellschaft mit Verantwortung für die Zukunft nachhaltig vereint.

1) »USA und Europa - Ein Vergleich der Sozialsysteme«, veröffentlicht beim Österreichischen Institut für Internationale Politik, Arbeitspapier 46, Dezember 2003


F A Z I T

Keinesfalls sollte es in Europa zu einem Abbau des Sozialstaates kommen. Ein umfassender Sozialstaat, dem der Sozialschutz als Bürgerrecht zugrunde liegt, ist eines der wesentlichen konstitutiven Elemente Europas. Über einen Umbau darf und muss hingegen diskutiert werden, fernab von budgetären Rotstiften. Staaten, in denen sozialpolitische Verantwortung in höherem Ausmaß noch immer den Familien aufgebürdet wird, haben für die Zukunft weniger Chancen als jene, die ihre staatliche Verantwortung im Bildungsbereich wahrnehmen und offensiv die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der Aufteilung ihrer wirtschaftlichen, politischen und familiären Aufgaben fördern. Dies können sich sowohl Europa als auch die USA ins Stammbuch schreiben.

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Agnes Streissler (Mitarbeiterin in der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842219522 Ökonomie der flexiblen Arbeit Rosa R. ist Redakteurin einer Internet-Plattform. Als Mitarbeiterin eines Forschungsinstituts wurde die 35-Jährige vor zwei Jahren aufgrund von Einsparungsmaßnahmen gekündigt.

Da ein reguläres Anstellungsverhältnis für die promovierte Historikerin und Absolventin romanischer Sprachen nicht zu finden ist, arbeitet sie nun als Neue Selbständige, projektbezogen und auf Honorarbasis. Obwohl Rosa R. inhaltlich ähnliche Arbeit verrichtet, unterscheiden sich die Umstände ihrer neuen Tätigkeit doch erheblich von der bisherigen.

Ihre Arbeit verrichtet sie zu Hause, Büroräume kann sich das knapp budgetierte Internet-Projekt nicht leisten. Mit ihren Arbeitskollegen kommuniziert sie per Telefon und hauptsächlich per E-Mail. Seit drei Monaten bekommt sie kein Geld überwiesen, der Antrag zur Projektverlängerung wartet im zuständigen Ministerium auf Bearbeitung.

Netto wird Brutto

»Natürlich machen wir trotzdem weiter, damit alle Voraussetzungen vorhanden sind, um die Zukunft unseres Projekts zu sichern, nebenher bemühen wir uns um alternative Finanzierungsmöglichkeiten«, sagt Rosa R. Bisher wurde ihre Arbeit mit einem monatlichen Brutto-Honorar im Wert ihres früheren Netto-Gehalts vergütet, von dem sie die Kosten für die Sozialversicherung nun selbst übernehmen muss. Ihr Geld erhält sie nur mehr zwölfmal im Jahr, Gehaltserhöhungen sind nicht vorgesehen.

Außerdem müssen die Kosten für die Infrastruktur wie Computer und Zubehör, Internetanschluss und Telefonkosten inklusive Wartung selbst bestritten werden.

Auch für allfällige Ausgaben wie etwa Portokosten für den Buchversand muss sie selbst aufkommen. Zusätzlich zu ihrer Arbeit befasst sich Rosa R. nun plötzlich mit Angelegenheiten, die an ihrem alten Arbeitsplatz von anderen Abteilungen übernommen wurden, etwa vom Netzwerktechniker oder vom Lohnverrechnungsbüro.

Beratungszentrum Flexpower

Auf Fragen der Buchhaltung, des Sozialversicherungs-, Steuer- und Vertragsrechtes sind atypisch Beschäftigte meist nicht vorbereitet. Seit November 2001 verfügt das ÖGB-Beratungszentrum über eine gewerkschafts- und branchenübergreifende Beratungsstelle für Neue Selbständige und Freie Dienstnehmer, die in diesen Fragen Hilfestellung bietet. Entstanden ist »Flexpower« aus einem Forschungsprojekt, das zunächst mit einer Studie von ÖGB und AK verbunden war, mittlerweile ist das Beratungsprojekt etabliert und Anlaufstelle für all jene, die zunehmend aus dem regulären Arbeitsmarkt gedrängt werden.

Dabei sind es längst nicht nur Akademiker, die von der Prekärisierung der Arbeitsverhältnisse betroffen sind, weil im Zuge der Sparmaßnahmen öffentliche Institutionen und NGO´s vermehrt auf die Möglichkeit atypischer Beschäftigung zurückgreifen. Inzwischen formiert sich im Zuge der europaweiten Zurückdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse quer durch alle Branchen die Kategorie Dienstnehmer zweiter Klasse.

Mehr als eine Million Menschen sind laut der Studie von AK und ÖGB bereits atypisch beschäftigt, besonders hoch sind die Zahlen demnach im wirtschaftlich-kaufmännischen Bürobereich, in der Erwachsenenbildung, im Journalismus, in den Bereichen Sport, Kunst und Design, Werbung, PR und Marketing, in Wissenschaft und Technik sowie in der EDV-Branche. Aber selbst im Gesundheitswesen gibt es Überraschungen: So vermittelt ein Schwesternpool freiberufliche Krankenschwestern an Krankenhäuser mit Personalmangel, dabei werden Ausländerbeschäftigungs-, Nachtschutz- und Arbeitszeitgesetz umgangen und Kollektivverträge unterwandert.

Freie Dienst- und Werkverträge

Immer häufiger leisten sich Unternehmen nur mehr eine kleine Kernbelegschaft »normaler« Anstellungen und vergeben stattdessen freie Dienst- und Werkverträge. In der dienstnehmerähnlichen Werkvertragsregelung wurde 1996 erstmals der Anspruch auf Sozialversicherung erhoben und mit Beginn 1998 die gesetzliche Grundlage zur Differenzierung im Sozialrecht geschaffen, die der Wirtschaft die flexiblere Gestaltung von Arbeitsverträgen ermöglicht. Neben dem Normalarbeitsverhältnis, das von Kriterien wie Weisungsgebundenheit und Vorgaben von Ort und Zeit der Arbeit bestimmt ist, gibt es seither die Möglichkeit des freien Dienstvertrages, der zwar einem regulären Arbeitsverhältnis ähnlich ist - so dürfen die Betriebsmittel genutzt werden und die Arbeit darf nicht an Dritte weitergegeben werden-, allerdings besteht keine Anwesenheitspflicht, die Arbeitszeiten sind flexibel gestaltbar und der Beschäftigte darf für mehr als einen Arbeitgeber gleichzeitig arbeiten. Demgegenüber steht die Mitbeteiligung an den Kosten der Sozialversicherung. Freie Dienstnehmer sind über das ASVG versichert und berappen 13,8 Prozent ihres Entgelts für Kranken- und Pensionsversicherung, der Arbeitgeber trägt mit 17,2 Prozent dazu bei.

Neue Selbständige

»Neue Selbständige« bestreiten ihren Lebensunterhalt als Werkvertragsnehmer ohne Gewerbeschein. Ihre Arbeitsleistung muss nicht persönlich erbracht werden, Arbeitsort und -zeit kann frei gewählt werden, die Betriebsmittel müssen selbst zur Verfügung gestellt und auch das Erfolgsrisiko selbst getragen werden. Als Selbständige müssen sie bei der Gewerblichen Sozialversicherungsanstalt für den vollen Versicherungsbetrag für Kranken- und Pensionsversicherung aufkommen: 23,9 Prozent ihres Gewinns, die monatliche Mindestbeitragsgrundlage liegt in den ersten drei Jahren bei 141,07 Euro. Hinzu kommt noch die Unfallversicherung von 83,16 Euro im Jahr.

Risiko

Gerade im Niedrigverdienstsegment ist dieser Betrag eine Hürde. Häufig ist die Pensionsversicherung nicht finanzierbar: Erreicht man nicht die steuerliche Veranlagungsgrenze von 6453,- Euro Jahresgewinn, gibt es zwar dennoch die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung zu 48,40 Euro monatlich, aber die Pensionsversicherung entfällt. Bezieht man einmal Arbeitslosengeld oder Notstand, ist es oft sicherer, den Vorteil der Sozialversicherung weiterhin zu genießen, als das Risiko der neuen Selbständigkeit einzugehen, selbst wenn es Arbeit gibt, die über der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

In den letzten fünf Jahren hat sich die Anzahl der freien Dienstverträge um das Anderthalbfache erhöht, seit Ende desselben Jahres ist die Zahl der Neuen Selbständigen auf das Vierfache angestiegen, so das Studienergebnis von »Flexpower«. 60 Prozent der Befragten geben demnach an, diese Beschäftigungsform nicht frei zu wählen, 50 Prozent streben ein reguläres Arbeitsverhältnis an. Auffallend ist auch, dass Frauen, insbesondere bei Werkverträgen, stark überrepräsentiert sind. Und 59 Prozent stammen aus der Altersgruppe der 26- bis 35-Jährigen.

Caroline S.

Der Berufseinstieg gestaltet sich zunehmend über Formen der atypischen Beschäftigung, begleitet von der Hoffnung, über die Akzeptanz der Scheinselbständigkeit irgendwann einmal das Schlupfloch in ein festes Anstellungsverhältnis zu finden. Nicht selten stellen sich diese Hoffnungen als Schimäre heraus und die Betroffenen arbeiten über Jahre hinweg in unterschiedlichen Formen der Beschäftigung jenseits des Normalarbeitsverhältnisses.

Rosa R.s Studienkollegin Caroline S. verdient ihren Lebensunterhalt seit der Rückkehr von einem längeren Auslands-aufenthalt vor vier Jahren als »post-studentische« Patchworkerin: Neben einer geringfügigen Beschäftigung in einer Bibliothek setzt sich ihr Einkommen aus journalistischer Tätigkeit für verschiedene Printmedien, allfälligen Lektoratsarbeiten und gelegentlichem Übersetzen und Dolmetschen im semiprofessionellen Bereich zusammen, wo die Honorare vergleichsweise gering sind. »Intellektuelle Gelegenheitsarbeit«, erklärt Caroline S. »Man braucht eine Menge von Qualifikationen, die man, wie zum Beispiel Sprachen, auch auf dem Laufenden halten muss, um sie dann je nach Bedarf des Marktes rasch aus dem Ärmel zu schütteln. Schwierig sind vor allem die Terminkollisionen. Unterschiedliche Auftraggeber nehmen bei termingebundenen Aufträgen wie Zeitungsartikel oder Lektoratsarbeit keine Rücksicht darauf, dass man mehreren Auftraggebern im Wort steht.«

Mutterschutz, Urlaubs- oder Krankengeld?

Bringen die flexiblen Formen der Beschäftigung für manche Gruppen, die nur zum Teil auf eigenes Einkommen angewiesen sind, wie etwa Studenten, Mütter oder Pensionisten, auch Vorteile, so spüren jene, die sich um ein Vollzeiteinkommen bemühen und in ihrer Branche mit denen konkurrieren, die über die Privilegien einer festen Anstellung verfügen, überwiegend gravierende Nachteile. Sie haben kein Anrecht auf Mutterschutz, Urlaubs- oder Krankengeld und sind nicht arbeitslosenversichert.

Die Kostenminimierung auf Seiten der Auftraggeber durch geringere (bei freien Dienstverträgen) oder gar keine (bei Werkverträgen) Sozialversicherungsbeiträge und durch das Fehlen von kollektivvertraglich geregelten Mindestsätzen schlägt sich auf der Seite der atypisch Beschäftigten finanziell nieder: Der durchschnittliche Nettoverdienst liegt bei 7,73 Euro pro Stunde. Zudem schwankt bei den Neuen Selbständigen die Arbeitszeit und damit das von der Auftragslage abhängige Einkommen beträchtlich. Eine häufige Begleiterscheinung ist die schlechte Zahlungsmoral.

Die Angst ist groß

Die angespannte Arbeitsmarktlage lässt viele Betroffene von Konsequenzen absehen, sie macht es de facto auch vielfach unmöglich, sich gegen den Status der Scheinselbständigkeit zu wehren und vom Auftraggeber jene Rechte einzufordern, die »Flexibilität« der Neuen Selbständigen ausmachen würden: flexible Arbeitszeiten, Weisungsfreiheit und die Möglichkeit, Aufträge an Dritte weiterzugeben. Die Angst vor dem Verlust von Folgeaufträgen ist zu groß. Bei vier Fünftel aller freien Dienstverträge handelt es sich nach einer Schätzung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger um Umgehungsverträge. 80 Prozent der freien Dienstnehmer arbeiten tatsächlich nur für einen einzigen Arbeitnehmer.

»Bei 800.000 Betroffenen, die mindestens einmal pro Jahr arbeitslos werden, haben die Firmen freie Hand«, meint Elisabeth Rolzhauser, die Projektkoordinatorin von »Flexpower«. In letzter Zeit beobachtet sie einen auffallenden Trend hin zur problematischen Vertragsgestaltung. »Besonders im niedrig qualifizierten Sektor werden die Arbeitsverträge immer schlimmer.«

Erich B.

Zum Beispiel Erich B.: Als Einzelhandelskaufmann kann er in seinem erlernten Beruf keine Arbeit mehr finden. Um dennoch Geld zu verdienen, arbeitet der 22-Jährige als Fahrer für einen Botendienst.

Obwohl er geregelte Arbeitszeiten hat, muss er einen Werkvertrag unterschreiben, in dem die Entlohnung mit 40 Prozent des Umsatzes festgelegt wird, und darüber hinaus einen Zusatzvertrag, in dem er sich verpflichtet, für alle Wartungskosten und allfällige Schäden des ihm zur Verfügung gestellten Lkw selbst aufzukommen.

Nach seiner zweiten Arbeitswoche kommt Erich B. in die Beratungsstelle »Flexpower«: Da das Auto während der ersten Woche in der Werkstatt stand, konnte Erich B. zwar bisher erst 80 Euro verdienen, soll aber bereits einen Schaden von 2000 Euro begleichen, dessen Verschulden nicht eindeutig feststellbar ist.

Perfidie im Kleingedruckten

Häufig werden Arbeitswillige mit kompliziert formulierten Verträgen konfrontiert, unter die sie dann rasch ihre Unterschrift setzen, um sich den Auftrag zu sichern.

Zur Schadensbegrenzung ist es im Nachhinein auch mit fachgerechter Beratung oft zu spät. Die Arbeitsverträge nehmen an Umfang zu, beobachtet Elisabeth Rolzhauser. Die Perfidie verbirgt sich im Kleingedruckten. So wies ein Satz am Ende des dreiseitigen Werkvertrags der Schaufensterdekorateurin Angelika N. darauf hin, dass das vereinbarte Honorar verfällt, sofern nicht innerhalb von drei Monaten nach der Rechnungslegung erneut zur Zahlung aufgefordert wird. Oder die Haftungsklausel im Werkvertrag der promovierten Akademikerin Marion S., die in leitender Position einer Werbeagentur für einen Brutto-Stundensatz von neun Euro arbeitet: Im Fall von Rufschädigung im Zuge einer Werbekampagne ist sie zu Schadenersatz verpflichtet.

»Der Begriff des Arbeitnehmers muss neu gestaltet werden«, mahnt Rolzhauser, »er muss sich eindeutig von der Selbständigkeit unterscheiden und an der Frage der wirtschaftlichen Abhängigkeit orientieren, ich denke da an die zahlreichen Fälle, wo tatsächlich nur ein Arbeitgeber vorhanden ist.« Auch wenn die Flexibilisierung der Arbeitswelt fixe Vorgaben von Arbeitszeit und -ort vielfach nicht mehr zeitgemäß erscheinen lassen, ändert das allzu oft nichts am Status der Abhängigkeit des Beschäftigten.

Schutz gefordert

Darüber hinaus fordern Interessenvertretungen wie ÖGB, AK und GPA auch für atypisch Beschäftigte den Schutz des Sozialrechts hinsichtlich des Kranken- und Arbeitslosengeldes. Zurückgezogen aus dem Begutachtungsverfahren wurde ein Gesetzesentwurf zur Arbeitslosenversicherung, der die Versicherung auf freiwilliger Basis vorsieht, mit fünfjähriger Bindung an die einmal getroffene Entscheidung, und der die Beiträge zur Gänze den Arbeitnehmern anlastet. Das würde für die Betroffenen weitere Abzüge von sechs Prozent ihres Entgelts bedeutenden.

Gefordert wird ein Beitrags-Splitting zu gleichen Teilen zwischen Dienst- bzw. Auftraggeber und Dienst- bzw. Auftragnehmer sowie die Verpflichtung zur Arbeitslosenversicherung, um ein Finanzierungsproblem zu vermeiden, das entstehen würde, wenn sich nur gut Verdienende oder Beschäftigte mit hohem Risiko, arbeitslos zu werden, Versicherungsbeiträge leisten würden.

Verbesserungen

Weitere notwendige Schritte zur Verbesserung sehen die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer in der Einbeziehung der Freien Dienstnehmer und neuen Selbständigen in das Arbeitsrecht: Derzeit gibt es etwa keine verbindlichen Mindestnormen für Honorare, also keine Verdienstuntergrenze für atypisch Beschäftigte. Auch sind die Kompetenzen des Betriebsrates limitiert: für Freie Dienstnehmer und Neue Selbständige ist er nicht zuständig.

Zudem gibt es für Unternehmen, die Normalarbeitsverhältnisse bewusst umgehen, keinerlei gesetzliche Sanktionen. Der Straftatbestand »Sozialbetrug« ist daher ein weiterer Punkt im Katalog der Forderungen seitens der Interessenvertreter.

Aufklärung der Gesellschaft

Ein wichtiges Anliegen von »Flexpower« ist die Aufklärung der Gesellschaft. Für viele wäre die Bewältigung der Arbeitssituation leichter, wenn sie darauf vorbereitet wären.

»Eigentlich müsste man schon in der Schule damit beginnen, Wissen über die Arbeitswelt zu vermitteln«, meint Rolzhauser. Erst zweimal habe sie in Schulen referiert. »Offenbar ist es kein Wunsch der Politik und Gesellschaft, zu informieren.« Dass zur Bewusstseinsbildung noch ein Stück politische Arbeit zu leisten ist, zeigte eine Demonstration der atypisch Beschäftigten Anfang April anlässlich des Gesetzesentwurfes zur Arbeitslosenversicherung, als ein zaghaftes Häuflein durch die Wiener Innenstadt zog.

Häufig sehen Betroffene in ihrer unbefriedigenden Arbeitssituation eigenes Versagen oder betrachten sie als Übergangszeit hin zu einer festen Anstellung, die sich mit Geduld und Glück finden wird. Dass unter den veränderten Bedingungen der Arbeitswelt auch die Beschäftigten auf neue Wseise Position beziehen müssen, muss erst ins kollektive Bewusstsein dringen.

R E S Ü M E E

Verschärfte Wettbewerbsbedingungen am Arbeitsmarkt ermöglichen »atypische« Formen der Beschäftigung, die einen Rückschritt hinter die Errungenschaften der Gewerkschaften im Bereich des Arbeitsrechtes und der Sozialpolitik bedeuten. Als freie Dienstnehmer oder über Werkverträge Beschäftigte sind häufig nicht freiwillig selbständig und in der Praxis weniger frei als ihnen suggeriert wird.

Neue Formen der Solidarisierung der quer durch alle Branchen Betroffenen sind gefragt, aber auch die Sensibilisierung der Gesellschaft. Die Forderung von ÖGB und AK nach einer verpflichtenden Arbeitslosenversicherung ist hier ein erster Schritt in die richtige Richtung. Eine Neudefinition des Begriffs des »Arbeitsnehmers«, der ausschließlich die wirtschaftliche Abhängigkeit im Blick hat, müsste auch weitere sozial- und arbeitsrechtliche Konsequenzen ermöglichen.

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Gudrun Braunsperger (Freie Publizistin in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842219455 Die Einkommensunterschiede weiten sich aus Arbeit&Wirtschaft: Kollegin Lehner, du wurdest kürzlich in das Präsidium der AK Wien gewählt und hast so den Frauenanteil dort signifikant gehoben. Du bist Zentralsekretärin der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst. Die jetzige Leitende Sekretärin des ÖGB, Roswitha Bachner, war deine Vorgängerin. Wir würden gern von dir etwas über deine Arbeit erfahren.
Renate Lehner: Um von vorne zu beginne: Ich habe in der Gewerkschaft der Lebens- und Genussmittelarbeiter, der damaligen LUGA, zu arbeiten begonnen. Dort war ich einerseits Fachgruppensekretärin für Konserven- und Tiefkühlindustrie, andererseits auch in der Frauenarbeit tätig. Durch großen Einsatz ist es mir sogar gelungen, den Frauenanteil in der Gewerkschaft LUGA zu erhöhen. Das war nicht einfach, denn die LUGA war damals - wie die Nachfolgegewerkschaft ANG heute - aufgrund der Berufsbilder und der Industriebetriebe ziemlich männerdominiert. Es gab auch viele männliche Funktionäre.

 

Wie macht man das, dass man die Frauen speziell ansprechen kann?
Durch viel Lobbying - und so direkt wie möglich. Ich bin in ganz Österreich herumgefahren und habe versucht, Frauen für die gewerkschaftliche Arbeit zu gewinnen. Und ich denke, das ist mir ganz gut gelungen. Dann wurde Roswitha Bachner im Jahr 2000 zur Leitenden Sekretärin des ÖGB bestellt. Rudolf Kaske hat mich daraufhin als Zentralsekretärin in die HGPD geholt.

 

Also vor vier Jahren. Und wie ist das jetzt hier?
Die HGPD hat aufgrund der Branchen, die sie vertritt, einen hohen Frauenanteil, etwa 70 Prozent. Als Roswitha damals Zentralsekretärin geworden ist, war das sehr schwierig. Sie war die erste Zentralsekretärin in ganz Österreich. Damals hat es viele Männer gegeben, die gemeint haben, in dieser Position hätten Frauen nichts verloren. Als ich dann ihre Funktion vier Jahre später übernommen habe, stand das überhaupt nicht mehr zur Diskussion. Die Funktionäre, die hauptamtlichen, hatten sich scheinbar daran gewöhnt, dass auch eine Frau gute Arbeit für eine Gewerkschaft und für den ÖGB leisten kann.

 

In den Branchen selber häufen sich ja die Probleme: allein die Saisonniers und die Veränderung der Beschäftigungsstruktur. Viel mehr Teilzeit und Atypische und so weiter, oder?
Zu den Saisonniers: Gerade jetzt beginnen die Verhandlungen für die Wintersaison. Wir appellieren an die Verantwortlichen angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit - vor allem bei Frauen, Lehrlingen und in Österreich lebenden Migrantinnen und Migranten - auf eine Erhöhung dieses Kontingents zu verzichten. Bei den Lehrlingen macht uns eine Idee von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein große Sorgen: Tourismuslehrlinge sollen mit einer monatlichen Entfernungsbeihilfe von 250 Euro in den lehrstellenreichen Westen gelockt werden.

 

Aber so sind sie weg von daheim ...
Mitten in der Pubertät sind sie weit weg von Familie und Freundeskreis und absolvieren die Lehre dann halt irgendwo. Das ist unausgereift, nicht durchdacht. Wir lehnen gemeinsam mit der Arbeiterkammer das Konzept ab. Ich denke, es ist wichtig, dass Arbeiterkammer und ÖGB bei solchen Ideen der Bundesregierung gemeinsam vorgehen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eltern und Jugendlichen wirklich wohl dabei ist, wenn Lehrlinge hunderte Kilometer von zu Hause entfernt ihre Lehre in einem Hotel oder Gasthaus beginnen. Und dafür ist plötzlich Geld da. Wichtiger als solche Prämien wäre es, die Arbeit im Tourismus vor allem für Jugendliche attraktiv zu machen. Nur wenn Bezahlung, Arbeitszeit und Karrierechancen passen, werden mehr junge Leute diesen Beruf ergreifen.

 

Ich habe lange die Jugendzeitung gemacht hier im ÖGB. Wir haben immer versucht, Missstände aufzuzeigen, und die meisten waren eigentlich im Bereich Gastgewerbe und Persönlicher Dienst in der Lehrlingsausbildung, wo es meist nur um billige Arbeitskräfte gegangen ist und wo Schutzbestimmungen nicht eingehalten worden sind. Wird sich wahrscheinlich auch nicht viel geändert haben?
Es hat sich nicht viel geändert. Absolut nicht! Wir erleben immer wieder, dass Jugendliche - vor allem in Tirol, vor allem in Saisonbetrieben - zu dritt in irgendwelchen Kammerln schlafen müssen, dass sie nach den drei Monaten Probezeit vor die Türe gesetzt werden oder unmögliche Arbeitszeiten haben. Die Bevölkerung glaubt gar nicht, was für Missstände es gerade in diesen Berufen noch immer gibt. Da ist es nur logisch, dass sich viele Jugendlichen sagen, das tu ich mir nicht an und die Lehre abbrechen. Ähnlich beim Lehrberuf Friseur: Oft wird das Lehrbild nicht erfüllt und die Jugendlichen brechen die Lehre ab, weil sie den ganzen Tag zusammenkehren müssen und nichts lernen.

 

Ist es bei den Friseurinnen nicht so, dass 90 Prozent eh nicht im Beruf bleiben?
Ja, leider. Viele landen in der Industrie, am Fließband, weil dort die Arbeitszeiten noch attraktiver sind. Vor allem wenn Kinder da sind, sind bei den aktuellen Öffnungszeiten Beruf und Familie nur schwer zu vereinbaren - wie bei den Handelsangestellten.

 

Was ich nicht verstehe: Sind die Jugendlichen nicht informiert? Warum suchen sie sich einen Beruf, wo sie nach logischen Erwartungen eigentlich nicht weiterkommen? Oder sind die so froh, dass sie überhaupt einen Job haben, weil sie sonst eh nichts finden?
Leider hat sich an den drei traditionellen Mädchenberufen nur wenig geändert: Büro, Friseurin oder Verkäuferin. Vielleicht sind die Informationsmaßnahmen in den Schulen nicht ausreichend oder gut genug, um Mädchen auch für andere Berufe zu begeistern. Das passiert noch viel zu wenig.

 

Wie ist das eigentlich? Du sitzt jetzt im Präsidium der AK. Obwohl ja doch relativ viele an den Wahlen teilnehmen, ist die Struktur der Kammer noch ziemlich unbekannt, trotz allem. Oder?
Das sehe ich nicht so: Ich glaube sogar, dass die Arbeiterkammer bei der Bevölkerung sehr wohl bekannt ist - zumindest in den letzten Jahren. Es hat jetzt eine Umfrage gegeben, die ich sehr interessant gefunden habe, wonach 94 Prozent der Wiener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Wahl gegangen sind, um die AK zu stärken. Ich glaube auch, dass die AK mit dem ÖGB sehr gut zusammenarbeitet. Vor allem, was Forderungen anbelangt. Zum Beispiel die Pensionsharmonisierung: Da sind beide Präsidenten mit ihrer Kritik zum vorgelegten Programm der Bundesregierung gemeinsam an die Öffentlichkeit gegangen.

 

Das haben Herbert Tumpel und Fritz Verzetnitsch gemeinsam gemacht.
Ich glaube, dass die Beschäftigten in diesem Lande sehr wohl erkennen, dass beide Institutionen gemeinsam und jede auf ihre Art für sie eintreten.

 

Ich darf diese Zeitschrift machen, die ja von AK und ÖGB gemeinsam herausgegeben wird und vielleicht mach ich da jetzt den Advocatus Diaboli, dass ich das so formuliert habe. Aber andererseits ist mir halt aufgefallen, dass auf Grund der Mehrheitsverhältnisse in der Kammer zum Beispiel sich die Selbstverwaltung in den Sozialversicherungen ausrichtet. Das hat doch vorher fast keiner gewusst. Erst wie sie versucht haben, das abzudrehen, da ist es ein bisschen aufgefallen, oder? Das habe ich gemeint. Aber das ist wahrscheinlich auch unsere Schuld. Wir hätten das vorher ein bissel besser propagieren sollen.
Da hast du Recht, Kollege Sorz. Aber es gibt Dinge, die sind der breiten Öffentlichkeit nur sehr schwer zu erklären, glaube ich. Dazu gehört leider auch das gesamte System der Sozialversicherung. Ich merke das auch manchmal bei unseren Funktionärinnen und Funktionären. Auch hier gibt es Lücken zum Thema Selbstverwaltung. Es ist unser aller Aufgabe, diese Themen immer wieder zu propagieren und aufzuzeigen. Was ist in den Jahren passiert, die diese Bundesregierung an der Macht ist? Wir müssen immer wieder trommeln, dass in den Gremien der Selbstverwaltung eine radikale Umfärbung stattgefunden hat - auch auf Kosten der Qualität. Hauptsache Rot raus und Blau-schwarz rein. Hier haben sich Mehrheiten umgedreht.

 

Und es wird genützt, um das ganze System, ich will nicht sagen zu liquidieren, aber doch sehr zurückzunehmen. Weil das Interesse des Kapitals ist, dass alles privat geregelt wird.
Die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die bisher in den Gremien gesessen sind, sollen zurückgedrängt werden. Man will den Einfluss der Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer auf jeden Fall minimieren.

 

Wie wird es denn weitergehen? Letzen Endes sagen alle, sie haben rückläufige Mitgliederzahlen. Oder sehe ich das zu schwarz? Wie wird es weitergehen bei der Gewerkschaft? Ich glaube, dass sich auch die ganze Struktur der Beschäftigung so weit verändert. Die Leute verdienen ja weniger als vor 15 Jahren, haben weniger Einkommen …
Da hat auch die Arbeiterkammer eine interessante Studie gemacht. Sie hat die Jahresabschlüsse von 170 österreichischen Kapitalgesellschaften untersucht. Der Gewinn ist im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum wurden 3200 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entlassen. Das muss man sich vor Augen führen.

 

Einfach eine Umverteilung … Die einen kriegen weniger und die anderen haben mehr.
In den von der HGPD betreuten Dienstleistungsbranchen ist das Einkommen niedrigst angesiedelt, ob im Hotel- und Gastgewerbe, bei den Friseurinnen, in der Reinigungsbranche oder auch bei den Heimhilfen. Dazu kommt die noch immer ungeklärte Situation der Hausbesorgerinnen und Hausbesorger.

 

Da haben wir in diesem Heft einen schönen Beitrag von Ortrun Gauper, da heißt es: »Es ist ein gesellschaftlicher Missstand, dass die Wartung des Familienwagens ganz selbstverständlich zu einem Facharbeiterlohn gezahlt wird, während bei der Altenpflege das osteuropäische Lohnniveau als normal empfunden und ein Facharbeiterlohn für völlig unerreichbar gehalten wird.«
Das versuche ich zu propagieren, seit ich im ÖGB bin: Dass auch die psychische Belastung bei der Bewertung der Schwere der Arbeit berücksichtigt werden muss. Egal, ob im Dienstleitungsbereich oder in der Industrie. Die Frauen, die am Fließband stehen, verdienen halb so viel wie etwa der Staplerfahrer. Ich behaupte jetzt, der Staplerfahrer hat nicht mehr Stress als eine Frau, die im von der Maschine vorgegebenen Takt arbeiten muss. Das zu berücksichtigen, ist eine der großen Forderungen der Frauenbewegung.

Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern wird nicht geringer, sondern weitet sich aus - die Schere geht weiter auf. Der Unterschied beträgt mehr als ein Drittel. Da hat sich nichts geändert! Frauen sind auch nach wie vor in schlechter bezahlten Berufen tätig. Männer tun sich diese Jobs nicht an. Für Heimhilfe zum Beispiel ist es einfach schwer, Männer zu gewinnen: geringe Bezahlung, hohe psychische Belastung.

 

Heimhelferin, das ist, wenn die Leute nur leichte Pflegefälle sind. Die kommen in die Privatwohnung und räumen zusammen.
Genau. Zum Beispiel von der »Volkshilfe« oder »Sozial Global«. Die versorgen kurzfristig, sind eine halbe Stunde bei den Klientinnen und Klienten.

 

Das sind ja unsere Eltern und irgendwann werden wir selber es sein, die auf das angewiesen sind. Oder?
Da läuft jetzt eine große Werbekampagne für diese Berufe. Es besteht hier tatsächlich hoher Bedarf an Arbeitskräften. Aber die wenigsten werden sich das wirklich antun. Und wenn, dann auch nur kurzfristig. Es sind vor allem Frauen ab 45, die in diesen Bereich einsteigen. Wir in der HGPD glauben übrigens nicht, dass Altenpflege ein geeigneter Lehrberuf für Mädchen und Burschen kurz nach der Pubertät ist. Die psychische Belastung ist dort schon sehr hoch. Und mir ist zum Beispiel nicht wohl bei dem Gedanken, dass ein 17-jähriges Mädchen einen inkontinenten 70-jährigen Mann trocken legt.

 

Die Bundesregierung plant ja jetzt, einen Dienstleistungsscheck einzuführen. Was sagt die HGPD dazu?
Ja, der soll für Haushaltshilfe und auch für Pflege gelten - das heißt, ich kaufe einen Dienstleistungsscheck im Wert von 10,20 Euro und kann dann arbeiten lassen.

 

Das ist für eine Stunde, die 10,20 Euro, und da braucht man sich nicht mehr zu kümmern um Anmeldung und Schwarzarbeit?
Ja, das heißt, ich kaufe mir diesen Scheck in der Trafik, dann sage ich zum Beispiel zu meiner Nachbarin, räume meine Wohnung zusammen und die löst den Scheck dann beim AMS ein.

 

Und dort kriegen sie dann die Steuern abgezogen?
Und sind je nach Geringfügigkeitsgrenze versichert. Das Problem ist, diejenigen, die bei uns jetzt schwarz beschäftigt sind, sind zu einem großen Teil nicht aus Österreich oder den EU-Ländern. Die polnische Putzfrau kann den Scheck nicht beim AMS einlösen. Die hat nach wie vor keine Beschäftigungsbewilligung.

 

Wieder zweierlei Maß …
Wir müssen uns diesen Vorschlag sehr gut anschauen. Ich habe auch die Arbeiterkammer gebeten, einmal eine Analyse zu machen. Damit wir auch eine gemeinsam Position innerhalb der Gewerkschaften zustande bringen.

 

Was ist eure Position in der Arbeitszeitdiskussion?
Der Vorschlag, die Normalarbeitszeit von acht auf zehn Stunden auszuweiten, trifft die Beschäftigten in »unseren« Branchen besonders hart. Die verdienen eh schon so wenig und wenn man denen auch noch die Überstunden wegnimmt, bleibt gar nichts.

 

Die wollen sich das Überstundengeld sparen?
Die Wirtschaft will sich im Endeffekt die Überstunden ersparen und ich denke nicht, dass ein einziger Arbeitsplatz dadurch gewonnen wird oder zusätzlich zustande kommt.

 

Die wollen einfach ihre Profite steigern.
Wir haben genug Flexibilisierung in den Kollektivverträgen - wie auch in allen anderen Gewerkschaften.

 

Ihr habt da auch schon so Jahresdurchrechnungszeiten.
Wir haben aufgrund der Saison vor allem im Hotel- und Gastgewerbe auch Durchrechnungszeiten.

 

Das heißt, sie versuchen es halt mit allen Mitteln und wir geben immer wieder nach, weil wir halt zu schwach sind. Oder?
So schwach sind wir nicht - denk an die Demonstrationen und Streiks im letzten Jahr. Wir müssen auch weiterhin die Menschen aufklären. Bei der Pensionsharmonisierung glaube ich sehr wohl, dass wir, wenn die Bundesregierung auf die Forderungen von ÖGB und AK nicht eingeht, sehr wohl Maßnahmen setzen müssen. Und ich glaube auch, dass das funktioniert. Wir haben zu diesem Thema demonstriert und wir können das auch weiterhin tun. Wir werden sehen, wie die Stimmung ist. Ich schließe auch weitere Aktionen nicht aus.

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Siegfried Sorz spricht mit Renate Lehner http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842219179 Ist der Sozialstaat noch zu retten? Dass sozialstaatliche Leistungen »nicht mehr finanzierbar« seien, ist kein neuer Befund. In Deutschland kam der damalige FDP-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff im so genannten Lambsdorff-Papier bereits 1982 zu eben diesem Befund. Dass dieses Papier damals zum endgültigen Scheitern der von Helmut Schmidt geführten Koalitionsregierung von SPD und FDP führte, ist eine andere Geschichte.

Zwanzig Jahre später kommen einschlägige Befunde nicht mehr nur von eindeutig konservativer und wirtschaftsliberaler Seite. Inzwischen hört man, um beim Beispiel Deutschlands zu bleiben, praktisch Wortgleiches aus dem Mund des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder. Und auch Schmidt, sein Vorvorgänger im Kanzleramt, lässt es sich nicht nehmen, mit Forderungen wie »Straffung und Kürzung der Ausbildungszeiten« oder weitere »Anhebung des regelmäßigen Rentenalters« ins Rampenlicht zu treten.

In Deutschland hat sich vor dem Hintergrund der sozialpolitischen Kürzungsprogramme inzwischen auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in weitgehende Opposition zur SPD-geführten Regierung begeben. Teile der SPD drohen gar mit einer Abspaltung.

Österreichs Bundesregierung:
»Drohende Unfinanzierbarkeit«

In Österreich wird die diesbezügliche Debatte von Seiten der Regierung weniger offen geführt als in Deutschland. Nichts desto trotz steht im Regierungsprogramm der ersten FPÖ-ÖVP-Regierung unter dem Titel »Ein neuer sozialer Gesellschaftsvertrag« Folgendes zu lesen: »Die Neuordnung der Aufgabenteilung zwischen staatlicher und privater Sozialverantwortung gehört zu den großen Herausforderungen einer Sozialpolitik, die vor der drohenden Unfinanzierbarkeit und geringer sozialer Treffsicherheit immer teurer werdender Leistungen steht.«

In anderen Worten: Staatliche Sozialpolitik soll gedrosselt werden, während individueller Vorsorge größere Bedeutung zukommen soll.

Das Regierungsprogramm der zweiten schwarz-blauen Koalition vom 28. Februar 2003 kommt ohne solche »gesellschaftspolitischen Entwürfe aus". Hier dominieren stichwortartig aufgezählte Maßnahmen und Budgetzahlen. Die Mehrzahl von ihnen läuft auf Ausgabenkürzung im Sozialbereich hinaus, wobei insbesondere aus dem allgemeinen Budget stammende Zuschüsse zu den Sozialversicherungen reduziert oder eingefroren werden sollen.

Sozialstaat unter Druck

Was sind die Hintergründe für eine solche Politik bzw. droht mittelfristig tatsächlich die »Unfinanzierbarkeit des Sozialstaates«?

Wohlfahrtsstaatliche Politik ist während der letzten 25 Jahre grundsätzlich von unterschiedlicher Seite unter Druck geraten. Zu diesen veränderten Rahmenbedingungen zählen ein vergleichsweise geringeres Wirtschaftswachstum, die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft sowie eine zurückgegangene staatliche Steuerung. Damit einhergehend gewannen wirtschaftsliberal orientierte Ideen, ausgehend von den »Reaganomics« in den USA und dem britischen Thatcherismus an Bedeutung. Bezüglich der Finanzierbarkeit sozialstaatlicher Politik stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, ob es tatsächlich zunehmende Finanzierungsprobleme gibt, oder ob sich primär die Interpretation derselben geändert hat: in Richtung Leistungskürzung als einzig adäquat erscheinende Steuerungsoption.

28,5% des BIP für den Sozialstaat

In Österreich wurden zuletzt 28,5% des BIP für öffentliche Sozialausgaben aufgewendet. Österreich kommt damit etwa einen Prozentpunkt über dem westeuropäischen Durchschnitt zu liegen. Höher als in Österreich sind die Ausgaben für staatliche Sozialpolitik in Dänemark (29,5%), Deutschland (29,8%) und Schweden (31,3%). Niedriger sind sie insbesondere in Irland (14,6%) und Spanien (20,1%).

Österreich verzeichnete wie viele andere hoch entwickelte westliche Länder bis zum Beginn der 80er-Jahre eine Ausbauphase wohlfahrtsstaatlicher Politik.

Zu Beginn der 90er-Jahre ist noch einmal ein Ansteigen zu verzeichnen - nämlich auf den historischen Höchststand 29,9% im Jahr 1994 (unter anderem im Zuge der Einführung des Pflegegeldes).

Danach ging die Sozialleistungsquote vor dem Hintergrund diverser Einsparungsschritte wie den Sparpaketen zu Mitte der 90er-Jahre zurück.
Freilich müssen diese Daten vor dem Hintergrund des jeweiligen »sozialpolitischen Problemdrucks« betrachtet werden.

Höherer Problemdruck führt zu mehr Sozialausgaben

Höhere Sozialausgaben in Prozent des BIP bedeuten nicht immer, dass die sozialstaatlichen Leistungen großzügiger wurden.

Die Ausgaben können einfach auch aus dem Grund steigen, weil es beispielsweise mehr Arbeitslose gibt oder die Zahl der Pensionsbezieher (als Anteil an der Gesamtbevölkerung) größer wurde.

Beide Entwicklungen treffen für Österreich während der letzten 20 Jahre zu. Die Berechnung einer um die Arbeitslosenquote und den Anteil der über 60-jährigen Bevölkerung »bereinigten Sozialleistungsquote« bringt folgendes zu
Tage:

Die Gesamtsozialausgaben waren zuletzt - ins Verhältnis gesetzt zu diesen sozialpolitischen Belastungsfaktoren - nicht höher als im Jahr 1980, sondern sogar etwas niedriger.

Pensionssystem verursacht die höchsten Kosten

Die immer wieder aufflammende Diskussion um den angeblich um sich greifenden »Sozialmissbrauch« ließe vermuten, dass es insbesondere die Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe sind, welche besonders große Anteile der Kosten der Sozialsysteme ausmachen. Es sind ja Bezieher solcher Leistungen, welche wiederholt des Sozialmissbrauches bezichtigt werden.

Ein Blick auf die Verteilung der Sozialausgaben nach unterschiedlichen Zwecken fördert jedoch zu Tage, dass die Kosten der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe vergleichsweise gering sind. Insgesamt entfallen weniger als fünf Prozent aller Sozialausgaben in Österreich auf »Arbeitslosigkeit« und nur gerade einmal zwei Prozent auf die Sozialhilfe inklusive Wohnbeihilfen. Die wirklich großen Brocken sind andere: Knapp 40% aller Sozialausgaben wurden in Österreich zuletzt im Bereich der Alterspensionen getätigt, über 24% entfallen auf den Gesundheitsbereich, knapp über zehn Prozent auf Familienleistungen und knapp unter zehn Prozent auf Hinterbliebenenpensionen.

Alternde Bevölkerung: unterschiedliche Interpretationen

Vor dem Hintergrund dieser Kostenverteilungsmuster ist es auch die Pensionsversicherung, die wiederholt im Zentrum so genannter »Reformbestrebungen« steht. Die Notwendigkeit solcher Maßnahmen wird mit dem Argument gestützt, dass unsere Bevölkerung »immer älter« werde. Um seriös zu bleiben, sollte diesbezüglich zwischen aktuellen und zukünftig erwartbaren Entwicklungen unterschieden werden. Faktum ist, dass der Anteil der über 60-Jährigen an der Gesamtbevölkerung zwischen 1980 und 2000 nur geringfügig zugenommen hat: von 19,1% auf 20,6%. Zugleich hat auch der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter - und somit der potentiellen Beitragszahler - zugenommen (von 60,4% auf 62,3%). Was die zukünftige Entwicklung betrifft, sind die Prognosen jedoch ungünstig. Im Jahr 2001 entfielen auf eine Person im Alter über 59 Jahren zirka 2,9 15- bis 59-Jährige. Nach Prognosen von Statistik Austria wird sich das Verhältnis bis zum Jahr 2030 auf zirka 1:1,7 und bis zum Jahr 2050 weiter auf ca. 1:1,4 verschlechtern. Entscheidend ist in beitragsfinanzierten Systemen jedoch die Altersstruktur nur indirekt - was zählt ist vielmehr das Verhältnis von Beitragszahlern zu Pensionsbeziehern. Dieses Verhältnis wird in der Pensionsquote - der Zahl der aktuellen Pensionen je 1000 Beitragszahler - ausgedrückt. Im Jahr 2000 kamen auf 1000 Beitragszahler 619 Pensionen.

Nach Kalkulationen des Österreichischen Institutes für Wirtschaftsforschung (WIFO) kämen in einem »Status-Quo-Szenario«, das heißt bei einer Erwerbsquote auf dem heutigen Niveau, im Jahr 2030 auf 1000 Beitragszahler 864 Pensionen. Anders wäre die Situation jedoch, wenn die Erwerbsquote auf ein Niveau gesteigert werden könnte, wie es bereits heute in den skandinavischen Ländern üblich ist: In einem solchen »Nordland-Szenario« kämen im Jahr 2030 auf 1000 BeitragszahlerInnen 716 Pensionen, um 16% mehr als heute.

Besondere Probleme beitragsfinanzierter Systeme

Sozialstaatliche Maßnahmen können auf unterschiedliche Art finanziert werden. Eine wesentliche Unterscheidung ist dabei jene in Beitrags- versus Steuerfinanzierung. Im ersten Fall werden die Mittel des Sozialstaates durch Beiträge der Versicherten (und gegebenenfalls ihrer Arbeitgeber) aufgebracht, im zweiten durch das allgemeine steuerfinanzierte Budget. Die österreichischen Sozialsysteme sind insgesamt eindeutig beitragsdominiert. Zirka 65% der laufenden Sozialausgaben werden über Versicherungsbeiträge gedeckt, nur 35% über Steuern. Österreich besitzt damit im internationalen Vergleich ein versicherungsbeitragslastiges System.

In Dänemark werden z. B. weniger als 30% der Sozialausgaben über Beiträge finanziert. Sozialleistungen sind in dem skandinavischen Land universal konzipiert, weniger auf Erwerbsarbeit ausgerichtet und weisen ein hohes Niveau auf. Der Einkommensteuerspitzensatz beträgt allerdings 59% und ist damit Europarekord.

In beitragsfinanzierten Systemen schlagen veränderte Rahmenbedingungen wie Alterung der Gesellschaft oder gestiegene Arbeitslosigkeit direkt auf die Finanzierung der Sozialsysteme durch. Es verändert sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsbeziehern. Erhöht sich der Anteil der BeitragsbezieherInnen, so stehen - bei fortgesetzter Beitragsfinanzierung - nur zwei Optionen zur Verfügung: Leistungskürzungen und eine Anhebung der Versicherungsbeiträge. Beide Optionen wurden in Österreich während der letzten 20 Jahre wiederholt wahrgenommen.

Tálos und Verzetnitsch für Wertschöpfungsabgabe

Ein zunehmendes Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass immer größere Teile des Nationaleinkommens von den Sozialversicherungen beitragsmäßig nicht mehr erfasst werden. Vor diesem Hintergrund kommt der Politikwissenschafter Emmerich Tálos zu folgendem Schluss: »Insgesamt gehe ich davon aus, dass der im ausgehenden 19. Jahrhundert festgelegte Modus der Berechnung der Unternehmensleistungen auf Basis der Lohnsumme mittel-, vor allem aber langfristig ein vollends untauglicher sein wird - angesichts der weiter vorhandenen Rationalisierungspotentiale wie auch schon bisheriger Rationalisierungsschritte. Die Basis der Unternehmensleistungen muss also in jedem Fall ver--breitert werden, auch weil das gegenwärtige System den Einsatz der menschlichen Arbeitskraft extrem verteuert.« Dies bedeutet, dass die Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen mittel- und langfristig verstärkt durch Steuern erfolgen müsste. Dabei ginge es vor allem darum, Unternehmen vermehrt zur Kasse zu bitten, die zwar hohe Umsätze oder Gewinne schreiben, zugleich jedoch nur wenige Mitarbeiter beschäftigen. Die österreichische Regierung entlastete dagegen einseitig die Unternehmen und kürzte den Körperschaftsteuersatz von 34% auf 25%. In New York, dem Herzen des kapitalistischen Musterlandes USA, beträgt dieser Satz übrigens stolze 40%!

»Der Faktor Arbeit muss entlastet werden«, fordert auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch. »Wenn immer weniger Menschen immer mehr produzieren, dann ist es an der Zeit, EU-weit über die Einführung der Wertschöpfungsabgabe nachzudenken!« Der Wertschöpfungsbeitrag würde sich auf die gesamte Wertschöpfung eines Betriebes beziehen: Löhne, Gehälter, Gewinne, Abschreibungen, Zinsen, Mieten und ähnliches. Die Vorteile wären vor allem Kostenwahrheit (die Arbeitskosten im Verhältnis zur Produktivität gehören hierzulande zu den niedrigsten in der EU), geringe Belastung des Faktors Arbeit und last but not least trotz staatlicher Mehreinnahmen billigere Arbeitskräfte. Der Einsatz arbeitsintensiverer Technologien würde bestraft, Kündigungen
wären weniger lukrativ.

Stärkere Steuerfinanzierung?

Im aktuellen Regierungsprogramm ist im Kapitel »Pensionen« Folgendes nachzulesen: »Unter Zugrundelegung der Entwicklung des Bundesbeitrages ist es erforderlich, Maßnahmen zur Stabilisierung des budget-relevanten Finanzbedarfs unseres gegenwärtigen Pensionssystems zu setzen.« In anderen Worten: Die steuerfinanzierten Mittel aus dem Budget, welche in die öffentlichen Pensionsversicherungskassen zugeschossen werden, sollen - jedenfalls anteilsmäßig - eingefroren werden.

Dabei spielen allgemeine Budgetmittel in den unterschiedlichen Zweigen der Pensionsversicherung eine höchst unterschiedliche Rolle. Bei den Arbeitnehmern des Privatsektors (ASVG) kamen zuletzt (2002) nur 16% der Mittel aus dem Bundesbudget, bei den Selbständigen jedoch 56% und bei den Bauern sogar 88%. Dennoch sieht die »Pensionsharmonisierung« zum gegenwärtigen Stand der Diskussion keine Anhebung des Beitragssatzes der Selbständigen und Bauern auf das Niveau des ASVG vor. Insgesamt deuten die von der Bundesregierung in der Pensionsversicherung gegenwärtig verfolgten Reformoptionen in die Richtung, dass - jedenfalls im Bereich der Arbeitnehmer - alles unternommen wird, den steuerfinanzierten Anteil der Pensionsversicherung möglichst gering zu halten. Dies auch um den Preis weit reichender Leistungskürzungen. Dazu Emmerich Tálos: »Die Finanzierung des Sozialstaates war bisher in praktisch allen Ländern ein Mix - aus Beiträgen der Versicherten, der Arbeitgeber und öffentlichen Mitteln. Für Österreich ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Politik zu erwarten, dass sich das Gewicht dieser Komponenten verschieben wird. Es wird voraussichtlich Versicherungsbeiträgen in Hinkunft eine noch größere Bedeutung zukommen.« Wird ein primär beitragsfinanziertes Modell favorisiert, so stellt die Anhebung der Versicherungsbeiträge vor dem Hintergrund der erwartbaren demographischen Veränderungen längerfristig die einzige Alternative zu Leistungskürzungen dar. »Eine Anhebung der Beiträge ist riskant, weil sie den Faktor Arbeit noch mehr verteuern würde. Dieser Weg erscheint von daher nicht zielführend, vielmehr müssten andere als beitragsorientierte Finanzierungsquellen erschlossen werden.«

Neue Steuern?

Allerdings scheint es gegenüber einer zunehmenden Steuerfinanzierung von Seiten der Regierungen in vielen europäischen Ländern weit reichende Vorbehalte zu geben. Nicht nur das. In diversen Ländern lässt sich ein dominanter Kurs in Richtung steuerlicher Entlastung ausmachen. Der aktuelle Steuerkürzungstrend scheint auch vor der Einkommensteuer nicht Halt zu machen. So ist beispielsweise die rot-grüne Regierung in Deutschland gerade dabei, den einstigen Spitzensteuersatz von 53% auf 42% zu senken. Unsere slowakischen Nachbarn haben überhaupt eine »Flat tax« mit einem für alle einheitlichen Steuersatz von 19% eingeführt. Das hat auch hierzulande »neue« Diskussionen ausgelöst, vor allem FPÖ und Finanzminister Grasser stehen einem Einheitssteuersatz positiv gegenüber. Eine derart große Entlastung der höheren Einkommen würde freilich die Sozialbudgets weiter aushöhlen und jegliche Umverteilungswirkung beseitigen.

Massive Finanzierungsprobleme führten übrigens selbst in den USA dazu, dass der ehemalige Präsident Bill Clinton die radikalen Steuersenkungen seines Vorvorgängers Ronald Reagan zum Teil wieder rückgängig machte. So erhöhte Clinton den Spitzensteuersatz von 31% auf 41%. Auch in Schweden wurde die Einkommensteuer nach vorübergehenden Kürzungen wieder massiv angehoben. Die Behauptungen, dass hohe Steuersätze und Sozialausgaben Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit unterbinden, konnte im Fall Schweden nicht nachgewiesen werden. Der Spitzensteuersatz liegt dort nun wieder bei 57% (gegenüber 50% in Österreich), auch Kürzungen im Sozialbereich sind wieder rückgängig gemacht worden.

Es erscheint aus Gerechtigkeitsgründen nicht unlogisch, neben Einkommen und Gewinn auch Vermögen zu besteuern. Erstens hat die Vermögensteuer eine Umverteilungswirkung, zweitens »bestraft« sie Leute, die massiv Vermögen horten und der Volkswirtschaft entziehen. Es müssten nämlich auch dann Steuern bezahlt werden, wenn keine Gewinne und kein Einkommen erwirtschaftet werden, weil die Vermögensteuer das gesamte Betriebs- und Privatvermögen umfasst: Grundstücke, Waren, Maschinen, Fahrzeuge, Vieh etc.

In vielen europäischen Staaten von Spanien bis Finnland gibt es eine Vermögensteuer. In der Schweiz ist sie z. B. in ausschließlicher Kompetenz der Kantone und wird nach progressiven Steuersätzen berechnet. In Zürich werden etwa alle Vermögen über ca. 45.000 Euro mit einem Steuersatz zwischen 0,11% und 0,67% bedacht, in einigen Kantonen ist die Freibetragsgrenze niedriger und der Satz etwas höher. Weniger komplex ist das schwedische Vermögensteuermodell, alles Vermögen über ca. 110.000 Euro wird mit einem Steuersatz von 1,5% belastet.

Österreich hat die Vermögensteuer übrigens 1993 abgeschafft. Emmerich Tálos gibt diesbezüglich zu bedenken, dass durch »Finanzierungsmodelle im Wege von Vermögensteuern« generell »der Budgetspielraum erhöht wird, was in Zukunft mit Sicherheit notwendig sein wird«.»Nicht uninteressant« seien laut Tálos auch »Modelle, in welchen, wie in der Bundesrepublik Deutschland, über Ökosteuern zusätzliche Mittel lukriert werden. So etwas ist grundsätzlich zu begrüßen.«

Die ökologische Steuerreform zielt einerseits auf eine stärkere Belastung des Energieverbrauchs ab, um auf der anderen Seite die Beiträge zur Pensions- und Arbeitslosenversicherung zu senken. Während dadurch Energieverbrauch und energieintensive Produktion teurer werden, sinken gleichzeitig die Lohnnebenkosten, der Kostenfaktor Arbeit wird billiger. Durch die Einführung der so genannten »Ökosteuer« in Deutschland konnten 250.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Ökosteuer sieht eine jährliche Erhöhung des Benzinpreises, der Stromsteuer und des Heizöls nach festgelegten Mindestsätzen vor. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Verteuerung von Energie auf die Verbraucherpreise umgelegt wird und damit sämtliche Haushalte belastet. Außerdem wurden in Deutschland für Produktionsbetriebe ermäßigte Steuersätze auf Strom und Heizöl ausgehandelt. In der deutschen Praxis bedeutet das, dass die Ökosteuer ähnlich der Mehrwertsteuer eine regressive Verteilungswirkung nach sich zieht: Ärmere Haushalte geben einen höheren prozentuellen Anteil des Einkommens ab als besser Verdienende. Ein Ökosteuermodell, welches statt reiner Aufkommensneutralität und großzügiger Ausnahmeregelungen für die Wirtschaft zusätzliche Mittel für das Staatsbudget lukriert, könnte dagegen durchaus eine Finanzierungsoption für das soziale Sicherungssystem sein.

 
I N F O R M A T I O
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Von den Autoren dieses Beitrags erscheint unter dem Titel »Finanzierung des Sozialstaates« im Rahmen der VÖGB/AK-Skriptenreihe eine ausführlichere Abhandlung des Themas. Dort finden sich auch Quellen und Literaturangaben.

Bestellung: 01/534 44/444

 
R E S Ü M E E


Steuersenkungen und Kürzungen des Sozialbudgets sind keine Einbahnstraßen. Viele internationale Beispiele zeigen uns, dass Kürzungen und Einsparungen wieder rückgängig gemacht werden können und hohe Steuern nicht zwangsläufig die Wettbewerbsfähigkeit oder das Wirtschaftswachstum behindern. Neben Einkommens- und Körperschaftssteuer gäbe es zahlreiche Möglichkeiten und Konzepte, um die Finanzierung von Sozialleistungen auch in der Zukunft sicherzustellen. Vermögensteuer, Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge, Ökosteuer und Wertschöpfungsabgabe sind nur einige von vielen Beispielen, die als Diskussionsgrundlage dienen können und sollen. Entscheidend ist wie so oft nicht die ökonomische Machbarkeit, sondern der politische Wille!

Autoren:
Martin Bolkovac (Mitarbeiter im Verband Österreichischer -Gewerkschaftlicher Bildung - VÖGB)
Marcel Fink (Mitarbeiter im Institut für Staatswissenschaft und vergleichende Gesellschaftswissenschaft an der Universität Wien)

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842218975 Kommentar | Verteilungsgerechtigkeit und Umverteilungsoptionen in Österreich Leistungs- und Bedarfsgerechtigkeit

In anderen Bereichen der Sozialpolitik steht eine egalitaristische Gerechtigkeitsvorstellung im Vordergrund. Beispielsweise spielt die Höhe der Beitragszahlungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der österreichischen Krankenversicherung, die immerhin 98 Prozent der Bevölkerung deckt, keine Rolle. Eine andere Form der Bedarfsgerechtigkeit kennzeichnet das zweite soziale Netz in Österreich. Nicht der Bedarf der/des Einzelnen wird berücksichtigt, sondern derjenige ihrer/seiner Familie - mit dem Effekt, dass vor allem Frauen als nicht bedürftig interpretiert werden und - statt dem Bezug einer eigenständigen Sozialhilfe, Notstandshilfe oder Ausgleichszulage - in finanzieller Abhängigkeit vom Partner verbleiben.

Arbeitslosigkeit drückt Lohnquote

Wird unter Verteilungsgerechtigkeit eine Verringerung der Einkommensdispersion in der Bevölkerung verstanden, dann gibt es neben den Möglichkeiten der Umverteilung durch soziale Transferleistungen viele weitere Optionen. Beispielsweise kann im Rahmen der Einnahmenpolitik des Staates (und damit im Bereich der Besteuerung) auf die Umverteilung eingewirkt werden. In Österreich ist etwa die Quote der direkten Steuern (vor allem der Besteuerung von Vermögen) im Vergleich zu anderen EU-Staaten relativ gering. Eine stärkere Besteuerung von Vermögen im Rahmen der Steuerpolitik würde damit nicht nur eine zusätzliche Einkommensquelle für den Finanzminister darstellen, sondern vor allem auch Umverteilungswirkungen zeitigen. Eine weitere Einnahmenmöglichkeit betrifft die häufig zitierte, von der Umsetzung aber wohl noch weit entfernte Option der Wertschöpfungsabgabe bzw. der »Maschinensteuer«. Diese könnte nicht zuletzt zu einer Entlastung der hohen Lohnnebenkosten in Österreich führen, wenn sie alternativ zu Lohnsummensteuern eingeführt würde.

Neben Staatsausgaben in Form von sozialen Transferleistungen und Staatseinnahmen in Form von Steuern und Abgaben gibt es weitere Möglichkeiten, die Einkommensverteilung in Österreich zu beeinflussen. Beispielsweise könnten die Primäreinkommen direkt beeinflusst werden, und damit jene Markteinkommen, die vor Abzug von Steuern und Abgaben und vor Erhalt von Transferleistungen erzielt werden. So ist etwa die Festsetzung eines branchenübergreifenden Mindesteinkommens eine zwar viel geforderte, aber noch immer nicht umgesetzte Option zur Verringerung der Einkommensschere. Dieses würde - in angemessener Höhe - nicht nur zur Beseitigung der Problemlage der Working Poor beitragen, sondern auch dazu, Niedriglohnjobs nicht zu langfristigen Armutsfallen werden zu lassen. Alternativ müssten Lohnsteigerungen vor allem den unteren Lohnsegmenten zugute kommen. 

Bereinigte Lohnquote hat abgenommen

In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass die bereinigte Lohnquote in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich abgenommen hat.

Dies bedeutet, dass ein immer kleiner werdender Teil der Gesamteinkommen in Österreich den unselbständig Beschäftigten zugute kommt (und ein immer größer werdender Teil den Gewinnen und Erlösen selbständiger Unternehmer und des »Kapitals«).

Eine Erklärung für diese Entwicklung liegt in der zunehmenden Arbeitslosigkeit, die nicht zuletzt die Verhandlungsposition der Gewerkschaften schwächt. Da es sich bei der negativen Entwicklung der Lohnquote allerdings um einen EU-weiten Trend handelt, steckt neben sozialpartnerschaftlichen Machtverschiebungen wohl auch wirtschaftspolitisches Kalkül dahinter: Kapital wird schlicht besser behandelt als Arbeit.

Dies gilt für Österreich im Übrigen auch im Hinblick auf seine steuerliche Behandlung, da die Nettolohnquote im Gegensatz zur Bruttolohnquote sogar noch stärker gefallen ist.

Welche Gerechtigkeit?

Möglichkeiten zur Beeinflussung der herrschenden Einkommensverteilung gibt es damit zur Genüge.

Allerdings fehlt eine wichtige Basis für grundlegende politische Reformen: die Diskussion über die Art der Gerechtigkeit, die Österreich anstreben will.

Ohne eine diesbezügliche Grundsatzentscheidung wird Österreich zwischen einander widersprechenden Gerechtigkeitsmodellen stecken - und die Forderung nach mehr Gerechtigkeit auf der Strecke bleiben.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung aus:
»INFOS Bischöfliche Arbeitslosenstiftung«,
Stifterstraße 28/2, 4020 Linz, 0732/78 13 70,
arbeitslosenstiftung@dioezese-linz.at

 

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Karin Heitzmann (Abteilung für Sozialpolitik, Wirtschaftsuniversität Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= Anteil der Lohneinkommen geht zurück http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842218871 Europa der Märkte oder der Menschen? 1. Ein leistungsfähigeres Europa braucht eine andere Wirtschaftspolitik

Seit der Idee eines Gemeinsamen Europäischen Binnenmarktes möchte Europa die USA in seiner Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit überflügeln, um damit sein soziales und ökologisches Gesellschaftsmodell absichern zu können. Doch der direkte Vergleich mit den USA und Japan sprechen eine andere Sprache. Hinter der europäischen Wirtschaft liegen drei schmerzliche Stagnationsjahre. Prognosen beruhigen uns mit der Aussicht, dass die Konjunktur bald wieder anzieht. Aber das europäische Wachstum stagniert bei 0,6%, während die USA bereits 3,6% Wachstum verzeichnen. In Europa liegt die Arbeitslosigkeit bei etwa 8%, währenddessen die Performance der USA bei 5,7% viel leistungsfähiger erscheint.

Wachstumschancen sinken

So ist vor dem Hintergrund enormer Strukturreformen (Binnenmarktliberalisierung, verschärfter Wettbewerb zwischen öffentlichen und privaten Diensten sowie moderater Lohnentwicklung zur Sicherung der Währungsstabilität) das europäische Potentialwachstum von 2,8% in den achtziger Jahren auf 2% in den neunziger Jahren gefallen. In den letzten drei Jahren lag das Wachstum sogar unter 2%. Mit dieser Politik hat Europa, was die Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) betrifft, in den letzten zehn Jahren im Vergleich zu den USA stark verloren.

Produktivität geht verloren

Doch eine Steuerung der Wirtschaftspolitik und ein stabiles Wachstum sind notwendige Voraussetzungen für soziale Sicherheit und ausreichende Beschäftigung. Arbeit ist der beste Schutz vor sozialer Ausgrenzung und Armut. Arbeitslosigkeit ist eine Vergeudung von Wissen. Und nicht zuletzt wird auch die Leistungsfähigkeit der Menschen beeinträchtigt. Denn: Arbeitsmarktpolitik, welche Arbeitslose zwingt, jeden Job anzunehmen, auch wenn dies ihren Qualifikationen gar nicht entspricht, beeinträchtigt deren Produktivität. So haben das schwache Wachstum in Europa, moderate Lohnentwicklungen, die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse und unzureichende Investitionen in Bildung und Weiterbildung, Forschung und Entwicklung die europäische Arbeitsproduktivität verschlechtert.

Strukturreform Lohndifferenzierung

Das Politikrezept - mehr Wirtschaftstätigkeit durch niedrige und unterschiedliche Löhne - war auch nicht erfolgreich. Im Gegenteil: Die Binnennachfrage, das heißt der Konsum, wurde in Europa stark gedämpft. Die Empirie sagt Folgendes: Seit Anfang der neunziger Jahre sind die Reallöhne in der EU deutlich hinter der Produktivität zurückgeblieben. Das führte zu einem Sinken der realen Lohnstückkosten und einer höheren Gewinnentwicklung für europäische Unternehmen. Doch der Konsum in Europa brach ein und es folgten keine Investitionen. Obwohl den europäischen Unternehmen höhere Gewinne für Investitionen zur Verfügung standen, wurde weniger investiert als in den USA. Diese sind im genannten Zeitraum in den USA um das Dreifache gegenüber der EU gestiegen. Die Lohnzurückhaltung hat auch nicht zu den erwarteten Beschäftigungseffekten geführt: In der EU stieg die Beschäftigung zwischen 1991 und 2002 nur um 5,8%, in den USA jedoch um 16,6%. Fazit: Private Investitionen hängen nicht nur von Profitmargen, sondern auch von der Marktaussicht auf zukünftige Gewinne ab. Wenn die Kaufkraft nicht stimmt, dann investieren sie nicht.

Die Armutsspirale dreht sich

Das Armutsrisiko in Europa liegt heute schon bei 15% der Bevölkerung. Der Sparzwang in Europa verschärft diese Situation. Wenn die Politik sich nicht ändert, könnte die Armut bald ein Viertel der europäischen Bevölkerung betreffen, in den mittel- und osteuropäischen Ländern sogar noch mehr.

2. Arbeitslosigkeit in Europa hauptsächlich konjunkturell bedingt

Seit über 25 Jahren besteht das zentrale Beschäftigungsproblem in Europa darin, dass das Arbeitsvolumen erheblich hinter der Nachfrage nach Arbeit zurückbleibt. In Deutschland hat sich dieses Problem von Wirtschaftsflaute zu Wirtschaftsflaute aufgebaut. In den anschließenden Aufschwungphasen konnte der aufgebaute Arbeitslosigkeitssockel nur geringfügig abgebaut werden.

Seit Mitte des Jahres 2001 befindet sich die deutsche Wirtschaft erneut in einer Krisenphase, in deren Folge die Arbeitslosigkeit auf über 4,4 Millionen registrierte Erwerbslose anstieg. Einschließlich der Personen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und der »stillen Reserve« von Personen, die an einer Erwerbstätigkeit interessiert sind, aber nicht als arbeitslos gemeldet sind, beläuft sich die Arbeitsplatzlücke auf über 6 Millionen Menschen.

Was wäre notwendig?

Die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen und allen erwerbsfähigen Männern und Frauen Beschäftigung zu bieten, ist nicht möglich ohne eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote, also des Anteils der tatsächlich Erwerbstätigen an den erwerbsfähigen Personen. Das Ziel von Lissabon will in der Europäischen Union eine Beschäftigungsquote von 70%, bei Frauen von 60% und bei den 55- bis 64-Jährigen von 50% erreichen. In Deutschland liegt die Beschäftigungsquote im Jahr 2004 bei 65,3%, die der Frauen bei 57,7%, die der Älteren bei 38,6%.

Die Herstellung einer Beschäftigungsquote von 70% in Deutschland erfordert eine Steigerung der Beschäftigung um drei Millionen, zur Herstellung der Vollbeschäftigung wären etwa zwei Millionen weitere Arbeitsplätze notwendig. Dabei müssen die Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere und für Frauen mit Kindern verbessert werden.

Mehr Druck auf Arbeitslose oder gar »Aktivierung« durch die Drohung mit dem Entzug sozialer Leistungen und eine Heraufsetzung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung lösen keine Problem und verschlechtern die Lage der Betroffenen. Denn wie wirklichkeitsbezogen ist denn ein Rentenkonzept, das als Lösung eine Heraufsetzung des Rentenalters von 65 auf 67 vorschlägt, wenn 60% der Betriebe keinen Arbeitnehmer mehr beschäftigen, der älter ist als 50? Notwendig sind eine Steigerung der Arbeitskräftenachfrage durch ein höheres Wachstum, eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Qualifizierungsangebote (auch lebenslanges Lernen). Auch Altersteilzeit und Arbeitszeitverkürzungsmodelle können einen Beitrag zur Bewältigung der Beschäftigungsprobleme leisten. Denn das gegebene Arbeitsvolumen wird auf mehr -Köpfe verteilt.

Der Sparzwang verschärft das Problem

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt entpuppte sich in den letzten Jahren als zentrales Wachstums- und Beschäftigungshindernis im Euroland. Der Pakt nahm der nationalen Finanzpolitik durch das mittelfristige Ziel eines nahezu ausgeglichenen Haushalts (0,5% Defizitquote) jeglichen Handlungsspielraum. In konjunkturellen Abschwungsphasen ist es nicht mehr möglich, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu stärken und Beschäftigung zu stabilisieren. Das führte in der Bundesrepublik zu einem historischen Tiefstand der öffentlichen Investitionen von 1,6% am Bruttosozialprodukt. Der Rückgang der öffentlichen Investitionen trägt zur chronischen Wachstumsschwäche Deutschlands bei und beschädigt durch Rückgang der Ausgaben an Bildung, Forschung und Infrastruktur die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.

Aber alle europäischen Länder, denen es in den vergangenen Jahren gelang, die Staatsverschuldung zu senken, haben das nicht primär durch Sparen geschafft, sondern durch hohes Wirtschaftswachstum. Dadurch stiegen die Steuereinnahmen. Die britische Regierung etwa überwand Anfang der Neunziger eine schwere Wirtschaftskrise, indem sie die Haushaltskonsolidierung hintanstellte.

3. Eine andere Wirtschaftspolitik in Europa ist möglich

Die Debatte über die Architektur der Europäischen Währungsunion in den Achtziger- und Anfang der Neunziger-Jahre war durch einen breiten Konsens für eine Hartwährungspolitik gekennzeichnet. Die Maastricht-Kriterien und die Ausgestaltung des Stabilitäts- und Wachstums-paktes waren jedoch nicht das Ergebnis einer intensiv geführten wirtschaftswissenschaftlichen Debatte. Diese Kriterien sind vielmehr willkürlich gesetzt. Sie waren eine psychologische Reaktion auf die Ängste der Finanzmärkte, dass die Währungsunion zu Inflationstendenzen führen könnte. Die Angst beruhte vor allem auf der Auffassung, dass Budgetdefizite die Hauptursache für Inflation seien (z. B. hoher Schuldenstand Italiens). Dementsprechend richtete die Europä-ische Zentralbank (EZB) ihre Politik fast ausschließlich auf das Ziel der Geldwertstabilität aus, bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sah sie keinerlei Aufgabe für sich. So ist aus ihrer Sicht die Arbeitslosigkeit in erster Linie die Folge von strukturellen Faktoren, zum Beispiel verkrustete Arbeitsmärkte oder Insider-Kartelle der Gewerkschaften.

Die Europäische Zentralbank

Doch erfolgreich kann eine Neuordnung der Wirtschaftspolitik nur sein, wenn die EZB einen veränderten Kurs mit ihrer Geldpolitik aktiv begleitet und der Stabilitätspakt flexibler wird. Künftig darf nicht das Budgetdefizit isoliert im Zentrum der Wirtschafts- und Finanzpolitik stehen, sondern es muss ein Zielkorridor der Inflationsentwicklung in der EU vereinbart und vorgegeben werden - das heißt inflation targeting. Ein Land müsste dann einen makroökonomischen Mix von Politikstrategien (z. B. Ausgabenkürzungen der öffentlichen Hand bei sehr starkem Wirtschaftswachstum bzw. Ausgabenerhöhung bei Wirtschaftsabschwung) entwickeln, der die Inflation im gewünschten Zielkorridor hält. Das könnte dadurch geschehen, dass die EZB verpflichtet wird, ein mittelfristiges Inflationsziel zu formulieren und Abweichungen der aktuellen Inflationsrate von diesem Ziel zu begründen. Außerdem muss die EZB vor demokratisch legitimierten Institutionen, wie dem Europäischen Parlament, in öffentlicher Sitzung über ihre Politik Rechenschaft ablegen. Vorteil dieses inflation targeting: Sowohl Preisentwicklung als auch realwirtschaftliche Entwicklungen (z. B. Produktion und Beschäftigung) werden gleichrangig beobachtet und bewertet. Die Verbindlichkeit eines Budgetdefizits von drei Prozent könnte mit dieser Politik abgeschafft werden, was der makroökonomischen Steuerung des Euro-Raumes mehr entsprechen würde. Dieses flexible inflation targeting ist übliche Praxis der Central Bank Neuseelands, Großbritanniens und der Riksbank von Norwegen. Ein angemessenes Inflationsziel wäre nach der Expertise zahlreicher europäischer Ökonomen: ein bis vier Prozent Preissteigerungsrate mit einem Mittelwert von 2,5%.

Ein Sozialpakt in Europa?

Zu überlegen wäre auch, Mindestsätze für Sozialleistungsquoten einzuführen. Liegt die Sozialleistungsquote im Durchschnitt bei 25% in Europa, ist zu überlegen, einen Mindestsatz von 20 bis 25% Sozialleistung vom BIP des Mitgliedsstaates einzuführen, unter den die Mitgliedsländer nicht gehen dürfen. Wenn ein Mitgliedsland diesen Verhaltenskodex bricht, könnten Struktur- und Sozialfondsgelder zurückgezogen werden. Denn Europa darf nicht im Standortwettbewerb untergehen. Europa ist leider noch immer in erster Linie eine Wirtschaftsgemeinschaft; Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital sollten sich in Europa genauso frei bewegen können wie in einem Land. Aber all das, was den nationalen Wohlfahrtsstaat auszeichnet - individuelle Leistungsansprüche, direkte Steuern und Sozialabgaben und eine Wohlfahrtsbürokratie - fehlt in Europa.

Kann Wettbewerbsfähigkeit sozial gestaltet werden?

Die Lissabon-Strategie beinhaltet auch den Aufbau eines europäischen Forschungs- und Bildungsraums. Den Arbeitnehmern sollte der Übergang in die wissensbasierte Gesellschaft erleichtert werden. Doch das Barcelona- Ziel, wonach jährlich 3% des BIP jedes Mitgliedsstaates in Forschung und Entwicklung (FuE) investiert werden, wird nicht erreicht, wenn die Mitgliedsstaaten wie Deutschland ihr Postulat alleine an die Wirtschaft richten. Auch die öffentlichen FuE-Ausgaben müssen erhöht werden. Deutlich wird dies daran, dass die deutschen Bruttoausgaben für FuE im Jahr 2002 noch unter dem Stand von 1985 lagen.

Industriepolitik ist in Deutschland seit Jahrzehnten selbstverständlich. Wenn Europa in der Innovationsdebatte jedoch den Schwerpunkt auf Technisierung und Rationalisierung legt, dann ist das zu kurz gesprungen und wird dem ökonomischen wie sozialen Gewicht der Dienstleistungen in unserer Gesellschaft nicht gerecht. Es ist dringend erforderlich, eine eigenständige Dienstleistungspolitik zu entwickeln.

Zerrbild des Steuerfressers

In diesem Zusammenhang ist es völlig kontraproduktiv, von qualifizierten öffentlichen Dienstleistungen das Zerrbild des Steuerfressers und bürokratischen Monsters zu entwerfen und gerade soziale, personen- und konsumbezogene Dienstleistungen nur als billige Lohnpuffer für den Arbeitsmarkt zu propagieren. In Deutschland und Europa muss ein leistungsfähiges Dienstleistungsangebot entstehen - als vernünftiger Mix aus öffentlichen und privaten Dienstleistungen. Das kann kein Nebenprodukt der Industriegesellschaft, sondern muss in Zukunft eine ihrer Voraussetzungen und eine ihrer wichtigsten Entwicklungschancen werden.

In der wirtschaftlichen Förderung muss daher mehr Augenmerk auf die eigenständige Entwicklung von neuen Beschäftigungsfeldern der Dienstleistungswirtschaft gelegt werden. Es ist auffällig, dass selbst auf dem allseits beschworenen Weg in die Wissensgesellschaft die Investitionen in Qualifizierung menschlicher Fähigkeiten noch immer ein Schattendasein führen, verglichen mit der Unterstützung, welche die Hardware genießt. Es ist bemerkenswert, dass das Zukunftspotential im Bereich sozialer und personenbezogener Dienste kaum eine Entsprechung in der Investitionsförderung findet. Dabei ist es eine wesentliche Voraussetzung, dass Beschäftigungschancen in neuen Dienstleistungsfeldern existenzsichernde Einkommen und soziale Sicherheit bieten.


L I T E R A T U R

Schlussfolgerungen des Europäischen
Rates vom 25./26. März 2004 in Brüssel

Schlussfolgerungen der Liste der Strukturindikatoren und Synthesebericht der Europäischen Kommission, Brüssel 2003

Hintergrundpapier des Europäischen Gewerkschaftsbundes zum Frühjahrsgipfel 2004

Beschäftigungsbericht der Europäischen Kommission, Brüssel 2003

Hintergrundpapiere des Währungspolitischen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Brüssel 2002 und 2003

 

Mehr Beteiligungsrechte

Als Voraussetzung dafür muss die ungerechte Bewertung von qualifizierten und anspruchsvollen Tätigkeiten in sozialen und personenbezogenen Diensten korrigiert werden. Es ist ein gesellschaftlicher Missstand, dass die Wartung des Familienwagens ganz selbstverständlich zu einem Facharbeiterlohn gezahlt wird, während bei der Altenpflege das osteuropäische Lohnniveau als normal empfunden und ein Facharbeiterlohn für völlig unerreichbar gehalten wird.

Es ist dringend erforderlich, gerade für die neuen Dienstleistungsbereiche und die veränderten Formen der Arbeit angemessene Regulierungen zu finden. Das wird uns sehr erschwert, wenn, wie das jetzt aus der Politik geschieht, die Tarifautonomie in Frage gestellt wird. Die Konsequenz: Verlust an Anpassungs- und Innovationstempo.

Gerade Dienstleistungsentwicklung und -innovation ist unmittelbar an Menschen gebunden, selbst wenn sie über weitreichende Kommunikationsmöglichkeiten verfügen und sich ihre Leistung in einem klassischen Industrieprodukt niederschlägt. Ob Ingenieur und Beratungsarbeit, ob soziale oder Verwaltungsdienste oder kulturelle Produktion. Wenn sich hier etwas bewegen soll, dann kommt es zuallererst auf die Menschen in Betrieben und Verwaltungen an. Sie brauchen mehr Spielräume für Kreativität, Qualifikation, Wissen, Lernfähigkeit und Arbeitsorganisation. Hier geht es vor allem um Selbständigkeit, Selbstbestimmung und Beteiligungsrechte.

 
F A Z I T

Nicht die Wachstumsfähigkeit einer Wirtschaft schafft mehr und bessere Arbeitsplätze, sondern nur das tatsächlich realisierte Wachstum.

Nur mit einer erkennbaren Neuausrichtung der Politik kann das Vertrauen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zurückgewonnen werden! Nur dann lässt sich das Verbrauchervertrauen stärken, das dringend für einen binnenmarktgestützten Wirtschaftsaufschwung benötigt wird. Damit könnte die enorme europäische Sparquote von 3,8% des BIP für Investitionen und Konsum freigesetzt werden.

Unser Ziel muss es sein, Europa als Wirtschaftsraum wettbewerbsfähig aufzubauen. Das erfordert die Überwindung der Wachstumsschwäche. Und gleichzeitig müssen wir die sozialen Werte gegen die Deregulierungsstrategien liberaler und konservativer Parteien verteidigen. Erst dann werden sich die Bürgerinnen und Bürger in Europa wirklich zuhause fühlen. Denn die soziale Frage bestimmt die Zukunft Europas und nicht eine Polarisierung zwischen Gewinnern und Verlierern eines freien Spiels des Marktes.

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Ortrun Gauper (Expertin im Stab des ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske für Europäische und Internationale Wirtschaftspolitik) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217564 Statistiken sind Argumente Die Tabellen sind wichtige Informationen für Interessenvertreter und jeden politsch Interessierten.]]>
Verbraucherpreisindex
Veränderungen in Prozenten gegenüber dem Vorjahresmonat
  Nationale
VPI
Harmonisierte
VPI
  Aug. 04 Sept. 04 Aug. 04 Sept. 04
Belgien 2,3 2,0 2,0 1,8
Deutschland 2,0 1,8 2,1 1,9
Finnland 0,4 0,4 0,3 0,2
Frankreich 2,4 2,2 2,5 2,2
Griechenland 2,7 2,8 2,8 2,9
Irland 2,6 2,5 2,5 2,4
Italien 2,3 2,1 2,4 2,1
Luxemburg 2,3 2,0 3,6 3,1
Niederlande 1,1 1,0 1,2 1,1
Österreich 2,4 2,1 2,2 1,9
Portugal 2,5 2,4 2,4 2,1
Spanien 3,3 3,2 3,3 3,2
VPI-EWU 2,3 2,1
Dänemark 1,2 1,1 0,9 0,9
Estland 4,0 3,9 3,9 3,8
Lettland 7,8 7,7 7,8 7,7
Litauen -0,4 0,6 2,2 3,0
Malta ... ... 2,5 3,2
Polen 4,7 4,5 4,9 4,7
Schweden 0,6 0,6 1,2 1,2
Slowak. Rep. 7,2 6,7 7,0 6,4
Slowenien 3,7 3,3 3,7 3,4
Tschech. Rep. 3,4 3,0 3,2 2,8
Ungarn 7,2 6,6 7,2 6,7
UK 1,3 1,1 1,3 1,1
Zypern 3,2 2,4 2,8 1,8
EU 25 2,1 2,0
Island 3,7 3,4 3,1 2,8
Norwegen 1,0 0,6 1,1 1,1
VPI-EWR 2,1 2,0
Schweiz 1,0 0,9
USA ... ...

 

 

 

Der Arbeitsmarkt im August 2004
  Stand Veränderung zu
Sept. 04 Aug. 04 Sept. 03
Unselbständige Beschäftigung 3.248.629 -31.899 18.633
ohne KUG/Präsenzdiener 3.125.030 -31.158 10.708
Arbeiter 1.315.980 -23.845 -881
Angestellte u. Beamte 1.932.649 -8.054 19.514
Männer 1.770.772 -16.204 2.866
Frauen 1.477.857 -15.695 15.767
Ausländer 376.198 -3.139 11.133
Inländer 2.872.431 -28.760 7.500
          
 Vorgemerkte Arbeitslose 208.619  1.905   117
Männer 109.160 2.537 -1.937
Frauen 99.459 -632 2.054
Ausländer 32.820 2.526 1.825
Inländer 175.799 -621 -1.708
Jugendliche (bis unter 19) 10.163 754 -699
Jugendliche (19 bis unter 25) 26.445 1.589 -820
Ältere (50 bis unter 55) 18.708 74 -1.536
Ältere (55 bis unter 60) 16.128 -69 -2.276
Ältere (über 60) 4.785 28 341
        
Arbeitslosenquote 6,0 0,1 0,0
Offene Stellen 24.731 -846 2.493
Lehrstellensuchende 7.334 -1.562 -100
Offene Lehrstellen 2.750 -176 -73
        
Geringfügige Beschäftigung *) 219.267 -657 6.611
Männer 63.615 -199 3.408
Frauen 155.652 -458 3.203
Arbeiter 126.881 -655 2.500
Angestellte 92.386 -2 4.111
*) nicht in der unselbständigen Beschäftigung enthalten



Datenquellen: Statistik Austria/EUROSTAT, lfd. Monat;
Anmerkung: Der Harmonisierte VPI ist der zentrale Indikator für die Währungspolitik der EZB. Er stellt auch die beste statistische Basis für inter-nationale Vergleiche unter europäischem Gesichtspunkt dar.
... = Bei Redaktionsschluß keine Werte bzw. für Luxemburg zum Teil nur mehr HVPI-Werte verfügbar.
EWU=Europäische Währungsunion; EWR=Europäischer Wirtschaftsraum

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217517 »Das Wort ›Gewerkschaft‹ ist in der Privatwirtschaft Costa Ricas ein Synonym für Entlassung« Arbeit&Wirtschaft: Die ANEP ist heute die auffälligste Gewerkschaft Costa Ricas, die in den Medien breiten Widerhall findet und deren Mitgliedschaft wächst. Wie ist es zu dieser Entwicklung gekommen?
Albino Vargas: Die ANEP wurde 1958 als Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes gegründet und war in den ersten 20 Jahren sehr stark an den Staat und die sozialdemokratische Partei gebunden. Zwischen 1978 und 1990 war die hohe Zeit der linken Marxisten in unserer Gewerkschaft. Beide Phasen verzeichneten wenig Erfolg. 1990 hat sich ein parteipolitisch unabhängiger Kurs durchgesetzt. Ich wurde 1991 zum Generalsekretär gewählt, von einer Koalition der verschiedenen Flügel. Im Zuge des neuen Kurses haben wir uns 1998 auch für den Privatsektor geöffnet.

Arbeit&Wirtschaft: Mit der parteipolitischen Distanz allein kann sich aber doch das Profil der Gewerkschaft nicht verändert haben?
Albino Vargas: Es hat uns aber den Weg bereitet, gewisse Tabus der Gewerkschaftspolitik in Costa Rica zu brechen. So haben wir inzwischen intensive Kontakte zu den Medien. Die Presse wurde früher immer nur als Feind gesehen, als Sprachrohr der Elite. Natürlich sehen wir ihren Charakter, aber man muss die Spielräume ausnutzen. Man muss natürlich auch etwas Substantielles zu sagen haben. ANEP verfügt über ein ausgezeichnetes Netz von Beratern. Ein Gewerkschaftsführer kann nicht alles wissen. Wir haben viel Geld in die Hilfe unabhängiger Fachleute investiert. Dies hat unsere Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit stark erhöht.

Arbeit&Wirtschaft: Inwieweit hat sich diese neue Politik in der Mitgliederentwicklung niedergeschlagen?
Albino Vargas: Im Jahr 1991 hatten wir 5000 Mitglieder, heute sind es fast 15.000, und das trotz Privatisierung und Angst vor Arbeitslosigkeit. Wir investieren aktuell viel in die Ausbildung der mittleren Funktionäre, damit die Betreuung der Basis stärker wird. Faktisch gibt es allerdings fast nur Gewerkschaften im öffentlichen Dienst, mit einem Organisationsgrad von etwa 60 Prozent. In der Privatwirtschaft beläuft sich die Zahl auf nicht einmal zwei Prozent.

Arbeit&Wirtschaft: Wie erklärt sich dieser eklatante Unterschied?
Albino Vargas: Man soll die Schuld nicht immer bei den Anderen suchen. Hierfür gibt es zunächst historische Gründe. Nach dem Bürgerkrieg von 1948, in dem kommunistische Gewerkschaftsgruppen keine rühmliche Rolle gespielt haben, waren Gewerkschaften diskreditiert und wurden dann für zehn Jahre illegalisiert. Auch die ANEP konstituierte sich 1958 in ihrem Namen nicht als »Gewerkschaft«, sondern als »Vereinigung«. Auf der anderen Seite haben die Sieger des Bürgerkrieges auf eine soziale Entwicklung gesetzt, die viele Menschen befriedigte. Der staatliche Sektor wurde aufgebaut und Gewerkschaften dort toleriert, deshalb haben sie sich darauf konzentriert. Im privaten Sektor des Handels, der Industrie, der Dienstleistungen gibt es folglich keinerlei Gewerkschaftstradition.

Arbeit&Wirtschaft: Aber in den Bananenplantagen gibt es doch eine ganze Reihe an Gewerkschaften?
Albino Vargas: Das stimmt, aber die Anzahl der Gewerkschaften sollte nicht mit einem hohen Organisationsgrad verwechselt werden, den gibt es in den Bananenplantagen auch nicht. Doch hier hat es harte Kämpfe gegeben, und die Kollegen haben sich der internationalen Solidarität und einer breiten gesellschaftlichen Vernetzung in Costa Rica bedient. Das ist bei uns sonst nicht üblich.

Arbeit&Wirtschaft: Warum hat also die Öffnung der ANEP für den Privatsektor noch nicht viele Früchte getragen?
Albino Vargas: Ich sage immer: Das Wort Gewerkschaft ist in der Privatwirtschaft Costa Ricas ein Synonym für Entlassung. Natürlich sind diese Entlassungen illegal, aber wer den Rechtsweg bestreiten will, benötigt bis zur Entscheidung mindestens fünf Jahre. Selbst wenn er dann Recht bekommt, seine Entlassung wegen gewerkschaftlicher Aktivität als illegal erklärt wird, ist die Firma verschwunden oder läuft unter einem anderen Namen. Es gibt eine doppelte Moral in Costa Rica. Auf der einen Seite fordert unsere Regierung andere Staaten der Region zu demokratischen Reformen auf, auf der anderen Seite kann sie den Schutz der Menschenrechte ihrer eigenen Bürger nicht garantieren. Angesichts der Angst vor Entlassungen gibt es natürlich auch nicht viele Initiativen der Menschen.

Arbeit&Wirtschaft: Welche Perspektiven sehen Sie von daher für ANEP im Privatsektor?
Albino Vargas: Es kommen mehr und mehr Leute, um bei uns Unterstützung zu suchen. Sie haben über uns in der Presse erfahren und suchen Unterstützung. Die meisten Beschwerden richten sich gegen enorme Überstunden, den Arbeitsdruck und willkürliche Lohnkürzungen. So entstanden in den letzten Jahren kleine Gewerkschaftsgruppen in optischen Werkstätten, mittelgroßen Autoreparaturwerkstätten, einer Röhrenexportfirma und Abott, einem Hersteller medizinischer Geräte mit Sitz in den USA.

Interessant ist ein neues Projekt, in dem wir mit der internationalen Textilarbeitergewerkschaft arbeiten. Es ist eine mittelamerikaweite Initiative, die auf die vielen Maquiladora-Weltmarktfabriken zielt, in denen Gewerkschaften fast immer unterdrückt werden. Wir haben diese Projekt über zwei Jahre intensiv vorbereitet, und es läuft gerade an.

 

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217354 Costa Rica | Wachsende Unruhe im Tropenparadies Ungewöhnliches gab es Ende August aus Costa Rica zu berichten: Straßenblockaden der Lkw-Fahrer und ein Streik brachten das sonst so ruhige Land an den Rand des Chaos. Der Konflikt nahm seinen Ausgang an den neuen obligatorischen Fahrzeugkontrollen, die von einer spanischen Firma durchgeführt werden. Im Hintergrund schwelt aber ein Grundsatzstreit über das Entwicklungsmodell des mittelamerikanischen Landes und dessen Veränderung im Zuge der Globalisierung. Die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, ANEP, spielt in der Debatte eine wichtige Rolle.

Mittelamerikanischer Freihandelsvertrag mit den USA

Die »traileros«, die Lkw-Fahrer, sind für Costa Rica überlebenswichtig. Das Land zwischen dem atlantischen und pazifischen Ozean verfügt über keine Eisenbahnverbindung, riesige Container-Laster rauschen über die Panamericana im Minutentakt. Vor drei Jahren war eine obligatorische Fahrzeugkontrolle per Gesetz vorgeschrieben worden. Gegen Verkehrssicherheit hat in Costa Rica, dem bei weitem reichsten Land Mittelamerikas, niemand etwas. Wohl aber, dass die nationale Kontrolle dem spanischen Unternehmen Riteve als Monopol gegeben wurde. Dieser Konflikt fiel in die Debatte um die negativen Auswirkungen der Liberalisierungspolitik und des geplanten mittelamerikanischen Freihandelsvertrags mit den USA.

Auch Costa Rica leidet unter Verschärfung der sozialen Situation. Zwar verdienen viele Menschen, beispielsweise einfache Büroangestellte, zwischen 200 und 250 Dollar im Monat, also mehr als den Mindestlohn von 120 Dollar. Doch eine vierköpfige Familie braucht dreieinhalb Mindestlöhne, um menschenwürdig überleben zu können. Die Abwertung des Colon gegenüber dem US-Dollar hat in jüngster Zeit die Preise weiter steigen lassen.

Neoliberaler Ausverkauf der nationalen Interessen

Die Protestbewegung fürchtet, dass der von der Regierung Costa Ricas befürwortete Freihandelsvertrag mit den USA zu einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen führen wird, da die überwiegend kleinen Betriebe des mittelamerikanischen Landes dann völlig ungeschützt gegen Billigprodukte des großen Bruders aus dem Norden konkurrieren müssten. Mehr als 90.000 Arbeitsplätze stehen nach Berechnung der Gewerkschaft -ANEP auf dem Spiel, bei einem Land von nur gut vier Millionen Einwohnern eine hohe Zahl. Von einem Ausverkauf der nationalen Interessen durch die neoliberale Politik von Präsident Abel Pacheco ist bei der wachsenden Protestbewegung die Rede. Da ist es nur ein Beispiel, dass die Chefunterhändlerin Costa Ricas für den Freihandelsvertrag, Anabelle González, auch die US-Staatsbürgerschaft besitzt.

Sozialer Frieden steht auf dem Spiel

Albino Vargas ist der Generalsekretär der Gewerkschaft ANEP (Asociación Nacional de Empleados Publicos y Privados - Nationale Vereinigung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft) und einer der Wortführer der Protestbewegung. ANEP ist eine moderne Gewerkschaft, die der internationalen Dienstleitungsgewerkschaft Public Services International angeschlossen ist. Albino Vargas beherrscht perfekt die Klaviatur der Konfrontation wie der konzilianten Angebote. Man findet ihn in der live übertragenen populären Radiosendung in der nächtlichen Innenstadt von San José wie in den großen Talkshows. Im aktuellen Konflikt hat er den Präsidenten Costa Ricas zu einem offenen Dialog über die neoliberale Wirtschaftspolitik aufgefordert, da ansonsten »das legendäre Klima des sozialen Friedens und der Stabilität« auf dem Spiel stünde. Der Generalsekretär der ANEP erläutert im folgenden Interview Entwicklung und Politik seiner Organisation.

Eine vierköpfige Familie braucht dreieinhalb Mindestlöhne, um menschenwürdig überleben zu können

F. Braßel

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217327 Sinkende Krankenstände | Werden wir immer gesünder? »Nicht nur betriebliche Gesundheitsförderung, auch die Angst um den Job ist dafür verantwortlich, dass weniger Krankenstände in Anspruch genommen werden«, so die ÖGB-Expertin für ArbeitnehmerInnenschutz, Renate Czeskleba: »Ich warne davor, in Jubelstimmung auszubrechen. Dennoch freuen wir uns, dass auch die Arbeitgeberseite mittlerweile Bewusstsein für die wichtige Maßnahme der betrieblichen Gesundheitsförderung entwickelt hat.« Für den ÖGB gehört Gesundheitsförderung im Betrieb seit langem zu den Hauptforderungen. Stress ist ein wesentlicher Faktor im Arbeitsleben. Seine Vermeidung führt nachweislich zu dauerhafterer Gesundheit. »Die Arbeitgeber müssen ihre Hausaufgaben machen und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Stress-prävention ermöglichen«, verlangt Czeskleba. Die von der Gewerkschaft regelmäßig durchgeführten Befragungen unter ArbeitnehmerInnen zeigen, welch hoher Stellenwert der Gesundheit am Arbeitsplatz zukommt. Am wichtigsten ist den Beschäftigten die bessere Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Deshalb fordert Czeskleba, dass neben Vorbeugemaßnahmen gegen Stress auch verstärkt Projekte zur Arbeitszeitgestaltung oder für alters- und alternsgerechtes Arbeiten in den Betrieben umgesetzt werden.

W. L.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217310 Kommentar | Mehr Arbeit - weniger Lohn? Heiner Flassbeck - Deutscher Wirtschaftsforscher und Publizist]]> Wer erinnert sich noch? Es gab einmal Zeiten, in denen eben diese Gewerkschaften äußerst schlagkräftig waren und die Republik mit Arbeitszeitverkürzungen überzogen. Samstags gehört Papi mir, hieß die Parole in den Sechzigerjahren, mehr Arbeit für alle durch weniger Arbeit für den Einzelnen hatte man sich in den letzten 25 Jahren auf die Fahne geschrieben.

Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich

Seit Anfang der Achtzigerjahre haben die Gewerkschaftsführer dabei an einer Doktrin festgehalten, die ihnen jetzt um die Ohren gehauen wird.

Immer wurde den Arbeitern nämlich verklickert, die Arbeitszeitverkürzung ginge natürlich nicht zu Lasten des ausbezahlten Lohnes, man verhandle selbstverständlich nur über »Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich«. Und fast immer war das Ergebnis der Tarifverhandlungen eine Arbeitszeitverkürzung, bei der der Monatslohn insgesamt stieg, also tatsächlich die Einbuße bei den Stunden in irgendeiner Art und Weise begleitet war von einem Anstieg der Löhne pro Stunde. So wurde auf allen Seiten der Eindruck erweckt, das Gesamtergebnis der Lohnverhandlungen sei deutlich über den Produktivitätsfortschritt hinausgegangen, habe also Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer gebracht.

Im Lichte dessen ist doch die heute gängige Variante »Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich« nur konsequent. Und so sehen es in der Tat viele, auch den Gewerkschaften nicht feindlich gesinnte Beobachter: Was die Gewerkschaften an überzogenen Abschlüssen in der Vergangenheit herausgeholt haben, muss heute, in den »neuen Zeiten«, wieder zurückgenommen werden, weil wir uns es nicht mehr leisten können.

Zum Keulen der Gewerkschaften

Sind in dieser Logik also die Löhne in der Vergangenheit zu stark - weil weit jenseits der Produktivitätszunahme - gestiegen, müssen sie jetzt weit hinter der Produktivität zurückbleiben. Der Verteilungsvorsprung, den die Gewerkschaften in der Vergangenheit mit »Gewalt« durchgesetzt haben, hat die Arbeitslosigkeit verursacht und muss zurückgeführt
werden.

Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich

Das ist bitter für die Gewerkschaften, weil jeder nur halbwegs aufgeklärte Funktionär weiß, dass es die ominöse Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich niemals gegeben hat. Was einst als unscharfe Parole gut war, um die eigenen Mitglieder in Sachen Arbeitszeitverkürzung bei der Stange zu halten, wird nun von den anderen zum Keulen der Gewerkschaften benutzt. Spätestens seit Beginn der Achtzigerjahre war mit der Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer Schluss und es ging 25 Jahre in die andere Richtung.

Trotz Arbeitszeitverkürzung ist es den Arbeitnehmervertretern seitdem nicht mehr gelungen, auch nur die Produktivitätszunahme zu bekommen, also eine Gleichverteilung von Arbeit und Kapital durchzusetzen. Nach fast allen Tarifrunden blieb der Reallohnanstieg pro Stunde geleisteter Arbeit hinter dem Anstieg der Produktivität zurück.

Konnten die Gewerkschaften erfolgreich Arbeitszeitverkürzung durchsetzen, dann praktisch immer ohne jeden Lohnausgleich. Wenn die Stundenlöhne stiegen und die Arbeitszeit gleichzeitig verkürzt wurde, dann stand in der Regel so viel Produktivität zur Verfügung, dass daraus beides bezahlt werden konnte, ohne den Unternehmen einen mindestens gleich großen Anteil am Produktivitätsfortschritt zu nehmen. Um die Verkürzung der Arbeitszeit zu finanzieren, verzichteten die Arbeitnehmer also auf sonst mögliche Lohnerhöhungen.

Im Himmel fett werden

Da erscheint die heutige Debatte in einem ganz anderen Licht. Was nun passiert, ist Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, die der Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich auf dem Fuße folgt. Folglich wird nur fortgesetzt, was lange schon im Gange ist: Die Arbeitnehmer verzichten weiter, weil keiner begriffen hat oder begreifen will, dass die Politik des Verzichts schon seit einem Vierteljahrhundert nicht greift. Wenn jetzt in einzelnen Betrieben und dann in der Fläche die Löhne pro Stunde in Deutschland massiv gesenkt werden, treten wir nur in eine neue Phase des immer gleichen Spiels, das da heißt, nur wer den Gürtel im Hier und Heute ordentlich eng schnallt, kann im Himmel fett werden.

Maßlose Bescheidenheit der Gewerkschaften

Doch noch immer schweigen die Gewerkschaften. Noch immer ist ihre maßlose Bescheidenheit in den vergangenen Jahrzehnten kein Thema. Zwar entrüsten sich alle über den neuen, schamlosen Zugriff der anderen, dass sie aber selbst die Politik der Enthaltsamkeit so viele Jahre mitgetragen und ihre Mitgliedern weitgehend im Dunkeln darüber gelassen haben, das ist kein Thema.

So ist die Debatte um Lohnsenkungen in Deutschland von einer seltsamen Schieflage geprägt. Während die Arbeitgeber natürlich in Abrede stellen, dass es jemals Lohnzurückhaltung gegeben hat, ist es auch der Gewerkschaftsspitze eher peinlich, darüber zu reden. Das Tabu in der Diskussion, von dem so viele jetzt schwadronieren, ist das eklatante Versagen der Verzichtspolitik, nicht aber die Bereitschaft, zu verzichten. Die war immer und sogar im Übermaß vorhanden.

Alles, was die Arbeitnehmer heute in Deutschland bekommen, haben sie verdient - im wahrsten Sinne des Wortes. Sogar mehr als das. Sie haben schon lange nicht mehr alles in Anspruch genommen, was sie verdient hätten. Wer heute sagt, in anderen Ländern würde länger gearbeitet oder die Löhne seien dort niedriger und deswegen müssten die Löhne in Deutschland sinken, ist ein Scharlatan oder ein reiner Interessenvertreter. Wenn es etwas zu beklagen gibt, dann die noch immer nicht vorhandene Bereitschaft der Interessenvertreter der Arbeitnehmer, ihren Mitgliedern und der Bevölkerung reinen Wein über die Verzichtspolitik der letzten 25 Jahre und ihre eigenen strategischen Fehler einzuschenken.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung aus: »Wirtschaft & Markt - Das ostdeutsche Wirtschaftsmagazin« 8/2004 (Zwischentitel von der Redaktion »A&W«)

Der Autor hat eine eigene Homepage:
www.flassbeck.de

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842217234 Standpunkt | »Ein garstig Lied!<br /> Pfui! Ein politisch Lied!« Da haben wir es wieder: eine neuerliche Belastungswelle ist da, ein hübsches Paketchen, das uns die Regierung auf die bewährte Art beschert hat, wie all die anderen Pakete, die wir schon erhalten haben. Zwar ohne Mascherl und ohne festliche Verpackung, und wir Bescherten freuen uns gar nicht, aber für viele hat es den Anschein, es bleibt uns nichts übrig als die Krot zu schlucken und neuerliche Abschläge bei den Pen-sionen hinzunehmen und wieder einmal noch mehr für Medikamente und Krankenhaus zu bezahlen.

Ganz herzig ist der ORF in diesem Zusammenhang: Der öffentlich-recht-liche österreichische Rundfunk wird die Informations-Spots des ÖGB zur Harmonisierung der Pensionen nicht ausstrahlen.

Die Bundesregierung hat mit dem neuen ORF-Gesetz, das am 1. Jänner 2002 in Kraft getreten ist, die Belang-sendungen für die Interessenvertretungen gestrichen. Politische Werbung darf der ÖGB aber auch nicht schalten. Eine wesentliche Möglichkeit, Informationen im Rahmen des ORF weiterzugeben, besteht in den so genannten »Beiträgen im Dienste der Allgemeinheit«. Was im Dienste der Allgemeinheit steht, entscheidet letztlich die Generaldirektion des ORF.

Die Generaldirektion hat entschieden: Die echten Fallbeispiele, die der ÖGB auf ähnliche Art darstellen wollte wie in einigen Tageszeitungen, stehen nicht im Dienste der Allgemeinheit. Ein Problem sieht die Generaldirektion des ORF auch in der Aufforderung, sich an die Abgeordneten des Parlaments, an die gewählten Vertreter des Volkes zu wenden.

Hier das Treatment zu den ÖGB-TV-Spots »Pensionsharmonisierung«:

Es werden hintereinander drei Betroffene Arbeitnehmerinnen (Schwerarbeiter, Gastgewerbe, Beamter) in ihrer alltäglichen Arbeitssituation gezeigt.

»Unter dem Motto ›Betroffenheit hat Gesichter‹ konzentrieren wir uns hauptsächlich auf die Gesichter der Protagonisten. Durch Schriftinserts werden die Fallbeispiele erklärt (Alter, Beruf, Versicherungsjahre und zu erwartende Pension vor und nach der Pensionsreform). Im Schlussbild zeigen wir alle drei Protagonisten gemeinsam vor dem Parlament, Off-Text (sinngemäß): Am 18. November wird im Parlament über die Pensionsharmonisierung abgestimmt. Reden Sie mit Ihren Abgeordneten!

Der ÖGB informiert Sie!

Mehr unter www.oegb.at

Schlussinsert: Ein Informationsservice des ÖGB

Länge: 25 Sekunden.«

Nach Ansicht der Generaldirektion des ORF ist der Spot nach dieser obigen Beschreibung »extrem politisch« und daher nicht im Interesse der Allgemeinheit.Der ÖGB lässt diese Angelegenheit jetzt von Juristen prüfen. Immerhin wird der ÖGB daran gehindert, bezahlte Informationssendungen über die Interessen der Versicherten bzw. der Arbeitnehmerinnen zu schalten. Festzuhalten ist, das Wirtschaftskammer, Ministerien und Regierung »Beiträge im Dienste der Allgemeinheit« im ORF ausstrahlen.

Also, wie war das? Wenn’s der Wirtschaft gut geht, dann is alles leiwand (oder dulli?).

Aus den ORF-Richtlinien: »Der ORF entscheidet auf Grund der Vorlage eines Konzepts inklusive beigefügten Treatments, ob der Spot für eine Kampagne im Dienste der Allgemeinheit eingesetzt werden kann.«

Offensichtlich hat die öffentlich-rechtliche Institution sich in ihrer Entscheidungsfindung von den Erkenntnissen der besoffenen Studenten in Auerbachs Keller leiten lassen.

Im Dienste der Allgemeinheit? Für die Entscheidungsfindung gibt es keine eindeutigen und nachvollziehbaren Kriterien. Im Zweifelsfalle scheint aber zu gelten: Gewerkschaft pfui! Die sind ja politisch.

Jawohl, wir sind politisch, wenn auch nicht parteipolitisch, denn wir vertreten die Interessen der lohnabhängigen Menschen in unserem Lande. Wie lange noch wollen wir zusehen? Wie lange noch wollen wir uns auspressen lassen wie die Zitronen und dazu vielleicht noch danke sagen?

Es reicht bald endgültig!

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842215539 Matura, was jetzt? Ich würde an die Pädagogische Akademie gehen, würde wieder Volksschullehrer lernen, nebenbei Querflöte am Konservatorium belegen und gleichzeitig mindestens drei Jahre im fremdsprachigen Ausland Sprachaufenthalte machen.« So lautete die Antwort von Bildungsministerin Gehrer in einem Interview auf die Frage nach ihrer
Wunschausbildung.

Unsichere Berufsperspektiven

Den betroffenen Maturantinnen und Maturanten fällt die Berufs- und Studienwahl in der Realität allerdings vielfach nicht so leicht. Sie müssen heutzutage diese Entscheidung unter dem Druck unsicherer Berufsaussichten treffen. Mit einer Matura von einer Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS) allein ist kaum mehr ein direkter Berufseinstieg möglich. Aber auch Absolventinnen und Absolventen von Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS) haben es nicht immer leicht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden.

Zudem sind die Zeiten vorbei, in denen AkademikerInnen zwischen mehreren attraktiven Jobangeboten wählen oder zumindest rasch eine fixe Anstellung finden konnten.

Reißerische Schlagzeilen, wie »Umsonst studiert: Tausende Akademiker finden keinen Job«, tragen überdies zur Verunsicherung von Studierenden und deren Eltern bei, zumal der Hinweis auf das weit höhere Arbeitslosenrisiko von Personen ohne Höherqualifizierung häufig entfällt oder im Text »untergeht«. Übrigens verwies Ministerin Gehrer - ungeachtet ihres eigenen »Berufs(wunsches)« - in ihrem »Maturantenbrief« auch heuer wieder auf den sinkenden Bedarf an LehrerInnen im Pflichtschulbereich.

Wer schon von klein auf weiß, dass sie oder er Ärztin/Arzt, Anwältin/Anwalt werden oder an einer AHS unterrichten will, hat es bei der Studienwahl insofern leicht, als für diese Berufe nach wie vor die »klassische« Universitätsausbildung erforderlich ist. Zu hoffen ist nur, dass diese Entscheidung wohl durchdacht ist und die Vorstellung vom »Traumberuf« nicht allein durch Fernsehserien wie »Emergency Room« oder »Ally McBeal« geprägt ist.

Verwirrende Vielfalt an Angeboten

Viele Jugendliche haben aber ohnehin weit weniger konkrete Berufswünsche. »Ich möchte irgend etwas mit Computer machen!«, »Meine Tochter interessiert sich für Sprachen!« oder »Ich würde gern mit Menschen zu tun haben!« sind Sätze, die die Bildungsberaterinnen und -berater der Arbeiterkammer oft zu hören bekommen. Im Vergleich zu früher sind die Jugendlichen heute jedenfalls mit einer wachsenden Zahl von ganz unterschiedlichen Studienangeboten konfrontiert - die Palette reicht von den Diplomstudien an Universitäten über Fachhochschul-Studiengänge für Berufstätige bis hin zu Akademien und einer kaum mehr überschaubaren Fülle an Universitätslehrgängen. Sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen werden außerdem immer mehr kürzere und straffer organisierte Bakkalaureats-Studiengänge angeboten, deren Akzeptanz am Arbeitsmarkt freilich noch gar nicht absehbar ist.

Geschlechtsspezifische Studienwahl

Statistisch betrachtet lassen sich über einen längeren Zeitraum hinweg durchaus gewisse Trends bei der Studienwahl feststellen. Der Einfluss der Studienberatung kann aufgrund fehlender Langzeituntersuchungen de facto nicht abgeschätzt werden. Es ist aber anzunehmen, dass generell die wirtschaftliche Lage und die stärkere Tendenz zu »verwertbarer« Bildung für die Entwicklung insgesamt ausschlaggebend waren. Lagen bis zu Beginn der Neunzigerjahre die Geisteswissenschaften unangefochten auf Platz eins der Beliebtheitsskala, so haben die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in den letzten Jahren stark aufgeholt. Das Studium der »Betriebswirtschaft« ist mit Abstand am beliebtesten, gefolgt von Rechtswissenschaften, Medizin, Handelswissenschaft und Psychologie. Bei den AnfängerInnen belegen rund 25% ein Fach der Geisteswissenschaften und 23% ein Studium der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Mit einigem Abstand in der Beliebtheitsskala folgen die Naturwissenschaften (16%) und die technischen Studienrichtungen (14%). Nach wie vor sind bei der Studienwahl eindeutige geschlechtsspezifische Unterschiede festzustellen: Bei den Sprachstudien sind Frauenanteile von 80% und mehr zu verzeichnen.

Auch Pädagogik, Ernährungswissenschaften, Psychologie, Veterinärmedizin und Pharmazie werden überwiegend von Frauen gewählt. Die Domänen der Männer sind weiterhin die Technik und die Montanistik, hier liegen die Frauenanteile durchwegs unter 20%.

Schwer wiegende Entscheidung

»Die Studienwahl ist für das Leben viel entscheidender als den richtigen Partner auszusuchen!«, lautete einmal die pointierte Aussage eines Wirtschaftspsychologen. Fest steht zweifellos: Die Studienwahl ist ein wesentlicher Faktor für die späteren Leben- und Berufschancen. Zutrittsrechte zu bestimmten Berufen, die Position am Arbeitsmarkt, Einkommen, Status und Prestige hängen von dieser »Weichenstellung« ab.

Geringes Wissen über Studienangebote, Ausbildungsinhalte, Arbeitsmarktrelevanz etc. verengt jedenfalls den individuellen Entscheidungsspielraum. Wer zum Beispiel über Alternativen zum Universitätsstudium gar nicht Bescheid weiß, kann die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Studienformen gar nicht richtig abwägen.

So wechselt ein nicht geringer Anteil an Studierenden (rund 20%) alljährlich von der Universität zur Fachhochschule, weil an den wissenschaftlichen Hochschulen die Betreuung durch die Lehrenden oft zu wünschen übrig lässt bzw. ein hoher Grad an Selbs-torganisation verlangt wird und er oder sie an den Fachhochschulen mit einem weitgehend vorgegebenen Stundenplan und mehr Praxisorientierung besser zurecht kommen.

Generell ist festzuhalten, dass Fehlentscheidungen bei der Studienwahl nicht leicht zu revidieren sind, da spätere Korrekturen in der Regel mit einem zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand einhergehen. Für ein »verlorenes« Studienjahr sind ja nicht nur die Studiengebühren zu veranschlagen, sondern es müssen die Ausgaben für die Lebenshaltung (z. B. für die Wohnung), das Studium (z. B. für Bücher, Skripten) und oft auch der Verlust von Transferleistungen (Familienbeihilfe, Stipendium) infolge eines fehlenden Leistungsnachweises mit- einkalkuliert werden.

Studierende schlecht beraten

Studien belegen, je früher eine Bildungsentscheidung in die Wege geleitet wird, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit der erfolgreichen Realisierung, d. h. es besteht eine geringere Neigung zu langer Studiendauer, Studienwechsel oder Studienabbruch. Die rechtzeitige und fundierte Vorbereitung im Schulbereich ist daher von besonderer Bedeutung.

Um Genaueres über die Studien- und Berufsorientierung an den Schulen und die Beratungssituation an Universitäten und Fachhochschulen zu erfahren, hat die AK Wien beim ÖIBF (Österreichisches Institut für Berufsbildungsforschung) eine repräsentative Befragung in Auftrag gegeben1). Rund 1150 Studierende, die ihr Studium im Wintersemester 2003/04 in Wien begonnen haben, nahmen daran teil.

Ein Hauptergebnis der Studie ist, dass sich knapp die Hälfte der Befragten, nämlich 42%, vor Studienbeginn schlecht informiert gefühlt hat. Bei den Studierenden mit AHS-Matura gibt es nur 53% »Gutinformierte« gegenüber 62% bei den BHS-Maturantinnen und -Maturanten. Es fehlten den Studierenden vor allem Informationen über Studienplanung und -schwerpunkte, Studienförderungen, alternative Ausbildungsmöglichkeiten und »untypische« Studienrichtungen.

Zum Teil fiel die grundsätzliche Entscheidung für ein Studium viel früher als für ein konkretes Studienfach. Immerhin 34% sagen, dass ein Hochschulstudium »schon immer« feststand. Jede Zehnte hingegen entschloss sich kurzfristig vor Semesterbeginn für ein Studium.

Überraschend ist, dass sich mehr als die Hälfte der StudienanfängerInnen ziemlich spät auf ein bestimmtes Studienfach festgelegt hat. 56% wählten ihr Studium in den Ferien, rund die Hälfte davon aber erst unmittelbar vor der Zulassung im Herbst.

Die Motive, ein Hochschulstudium aufzunehmen, waren überwiegend von späteren Verwertungsinteressen (»solide Berufsausbildung«, »notwendig für Wunschberuf«, »bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt«) bestimmt.

Studieninformation und -beratung wurde am häufigsten auf Bildungsmessen (64%), von der Studierendenvertretung (54%) und nur zu 51% im Rahmen von schulischen Angeboten in Anspruch genommen.

Wer Beratung nützte, bewertete diese im Rahmen der Studierendenvertretung als am hilfreichsten (56%). Die Bildungsinformation im Schulunterricht und durch Schüler- und BildungsberatungslehrerInnen sahen lediglich 36% als bedeutsam an.

Die wesentliche und mit Abstand am meisten genutzte Informationsquelle zur Studienwahl war das Internet. Über 95% der angehenden Studierenden haben diesen Rechercheweg gewählt.

Lob und Tadel von der OECD

Angesichts dieser Ergebnisse kann wohl kaum von einer zufriedenstellenden -Situation im Bereich der »Berufs- und Bildungswegorientierung« gesprochen werden. Die Reaktion des Bildungsminis-te-riums auf Forderungen von Ar-beit-nehmer-organisationen zu diesem Themenfeld beschränkte sich aber bislang auf den Hinweis, dass die im Vorjahr erstellte OECD-Studie »Career Guidance and Public Policy: Bridging the gap«, Österreich im internationalen Vergleich ohnehin »ein gutes Zeugnis« ausstellt. Bei -näherer Betrachtung entspricht die diesbezügliche APA-Meldung »Lob und -Tadel für Österreichs Berufsberatung« -jedoch weit mehr dem Inhalt des OECD-Berichts.

Festgestellt wird von der OECD nämlich unter anderem, dass in Österreich die Jugendlichen - im Unterschied zu Ländern mit einer gemeinsamen Mittelstufe - schon sehr früh Entscheidungen treffen müssen, die starke Auswirkungen auf ihren künftigen beruflichen Lebensweg haben. Die Entscheidungsfindung über Bildungswege hat daher besondere Bedeutung.

Im Bericht wird vor allem das bestehende »integrative Modell« kritisiert, das in der AHS-Unterstufe und in rund der Hälfte der Hauptschulen angewandt wird. Eine frühere AK-Studie zur Berufsorientierung in der Mittelstufe hat im Übrigen bereits ähnliche Befunde geliefert. »Integrativ« bedeutet, dass Berufs-orientierung von LehrerInnen anderer Fächer (z. B. Geografie und Wirtschaftskunde, Deutsch, Religion etc.) als Teil dieser Gegenstände unterrichtet wird. Als eigenes Fach wird »Berufsorientierung« lediglich in rund 45% der Hauptschulen angeboten.

Hauptkritikpunkte sind die mangelnde Ausbildung der Lehrkräfte und Zweifel an der tatsächlichen Verwendung der 32 Stunden für die Berufsorientierung. Weiters werden die Ausbildung der SchülerberaterInnen, das geringe Stundenkontingent sowie die häufige Beschränkung auf Informationsvermittlung beanstandet.

Festgestellt wird zudem, dass die Bildungsberatung im Hochschulbereich relativ wenig entwickelt ist.

Die OECD empfiehlt, die Bildungsberatung im AHS- und BHS-Bereich vor allem in den letzten beiden Schulstufen zu konzentrieren und die Studieninformation in der Oberstufe angesichts der hohen Studienabbrecherquoten zu verstärken. Die »Erfolgsquote« beim Universitätsstudium liegt knapp über 60%! Ergänzend dazu ist anzumerken, dass auch die Zahl jener, die ein Studium wechseln, mit insgesamt knapp 30% relativ hoch ist. Nach der letzten Studierenden-Sozialerhebung haben von den AHS-MaturantInnen ein Drittel und von den Studierenden mit BHS-Matura rund 22% bereits das Hauptstudium gewechselt.

Forderungen aus Arbeitnehmersicht

Die OECD-Studie untermauert im Wesentlichen die Forderungen von Arbeitnehmerseite:<

  • Berufsorientierung ausschließlich als eigenes Fach (das heißt verpflichtend für alle SchülerInnen, aber ohne Benotung) von je einer Wochenstunde in der 7. und 8. Schulstufe sowohl in der Hauptschule als auch in der AHS-Unterstufe.
  • Berufs- und Studienwahlorientierung als verbindliche Übung an allen Oberstufenschulen (AHS, BMHS).
  • Geschlechtersensible Berufs- und Bildungswegorientierung - Förderung von nichttraditioneller Studienwahl.
  • Verbesserung der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte im Bereich der Berufs- und Bildungswegorientierung.
  • Flächendeckendes Angebot von »neutralen« Beratungsstellen für eine umfassende und bedarfsadäquate Berufs- und Bildungswegorientierung und Einbindung dieser Institutionen in den Unterricht.
  • Intensivierung der Studieninformation der einzelnen Hochschuleinrichtungen - kontinuierliches Angebot während des Jahres, Tage der offenen Tür, Diskussionsveranstaltungen mit Absolventinnen und Absolventen, eigene Beratungseinrichtungen der Institutionen etc.

 

1) Die Studie »Studieninformation und -beratung - Repräsentative Befragung von Studienanfängerinnen und -anfängern an Wiener Universitäten und Fachhochschulen«, erstellt vom ÖIBF, ist über die Homepage der AK Wien unter www.wien.arbeiterkammer.at (»Publikationen«, »Bildung«) zugänglich.


L I T E R A T U R T I P P

Eine Entscheidungshilfe für Maturantinnen und Maturanten, Eltern etc. bietet der Ratgeber »Matura, was jetzt? Vom Schulabschluss bis zum ersten Job« von Daniela Davidovits (Linde Verlag 2004, Kosten ca.
20). Interessensanalyse und Bildungsüberblick stehen im Zentrum, Erfahrungsberichte von AbsolventInnen sowie Interviews mit ExpertInnen rund das Bild ab.
 


R E S Ü M E E

Die Studierenden-Befragung der AK Wien belegt, dass die Studien- und Berufswahlvorbereitung an den Schulen und den Hochschuleinrichtungen verbessert werden muss.
Fast die Hälfte der Studienanfängerinnen und -anfänger hat sich vor Studienbeginn schlecht beraten gefühlt, und 56% haben sich erst sehr spät, nämlich nach der Matura, für ein konkretes Studienfach entschieden.

Auch wenn das Bildungsministerium betont, dass die Berufsorientierungsangebote an Österreichs Schulen jetzt schon »Spitze« sind, weisen die Erfahrungen von zahlreichen Studierenden, vielen Eltern und den Expertinnen und Experten der Bildungsberatungen deutlich in eine andere Richtung.

Nicht zuletzt angesichts einer beträchtlichen Zahl von Studierenden, die ihr Studium wechselt, hohen Dropout-Raten und langen Studiendauern ist das Bildungsministerium gefordert, rasch die notwendigen Schritte zu setzen, damit die Jugendlichen künftig für die schwerwiegende Entscheidung der Studien- und Berufswahl besser gerüstet sind.

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Martha Eckl (Hochschulpolitische Referentin der Bundesarbeitskammer) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 23 Jul 2007 14:24:06 +0200 1184842215461 Das gesellschaftspolitische Diskussionsforum Wer hat sich nicht schon gefragt, warum sich der politische Diskurs so oft im Kreis dreht. Auch die sozialen Bewegungen sind davon nicht ausgenommen. Während die Neokonservativen und Neoliberalen Multimillionen-Dollar-Netzwerke zum Austausch zwischen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien zur Durchsetzung ihrer Agenda in die Welt setzten, blieb es auf Seiten der alten und neuen sozialen Bewegungen lange Zeit merkwürdig ruhig. Die alten Argumentationsmuster und Kampagnen hatten an Wirksamkeit eingebüßt, neue, die sich einem humanistischen Gesellschaftsbild verpflichtet fühlten, mussten erst gefunden werden.

Vielfach werden die Auseinandersetzungen in Seattle im November 1999 anlässlich der WTO-Tagung als ein Wendepunkt gesehen. Es folgten Weltsozialforen, europäische Sozialforen und schließlich auch nationale Sozialforen, mit dem Ziel, eine »andere Welt« zu wagen. Das »Gesellschaftspolitische Diskussionsforum« (gedifo), angestoßen im April 2000, will als Netzwerk dazu einen Beitrag leisten. ArbeitnehmervertreterInnen, WissenschaftlerInnen, BeraterInnen, KünstlerInnen und VertreterInnen von NGOs treffen einander drei- bis viermal im Jahr, um die unterschiedlichen Perspektiven und Zugänge zu etwas machtvollen Neuen zu vernetzen. Dazwischen wird in vier konkreten Projekten gearbeitet.

»Trigos«

Das Projekt »Allianzen zwischen BetriebsrätInnen und NGOs« will durch ein völlig neues »Geschäftsfeld« ein Gegengewicht zu den gegenwärtigen Unternehmens- und Konzernpolitiken entwickeln. Die Managementskandale der letzten Jahre haben gesellschaftspolitisch verantwortungsvolle Unternehmensführung verstärkt in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt.

So hat da Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit gemeinsam mit der Industriellenvereinigung und der Wirtschaftskammer ein CSR-Leitbild (CSR Austria)1) erarbeitet, welches die Basis für eine Preisverleihung an gesellschaftspolitisch besonders verantwortungsvoll handelnde Unternehmen ist (Trigos 2004).

Von NGOs- und der Vertretung der Arbeitnehmer wird unter anderem bemängelt, dass diese Leitlinie unverbindlich bleibt, wichtige Kriterien keine Berücksichtigung finden und überhaupt befürchtet werden muss, dass es sich dabei nur um eine mit viel Aufwand inszenierte Image-Kampagne handelt.

Soll eine gesellschaftspolitisch verantwortungsvolle Unternehmensführung ernst genommen werden, so bedeutet dies einen systematischen und strukturierten Dialog mit allen innerbetrieblichen und überbetrieblichen Anspruchsgruppen, also all jenen, die in direkter oder indirekter Weise von der Unternehmensführung betroffen sind. Dabei wird BetriebsrätInnen eine wichtige Funktion als »Co-Manager« und Initiator zukommen.

Im Rahmen des gedifo-Projekts »Allianzen zwischen BR und NGOs«

  • wurde dem CSR-Austria-Leitbild ein eigenes »Leitbild der Zivilgesellschaft« gegenübergestellt,
  • wurden in einem eigenen Workshop mit ExpertInnen jene Kriterien diskutiert, die für eine gesellschaftspolitisch verantwortliche Unternehmensführung zu berücksichtigen wären,
  • sollen durch ein eigenes Projekt die jüngst mit dem Trigos 2004 ausgezeichneten Unternehmen unter die Lupe genommen werden
  • und soll in einem konkreten Betrieb im Rahmen eines Pilotprojekts entwickelt werden, was gesellschaftspolitisch verantwortliche Unternehmensführung aus der Perspektive der innerbetrieblichen Interessenvertretung bedeuten könnte.

Kampf um die Köpfe

Bei dem Projekt »Innerbetriebliche Kommunikation« ist der Kampf um die Köpfe der Beschäftigten im Mittelpunkt. Neue Formen der Arbeitsorganisation und der MitarbeiterInnenführung haben massive Auswirkungen auf die Verankerung der innerbetrieblichen Interessenvertretung in der Belegschaft. In vielen Bereichen läuft heute die Entscheidungsfindung in »selbstorganisierten Teams« oder in direkter Kommunikation mit den Vorgesetzten, BetriebsrätInnen bleibt dabei vor allem eine Schutz- und Bewahrungsfunktion.

Gleichzeitig fühlen sich viele Beschäftigte in ihren Betrieben durch die neuen Führungsmethoden »verschaukelt« und zu wenig ernst genommen. Sie wollen Informationen über die beabsichtigten Unternehmensstrategien, sie wollen Zusammenhänge verstehen und Entwicklungen aktiv mitgestalten. Dazu braucht es aber auch eine neue Form des Austausches untereinander, eine neue Form der Kommunikation mit den Beschäf-tigten.

BetriebsrätInnen kommt daher eine wichtige neue Funktion zu. Sie haben den innerbetrieblichen Informationsaustausch zu ermöglichen und so zu gestalten, dass daraus neue innovative ArbeitnehmerInnenpositionen entwickelt werden können. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist die Kenntnis der innerbetrieblichen Netzwerke, denn Meinungsbildung findet vor allem in Pausengemeinschaften, Abteilungsgemeinschaften, gemeinsamen Sportaktivitäten usw. statt.

Teufelskreis für Betriebsräte

Das gedifo-Projekt »Innerbetriebliche Kommunikation« setzt sich zum Ziel, Methoden der Netzwerkanalyse zu erarbeiten, darauf fußende neue innerbetriebliche Kommunikationsformen in ausgewählten Betrieben zu erproben und zu überlegen, welche Ausbildungsinhalte für BetriebsrätInnen notwendig wären, damit sie in diesem Sinne auch BeraterInnen- und Coachingfunktion übernehmen können.

Das Projekt »Co-Management und Verhandlungsstrategien« will zu einer effektiveren und effizienteren Mitbestimmung beitragen. Durch Globalisierung, rasante Unternehmensreorganisationen und neue Managementmethoden geraten BetriebsrätInnen zunehmend in die Defensive.

Weniger denn je werden sie in die Planung betrieblicher Änderungen mit einbezogen, gleichzeitig sollen sie aber die Auswirkungen mittragen und der Belegschaft »verkaufen«. Darunter leidet oftmals das Ansehen bei den Beschäftigten, was in der weiteren Folge wiederum die Position gegenüber der Geschäftsleitung unterminiert.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müssen BetriebsrätInnen eigenständige Ziele und Gestaltungsvorstellungen entwickeln. Nicht alleine, sondern indem sie durch eine kommunikative Rückkopplung mit den Beschäftigten eine umfassende Beteiligung der Betroffenen an Strategiefindungs- und Entscheidungsprozessen gewährleisten.

Einkommen und Verträge immer schlechter

Das gedifo-Projekt »Co-Management und Verhandlungsstrategien«

  • will auf der Grundlage eines definierten Kriterienkatalogs eine Typologie derzeit in der Praxis anzutreffender Verhandlungsmuster entwickeln,
  • will Voraussetzungen und Meilensteine definieren, damit Co-Management tatsächlich gelingen kann und BetriebsrätInnen am Ende als erfolgreiche Verhandler an Ansehen gewinnen und
  • will Strategien für Situationen debattieren, in denen Co-Management aus verschiedensten Gründen nicht zielführend ist.

Schließlich nimmt das Projekt »Atypische Beschäftigung« einen wichtigen Umbruch auf den Arbeitsmärkten in den Blick: die Auflösung des Normalarbeitsverhältnisses.

Seit Ende der Neunzigerjahre nehmen so genannte »atypische Beschäftigungsverhältnisse« stark zu. Immer mehr Menschen arbeiten als freie DienstnehmerInnen, als WerkvertragnehmerInnen, als geringfügig Beschäftigte usw. Damit sind massive sozial- und arbeitsrechtliche Nachteile verbunden, weshalb die Mehrheit der atypisch Beschäftigten auch lieber ein Normalarbeitsverhältnis hätte.

Die verschärfte Situation am Arbeitsmarkt geht auch an dieser ArbeitnehmerInnengruppe nicht spurlos vorüber. In vielen Bereichen werden sowohl die Einkommen als auch die Vertragsbedingungen immer schlechter, weil Angebot und Nachfrage zunehmend auseinander klaffen.

ÖGB und GPA haben dieses Problem erkannt und wollen mit eigenen Beratungs- und Interessenvertretungsorganisatonen (Flexpower, work@flex) gegensteuern.

Befruchtung der Politik

Kein ganz einfaches Unterfangen, denn atypische Beschäftigung findet sich in einer sehr großen Bandbreite: von eher unqualifizierten bis zu hochqualifizierten Tätigkeiten (IT, Medien, Erwachsenenbildung), von sozial- und arbeitsrechtlich besser bis zu schlecht abgesicherten Arbeitsverhältnissen und schließlich von existenzsichernden bis zu nicht existenzsichernden Einkommen.

Die gedifo-Projektgruppe »Atypische Beschäftigung« will auf folgenden konkreten Ebenen politikwirksam werden:

  1. Behandlung jeweils akuter Themen im Bereich etwa der sozialen Absicherung wie z. B. einer Arbeitslosenversicherung für Selbständige.
  2. Konzeption und Durchführung einer Sensibilisierungskampagne, um die Problematik in der Öffentlichkeit entsprechend zu verankern.
  3. Aufbau eines Netzwerkes von atypisch Beschäftigten, um durch den Austausch mehr Transparenz, eine wechselseitige Unterstützung und eine politisch wirksamere Vorgehensweise zu ermöglichen.

Die konzeptionellen Vorarbeiten der gedifo-Projekte sind so weit gediehen, dass nun konkrete Schritte in die Praxis gesetzt werden können: durch Pilotprojekte, durch die Entwicklung von Ausbildungsinhalten und durch eine Befruchtung der Politik, insbesondere der ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen. Wer hier mitwirken will, ist herzlich eingeladen.

Kontakt:
ulrich.schoenbauer@akwien.at

 

1) CSR = Corporate Social Responsibility = soziale Verantwortung von Unternehmen (Anmerkung der Redaktion: das Dinglish greift immer mehr um sich)

Autoren:
Ulrich Schönbauer
Arbeiterkammer Wien
Michael Vlastos
Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842215384 »Ohne Unterschied!« Die Gleichbehandlung von Menschen bzw. der Schutz vor Diskriminierung ist in der Europäischen Union aufgrund des EG-Vertrags Artikel 13 als Grundrecht festgelegt1). Im Jahr 2000 hat der Ministerrat der EU zwei Richtlinien2) beschlossen, die gemeinhin als Antidiskriminierungsrichtlinien bezeichnet werden. Diese konkretisieren das Grundrecht auf Gleichbehandlung und verpflichten die Mitgliedsstaaten unmittelbar dazu, ihre Gesetzgebung anzupassen.

Rasse oder ethnische Herkunft

Es handelt sich dabei um die Richtlinie 2000/78/EG, die einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung) festlegt. Sie umfasst nur den Bereich Beschäftigung und Beruf. Weiters wurde die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft (Antirassismusrichtlinie) beschlossen. Sie gilt zusätzlich noch für die Bereiche Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung und Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. Des Weiteren wurde von der EU im Jahr 2002 die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG geändert.

Die innerstaatliche Umsetzung der oben angeführten Richtlinien erfolgte für den Bereich der Privatwirtschaft im Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK-/GAW-Gesetz) und im Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz). Der Diskriminierungstatbestand der Behinderung wurde nicht in den beiden Gesetzen geregelt, da die innerstaatliche Umsetzung in einem eigenen Behinderten-Gleichstellungsgesetz erfolgen soll. Die innerstaatliche Umsetzung des Dienstrechts des Bundes wurde im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz vorgenommen.

Verstärkt Frauen und Ältere integrieren

Für die Verabschiedung der Antidiskriminierungsrichtlinien gibt es auch Gründe, die in wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen der EU liegen. Beim Europäischen Rat zu Beschäftigung und Innovation in Lissabon im März 2000 wurde beschlossen, bis 2010 eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent EU-weit zu erreichen. Doch ein hohes Beschäftigungsniveaus wird nur dann erreicht werden, wenn verstärkt Frauen, ältere ArbeitnehmerInnen und Menschen, die unterschiedlichen ethnischen Minderheiten angehören, sowie Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Gleiche Chancen am Arbeitsplatz sind eine wichtige Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen.

Ein hohes Ausmaß an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wiederum würde die gesellschaftliche Integration in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union behindern und gefährden.

Sexuelle Ausrichtung

Wie erleben die betroffenen Gruppen ihre Diskriminierung in unserer Gesellschaft? Für Österreich liegen keine Studien zur Diskriminierung von schwulen und lesbischen ArbeitnehmerInnen vor, doch deutsche und schwedische Untersuchungen zeigen, dass 80 Prozent dieser Gruppe Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz hat.

Das Institut SORA hat im Auftrag des Equal-Projekts »Gleiche Chancen« Diskriminierungen von MigrantInnen am Arbeitsplatz erhoben. Dazu wurden Befragungen von Zuwanderern mit ArbeitnehmerInnen, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben, herangezogen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass sich 40 Prozent der ausländischen ArbeitnehmerInnen durch schlechte Gesundheitsbedingungen am Arbeitsplatz stark belastet fühlen, im Vergleich zu 16 Prozent der inländischen ArbeitnehmerInnen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Unfall- und Verletzungsgefahren. 33 Prozent der ausländischen ArbeitnehmerInnen sehen diese Gefahr für sich am Arbeitsplatz, aber nur 13 Prozent der inländischen KollegInnen. Diese Ergebnisse zeigen natürlich die strukturelle Diskriminierung von MigrantInnen in unserer Gesellschaft, sie finden nur in bestimmten gesundheitsbelastenden Branchen Arbeit.

Auch ältere ArbeitnehmerInnen in Österreich fühlen sich aufgrund ihres Alters bei der Jobsuche extrem benachteiligt. Nur fünf Prozent der über 45-Jährigen sehen im Falle von Arbeitslosigkeit für sich »sehr gute Chancen« einen angemessenen neuen Job zu finden. Das ergab der Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich im Herbst 20033).

In welchen Bereichen sind nun Ungleichbehandlungen durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen verboten?

Diskriminierungsverbote

Aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere

  • bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
  • bei der Festsetzung des Entgelts,
  • bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen,
  • bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,
  • beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen,
  • bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,
  • bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie in der sonstigen Arbeitswelt, nämlich
  • beim Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,
  • bei der Mitwirkung in einer ArbeitnehmerInnen- oder ArbeitgeberInnenorganisation,
  • bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit.

Neben den ArbeitnehmerInnen unterliegen auch HeimarbeiterInnen sowie arbeitnehmerInnenähnliche Personen diesen Diskriminierungsverboten.

Diskriminierung kann offensichtlich sein, doch manchmal kann sie versteckt bleiben oder sie tritt subtil auf. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts, der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahrt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

Ein Beispiel dazu: Eine Arbeitnehmerin über 50 bekommt keine Einladungen für interne Aus- und Weiterbildungen. Auf Nachfrage, warum dies so sei, erklärt der Personalverantwortliche, dass sich eine Weiterbildung für über 50-Jährige nicht mehr bezahlt macht.

Bei Ungleichbehandlungen wegen eines Merkmals, z. B. des Alters, liegt nur dann keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder den Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt. Wenn z. B. ein Regisseur eine Schauspielerin für die Mutter Courage im gleichnamigen Stück von Bert Brecht für eine traditionelle Inszenierung sucht, dann wird diese Rolle nur schwer eine 20-jährige Frau spielen können. In diesem Fall ist das Alter eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung, um diese Rolle zu übernehmen.

Dem Anschein nach …

Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, Personen eines bestimmten Geschlechtes, einer ethnischen Gruppe, einer bestimmten Religion, einer Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder einer sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen benachteiligen, die nur dann zulässig ist, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Ein Beispiel dazu: Oft ist Teilzeitbeschäftigten der berufliche Aufstieg verwehrt. Nachdem vorrangig Frauen teilzeitbeschäftigt sind, stellt dies eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar.

Sanktionen

Welche Sanktionen gibt es, wenn das Gleichbehandlungsgebot verletzt wurde?

Wurde bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses diskriminiert, beträgt der Schadenersatz mindestens ein Monatsentgelt, wenn der Stellenwerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte.

Wird ein/e ArbeitnehmerIn beim beruflichen Aufstieg diskriminiert, beträgt der Schadenersatz mindestens die Entgeltdifferenz für drei Monate, wenn der/die ArbeitnehmerIn bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgestiegen wäre.

Wurde ein/e ArbeitnehmerIn aufgrund des Alters, der ethnischen Zugehörigkeit usw. nicht in eine betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahme einbezogen, so hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechende Maßnahme oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

Ist der/die ArbeitnehmerIn aufgrund eines oben angeführten Diskriminierungsmerkmals gekündigt oder entlassen worden, kann die Kündigung oder Entlassung angefochten werden.

Wurde ein/e ArbeitnehmerIn aufgrund einer der oben angeführten Diskriminierungsmerkmale bei den Arbeitsbedingungen schlechter behandelt, so hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

Wurde jemand bei der Entlohnung diskriminiert, hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.

Durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen wurde »Belästigung« in Verbindung mit Alter, sexueller Orientierung usw. als Tatbestand der Diskriminierung festgelegt. Eine Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise gesetzt wird, die die Würde der betroffenen Person verletzt und für diese unerwünscht ist, sowie dadurch für sie ein einschüchterndes, feindseliges Umfeld geschaffen wird. Bei einer Belästigung beträgt der Mindestschadenersatz 400 Euro.

Der Anspruch auf Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung dient der Abgeltung von Verletzungen der persönlichen Würde, die durch diskriminierendes Verhalten oder diskriminierende Entscheidungen erfolgen. Dies ist ein ideeller Schadenersatzanspruch, der vom Gericht global zu bemessen ist.

Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung

Weiters sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, alle internen und externen Stellenausschreibungen diskriminierungsfrei zu halten. Beim ersten Verstoß erfolgt nur eine Verwarnung der Bezirksverwaltungsbehörde, bei weiteren Verstößen ist der/die ArbeitgeberIn mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen.

Verfahren und Fristen

Im Falle einer Diskriminierung kann sich die betroffene Person grundsätzlich an das Gericht und/oder die Gleichbehandlungskommission wenden. Die Gleichbehandlungskommission erstellt Gutachten und nimmt Einzelfallprüfungen vor. Schadenersatz- oder Erfüllungsansprüche können nicht vor der Gleichbehandlungskommission geltend gemacht werden. Darüber können nur die Gerichte entscheiden.

Die Entscheidungen der Gleichbehandlungskommission sind für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich, ein Urteil, das jedoch von dem Ergebnis der Gleichbehandlungskommission abweicht, hat das Gericht zu begründen.

Wenn ein Antrag vor der Gleichbehandlungskommission eingebracht wird, dann werden dadurch die Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung gehemmt. Mit Zustellung des Ergebnisses der Kommission wird die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung beendet. Danach steht dem/der ArbeitnehmerIn zur Erhebung der Klage mindestens noch eine Frist von drei Monaten offen. War die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem/der ArbeitnehmerIn nur diese offen.

Dolmetscherkosten im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission werden von Amts wegen getragen.

Um Diskriminierung am Arbeitsplatz in der Praxis wirksam bekämpfen zu können, werden rechtliche Vorschriften alleine, die auf individualrechtlichen Bestimmungen beruhen, nicht ausreichend sein. Gleichzeitig müssen Unternehmen motiviert werden, neue Maßnahmen im Personalbereich zu setzen. Die sozialen und ökonomischen Veränderungen unserer Gesellschaft werden Unternehmen immer mehr dazu bringen, sich um die Vielfalt ihrer Belegschaften Gedanken zu machen und sie effektiv zu nutzen. Dies betrifft vor allem signifikante Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in allen europäischen Ländern.

Diversity-Management - Vielfalt im Unternehmen

Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter steigt, wodurch es in den Belegschaften mehr ältere und weniger jüngere Arbeitneh-merInnen geben wird. (siehe dazu »Arbeit&Wirtschaft« 7-8/04 »Ältere ArbeitnehmerInnen. Das verborgene Gold im Unternehmen«, S. 34). Die Migration führt zu einer multikulturellen und multiethnischen Bevölkerung in ganz Europa, auch in Österreich. Schwule und lesbische ArbeitnehmerInnen stellen immer mehr den berechtigten Anspruch, ihre Lebensweise nicht mehr verstecken zu müssen. Auch Menschen mit Behinderung fordern die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein.

Unternehmen müssen auf diese Veränderungen, die oft mit gesellschaftlichem Wertewandel, mit neuen Denkweisen und Bedürfnissen verbunden sind, verstärkt eingehen, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. Vielfalt in der Belegschaft ist eine Strategie, um auf diese Veränderungen zu reagieren. Dieses Diversity-Management kann ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von KundInnen bzw. KlientInnen wecken, bei der Entwicklung von neuen Produkten, Dienstleistungen und Marketingstrategien unterstützen und das Image des Unternehmens verbessern.

Ethik-Vertrag

Die neuen gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen auch auf Kollektivvertrags-ebene und auf betrieblicher Ebene durch Betriebsvereinbarung positive Maßnahmen zu setzen, um vorhandene Benachteiligungen auszugleichen und Diskriminierung zu bekämpfen. Der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen in der außeruniversitären Forschung, der mit 1. Jänner 2004 in Kraft getreten ist, enthält in § 2 einen Diskriminierungsschutz. Die Grundsätze dafür sind in einem eigenen Ethik-Vertrag der Kollektivvertragspartner näher ausgeführt. Dadurch wurde eine Ethikkommission installiert, die bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Vertrags vermittelnd tätig wird. Natürlich ist dieser Ethik-Vertrag auf die spezifischen Bedürfnisse der Forschung zugeschnitten, doch wurde hier erstmals der Schutz vor Diskriminierung auf Kollektivvertragsebene verankert.

Neben der Kollektivvertragsebene kann auch auf der betrieblichen Ebene durch Betriebsvereinbarung ein Signal gegen Diskriminierung gesetzt werden. In Österreich hat erstmals der Betriebsrat von Jugend am Werk unter dem Titel »Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz« eine Betriebsvereinbarung gegen Diskriminierung abgeschlossen.

 

1) Der Diskriminierungstatbestand »Behinderung« wird im Behindertengleichstellungsgesetz geregelt werden. Es ist im Moment nicht abschätzbar, wann dieses Gesetz in Kraft treten wird. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist in Österreich bereits seit 1979 (Privatwirtschaft) verboten.
2) Siehe dazu René Schindler: Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich, Teil 2: Überblick über Richtlinien, deren Umsetzung bevorsteht, insbesondere die Antidiskriminierungsrichtlinien, DRdA 6/2003, S. 523-536
3) Arbeitsklima News 4/03, im Internet unter:
www.arbeiterkammer.com

Autorinnen:
Ingrid Reifinger
ÖGB-Referat für Humanisierung, Technologie und Umwelt
Dinah Djalinous-Glatz
Sozialpolitisches Referat im ÖGB

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842215245 Fast alle haben gewonnen In der öffentlichen und politischen Diskussion in Österreich, aber auch in anderen EU-Ländern, wird die wirtschaftliche Auswirkung der EU-Mitgliedschaft meist nicht mit allen Vor- und Nachteilen umfassend dargestellt. Die Diskussion ist oft einseitig nur auf Vor- oder Nachteile konzentriert. Insbesondere die wirtschaftlichen Vorteile der EU werden kaum diskutiert und die EU wird in Österreich, so wie in vielen anderen Ländern, nur unter dem Aspekt Nettozahler gesehen. Es soll daher versucht werden, eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung des EU-Beitritts für Österreich zu erstellen.

Wirtschaftliche Aspekte der Rolle Österreichs in der EU

Der wirtschaftliche Einfluss Österreichs auf die EU insgesamt ist beschränkt - Österreich hatte 2002 einen Anteil von 3% des BIP am Euro-Raum und von 2,3% an der EU. Österreich ist jedoch wirtschaftlich stark, makroökonomisch stabil und Nettozahler, und es ist eine Brücke zu den Beitrittsländern.

Österreich stieß nach dem Beitritt rasch zum wirtschaftlichen Kern der EU vor, zu jenen Ländern, die an der Wirtschafts- und Währungsunion teilnahmen und den Euro verwirklichten. Im Bereich der Währungspolitik konnte damit der frühere Nachvollzug in eine gleichberechtigte Mitbestimmung verwandelt werden - im EZB-Rat gilt das Prinzip: »Ein Mitglied, eine Stimme.«

Durch die Hartwährungspolitik war Österreich schon vor dem EU-Beitritt konvergent, im Bereich der Fiskalpolitik war eine substantielle Senkung des Defizits erforderlich.

Kosten

Die wirtschaftlichen Kosten sind im Wesentlichen die Nettozahlungen an die EU, das heißt die Beiträge an das EU-Budget liegen über den Rückflüssen. Österreich als relativ reiches Land unterstützt damit die ärmeren EU-Mitglieder in ihrem Aufholprozess. Die Nettozahler und Nettoempfänger wurden von der EU Kommission in einem Bericht »Aufteilung der operativen EU-Ausgaben nach Mitgliedstaaten - 2002« (EU Kommission 2003) dargestellt. Österreich gehört wie die Mehrzahl der Mitgliedstaaten zu den Nettozahlern, lediglich Spanien, Irland, Portugal, Griechenland sind Nettoempfänger. Mit der Erweiterung wird sich der Kreis der Nettoempfänger drastisch ausweiten.

Die Nettozahlungen Österreichs betrugen zwischen 0,11% des Bruttoinlandsprodukts im Jahre 2002 und maximal 0,43% des BIP im Jahre 1997 (1996 0,15%, 1998 0,34%, 1999 0,32%, 2000 0,22%, 2001 0,26%).

Nutzen

Der Nutzen ist wesentlich schwerer zu berechnen. Echte wirtschaftliche Integrationseffekte sind sehr schwierig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zu isolieren und zu berechnen. Vor dem EU Beitritt hatte das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO 1994) die zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Effekte eines EU Beitritts berechnet und hatte bis zum Jahr 2000 ein zusätzliches Wachstum des österreichischen Bruttoinlandsproduktes von 2,8% prognostiziert. Nach dem EU-Beitritt Österreichs zeigte sich, dass die erwarteten positiven wirtschaftlichen Auswirkungen im Wesentlichen eingetreten sind.

Bis zum Jahr 1998 betrugen die Wohlfahrtseffekte nach Berechnungen des -WIFO (WIFO 1999) 1,33% des österreichischen BIP. Dies schon unter Berücksichtigung der österreichischen Nettozahlerposition. Auch der Wirtschaftsstandort Österreich hat durch den EU-Beitritt zweifellos profitiert, was sich auch im starken Anstieg der ausländischen Direkt-investitionen in Österreich nach 1995 zeigt. Diese stiegen nach den Daten der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD 1999) von durchschnittlich 0,9 Milliarden $ im Durchschnitt der Jahre 1985 bis 1995 auf 4,4 Milliarden $ 1996, 2,4 Milliarden $ 1997, 5,9 Milliarden $ 1998. Der Anstieg war damit wesentlich stärker als in der BRD: 3,3 Milliarden $ im Durchschnitt der Jahre 1985 bis 1995, 5,6 Milliarden $ 1996, 9,6 Milliarden $ 1997, 19,9 Milliarden $ 1998, oder in der gesamten EU - 67,6 Milliarden $ im Durchschnitt der Jahre 1985 bis 1995, 108,9 Milliarden $ 1996, 126,2 Milliarden $ 1997, 230 Milliarden $ 1998.

Obwohl Österreich insgesamt gewonnen hat, gab es neben Gewinnern auch Verlierer des EU-Beitritts.

Gewinner

Durch den EU-Beitritt haben insbesondere die Konsumenten durch billigere Produkte, Verbilligung der Nahrungsmittel durch die Teilnahme an der EU-Agrarpolitik, dem Zollabbau gegenüber Drittländern sowie vor allem durch die Intensivierung des Wettbewerbs durch die Teilnahme am EU-Binnenmarkt profitiert.

Nach den Berechnungen des WIFO (1999) betrug die Konsumentenrente von 1995 bis 1998 1,53% des österreichischen BIP. Dieses erreichte im Jahre 1998 2610 Milliarden Schilling und 1999 2685 Milliarden Schilling. Die Konsumentenrente von 1,53% des österreichischen BIP betrug daher rund 40 Milliarden Schilling 1998 und rund 41 Milliarden 1999. Pro Kopf der österreichischen Bevölkerung waren dies etwa 5000 Schilling im Jahr, bei einem Vier-Personen-Haushalt daher etwa 20.000 Schilling im Jahr. Die von den EU-Gegnern so heftig kritisierte Prognose der früheren Staatssekretärin Brigitte Ederer eines Wohlfahrtsgewinnes pro Vier Personen-Haushalt von 1000 Schilling im Monat, der so genannte »Ederer-Tausender«, wurde also schon 1998 übertroffen.

Neben den Konsumenten haben noch die Arbeitnehmer insgesamt durch höhere Beschäftigung und niedrigere Arbeitslosenrate gewonnen sowie generell auch die gesamte Wirtschaft, insbesondere die Außenwirtschaft.

Verlierer

In Einzelnen vor dem EU-Beitritt noch geschützten Branchen, wie z. B. der Landwirtschaft und der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, wo der Preisdruck unmittelbar nach dem EU-Beitritt wirksam wurde, über Bereiche, wo der Preisdruck erst allmählich einsetzte, wie Handel, Elektronikbereich, Reisebranche, Versicherungswirtschaft, Telekommunikation -, ist es allerdings zu Preis- und teilweise auch Absatzrückgängen sowie zu Verlusten von Arbeitsplätzen gekommen.

Besonders stark war die Landwirtschaft betroffen, deren Preise durch die Übernahme der EU-Agrarpolitik zwischen 22% nach WIFO-Berechnungen und 24,5% nach Eurostat-Berechnungen fielen. Die Effekte wurden allerdings durch Übergangssubventionen gemildert. Es verwundert daher nicht, dass Gutsbesitzer vehemente Kritiker des EU-Beitritts waren. Sie gehörten wirtschaftlich zu den Verlierern.

Die Verluste in diesen Branchen wurden aber durch Gewinne in den anderen Sektoren der Volkswirtschaft überkompensiert, so dass die Gesamtwirtschaft Österreichs insgesamt gewonnen hat. Das WIFO (WIFO 2003) kommt bis 2001 auf ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 2,9% des BIP, was in etwa den Erwartungen vor dem EU-Beitritt entspricht.

Schon dieses zusätzliche Wirtschaftswachstum machte den EU-Beitritt für die österreichische Volkswirtschaft zum Gewinn. Sogar das Budget profitiert, da die zusätzlichen Einnahmen durch das höhere Wachstum die Nettozahlungen bei weitem überkompensieren. Da es jedoch, wie schon festgestellt, äußerst schwierig ist, die positiven EU-Effekte zu berechnen, sollen zwei Länder mit unterschiedlichen Integrationsstrategien verglichen werden, Österreich und die Schweiz.

Vergleich Österreich - Schweiz

Glücklicherweise haben wir für einen Vergleich ein Großexperiment, nämlich mit Österreich und der Schweiz zwei ähnliche Nachbarländer mit unterschiedlichen Integrationsstrategien. Beide sind relativ reiche, kleine, offene Volkswirtschaften, die 1960 zu den Gründungsmitgliedern der EFTA zählten. Erst Anfang der Neunzigerjahre trennten sich ihre Wege - während Österreich zuerst dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und 1995 der EU beitrat, stockte der Schweizer Integrationsprozess mit dem negativen Referendum zum EWR 1992.

Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen mit den Schweizer KollegInnen, mit denen ich damals den EWR verhandelte.

Auch sie waren fast alle enttäuscht über den Ausgang des Referendums und sahen auch die Schwierigkeit, die der Ausschluss vom EU-Binnenmarkt für viele ihrer Unternehmen wie z. B. besonders die Swissair bringen würde.

Sie glaubten aber, diese negativen Auswirkungen durch bilaterale Abkommen mildern zu können. Weiters dadurch, dass ihre Unternehmen relativ kapitalreich waren und es sich daher leisten konnten, sich im Binnenmarkt niederzulassen oder EU Unternehmen zu kaufen.

Während in den Achtzigerigerjahren Österreich und die Schweiz als EFTA-Mitglieder noch ein ähnliches Wachstum aufwiesen, änderte sich dies in den Neunzigerjahren.

Österreich wuchs als sicherer EWR-Teilnehmer und als EU-Mitglied von 1990 bis 2002 um insgesamt 21% Punkte des BIP rascher als die Schweiz. Ein Überblick kann der Grafik entnommen werden.

Nicht die gesamte Wachstumsdifferenz sollte auf die Teilnahme Österreichs am EU-Binnenmarkt zurückgeführt werden, da Österreich immer noch ärmer als die Schweiz ist und daher aufholen sollte, in den Neunzigerjahren eine aktive Wachstumspolitik durch Investitionsförderung betrieb und insgesamt eine relativ gute Makropolitik implementierte.

Die Teilnahme Österreichs am EU-Binnenmarkt dürfte aber doch wesentlich zum höheren Wachstum beigetragen haben. Die Schweizer Schadensbegrenzung durch bilaterale Abkommen war offensichtlich nicht sehr wirkungsvoll, um die Diskriminierung ihrer Volkswirtschaft und Firmen durch den schlechteren Zugang zum EU-Binnenmarkt zu vermeiden.

Diese dürfte z. B. auch bei der Pleite der Swissair, neben Managementfehlern, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben. Nach einer Untersuchung von Ernst&Young wurde die Insolvenz vor allem auch durch die Übernahme von maroden Fluggesellschaften im EU-Binnenmarkt verursacht.

Obwohl daher die Wirtschaft der Schweiz insgesamt verliert, gibt es spiegelbildlich zur Situation in Österreich auch Gewinner, nämlich die Landwirtschaft mit dem noch höheren Preisniveau, sowie einzelne geschützte Branchen.

Es wundert daher nicht, dass auch Unternehmer zu den vehementesten Gegnern eines EU-Beitritts der Schweiz gehören. Sie könnten dadurch möglicherweise wirtschaftlich verlieren.

Wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung

Die wahren Integrationseffekte dürften daher irgendwo zwischen der WIFO-Berechnung und der Wachstumsdifferenz zur Schweiz, also zwischen 2,9% und 21% liegen.

Jeder einzelne der acht Millionen Einwohner Österreichs hat daher im Jahr 2002 nach den WIFO-Berechnungen durch den EU-Beitritt durchschnittlich über 700 EUR netto gewonnen und im Vergleich zu einem Einwohner der Schweiz, wenn man die Wachstumsdifferenz von 1990 bis 2002 nimmt, durchschnittlich über 5000 EUR.

Die konkrete Verteilung wird allerdings nicht diesen Durchschnittswerten entsprechen, sondern einige werden mehr, andere weniger gewonnen haben. Die österreichische Volkswirtschaft hat gegenüber der Schweiz durch die Wachstumsdifferenz insgesamt etwa 45 Milliarden EUR gewonnen.

Dieser Vergleich zeigt, dass wirtschaftliche Integration zur Erhöhung des Wohlstandes beiträgt und Österreich mit seinem EU-Beitritt wirtschaftlich insgesamt gut gefahren ist. Neben diesen wirtschaftlichen gibt es aber auch noch politische Aspekte der EU-Integration.

Politische Auswirkungen der EU

Auch dank der EU konnte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa im Gegensatz zur Zeit davor eine Periode des Friedens und des Wohlstands erreicht werden. Insbesondere der Kontrast zur ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Europa, die von den nationalistischen Ideologien und den daraus folgenden Kriegen gekennzeichnet war, ist besonders drastisch. International tritt die EU und Österreich für die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen - Multilateralismus - ein. Die wichtige Rolle internationaler Organisationen ist ein besonderes Kennzeichen der heutigen Phase der Globalisierung.

Die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen wurde besonders in den jüngsten Auseinandersetzungen um die Irak-politik zwischen Teilen Europas - insbesondere Deutschlands und Frankreichs - und den USA mit ihren Verbündeten, sowie durch das Scheitern der WTO-Doha-Runde geschwächt. Mittlerweile kehren jedoch auch die USA wieder in den multilateralen Rahmen der UNO zurück.


Q U E L L E N

EU Kommission (2003), Aufteilung der operativen EU-Ausgaben nach Mitgliedstaaten - 2002
Die Presse (2003), Swissair-Artikel am 25. 1. 2003, Seite 29
UNCTAD (1999), World Investment Report 1999,
Country fact sheet Austria
WIFO (1994), Monatsberichte Sonderheft 1994,
Österreich in der Europäischen Union
WIFO (1999), Monatsberichte, 8/1999, Breuss Fritz,
S 551 ff.
WIFO (2000), Austrian Economic Quarterly, 4/2000
WIFO (2003), Working Paper 200/2003, Breuss Fritz,
Österreich, Finnland und Schweden in der EU - Wirtschaftliche Auswirkungen

R E S Ü M E E

Die EU konnte die bei ihrer Gründung angestrebten vorrangigen Ziele - Sicherung der Friedens und Erhöhung des Wohlstandes durch wirtschaftliche Integration - erreichen. Mit der Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion durch die Einführung der gemeinsamen Währung Euro wurde die in den Fünfzigerjahren begonnene wirtschaftliche Integration in Europa gekrönt. Österreich hat durch den EU-Beitritt im Vergleich zur Schweiz wirtschaftlich profitiert. Die wirtschaftlichen Vorteile überwiegen die Nettozahlungen bei weitem. Mit der Osterweiterung überwindet die EU auch die Teilung Europas, und es wächst zusammen, was zusammen gehört. In den letzten Jahren ist es allerdings wieder zu einer stärkeren Verwendung nationalistischer Parolen gekommen. In den nächsten Jahren wird daher die politische Weiterentwicklung der EU im Mittelpunkt stehen. Es ist zu hoffen, dass diese erfolgreich ist, denn damit würde nicht nur die EU, sondern auch das internationale multilaterale System gestärkt.

1) Die im Paper vertretenen Positionen stellen die persönliche Meinung des Autors dar.

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Franz Nauschnigg (Abteilungsleiter in der Oesterreichischen Nationalbank, Abteilung für Integrationsangelegenheiten und Internationale Finanzorganisationen1) ) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1184842215321 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842215234 Geheimwissenschaft und Denksportaufgabe Am Dienstag, den 12. Oktober 2004, hat der Ministerrat nur wenige Tage nach dem Ende der Begutachtungsfrist die Harmonisierung der Pensionssysteme beschlossen. Allein der sehr kurze Zeitraum zwischen dem Ende der Begutachtungsfrist und der Beschlussfassung im Ministerrat belegt, dass gar nicht mehr geplant war, sich mit sachlichen Einwänden und inhaltlichen Anregungen weiter auseinanderzusetzten. Wie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im anschließenden Pressefoyer betonte, hätte es gegenüber dem Begutachtungsentwurf auch nur eine Änderung gegeben, nämlich den Wegfall des Risikozuschlages beim Nachkauf von Schul- und Studienzeiten ab dem 40. Lebensjahr. (Tatsächlich wurde der bereits im Begutachtungsentwurf vorgesehene Wegfall des Zuschlages durch diese Änderung - gilt nur mehr für BerufseinsteigerInnen - nicht eingeführt, sondern erheblich eingeschränkt!) Weitere »Details« des Ministerratsbeschlusses, die für die Betroffenen massive zusätzliche Kürzungen bedeuten, waren dem Bundeskanzler und seinem Vize nicht einmal eine Erwähnung wert.

Dass die zahlreichen ausführlich begründeten Kritikpunkte in den Stellungnahmen in keiner Weise Berücksichtigung fanden, begründete der Kanzler unter anderem damit, dass an sich nichts Neues dabei gewesen sei. Diese Aussage ist insofern bemerkenswert, als damit klargestellt wird, dass die mit dem nun vorliegenden Gesetzesentwurf verbundenen drastischen Kürzungen, Brüche und Ungerechtigkeiten von der Bundesregierung bewusst in Kauf genommen werden.

Im Folgenden soll ein grober Überblick über die wichtigsten Eckpunkte des »Harmonisierungsentwurfes« und dessen gravierendste Auswirkungen gegeben werden.

Für alle über 50-Jährigen gilt die »Pensionsreform 2003« mit einigen Abänderungen weiter:

Pensionskorridor

Ab dem Alter 62 soll die Möglichkeit zum »vorzeitigen« Pensionsantritt gegeben sein. Dieser »Rückzieher« der Regierung bei der Anhebung des Pensionsalters ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, hat aber zwei große Haken: Männer, die ab 62 in Pension gehen, müssen eine »Aufdoppelung« ihrer Verluste aus der »Pensionsreform 2003« hinnehmen, und ein »Pensions-Korridor« ab 62 bringt auf Jahrzehnte Frauen gar nichts. Frauen wurde unverständlicherweise ein Korridor ab 57 - der auch ihnen einen Pensionsantritt frühestens drei Jahre vor dem Regelpensionsalter ermöglicht hätte - verweigert.

Reduktion des Verlustdeckels

Der generelle 10%-Verlustdeckel aus der »Pensionsreform 2003« wird im Jahr 2004 auf 5% reduziert, steigt jedes Jahr um 0,25%-Punkte an (2005: 5,25%, etc.) und beträgt ab dem Jahr 2024 wieder 10%. Weiterhin nicht im Verlustdeckel enthalten sind die zusätzlichen dauerhaften Pensionskürzungen im Ausmaß von rund 2% durch den Entfall der ersten Pensionsanpassung. Die Reduktion des Verlustdeckels wird durch Einführung von - zusätzlichen - Korridorabschlägen konterkariert. Nach der Pensionsreform 2003 betrug der maximale Verlust 10%. Durch den Harmonisierungsentwurf beträgt der maximale Verlust über 20%. Es hilft wenig, wenn der »Gesamtverlustdeckel« auf 5% bis 10% reduziert wird, wenn zum »Gesamtverlustdeckel« noch zusätzliche Abschläge dazukommen. In Wahrheit wird durch den Harmonisierungsentwurf ein neuer »Gesamtverlustdeckel« von mehr als 20% für alle diejenigen geschaffen, die mit 62 Jahren in Pension gehen - »müssen«.

Kein Arbeitslosengeldanspruch im Pensionskorridor

Die Betonung liegt auf »müssen«, denn wer mit 62 arbeitslos ist oder gekündigt wird, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Eine echte Wahl werden wenige haben. Die Bereitschaft der Arbeitgeber, ihre Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, wenn und sobald diese einen Pensionsanspruch haben, ist erfahrungsgemäß gering. Der Bundeskanzler rechtfertigt die hohen Verluste immer wieder mit: »Wer freiwillig früher geht, muss Abschläge in Kauf nehmen.« In der Realität sind die aufgedoppelten Verluste für die meisten unvermeidbar. Das Arbeitsmarktservice wird - so wie es das Gesetz vorschreibt - den Leistungsbezug entweder mit Vollendung des 62. Lebensjahres einstellen, oder einen Antrag auf Arbeitslosengeld von 62-Jährigen erst gar nicht genehmigen. Natürlich »muss« man in dieser Situation keinen Pensionsantrag stellen. Man hat die Wahl, überhaupt kein Einkommen zu beziehen,oder eine um bis zu 22% gekürzte Pension. Doch diese »Freiwilligkeit« wird der Bundeskanzler wohl nicht meinen.

Vertrauensschutz für Ältere

Kanzler Schüssel hat mehrfach hervorgehoben, dass die über 50-Jährigen aus Gründen des Vertrauensschutzes von den jetzigen Pensionsplänen der Regierung ausgenommen bleiben. Finanzminister Grasser hat erst kürzlich in seiner Budgetrede betont, dass die Betroffenen auch die Möglichkeit haben müssen, sich auf die geänderten Lebensbedingungen einzustellen, und dass die Anpassungskosten fair und gerecht zu verteilen sind.

Dass derartige Verluste mit dem Titel »Vertrauensschutz« für Ältere begründet und mit den Attributen fair und gerecht versehen werden, ist als völlig unangebracht zurückzuweisen. Menschen, die zum Teil 47 Jahre gearbeitet haben, können auf einen »Vertrauensschutz«, der ihnen ihre Pension um mehr als 20% kürzt, dankend verzichten.

Zwischen der öffentlichkeitswirksamen Vermarktung der Pensionsreform durch die Regierung und deren realen Auswirkungen liegen offensichtlich
Welten.

»Hackler-Regelung«

Die so genannte »Hackler-Regelung« für Versicherte mit 45/40 Beitragsjahren soll um 31⁄2 Geburtsjahrgänge verlängert werden; bei Pensionsantritt vor 2008 sollen keine Abschläge mehr verrechnet werden. Ab 2008 ist ein stufenweises Absinken der Steigerungspunkte vorgesehen, es werden dann auch Abschläge gerechnet. Die sich ergebenden Pensionskürzungen sind durch den »Verlust-Deckel« begrenzt (keine Korridorabschläge).

Anwendung findet die verlängerte »Hackler-Regelung« für Versicherte, die vor Juli 1950 (Männer) bzw. vor Juli 1955 (Frauen) geboren sind.

Nur wenige Hackler(!) erfüllen die Kriterien der »Hackler-Regelung«. - Ob jemand von der Regierung als »Hackler« anerkannt wird oder nicht, hängt nicht von der Schwere der verrichteten Arbeit ab, sondern allein von der Zahl der erworbenen Beitragsjahre. Wer längere Zeit krank oder arbeitslos war, hat von vornherein keine Chance, die geforderten 45 (Männer) bzw. 40 (Frauen) Beitragsjahre mit 60 bzw. mit 55 zu erfüllen.

Für Versicherte, die ab Juli 1950 (Männer) bzw. ab Juli 1955 (Frauen) geboren sind, soll nach den Regierungsplänen mit der so genannten »Hackler-Regelung« überhaupt Schluss sein. Die ersatzlose Streichung der »Hacklerregelung« für ab dem 1. 7. 1955 geborene Frauen führt zu einer Verschiebung des frühestmöglichen Pensionsantritts um mehr als vier Jahre gegenüber Frauen mit genau dem selben Versicherungsverlauf, die nur einen einzigen Tag früher geboren sind!

Ab dem 1. 7. 1950 geborene Männer, die an sich die Kriterien für die »Hacklerregelung« erfüllen würden, erleiden dadurch, dass sie einen Tag »zu spät« geboren sind, mehr als doppelt so hohe Pensionskürzungen (im Ausmaß um die 20%!), obwohl sie um zwei Jahre länger auf ihre Pension warten müssen!

Schwerarbeiterregelung

Neben der Schwerarbeiter-Regelung nach der »Pensionsreform 2003«, für die 40 bzw. 45 Beitragsjahre erforderlich sind, von denen mehr als die Hälfte Schwerarbeitsjahre sein müssen, ist nunmehr eine weitere Schwerarbeiter-Regelung bei zumindest 45 Versicherungsjahren und 15 Schwerarbeitsjahren vorgesehen. Demnach soll ab frühestens 60 - womit wiederum klargestellt wird, dass Frauen von dieser Regelung für Jahrzehnte ausgeschlossen bleiben - bei verminderten Abschlägen ein Pensionsantritt möglich sein. In beiden Fällen ist aber völlig offen, welche Arbeiten die Regierung als Schwerarbeit gelten lassen will. Man weiß nur, dass die Regelungen erst im Jahr 2007 bzw. 2010 wirksam werden sollen und dass die Regierung den Kreis der Betroffenen so eng wie möglich zu halten gedenkt ("mehr als fünf Prozent sollen es auf keinen Fall sein«). Wie auch immer »Schwerarbeit« letztlich definiert wird, beide Schwerarbeits-Regelungen bringen jenen SchwerarbeiterInnen, die bereits vor Erreichen der Altersgrenzen invalide werden, wie das beim Großteil der Betroffenen der Fall ist, gar nichts. Bleibt es beim Gesetzesentwurf, so werden diese nur eine gekürzte Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension erhalten und damit beträchtlich schlechter gestellt als SchwerarbeiterInnen, welche die Altersgrenzen (gerade noch) erreichen. Ebenfalls höchst problematisch ist, dass selbst bei einer sehr hohen Zahl an Schwerarbeitsjahren keinerlei Begünstigung wirksam wird, wenn die geforderten 45 Versicherungsjahre nicht erreicht werden. Dazu kommt, dass selbst bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen noch Abschläge (wenngleich in verminderter Höhe) vorgesehen sind.

Für alle am 31. 12. 2004 unter 50-Jährigen gilt das Pensionskonto:

Für alle unter-50 Jährigen (ASVG, GSVG, BSVG, Bundesbeamte) soll ab 2005 das »Pensionskonto« gelten. Wer bis 2005 zumindest 12 Versicherungsmonate erworben hat, für den soll die Höhe der Pension durch Parallel-Rechnung von altem und neuem Recht ermittelt werden. Für Neueintretende gilt generell das »Pensionskonto-Recht«.

Pensionskonto

Das »Pensionskonto-Recht« folgt in einigen Punkten den Vorschlägen im ÖGB-Modell. ÖGB und AK haben sich schon seit langem für mehr Transparenz, mehr Bestandssicherheit für erworbene Anwartschaften und für Maßnahmen zur Wiedergewinnung des Vertrauens der Jüngeren in die gesetzliche Alterssicherung ausgesprochen.

Zu diesem Zweck wurde die Einrichtung eines leistungsdefinierten Pensionskontos gefordert (Ausweisung des erworbenen Leistungsanspruchs, Aufwertung mit der Lohnerhöhung, faire Ersatzzeitenbewertung und Ausgleichsmaßnahmen für Teilzeitphasen von Frauen mit Kindern).

Ein ganz wesentliches Manko des Regierungsvorschlags ist allerdings die viel zu niedrige Bewertung von Zeiten der Arbeitslosigkeit und von Zeiten der Kindererziehung. Zeiten der Arbeitslosigkeit sollen mit maximal 70% der Bemessungsgrundlage für das Arbeitslosengeld, Zeiten der Kindererziehung (4 Jahre) mit 1350 Euro pro Monat bewertet werden. Das eine bedeutet für Personen mit längeren Zeiten der Arbeitslosigkeit eine erhebliche Leistungsverschlechterung und das andere reicht bei Frauen mit Kindern (und längerer Teilzeitarbeit) bei weitem nicht aus, um die Verluste aus der Lebensdurchrechnung auszugleichen.

Bei genauer Betrachtung erweisen sich die von der Regierung propagierten 1350 Euro für Zeiten der Kindererziehung darüber hinaus auch nur als 1157 Euro! Dies reicht bei einem Vollzeiteinkommen von 1500 Euro bei zwei Kindern gerade einmal aus, um den Nachteil für drei Teilzeitjahre auszugleichen.

Die Konsequenz ist, dass anstelle der vermeintlichen Verbesserung für Frauen mit Kindern aufgrund des erhöhten Anrechnungsbetrages für Zeiten der Kindererziehung unter realistischen Annahmen Pensionskürzungen im Pensionskonto um 20% übrig bleiben.

Parallel-Rechung

Die »Parallel-Rechnung« ist ein Rechenverfahren zur Ermittlung der Pensionshöhe für die Phase des Übergangs vom bisherigen Pensionsrecht in das neue »Pensionskonto-Recht«. Bei Pensionsantritt werden sowohl eine Pension nach »Altrecht« (Basis: »Pensionsreform 2003« inklusive der nun erfolgten Änderungen) als auch eine Pension nach »Pensionskonto-Recht« ermittelt. Je nach Zahl der im alten und im neuen Recht erworbenen Versicherungsjahre gebühren entsprechende Anteile an der »Altpension« und an der »Pensionskonto-Pension«.

Beispiel: 45 Versicherungsjahre, davon zwei Drittel vor dem Stichtag
1. 1. 2005 ("Altrecht«) und ein Drittel nach dem Stichtag ("Pensionskonto-Recht«). Der Pensionsanspruch setzt sich in diesem Fall zusammen aus zwei Drittel der »Altpension« und ein Drittel der »Pensionskonto-Pension«.

Die Parallel-Rechnung ist grundsätzlich sinnvoll, in der Regierungsvariante allerdings in mehrfacher Hinsicht problematisch. So führt z. B. das Beharren der Regierung auf der im Kern unveränderten »Pensionsreform 2003« nicht nur zu sehr deutlichen Vorwegkürzungen, sondern auch zu einer nur mehr schwer nachvollziehbaren Verkomplizierung. Es müssen nunmehr nicht nur zwei, sondern sogar drei Pensionsrechte parallel gerechnet werden (die Rechtslage zum 31. 12. 2003, die Pensionsreform 2003 und das Pensionskonto). Um die Pensionshöhe gemäß der Pensionsreform 2003 endgültig zu berechnen, muss immer auch die Pensionshöhe gemäß der Rechtslage zum 31. 12. 2003 ermittelt werden. Weil: Der Verlustdeckel 5% bis 10% bezieht sich auf die Pension gemäß der Rechtslage zum 31. 12. 2003. Drittens ist die Pensionskontopension zu berechnen. Als vierter Schritt ist die Parallelrechnung durchzuführen; dabei ist aus Anteilen der endgültigen Pension gemäß der Pensionsreform 2003 und der Pensionskontopension die tatsächlich zustehende Mischpension zu berechnen.

Unterschiedliche Beitragssätze

Die - im Vergleich zum ASVG wesentlich niedrigeren - Beitragssätze der Gewerbetreibenden sollen schrittweise von 15% auf 17,5%, die der Bauern von 14,5% auf 15% angehoben werden. Im ASVG bleibt der Beitragssatz weiterhin bei 22,8%. Der Grundsatz gleiche Leistungen bei gleichen Beiträgen für alle Gruppen wird damit nicht einmal langfristig umgesetzt.

Resümee

Der Pensionsharmonisierungsentwurf führt für Männer, die mit 62 Jahren eine Korridorpension in Anspruch nehmen, zu Pensionsverlusten von bis zu 22%, ein sozial gestaffelter Verlustdeckel, wie er für Beamte gilt, wurde den ASVG-Versicherten verweigert.

Der Entwurf benachteiligt Frauen mehrfach: Die Kindererziehungszeiten sind zu gering bewertet und gleichen die Nachteile von Teilzeitphasen bei einer Lebensdurchrechnung bei weitem nicht aus, Frauen haben keinen Pensionskorridor bis 2028, für Frauen kommt eine Schwerarbeiterregelung praktisch bis 2024 nicht zur Anwendung, die Hacklerregelungen enden abrupt, mit der Konsequenz, dass Männer zwei Jahre später in Pension gehen müssen und bis zu 22% verlieren und Frauen von heute auf morgen um mehr als vier Jahre später in Pension gehen müssen, das Pensionskonto gilt nur für die unter 50-Jährigen, obwohl die Parallel-Rechnung auf der Grundlage einer fairen Ausgangsbasis gerade auch für die über 50-Jährigen sinnvoll wäre, um einen gleitenden Übergang zum Pensionskonto zu ermöglichen, eine Harmonisierung des Beitragsrechtes ist nicht erfolgt, Selbstständige und Bauern zahlen nach wie vor beträchtlich weniger Beiträge als ASVG Versicherte, erhalten jedoch die gleiche Leistung.

Das ist keine faire und gerechte Harmonisierung.

Andererseits gibt es bis zum Jahr 2007 vor allem für die so genannten »Hacklerinnen und Hackler« beträchtliche Erleichterungen, weil für sie keine Abschläge gerechnet werden. Nach 2007 - also nach dem nächsten Nationalratswahltermin - ist es mit diesen Begünstigungen freilich vorbei.

Das neue »Pensionskonto-Recht« basiert in zentralen Punkten auf Vorschlägen von AK und ÖGB bzw. auf dem Konzept der »Österreich-Pension« (leistungsdefiniertes Pensionskonto, Aufwertung der erworbenen Pensionsanwartschaften mit einem Lohnindex etc), in einigen wesentlichen Punkten weicht es aber erheblich davon ab. Die Konsequenz ist, dass auch im neuen System bestimmte Gruppen von erheblichen Benachteiligungen betroffen sein werden.

Der Harmonisierungsentwurf erscheint als Ansammlung von Bruchstücken, die nicht zusammenpassen. Aber so viel steht fest: die ASVG-Versicherten bezahlen wieder einmal die Zeche, denn die Reduktion der Verluste bis 2008 wird mit der Aufdoppelung der Verluste ab 2010 gegenfinanziert, dann verlieren all diejenigen bis zu mehr als 20%, die mit 62 Jahren eine Korridorpension in Anspruch nehmen - »müssen«.

Innerhalb von acht Wochen - Zeitraum vom Abbruch der Verhandlungen mit den Sozialpartnern bis zur Vorlage des Entwurfes - sind die »Rechtslage
31. 12. 2003«, die »Pensionsreform 2003«, Abänderungen zur Pensionsreform 2003, das »Pensionskonto« und schließlich die »Parallelrechnung« zu einem Sammelgesetz zusammengefasst worden.

Jedes Gesetz für sich ist mit Übergangsregelungen versehen und gilt nur für bestimmte Personengruppen.

Das Pensionsrecht ist mittlerweile öffentlich anerkannt zur Geheimwissenschaft geworden, die Pensionsberechnung zu einer Denksportaufgabe. Für durchschnittliche Experten ist das Harmonisierungsgesetz kaum lesbar, den betroffen Bürgern kann es nicht einmal mehr erklärt werden. Der Anspruch an den Gesetzgeber, insbesondere sozialrechtliche Normen so zu fassen, dass die Betroffenen sie auch verstehen, erscheint geradezu naiv, wenn selbst Experten mit dem Verstehen ringen.

Doch was sagt der Verfassungsgerichtshof zur Lesbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Gesetzen:

»Der Gesetzgeber muss der breiten Öffentlichkeit den Inhalt seines Gesetzesbeschlusses in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis bringen, da anderenfalls der Normunterworfene nicht die Möglichkeit hat, sich der Norm gemäß zu verhalten. Diesem Erfordernis entspricht weder eine Vorschrift, zu deren Sinnermittlung (...) qualifizierte juristische Befähigung und Erfahrung sowie geradezu archivarischer Fleiß vonnöten sind, noch eine solche, zu deren Verständnis außerordentliche methodische Fähigkeiten und eine gewisse Lust zum Lösen von Denksport-Aufgaben erforderlich sind« (VfSlg. 3130/1956 und 12420/1990).

Geht man von der bisherigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aus, ist das Pensionsharmonisierungsgesetz wohl als verfassungswidrig (Verstoß gegen das Legalitätsgebot Art. 18 B-VG) einzustufen.

 
Z U S A M M E N F A S S U N G

Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Bundesregierung leider eine große Chance vertan hat, ein so wichtiges Projekt wie die Pensionsharmonisierung, von der alle Bevölkerungsgruppen betroffen sind, auf Basis eines breiten gesellschaftlichen Konsenses umzusetzen.

Knapp vor dem Ziel hat sich die Bundesregierung wieder für eine Politik des »Drüberfahrens« entschieden. Es wurden Bedingungen genannt (20% Verluste, kein Pensionskorridor für Frauen, etc.), bei denen von vorneherein klar war, dass sie niemals konsensfähig sein können.

Dies ist um so bedauerlicher, als das leistungsdefinierte Pensionskonto mit einer Aufwertung gemäß der Lohnentwicklung einen positiven Ansatz für eine Harmonisierung darstellt.

Der Weg ist im Grunde einfach und wird im ÖGB-Modell aufgezeigt. Ein Pensionskonto mit fairer Ersatzzeitenbewertung und Parallelrechnung auf Basis der Rechtslage
31. 12. 2003!

Autoren:
Erik Türk
Mitarbeiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien
Wolfgang Panhölzl
Mitarbeiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842215223 Gewerkschaften gehören bekämpft und zerschlagen  

Mitte der Neunzigerjahre begann der ÖGB Oberösterreich, die ab diesem Zeitpunkt auch in Österreich immer spürbarere neoliberale Wende zu thematisieren, und die ihr zugrunde liegenden Leitlinien zu thematisieren und damit auch aufzudecken. Die folgende kommentierte Zitatensammlung soll sowohl die originäre Denkart von August von Hayek und Milton Friedman darstellen, wie auch ihre Durchschlagskraft in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft unserer Zeit. Was Themenführerschaft und Hegemonie heißt, wird einem unter anderem dann klar, wenn plötzlich ein Nachbar, der Bundeskanzler, eine Schlagzeile in der Presse oder auch nur der Abteilungsleiter Aussagen treffen, die man doch gerade bei einem der Promotoren des Neoliberalismus gelesen hat.

Vater des Neoliberalismus

Friedrich August von Hayek, geboren 1899 in Wien, gilt als einer der Väter des Neoliberalismus. Nachdem er kurze Zeit das Österreichisches Institut für Konjunkturforschung (quasi Vorläufer des Österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitutes) geleitet hatte, ging er 1931 als Professor an die London School of Economics, um später dann an der Universität von Chicago Moralphilosophie zu unterrichten. Damit begann das folgenschwere Wirken der so genannten »Chicago-Boys«, jener Gruppe von Wissenschaftern, von denen der Bekannteste außer von Hayek wohl Milton Friedman wurde. Sie setzten sich zum Ziel, den Einfluss des von ihnen verachteten Wohlfahrtsstaates nachkriegszeitlich-keynesianischer Prägung zu brechen.

Angriff auf Gewerkschaften

Das größte Problem und Ärgernis für Hayek ist es, dass Gewerkschaften, so wie er sie erlebte, es offensichtlich geschafft haben, tatsächlich die ArbeiterInnen zu einen, damit sie in wesentlichen Fragen geschlossen den Arbeitgebern gegenübertreten. Diese (für GewerkschafterInnen ohnehin sehr selten erlebbare Solidarität) wird von Hayek und seinen Gesinnungsgenossen als Monopol identifiziert und als der Freiheit abträglich verteufelt. Zum Beispiel, wenn die gewerkschaftsfreundliche Politik der Nachkriegszeit angeprangert wird: »Überall wurde die Legalisierung der Gewerkschaften ausgelegt als Legalisierung ihres Hauptziels und als Bestätigung ihres Rechts, alles zu tun, was zur Erreichung dieses Zieles - nämlich Monopolstellung - notwendig schien.« Es ist unfassbar, dass die Gewerkschaft »als eine Gruppe« gilt, »deren Ziel - die erschöpfende und umfassende Organisation der gesamten Arbeit - zum Wohle der Allgemeinheit unterstützt werden muss«.1) »Die Hauptgefahr, die die gegenwärtige Entwicklung des Gewerkschaftswesens darstellt, ist, dass die Gewerkschaften durch die Errichtung wirksamer Monopole für die Versorgung mit den verschiedenen Arbeitsarten verhindern werden, dass der Wettbewerb als wirksamer Regler … fungiert.«2)

Gewerkschaften als Behinderer der Segnungen des Kapitalismus

Fast wortgleich schreibt sein Mitstreiter Milton Friedman: Gewerkschaften funktionieren »als Unternehmen …, die den Service der Kartellbildung offerieren« … Das erste und wichtigste, was seitens der Regierung erfolgen soll, ist die Aufgabe der Maßnahmen, die Monopolbildung direkt unterstützen, sei es Monopolbildung auf Unternehmensebene oder auf Gewerkschaftsebene …«3)

Fazit: Feind der Wohltaten des Kapitalismus sind die Gewerkschaften. Denn: »Der Kapitalismus führte auch eine neue Form der Erzielung eines Arbeitseinkommens ein, welche die Menschen insoferne befreite, als diese sie und oft auch ihre Kinder von ihren Familien und Sippen unabhängig machte. Das ist eine Tatsache, auch wenn der Kapitalismus gelegentlich daran gehindert wird, alles das, was er leisten könnte, ….auch zu leisten: und zwar durch Monopole organisierter Gruppen von Arbeitern, 'Gewerkschaften‹, die ihre Art von Arbeit künstlich verknappen, indem sie Personen, die zu dieser Arbeit für ein geringeres Entgelt bereit wären, daran hindern, sie zu tun.«4)

Als habe er eben erst vor der Presseerklärung die Schriften Hayeks weggelegt, schreibt der Vizepräsident der oberösterreichischen Wirtschaftskammer Eduard Leischko anlässlich eines Kommentars zum 14. ÖGB-Bundeskongress:

Statt die ungelernten Kräfte, bei denen die Arbeitslosigkeit traditionell am höchsten ist, durch eine flexiblere Handhabung der Kollektivverträge für die Wirtschaft billiger zu machen und wie in den USA damit neue Arbeitsplätze in diesem schwierigen Segment zu schaffen, will der ÖGB offenbar in die entgegengesetzte Richtung marschieren und die Arbeitskraft dieser Menschen so teuer machen, dass sie von den Betrieben kaum noch nachgefragt werden kann«, wirft Leischko dem ÖGB Kurzsichtigkeit und Populismus vor, der vielfach zu einem Hinausdrängen aus dem Arbeitsmarkt führen würde.5)

Gewerkschaften als Bedrohung für die Demokratie

Bereits 1952 schrieb daher der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger6): »Die Frage, wie die Macht der Gewerkschaften sowohl im Gesetz als auch tatsächlich entsprechend eingeschränkt werden kann, muss eine der allerwichtigsten sein, der wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen7).« Es ist, als ob er seinem wissenschaftlichen Wirken damit einen programmatischen politischen Untertitel geben wollte.

Gewerkschaften haben nach Hayek vor allem in der (europäischen) Realverfassung eine derartig große Macht erreicht, dass »das ganze Fundament unserer freien Gesellschaft durch die Macht, die sich die Gewerkschaften anmaßen, schwer bedroht ist … Gerade weil bei der bestehenden Rechtslage die Gewerkschaften noch unendlich mehr Schaden anrichten könnten … dürfen wir den gegenwärtigen Stand der Dinge nicht fortbestehen lassen!«

Hayek gibt im selben Buch preis, wer gegen diesen »Aberglauben, dass der Lebensstandard der Arbeiterklasse dank ihrer (der Gewerkschaften, Anmerkung des Verfassers) Bemühungen so schnell gestiegen ist«, antreten muss: es ist die Mission der Nationalökonomen, und wie »wirksam« sie diese »ihre Arbeit der Publikumsaufklärung durchführen«8).

45 Jahre später kann man dazu in einer österreichischen Tageszeitung folgende Überschrift lesen: »Sozialstaat abbauen, Gewerkschaft schwächen!« Und dann weiter im Text: »Es gebe ein Übermaß an Sozialstaat, es sei unethisch (sic!, Anmerkung des Verfassers), diesen Sozialstaat beizubehalten. Die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer sei zu groß …«9)

Es handelt sich dabei um den Bericht über eine Klausur der ÖVP-Regierungsmitglieder, bei welcher auch Carl Christian von Weizsäcker referierte. Damit sind bereits alle Themen vorgegeben, die sich zu den entscheidenden Konfliktpunkten österreichischer Innenpolitik ent-wickelten. Immerhin kündigte zwei Jahre später die ÖVP die große Koalition mit der SPÖ auf.

Ungleichheit ist nach von Hayek nicht bedauerlich, sondern höchst erfreulich, sie ist Vorraussetzung für die Freiheit. Und Gewerkschaften bedrohen diese Freiheit. Ein Zitat aus »The Economist« aus dem Jahre 1958 beschreibt diesen (aus neoliberaler Sicht geglückten) Paradigmenwechsel zusammenfassend treffend: »Die Vorstellung vom Sicherheitsnetz, das jene auffangen soll, die stürzen, wurde sinnlos gemacht durch die Vorstellung vom gerechten Anteil für diejenigen von uns, die sehr wohl imstande sind, auf eigenen Füßen zu stehen.«10)

Maßnahmen gegen Gewerkschaften

Gewerkschaften steht keine Mitsprache bei Lohnpolitik der Lohnpolitik zu, »ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet ist … wirtschaftlich sehr schädlich und politisch äußerst gefährlich«(346)11). Diese Mitsprache steht nicht einmal Regierungen zu, sie stört den Marktmechanismus und ist »untragbar«. Kollektivverträge darf es folgerichtig nicht geben.

Streikverbot

Hayek hat sehr früh etwas angesprochen, was sich bis vor kurzem manche nur hinter vorgehaltener Hand zu fordern getrauten: Es ist »… der Öffentlichkeit sicher noch nicht bewusst geworden, dass die bestehende Rechtslage grundlegend falsch und das ganze Fundament unserer freien Gesellschaft durch die Macht, die sich die Gewerkschaften anmaßen, schwer bedroht ist« (341). »… Es gibt gute Gründe dafür, dass es in gewissen Anstellungen Teil der Anstellungsbedingungen sein sollte, dass der Arbeitnehmer auf dieses Recht (Anmerkung das Streikrecht) verzichtet« (343). »… Heute heißt das vor allem, dass das Aufstellen von Streikposten in größerer Zahl verboten sein sollte …« (352).

Gut fügen sich hier verschiedene Äußerungen zur Gewerkschaftsbewegung der jüngsten Zeit in Österreich ein. Eine sei stellvertretend zitiert. Der österreichische Finanzminister Karl Heinz Grasser formulierte es am elegantesten, als er vor den ersten angekündigten Streiks des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gegen die Vorlage zum Pensionskürzungspaket im Mai 2003 formulierte: »Streiks haben in einer modernen Demokratie nichts zu suchen!«12) Was modern klingt, ist ältestes repressives und restriktives Verständnis von Regieren.

Damit dreht sich die Verkehrung der Werte weiter. Eine kleine Episode im Zusammenhang mit den Protesten der Beschäftigten der Postbusse gegen den geplanten Verkauf im selben Jahr 2003 in Österreich macht dies deutlich. »Es gibt bei der Postgarage in St. Pölten einige, die haben Zivilcourage …«, erklärte eine Vertreterin des Postmanagements.13) Während österreichweit der Streik praktisch lückenlos durchgeführt wurde, fand sich in St. Pölten anschienend ein Postautochauffeur, der ausfahren wollte. Diesen entdeckte die Presse, und die Berichterstattung dreht sich überproportional lange um diese Person und um seine gezeigte »Zivilcourage«. Keine Meldung von der »Zivilcourage« all jener, die sich gegen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums und für die Aufrechterhaltung öffentlicher Dienstleistungen einmal zur Wehr setzen, und dies angesichts der permanenten Verunglimpflichungen und Kampagnen gegen sie, welche ihr Image in der Folge als nicht das beste in der veröffentlichten Meinung erscheinen lässt.

Nicht, dass es verwunderlich ist, dass im Management diese Denkart lebt (dies erklärt sich aus dem natürlichen Interessensgegensatz heraus), sondern dass letztlich die gesamte, die breite Öffentlichkeit bestimmende Journalistik in dieser Weltsicht lebt.

Den bisherigen Höhepunkt konnte man in einer Profilausgabe lesen: Dort wird Achim Hunold, Chef der Billigfluggesellschaft Air Berlin folgendermaßen zitiert: »Gewerkschaften sind heutzutage das größte Verbrechen an der Wirtschaft.«14)

Gewerkschaften schuldig für niedriges Lohnniveau

Würde es keine Gewerkschaften geben, würden der Markt und die (nicht mehr durch Gewerkschaften) eingeschränkten Arbeitgeber ihren Beschäftigten weit bessere und vor allem gerechtere Löhne
zahlen:

»… so kann doch kaum ein Zweifel bestehen, dass, wenn wir das Verhältnis der Löhne zwischen den großen Industriezweigen betrachten, die Gewerkschaften heute weitgehend an einer Ungleichheit der Löhne schuld sind … Das bedeutet, dass ihre Tätigkeit notwendig die Gesamtproduktivität der Arbeit und damit auch das allgemeine Reallohnniveau herabsetzt … Es ist tatsächlich mehr als wahrscheinlich, dass in den Ländern, in denen die Gewerkschaften sehr stark sind, das allgemeine Niveau der Reallöhne niedriger ist, als es ohne sie wäre (!). Dies gilt gewiss für die meisten europäischen Länder …« (345)

Betriebsrat gut, Gewerkschaft schlecht?

Die gewerkschaftsfeindliche Argumentation und Agitation meint und betrifft natürlich auch die Einrichtung der Betriebsräte. Im bereits zitierten Buch von Hayek »Die Verfassung der Freiheit« werden Gewerkschaften für alles verantwortlich gemacht, was Hayek aus seiner Sicht an Missständen ausmachte.

Man kann nicht »gute Betriebsräte« und »schlechte« Gewerkschaften haben. Diesen Gegensatz zu erzeugen ist Teil der neoliberalen Strategie: sie betreibt Spaltung, das Individuelle und die jeweils kleinere Einheit werden ausgespielt gegen das gemeinschaftlich-solidarisch Größere. Man setzt dabei auf das Ausnützen des berechtigten individuellen Selbstverwirklichungs- und Unabhängigkeitsstreben der mündigen BürgerInnen, stellt alles Gemeinschaftlich-Kommunitär-Staatliche als Bedrohung desselben dar, und schürt damit Neid- und Konkurrenzgefühle.

Es geht hier nicht darum, einer Gleichsetzung von Betriebsrat und Gewerkschaft das Wort zu reden. Im Gegenteil: für die Zukunft wird eine genauere Unterscheidung und Ausdifferenzierung beider Teile stattfinden.

Dennoch muss klar sein, dass ein Angriff auf Gewerkschaften auch ein Angriff auf die betriebsrätlicher Arbeit ist, und wohl auch so gemeint ist, wie der folgende Abschnitt zeigen wird.

Kampf der Mitbestimmung - Kampf den Betriebsräten

»Wir lassen … die Frage offen, ob irgend eines der angeführten Argumente Gewerkschaften von größerem Umfang als dem eines Betriebes oder eines Unternehmens rechtfertigt. Eine ganz andere Sache … ist der Anspruch der Gewerkschaften auf Teilnahme an der Führung der Geschäfte. Unter dem Namen ›industrial democracy‹ oder in jüngster Zeit dem der ›Mitbestimmung‹ hat sie besonders in Deutschland und in geringerem Grad in Großbritannien, große Beliebtheit erworben. Sie repräsentiert ein merkwürdiges Wiederaufleben der Ideen des syndikalistischen Zweiges des Sozialismus des 19. Jahrhunderts, die die wenigst durchdachte und impraktikabelste Form dieser Lehre ist … Ein Betrieb oder ein Gewerbezweig kann nicht im Interesse einer dauernden bestimmten Belegschaft geführt werden, wenn er gleichzeitig den Interessen der Konsumenten dienen soll« (351f).

Wenn auch diese Argumentation vor dem Hintergrund der vierzigjährigen Erfolgsgeschichte des Modells »rheinischer Kapitalismus«, der Sozialpartnerschaft oder der sozialen Marktwirtschaft reichlich absurd anmutet, so darf man nicht darüber hinwegsehen, dass auf der ideologischen Ebene diese Interpretation zum Mainstream geworden ist. Allein, dass man in der heutigen politischen Propaganda dreißig Jahre wirtschaftlichen Aufstiegs, Ausbaus und der nahezu durchgehenden Vollbeschäftigung der Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahre erfolgreich als »dreißig Jahre Misswirtschaft« bezeichnen kann, weil er unter wesentlicher Mitwirkung von Gewerkschaften gegangen wurde, beweist den Erfolg dieser Interpretation.

Zunächst einmal sieht ja von Hayek - wie oben zitiert - allein auf Betriebs-ebene eine Daseinsberechtigung für Gewerkschaften. In einem Umfang also, der nach »festland-europäischem« Verständnis den Ausdruck »Gewerkschaft« im Vollsinn noch gar nicht erfüllt. Gemeinhin wird diese Vorstellung als Betriebsgewerkschaft bezeichnet, und kommt viel mehr unserer betriebsrätlichen Organisation nahe.

Vom Sozialpartner zum Parasiten und Staatsschädling

Das Image hat sich also geändert. Doch dieses Image fällt nicht vom Himmel, sondern wird vor dem Hintergrund der ausgeführten neoliberalen Wende bewusst gepflogen und inszeniert. Denn was bietet das gesellschaftliche Umfeld? Was bietet die veröffentlichte Meinung?

Betriebsräte sind »Mitschuldige an unserer Budgetmisere«, »Mitschuldige, dass es dem Betrieb so schlecht geht«; »Wegen Gewerkschaft, Betriebsrat stecken wir in den roten Zahlen«; »Betriebsrat mindert Standortqualität«; »Betriebsrat ist starr, verhindert Flexibilität des Unternehmens, der Mitarbeiter« (Frank Stronach). Zitate aus Zeitungen, Radio und Fernsehen.

Dazu ein jüngstes Beispiel: Im Sommer 2000 machte der Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider Schlagzeilen dadurch, dass er Betriebsräte »parasitäre Elemente« nannte, und die damalige österreichische Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer erklärte im selben Jahr anlässlich der Gehaltsverhandlungen im öffentlichen Dienst, dass freigestellte Betriebsräte eine Gruppe von Menschen wären, welche die ganze Zeit nur damit verbringen würden, darüber nachzudenken, wie sie den Staat schädigen könnten.

Noch besser dazu liest sich ein Kommentar zur oben erwähnten Äußerung Haiders in der österreichischen Wochenzeitung »Zur Zeit« (herausgegeben vom Kulturberater Kärntens und zeitweiligen Haider-Intimus Andreas Mölzer), von einem gewissen Andreas Tögel, der dazu zunächst ein medizinisches Wörterbuch befragt, wo Parasiten wie folgt beschrieben werden: »Parasiten sind Lebewesen, die ganz … oder teilweise … ständig … oder zeitweilig … auf Kosten einer anderen Organismen-Spezies … leben«, um danach launisch-sarkastisch zu folgen: »Na und! … denn wie anders könnte man die Tätigkeit eines ›freigestellten‹, also nicht im Sinne des Unternehmenszweckes seines Dienstgebers arbeitenden Betriebsrates denn qualifizieren, als wie oben dargestellt? Nicht nur, dass Betriebsräte ganz grundsätzlich und ihrem Wesen nach das Ziel verfolgen, den Interessen des ihnen Arbeit und Brot gebenden Unternehmens zuwiderhandeln … Der freigestellte‘ Betriebsrat stellt darüber hinaus aber noch nicht einmal seine bezahlte Arbeitszeit in den Dienst seines Brötchengebers. Damit erfüllt er in gerade archetypischer Weise den Tatbestand einer parasitären Existenz!«15) Wohlgemerkt: hierbei handelt es sich um keine Stammtischzitate, sondern um Äußerungen von höchsten Führungskräften eines Staates.

Die Folgen sind: Schuldgefühle bei den BetriebsrätInnen, kein oder nur sehr mäßiges Interesse an aktiver Kandidatur bei Betriebsrats- und Personalvertreterwahlen. Denn wer ist schon gerne bei den Geprügelten der Nation? Viel Arbeit, unbedankt! - Nein, Danke!« Die Opfer werden zu Tätern.

Selbstaufgabe der Politik als Hauptursache der Krise

Wenn es nicht gelingt, das Gegenteil vom derzeitigen Image von BetriebsrätInnen gesellschaftlich zu vermitteln, dann wird jede betriebliche und gewerkschaftliche Arbeit von sehr bescheidenem Erfolg gekrönt sein. Dies kann nur in einer umfassenden Änderung des gesamten politischen Umfelds geschehen. Insoferne möchte ich hier keine Illusionen verbreiten, sondern im Gegenteil behaupten: Die größere Durststrecke auf dem Weg zu einer Klimaänderung liegt noch vor uns, weil sie mit einer Politik-änderung zu tun hat.

Sei kein Idiot

»Die alten Griechen … nannten den, der sich nicht um Politik kümmerte, ›idiotes‹. Ein Wort, das eine isoliert lebende Person bezeichnet, die den anderen nichts anzubieten hat, die nur den häuslichen Kleinkram im Kopf hat und am Ende von allen manipuliert wird. Von diesem griechischen Wort leitet sich unser ›Idiot‹ ab. Den Sinn brauch ich dir ja nicht zu erklären.«16)

Bildung kann nicht leisten, was Politik verwehrt

Dem »idiotes« ist das Projekt des »politiké«, desjenigen Menschen entgegenzustellen, der sich auf die »polis« versteht, der zuständig ist und Verantwortung trägt für die Gemeinschaft, die ihn gewählt hat in der Absicht und im Vertrauen, dass dieser sie nicht hinters Licht führen wird.

In diesem Sinne geht es also - heute wie immer - um politische BetriebsrätInnen, das heißt, um Menschen, die auf die Polis im Sinne der gesamten Gesellschaft schauen. Denn dies macht Betriebsratsarbeit auch erst zur Gewerkschaftsarbeit. Daher erfordert gute betriebsrätliche und gewerkschaftliche Arbeit vor allem das Umfeld einer weitblickenden Politik.

 Diese scheint jedoch nicht in großer Nähe zu sein.

Denn noch leben wir im Heute. Und dieses Heute ist gekennzeichnet von »Noch-mehr-Hayek«.

1) von Hayek, Friedrich August, Die Verfassung der Freiheit,
Tübingen, 1991, Seite 341
2) von Hayek, a. a. O., Seiten 346-347
3) Milton Friedman, Kapitalismus1984, Seiten 165 bzw. 174
4) Hayek, Die verhängnisvolle Anmaßung: Die Irrtümer des Sozialismus, Tübingen 1996 (Erstausgabe Chicago 1988)
5) OÖ. Wirtschaftkammernachrichten, 22. Okt. 1999
6) Der so genannte Wirtschaftsnobelpreises« ist kein »echter« Nobelpreis. Er wird nicht vom Nobelkomitee verliehen, sondern wurde erst 1969 - man kann dies ruhig als gelungene Marketingstrategie der neoliberalen Connection bezeichnen - von der Bank of Sweden (!) das erste Mal verliehen ("The Bank of Sweden Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel«). In letzter Zeit gibt es wieder vermehrte Diskussionen und die Schwedische Akademie wehrt sich verstärkt gegen die Verleihung des späten und »unnobelschen« Hinzukömmlings und fordert seine ersatzlose Streichung. Siehe dazu auch DER STANDARD, 10. Okt. 2002, S 19
7) von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, Zürich 1952, S 154
8) von Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 347
9) Standard, 13. Mai 1997
10) The Economist (London) vom 15. März 1958, S 918
11) Alle folgenden Seitenangaben beziehen sich auf: von Hayek, Die Verfassung der Freiheit
12) Grasser, Karl Heinz, ORF, Ö 1,
Mittagsjournal, 3. Mai 2003
13) Post AG-Managerin, ORF, Ö 1,
Mittagsjournal, 12. November 2003
14) Profil Nr. 41, 4. Oktober 2004, S 41
15) Zur Zeit, Nr. 29/30, vom 14.- 20. Juli 2000
16) Savater, Fernando, Sei kein Idiot. Politik für die Erwachsenen von morgen, Weinheim und Basel 2001, S 14

 
Dieser Beitrag ist die vom Autor für Arbeit&Wirtschaft bearbeitete Version eines Kapitels aus dem Mitte dieses Monats erscheinenden Buch von Lucia
Bauer/Sepp Wall-Strasser: »Märkte brauchen Regeln - Strategien für ein solidarisches Wirtschaften«, erschienen im ÖGB-Verlag, 260 Seiten, 21,-

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Sepp Wall-Strasser (Bildungssekretär des ÖGB Oberösterreich) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214807 Chancen auf faire und gerechte Pensionen vertan! | <br />Kommentar Johann Kalliauer - Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich Die Regierungsparteien ÖVP/FPÖ haben beschlossen
  • Die Pensionskürzungen 2003 werden nur teilweise zurückgenommen.
  • Zusätzliche Abschläge für Männer, die mit 62 in Pension gehen.
  • Daraus ergeben sich trotz höherem Pensionsalter Kürzungen bis 20 Prozent und darüber:

Manuela P., Kellnerin,
geboren 1968, verliert 16 Prozent

Gabi R., Sekretärin,
geboren 1970, verliert 23 Prozent

Gerhard M., Maurer,
geboren 1952, verliert 20Prozent

Norbert F., Filialleiter,
geboren 1954, verliert 22 Prozent

Altersarmut droht

Angesichts der Höhe der Pensionen der ArbeitnehmerInnen sind Kürzungen unsozial und führen zu Altersarmut.

Die Armutsgrenze liegt in Österreich bei -EUR 780,- (= 60 Prozent des Medianeinkommens).

ArbeitnehmerInnen sind die großen Verlierer

Die ArbeitnehmerInnen finanzieren ihre Pension zu 80% selbst, während Unternehmer und Bauern hohe Zuschüsse aus Steuermitteln (Bundesbeitrag) erhalten.

Neues Pensionskonto

Mit 65 (Regelpensionsalter) sollen bei 45 Versicherungsjahren 80 Prozent des durchschnittlichen Lebensverdienstes erreicht werden.

Ein Pensionsantritt vor 65 ist nur ausnahmsweise (Langzeitversicherte befristet, Schwerarbeiter, Männer Pensionskorridor) und grundsätzlich mit Abschlägen von 4,2 Prozent pro Jahr möglich.

Betroffen vom neuen Recht sind ab 1. 1. 1955 Geborene. Für Personen, die bereits Versicherungszeiten erworben haben, werden für die gesamte Versicherungszeit je 2 Teilpensionen errechnet (Parallelrechnung):
Teilpension nach Rechtslage 2004 (A) und Teilpension nach Rechtslage bei Pensionsantritt (N).

Die Pension setzt sich anteilig nach dem Verhältnis der Versicherungszeit vor 2005 und der Ver-sicherungszeit ab 1. 1. 2005 zur Gesamtversicherungszeit zusammen.

Beispiel:
Gesamtversicherungszeit 46 Jahre, davon bis 2005 30 Jahre, ab 2005 16 Jahre
Pension = 30/46 von A + 16/46 von N

Frauen zahlen drauf

Durch die »Harmonisierung« wird die Pension nicht mehr aus den besten 15 Jahren berechnet sondern vom gesamten Lebenseinkommen. Die Einkommensnachteile der Frauen insbesondere durch Teilzeitbeschäftigung und Wiedereinstieg nach der Kindererziehungszeit führen zu Pensionskürzungen von 20% und mehr. Die verbesserte Bewertung der Kindererziehungszeiten für unter 50-Jährige
(EUR 1157,- monatlich) kann diese Verluste nicht ausgleichen.

Abschläge auch für Schwerarbeiter

Die neue Schwerarbeitsregelung soll nach 45 Versicherungsjahren - davon 20 Schwerarbeitsjahre - einen Pensionsantritt mit 60 ermöglichen. Es werden aber Abschläge von 2,1 Prozent pro Jahr vor 65 abgezogen.

Der Abschlag verringert sich um 0,05 Prozent für jedes über das 15. Schwerarbeitsjahr hinausgehende Jahr Schwerarbeit.

Bis heute ist nicht definiert, wer Schwer-arbeiter ist, auch nicht, wie man das beweist.

Ziel der Regierung ist, dass jährlich nur 5 Prozent aller NeupensionistInnen in die Schwerarbeitspension gehen können. Für Frauen ist die Regelung bis 2024 wertlos, weil sie ohnehin mit 60 in Pension gehen können.

Auch über 50-Jährige verlieren neuerlich

Zum Verlust aus der Reform 2003 zwischen 5 und 10 Prozent kommt bei Antritt der »Korridorpension« mit 62 (Voraussetzung sind 37,5 Versicherungsjahre) noch ein Abschlag bis zu 12,6 Prozent dazu.

Der Gesamtverlust ist also nicht gedeckelt und beträgt bis zu 22,6 Prozent - und das lebenslang!

Keine Harmonisierung der Beiträge

Durch die Pensionsharmonisierung werden die Beiträge nicht angeglichen, sodass der Steuerzahler die Pension der Unternehmer und Bauern weiterhin kräftig mitfinanzieren muss.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214797 Arbeitszeit | Aushebelung des Arbeitszeitlimits Enttäuscht zeigt sich EGB-Generalsekretär John Monks über den jüngsten Vorschlag der EU-Kommission zum Thema Arbeitszeit. Der Kommissionsvorschlag widerspreche den Verpflichtungen der EU-Verträge. Diese fordern eine Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und die Sicherstellung geltender Errungenschaften. Während das Gemeinschaftsrecht die EU verpflichtet, die Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer zu beschränken, wird nunmehr das Maximum von 48 Wochenstunden weiter »flexibilisiert« und ein neues Maximum von 65 Stunden eingeführt. Sollte der Vorschlag angenommen werden, wäre das eine Bedrohung für moderne Vereinbarungen über die Arbeitszeit. Daher lehnt der EGB die präsentierten Vorschläge vollständig ab und fordert unter anderem das Auslaufen der individuellen Opt-out-Möglichkeit. (Eingeführt worden war dieser Mechanismus 1993. Er gestattet den Arbeitgebern, das durchschnittliche 48-Stunden-Maximum zu überschreiten, wenn der Arbeitnehmer eine individuelle Opt-out-Erklärung unterschreibt.)

Der Vorschlag der Kommission erlaubt individuelles Opt-out, wenn kein Kollektivvertrag besteht. Gewerkschaften können unter Druck kommen, individuelle Regelungen dieser Art zu akzeptieren oder sonst nicht mehr als Partner für Kollektivverhandlungen anerkannt werden. Der EGB fordert weiters die Garantie der 48-Stunden-Woche, besonders das Erfordernis von Kollektiverhandlungen, um Durchrechnungszeiträume und Jahresdurchrechnung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Auch für Arbeit auf Abruf sollen angemessene Lösungen gefunden werden, die dem Gemeinschaftsrecht entsprechen.

G. M.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214770 Die Arbeitnehmer brauchen eine starke AK! <br />Kommentar Herbert Tumpel - Präsident der Arbeiterkammer und der Bundesarbeitskammer Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern weht ein immer rauerer Wind entgegen. Noch nie sind in Österreich so viele ohne Arbeit dagestanden. Wegen der ständigen Belastungen haben viele Monat für Monat weniger im Geldbörsl. Die angeblich größte Steuerreform aller Zeiten kann nicht einmal die Belastungen durch die Rekordpreise für Heizöl, Benzin und Diesel und durch die höhere Energiesteuer wettmachen.

Jetzt brauchen die Arbeitnehmer die AK mehr denn je! Einen starken Anwalt an ihrer Seite, der sich für sie einsetzt. Zusammen und Seite an Seite mit den Betriebsräten und Gewerkschaften ist die Arbeiterkammer dieser Anwalt. Mehr als zwei Millionen Mal helfen wir im Jahr. Im Arbeitsrecht, weil immer mehr den Arbeitsplatz verlieren, und dann sollen sie auch noch um den Lohn gebracht werden, der ihnen zusteht. Bei der Steuer, damit auch Frauen und Männer mit kleinem Einkommen noch Geld vom Finanzminister zurückbekommen. Bei der Bildung oder im Konsumentenschutz.

Jahr für Jahr erstreiten wir für unsere Mitglieder viel mehr Geld, als sie Beitrag zahlen - 284 Millionen Euro. Außergerichtlich, aber auch vor Gericht.
Alle diese Leistungen bekommen unsere Mitglieder für durchschnittlich knapp sechs Euro im Monat. Mehr als die Hälfte der AK Mitglieder zahlt im Monat weniger als 5,41 Euro. Vom Mitgliedsbeitrag befreit sind österreichweit 570.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Kolleginnen und Kollegen, die auf jeden Euro schauen müssen: Wer Krankengeld, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Karenzgeld bekommt, viele geringfügig Beschäftigte, Lehrlinge, KrankenpflegeschülerInnen, Präsenzdiener und Zivildiener - sie alle zahlen keinen Mitgliedsbeitrag, bekommen aber selbstverständlich das gesamte AK Service, wenn sie es brauchen. Egal, ob in der Beratung oder als Interessenvertretung - wir sorgen dafür, dass unsere Mitglieder nicht nur Rechte haben, sondern auch Recht bekommen.

Wir passen unsere Leistungen ständig an die Bedürfnisse unserer Mitglieder an und mit dem Programm AK plus bauen wir unser Leistungsangebot noch weiter aus - vor allem im Konsumentenschutz und bei der Bildung mit dem Bildungsgutschein. Dieses Programm haben wir auf Eigeninitiative gestartet und nicht auf Zuruf von außen.

In diesem Programm haben wir etwa Weiterbildung zu einem unserer Schwerpunkte gemacht. Denn: Weiterbildung ist wichtig für das Vorwärtskommen im Beruf, und darum haben wir im Rahmen von AK plus im Vorjahr 80.000 Mitglieder österreichweit bei der Weiterbildung gefördert. In Wien haben 2003 mehr als 10.000 Mitglieder den Bildungsgutschein in der Höhe von 100 Euro in Anspruch genommen und einen AK plus-Kurs besucht. 1800 Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer waren Eltern in Karenz - für sie gab es zusätzlich zum 100- Euro-Bildungsgutschein 50 Euro extra im Jahr.

Ein voller Erfolg waren auch die AK Steuerspartage im heurigen Februar. Tausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ließen sich von den Steuerexperten der AK beraten, wie sie durch die Arbeitnehmerveranlagung Geld zurück bekommen können. Viele hunderttausende Euro haben diese Steuerspartage den Mitgliedern eingebracht.

Die neuen Leistungsangebote wurden von den Mitgliedern jedenfalls sehr positiv aufgenommen. Mehr als 80 Prozent bewerten die Förderung von Aus- und Weiterbildung in den Zukunftsbereichen, den Ausbau des Konsumentenschutzes, die Förderung von Frauen im Berufsleben und den Ausbau der Rechtsberatung für freie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als »sehr wichtig« oder »wichtig«.
Unsere Umfragen zeigen es und ich erlebe es Tag für Tag in den Betrieben: Unsere Mitglieder stehen zu ihrer AK. Sie vertrauen der Arbeiterkammer. Sie sind mit dem Mitgliedsbeitrag einverstanden und wollen selbst entscheiden, was mit ihrem Geld passiert.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen, gerade in dieser schwierigen Zeit, noch mehr Hilfe und Unterstützung. Und sie wollen eine starke Interessenvertretung gegenüber der Regierung und gegenüber der Wirtschaft. Ich stehe dafür, dass die Arbeiterkammer diese starke Stimme für die Arbeitnehmer auch weiterhin so bleibt wie bisher!

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214751 Standpunkt | Das Schweigen der Kritiker Erwischt? Wie heißt es doch so walzerselig? »Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist.« Oder nicht?

Jedenfalls, werte Leserin, ist es so, dass unsere Verhandler, Fritz Verzetnitsch und Herbert Tumpel, nicht aufgestanden sind bei den Verhandlungen mit der Regierung zur neuerlichen Pensionskürzung, genannt »Harmonisierung«. Es war die Regierung, die nicht mehr weiter verhandeln wollte. Entgegen den Tatsachen versuchen jene, die die Verhandlungen kurzerhand abgebrochen haben, die Schuld den Vertretern der Arbeitnehmer zuzuschieben.

Und trotzdem oder gerade deswegen kann ich in der uns in gewissem Sinne nahe stehenden Zeitschrift, »Der öffentliche Dienst aktuell«, folgendes lesen: »Die letzten Wochen haben gezeigt: Wer vom Verhandlungstisch aufsteht, hat schon verloren. Wir haben verhandelt bis zum Schluss und bringen Erfolg nach Hause.«

Unterzeichnet ist dieses Statement mit Fritz Neugebauer, und der wiederum ist bekanntlich der Chef der mehrheitlich schwarzen Beamtengewerkschaft.
No na, meinen Sie jetzt wahrscheinlich, wenn das so ist, dann muss er das jetzt sagen, wie geht das Sprichwort von diesen schwarzen Vögeln, die einander keine Augen nicht aushacken? Also ich meine, der gute Abschluss ist ihnen vergönnt, den Beamten, aber müssen sie sich dazu noch über uns lustig machen? Aber Geschäft ist Geschäft ...

Wissen Sie, ich habe eine Vorliebe für die Tageszeitung »Die Presse«. Die ist verlässlich konservativ und sagt, was Sache ist, während die anderen drum herumreden. Also was habe ich dort gelesen, betreffend die AK-Umlage: »Da bleiben neben wichtigen Anliegen wie Service für die Arbeitnehmer oder Rechtsbeistand (den der ÖGB allerdings genauso anbietet) genügend Ressourcen für Anti-Regierungspropaganda.«

Ist das nicht herzerfrischend? Abgesehen natürlich davon, dass der ÖGB seinen Rechtsbeistand nur für Mitlieder anbietet, aber wie soll das so eine Kommentatorin von der Presse wissen?

Wenn man, so wie es die AK macht, den österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern vorrechnet, wie viel ihre Pensionsverluste ausmachen, dann könnte man das als »Anti-Regierungspropaganda« bezeichnen. Wenn man den Leuten sagt, wie hoch ihre Reallohnverluste sind, dann könnte man das als »Anti-Regierungspropaganda« bezeichnen. Wen man den Österreichern und Österreicherinnen sagt, um wie viel mehr sie in Hinkunft für ihre Gesundheit ausgeben müssen, dann könnte man das als »Anti-Regierungspropaganda« bezeichnen. Aber zuerst stellt sich doch eine andere Frage: Ist es wahr oder nicht? Oder soll hier nur unliebsamen Kritikern der Mund gestopft werden?

Dazu erteilt, wiederum ganz herzerfrischend ehrlich, Nationalratspräsident Andreas Khol im »Presse«-Gespräch taktische Ratschläge: »... das Ganze darf nicht den Eindruck einer Bestrafungsaktion erwecken.«

Sehen Sie, so ist das mit der Demokratie oder eher mit dem Demokratieverständnis, das geht nach der Devise: Wer uns kritisiert, dem drehen wir den Geldhahn ab. Frei nach der neuesten Adaption der Goldenen Regel: Wer die Macht hat, bestimmt die Regel.

Schein und Sein, Eindruck und Wirklichkeit, Motive und Durchführung ...
Wollen sie wissen, was Sache ist? Hier ein Auszug aus der Resolution des letzten ÖGB-Bundesvorstands:

»Die Ankündigung der Regierungsparteien, die AK-Umlage einfrieren zu wollen, läuft eindeutig darauf hinaus, die gesetzliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen zu schwächen und die Selbstverwaltung einzuschränken. Die Arbeiterkammern vertreten klar und eindeutig die Interessen der ArbeitnehmerInnen, sie zeigen die einseitigen Belastungen und unsozialen Maßnahmen auf.

Das stört die Regierung, und sie möchte die Kritiker zum Schweigen bringen. Die Arbeiterkammer wird aber gerade jetzt mehr denn je gebraucht.

Der ÖGB-Bundesvorstand fordert:

Die Finanzierung der Arbeiterkammer muss sich wie bisher aus dem beitragspflichtigen Erwerbseinkommen der Mitglieder ergeben und darf nicht von politischen Mehrheiten abhängen.«

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214736 Ist Österreichs Stromversorgung gesichert? Der österreichische Strombedarf steigt, je nach Prognose zwischen 1,6 und 2,5 Prozent jährlich. Die EU geht sogar von einem Bedarfszuwachs von drei Prozent jährlich aus. Derzeit werden in Österreich rund 54 Terawattstunden Strom erzeugt, bis 2010 ist daher mit einem Zusatzbedarf von mindestens sechs Terawattstunden zu rechnen. Grund genug, sich Gedanken zu machen, wie dieser zusätzliche Bedarf gedeckt werden kann. Jedenfalls müssten bereits jetzt die Weichen für Neubauten von Kraftwerken gestellt werden, da die Vorlaufzeit für diese Anlagen mindestens sieben Jahre beträgt. Darüber hinaus ist zu untersuchen, wieweit in der Zwischenzeit die zusätzliche Nachfrage durch Stromimporte gedeckt werden kann.

Liberalisierung verändert Bedingungen

Die Liberalisierung der Energiemärkte hat die Rahmenbedingungen für die Planungen von Kraftwerken verändert und das Schwergewicht der Versorgung auf die internationalen Energiemärkte verlagert. Die von den EU-Staaten vor der Liberalisierung zur Sicherung der nationalen Versorgung errichteten Überkapazitäten führten kurzfristig zu einem drastischen Preisverfall. Dadurch können derzeit zusätzliche Strommengen jederzeit zugekauft werden.

Allerdings werden durch diesen Stromhandel die Übertragungsnetze überlastet, und deren Kapazität reicht teilweise für den Stromtransport nicht mehr aus. Deshalb gibt es auch von der EU-Kommission im Rahmen der TEN, der Transeuropäischen Netze, bevorzugte Ausbautrassen, um den internationalen Stromhandel zu sichern.

AK-Studie

Zur Sicherung und Stärkung des Wirtschaftsstandortes Österreich, aber auch für die Haushalte ist eine Sicherung der Stromversorgung unabdingbar. Um die Versorgungssicherheit auf seriöser Ebene diskutieren zu können, gab die AK bei Prof. Heinz Stigler von der Technischen Universität Graz eine Studie »Sicherung der heimischen Elektriziätsversorgung« in Auftrag, deren Ergebnisse seit Sommer vorliegen.

Die Studie empfiehlt:

  • Lückenschluss der 380-kV-Leitung in der Südsteiermark und die Verstärkung der Nord-Süd-Verbindung in Salzburg;
  • weiteren Kraftwerksausbau;
  • Errichtung einer überregionale Planungsgruppe zur Koordinierung des Netz- und Kraftwerksausbaues.

Um den steigenden Stromverbrauch zu bewältigen, ist sowohl die rasche Fertigstellung des 380-kV-Netzes als auch der Bau zusätzlicher neuer Kraftwerke notwendig.

Durch das fehlende Teilstück der 380-kV-Leitung in der Steiermark kann insbesondere im Raum südlich von Graz mit den bestehenden Kapazitäten die sichere Versorgung zusätzlicher Industriebetriebe nicht gewährleistet werden.
Der Wirtschaftsstandort Österreich kann nur durch eine effiziente Stromversorgung gesichert werden.

Die Blackouts1) im Vorjahr in den USA und Kanada und innerhalb Europas in Dänemark, Südschweden, Großbritannien und Italien belasteten die
Wirtschaft beträchtlich und zeigen, wie wichtig ein sicheres Stromnetz für die wirtschaftliche Entwicklung ist.

Allein in Nordamerika entstand durch diese Stromausfälle ein wirtschaftlicher Schaden von sechs Milliarden Dollar.

Markt braucht Kontrolle

In den USA wurden die Energiemärkte frühzeitig liberalisiert, dadurch ergab sich die Notwendigkeit von Kontrollinstanzen zur Sicherung des Wettbewerbes und zum Schutz der Konsumenten. Dazu wurden eine Reihe von Behörden geschaffen, die den Strommarkt beaufsichtigen.

Hier ist insbesondere die Federal Elektric Regulatory Commission (FERC) zu nennen, die ähnliche Befugnisse wie die österreichische E-Control hat, allerdings auch einen strategischen Ausbauplan (PLAN FY) für die Energieinfra-
struktur für die Periode 2004-2008 entwickelte.

Versorgungssicherheit durch überregionale Planung

Als Reaktion auf den großräumigen Stromausfall 1965 wurde 1968 das North American Reliability Council (NERC) als Non-Profit Organisation gegründet. Mitglieder der Organisation sind zehn regionale Beiräte, die sich mit der Sicherung der Energieversorgung in den USA, in Kanada und des Baja Norte in Mexiko beschäftigen.

Im Stakeholder Commitee dieser Organisation, welches die Beiräte ernennt, sind alle wichtigen Industriezweige vertreten.

Die Organisation entwickelt Marktregeln und Planungsmodelle zur Versorgungssicherheit auf regionale und überregionaler Ebene. Die Koordinierungsmodelle bieten die Grundlage für den weiteren Netz- und Kraftwerks- ausbau.

AK fordert Planungsstelle

Die AK fordert daher auch für Europa die Einrichtung einer derartigen überregionalen Koordinierungsstelle auf europäischer Grundlage, in der alle Abnehmergruppen, aber auch Netzbetreiber und Stromerzeuger sowie Regulatoren vertreten sind.

Die derzeitigen drei 220-kV-Nord-Süd-Stromleitungen sind bereits jetzt überlastet und zu schwach für den steigenden Stromverbrauch.

Wenn diese Netze an einem bestimmten Tag überlastet sind, weil der erzeugte Strom mangels Netzkapazitäten nicht abtransportiert werden kann, müssen Engpassmanagement-Maßnahmen ergriffen werden.

Fehlender Ausbau kostet 400.000 EUR täglich

Daraus würden im Jahr 2010 volkswirtschaftliche Mehrkosten von bis zu rund 400.000 Euro pro Tag entstehen. Weiters zeigt die Studie, dass ohne zusätzliche Netzkapazitäten ein wirtschaftlicher Einsatz von Kraftwerken behindert und ein zuverlässiger und sicherer Netzbetrieb nur eingeschränkt möglich wäre.

Damit kann es zur Notwendigkeit kurzfristiger Kraftwerksabschaltungen kommen, oder es müssten vom Netzbetreiber Kraftwerke zur Bereitstellung von Ausgleichsenergie zugeschaltet werden bzw. Strom aus dem Ausland zugekauft werden. Die ist natürlich mit bedeutenden Kosten verbunden, da dieser Spitzenstrom sehr teuer ist, oder weil den Kraftwerksbetreibern die Kosten für
die Abschaltung vergütet werden müssen.

Leitungsausbau auch bei Kraftwerksneubauten nötig

Diese Engpässe in der Stromversorgung können aus den angeführten Gründen durch den Bau eines neuen Kraftwerkes zwar gemildert werden, der steigende Strombedarf macht aber trotzdem den zusätzlichen Lückenschluss der 380-kV-Leitung vom Südburgenland ins steirische Kainachtal und die Verstärkung der Nord-Süd-Leitung notwendig, um Leitungsüberlastungen zu verhindern und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Kosten der Leitung

Die geplante 380-kV-Leitung zwischen Rotenturm im Südburgenland und Zwaring in der Südsteiermark hat eine Länge von 98 Kilometer. Die Investitionskosten dafür betragen rund 120 Millionen Euro samt Umweltmaßnahmen wie dem Abtragen der 100-kV- und 220-kV-Leitungen.

Neue Kraftwerke

Zusätzlich müssen neue Kraftwerke für die Stromversorgungssicherheit gebaut und aufgrund der langen Vorlaufzeiten jetzt geplant werden. Es gibt allerdings Pläne, die Kraftwerke St. Andrä und Voitsberg zu schließen, obwohl der Stromverbrauch jährlich wächst. Die Fertigstellung der 380-kv-Leitung und der Bau von Kraftwerken stärken den Wirtschaftsstandort Österreich, kurbeln die Bauwirtschaft an und schaffen und sichern Arbeitsplätze.

Die Rolle der erneuerbaren Energien

Der Bau vom Kraftwerken auf Basis erneuerbarer Energien alleine kann die Versorgungslücke nicht schließen. Die derzeit absehbaren Projekte können bestenfalls die Verbrauchssteigerungen für zwei bis drei Jahre abfangen.

Ein weiterer Ausbau ist unabhängig von der Finanzierbarkeit nur im Ausmaß der vorhandenen Ressourcen möglich und kann nicht unendlich gesteigert werden. Zudem verstärkt die unstetige Produktion der Windkraftanlagen das Netzproblem, weil einerseits die im Norden erzeugten Mengen abtransportiert werden müssen, andererseits die Ausgleichsenergie herangeschafft werden muss.

Ein Ausweg wäre höchstens die Abschaltung der Windkraftanlagen, wenn
sie zur unpassenden Zeit zuviel Strom liefern

1) Blackout: englisch »Verdunklung«, bedeutet einen totalen Stromausfall

R E S Ü M E E

Ohne überregionaler Planung des Kraftwerksbaues und der Netzkapazitäten ist die Stromversorgung im liberalisierten Markt auf die Dauer nicht zu sichern. Dazu ist aber ein klares Konzept notwendig, das im Rahmen eines Energieplanes von der Bundesregierung unter Beteiligung der Verbraucher und Erzeuger erarbeitet werden müsste.

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Ditmar Wenty (Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik in der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214726 Wettbewerb nach unten Die Richtlinie zielt darauf ab, unter anderem das Herkunftslandprinzip horizontal umzusetzen. Das unterläuft die jeweiligen nationalen Bestimmungen und fördert somit die Erosion verbindlicher Qualitätsstandards.

Ziele des Entwurfs

Die Richtlinie »Dienstleistungen im Binnenmarkt«1) will einen einheitlichen Markt für Dienstleistungen und damit - so argumentiert die EU-Kommission - mehr Wachstum schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die noch bestehenden nationalen Hindernisse im grenz-überschreitenden Dienstleistungsverkehr zu beseitigen. Alle in der Europäischen Union ansässigen Unternehmen sollen ihre Dienstleistungen gemeinschaftsweit anbieten und erbringen können, ohne die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats erfüllen zu müssen. Dies soll zu stärkerem Wettbewerb und damit zu günstigeren Dienstleistungen führen. Die Empfänger der Dienstleistungen, dies sind Endverbraucher und Unternehmen, sollen sich uneingeschränkt aller Dienstleistungserbringer in der EU bedienen können. Schenkt man den Argumenten der Europäischen Kommission Glauben, so sind wir alle die Profiteure dieses uneingeschränkten Binnenmarktes. Eine kritische Analyse der möglichen Auswirkungen für ArbeitnehmerInnen und auch KonsumentInnen straft diese Behauptung aber Lügen.

Der Dienstleistungssektor in der EU

Um die Bedeutung der Richtlinie zu erfassen, hat man sich den Anwendungsbereich zu vergegenwärtigen. Generell sind alle wirtschaftlichen Dienstleistungen von der Richtlinie erfasst. Diese können gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten sein, die in der Regel gegen Entgelt verrichtet werden.
Der Dienstleistungssektor ist für Beschäftigung und Wertschöpfung von großer Bedeutung: Mehr als die Hälfte des Inlandproduktes entfällt auf private Dienstleistungen. Rund zwei Drittel der Beschäftigten arbeitet in Unternehmen dieser Branche, denen mehr als vier Fünftel der Unternehmen in der Europäischen Union zuzurechnen sind. Große Dienstleistungsbranchen wie die Telekommunikation und Versorgungswirtschaften, darunter etwa die Eisenbahnen, sind in den letzten Jahren durch sektorale Richtlinie EU-weit reguliert, oder besser gesagt dereguliert worden. Somit wurden diese Bereiche harmonisiert, d. h. für sie gelten EU-weit bereits die gleichen Regeln.

Der auf EU-Ebene noch nicht harmonisierte Bereich umfasst z. B. Groß- und Einzelhandel, Bauwirtschaft, Gastronomie, Gewerbe und Unternehmensdienstleistungen. Für diesen soll die neue Richtlinie gelten. Generell befürchten wir über die Dienstleistungsrichtlinie einen zusätzlichen Druck auf öffentliche Dienstleistungen, z. B. im Gesundheitsbereich.

Der (privat-)wirtschaftlich organisierte Dienstleistungsbereich beschäftigt über 60 Millionen ArbeitnehmerInnen und erwirtschaftete im Jahr 2000 rund drei Milliarden Euro. Aber auch in der Industrie wird ein erheblicher Teil der Wertschöpfung durch Dienstleistungen erbracht. Wir wissen allerdings nur sehr wenig über diese Branchen, da die statistischen Grundlagen teilweise fehlen. Die Kenntnisse über den Umfang des Dienstleistungshandels über die Grenzen der Mitgliedstaaten sind ebenfalls sehr begrenzt. Die Dienstleistungsrichtlinie soll für alle wirtschaftlichen Dienstleistungen gelten, die innerhalb der EU grenzüberschreitend erbracht werden. Darunter fällt zum Beispiel die Bautätigkeiten eines italienischen Bauunternehmen auf einer österreichischen Baustelle, aber auch häusliche Pflegedienste an einer inländischen Pflegebedürftigen durch eine beim tschechischen »Roten Kreuz« angestellten Krankenschwester.

Chaos der Rechtssysteme

Mit dem Herkunftslandprinzip - Herzstück der Dienstleistungsrichtlinie - kommt eine neue Qualität der Deregulierung im Binnenmarkt ins Spiel. Es stellt den Paradigmenwechsel in der Binnenmarktpolitik dar, da vom Prinzip der schrittweisen Annäherung der unterschiedlichen Normen durch europäische Mindeststandards (Harmonisierung) abgegangen wird. Das Herkunftslandprinzip regelt zwei Aspekte mit weitreichenden Folgen: Welches Recht hat das Dienstleistungsunternehmen anzuwenden? Und welche Behörde hat zu kontrollieren?

In der Dienstleistungsrichtlinie heißt es nach Artikel 16 Absatz 1: »Die Mitgliedstaaten haben dafür Sorge zu tragen, dass Dienstleistungserbringer lediglich den Bestimmungen ihres Herkunftsmitgliedsstaates unterfallen.« Und weiters: »Der Herkunftsmitgliedstaat ist dafür verantwortlich, den Dienstleistungserbringer und die von ihm erbrachten Dienstleistungen zu kontrollieren, auch wenn er diese in einem anderen Mitgliedstaat erbringt« (Artikel 16 Absatz 2).

Ersteres führt dazu, dass Dienstleister aus 25 Ländern unter alleiniger Beachtung ihrer jeweiligen heimatlichen Rechtsordnungen miteinander auf einem nationalen Markt in Wettbewerb treten. Derzeit bestehen zwischen den Mitgliedstaaten unterschiedliche Qualitätsstandards. Diese werden mit dem Herkunftslandprinzip auch auf die nationale Ebene verlagert.

Dies führt zwangsläufig zu einem - nach Aussagen der Kommissionsbeamten durchaus beabsichtigten - »Wettbewerb der Systeme«. Die gegenseitige Anerkennung der Standards fördert den Standortwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten um die niedrigsten Anforderungen an die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten und die kostengünstigsten Produktionsbedingungen. Für Unternehmen bringt es große Wettbewerbsvorteile, sich in dem Land anzusiedeln, wo Bestimmungen hinsichtlich Berufsqualifikation, Steuern und Abgaben, Sicherheitsvorschriften, Anstellung und Entgeld etc. niedrig sind, wenn es unter diesen Bedingungen im gesamten Binnenmarkt arbeiten kann. Ein neuer Wettbewerb nach unten hin zum kleinsten gemeinsamen Nenner ist unausweichlich.

Deregulierung zum Quadrat

Der Wettlauf nach unten wird durch den zweiten Aspekt des Herkunftslandprinzips nur verstärkt. Hinsichtlich der Umsetzung sagt die »Bolkestein«-Richtlinie - so wird der Entwurf auch genannt -, dass die Aufgabe der Kontrolle von Vorschriften einzig und allein dem Herkunftsland zukommt. Die Behörden im Land der Leistungserbringung dürfen de facto nur mehr Sachverhalte erheben, da ihnen untersagt ist, bei Verstößen Sanktionen zu verhängen. Letzteres dürfen lediglich die Behörden des Herkunftslandes, in dem sich unter Umständen auch nur ein Briefkasten des Unternehmens befinden kann, da Mitgliedstaaten keine Sitzlandpflichten vorsehen dürfen.

Aber welches Interesse sollte ein Herkunftsland haben, die Auslandsgeschäfte der bei ihm beheimateten Unternehmen zu kontrollieren? Warum sollte es ihnen Geschäftsmöglichkeiten verbauen, die sich positiv auf die Außenwirtschaftsbilanz niederschlagen und wo die Geschädigten nicht im eigenen Land leben? Verfügen die Behörden überhaupt über die finanziellen und personellen Möglichkeiten, um solche Zusatzaufgaben zu übernehmen? Und nicht zuletzt: Wie kann es zu einer effektiven Wirtschaftsaufsicht kommen, wenn die zu kontrollierende Behörde nicht die Befugnis hat, vor Ort im Zielland zu kontrollieren, sondern auf die Behördenkooperation angewiesen ist?

Solche, aber noch viele andere Fragen stellen sich uns unmittelbar, wollen wir die »Bolkestein«-Richtlinie bewerten.

Entsenderichtlinie ohne Kontrolle?

Entsprechend dem Richtlinienentwurf wird das Herkunftslandprinzip nicht bei zur Verrichtung von Tätigkeiten in ein anderes Mitgliedsland entsandten ArbeitnehmerInnen angewendet. In dem Fall gelten nach wie vor die Bestimmungen der Entsenderichtlinie, die besagt, dass die entsandten Arbeitskräfte »ortsüblich« - also nach den Bestimmungen im Staat, wo der Einsatz erfolgt - zu entlohnen sind. Doch - und dies ist die Krux - werden die Möglichkeiten der Kontrolle wesentlich eingeschränkt. Das wirft die wie bereits weiter oben gestellte Frage auf, ob eine effektive Überprüfung möglich ist? Der Mitgliedstaat, in das der Dienstleister seine Beschäftigten entsandt hat, ist verstärkt auf die Zusammenarbeit mit der Behörde im Herkunftsland angewiesen. Diese wird aber in der Regel kein Interesse an der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen im so genannten Entsendemitgliedstaat und somit an einer guten Zusammenarbeit haben.

Zum Beispiel die Situation auf den Baustellen zeigt, dass bereits die derzeitigen Kontrollmöglichkeiten nicht ausreichen, um die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in den sensiblen Branchen zu schützen. Seit der EU-Erweiterung mit 1. 5. 2004 arbeiten zahlreiche Arbeitskräfte aus den neuen Mitgliedstaaten formell als selbständige Ein-Personen-Unternehmer auf österreichischen Baustellen. Allein in Wien hat die Landesinnung für das Bauhilfsgewerbe eine »Gründerwelle« von 900 Neugründungen seit der Erweiterung bei bis dahin 1500 Mitgliedern verzeichnet. Um die Übergangsbestimmungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu umgehen, bedarf es einer entsprechenden Unterstützung der neuen »Selbständigen« durch die Behörden in den neuen Mitgliedstaaten, welche die erforderlichen Dokumente bereitstellen. Aus der Sicht der slowakischen Behörde zum Beispiel ist es legitim, ihre Staatsbürger zu unterstützen, um im Ausland eine Beschäftigung zu finden. Ob dies auf Kosten ordnungsgemäßer Wettbewerbsbedingungen, des Arbeitsmarktes oder der ArbeitnehmerInnen des Gastlandes geht, liegt nicht in ihrem unmittelbaren Interesse. Mit eine guten Zusammenarbeit mit den Behörden des Herkunftslandes zur Aufdeckung von Umgehungspraktiken ist daher nicht zu rechnen. Die funktionierende Zusammenarbeit der Behörden ist aber eine der Grundlagen der Dienstleistungsrichtlinie.

Die KonsumentInnenen kennen in der Regel die Rechtsvorschriften im Sitzstaat des Anbieters nicht und können daher weit weniger beurteilen, ob dessen Verhalten rechtmäßig ist. Abgesehen von einem reinen Preisvergleich können KonsumentInnen häufig selbst eklatante Qualitätsunterschiede nicht feststellen. Sie erwarten sich vom nationalen wie EU-Gesetzgeber folgerichtig zuverlässigen Schutz durch einen hochwertigen Ausbildungsstand der Dienstleister und Ausübungsregeln, die vor Übervorteilung und eventuellen Schäden bewahren.

Der durch das Herkunftslandprinzip eingeleitete Wettbewerb um die geringsten Ausübungsvorschriften benachteiligt die VerbraucherInnen: Sie können sich nicht auf die Einhaltung von ihnen vertrauten Standards bzw. Mindestqualitätsniveaus verlassen. Darüber hinaus erhöht es das Auswahlrisiko. Wirbt der Dienstleister mit unlauteren Methoden, verstößt er gegen Ausübungsregeln oder verhält er sich gar strafrechtsrelevant, so ist der mühsame und wenig erfolgsversprechende Weg der Behördenkooperation zu beschreiten. Denn ein Einschreiten der Behörden im Wohnsitzland des Verbrauchers ist nur mehr im Ausnahmefall gestattet.

Am Ort der Ausführung der Arbeiten muss die konsequente Überwachung des rechtmäßigen Verhaltens von Dienstleistern und die rasche Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes bei Rechtsverletzungen durch die ortsansässigen Behörden weiterhin möglich sein, andernfalls verlieren VerbraucherInnen und Mitbewerber ihren Schutz vor unredlichen, schädigenden Verhaltensweisen im Geschäftsverkehr. Der in der Richtlinie vorgeschlagene Weg der Zusammenarbeit ist über alle Maßen umständlich und damit unpraktikabel.

Ist schon alles verloren?

Der Richtlinienentwurf der Kommission wird zur Zeit in einer Arbeitsgruppe des Rates im Detail diskutiert. Die BeamtInnen der Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, Vorbehalte zu den einzelnen Bestimmungen vorzubringen. Parallel dazu behandelt das Europäische Parlament die Dienstleistungsrichtlinie. Die »erste Lesung« ist für das Frühjahr 2005 geplant, wo Änderungsanträge eingearbeitet werden. Ein überarbeiteter Entwurf der Dienstleistungsrichtlinie mit den Anmerkungen der einzelnen Mitgliedstaaten und den Änderungsvorstellungen des Europäischen Parlaments liegt voraussichtlich im Frühsommer 2005 vor.

Grundsätzlich ist aus Brüssel zu hören, das Herzstück der Richtlinien, nämlich das Herkunftslandprinzip, sei politisch »außer Streit« gestellt. Einzelne Berufsgruppen bzw. Bereiche wie die freien Berufe oder der Gesundheitsbereich versuchen, sich dem Herkunftslandprinzip in Form einer Ausnahmeregelung zu entziehen, doch wird der Grundsatz politisch nicht hinterfragt. Die Mitgliedsländer agieren nach dem Prinzip, ihre Schäflein, die politisches Gewicht haben, ins -Trockene zu bringen.

Vor diesem Hintergrund ist es um so wichtiger, die Inhalte der Dienstleistungsrichtlinie in einer breiten Öffentlichkeit zu diskutieren und die möglichen Auswirkungen klar aufzuzeigen.

1) Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Dienstleistungen im Binnenmarkt, Brüssel 25. 2. 2004; KOM (2004) 2 endgültig/2

R E S Ü M E E

Wird das Herkunftslandprinzip in der vorliegenden Form umgesetzt, so verabschieden wir uns vom Ziel der Kohäsion und der schrittweisen Annäherung der einzelstaatlichen Arbeits-, Verbraucherschutz- und Umweltstandards. Aus interessenspolitischer Sicht ist dies abzulehnen. Wir wollen weiterhin den Weg der EU-Harmonisierung in einzelnen Sektoren und Branchen beschreiten, die die unterschiedlichen Standards in der EU-25 mit Mindeststandards auf hohem Niveau absichern. Dies nimmt sicherlich mehr Zeit in Anspruch, doch kann nur so gewährleistet werden, dass auf nationale Besonderheiten und Interessenslagen Rücksicht genommen wird.

Ein »grenzenloser« Binnenmarkt nach den Vorstellungen der »Bolkestein«-Richtlinie leitet einen Wettbewerb nach unten ein. Das steht in diametralem Gegensatz zu den Zielen der EU, nämlich Vollbeschäftigung und sozialen Zusammenhalt zu erreichen, aber auch bis 2010 wettbewerbsfähigster Wirtschaftsraum zu werden.

AutorInnen:
Elisabeth Beer,
Abteilung EU & Internationales, AK-Wien
Walter Gagawczuk,
Abteilung Sozialpolitik, AK-Wien
Dorothea Herzele,
Abteilung Wirtschaftspolitik, AK-Wien
Valentin Wedl,
Abteilung EU & Internationales, AK-Wien
Daniela Zimmer,
Abteilung Konsumentenpolitik, AK-Wien

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214702 Steuerwettbewerb nach unten Die Ziele konservativer Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik ändern sich nicht. Eines dieser Ziele der Konservativen war und bleibt es, die großen Unternehmen und reichen Einzelpersonen möglichst weitgehend davor zu schützen, auch nur einen Teil ihres Vermögens und ihres Einkommens im Sinne einer gesellschaftlichen Solidarität an weniger Bevorzugte abzugeben - also das Ziel, die Steuern für Unternehmen und Höchstverdiener auf ein niedriges Niveau abzusenken.

Den Menschen einreden …

Das Ziel bleibt zwar gleich. Aber in einer Demokratie ist es nicht klug, dieses Ziel offen einzubekennen. Daher muss eine solche Politik entsprechend verkauft werden. Man muss den Menschen womöglich einzureden versuchen, dass alles, was man als Konservativer will, auch in ihrem eigenen Interesse geschieht oder dass es zumindest aufgrund äußerer Umstände unvermeidlich ist.
Die von den Konservativen geforderte Politik stelle den einzigen vernünftigen und gangbaren Weg im Interesse des Landes, seiner Wirtschaft und aller in ihr Tätigen dar.

Von diesem konservativen Standpunkt aus gesehen sind viele staatliche Leistungen wie jene für soziale Sicherheit, für Ausbildung, für Infrastruktur, für Umwelt und so weiter höchst zweifelhaft und sollten jedenfalls radikal eingeschränkt werden. Am besten kann man solche Einschränkungen begründen, in- dem man dafür sorgt, dass der Staat dafür ganz einfach zu wenig Geld hat. Damit das glaubhaft wird, muss man den Staat finanziell aushungern.

Den Staat aushungern

Einer der Wege (wenn auch nicht der einzige) zur Aushungerung des Staates sind Steuersenkungen. Das hört sich immer gut an und ist daher populär. Wenn man es geschickt anlegt, gibt man dem »kleinen Mann« eine minimale Steuersenkung und gleichzeitig den Bestverdienenden und den Unternehmen eine maximale Steuersenkung. Damit das nicht auf allzu viel Widerstand stößt, behaupten die Unternehmer und ihre politischen Verbündeten, das sei zur Erhaltung des Leistungswillens und der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft nötig und diene damit zur Sicherung des Standortes und der Arbeitsplätze.

Steuersenkungen vermindern die Staatseinnahmen und erhöhen die Budgetdefizite. Extrem hohe Defizite (wie sie zum Beispiel Reagan oder Bush junior mit Steuersenkungen in den USA ausgelöst haben) bringen den Staat allein durch den Zinsendienst früher oder später in arge Bedrängnis. Irgendwann, bei irgend einem Niveau, wird die Schuldenmacherei auch für reiche Länder unerträglich. Schon hat man ein unabweisbares Argument für Ausgabenkürzungen zur Hand. Es heißt dann: Selbst wenn diese Staatsausgaben von allen gewünscht werden, wir können uns das ganz einfach nicht mehr leisten. In der Politik herrscht dann das Diktat der leeren Kassen.

Ausrede Budgetdefizit

Um dem Argument mit den leeren Kassen noch zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, haben seinerzeit die Deutschen in der EU noch einen volkswirtschaftlichen Unsinn wie den Stabilitätspakt mit einer Begrenzung der Defizite auf (punktgenau) drei Prozent durchgeboxt, der die staatlichen Möglichkeiten auch kurzfristig einengen soll. Aber auch wenn dieser Pakt heute zu recht kritisiert wird und - von fast allen anerkannt - abgeändert werden muss, so haben staatliche Defizite doch ihre Grenzen, die sich vor allem daraus ergeben, dass bei zu großen Staatsschulden der Zinsendienst für diese Staatsschulden unweigerlich so teuer wird, dass alle anderen Ausgaben des Staates gekürzt werden müssen.

Ausrede Konkurrenzfähigkeit

Gerade wegen der dauernden Ausreden auf die Budgetdefizite ist die Stimmung für Steuerreformen in der Bevölkerung und damit bei den Wählern eher flau. Daher der Griff zu dem Argument mit der Konkurrenzfähigkeit: Wir müssen die Steuern für die größeren Unternehmen (in Österreich ist das die Körperschaftsteuer) senken, weil sie in anderen europäischen Ländern, vor allem in den neu der EU beigetretenen Ländern, viel niedriger sind als bei uns. Wenn wir das nicht machen, werden unsere Unternehmen in diese Länder abwandern und wir verlieren die Betriebe und die Arbeitsplätze. Es geht uns nicht um unsere Gewinne, es geht uns um den Standort Österreich.

Für Betriebswirte ist dieses Argument von vornherein nicht sehr überzeugend. Sie wissen, dass Entscheidungen über einen Standort von vielen Faktoren abhängen. Nach allen Erfahrungen sind Gewinnsteuern dabei eher ein untergeordneter Faktor. Denn sie werden überhaupt erst dann interessant, wenn ein Unternehmen entsprechend große Gewinne gemacht hat. Und dafür sind viele andere Umstände von ausschlaggebender Bedeutung.

Wettbewerbsspirale dreht sich

Aber das Argument vom Standort (Österreich oder irgendein anderes betroffenes Land, in Deutschland, Frankreich usw. argumentieren die Unternehmer ebenso) klingt überzeugend und man kann - das ist ja das Ziel der Konservativen - damit einen Steuerwettbewerb nach unten auslösen. Weil ein anderes Land niedrigere Unternehmenssteuern hat als wir, müssen wir im Interesse unseres Standortes auch bei uns diese Steuern senken und zwar womöglich auf ein noch niedrigeres Niveau als unser Konkurrent. Die Spirale dreht sich nach unten. Der Staat wird finanziell ausgehungert, und unter dem Diktat der leeren Kassen muss man die staatlichen Leistungen senken oder womöglich sogar manche davon völlig abschaffen.

Die Argumente für eine Senkung der Unternehmenssteuern werden gerne mit Tabellen untermauert, auf denen »bewiesen« wird, dass diese Steuern im eigenen Land besonders hoch und in anderen Ländern weit niedriger sind. Solche Tabellen sind meistens eindrucksvoll, aber leider höchst problematisch. Denn bei der Besteuerung kommt es nicht nur auf die Höhe der Steuersätze sondern - im internationalen Vergleich sogar vor allem - auf die so genannte Bemessungsgrundlage an. Bei vielen solchen Tabellen werden aber nur die Steuersätze, also nur jene Prozentsätze von der Bemessungsgrundlage, die an den Staat als Steuer abzuführen sind, berücksichtigt.

Problematisch oder irreführend?

In Wirklichkeit funktioniert die Steuerberechnung so: Erst wird in einer betriebswirtschaftlichen Bilanz festgestellt, wie es einem Unternehmen tatsächlich gegangen ist, was der echte Gewinn war. Dieser Gewinn wird aber nicht zur Gänze versteuert. Versteuert wird nur die steuerliche Bemessungsgrundlage. Aufgrund nationaler Gesetze werden aus bestimmten (oft sogar nicht unplausiblen) Gründen Teile des Gewinnes bei der Steuerbemessung nicht berücksichtigt; meist nennt man das »Absetzungsmöglichkeiten«. Andere Umstände führen (als -Förderungen gewisser Aktivitäten) zu weiteren Verminderungen der Steuerbemessungsgrundlage. Die Be--messungs-grundlage ist daher in fast jedem Fall wesentlich niedriger als der betriebswirtschaftliche Gewinn. Und erst auf diese Bemessungsgrundlage wird der Steuersatz dann angewendet.

Tatsächliche Gewinne

Wenn man schon internationale Vergleiche anstellt, sollte man daher nicht die Steuersätze, sondern die tatsächlichen Steuerleistungen der Unternehmen gemessen an ihren tatsächlichen Gewinnen vergleichen. Das ist nicht ganz leicht, wird aber (mit einer gewissen Ungenauigkeit) sowohl von Forschungsinstituten als auch von Beratungsfirmen gemacht. Es ist sicher kein Zufall, dass Österreich bei solchen Vergleichen zu den Ländern mit relativ (zumindest gegenüber den Ländern der bisherigen EU) niedriger Unternehmensbesteuerung gehört. Man braucht bloß die Bilanzen vieler großer österreichischer Unternehmen, deren Aktien an der Börse hoch bewertet werden, anzuschauen, um zu sehen, wie wenig Körperschaftsteuer sie zahlen. Dementsprechend kann aber auch die Körperschaftsteuer nicht wirklich ein Faktor bei ihrer Standortwahl sein.

Körperschaftsteuer

Bei der Beurteilung der österreichischen Körperschaftsteuer und ihrem internationalen Vergleich sind noch einige weitere Sonderfaktoren zu beachten: Erstens ist der bei weitem größte Körperschaftsteuerzahler die Oesterreichische Nationalbank, die allein etwa ein Zehntel zum ganzen Körperschaftsteueraufkommen beiträgt; selbst für das eher »schlechte« Jahr 2003 führte sie fast 250 Millionen Euro an Körperschaftsteuer ab, für 2002 waren es über 500 Millionen Euro. Das führt optisch zu einem höheren Körperschaftsteuer-Ertrag des Staates, hat aber volkswirtschaftlich keine Bedeutung, weil der Gewinn der Nationalbank nach Zahlung der Körperschaftsteuer genauso zur Gänze an den Staat geht, wie die Steuer selbst. Daher unterliegt die jeweilige Nationalbank in vielen anderen Ländern nicht der Körperschaftsteuer.

Extrem großzügiges Stiftungsrecht

Zweitens hat Österreich mit seinem extremst großzügigen Stiftungsrecht eine Regelung geschaffen, mit der die wirklich Wohlhabenden in unserem Land ihre Gewinne weitgehend der Besteuerung entziehen können. Begründet wurde das damit, dass diese Gewinne sonst ins Ausland verschoben werden würden (oder bereits wurden). Kapital sei eben extrem mobil, beweglich. Um es im Inland zu halten, müsse man es mit weniger Steuer belegen, als im Ausland zu zahlen wäre.
Dieser Argumentationsgang hat, nebenbei bemerkt, für die Konservativen noch einen Vorteil: Die Lohnsteuer braucht man nicht an niedrigere ausländische Sätze anzupassen. Denn Unternehmer können (zumindest bis zu einem gewissen Ausmaß) bestimmen, wo sie produzieren und wo ihre Gewinne anfallen und versteuert werden, aber Arbeitnehmer (außer vielleicht Spitzenmanager in internationalen Konzernen) können sich das Land ihres Arbeitsplatzes nicht nach den Steuersätzen aussuchen.

Verzicht auf Steuern?

Doch wie immer man die internationalen Vergleiche der Unternehmenssteuern berechnet und bewertet, wie und was immer man vergleicht, die tatsächliche Unternehmensbesteuerung ist in manchen der neu der EU beigetretenen Länder auffällig niedrig, sogar niedriger als jene in Österreich. Wieso können sich diese Länder eine so niedrige Steuerbelastung ihrer Unternehmen leisten? Immerhin haben sie seit Jahrzehnten zu wenig in ihre Infrastruktur investiert und haben hier einen gigantischen Nachholbedarf. Sie müssen aufgrund ihrer Vereinbarungen mit der EU gewaltige Summen für den bisher vernachlässigten Umweltschutz ausgeben.

Lösung: Förderungsgelder der EU

Sie haben ebenso wie die westlichen Länder bei einer womöglich noch niedrigeren Geburtenrate eine große ältere Generation zu finanzieren, die nichts fürs Alter ansparen konnte. Sie haben im Ausbildungsbereich, vor allem an den Universitäten, viel aufzuholen. Die Liste kann man lange fortsetzen.

Auf Steuern verzichten, obwohl man so große Ausgaben hat - wie löst man dieses Dilemma? Die Antwort ist relativ einfach. Diese Länder rechnen auf gewaltige Förderungen aus dem EU-Budget. Die Nettobeitragszahler der EU (zu denen auch Österreich zählt) zahlen fleißig in den gemeinsamen Topf ein und die neuen EU-Mitglieder werden aus diesem Topf kräftig gefördert.

Ungerechtigkeit und Unsicherheit im Detail

Diesen ganzen Kreislauf muss man sich genau ansehen, um die ganze Ungerechtigkeit und Unsinnigkeit im Detail zu begreifen:

  1. Die neuen Beitrittsländer bekommen gewaltige Subventionen von der EU, um ihren Nachholbedarf bei öffentlichen Leistungen zu finanzieren.
  2. Diese Subventionen werden aus den EU-Töpfen, welche die Nettobeitragszahler der EU wie Österreich speisen, finanziert.
  3. Wegen dieser Subventionen können sich die neuen Beitrittsländer eine nur geringe Besteuerung der Unternehmensgewinne leisten, ohne ihre Budgets völlig in Unordnung zu bringen.
  4. Mit Hinweis auf die niedrige Besteuerung der Unternehmen in den neuen Beitrittsländer üben die Unternehmer in den bisherigen EU-Mitgliedsstaaten Druck auf ihre Regierungen und Parlamente aus, ihrerseits in ihren Ländern die Unternehmensbesteuerung zu senken. Sie drohen damit (besonders häufig in Deutschland aber zum Beispiel auch in Österreich) sonst aus Wettbewerbsgründen ihre Betriebe und Arbeitsplätze in die neuen EU Länder mit ihrer niedrigeren Besteuerung zu verlagern.
  5. Sind sie erfolgreich und werden die Unternehmenssteuern in einem bisherigen EU-Land (wie in Österreich) mit dieser Begründung gesenkt, was deren konservativen Regierungen als Ausrede für jene Politik dient, die sie ohnedies gerne machen, dann steigt dort natürlich das Budgetdefizit. Das ist dann der willkommene Anlass, die öffentlichen Leistungen zu kürzen. - »Wir würden eh nicht wollen, aber das Defizit zwingt uns leider dazu.«

Das ganze Problem wäre aber bei weitem nicht so schwer zu lösen als es den Anschein haben mag. Eine durchaus taugliche und zielführende Lösung ist vom französischen Finanzminister Nicolas Sarkozy, aber auch von deutschen Politikern und in Österreich vom sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Caspar Einem vorgeschlagen worden. Die EU als Gemeinschaft und die Nettobeitragszahler im besonderen dürfen sich einfach nicht mehr alles von den neuen Beitrittsländern gefallen lassen.

Die ganz einfache Lösung

Der direkte Weg, den Mitgliedsländern (den neuen und den alten) mit Stimmenmehrheit im EU-Rat eine Mindestbesteuerung vorzuschreiben, geht nicht. Denn die neoliberale englische Labour-Regierung hat darauf bestanden, dass Steuerrecht weiterhin in der EU nur einstimmig beschlossen werden kann. Und Tony Blair und die Seinen sind weiterhin große Fans eines Steuerwettbewerbs nach unten, obwohl gerade in Großbritannien (aus Geldmangel) die öffentlichen Leistungen in vielen Bereichen weit hinter denen im übrigen Europa zurückgeblieben sind.

Ein anderer Weg zum Ziel scheint aber durchaus erfolgsversprechend: Die EU beschließt, dass jene Staaten, deren Unternehmensbesteuerung unter einen festgelegten Mindestsatz absinkt, keine Förderungen aus dem EU-Topf mehr bekommen. (Nebenbei: Eine ähnliche Regelung besteht in Österreich, wo Gemeinden, die ihre Steuermöglichkeiten nicht ausschöpfen, keine Bedarfszuweisungen bekommen.)

Damit das ganze wirklich sinnvoll ist, kann es sich dabei nicht um Steuersätze, sondern nur um die effektive Besteuerung handeln.

Um diese festzustellen, wird man wohl einheitliche Grundsätze für die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage festlegen müssen.

Und dann muss man sich auf einen Mindeststeuersatz einigen und eventuell sogar auf einen Höchstsatz - dazwischen kann jedes Land die Unternehmensgewinne mit jenem Steuersatz belegen, den es für richtig hält und der seinen Bedürfnissen nach Staatseinnahmen entspricht.

Das wäre in der EU nichts grundsätzlich Neues. Es gibt ja schon einheitliche Grundsätze für die Berechnung der Mehrwertsteuer (was darf steuerfrei sein, wofür darf ein ermäßigter Steuersatz berechnet werden und was ist voll zu versteuern) und dazu einen Mehrwertsteuermindestsatz und Mehrwertsteuerhöchstsatz.

R E S Ü M E E

Vielleicht gibt es noch andere zielführende Lösungsansätze. Dieser liegt aber jedenfalls schon auf dem Tisch. Eines aber sollte außer Frage gestellt werden: So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen.

Dass die neu beigetretenen EU Länder
a) über das EU-Budget Beihilfen von den bisherigen Mitgliedsländern kassieren, die sie dann
b) dazu verwenden, Unternehmen aus diesen Ländern mit niedrigen Steuersätzen in ihr Land zu locken, dass sie damit
c) eine Wettbewerbsspirale für eine immer niedrigere effektive Unternehmensbesteuerung in den bisherigen EU-Ländern auslösen, was letzten Endes
d) zu einer Verschlechterung der öffentlichen Leistungen in diesen Ländern führen muss, das können, sollen und wollen wir uns nicht bieten lassen. 

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Thomas Lachs (Pensionist in Wien, war Direktor der Oesterreichischen Nationalbank) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214387 Bundesvoranschlag | Entwurf 2005 Österreich hat sich zum Musterland für eine erfolgreiche Wirtschafts- und Budgetpolitik entwickelt«, meinte Grasser in seiner Budget-rede anlässlich der Präsentation des Budgetentwurfs 2005.

»Der Sieger ist, so Grasser weiter, der österreichische Steuerzahler. Er wird belohnt durch mehr Einkommen. Die Beschäftigung steigt und die Investitionen nehmen zu.« Eine Budgetanalyse der Arbeiterkammer -Wien1) und die Wirtschaftsdaten zeigen ein anders Bild: die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau und für die Universitäten und Schulen, für Forschung und Entwicklung sowie gegen eine stagnierende Inlandsnachfrage wird zu wenig getan.

1. Die Basisdaten des Budgetentwurfs 2005 und wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Der Entwurf des Bundeshaushalts 2005 sieht Ausgaben in der Höhe von 64,0 Milliarden Euro und Einnahmen von 58,9 Milliarden Euro vor. Daraus ergibt sich ein Abgang auf administrativer Basis von 5,1 Milliarden Euro oder 2,1% des BIP. Die Ausgaben wachsen mit 2,1% zwar deutlich langsamer als das nominelle BIP, da aber die Einnahmen um 0,6% sinken, steigt das Defizit an. Gegenüber dem Voranschlag 2004 erhöht sich das Defizit um 1,7 Milliarden Euro.

Das Maastricht-Defizit des Bundes liegt mit 2,3% des BIP über dem administrativen Defizit. Für den Gesamtstaat rechnet der Finanzminister mit einem Maastricht-Defizit von 1,9%. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Länder und Gemeinden zusammen einen Überschuss von 0,5% des BIP erbringen - davon die Länder 0,4% und die Gemeinden 0,1% - und das Defizit der Sozialversicherungsträger 0,1% nicht übersteigt. Das Maastricht-Defizit übersteigt damit bei weitem die ursprünglichen Pläne des Stabilitätsprogramms von 1,1% (siehe Übersicht 1: »Wichtige Kennzahlen der Budgetentwicklung«).

Die öffentliche Verschuldung sinkt trotz des merklichen Defizitanstiegs um etwa einen halben Prozent-Punkt auf 63,7% des BIP. Das hängt auch mit einer Revision des BIP zusammen (derzufolge die Wertschöpfung und damit das BIP aufgrund höherer imputierter Bankdienstleistungen steigt).

Der Bundesvoranschlag 2005 wird vor dem Hintergrund verbesserter gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen erstellt. Seit dem Frühjahr 2004 haben sich ausgehend von reger Nachfrage auf den Weltmärkten die Exporte der europäischen Industrieländer merklich erholt. Hingegen erholt sich die Inlandsnachfrage nur langsam. Der Konsum der privaten Haushalte ist im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2003 real kaum gewachsen, auch der Anstieg um 1,6% im heurigen Jahr liegt deutlich unter dem langfristigen Trend. Erst im Jahr 2005 kann der langfristige Durchschnitt infolge der Konjunkturbelebung und der Steuersenkungen wieder erreicht werden. Bei den Bauinvestitionen hat sich das Wachstum nach kräftigen Zuwächsen im Jahr 2003 merklich abgeflacht. Das Wirtschaftswachstum könnte im Jahr 2005 real 2,5% erreichen und damit zum ersten Mal seit 2000 den langfristigen Durchschnitt wieder übersteigen.

Die wirtschaftliche Erholung fällt allerdings zu schwach aus, um den Arbeitsmarkt deutlich zu entlasten. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt somit sehr angespannt.

2. Die Entwicklung der Budgetausgaben

Was ist ein Budget?

Einen Haushaltsplan, der eine Gegenüberstellung von geplanten Ausgaben und geschätzten Einnahmen für ein Jahr enthält, nennen wir ein Budget. Da in den einzelnen Budgetansätzen die budgetpolitischen Maßnahmen der Regierung zum Ausdruck gebracht werden, wird das Budget manchmal auch das in Zahlen gegossene Regierungsprogramm genannt.

Weiterer Personalabbau und keine Vorsorge für Gehaltserhöhungen

Der Aktivitätsaufwand für die Bundesbediensteten und Landeslehrer soll im kommenden Jahr um 1,3% sinken. Der im Jahr 2000 eingeleitete Personalabbau soll auch 2005 fortgesetzt werden.

Nach den Plänen der Regierung werden die Planstellen um 1680 gekürzt. Im Gegensatz zu den linearen Kürzungen der Vergangenheit soll es in einigen Bereichen auch Personalaufstockungen geben: bei der Inneren Sicherheit, bei den höheren Schulen (erhöhte Schülerzahlen, Ausweitung der Nachmittagsbetreuung und der IT-Ausbildung) und in der Justiz als Folge gestiegener Häftlingszahlen. Wegen rückläufiger SchülerInnenzahlen wird hingegen bei den Pflichtschulen von einer Senkung des Personalstandes ausgegangen.

Angesichts der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ist die Kürzung der Planstellen abzulehnen.

Der Budgetentwurf 2005 trifft keine Vorsorge für Gehaltserhöhungen. Diese sollen aus dem Personalabbau bzw. den Kürzungen anderer Ausgaben finanziert werden. Das erscheint unrealistisch, daher ist beim Aktivitätsaufwand mit Budgetüberschreitungen zu rechnen. Auch die Überstunden sollen reduziert werden.

I N F O R M A T I O N

Administratives und Maastricht-Defizit
Unter dem Budgetdefizit versteht man den Unterschiedsbetrag zwischen den Budgeteinnahmen und den Budgetausgaben. Dieses Defizit, das in den Voranschlägen und Rechnungsabschlüssen von Bund, Ländern und Gemeinden ausgewiesen wird, nennt man administratives Defizit.
Davon zu unterscheiden ist der Finanzierungssaldo des Sektors Staat, das so genannte Maastricht-Defizit, bei dessen Berechnung bestimmte Finanztransaktionen ausgeschieden werden.
Dazu gehören vor allem die Zuführung und Auflösung von Rücklagen, die Gewährung und Tilgung von Darlehen sowie der Verkauf und Erwerb von Beteiligungen. Auch bestimmte zeitliche Anpassungen werden vorgenommen.

Stark steigende Pensionsausgaben

Die Pensionsausgaben des Bundes werden im kommenden Jahr um 8,8% steigen. Die Entwicklung der Pensionsausgaben ist geprägt von den Auswirkungen der Pensionsreform 2003, die zu einer (Früh-)Pensionierungswelle führte. Vor allem dadurch konnte der Planstellenabbau realisiert werden. Allein 2004 befanden sich gegenüber der ursprünglichen Veranschlagung rund 7000 mehr Beamte im Ruhestand.

Der Andrang zur vorzeitigen Pensionierung dürfte auch im kommenden Jahr anhalten. Das gilt insbesondere für die Landeslehrer. Der Personalabbau ist somit weniger das Ergebnis der Verwaltungsreform im öffentlichen Dienst. Hier verwechselt die Regierung simple Budgeteinsparung mit echter Verwaltungsmodernisierung. Nur moderate Zuwächse gibt es hingegen beim Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung. Er ist ausschließlich eine Folge steigender Zuschüsse für die Bauern und Gewerbetreibenden.

Infrastrukturinvestitionen - Schwerpunkt Straße

Nach den Investitionsplänen der ausgegliederten Baugesellschaften kommt es 2005 zu einem Rückgang der Hochbauinvestitionen der Bundesimmobiliengesellschaft, während jene im Straßenbau (ASFINAG) ausgeweitet werden sollen. Die Investitionen in die Schiene stagnieren, wobei die Finanzierung nicht zur Gänze gesichert ist


I N F O R M A T I O N

Administratives und Maastricht-Defizit
Unter dem Budgetdefizit versteht man den Unterschiedsbetrag zwischen den Budgeteinnahmen und den Budgetausgaben. Dieses Defizit, das in den Voranschlägen und Rechnungsabschlüssen von Bund, Ländern und Gemeinden ausgewiesen wird, nennt man administratives Defizit.

Davon zu unterscheiden ist der Finanzierungssaldo des Sektors Staat, das so genannte Maastricht-Defizit, bei dessen Berechnung bestimmte Finanztransaktionen ausgeschieden werden.

Dazu gehören vor allem die Zuführung und Auflösung von Rücklagen, die Gewährung und Tilgung von Darlehen sowie der Verkauf und Erwerb von Beteiligungen. Auch bestimmte zeitliche Anpassungen werden vorgenommen.

Kein Zukunftsbudget, fehlende Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik

Die politische Ansage eines zukunftsorientierten Budgets kann aus dem vorliegenden Entwurf 2005 nicht abgeleitet werden. Im Gegenteil, die Ausgabenschwerpunkte liegen in den Bereichen Inneres, Justiz, Äußeres, Familie und Landesverteidigung. Die zukunftsorientierten Bereiche Bildung und Wissenschaft werden hingegen vernachlässigt. Bei den Schulen reichen die vorgesehenen Zuwächse nicht aus, um die angekündigten Verbesserungen zu finanzieren. Die Ausgaben für die Weiterbildung werden zwar ausgeweitet, es fehlen jedoch weitere rund 100 Millionen Euro. Die Mittel für die Universitäten werden sogar geringfügig gekürzt. Damit wird ihre chronische Unterfinanzierung weitergeführt. Lediglich die Ausgaben für Forschung und Entwicklung werden aufgestockt, das Ziel einer Forschungsquote von 2,5% des BIP wird jedoch weiterhin verfehlt.

Für die aktive Arbeitsmarktpolitik des Arbeitsmarktservice stehen im Jahr 2005 697 Millionen Euro zur Verfügung, das ist ein mageres Plus von 6 Millionen Euro. Tatsächlich notwendig wäre eine kurzfristige Erhöhung um zumindest 60 Millionen Euro, damit auch Arbeitslose im Haupterwerbsalter unterstützt werden können. Mittelfristig muss die Regierung das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik um 250 Millionen Euro erhöhen, damit flächendeckend wieder gute fachliche Ausbildung und eine weitere Verbesserung der Dienstleistung für Arbeitsuchende möglich wird.

Unter allen Transfers steigen jene für familienpolitische Leistungen am stärksten. Die größte Steigerung kommt dabei aus den Mehrausgaben für das Kinderbetreuungsgeld, das 2005 seinen Vollausbau erreichen wird. Für Maßnahmen, die tatsächlich die Frauenbeschäftigung fördern (wie etwa die ab 2000 gestrichene Kindergartenmilliarde), sind nur 3,5 Millionen Euro veranschlagt - das ist weniger als ein Euro pro Österreicherin pro Jahr.

I N F O R M A T I O N

Neue budgetpolitische Rahmenbedingungen
Die in mehreren Schritten erfolgte Disziplinierung der Budgetpolitik (Konvergenzkriterien, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Vorgaben hinsichtlich der Budgetstrukturen) hat die Handlungsspielräume der staatlichen (Umverteilungs-)Politik stark eingeengt.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt erlaubt bei Konjunkturabschwüngen kein ausreichendes Gegensteuern.

Zusammen mit einer ausschließlich auf Preisstabilisierung ausgerichteten Geldpolitik der EZB schwächt dies das Wirtschaftswachstum und erhöht die Arbeitslosigkeit. Die Verschärfung der fiskalpolitischen Disziplin ist Ausdruck einer geänderten Auffassung bezüglich der Rolle des Staates.
Die schrittweise Einengung der Spielräume für die Fiskalpolitik erleichtert die Durchsetzung eines schlankeren (Sozial-)Staates sowie einen kontinuierlichen Abbau von arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen.

3. Die Entwicklung der Budgeteinnahmen

Zweite Etappe der Steuerreform prägt die Entwicklung der Steuereinnahmen

Aus Übersicht 3 (»Einnahmen in ökonomischer Gliederung«) ist ersichtlich, dass die öffentlichen Abgaben im Jahr 2005 hinter jenen des Jahres 2004 -zurückbleiben. Das ist auf die zweite Etappe der Steuerreform zurückzuführen, die bereits im Frühjahr beschlossen wurde.

Die gesamten budgetären Auswirkungen der 2. Etappe der Steuerreform werden nach Berechnungen des Finanzministeriums bei 2351 Millionen Euro liegen. Auf die Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuersenkung entfallen im Jahr 2005 1,75 Milliarden Euro. Die volle Wirkung der Senkung des Körperschaftsteuersatzes und der neuen Gruppenbesteuerung wird erst nach 2005 eintreten. Durch die Steuerreform 2005 werden die Unternehmen doppelt so stark entlastet wie die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, obwohl sie und nicht die Unternehmen die Hauptlast der Sparpakete der letzten Jahre zu tragen hatten. Die Steuerreform wurde von der Arbeiterkammer wiederholt kritisiert, weil damit eine Chance für eine Stärkung der Massenkaufkraft und damit für die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen ausgelassen wurde und weil die Senkung des Körperschaftsteuersatzes wenig zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich beiträgt. Auch die Auswirkung auf die unternehmerische Investitionstätigkeit dürfte mittelfristig gering bleiben. Zudem fehlen dadurch die notwendigen Mittel für andere wichtige Aufgabenbereiche.

Eine andere Frage im Zusammenhang mit den Steuern betrifft die Frage nach der Qualität der Steuerschätzung. Hierbei zeigt sich ein alt bekanntes Muster, demzufolge die Lohnsteuereinnahmen unterschätzt, die Einnahmen aus Gewinnsteuern hingegen überschätzt werden.

Steuerquoten

Ein Blick auf die Entwicklung der Steuerquoten der letzten Jahre bringt die steuerpolitischen Prioritäten der Bundesregierung deutlich zum Ausdruck: die Steuern auf Kapital in % des BIP werden von 4,1% im Jahr 2000 auf 3,3% im Jahr 2005 sinken. Die Lohnsteuerquote steigt hingegen im gleichen Zeitraum geringfügig auf 7,0%. Die Umsatz- und Verbrauchssteuerquote zeigt im Zeitablauf nur geringe Schwankungen:

Zum Zeitpunkt der Vorlage des Budgetentwurfs waren die Finanzausgleichsverhandlungen, die über die Mittelverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden entscheiden, noch offen. Dem Budgetentwurf ist daher die geltende Rechtslage zugrunde gelegt. Da die Länder und Gemeinden die Steuersenkung 2004/05 in nicht unerheblichem Ausmaß mitfinanzieren müssen und zudem im Rahmen der Finanzierung der Krankenanstalten hohe und steigende Belastungen zu tragen haben, ist davon auszugehen, dass der Bund die Länder und Gemeinden finanziell entschädigen muss. Bedeutsam ist das vor allem für die Gemeinden, deren finanzielle Lage bereits bedenklich geworden ist. Je geringer die Zugeständnisse des Bundes sein werden, umso stärker werden die Gemeinden ihre Investitionen zurückschrauben müssen.

Ausverkauf soll weitergehen

Von besonderem Interesse sind in den letzten Jahren die sonstigen Einnahmen, die sich aus verschiedensten Komponenten ergeben. Darin befinden sich zahlreiche Einnahmen mit Einmaleffekt, die zu einer vorübergehenden Budgetentlastung beitragen. Im kommenden Budget 2005 spielen sie mit 1,2 Milliarden Euro eine sehr bedeutsame Rolle. 420 Millionen Euro davon kommen aus dem Verkauf von Vermögen des Bundes: Liegenschaften (darunter Kasernen) und Verkäufe der Beteiligungen an den Bundeswohngesellschaften. Die Erfahrungen der Vergangenheit lassen darauf schließen, dass auch die Sonderdividende der ÖIAG auf Beteiligungsveräußerungen zurückzuführen sein wird, budgetiert sind hier 250 Millionen Euro. 291 Millionen Euro stammen aus so genannten Abrechnungsresten aus dem Bundesbeitrag zur Pensionsversicherung bzw. aus der Ausgleichszulage, weitere 100 Millionen Euro von den Bundesforsten, deren Pensionsleistungen der Bund im Gegenzug übernommen hat.

B E G R I F F S E R K L Ä R U N G

Bruttoinlandsprodukt (BIP): Gesamtwert der im Inland in einem Jahr produzierten Sachgüter und Dienstleistungen; für das Jahr 2005 wird der Wert in Österreich auf ca. 241 Milliarden Euro geschätzt.

Finanzausgleich: Die Regelung der Verteilung der Staatseinnahmen auf die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden). Im Rahmen des Finanzausgleiches werden zwischen den unterschiedlichen Ebenen der Gebietskörperschaften entsprechend ihren Aufgaben die vorhandenen Geldmittel verteilt (vertikaler Finanzausgleich). Weiters werden die öffentlichen Einnahmen zwischen gleichrangigen Gebietskörperschaften verteilt, um einen regionalen Ausgleich zu erhalten (horizontaler Finanzausgleich).

Maastrichtkriterien/Konvergenzkriterien: Zielvorgaben für die Budgetpolitik für den Eintritt in die dritte Stufe der Währungs-union und in der Währungsunion selbst. Der Anteil der jährlichen staatlichen Neuverschuldung darf höchstens 3% des BIP sein (Maastrichtdefizit). Staatsschulden sollen maximal 60% des BIP betragen.

Staatsverschuldung: Kreditaufnahme des Staates bei Banken, privaten WertpapierbesitzerInnen im Ausland etc., für die Zinsen zu bezahlen sind.

Steuern, Gebühren, Beiträge: Steuern sind öffentliche Abgaben mit Zwangscharakter ohne spezielle Gegenleistung. Beiträge sind spezielle Abgaben, denen eine spezielle Gegenleistung gegenübersteht. Gebühren sind ebenfalls Abgaben, die als Entgelt für eine bestimmte Gegenleistung erhoben werden.

Budgetkonsolidierung: Darunter wird Budgetpolitik, die auf die Senkung des Budgetdefizits abzielt, verstanden. Mögliche Maßnahmen sind Steuererhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen.

Deregulierung: Ist die Zurücknahme staatlicher Regulierung, worunter Eingriffe des Staates zur Beseitigung von Marktverzerrungen oder zur Übernahme von Marktfunktionen bei fehlendem Markt verstanden werden können.

4. Wachstums- und Beschäftigungswirkung des Budgetentwurfs 2005

Trotz einer starken Ausweitung des Budgetdefizits sind die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Budgets 2005 nur als leicht expansiv einzuschätzen. Dies geht nicht auf die Ausgabenseite des Budgets zurück, weil im Bereich von öffentlichen Investitionen, Ausgaben für Wissenschaft, Bildung und Qualifizierung keine nennenswerten zusätzlichen Akzente gesetzt werden. Lediglich im Bereich der Familientransfers kommt es zu einer Mittelausweitung.

Die expansiven Effekte des Budgets kommen von der Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, allerdings sind die Wachstums- und Beschäftigungseffekte der Steuersenkung als relativ gering einzuschätzen. Infolge der Steuerreform 2005 sinken laut Angaben des Finanzministeriums die Steuereinnahmen um 1,75 Milliarden Euro (0,8% des BIP). Das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut erwartet zusammen mit der 1. Etappe der Steuersenkung einen expansiven Effekt auf das BIP im Ausmaß von weniger als 0,3%. Etwa die Hälfte der Erhöhung der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte in Folge der Senkung der Lohn- und Einkommensteuer geht kurzfristig in die Ersparnisse, und von der Ausweitung des Konsums entfallen etwa 30% auf Importgüter. Von der Senkung der Körperschaftsteuer kann kurzfristig kein merklicher Effekt auf Investitionen und BIP erwartet werden. Die geschätzte Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts aus der Steuersenkung dürfte mithin bei ca. 700 Millionen Euro liegen. Das entspricht einem Anstieg der Beschäftigung um etwa 5000 Personen. Damit dürften die 8000 Beschäftigten, die sich das Finanzministerium erhofft, zu optimistisch sein.

5. Verteilungswirkung
Wie vom Finanzminister selbst in der Budgetrede dargelegt, stellt ein Arbeitsplatz nach wie vor den besten Schutz vor Armut dar. Die geringen Beschäftigungseffekte haben daher unmittelbar direkten Einfluss auf die Verteilung der Einkommen in Österreich. Gleichzeitig gibt es auch in diesem Budget keine Maßnahmen zur Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit, was insbesondere im Hinblick auf Familienarmut ein wichtiger Beitrag zur Verteilungspolitik wäre.

In diesem Zusammenhang ist auch das Kinderbetreuungsgeld zu nennen - dieses setzt nicht nur falsche Anreize für die Frauenerwerbstätigkeit, es bestätigt sich auch jetzt im Vollausbau, dass die Schieflage im Familienlastenausgleichsfonds in der Belastung zwischen unselbständig Beschäftigten und selbständig Beschäftigten weiter zunimmt. Diese ungleiche Belastung von unselbständig gegenüber selbständig Beschäftigten findet sich ausgabenseitig auch im Anstieg des Bundesbeitrags zur Pensionsversicherung der Gewerbetreibenden, während derjenige für die Arbeiter und Angestellten sinkt.

Die massivsten Verteilungseffekte des Budgets 2005 gehen allerdings von der Steuerreform aus. Sie verstärkt in hohem Ausmaß den schon seit mehreren Jahren existierenden Trend der anteilig steigenden Belastung der unselbständigen Einkommen zugunsten der Gewinn- und Kapitaleinkommen.

1) Diese ausführliche Analyse der Bundesarbeitskammer zum Budgetentwurf 2005 ist auf der Internetseite der Arbeiterkammer zu finden: http://wien.arbeiterkammer.at/www-397-IP-17735.html

R E S Ü M E E

Der Budgetentwurf 2005 ist vor allem geprägt von der 2. Etappe der Steuersenkung. Die damit einhergehenden Steuerausfälle erhöhen das Budgetdefizit des Bundes nach Maastricht auf 2,3% des BIP. Für den Gesamtstaat soll das Maastricht-Defizit bei 1,9% des BIP liegen. Eine Reihe von Unsicherheiten wird den Budgetvollzug vor Probleme stellen. Dadurch ist die Erreichung der 1,9% unwahrscheinlich. Zu den wirtschaftlichen Risiken (hoher Ölpreis, Übertragung des Exportbooms auf Konsum und Investitionen) kommen einige selbstgemachte. Dazu gehören vor allem die Unterbudgetierungen im Personalbereich, insbesondere die fehlende Lohnrunde. Fraglich ist auch, ob die Länder die geforderten Budgetüberschüsse erbringen können. Das Erfordernis ausgeglichener Haushalte für die Gemeinden wird deren ohnehin angespannte Finanzlage verschärfen und zu einem weiteren Rückgang der Investitionen führen.

Die von der Steuersenkung ausgehenden Wachstums- und Beschäftigungseffekte sind bescheiden, weil der Schwerpunkt zu sehr auf die Entlastung der Kapitalgesellschaften gelegt wurde und zu wenig auf die Stärkung der Inlandsnachfrage, deren Schwäche das Hauptproblem der letzten Jahre war. Ausgabenseitig setzt der Budget-entwurf die Akzente auf die Bereiche Justiz, Inneres, Äußeres, Landesverteidigung und Familie. Die Zukunftsbereiche Bildung und Wissenschaft werden vernachlässigt. Aus beschäftigungspolitischer Sicht fehlen die Mittel für eine flächendeckende fachliche Ausbildung. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit ist die vorgesehene Kürzung der Planstellen verfehlt.

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Bruno Rossmann (Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaften der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1184842214609 Übersicht 1: »Wichtige Kennzahlen der Budgetentwicklung« http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1184842214617 Übersicht 2 zeigt die der Entwicklung »Ausgaben in ökonomischer Gliederung« http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1184842214630 »Einnahmen in ökonomischer Gliederung« http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214283 Kranke Gesundheitspolitik Seit Jahren schon werden die Österreicher mit Doppelbotschaften beglückt. Einerseits heißt es, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt, andererseits wird behauptet, dass wir uns dieses Gesundheitswesen finanziell nicht mehr leisten könnten. Um die Qualität zu halten, müssten Kosten eingespart, die Finanzierung auf neue Beine gestellt und schlanke Strukturen geschaffen werden. Kurz, es müsse eine »Gesundheitsreform« geben. Nach monatelanger Geheimniskrämerei legte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat im Sommer ihre Vorstellungen dazu in Form des Entwurfs zum Gesundheitsqualitätsgesetzes (GQG) vor. Die Umsetzung sollte demnach durch so genannte Gesundheitsagenturen erfolgen. Dieses Konzept wurde aber sowohl von Ärzten, als auch von Sozialversicherung und Spitalsträgern massiv abgelehnt. In einem Gegenvorschlag schlugen die Krankenkassen die Einrichtung von Gesundheitspartnerschaften vor. Schließlich wurde von der Ministerin die Idee der Gesundheitsagenturen durch Gesundheitsplattformen ersetzt, gleichzeitig aber betont, am Kern der Gesundheitsreform, die bis Jahresende 2004 beschlossen und mit 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll, festzuhalten: Liberalisierung des Gesundheitssektors, um vor dem Hintergrund der Kostenexplosion eine Kostensenkung und eine Effizienzsteigerung zu erreichen.

Steht unser Gesundheitssystem wirklich vor dem Kollaps? Sind die von der Regierung dafür eingesetzten Mittel und Wege auch die tauglichen?

Größter Non-Profit-Bereich

Die Gesundheitsversorgung ist derzeit Teil der gesetzlichen Sozialversicherung (SV). Dabei ist jeder versichert, ob Arbeiter, Angestellter, Bauer, Selbständiger, ob Kind oder Jugendlicher, ob erwerbslos oder in Pension - in Summe fast 8 Millionen Menschen. Insgesamt sind in der Sozialversicherung rund 28.000 Beschäftigte tätig, davon über 11.000 als Arbeiter, Verwaltungs-, Pflege- und ärztliches Personal im Bereich der eigenen Spitäler, Ambulatorien und Rehabilitationszentren. Das Budget der Sozialversicherung beträgt 36,4 Milliarden Euro und fließt zu 97% (knapp 3% macht der Verwaltungsaufwand aus) zurück in Leistungen für die Versicherten. Profit wird in der gesetzlichen, sozialen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung - absichtlich und im Interesse der Versicherten - keiner gemacht. Die Sozialversicherung ist der größte Non-Profit-Bereich Österreichs. Ihr Budget, das zu 80% von Arbeitern, Angestellten und Pensionisten und zu 20% von Selbständigen, Bauern und Freiberuflern finanziert wird, ist das zweitgrößte nach dem des Bundes.

Die Gesundheitsausgaben belaufen sich jährlich auf 15,6 Milliarden Euro. Geben wir wirklich zuviel für unser Gesundheitssystem aus? Der World Health Report der UNO-Weltgesundheitsorganisation WHO zeigt: Während in Österreich die Gesundheitsausgaben des angeblich so »kranken« und »ineffizienten« sozialen Systems an die 8% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, sind es in den USA, wo das Gesundheitswesen weitgehend privatisiert ist, rund 14%, also fast das Doppelte. Anders ausgedrückt, betragen die Gesundheitskosten pro Einwohner und Jahr in den USA 4600 Dollar, in der Schweiz 2500 Dollar, in Deutschland 2300 Dollar und in Österreich nur 1700 Dollar.1)

Trotz Unkenrufen

Auch im stationären Krankenhausbereich liegt Österreich trotz aller Unkenrufe und tatsächlich noch möglichen Effektivitätssteigerungen im internationalen Vergleich gut: Die durchschnittlichen Krankenhauskosten pro Fall betragen in Österreich 3049 Euro, in Deutschland 3434 Euro, in der Schweiz 7799 Euro und in den USA sogar 9200 Euro. Überdies hat Österreich den Kostenanteil des stationären Bereichs an den Gesundheitsausgaben von 1998 bis 2002 um fast 5% gesenkt.2)

Sicher, die Kosten für die Gesundheit sind in den letzten Jahren gestiegen. Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien kommt aber zum Schluss, dass es weniger eine Kostenexplosion, dafür aber eine Einnahmenerosion im Gesundheitsbereich gibt.3) So sind die Gesundheitsausgaben zwischen 1997 und 2001 gemessen als Anteil am BIP von 7,6% auf 7,3% gesunken. Gleichzeitig gibt es seit einigen Jahren Finanzierungsprobleme. So haben die Krankenkassen seit fünf Jahren ständig ein Defizit, obwohl die Verwaltungs- und Personalausgaben gesenkt wurden. Die Hauptursache des Defizits liegt in den gesunkenen Beitragseinnahmen als Folge der steigenden Arbeitslosigkeit. Das beweisen die Zahlen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger: Denn während im Zeitraum von 1993 bis 2003 das BIP und die Ausgaben für Kassenleistungen um 31,4% bzw. 31,9% anstiegen, nahmen die Lohn- und Gehaltssumme und die Beitragseinnahmen der Krankenversicherung nur um 23,9% bzw. 26,3% zu. Nach Berechnungen der AK sind in den letzten 10 Jahren rund 100.000 Arbeitsplätze verlorengegangen, bis 2006 werden weitere 110.000 Menschen arbeitslos sein. Dies schlägt sich negativ, das heißt rückläufig auf die Beitragsentwicklung der Sozialversicherung nieder, umso mehr als die Regierung seit 2001 einfach die Beiträge für die Arbeitslosen gedeckelt hat.

Bemessungsgrundlage

Die Krankenkassen schreiben derzeit in Summe ein Minus von rund 220 Millionen Euro im Jahr. Wenn nichts passiert, wird dieses bis 2007 auf ca. 560 Millionen Euro ansteigen. Schlimm? Natürlich. Es wird ja medial nur davon geredet. Nicht geredet wird davon, wo und wie dem Gesundheitssystem Milliarden, nicht Millionen, an Euro mutwillig vorenthalten bzw. entzogen werden.

Völlig anders könnte das Beitragsaufkommen aussehen, wenn die Wertschöpfung als Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Das heißt, wenn Arbeitgeberbeiträge, Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Steuern und andere betriebliche Aufwendungen, also der Faktor Kapital, als Beitragsbasis für Sozialleistungen zur Verfügung stehen. Nach Hochrechnungen der Autoren der WU-Studie zur zukünftigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens gäbe es im Jahr 2004 ein geschätztes Potenzial für eine Wertschöpfungsgrundlage von 173 Milliarden bis 198 Milliarden -Euro.

Eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage (derzeit bei 3450 Euro im Monat) in der Krankenversicherungen für alle Berufsgruppen würde brutto etwas mehr als 1 Milliarde Euro jährliche Mehreinnahmen für die Kassen bedeuten. Betroffen wären davon 6% der unselbständig Beschäftigten und 17% der Selbständigen. Weiters 15% der Beamten, 12% der Angestellten, 2% der Pensionisten und nicht einmal 1% der Arbeiter.

Medikamente

Ein Fünftel der Kosten der Krankenkassen, 2200 Millionen Euro, verursachen die Medikamente. In diesem Sektor, in dem die Pharmaindustrie und die Apotheken ihre Leistungen anbieten, sind in den letzen Jahren die höchsten Kostensteigerungen zu verzeichnen gewesen. Zwischen 1990 und 2000 stiegen die Aufwendungen für Medikamente um 130%, zwischen 1994 und 2003 noch immer um fast 90%. Kostet ein patentgeschütztes Medikament im Schnitt 18 Euro, so beträgt der Preis für gleichwertige Nachbaupräparate, sogenannte Generika, bloß die Hälfte. Während in der BRD bereits 54% der eingesetzten Medikamente Generika sind, hält Österreich erst bei einem Anteil von 11%. Nimmt man das deutsche Niveau als Maßstab, dann schlummert hier noch ein kräftiges Einsparpotential.

Mit Schuld am Defizit der Krankenkassen sind die Zahlungsrückstände der Unternehmer. So sind im Jahr 2003 die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen bereits auf 897,2 Millionen Euro angewachsen.4)

Seit 2001 bis 2004 wurden für die verschiedensten Budgetmaßnahmen zur Erreichung des »Null-Defizits« der Krankenversicherung Geld in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro entzogen. Nächstes Jahr werden es in Summe bereits 1,82 Milliarden Euro sein.5)

Finanzielle Aushungerung

Statt für die Bereitstellung der erforderlichen Gelder zu sorgen, beschreitet die Regierung bewusst den Weg der weiteren finanziellen Aushungerung der Kassen. Nicht zufällig fordert sie im gleichen Atemzug, dass »zur Finanzierung der Kassen« Selbstbehalte von bis zu 20% eingeführt werden sollen. Das Defizit der Kassen wird zum Anlass genommen, eine »Reform« zu verlangen.

Das Konzept von Ministerin Maria Rauch-Kallat zur »Gesundheitsreform« sieht im Kern Folgendes vor: Im Gesundheitsbereich sollen in Zukunft Anbieter und Zahler von Gesundheitsleistungen getrennt werden. Finanziers bzw. Nachfrager von Gesundheitsleistungen sind die Sozialversicherung, die Länder und Gemeinden sowie die Patienten (über Selbstbehalte). Als Anbieter im Gesundheitsbereich gelten die niedergelassenen Ärzte, die Sozialversicherung in den eigenen Einrichtungen (Ambulatorien, Unfallkrankenhäuser, Rehabilitationszentren, Hanuschkrankenhaus) sowie die Länder und Gemeinden in den von ihnen betriebenen Spitälern. Nach dem Plan der Regierung sollen auf Landes- und Bundesebene angesiedelte Gesundheitsagenturen oder Gesundheitsplattformen zum Zweck der »Finanzierung aus einer Hand« über den Einsatz der Geldmittel des Gesundheitswesens bestimmen. Gesundheitseinrichtungen der Sozialversicherung aber auch Teile oder ganze Bezirkskrankenhäuser sollen in privatwirtschaftliche Betreibergesellschaften ausgelagert werden.6)

Hans Sallmutter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten und früherer Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, befürchtet, dass »mit der Reform das Gesundheitssystem und vor allem die Sozialversicherung der Privatisierung und dem Profitdenken geöffnet wird. Das würde das Ende des Sozialstaates und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung bedeuten«.7)

Das ist alles andere als unbegründet, lässt doch Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ganz offen ihre Sympathie für die privaten Gesundheitsanbieter erkennen: »Es ist klar, dass die Spitäler weiter die Grundversorgung bieten werden, aber manche Bezirkskrankenhäuser werden künftig nicht mehr alle Leistungen bringen können. Ziel ist es, die vielen Spitalstage der Österreicher zu reduzieren. Im aktuellen System werden tagesklinische Einrichtungen bestraft, obwohl sie in vielen Bereichen gleichwertige Behandlungen gegenüber den Spitälern ermöglichen. Mit der Gesundheitsreform nehmen wir da einen Paradigmenwechsel vor«.8)

Und die Privathaie warten schon: Vamed, Humanomed, Helios, Sana, Synermed oder HCC Krabag sind die Namen. Helios und Sana sind deutsche Klinikgruppen, hinter Vamed steckt der deutsche Fresenius-Konzern. Humanomed, dessen Chef ein enger Berater der Gesundheitsministerin ist, kooperiert mit der Baufirma Porr in Spitalsprojekten. Hinter Synermed steckt Billa-Chef Veit Schalle, hinter HCC Krabag der Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner, der mit Raiffeisen und dem Gesundheits-ökonom Christian Köck Spitäler übernehmen will.9)

Privatisierung nicht notwendig

Doch weder aus Kostengründen noch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Privatisierung des Gesundheitsmarktes oder die Ausgliederung und letztlich Privatisierung von Einrichtungen der Sozialversicherung notwendig. Ja es besteht sogar die begründete Befürchtung, dass dadurch Qualität und Quantität des Leistungsangebotes sinkt, weil z. B. Geld für die Marktbearbeitung durch Werbung statt für Leistungen ausgegeben wird. Beispiele aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem zum Teil oder fast gänzlich privatisiert wurde wie in Großbritannien oder in den USA belegen dies. So ist etwa »Kaiser Permanente« mit rund neun Millionen Versicherten der größte Gesundheitskonzern der USA. Seit der Liberalisierung Anfang der Neunzigerjahre ist das Werbebudget von 8,2 Millionen auf 62 Millionen Dollar gestiegen. Um den Differenzbeitrag hätten laut Berechnungen der Autoren von »Schwarzbuch Privatisierung« z. B. rund 450 Menschenleben gerettet werden können.10)

Der Grund für die Probleme bei einer Liberalisierung des Gesundheitsmarktes liegt vor allem darin, dass dieser kein echter Markt ist. So kann sich der Patient ja nicht aussuchen, wann er krank wird und sich dann die erforderliche Leistung aussuchen. Der Patient braucht Hilfe, wenn er krank wird. So haben die Anbieter ein Quasimonopol. »Es gibt keine unabhängige Nachfrage«, analysiert Georg Ziniel, Leiter der Abteilung Vertragsbeziehungen bei der Wiener Gebietskrankenkasse: »In aller Regel sind Konsumenten von Gesundheitsleistungen nicht in der Lage, eine informierte Entscheidung zu treffen. Es ist der Arzt, der auf der Grundlage seiner Fachkenntnisse und im Rahmen qualitätssichernder gesetzlicher Vorgaben über die Art und den Umfang der angebrachten Behandlung entscheidet. Diese Besonderheit im Gesundheitswesen, auch als asymmetrische Information bezeichnet, begründet den Marktfehler der angebotsgesteuerten Nachfrage«.

Fehlende Gesundheitsziele

Massiv wird die Gesundheitsreform von der »Arbeitsgemeinschaft der Krankenversicherungsträger der Unselbständigen«, ARGE KV, kritisiert: Im Regierungsentwurf sind keine Gesundheitsziele vorgesehen. Die Sozialversicherung soll die Mittel aufbringen, jedoch weder Eigentümer sein noch Mehrheitsrechte inne haben. Die Trennung von Zahler und Entscheider führt zu mehr Ineffizienz, weil die finanzielle Verantwortung und die tatsächlichen Steuerungsmöglichkeiten noch weiter auseinander fallen. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen wird weiter zersplittert und schafft zusätzliche Schnittstellenprobleme, anstatt welche zu lösen. Die Finanzierungsfragen wurden ausgespart. Die Sozialversicherungen sollen wiederum Millionenbeträge abliefern, aber gleichzeitig das unveränderte Leistungsrecht und alle geltenden Verträge voll weiterfinanzieren.

Die Rechnung zahlen die Versicherten: Unter anderem sieht das ASVG ab 1. 1. 2005 eine Verordnung des Hauptverbandes über generelle Selbstbehalte beim Arzt und in Ambulanzen vor. Das Projekt Gesundheitsagenturen führt zu mehr Staatsverwaltung statt Selbstverwaltung, zu einer Verstaatlichung des Gesundheitswesens, ohne dass der Staat auch tatsächlich die Verantwortung dafür übernehmen will. Das Regierungsmodell birgt die Gefahr einer Enteignung der Krankenkassen und damit der Versichertengemeinschaft.

Enteignung der Versicherten

Als Alternative stellt die ARGE KV ein Modell der Gesundheitspartnerschaft auf Länderebene vor: »Alle Akteure des Gesundheitswesens sollen nach festgelegten Spielregeln gemeinsam zu Entscheidungen kommen, wie definierte Gesundheitsziele erreicht werden können. Das Modell berücksichtigt nicht nur alle Finanziers, sondern auch die Leistungserbringer. Eine zentrale Rolle spielt das so genannte Steuerungsgremium. Eine unabhängige Qualitätssicherung sowie eine Patientenbeteiligung auf lokaler Ebene sind ebenfalls vorgesehen. Ein wesentlicher Vorteil des von der ARGE KV vorgelegten Kooperationsmodells ist es, dass die Vorteile sofort lukriert werden können und dass generell Win-Win-Situationen angestrebt werden«.11)

Wegen der Pläne zur »Gesundheitsreform« greifen die Beschäftigen der Sozialversicherung zur Selbsthilfe. Auf der Konferenz der BetriebsrätInnen der österreichischen Gebietskrankenkassen Anfang Oktober drückten deren neun Vorsitzende in einer Resolution an AK und ÖGB ihre Befürchtung aus, dass von der Bundesregierung die Sozialversicherung ausgehöhlt bzw. zerschlagen und damit eine Errungenschaft der Gewerkschaftsbewegung zerstört wird. Und sie fordern im Hinblick auf die Ergebnisse der ÖGB-Urabstimmung, bei der sich 95% der Mitglieder für die Erhaltung der Sozialversicherung ausgesprochen haben, befriedigende Antworten und das Recht auf Unterstützung und Beistand ein.

Kampfmaßnahmen beschlossen

In der am 3. November von den Gewerkschaften HTV und GPA abgehaltenen Betriebsrätekonferenz Sozialversicherung, an der 600 Betriebsräte teilnahmen, wurden für den Fall von Ausgliederungen eigener SV-Einrichtungen einstimmig gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen beschlossen: »Sollte bei der Gesundheitsreform 2005 die Ausgliederung der eigenen Einrichtungen in private Betreibergesellschaften umgesetzt werden, beschließt die BR-Konferenz im Rahmen von Betriebsversammlungen präventiv die Umsetzung von gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen. Wir fordern den ÖGB auf, die von ÖGB und Arbeiterkammern entsandten VersichertenvertreterInnen (Selbstverwaltung) anzuweisen, sich gegen die Ausgliederung und Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen der Sozialversicherung auszusprechen und zu positionieren.«

Zur Unterstützung der Beschäftigten und zur Aufklärung darüber, dass die »Gesundheitsreform« nicht nur die Beschäftigten in der Sozialversicherung, sondern alle Versicherten betrifft, hat sich die Betriebsräteplattform »proSV - Keine Zerschlagung der Sozialversicherung« gebildet, die österreichweit Unterschriften sammelt (erhältlich unter: proSV@akis.at). Für Wolfgang Gratzer, Zentralbetriebsratsvorsitzender der AUVA, Bundesvorsitzender der Gesundheitsberufe der GPA und Unterstützer der Plattform proSV, ist klar, worauf die Gesundheitsreform der Regierung hinauslaufen soll und warum der Hauptverband der Sozialversicherungsträger in eine absolute ÖVP- und Unternehmermehrheit umgefärbt wurde. Er nennt dafür ein Beispiel: »Während bei Billa vor kurzem bekannt wurde, dass der Konzern durch seine Beschäftigungspolitik der Sozialversicherung seit Jahren große Beitragssummen vorenthält, gibt es gleichzeitig von Billa-Chef Veit Schalle Vorhaben, mit seiner Krankenhausfirma Synermed Einrichtungen der Sozialversicherung zu übernehmen. Wir wollen jedenfalls nicht, dass unsere hochwertigen und korrekt geführten Gesundheitseinrichtungen zu Billa-Filialen werden.«


Worum es letztlich geht, bringt Hans Sallmutter auf den Punkt: »Der riesige Kuchen, den die Ausgaben der gesetzlichen Sozialversicherung aus Sicht der privaten Wirtschaft darstellen, ist für sie eine riesige Verlockung, um die sie kämpft.«

Positionen von AK und ÖGB

Die AK verlangt: Mehr Qualität im Gesundheitssystem, keine Zweiklassenmedizin, das heißt keine neuen Selbstbehalte. Der gleiche Zugang zur Gesundheitsversorgung muss erhalten bleiben. Rückgabe des Geldes, dass die Regierung den Krankenkassen in den letzten Jahre weggenommen hat. Sicherung der Finanzierung des Gesundheitswesens unter anderem durch Senkung der Medikamentenkosten, wertschöpfungsorientierte Maßnahmen, Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage, Zweckbindung von Alkohol- und Tabaksteuer, Bekämpfung der organisierten Schwarzarbeit, weil dadurch der Sozialversicherung hunderte Millionen Euro entgehen. Abbau von Doppelgleisigkeiten im Gesundheitssystem sowie eine gezielte Politik zur Gesundheitsvorbeugung.

Für den ÖGB entsprechen die von der Regierung geplanten Gesundheitsagenturen weder der Verfassung noch dem Gedanken der Selbstverwaltung. Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB: »Wenn Verhandlungen darauf hinauslaufen, dass es zu einer bestimmten Steuerung des Angebots von Gesundheitsleistungen und damit zu mehr Qualität für die Bevölkerung kommt, dann sind die Sozialpartner immer gesprächsbereit.«

1) OECD, Statistik Austria, siehe www.who.int/whr/2002/whr2002_annex5.pdf
2) OECD Health Data, 2003
3) I. Zechmeister, J. Meichenitsch: Analyse und Empfehlungen zur zukünftigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, WU-Wien, Feber 2004
4) "Wirtschaftsblatt", 31. März 2004
5) AK Wien, Helmut Ivansits, Abteilung Sozialversicherung und Gesundheitspolitik
6) Entwurf - Bundesgesetz zur Qualität von Gesundheitsleistungen (Gesundheitsqualitätsgesetz - GQG)
7) Hans Sallmutter, Vorsitzender der GPA, auf der Betriebsrätekonferenz der Beschäftigten der Sozialversicherung, 3. November 2004
8) Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat auf der Veranstaltung »Was darf Gesundheit kosten?«, siehe »Presse«, 6. November 2004
9) »Wirtschaftsblatt«, 20. März und 5. November 2004
10) Michael Reimon, Christian Felber: Schwarzbuch Privatisierung - Was opfern wir dem freien Markt?, Wien 2003
11) Positionspapier der ARGE KV: Partnerschaft statt Diktat,
4. Oktober 2004

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Wilfried Leisch (Freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1184842214259 Hier wäre jeder Streik gerechtfertigt | <br /> Siegfried Sorz spricht mit Franz Bittner Arbeit&Wirtschaft: Kollege Franz Bittner, ich frage dich als Obmann der Wiener Gebietskrankenkassa. Wie ist das mit der Gesundheitsreform, die ja im Jänner 2006 und teilweise schon 2005 in Kraft treten soll? Die Inhalte sind ja bekannt. Zum Beispiel Brillen werden nicht mehr bezahlt. Oder nur in Ausnahmefällen. Das trifft ja wirklich alle und das ist angeblich die größte Leistungskürzung seit 1945?
Franz Bittner: Grundsätzlich, was die Brillen betrifft, ist es die größte Leistungskürzung seit 1945. Aber das gesamte Paket, das die Bundesregierung als »Gesundheitsreform« bezeichnet, ist im Großen und Ganzen eine Mogelpackung. Die Bundesregierung hat versucht, über den Finanzausgleich 300 Millionen Euro zusätzlich in das System zu bringen. Es wurde angedacht, diese 300 Millionen zu teilen: 150 für die Länder und damit für die Spitäler und 150 für die Krankenversicherung. Herausgekommen ist dann, dass die Länder 160 Millionen bekommen und die Krankenversicherungen 130. Diese 130 Millionen sind ein Tropfen auf dem heißen Stein. Weil die Krankenversicherung spätestens 2006 insgesamt einen Abgang von rund 600 Millionen Euro haben wird. Und das ist nicht kumuliert. Kumuliert wäre der Betrag wesentlich höher.

Wäre es dann nicht gerechter, wenn man eine Erhöhung des Beitrags überhaupt machen würde, statt diese Selbstbehalte?
Gehen wir das einmal im Detail durch. Die Bundesregierung hat einen richtigen Schritt in die richtige Richtung gesetzt. Nämlich die Erhöhung des Beitrages um ein Zehntelprozent. Der zweite richtige Schritt, aber gänzlich ungenügend, ist die Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage um 90 Euro. Ich hätte mir vorgestellt, dass man hier die Höchstbeitragsgrundlage wesentlich mehr erhöhen könnte. Meine Vorstellungswelt liegt bei 4000 Euro und nicht bei 3540.

Wie derzeit?
Wie derzeit, mit der Erhöhung inkludiert. Das würde ein zusätzliches Einnahmenpotential von über 180 Millionen Euro bringen und würde nur die sechs Prozent der Topverdiener in Österreich betreffen. Das hätte dazu geführt, dass die unteren Einkommensschichten, der Mittelstand, aber vor allem die Unternehmungen nicht zusätzlich belastet worden wären. Der dritte Bereich wäre eine Senkung der Rezeptgebühr bei den Generika. Das hat man wieder verworfen. Hat die Rezeptgebühr nur valorisiert und hat sich dann, man kann es fast als Bösartigkeit bezeichnen, etwas einfallen lassen und hat gesagt, 35 Millionen Euro von den 130 Millionen, das sind 27 Prozent der Gesamtsumme, müssen in etwa 470.000 Versicherte - das sind 6% aller Krankenversicherten - aufbringen. Das ist nämlich genau die Zahl jener Österreicherinnen und Österreicher, die aufgrund einer Augenerkrankung den medizinischen Behelf einer Brille oder Kontaktlinsen benötigen.

Was ist so eine Augenkrankheit?
Zum Beispiel Menschen, die an einem grauen Star erkrankt sind, oder eine Makuladegeneration haben. Menschen, die Augenfehler haben. Also Personen die aus medizinischen Gründen eine Bifokalbrille oder Brillen mit besonders hoher Dioptrienzahl oder Kontaktlinsen benötigen. Diese Menschen sollten jetzt, wenn es nach der Bundesregierung geht, sämtliche Kosten von Brillen, Fassungen und Kontaktlinsen tragen. Und das ist natürlich eine extreme Schwächung der Sozialversicherung allgemein. Weil grundsätzlich zahlt der Versicherte einen Versicherungsbeitrag, damit er, wenn er erkrankt, die notwendige medizinische Versorgung bekommt, sei das die Rehabilitation, sei das die Wiederherstellung der Gesundheit in einem Krankenhaus oder beim niedergelassenen Arzt. So muss man die Brille betrachten.

Ich habe gehört, dass Regierungsmitglieder nur irgendwas von Designerbrillen gesagt haben. Aber die sind ja sowieso nie bezahlt worden?
Die Designerbrille ist eine absolut dumme Worthülse von Menschen, die anscheinend sehr weit abgehoben sind von den normalen Bedürfnissen der Bevölkerung. Was sind das für Menschen? Man kann davon ausgehen, nehmen wir eine Arbeiterin mit 600 Euro Durchschnitts-pension, die jetzt eine Bifokalbrille benötigt. Die braucht die Bifokalbrille alle drei Jahre. Eine Bifokalbrille kostet in etwa mit einer Krankenkassenfassung 116 Euro, und derzeit zahlt die Krankenkassa aufgrund der gesetzlichen Bestimmung in etwa 96 Euro hinzu. Also weit über 86% der Gesamtkosten. Jetzt kann man sich dann in etwa vorstellen, wie es Menschen geht, die einen Betrag von 20% ihres Monatseinkommens für eine Brille ausgeben müssen, wo vorher die Krankenversicherung 86% der Kosten getragen hat. Bei der Brille muss man noch folgendes bedenken: Es sollen 35 Millionen Euro von 6% der Versicherten aufgebracht werden, indem man praktisch diesen Versicherten eine Leistung der Krankenversicherung nicht mehr bezahlt. Das ist, in der Verhältnismäßigkeit gedacht, extrem ungerecht.

So ungerecht wie die Besteuerung der Unfallrentner.
Fast noch mehr. Wir haben eine Studie, das ist vielleicht nicht uninteressant, vom Prof. Clemens Vass von der Universitätsklinik in Wien. Der errechnet hat, wenn nur zehn Prozent der Personen mit grünem Star nicht mehr zum Augenarzt gehen, weil sie der Meinung sind, ich bekomm sowieso keine Leistung und ich geh zum Optiker und lass mir eine neue Brille anmessen, dann bedeutet das, dass es innerhalb von zehn Jahren zusätzlich 1000 Erblindungen geben wird. Plus zusätzlich 3000 schwerst sehbehinderte Menschen. Wir haben es hier also mit einem gänzlichen gesundheitspolitischen Fehlverhalten dieser Bundesregierung zu tun. Einerseits sagt die Bundesregierung zu Recht, wir wollen in den Gesundenuntersuchungen Menschen ab 65 regelmäßig auf Augenerkrankungen untersuchen. Und andererseits verhindert die Bundesregierung mit dieser Maßnahme, dass Menschen in dem Alter oder auch davor zum Augenarzt gehen. Das ist ein Widerspruch in sich.

Ich spare schon. Weil wenn meine Mutter Brillen braucht, werde ich sie zahlen müssen …
Das Problem ist, dass ja viele Menschen, weil sie eine neue Brille benötigen, den Augenarzt aufsuchen. Und wenn die nicht mehr den Augenarzt aufsuchen, sondern gleich den Optiker, kann der Optiker unter Umständen nicht feststellen, dass bereits Erkrankungen vorliegen, die der Betroffene nicht erkennt. Viele Augenkrankheiten schmerzen nicht. Der Augenarzt erkennt in der Untersuchung Folge- und Begleiterkrankungen: Glaukom, Diabetes etc. Optiker können das nicht diagnostizieren, weil ihnen die Ausbildung dazu fehlt. Das ist eines der großen Probleme, die wir haben. Daher sind die Ärztekammern und die Sozialversicherung, aus medizinischen Gründen, aus sozialen Gründen und aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gegen diese Maßnahme.

Was die finanzielle Situation betrifft: Wie ist das jetzt mit den Beitragsrückständen der Unternehmer? Sind das billige Darlehen, die sie da kriegen? Könnte man das nicht von der Seite aus anpacken?
Teilweise sind das billige Darlehen. Wobei man sagen muss, die billigen Darlehen werden irgendwann bezahlt. Da könnte man den Prozentsatz erhöhen. Damit es praktisch zu keinem billigen Darlehen kommt. Viel problematischer ist in der Zwischenzeit eine organisierte Kriminalität im Bereich von Hinterziehung von Sozialversicherungsabgaben. In einem großen Ausmaß im Baugewerbe und in einem geringeren Ausmaß in der Gastronomie.

Schwarzarbeit!
Die Schwarzarbeit. Hier haben wir es zum Teil mit organisierter Kriminalität zu tun. Wo ganz bewusst kriminelle Machenschaften eingesetzt werden, um Sozialversicherungsbeiträge von Mitarbeitern zu hinterziehen.

Es sind ja nicht die Schwarzarbeiter, die sind Opfer, es sind die Schwarzunternehmer. Es hat den Anschein, man will überhaupt systematisch die Krankenversicherung als Teil der Sozialversicherung zerschlagen. Weils um diesen riesigen Kuchen geht für die Privatwirtschaft: Das Geschäft mit der Gesundheit.
Man kann jetzt schon festhalten, dass die gesamten Gesundheitskosten in Österreich zwischen 7,6 und 7,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen. Wenn man sich das im Detail ansieht, dann sieht man, dass die öffentlichen Ausgaben in etwa 5,4 Prozent ausmachen und die Differenz auf 7,6 der private Bereich ist. Der private Bereich steigt seit über zehn Jahren. Das heißt, der öffentliche Bereich finanziert von den gesamten Gesundheitsausgaben der Österreicherinnen und Österreicher immer weniger und der private Anteil steigt. Die Bundesregierung versucht ja auch, öffentliche Gesundheitsdienstleister den Privaten rüber zu schieben. Da denkt man an die Diskussion »Public Private Partnership«. Nicht, dass ich grundsätzlich dagegen wäre, aber es sind Bereiche, wo man zum Beispiel die Meinung vertritt, ein Privater, der ein Rehabzentrum betreibt, würde grundsätzlich kostengünstiger sein. Also das würde ich einmal bestreiten. Da wir als Non-Profit-Organisationen ja keine Gewinne machen müssen und dürfen.

Würde man heute die Rehabeinrichtungen der Unfallversicherungsanstalt oder der Pensionsversicherungsanstalt privatisieren, bin ich überzeugt, dass die Leistung und die Qualität der Rehabeinrichtungen für den Betroffenen abnimmt, weil die Privaten logischerweise Gewinne machen müssen.

Die Sozialversicherung hat nur drei Prozent Verwaltungsaufwand?
Insgesamt haben wir in der Sozialversicherung drei Prozent Verwaltungsaufwand. Im Krankenversicherungsbereich liegen wir sogar darunter. Da liegen wir zwischen 2,6 und 2,8.

Letzten Endes frage ich dich ganz vertrauensvoll oder auch hilflos: Wie wird es weitergehen? Wie werden unsere Rückzugsgefechte da weiter stattfinden?
Man muss schon optimistisch sein! Ich gehe einmal davon aus, dass die Österreicherinnen und Österreicher sich das auf Dauer nicht gefallen lassen, dass es so tiefe Einschnitte gibt in das Sozialsystem, seien das jetzt die so genannten »Pensionsharmonisierungen« oder die Kürzungen im Gesundheitswesen. Es wird irgendwann auch einen Wahltag geben, wo sich die Österreicherinnen und Österreicher entscheiden müssen: Wollen sie weiter in einem Wohlfahrtsstaat leben - und soll er auch zukünftig fair und gerecht finanziert werden? In Österreich haben wir eine Situation wo die Reichen reicher werden und die Ärmeren ärmer. Inzwischen wird auch der Mittelstand ärmer. Also das ist eine Auseinandersetzung, die bei Wahlen stattfindet. Man kann nur hoffen, dass eine so neoliberale Regierung wie die derzeitige bei den Wahlen einen Denkzettel bekommt. Das Finanzierungsproblem liegt nicht innerhalb des Gesundheitswesens, sondern außerhalb. Die Arbeitsmarktlage verändert sich so rasant, dass die Menschen bei gleicher Tätigkeit weniger verdienen. Denken wir nur an die ganze Flexibilisierungsdebatte, die wir derzeit haben. Die Menschen sollen die gleiche Leistung erbringen mit Überstunden. Aber die Überstunden möchte man ihnen nicht mehr bezahlen. Das bedeutet schlussendlich, dass weniger Geld in die Sozialversicherung kommt. All das führt zur Aushöhlung des Wohlfahrtsstaates. Das müssen wir den Menschen auch mitteilen können.

Was ist das mit dem Arbeitszeitgesetz, wo sie die KVs irgendwie aushebeln wollen?
Die Diskussion, die jetzt in Österreich beginnt, von Seiten der Wirtschaft wie auch der Politik, ist die, dass im derzeitigen Arbeitszeitgesetz ein Durchrechnungszeitrum von 52 Wochen möglich ist. Aber immer nur dann, wenn der zuständige Kollektivvertrag das auch vorsieht.
Wenn die Bundesregierung ein Gesetz beschließt, in dem der Passus, dass der Kollektivvertrag das auch vorsehen muss, rausfällt, dann haben wir die Diskussion am Arbeitsplatz. Das bedeutet, dass die Unternehmungen oder die Geschäftsführer, die Vorstände, direkt mit ihren Betriebsräten Arbeitszeitvereinbarungen abschließen können. Mit 52 Wochen Durchrechnungszeitraum.

Das wollen sie! Das wäre eine extreme Schwächung!
So ist es. Die Bundesregierung ist am besten Weg dorthin, das auch umzusetzen. Die Signale, die wir bekommen, gehen in diese Richtung. Und das bedeutet schlussendlich einen massiven Eingriff in das Kerngeschäft der Gewerkschaften selbst.
Das können sich Gewerkschaften ganz einfach nicht gefallen lassen. Hier wäre aus meiner Sicht jeder Streik und jede Länge eines Streiks gerechtfertigt.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745941037 Inhalt Ausgabe Jänner 2004  

SCHWERPUNKT:

AK: Schutzhaus für die Tiroler ArbeitnehmerInnen
A&W-Gespräch mit Fritz Dinkhauser, Präsident der Arbeiterkammer Tirol

Mein Ziel: Zusatzpensionen für alle Arbeitnehmer
A&W-Gespräch mit Josef Fink, Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg

HINTERGRUND:

Heiliger Geldwert
Deutschland und Frankreich werden den Stabilitätspakt der EU nicht einhalten. Nach den Regeln der Verträge müssten sie dafür von den Organen der Union bestraft werden.

Studium und Arbeit unter Druck
Studierenden-Sozialerhebung: Der Bericht zur sozialen Lage der Studierenden zeigt: Immer weniger Studierende können sich ohne Job ein Studium leisten. Mit den Studiengebühren wurde für viele eine zusätzliche Bildungsbarriere geschaffen.

Kapital in der Krise?
Wie gut geht es den Unternehmen? Glaubt man den bekannten Klagen, leiden sie an zu wenig Eigenkapital. Daraus werden Forderungen nach weiteren steuerlichen Begünstigungen oder Zurückhaltung bei Lohnforderungen abgeleitet.

Österreich kann von Suomi lernen
Unter dem Motto »Kokemus on kansallista pääomaa - Erfahrung ist ein gemeinsamer Wert« brachte Finnland ein nationales Aktionsprogramm für ältere ArbeitnehmerInnen zum Erfolg.

MEINUNGEN

Standpunkt

A&W Leserforum

Februar 1934 und die österreiche Diktatur

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

Interreg III - Brücken zur Zukunft

Konsumentenberatung online

Behinderte: Kündigungsschutz

GESELLSCHAFTSPOLITIK

AK Projekt gegen Verschuldung von Haushalten

»Clevere 40+« Hilfe für Frauen

Altersarbeitslosigkeit

INTERNATIONALES

Türkei: Arbeitnehmerrechte in Gefahr

Der Think-Tank des EGB

2. Europäisches Sozialforum

KULTUR - BILDUNG - MEDIEN

Zur Politischen Ökonomie Lateinamerikas (Buch)

Das neue Schwarzbuch Markenfirmen

Man kann nicht alles wissen

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

Verbraucherpreise

OECD: Hoffnung auf globalen Aufschwung

 

VORSCHAU FEBRUAR

In der Februarausgabe der »Arbeit&Wirtschaft« finden Sie unter anderen A&W-Gespräche mit dem Präsidenten der Arbeiterkammer Oberösterreich, Johann Kalliauer, sowie Alfred Schreiner, dem Präsidenten der Arbeiterkammer Burgenland und dem Präsidenten der Arbeiterkammer Steiermark, Walter Rotschädl.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745941018 Inhalt Ausgabe Februar 2004 SCHWERPUNKT:

    Übergangsfristen nur sinnvoll wenn die Zeit genützt wird
    Siegfried Sorz spricht mit Johann Kalliauer, Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich

    Der Lkw-Fahrer ist für uns kein Praktikant
    Siegfried Sorz spricht mit Alfred Schreiner, Präsident der Arbeiterkammer Burgenland

    Die Rekordzahl an Arbeitslosen wird unter den Teppich gekehrt
    Stephan Hilbert spricht mit Walter Rotschädl, Präsident der Arbeiterkammer Steiermark

HINTERGRUND:

    War die KöSt wirklich zu hoch?
    Seit Anfang Jänner ist es fix. Die Bundesregierung freut sich über den »großen Wurf«. Die Einigung der Koalition über die Steuerreform 2005 wurde erzielt. Die Körperschaftsteuer wurde gesenkt. Und was ist die Reform wirklich?

    Neoliberale Rosskur?
    Strategien nach Parmalat & ENRON: Der Thatcherismus wird wieder propagiert. Doch Management-Skandale setzen dem Ruf des neoliberalen Modells zu. Neue Handlungsfelder für Interessenvertreter ergeben sich.

    Arbeitszeit nach Maß
    Auch wenn heute die Sozialpartnerschaft vielfach für überholt erklärt wird, gibt es nachweisbar kräftige Lebenszeichen und Erfolge dieser Institution.

    MacPrison und Coca-Cola-Schulen
    Beobachter der Sozialpolitik in der USA zeichnen zumeist ein düsteres Bild: Die Sozialleistungen werden heruntergefahren. Trotzdem wird der Sozialstaat als »Staat der harten Faust« verteufelt. Ein Beispiel für Europa?

MEINUNGEN:

    Standpunkt

    A&W Leserforum

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN:

    Lehrlinge: Freiwild der Unternehmer?

    Mietzinsreserve: Plünderung durch Vermieter abgestellt

    Jugendliche: Kein Engagement ohne Mitbestimmung

    Sozialstaat: In die Verfassung!

    Hol dir dein Geld zurück!

    Arbeitnehmerveranlagung

    Steuer Sparen

    Teilzeit, geringfügig, Lehre: Geld vom Finanzamt

    Turbulenzen in der AUA

GESELLSCHAFTSPOLITIK:

    Arbeitsplätze: Kommission prüft

INTERNATIONALES:

    Schweiz: Globalisierung anders

    Amerika: Kleine schaffen Arbeitsplätze

    Kambodscha: Tod beim Zeitunglesen

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

KULTUR - BILDUNG - MEDIEN

    Man kann nicht alles wissen

    Bildungsmesse

    

Vorschau auf das Märzheft
Neben Interviews mit dem Präsidenten der AK Kärnten, Günther Goach, und mit dem Präsidenten der AK Niederösterreich, Josef Staudinger, bringen wir in der Märzausgabe von »Arbeit&Wirtschaft« unter anderem einen Beitrag von Kurt Rothschild, Professor emeritus der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Linz mit dem Titel »Der diskrete Charme des Neoliberalismus«. Weitere Beiträge befassen sich mit den Themen »E-Learning« und »Europäische Betriebsräte«.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940990 Inhalt Ausgabe März 2004 SCHWERPUNKT:

    Lohnfortzahlung - unbemerkt gekappt
    Siegfried Sorz spricht mit Günter Goach, Präsident der Arbeiterkammer Kärnten

    Etwas tun und nicht nur reden
    Siegfried Sorz spricht mit Josef Staudinger, Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich

HINTERGRUND:

    Der diskrete Charme des Neoliberalismus
    Wir sind noch weit von einem einheitlichen Europa entfernt. Sollte sich Europa demnächst einigen, bestünde die Gefahr eines einheitlichen neoliberalen Europa.

    Von der Ohnmacht zur Mitgestaltung
    Wie müssen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften agieren, um den Belegschaften in den Konzernzentralen mehr Gehör zu verschaffen? Welche Ziele lassen sich überhaupt noch realisieren? Einige Europabetriebsräte konnten gravierende Einschnitte von den Beschäftigten abwenden.

    Virtuelle Seminare
    Seit Februar 2004 gibt es auch beim ÖGB E-Learning. Es eröffnet sowohl der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit als auch jedem Einzelnen völlig neue Möglichkeiten, sich zu qualifizieren.

    Lissabon-Bericht: Mäßiges Zeugnis
    Der Frühjahrsbericht der Europäischen Kommission zur Überprüfung der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fortschritte zeigt, dass die EU von den ehrgeizigen Lissabon-Zielsetzungen weit entfernt ist.

MEINUNGEN:

    Standpunkt

    A&W Leserforum

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN:

    Senkung der KöSt: Plumpe Ausrede

    Pendler: AK fordert Entlastung

    Bildung: Lernen via Internet

    Pflegeberufe statt unbezahlte Arbeit

    Kindergeldrechner: Hilfe gegen Unrecht

GESELLSCHAFTSPOLITIK:

    Konsumenten: Virtuelller AK-Ratgeber

    Frauentag: Frauen haben Recht(e)

    Generika: Billige Pillen?

INTERNATIONALES:

    EU-Präsidentschaft: Herausforderung für Irland

    Europäischer Sozialfonds: Nachdenkpause

    Haiti: Kinderarbeit und Repression

    Mexiko: Billigjeans, bedrohte Rechte

KULTUR - BILDUNG - MEDIEN

    Joseph Roth: Die Filiale der Hölle auf Erden (Buch)

    Naom Chomsky: The Attack (Buch)

    Berufsbildung: Jobfabrik

    Man kann nicht alles wissen

    

VORSCHAU APRIL
Im Aprilheft von »Arbeit&Wirtschaft« bringen wir unter anderem ein Interview mit dem Präsidenten der Arbeiterkammer Herbert Tumpel.

»Die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 2004« ist ein Bericht, den die Arbeiterkammer in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags alle 4 bis 5 Jahre erstellt. Der letzte Bericht erschien 1999. Somit ist dieser Bericht von besonderem Interesse, erfasst er doch die Tätigkeit der Anfang 2000 gebildeten Bundesregierung. Günther Chaloupek fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.

Nachdem das Ausrechnen der Steuer auf einem Bierdeckel zum Witz der Nation geworden ist, machen wir den Versuch, die wichtigsten Punkte der »Steuerreform 2005« darzustellen (Autor: Otto Farny).

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940921 Inhalt Ausgabe April 2004 SCHWERPUNKT:

    Meine Forderung: Schafft endlich Arbeit!
    Das aktuelle Interview mit Herbert Tumpel, Präsident der Arbeiterkammer Wien

    Die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich 2004
    In Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrages, »die wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu vertreten und zu fördern« (§ 1 des AK-Gesetzes), wird in einem Arbeiterkammer-Wahljahr Bilanz über die Entwicklung in den wichtigsten Bereichen seit den letzten AK-Wahlen gezogen.

HINTERGRUND:

    Umverteilung zum Unternehmer
    Steuerreform 2005: Ein Bierdeckel solle dem Bürger künftig zum Ausrechnen seiner Steuern reichen. Halbe-halbe würden die Belastungen unter allen aufgeteilt, sagt die Regierung. Die Reform bevorzugt jedoch eindeutig die Unternehmer.

    Pensionsreform: Hoch bezahlt in die Notstandshilfe
    Mehrfacher Vertrauensbruch: Von 2500 Euro netto auf 990 Euro Notstandshilfe. Zum finanziellen Abstieg kommt große Wut über die Ungerechtigkeiten nach einem langen Arbeitsleben.

    Lügenkampagne zu den Pensionen?
    Die »Pensionsreform 2003« sorgt für Empörung. Je länger die Versicherungszeit, desto höher die Sofortkürzung. 46 Jahre Versicherungsjahre, mit 61,5 in Pension, 10 Prozent Pensionskürzung - und das lebenslang! Mit jedem Tag werden jetzt mehr solche Fälle bekannt.

MEINUNGEN:

    Standpunkt

    A&W Leserforum

    Krankenkassen: Aufhebung

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN:

    Gesundheitswerbung: Strenge Regeln erforderlich

    Arbeitslose: Massiver Kaufkraftverlust

    Industriechemikalien: Konsumenten die Opfer?

    AK und ÖGB Burgenland: 13,8 Millionen Euro erstritten

    Lebensbegleitendes Lernen: Österreich in Verzug

GESELLSCHAFTSPOLITIK:

    Information für Wohnungs-, Haus- oder Grundstückskäufer

    EU-Beitritt: Kooperation über die Grenzen

    Rechtschreibreform: Liberale Schreibe ab 1. August 2005

    Eine neue Verfassung für Österreich: Mission Impossible?

INTERNATIONALES:

    Olympiade: Saubere Spiele

    Wien/Brüssel: 52 Prozent stark EU-interessiert

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

    

VORSCHAU MAI
In der Mai-Ausgabe von »Arbeit&Wirtschaft« bringen wir unter anderem ein Gespräch mit Harald Ettl, Gewerkschaftsvertreter im EU-Parlament in Brüssel.

»Fünf Jahre schwarz-blaue Budgetpolitik« heißt eine Analyse von Bruno Rossmann.

Ein Beitrag von Thomas Delapina beschäftigt sich mit dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Forderung nach einer Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik der EU.

Weitere Themen sind unter anderem »Diversity Management« und neue EU-Richtlinien zum Arbeitnehmerschutz.

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Fri, 15 Jun 2007 10:12:24 +0200 1181745940901 Inhalt Ausgabe Mai 2004 SCHWERPUNKT:

    Das wäre ein fataler Fehler
    Interview mit Harald Ettl

HINTERGRUND:

    Vier Jahre schwarz-blaue Budgetpolitik
    ArbeitnehmerInnen zahlen die Zeche: Fünf Budgets hat die schwarz-blaue Koalitionsregierung bereits vorgelegt, das Doppelbudget für die Jahre 2005/2006 ist in Vorbereitung.

    EWSA für neue EU-Wirtschaftspolitik
    Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) übt harsche Kritik an der erfolglosen europäischen Wirtschaftspolitik und fordert eine grundsätzliche Neuorientierung.

    Wie weiter mit dem Gesundheitswesen?
    VfGH-Urteil hebt Ausgleichsfonds auf: Das Problem der Finanzierung ist wieder höchst aktuell. Regierung plant Gesundheitsagenturen, die aber nur der Zerschlagung der Selbstverwaltung dienen. Wir brauchen nachhaltige Lösungen!

    Stress statt Transmissionsriemen
    Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit - die europäische Perspektive. Gefahr am Arbeitsplatz bedeutete einst Lebensgefahr durch Räder und Transmissionsriemen. Heute drohen auch Stress, Mobbing und Schäden der Wirbelsäule. Neue Wege im Arbeitnehmerschutz.

    Zehn Jahre freies Südafrika
    Erste Erfolge im Kampf um Gleichberechtigung: Welche Perspektiven zeigen sich für dieses Land? Wie steht es um die Wirtschaft, um den Prozess der gesellschaftlichen Umgestaltung?

MEINUNGEN:

    Standpunkt

    A&W Leserforum

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN:

    Wasserprivatisierung bringt Nachteile

    Recht für Schüler auf Förderunterricht

    Sozialdienste neu geordnet

    Rechtsanspruch statt Gnadenakt

    Gewerkschaft Bau-Holz: Mit neuer Homepage online

GESELLSCHAFTSPOLITIK:

    Öffentliches Auftragswesen: Der Kompromiss

    Biometrie und Überwachung

INTERNATIONALES:

    Europäischer Sozialfonds (ESF)

    Deutschland: 42-Stunden-Woche

    Ungarn: Die Armen werden immer ärmer

    Maghreb: Gewerkschaften für Frauen

    Türkei: Streik verboten

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

KULTUR BILDUNG MEDIEN

    Boltanski/Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus (Buch)

    Horst Siebert:

    Kobra Effekt (Buch)

    Frederick Mayer: Weisheit der Gefühle (Buch)

VORSCHAU JUNI
In der Juni-Ausgabe von »Arbeit&Wirtschaft« bringen wir unter anderem einen ausführlichen Beitrag des Experten Georg Ziniel zu unserem Gesudheitssystem.
Ein weiterer Beitrag von Sylvia Angelo und Norbert Templ befasst sich mit der »Lissabon-Strategie: Ein Gipfel macht noch keinen Frühling«.
»Das verborgene Gold im Unternehmen« sind laut Autorin Ingrid Reifinger ältere Arbeitnehmerinnen.
Mit der »Altenpflege« und letztlich der Zukunft von uns allen befasst sich ein Beitrag von Agnes Streissler.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940887 Inhalt Ausgabe Juni 2004 SCHWERPUNKT:

    Argumente zur Gesundheitspolitik
    Die Neuordnung der Krankenkassen-Finanzierung wurde verpfuscht. Der Scherbenhaufen könnte teuer werden. Die Flucht nach vorn (»Gesundheitsagenturen«) droht im nächsten Fiasko zu enden. Besser wäre es, die Finanzierung und die Organisation des Gesundheitssystems am Bedarf der Bevölkerung auszurichten.

    Kein Geld für die Kassen?
    In der Diskussion um die Finanzierung des Gesundheitssystems wird ein wichtiger Umstand geflissentlich übersehen: Den Gebietskrankenkassen entgehen Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro, weil Arbeitgeber die gesetzlichen Versicherungsbeiträge nicht oder nicht fristgerecht abführen.

    Selbstbehalte: Härten ohne Effekt
    Die Kärntner Gebietskrankenkasse (KGKK) legte eine Selbstbehalteanalyse vor, die erhärtet, was die Regierung nicht wahr haben will: Selbstbehalte bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenversicherung würden zwar für viele Kranke den Zugang zur medizinischen Versorgung erschweren, hätten aber nur einen geringen Lenkungseffekt.

    Geriatrische Langzeitpflege in Österreich
    Versucht man in Österreich sich privat gegen das Risiko zu versichern, im Alter ein teurer Pflegefall zu werden, so findet man nur sehr wenige Angebote, und diese enden mit dem 80. Lebensjahr. Das Risiko der Pflege ist offensichtlich für Privatversicherungen nicht lukrativ.

HINTERGRUND:

    Ein Gipfel macht noch keinen Frühling
    Was bleibt von der Lissabon-Strategie nach vier Jahren und kurz vor der ersten Halbzeit. Warum ist Wirtschaftspolitik in der EU derzeit kaum ein Thema?

    Vielfalt als Chance!
    Wer wünscht sich nicht eine Schulung, die perfekt den eigenen und den Bedürfnissen des Unternehmens entspricht? In der Alt und Jung, Männer und Frauen aus Österreich und dem Ausland, gut und weniger gut Ausgebildete teilnehmen können?

    Ecuador: Armut, Kinderarbeit und Gewalt
    Ist das Land auf dem Weg zur »Kolumbianisierung«, auf dem Weg zur blutigen Lösung von gesellschaftlichen Konflikten? Gewerkschaften hoffen auf die internationale Öffentlichkeit.

MEINUNGEN

    Standpunkt

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    AK Wahlen

    Studiengebühren: Rücküberweisung an die Studierenden

    Schwarzunternehmertum: Bloß schwarze Schafe?

    Patientenrechte: AK bietet faire Alternative

    Wohnungsmakler: Informationsqualität sehr mangelhaft

    EU-Beitrittsländer: Achtung beim Autokauf

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Europäisches Gesellschaftsmodell: »Kampf voll entbrannt«

    ver.di und IG-Metall: Gewerkschaft kein Parteiersatz

    ILO sieht Hoffnungsschimmer

    Gegen Stress am Arbeitsplatz

    Beschäftigung durch Kinderbetreuung (A. Streissler)

    Laufbahnberatung: Karriere statt Barriere

    E-Commerce: Verbraucherberatung warnt

INTERNATIONALES

    Vereinigte Staaten: Unterwegs zum Polizeistaat?

    ver.di: Schwere Vorwürfe gegen Diskontketten

    EU braucht mehr Zuwanderer

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

KULTUR BILDUNG MEDIEN

    Konsument Extra: Wohnen ohne Gift (Buch)

    Die Armutskonferenz: Pflicht zum Risiko? (Buch)

    Handbuch Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (Buch)

    Es war die Frau (Buch)

    Man kann nicht alles wissen

 

VORSCHAU JULI/AUGUST

In der Doppelnummer Juli/August bringen wir unter anderem eine ausführliche Analyse der Ergebnisse der Arbeiterkammerwahlen 2004.
Weitere Themen sind die »Jugendbeschäftigung«, der Bericht über eine Delegation von Betriebsräten in ein Land der Dritten Welt »Lokalaugenschein in Mexiko« sowie ein Beitrag über »Ältere Arbeitnehmer«.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940867 Inhalt Ausgabe Juli/August 2004 SCHWERPUNKT: Jugendbeschäftigung

    Jugend ohne Chance?
    Rund 45.000 Jugendliche von 15 bis 24 Jahren sind arbeitslos, 14.000 Lehrstellen fehlen. Seit 2000 ist die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen um über 40 % gestiegen, die Lehrstellenlücke hat sich mehr als verdoppelt.

    Hoffnungsfall
    Interview mit ÖGB-Jugendsekretär
    Mario Lindner

HINTERGRUND:

    AK Wahlen 2004: Ein Erfolg starker Interessenvertretung
    Aus den AK Wahlen gingen die Arbeiterkammern gestärkt hervor: Die Bindung der Mitglieder an ihre Interessenvertretung
    wurde klar demonstriert, der politische Kurs bestätigt.

    Der Betriebsrat der Zukunft
    Betriebsräte in High-Tech- und Telekom-Unternehmen spürten sie zuerst: Die Entfremdung zwischen ihnen und der Belegschaft. Die alte Rolle als Schützer erworbener Rechte hat offenbar ausgedient.

    Das verborgene Gold im Unternehmen
    Ältere ArbeitnehmerInnen: In Österreich habe die Älteren im Betrieb nichts zu lachen. Anstatt Förderungen gibt es Diskriminierung.

MEINUNGEN

    Standpunkt

    Was geht das die Gewerkschaften an?

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Arbeitnehmer als Freiwild

    45 Millionen Euro gehortet

    Doppelzüngigkeit der Regierung

    Reparaturnetzwerk Österreich

    Insolvenzfonds gefährdet Arbeitsplätze

    Tagesschulen in der Steiermark

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Vaterschaftsurlaub

    Auschwitz-Überlebende

INTERNATIONALES

    Bildungsreise in ein globalisiertes Land: Lokalaugenschein in Mexiko

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

KULTUR BILDUNG MEDIEN

    Kurt W. Rothschild: Die politischen Visionen großer Ökonomen (Buch)

    Bärbel Kerber: Die Arbeitsfalle - und wie man sein Leben zurückgewinnt (Buch)

    Claudia Brunner, Uwe von Seltmann:
    Schweigen die Täter, reden die Enkel (Buch)

    Erwin Wabnegger: »Feindbild« Lehrer (Buch)

    Günther Chaloupek et al:
    Österreichische Industriegeschichte (Buch)

    Graham Lord: Leider sehen wir uns
    gezwungen, Ihnen mitzuteilen ... (Buch)

 

VORSCHAU

Für Herbst sind in der »Arbeit&Wirtschaft« einige Themen und Schwerpunkte geplant: Zur Beschäftigungslage beziehungsweise zur Arbeitslosigkeit, zur so genannten atypischen Beschäftigung, zum Sozialstaat und seiner Funktion oder seiner Demontage und dem Widerstand dagegen. Daneben versuchen wir laufend, alle Themen zu erfassen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffen.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940837 Inhalt Ausgabe September 2004 SCHWERPUNKT: Arbeitslohn

    Lohnsenkung durch die Hintertür
    Zur aktuellen Debatte um eine Verlängerung der Arbeitszeit: Für den gesunden Hausverstand ist die Debatte um die Arbeitszeitverlängerung eine Zumutung. Um so mehr warnt der Experte der AK Günther Chaloupek, der die logischen Fehler dieser Forderungen im einzelnen nachweist und zu erhöhter Wachsamkeit aufruft.

    Gesetzlicher Mindestlohn, Fluch oder Segen?
    Die Frage nach dem angemessenen, dem gerechten Lohn beschäftigt Wirtschaftstheoretiker, Sozialreformer, Gewerkschafter und Politiker seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Somit ist die Diskussion um Sinn und Unsinn von Mindest-löhnen nichts Neues.»Welcher Lohn ist angemessen,« fragt Autor Karl Klein.

HINTERGRUND:

    Vier Jahre schwarz-blaue Sozialpolitik
    Ein Schaustück in zwei Akten: Nahezu fünf Jahre sind seit dem Amtsantritt der »Wenderegierung« von ÖVP und FPÖ
    vergangen. Was hat sich in dieser Zeit in der Sozialpolitik verändert? Was kann aus Sicht einer Arbeitnehmerinteressens-vertretung positiv eingeschätzt werden und was lehnen wir grundsätzlich ab?

    Pensionsreform: Nicht genügend! Setzen!
    Das Ziel, alle unterschiedlichen Pensionsmodelle zu vereinheitlichen, blieb auch nach einem Jahr intensiver Verhandlungen in weiter Ferne. Am 12. Juli scheiterten die Verhandlungen zwischen Regierung und Sozialpartnern endgültig.

    »Wir werden nichts unversucht lassen!«
    A&W-Gespräch mit Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB.

MEINUNGEN

    Standpunkt

    Gumplmaier: Vergleichende Gedanken

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTE

    Schwarzunternehmer: Regierung ist säumig

    Bauarbeiter: Sommer, Sonne, Arbeitsleid

    Liberalisierung: Mehr Privat - weniger Jobs

    Jugendverschuldung: Verschwenderische Jugend?

    Pendler: Schnuppertickets für Staugeplagte

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Vaterschutzmonat: Oh, mein Papa

    Schattenseiten der Allroundfahrzeuge

    Abnehmen tut nur die Brieftasche

    Ist der Kunde noch König?

INTERNATIONALES

    Ungarn: Gewerkschaft für Arbeitnehmerschutz

    Ungarn: Gegen Ost-West-Arbeitslosigkeit

    Türkei: Prozess gegen Gewerkschaft

    Japan: Neue Strategien

    WTO-Liberalisierungsrunde wird fortgesetzt

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

REDAKTION INTERN

    Ein Abschied und ein Neubeginn

VORSCHAU

Im Oktoberheft von »Arbeit&Wirtschaft« bringen wir unter anderem einen Beitrag zur Frage »Ist der Sozialstaat noch zu retten?«, in dem untersucht wird, ob es tatsächlich keine Alternative zu Budgetkonsolidierung und Sparkurs gibt. Ein weiterer Beitrag setzt sich mit den Unterschieden in der Sozialpolitik der europäischen Länder und der USA auseinander: »Armutsfalle oder Zukunftschance?« Weitere Themen sind atypische Beschäftigung und Probleme der Gesundheitspolitik.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940806 Inhalt Ausgabe Oktober 2004 SCHWERPUNKT: Verteilungsgerechtigkeit

    Europa der Märkte oder der Menschen?
    Ein anderes Europa ist möglich, nicht nur im Sinne der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch deswegen, weil private Investitionen nicht nur von Profitmargen, sondern auch von der Aussicht auf künftige Gewinne abhängen: Wenn die Kaufkraft nicht stimmt, wird nicht investiert!

    Kommentar: Verteilungsgerechtigkeit
    und Umverteilungsoptionen in Österreich

    Ist der Sozialstaat noch zu retten?
    Wenn in Medien und Politik über die Finanzierung von Sozialleistungen und Arbeitsrecht diskutiert wird, geht es meistens nur darum, wo, was und wie viel eingespart werden muss. Gibt es tatsächlich keine Alternativen zu Budgetkonsolidierung und Sparkurs?

    Die Einkommensunterschiede weiten sich aus
    A&W-Gespräch mit Renate Lehner, Zentralsekretärin der Gewerkschaft HGPD und Vizepräsidentin der AK Wien

    Ökonomie der flexiblen Arbeit
    Eine Million Arbeitnehmer sind betroffen, trotzdem weiß die Öffentlichkeit viel zu wenig darüber. Es bedarf der Solidarität der -regulär Beschäftigten, auch weil sonst immer mehr in diese Form der »Flexibilität« gezwungen werden.

    Sozialpolitik in den USA: Armutsfalle oder Zukunftschance?
    Im November finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Anlass, sich einmal wieder mit den Unterschieden zwischen -Europa und den USA auseinander zu setzen.

HINTERGRUND:

    Pensionsharmonisierung
    Fragen und Antworten: Ein Auszug aus einer hochaktuellen Übersicht
    dieser »Reform«, die uns leider alle betrifft.

MEINUNGEN

    Standpunkt

    Leserforum

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Kinderbetreuung: »Müttergeld« kein Ausweg

    Ladenöffnung: Bilanz zum Liberalisierung

    Krankenkassenfinanzierung: Besserverdiener bevorzugt

    Organisierter Sozialbetrug: Kein Kavaliersdelikt

    Schon jetzt oft 45-Stunden-Woche

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Pensionsharmonisierung: Frauenschicksal arm im Alter?

INTERNATIONALES

    EU: Die neue Kommission

    Vladimir Spidla

    Nach Ostland wollen sie reiten

    Brasilien: Sklavenarbeit

    Europa: Jugendarbeitslosigkeit

    EU-Ratspräsidentschaft

    Wandernde Arbeitnehmer

    Nicaragua: Parmalat

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

    

VORSCHAU

»Arbeit&Wirtschaft« bringt im Novemberheft unter anderem einen Beitrag zur Diskriminierung am Arbeitsplatz »Ohne Unterschied!«, ein Interview mit Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Privatangestellten und Vizepräsidentin der Arbeiterkammer Wien. Weitere Beiträge befassen sich mit dem österreichischen Sozialsystem, mit »harmonisierten« Pensionen und mit Problemen der Gesundheitspolitik.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745940752 Inhalt Ausgabe November 2004 SCHWERPUNKT:

    Gewerkschaften gehören bekämpft und zerschlagen
    Vom Angriff der neoliberalen Denker wie von Hayek, Friedmann und Kompanie auf die organisierte ArbeiterInnenbewegung: Ein kurzer Rundblick auf herrschende Ideologien und fehlende Antworten darauf.

HINTERGRUND:

    Geheimwissenschaft und Denksportaufgabe
    Die Pensions-»Harmonisierung« bringt weitere und zusätzliche Kürzungen, von Harmonie (gleiche Leistung bei gleichen Beiträgen) ist keine Spur. Die Pensionsberechnung selbst wird bizarr kompliziert.

    Fast alle haben gewonnen
    Eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung des EU-Beitritts für Österreich.

    »Ohne Unterschied!«
    Gleichbehandlung wird gesetzlich garantiert: Diskriminierung am Arbeitsplatz wegen des Alters, der Religion, der Weltanschauung, der ethnischen Zugehörigkeit oder der sexuellen Orientierung ist in Österreich seit 1. Juli 2004 gesetzlich verboten.

    Das gesellschaftspolitische Diskussionsforum
    Ein Netzwerk initiiert von Arbeiterkammer und dem Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB).

    Matura, was jetzt?
    Für rund 38.000 Jugendliche, die heuer maturiert haben, stellt sich spätestens zu Beginn dieses Wintersemesters die Frage der konkreten Studien- oder Berufswahl. Eine aktuelle Studie der AK Wien belegt: Die Vorbereitung an den Schulen für diese zentrale Weichenstellung ist viel zu oft mangelhaft.

MEINUNGEN

    Standpunkt

    Leserforum

    Kommentar: Mehr Arbeit - weniger Lohn?

    Kommentar: Brauchen wir eine Hochbegabtenförderung?

    Kommentar: Finanzausgleich

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    ÖGB-Beratungszentrum: Erweitertes Angebot

    Stromfresser: Teure Stand-by-Funktionen

    Gesundheitsreform: Unfallkrankenhäuser privatisieren

    Sinkende Krankenstände: Werden wir immer gesünder?

    Geldüberweisungen: Von langer Dauer

INTERNATIONALES

    Costa Rica: Wachsende Unruhe im Tropenparadies

    Interview: »Das Wort Gewerkschaft ist ein Synonym für Entlassung«

    Ungarn: Durchschnittslohn 550 Euro

    ver.di gegen weitere Liberalisierung: Es fehlt Geld - nicht Zeit

    Warnung der ILO: Korruption könnte bald Alltag werden

    Alarmierende Studie: Managementfehler kosten 74 Arbeitstage

GESELLSCHAFTSPOLITIK

        Berufskrankheiten: Frauen allergisch, Männer taub

        Ethik, Konsum und die Wirtschaft

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

    

VORSCHAU

In den kommenden Ausgaben von »Arbeit&Wirtschaft« finden Sie unter anderem ausführliche Hintergrundinformationen zu folgenden Themen: Budget bzw. zum »Bundesvoranschlagsentwurf 2005«, Steuern bzw. den »Steuerwettbewerb nach unten«, die Stromversorgung in Österreich, die »Chicago Boys«, Arbeitnehmerschutz und Gesundheitssystem. Ergänzt werden die Beiträge durch aktuelle Interviews.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745939937 Inhalt Ausgabe Dezember 2004 SCHWERPUNKT GESUNDHEIT:

    Hier wäre jeder Streik gerechtfertigt
    Wir müssen uns entscheiden, sagt Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkassa und Vorsitzender der Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier: Wollen wir weiter in einem Wohlfahrtsstaat leben?

    Kranke Gesundheitspolitik
    82 Prozent der Bevölkerung befürchten nach einer Imas-Umfrage einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Die Regierung tut alles, diese Ängste zu schüren.

HINTERGRUND:

    Bundesvoranschlag: Entwurf 2005
    Budgetanalyse: Zu geringe Impulse für Wachstum und Beschäftigung, während die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau ist.

    Steuerwettbewerb nach unten
    Der Autor erklärt die Tricks und Ausreden der Konservativen, die sich mit allen Mitteln davor drücken, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Solidarität zu leisten. Neben der Ausrede Budgetdefizit und dem Standortschmäh ist dies die Steuerspirale.

    Wettbewerb nach unten
    Die Europäische Kommission hat einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der Dienstleistungen im Binnenmarkt grundlegend neu regeln soll. Der Vorschlag birgt Sprengstoff für die Beschäftigten im Dienstleistungssektor, aber auch für die Konsumenten.

    Ist Österreichs Stromversorgung gesichert?
    Durch Liberalisierungen und Privatisierungen der Energiemärkte ist die Stromversorgung gefährdet, wenn nicht rasch Maßnahmen ergriffen werden, sagt eine Studie der Arbeiterkammer.

MEINUNGEN

    Standpunkt
    Leserforum
    Kommentar von Herbert Tumpel:
          Die Arbeitnehmer brauchen eine starke AK
    Kommentar: Arbeiterkammern und Demokratie
    Kommentar: Durchschaubare Hintergründe

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Budgetdefizit: Unternehmen profitieren
    EU-Verfassung: ÖGB für Volksabstimmung
    Atypisch Beschäftigte: 100.000 ohne vollen Schutz
    Lehrlingsclubbing: Es geht auch anders
    Schülerbeihilfen: Sparen am falschen Platz

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Fußball: Fair Play. Viele Farben. Ein Spiel
    Bildung: Kein Geld - kaum Bildung
    Arbeitszeit: Aushebelung des Arbeitszeitlimits

INTERNATIONALES

    Brasilien: Essen für alle eine Utopie?
    Weltverbände: Zusammenschluss
    Norwegen: Vorbild mit Vorbehalt

BÜCHER

    Betriebsräte: Management des Wandels
    Schmarotzer und Privilegienritter
    Gesund am Arbeitsplatz

INFORMATION

    Johann Kalliauer: Chancen auf faire und gerechte Pensionen vertan!

VORSCHAU

In den kommenden Ausgaben bringen wir unter anderem Beiträge über Teilzeitarbeit, über die Zustände an unseren Universitäten, über Gewalt gegen Frauen, über Arbeitsunfälle, über die Wirtschaftsprognose der OECD,sowie ein Interview mit Renate Czeskleba, Leiterin der Abteilung Humanisierung, Technologie und Umwelt im ÖGB.

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