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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745934295 Unternehmensübernahmen - Veränderte Standorte, geforderte Betriebsräte und verunsicherte Beschäftigte Vodafone übernimmt Mannesmann!, ›T-Mobile übernimmt telering!‹, ›Siemens übernimmt VA-Tech!‹ - das sind alles medienwirksame Meldungen der letzten Jahre bzw. Monate, an die man sich sicher noch erinnern kann. Übernahmen und Fusionen sind eben oft spektakulär und werden daher stärker wahrgenommen als andere Umstrukturierungsaktivitäten.«

Mit diesen Worten eröffnete Agnes Streissler, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien, im November 2005 einen Workshop, der sich mit den Auswirkungen von Übernahmen auf die übernommenen Unternehmen, deren Belegschaften und den Standort Österreich befasste. Belegschaftsvertretungen und Interessierte diskutierten dabei mit Wissenschaftern und Betroffenen. Ausgangspunkt des Workshops war eine von der AK Wien in Auftrag gegebene Studie wien.arbeiterkammer.at  die anhand von sieben Fallbeispielen diese Fragen analysierte. Wie Agnes Streissler in ihrem Einleitungsreferat weiter ausführte, finden Umstrukturierungen in Unternehmen allerdings nicht nur durch Übernahmen statt, sondern noch viel häufiger durch Outsourcing, Ausgliederung, Rationalisierung, Organisationsveränderung, Verlagerung, etc. Viel seltener wird von solchen tagtäglichen Umstrukturierungen in der Öffentlichkeit groß berichtet.

Die wichtigsten Fragen, die sich für ArbeitnehmerInnenvertretungen bei Fusionen und Übernahmen stellen, betreffen die Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich und damit auf die Beschäftigten in Österreich. In diesem Zusammenhang verfolgt die AK seit Jahren sehr kritisch auch die Privatisierungspolitik der Regierung, da diese auf standortpolitische Überlegungen wenig Rücksicht nimmt, sondern - vor allem um Budgetlöcher zu stopfen - im Eiltempo die verbleibenden Staatsanteile verkauft.

Mode?

Warum kommt es überhaupt zu Übernahmen von Unternehmen? Sinnvollerweise dann, wenn tatsächlich strategische Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung von Unternehmen diesen Schluss nahelegen (Markterweiterungen, sich ergänzende Unternehmensschwerpunkte, Wissensverstärkung, Nutzung von Größenvorteilen, ...). Nur allzu häufig kann man sich aber nicht des Eindrucks erwehren, dass Übernahmeaktivitäten von Managements dazu benutzt werden, um Umsätze aufzublähen und damit Wachstumsprobleme zu verstecken, oder auch um schlicht und einfach das übergroße Ego mancher Manager zu befriedigen, die sich gern tagelang als Stars in den Medien sehen wollen.

Darüber hinaus gibt es natürlich auch gewisse Modeströmungen und Nachahmungseffekte. Im Blickpunkt des kurzfristigen Medieninteresses steht dann meistens, wie sich die kurzfristigen Aktienkurse entwickeln, welche Sparte bald weiter verkauft wird oder wie der neue Vorstandsvorsitzende heißen wird.

Wie sich langfristig die Entwicklung darstellt und welche Konsequenzen es für die Beschäftigung gibt, dringt kaum ins Bewusstsein der öffentlichen Berichterstattung - da sich das mitunter ja erst nach Jahren zeigt.

Betrachtet man die Entwicklung der Zahl von Übernahmen, so sieht man, dass diese in der Vergangenheit - und besonders in den letzten 25 Jahren - stark schwankten. Der Film »Wall Street« mit Michael Douglas stand wohl stellvertretend für den Übernahmehype der Achtzigerjahre.

Die Situation beruhigte sich dann etwas und nahm dann seit Mitte der Neunzigerjahre wieder stark zu. Im Jahr 2000 kam es zu einem Höhepunkt mit ca 30.000 Übernahmen weltweit. Das betraf Firmenwerte in der Höhe von unvorstellbaren 3,5 Billionen Dollar (eine Billion ist eine Eins mit zwölf Nullen), die den Besitzer wechselten. Das entspricht in etwa der Summe des Bruttoinlandsproduktes von Deutschland und Großbritannien zusammengenommen. In der Folge wirkte sich nach 2000 die Börsenkrise auch auf die Zahl der Übernahmen aus - bis 2003 waren es »nur mehr« 20.000 Transaktionen weltweit (mit einem Wert von »nur mehr« 1,2 Billionen Dollar). Seit 2004 sehen wir wieder ein Steigen der Übernahmeaktivitäten. Im ersten Halbjahr 2005 gab es bereits weltweit 12.400 abgeschlossene Transaktionen.

Was bringen Unternehmensübernahmen wem?

Erst vor einigen Jahren hat Prof. Tichy eine Studie im Auftrag der AK erstellt, die den wirtschaftlichen Erfolg von Übernahmen anhand internationaler Literatur analysierte. Und siehe da: Übernahmetransaktionen vernichten nur allzu häufig Werte (auch wenn man rein marktwirtschaftlich an die Frage herangeht). Die Kurse derartiger Unternehmen entwickeln sich schlechter als die Kurse vergleichbarer Mitbewerber. Wenn man einige Jahre nach der Übernahme diese Unternehmen betrachtet, so sind auch die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen mehr als bescheiden. Nur bei einem Bruchteil steigen die Gewinne und die Produktivität. Jedes dritte übernommene Unternehmen wird mittel- bis längerfristig sogar wieder verkauft. Ein Verlierer steht dabei fast immer fest: gesenkt werden Beschäftigung und Personalkosten, gesteigert wird der Arbeitsdruck.

Abenteuer

Auch neuere Untersuchungen bestätigen nach wie vor diese Ergebnisse: So haben die Unternehmensberaterfirmen KPMG und Price-Waterhouse-Coopers festgestellt, dass zwei von drei Zusammenschlüssen nicht den richtigen Erfolg bringen. Der Grund dafür ist, dass die Kosten und Widerstände derartiger Transaktionen unterschätzt werden, während die so genannten Synergieeffekte überschätzt werden. Ganz ähnliche Ergebnisse brachte eine Studie von den Unternehmensberatern Bain & Company, wobei diese noch ein höchst irritierendes Zusatzergebnis brachte: Nur 60% der befragten verantwortlichen Manager gaben an, sich vorher bereits strategisch überlegt zu haben, wie und auf welche Weise die Integration des übernommenen Unternehmens erfolgen solle. Man stelle sich das vor: vier von zehn Unternehmen gehen in derartige Abenteuer praktisch »auf gut Glück« hinein! Ausbaden müssen das in aller Regel die ArbeitnehmerInnen: Arbeitsplatzverluste, Einkommensverluste, höhere, oft unerreichbare Anforderungen an Flexibilität, etc. sind die Folgen. Sollten sich Übernahmen manchmal doch als wertsteigernd herausstellen, gehen die Gewinne, die dabei lukriert werden, wohl in den seltensten Fällen an die ArbeitnehmerInnen - sondern an Management und Eigentümer.

Verteilung der Gewinne?

Die ArbeitnehmerInnenvertretungen wollen und werden daher in Zukunft noch mehr Augenmerk auf die Frage legen, wie sich auch bei den halbwegs erfolgreichen Übernahmen die Gewinne verteilen: Werden längerfristige Produktivitätssteigerungen und Gewinnsteigerungen auch mit den Beschäftigten geteilt oder gewinnen ausschließlich Management und Eigentümer? Unbestrittene Gewinner von Fusionen sind jedenfalls die Anwälte, die Investmentbanken und die Spekulanten, die auf die kurzfristigen Kursschwankungen rund um die Übernahme wetten. Besonders bedenklich ist die Entwicklung, wenn reine Finanzinvestoren Übernahmen tätigen und nur an der kurzfristig realisierbaren Rendite interessiert sind. Die gekauften Unternehmen werden dabei oftmals auseinander genommen (filetiert), jeder Unternehmenswert einzeln verkauft und in der Folge der Rest des Unternehmens abgestoßen. Derartiges Vorgehen erhöht weder die Wettbewerbsfähigkeit noch die Standortqualität, da die Unternehmenskultur und mit ihr die Motivation der MitarbeiterInnen vollkommen untergraben werden.

Rosine oder Zitrone

Christian Bellak und Wilfried Altzinger von der Wirtschaftsuniversität Wien stellten in ihrem Vortrag die Ergebnisse der von ihnen untersuchten sieben Fallbeispiele von Übernahmen in Österreich dar. Vorneweg muss dabei betont werden, dass sich die Analysen der Fallbeispiele neben anderen Recherchequellen vor allem auch auf Befragungen, sowohl des betroffenen Managements als auch der Betriebsratskörperschaften, stützen. Diese Methode führte zwangsläufig dazu, dass man eine Fülle von sonst nicht zugänglichen »Internas« erfuhr. Dadurch ergab sich auf der anderen Seite aber die Notwendigkeit, die Einzelfälle nur anonymisiert zu veröffentlichen. Auch eine Verzerrung bei der Auswahl der Unternehmen in Richtung »prinzipiell geglückte Übernahmen« war eine Folge der Interviewmethode: Diejenigen Unternehmen, bei welchen die Übernahme eher problematisch verlaufen ist, lehnten ein Interview ab und konnten daher nicht in die Studie aufgenommen werden. Schon aus diesem Grunde dürfen die zusammenfassenden Ergebnisse der Fallstudien daher keinesfalls verallgemeinert werden.

In der Studie werden zwei Arten von Übernahmen unterschieden: Man übernimmt Rosinen oder Zitronen. Die Rosinen stehen für erfolgreiche Unternehmen, die Zitronen für Unternehmen, die bereits in einer Krise stecken oder konkursgefährdet sind. Beides kann sich auf Sicht als rentabel - oder auch als unrentabel - für den Übernehmenden erweisen, beides hat in jedem Fall Folgen auf die Arbeitsplatzsituation.

Österreichische Rosinen

Die in der Studie analysierten sieben heimischen Unternehmen stammen aus den Branchen Tabak, Getränke, Holz, Werkzeugmaschinen, Automobilhersteller und -zulieferer, Automobilzulieferer im Textilbereich und Gebäudeautomation. Alle entstammen damit dem industriellen Sektor. Die Übernahmen erfolgten alle im Zeitraum 1998 bis 2003. Die übernommenen Unternehmen sind alle auch regional gesehen von wirtschaftspolitischer und arbeitsmarktpolitischer Bedeutung, da sie jeweils zumindest einige hundert ArbeitnehmerInnen beschäftigen. Hauptaugenmerk bei den Recherchen liegt auf den konkreten Restrukturierungsmaßnahmen seit den jeweiligen Übernahmen. Untersucht wurden folgende Aspekte: Assets (interessante Aktivposten) der übernehmenden bzw. übernommenen Unternehmen, Art der Übernahme, Restrukturierungsprozess und Folgen für die Beschäftigten (Schaubild).

Sieben Übernahmen

Von den sieben Übernahmen waren vier Übernahmen durch ausländische multinationale Konzerne, zwei Unternehmen wurden von anderen österreichischen Unternehmen übernommen und eine Übernahme vollzog sich in zwei Etappen: zuerst Übernahme durch einen Konzern - in weiterer Folge wurde der ganze Konzern von einer US-Fondsgesellschaft übernommen.

Alle vier Übernahmen durch Multis (Tabak, Getränke, Holz, Automobilhersteller und -zulieferer) betrafen österreichische Rosinen, die beiden österreichischen Übernahmen (Werkzeugmaschinen, Automobilzulieferer im Textilbereich) betrafen angeschlagene Unternehmen.

Bei der Übernahme durch eine US-Fondsgesellschaft (Gebäudeautomation) wurde von dieser ein angeschlagener deutscher Konzern übernommen, bei dem die österreichische Tochter ein Glanzstück ist.

Wohin geht die Reise?

In den untersuchten Fallbeispielen war »für die weitere Entwicklung des österreichischen Standortes vor allem die Ausgangsposition des übernommenen Unternehmens wesentlich«, fassen die Studienautoren Altzinger und Bellak zusammen. »Auch die Intention der neuen Eigentümer und ihr Reorganisationskonzept sind entscheidend.« Da in den Fallbeispielen die ausländischen Übernahmen besonders die Rosinen betrafen, spielte die Nationalität des neuen Eigentümers keine wesentliche negative Rolle in diesem Prozess.

Aus den umfassenden Studienergebnissen sei ein Detail herausgegriffen: Alle untersuchten Übernahmen hatten natürlich Auswirkungen auf die Belegschaften. Dort, wo nach dem Eigentümerwechsel der österreichische Standort gestärkt wurde (in der Regel bei den Rosinen - mit Fragezeichen bei der Tabakübernahme), haben sich die Beziehungen zwischen Belegschaft und Geschäftsführung verbessert - und das, obwohl es gestiegene Anforderungen hinsichtlich Arbeitszeiten oder Qualifikation gab, also eigentlich Konfliktpotenzial. Christian Bellak, einer der Studienautoren, streicht hervor, dass die Übernahmen vor allem für die gering qualifizierten Beschäftigten große Folgen hatten. Hervorzuheben ist auch, dass die österreichischen Verkäufer bzw. Verhandlungspartner eine wichtige Rolle spielen. Starke, engagierte Verhandler waren eher in der Lage, günstige Verhandlungsergebnisse für den österreichischen Standort zu erzielen bzw. auch einen angemessenen Verkaufspreis zu erzielen. Für die im Rahmen der Privatisierung verkauften Unternehmen im Bereich Tabak und Automobilherstellung ist dies nicht festzustellen.

Gute Netzwerke als Erfolgsfaktor für den Betriebsrat

Alois Schlager, Betriebsratsvorsitzender bei CNH Österreich in St. Valentin/Oberösterreich und Mitglied des Europäischen Betriebsrates bei Fiat berichtete aus der Praxis einer bewegten Unternehmensgeschichte. Nachdem das Unternehmen 1996 an die Firma Case verkauft wurde, kam sie 1999 über eine Fusion in den Unternehmensverband der Fiat-Gruppe. Der Eingliederungsprozess gestaltete sich anfangs durchaus als schwierig, da sich die Produktpalette zum Teil überschnitt.

Die dadurch ausgelösten Bereinigungen und der zunehmende Trend zur Zentralisierung verschiedener Unternehmensfunktionen hat längerfristig doch zu einer Reduktion der Beschäftigung geführt. Fiat beschäftigt weltweit 120.000 Menschen, rund 420 in Österreich. Schlager: »Wir sind ein kleiner Teil in einem riesigen Konzern, sehen uns im vorhin beschriebenen Sinn aber durchaus als Rosine.«

Facharbeit

Wesentlicher Vorteil sei die hohe Qualität der Facharbeit in Österreich. Der Druck, den vergleichsweise winzigen österreichischen Standort zu verlagern, ist daher eher gering. Dennoch ist es wichtig, sich schon jetzt gute Netzwerke aufzubauen. Wenn zum Beispiel die Entscheidung für eine neue Produktion zugunsten von St. Valentin ausfällt, dann bedeutet das natürlich anderswo Verluste oder Einschnitte. In solchen Fällen sind Europäische Betriebsräte, oder wenn es die aus verschiedenen Gründen nicht gibt, gute Netzwerke enorm wichtig. »Man braucht eine gute Basis für gegenseitiges Vertrauen, eine gemeinsame Linie. Dann kann man im Anlassfall auch gemeinsame Aktionen machen«, sagt Schlager.

Große Herausforderungen für Mitbestimmung

Damit spricht Schlager einen Punkt an, der von allen ReferentInnen, in der Studie und auch in der Publikumsdiskussion immer wieder zur Sprache kommt. Übernahmen erfolgen in der globalisierten Wirtschaft längst über Ländergrenzen hinweg. Die Übernahme eines Unternehmens gibt praktisch immer Anlass, die Arbeitsverteilung im neu entstehenden Konzerngeflecht umzustrukturieren und neu zu ordnen. Globale und technische Vernetzung erlauben es, diese Arbeitsverteilung inzwischen immer stärker über den gesamten Globus hinweg durchzuführen.

Länder mit den (vordergründig) günstigsten Arbeitskosten und den niedrigsten Steuern profitieren (zumindest fürs Erste), die hoch entwickelten Industrieländer Westeuropas verlieren dabei immer häufiger diese Wettrennen. Die ArbeitnehmerInnenvertretungen (Betriebratskörperschaften, Gewerkschaften, AK) sehen sich daher einer zunehmend schwierigeren Aufgabe gegenüber, diesen Prozess zu begleiten. Nicht nur wird die Welt laufend komplexer, die meist internationalen Dimensionen bringen völlig neue Herausforderungen.

Hier sind neue Formen der Mitbestimmung gefragt - diese darf nicht an nationalen Grenzen enden, sondern wir müssen international schlagkräftige Modelle entwickeln. Innovative Mitbestimmungsmodelle werden in Zukunft auch deshalb wichtiger werden, als ja auch auf gesellschaftsrechtlicher Ebene grenzüberschreitende Umstrukturierungsaktivitäten immer mehr erleichtert werden, Stichwort Europäische Aktiengesellschaft. Und nicht auf der Strecke bleiben darf dabei ein den Gewerkschaften nicht unbekanntes Prinzip: das der Solidarität und insbesondere der internationalen Solidarität.

Was kann der Europäische Betriebsrat dazu beitragen?

Mit welchem Erfolg oder auch Misserfolg der Europäische Betriebsrat (EBR) zu diesen Herausforderungen beiträgt, darauf ging Hermann Kotthoff von der Technischen Universität Darmstadt bei seiner Präsentation ein.

Die EBR-Richtlinie gibt es nunmehr seit 1994. Sie schreibt die Gründung eines EBR in Unternehmen vor, die mindestens 1000 ArbeitnehmerInnen haben, und zwar in je zwei EU-Mitgliedsstaaten mindestens 150 Beschäftigte. Die Rechte des EBR beschränken sich praktisch auf die der Information und Konsultation. Bislang haben etwa ein Drittel der etwa 1800 in Frage kommenden Unternehmen einen EBR.

In welcher Form die EBR in der Praxis arbeiten, welche Strategien sie wählen und in welchem Ausmaß sie Einfluss auf die Unternehmenspolitik, auf Umstrukturierungen auszuüben in der Lage sind, hat sich Kotthoff an zwölf Konzernen genauer angesehen: In fast allen EBR hat sich der kooperative Betriebsratsstil gegenüber dem eher konfliktorientierten Stil durchgesetzt. In einem Viertel der Fälle hat der EBR eine Wirksamkeit erlangt, die weit über Information und Konsultation hinausgeht - in Richtung tatsächliches Mitwirkungsgremium.

In einem weiteren Viertel hat der EBR Vorsitzende aufgrund einer gleichzeitig starken nationalen Stellung gewissen Fürspracheeinfluss für die ausländischen Standorte. In der Hälfte der Konzerne ist der EBR (noch) nicht zu einem unternehmenspolitisch relevanten Faktor geworden.

Soweit eine kurze Zusammenfassung. Weitere interessante Ergebnisse, Begründungen und Thesen von Prof. Kotthoff werden in einer der nächsten A&WAusgabe im Detail vorgestellt werden.

I N F O

Handlungsmöglichkeiten für BetriebsrätInnen bei Übernahmen

Aus den Diskussionen versuchte Heinz Leitsmüller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien, am Ende des Workshops einige wichtige Erkenntnisse zusammenzufassen und Ansatzpunkte für Handlungsmöglichkeiten von BetriebsrätInnen aufzuzeigen:

  • Da bei einer Übernahme mit den lokalen Managements nur über das »Wie« verhandelt werden kann, muss alles versucht werden, an das tatsächliche Entscheidungszentrum heranzukommen.
  • Da die Entscheidungen monatelang im kleinen Kreis vorbereitet werden und dann eine rasche Umsetzung ohne Einbeziehung der Belegschaften erfolgt (Bombenwurftaktik), muss der Betriebsrat bereits im Vorfeld jede Möglichkeit (informelle Netzwerke, Aufsichtsräte, Medien, ...) nützen, um Einfluss auszuüben.
  • Um Zeit zu gewinnen, bieten sich auch formale Anforderungen an, die genützt werden sollten (Aufsichtsratssitzungen, Gutachten, Beschlüsse, ...)
  • Mit Argumenten in Richtung »Sorgfaltspflicht«, »Verantwortung«, »wirtschaftliche Prämissen«, »Businesspläne« usw. kann auch bei Eigentümervertretern im Aufsichtsrat einiges erreicht werden.
  • Da die Auswirkungen von Übernahmen oft erst nach Jahren eintreten, können die Folgen von Übernahmen nur durch einen mittelfristigen »Zukunftsvertrag« beeinflusst werden.
  • Bei Übernahmen gibt es immer Gewinner und Verlierer:
    Daher ist die Position von Betriebsräten schwierig.
    Es sollten internationale Netzwerke aufgebaut werden, Vertrauen geschaffen werden.
    Solidarität statt Einzelkämpfertum ist dabei die Devise.

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Roland Lang, Miron Passweg (Mitarbeiter in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745934318 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745934231 Rächer der enterbten Daten Technische Überwachung von Beschäftigten bei Internet und E-Mail Einige verfügen über keinerlei Regelungen, andere verhängen Verbote oder kontrollieren durch spezielle Software das Online-Verhalten der Beschäftigten. Immer öfter teilen uns Arbeitnehmer/-innen mit, dass sie in ihrer Firma gefragt wurden, warum sie die Telefonnummer der GPA gewählt hätten.

Woher weiß die Firma, welche Telefonnummern von den Beschäftigten angewählt wurden? Systemadministratoren/-innen wenden sich an die Interessengemeinschaft work@ITder GPA, da der Chef oder die Chefin ihnen den Auftrag gegeben hat, die E-Mails von Beschäftigten an sein/ihr E-Mail-Account weiterzuleiten, ohne dass die Beschäftigten etwas davon bemerken dürfen.

Um es vorwegzunehmen: Als Mitarbeiter/-in in einem restriktiv aufgebauten Unternehmensnetzwerk hat man mit technischen Mitteln praktisch keine Möglichkeiten, sich vor allzu neugierigen Vorgesetzten zu schützen.

Nur eine bewusste, verantwortungsvolle Nutzung der Technologie und organisatorische Regelungen (Betriebsvereinbarungen) durch die betriebliche Interessenvertretung (Betriebsrat) können der totalen Überwachung einen Riegel vorschieben oder sie zumindest in die Illegalität drängen.

Eine gesunde Paranoia kann also bei der Nutzung von Firmennetzwerken nicht schaden.

Darum hat die GPA und ihre Interessengemeinschaft work@ITdie Initiative »Rächer der enterbten Daten« ins Leben gerufen. Diese Kampagne soll helfen, Sie über grundsätzliche Möglichkeiten der Arbeitsplatzüberwachung und Wege zur Vorbeugung zu informieren.

Warum überwachen Firmen die Online-Aktivitäten von Beschäftigten?

  • Um verschwendete Zeitressourcen durch privates Surfen, E-Mailen oder Spielen am PC aufzudecken.
  • Um die unternehmensinterne Netzinfrastruktur, die durch »Napstern« (das Tauschen von Musik, Videos im Internet) oft an Kapazitätsgrenzen stößt, zu schätzen.
  • Zur Aufdeckung von kriminellen Machenschaften am Arbeitsplatz. Firmen befürchten einen Imageschaden, wenn Angestellte rechtsradikale oder pornographische Inhalte in Umlauf bringen.

Schutz von Betriebsgeheimnissen

Es geht aber auch darum, einfach gezielte Informationen über unliebsame Mitarbeiter/innen zu sammeln, die eine fristlose Entlassung oder Maßregelungen oft erst möglich machen. Die Ängste von Unternehmern sind mit ein wenig gutem Willen und Einfühlung in die Interessenlage von Firmen zumindest nachvollziehbar, ihre Konsequenzen in vielen Situationen aber keinesfalls tolerierbar. Aufklärung der Beschäftigten über technische Überwachungsmöglichkeiten ist gefragt, denn die Überwachung ist bereits im Gange. Eine Studie der Firma Hitachi Data Systems beweist:

  • Mehr als die Hälfte aller österreichischen Unternehmen kontrolliert die E-Mails der Beschäftigten.
  • Weitere 20 Prozent der heimischen Chefs planen, dies in Zukunft ebenfalls zu tun.
  • Und mehr noch: 60 Prozent der Firmen archivieren die komplette Cyberpost - immerhin 23 Prozent davon sogar länger als drei Jahre.

Big Brother im Betrieb

Im europäischen Vergleich placiert sich Österreich mit diesen Werten gleichauf mit Deutschland im Mittelfeld. Spitzenreiter sind Spanien (77%), Frankreich (71%) und Polen (67%). Pionier punkto Überwachung bleiben aber die USA. Zwei Drittel der US-Unternehmen mit 1000 oder mehr Mitarbeiter/-innen lassen die E-Mails ihrer Angestellten überprüfen. Es kommt noch schlimmer: Nicht nur spezielle Softwareprogramme überwachen die Internet-Surf-Gewohnheiten der US-Beschäftigten, sondern eigens angestellte E-Mail-Kontrollore. Mehr als 40 Prozent der Firmen beschäftigen Personal zur Überwachung der elektronischen Korrespondenz.

Gratuliert der Chef zur neuen Liebe?

Begründet werden die immer rigideren Überwachungsmaßnahmen mit zwei Argumenten:

Zunahme privater E-Mails: Durch private Mailnutzung, so die Unternehmen, würden enorme Zusatzkosten entstehen. Wahr ist: Nur 13% der betrieblichen Post sind private E-Mails. Und bei den heutigen Server-Kapazitäten stellen ein paar Prozent Privatmails kein wirkliches Problem dar.

Im Gegenteil: Neueste wirtschafts-psychologische Studien belegen, die Überwachung von Beschäftigten erzielt den gegenteiligen Effekt als beabsichtigt. Zudem, so der Wirtschaftspsychologe John Haas, »zeigt sich, dass Mitarbeiter, die im Büro private E-Mails versenden dürfen, wesentlich produktiver und motivierter sind.«

Virenbedrohung: Durch private Mails könnten Viren am Arbeitsplatz eingeschleppt werden und die Firma schädigen. Eine etwas krude Logik der Unternehmer. Denn Computer-Viren unterscheiden nicht zwischen privaten und beruflichen E-Mails. Außerdem erfolgen die meisten Attacken durch Würmer, die bestehende Sicherheitslücken im Firmennetzwerk ausnutzen. So liegt der Verdacht nahe, dass viele Chefs nur ein rechtliches Schlupfloch suchen, um Beschäftigte gezielt überwachen zu können. Sei es als Vorwand, um Betriebsgeheimnisse zu schützen oder als Vorwand zur Kündigung unliebsamer Beschäftigter.

Obwohl der geheime Einsatz von Überwachungs- und Spionage-Software in Österreich verboten ist, spricht etwa der kommerzielle Erfolg dieser Produkte Bände. Etwa das Überwachungs-Tool »Spector«: Eigentlich für den Privatgebrauch entwickelt (PC-Kontrolle misstrauischer Eheleute, zeichnet es jede Tastatureingabe auf und fertigt Aufnahmen des PC-Monitors an, die das Surfverhalten belegen. Ein halbes Jahr nach dem Start des Produktes in Österreich und Deutschland wurden bereits 7000 Installationen durchgeführt - 75% davon in Firmen. So lautet der Werbeslogan der Firma Spectorsoft: »Alles was sie brauchen, um einen Mitarbeiter loszuwerden.«

Das ganz normale Grauen

Was leistet das »Horrorkabinett« der Überwachungssoftware?

  • Aufzeichnungen aller Tastaturanschläge und von
  • Zeiten der Inaktivität,
  • regelmäßige Screenshots,
  • Programmstarts,
  • Kopien aller E-Mails,
  • Aufzeichnung von Chats,
  • Erkennen definierter »Schlüsselwörter« und Alarmierung des Überwachers per E-Mail,
  • Versand der Überwachungsprotokolle per E-Mail,
  • Textsuche in den protokollierten Dateien,
  • Einschalten von Mikrophon und Webcams.

Ihr Rächer der enterbten Daten

Zuerst die gute Nachricht: Falls Sie in ihrer Firma einen Betriebsrat haben, hat dieser ein Mitbestimmungsrecht beim Datenschutz. Arbeitgeber dürfen eine Kontrollmaßnahe, welche die Menschenwürde berührt, nur einführen, wenn der Betriebsrat zugestimmt hat.

Aber auch wenn die Kontrollmaßnahme nicht die Menschenwürde berührt, braucht sie die Zustimmung des Betriebsrates. In beiden Fällen muss
eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden.

In der Betriebsvereinbarung sollte geregelt werden, wie die Anlage genutzt wird, wie die Informationspflicht an die Arbeitnehmer/-innen und an den Betriebsrat bei einer allfälligen Änderung Verwendung der Anlage erfolgen wird, und vor allem wie die Schutzmaßnahmen vor willkürlicher Kontrolle der Arbeitnehmer/-innen aussehen. Welche Daten werden wie ausgewertet, wer hat Zugriff auf die Daten, wohin werden sie übertragen (Schnittstellen), wie kann der Betriebsrat die Einhaltung der Betriebsvereinbarung kontrollieren?

Die schlechte Nachricht: In Betrieben, wo es keinen Betriebsrat gibt, obliegt nach der jetzigen Gesetzeslage die Einhaltung des Datenschutzes den Beschäftigten selbst. Eine qualifizierte Bekämpfung eines Missbrauches ist nahezu nicht möglich.

Die GPA möchte dies ändern.

Überwacher der Überwacher

Am 28. November 2005 fand auf Einladung der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion eine Enquete anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Datenschutzgesetzes in Österreich statt. Einer der Themenblöcke waren die Probleme um die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen am Arbeitsplatz. Der Vorsitzende der GPA, Wolfgang Katzian, sprach sich in diesem Zusammenhang für die zwingende gesetzliche Einrichtung eines Datenschutzbeauftragten in Betrieben aus.

»Die neuen Kommunikationstechnologien haben nicht nur die Arbeit verändert, sondern sie werden zunehmend zur Kontrolle und Überwachung von Beschäftigten eingesetzt. Die Überwachung ist Realität, gültige gesetzliche Bestimmungen werden damit oft umgangen.

Dies wären Aufgaben für einen Datenschutzbeauftragten. Die GPA fordert die Bundesregierung auf, die verpflichtende Bestellung eines Datenschutzbeauftragten in privaten Unternehmen gesetzlich zu regeln. Dieser soll unabhängig und weisungsfrei die Einhaltung des Datenschutzes in seinem Betrieb kontrollieren und als Anlaufstelle für Datenschutzangelegenheiten fungieren.

Dem Betriebsrat muss ein technischer Zugriff im System zur Ausübung ihrer Kontrollrechte ermöglicht werden.«

Diese Forderung von Wolfgang Katzian an die Bundesregierung wurde von verschiedenen europäischen Staaten schon als Notwendigkeit erkannt: So ist in Deutschland in Unternehmen bereits ein Datenschutzbeauftragter zu benennen, wenn mindestens fünf Personen mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten beschäftigt sind.

Österreich ist anders

Am darauf folgenden Tag lehnte der Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien die Forderung der GPA nach einer gesetzlichen Verankerung von Datenschutzbeauftragten ab.

Obwohl (oder weil?) das österreichische Bundeskanzleramt selbst lange als Referenzkunde der Firma Protectcom angeführt wurde. Die Firma Protectcom ist Hersteller von Überwachungssoftware.

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Nicholas Hauser (Sekretär der GPA im Wirtschaftsbereich Interessenvertretung und Ansprechpartner bei work@IT und work@migration) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745934049 Mehr Wert - mehr Lohn? Diese Fragen sind berechtigt, werden sie doch uns allen in einer Werbebotschaft der Kapitalseite gerne als widerspruchslose Antworten vorgesetzt, obwohl die Skepsis der Beschäftigten wächst. In einer AK-Untersuchung wurde der Zusammenhang zwischen der Veränderung der Wertschöpfung, der Beschäftigteneinkommen und der Gewinne in einem längeren Zeitabschnitt überprüft. Als Zeitraum der Untersuchung wurden die Jahre 1993 bis 2003 gewählt, wobei 354 größere österreichische Unternehmungen (Kapitalgesellschaften, wie zum Beispiel AG oder GmbH) in die Untersuchung aufgenommen wurden, die ihre Jahresabschlüsse in allen Jahren veröffentlicht haben. Die Ergebnisse lassen Zweifel über diese Wohlstandsvermehrung für alle aufkommen.

Natürlich interessiert zunächst, ob die österreichischen Unternehmungen die Wertschöpfung in den letzten Jahren erhöhen konnten, und ob diese Wertsteigerung nicht nur den Unternehmerinnen und Unternehmern zugute kam, sondern auch zu wachsenden Beschäftigteneinkommen führte. Über eine Konsumsteigerung würden daher in weiterer Folge wieder die Unternehmungen profitieren. Jedenfalls hat die Entwicklung der Wertschöpfung in den Unternehmen Auswirkungen auf die österreichische Volkswirtschaft. Die Veränderungen der Einkommen in diesen Unternehmen führt darüber hinaus auch zu einer bestimmten Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital.

Weniger Wertschöpfung

Die Wertschöpfung der Unternehmungen ist ein Teil der österreichischen Bruttowertschöpfung, bekannter unter der Bezeichnung Bruttoinlandsprodukt (BIP). Sie stellt jenen Betrag dar, der den zugekauften Vorleistungen (Rohstoffe, Material, Halbfabrikate, Energie usw.) im Produktionsprozess zugefügt wird. Anders ausgedrückt entspricht sie dem Wertzuwachs im Unternehmen, der durch den Veredelungsprozess entsteht. Wenn zum Beispiel bei einem Umsatz von 100 für Vorleistungen 70 ausgegeben werden, konnte im Unternehmen eine Wertschöpfung in Höhe von 30 erwirtschaftet werden. Die Wertschöpfungsquote bezieht die Wertschöpfung auf den Umsatz, womit in diesem einfachen Beispiel eine Wertschöpfungsquote in Höhe von 30 Prozent errechnet wird. Die Darstellung der Wertschöpfung mit Hilfe der Wertschöpfungsquote ermöglicht auch, Einflüsse besonders großer Unternehmungen möglichst gering zu halten oder Verzerrungen durch Rumpfgeschäftsjahre zu vermeiden.

Bei den untersuchten Unternehmungen errechnet sich für den Zeitraum 1993 bis 2003 eine durchschnittliche Wertschöpfungsquote in Höhe von knapp
30 Prozent. Allerdings ging die Wertschöpfungsquote im Ausmaß von 4 Prozentpunkten zurück (von 31,8 Prozent auf 27,8 Prozent). In 8 Jahren errechnet sich ein Rückgang der Wertschöpfungsquote.

Immerhin 70,6 Prozent aller untersuchten Unternehmungen waren mit einem Rückgang der Wertschöpfungsquote konfrontiert. Alle fünf untersuchten Sparten verzeichneten eine Verminderung der Wertschöpfungsquote (Bau, Industrie, Dienstleistungen, Energieunternehmungen/Stadtbetriebe sowie Handel - siehe Grafik 1: »Wertschöpfung in Prozent der Betriebsleistung«).

Die höchste Wertschöpfungsquote verzeichnete im Durchschnitt des gesamten Untersuchungszeitraums der Bereich Energie/Stadtbetriebe (53,5 Prozent), gefolgt vom Bausektor (38,3 Prozent), der Industrie (31,5 Prozent), dem Dienstleistungssektor (27,7 Prozent) sowie dem Handel (16,8 Prozent).

Auffallend war die unterdurchschnittliche Wertschöpfungsquote bei den Unternehmungen in ausländischem Eigentum (26,2 Prozent), während die Unternehmungen in mehrheitlich inländischem Eigentum eine relativ höhere Wertschöpfungsquote erwirtschaften konnten (32,8 Prozent).

Dies war auch im Industriesektor, dem Dienstleistungsbereich sowie dem Handelssektor anzutreffen (siehe Grafik 2: »Wertschöpfungsquote«).

Konzernverrechnungspreise

Die relativ niedrigere Wertschöpfungsquote in ausländisch beherrschten Unternehmungen lässt einige Schlussfolgerungen zu: Die Wertschöpfung kann unter Druck kommen, wenn beim Einkauf für Vorleistungen zu viel ausgegeben werden muss, oder wenn beim Verkauf Einschränkungen hinsichtlich der Preisfestsetzung vorliegen. Wenn nun die ausländisch beherrschten österreichischen Unternehmungen eine unterdurchschnittliche Wertschöpfungsquote aufweisen, lässt dies auf eine bestimmte Konzernpolitik schließen. Den österreichischen Unternehmungen könnte auferlegt worden sein, die Vorleistungen von anderen - ausländischen - Konzerngesellschaften zu einem vorgegebenen Preis zu beziehen. Dies stellt sich natürlich dann für die Unternehmungen als Nachteil dar, wenn die Einkaufspreise im Vergleich zur Konkurrenz außerhalb des Konzerns überhöht sind.

Auf der anderen Seite ist es möglich, dass die österreichischen Unternehmungen gedrängt werden, ihre Endprodukte oder Dienstleistungen an andere - ausländische - Konzernunternehmungen zu einem relativ nachteiligen Preis zu verkaufen. Kurz: die Preispolitik ist von der Konzernspitze vorgegeben. Entweder werden Tochtergesellschaften durch teurere Einkaufspreise oder durch ungünstigere Abnahmepreise benachteiligt. Zur Spitze getrieben wird diese Situation dann, wenn sowohl auf der Einkaufs- als auch auf der Verkaufsseite jeweils Preisnachteile gegeben sind. All dies verringert die Wertschöpfung in Österreich. Freuen darf sich hier die ausländische Konzernspitze.

Auslagerungen von Unternehmensteilen

Unabhängig von den Nachteilen bei der Preisgestaltung könnten auch die Auslagerungen von Abteilungen oder Unternehmensteilen aus den österreichischen Unternehmungen verantwortlich für die niedrigere Wertschöpfungsquote gewesen sein. Die in Österreich tätigen Tochtergesellschaften könnten Teile der Wertschöpfungskette an ausländische Konzernunternehmungen oder an fremde Unternehmungen abgegeben haben. Die Auslagerungen haben im vergangenen Jahrzehnt zugenommen. Wurde an Unternehmungen außerhalb eines Konzerns verkauft, haben sich die Unternehmungen eine Verringerung der Kosten erwartet. In gleichem Maße wird regelmäßig der Beschäftigtenstand reduziert. Allerdings verringert sich dadurch auch die Wertschöpfung. Da aber die Leistungen immer noch benötigt werden, kaufen die Unternehmungen die bisher im Unternehmen selbst hergestellten Wertschöpfungsteile von anderen Unternehmungen zu.

Erhofft haben sich die Unternehmungen natürlich billigere Vorleistungen. Offenbar wurden diese Hoffnungen aber enttäuscht. Wenn Vorleistungen am Markt teurer werden, entsteht ein neuer Druck auf die im Unternehmen hergestellte Wertschöpfung. Auch das Unternehmen, das die Vorleistungen verkauft, kalkuliert einen Gewinn ein! Den haben die Unternehmen zu bezahlen, die solche Vorleistungen nun zukaufen (müssen). Die Wertschöpfungsquote geht dadurch jedenfalls zurück.

Warnungen in den Wind geschlagen

Wurden die bisher im Unternehmen selbst hergestellten Leistungen an andere - ausländische - Konzernunternehmen verkauft, vergrößert dies sofort wieder die Abhängigkeit beim Preis für die nunmehr im Konzern zu beziehenden Vorleistungen. Die Warnungen von österreichischer Arbeitnehmerseite, nicht eine verlängerte Werkbank ausländischer Konzerne zu werden, wurden in den Wind geschlagen. Wohl gibt es nun seit einigen Jahren auch in Österreich vermehrt Konzernspitzen, die gegenüber ihren - ausländischen - Tochtergesellschaften die Gestaltungsmöglichkeit bei den Konzernverrechnungspreisen erhielten. Wenn allerdings die Wertschöpfungsquote bei mehr als 70 Prozent der untersuchten Unternehmungen zurückgeht, dürfte sich diese Gestaltungsmöglichkeit nicht deutlich auf die österreichische Wertschöpfung niedergeschlagen haben.

Im Handelsbereich kommen die Unternehmungen mit ausländischem Eigentum zusätzlich unter Druck. Die Wertschöpfungsquote der Handelsunternehmungen ist weitgehend ident mit der Handelsspanne. Fallweise ist eine Verschärfung des Konkurrenzkampfes bei den Endverbraucherpreisen festzustellen. Ausländisch beherrschte Handelsunternehmen haben dabei einen »längeren Atem« und könnten versuchen, durch aggressivere Preispolitik selbst bei niedrigerer Handelsspanne Marktanteile zu gewinnen. Kleinere Unternehmen werden hier fast zerrieben. Wenn die Unternehmungen im vergangenen Jahrzehnt »internationaler« wurden, also auch an ausländische Konzerne verkauft wurden, rächt sich dies teilweise bei der Preisgestaltungsfähigkeit und somit bei der Höhe der Wertschöpfung. Wie entwickelten sich die Einkommen der Beschäftigten in diesen Unternehmen?

B E G R I F F E

Wertschöpfung: Die Wertschöpfung ist der Wertzuwachs der erzeugten Güter und Dienstleistungen, der den zugekauften Vorleistungen hinzugefügt wird (Veredelungsprozess). Sie stellt den Beitrag eines Unternehmens zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) dar.

Vorleistungen: Güter und Dienstleistungen, die im Produktionsprozess eingesetzt werden. Sie werden sofort verbraucht (Weiterverarbeitung), um Endfabrikate oder Dienstleistungen herzustellen.

Wertschöpfungsquote: Die Wertschöpfungsquote ist der Anteil der Wertschöpfung an der Betriebsleistung (vor allem der Umsatz). Die Höhe hängt unter anderem von der Fertigungstiefe ab. Auch die Preisentwicklung der Vorleistungen sowie der Umsatzerlöse beeinflusst die Höhe der Wertschöpfungsquote.

Betriebsleistung: Die Betriebsleistung setzt sich aus den Umsatzerlösen, Lagerveränderungen und sonstigen Erlösen zusammen.

Einsparungen beim Personalaufwand

Im gesamten Zeitraum sinkt der Anteil des ordentlichen Personalaufwands (Löhne, Gehälter, gesetzliche Sozialabgaben, sonstiger Sozialaufwand) im Verhältnis zur Betriebsleistung (vor allem Umsatz) um 2,8 Prozentpunkte (von 20 Prozent auf 17,2 Prozent). In acht Jahren errechnet sich ein Rückgang. Bei 69,2 Prozent der Unternehmungen ging der Personalaufwand im Verhältnis zur Betriebsleistung zurück. Alle österreichischen Arbeitnehmerentgelte sinken im gleichen Zeitraum im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt um 4 Prozentpunkte, während die österreichischen Gewinneinkommen (Betriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen) im Verhältnis zum BIP um 3,7 Prozentpunkte gestiegen sind. Die Lohnquote sinkt laut WIFO von 72 Prozent im Jahr 1978 auf 58 Prozent im Jahr 2004. Dies verdeutlicht die massive Umverteilung von Arbeit zu Kapital (siehe Grafik 3: »Personalaufwand in Prozent der Betriebsleistung«).

Im Durchschnitt des Elfjahreszeitraums errechnet sich ein Anteil von 18,4 Prozent des Personalaufwands an der Betriebsleistung. Die Unternehmungen in ausländischem Eigentum liegen darunter (16,5 Prozent), während der Wert der Unternehmungen in inländischem Eigentum deutlich darüber liegt (20 Prozent). Auch bei den Industrie- und Handelsunternehmen liegt der Personalaufwand gemessen an der Betriebsleistung bei den ausländisch beherrschten Unternehmen im Durchschnitt unter dem Wert der Unternehmungen in mehrheitlich inländischem Eigentum.

Spuren in der österreichischen Volkswirtschaft

Die ausländisch beherrschten Unternehmungen erwirtschafteten im mehrjährigen Zeitraum eine unterdurchschnittliche Wertschöpfungsquote, gleichzeitig liegt aber auch der Personalaufwand in Prozent der Betriebsleistung unter dem Durchschnitt aller untersuchten Unternehmungen. Es ist offensichtlich, dass diese Entwicklung ihre Spuren in der Volkswirtschaft Österreichs hinterließ (schwächeres BIP-Wachstum, schwacher Inlandskonsum). Der Beschäftigtenstand der analysierten Unternehmungen ging um 0,6 Prozent zurück, wobei im Handel und in den Dienstleistungen ein Zuwachs erzielt werden konnte. Ein wesentlicher Teil des Beschäftigtenzuwachses im Handel wurde aber nachweislich von Teilzeitarbeitsplätzen verursacht.

Zuwachs der Profite

Der operative Profit (ordentlicher Betriebserfolg, also ohne Zinsergebnis, Beteiligungsergebnis oder außerordentliches Ergebnis) wuchs im Verhältnis zur Betriebsleistung um 1,2 Prozentpunkte an. Mehr als die Hälfte der betroffenen Unternehmen erzielten einen Zuwachs. Im Elfjahresdurchschnitt errechnet sich ein ordentlicher Gewinnanteil von 5,2 Prozent an der Betriebsleistung.

Alle österreichischen Gewinne (Betriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen) nahmen im gleichen Zeitraum im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt um 3,7 Prozentpunkte zu. Trotzdem also die Unternehmungen immer weniger Wertschöpfung erwirtschaften, konnten die operativen Gewinne ausgeweitet werden. Die Personalkosteneinsparungen ermöglichten steigende Gewinne.

Gewinnbestandteile

Von anderen Gewinnbestandteilen, wie Zinsgewinnen, Erträgen von Tochterunternehmungen oder außerordentlichen Erträgen (Kursgewinnen usw.) gar nicht erst zu reden. Auf den ersten Blick mag die Strategie der Unternehmen Erfolg versprechend gewesen sein.

Diese Profitzunahme ist allerdings nicht für ewig prolongiert, wenn die Waren oder Dienstleistungen am Markt mangels Nachfrage nicht im gewünschten Ausmaß verkauft werden können. Außerdem haben die Unternehmen nicht bei den Vorleistungen, sondern bei den Personalaufwendungen gespart.

Personalkosteneinsparungen und steigende Profite - der bekannte Trend.

Dass aber die Wertschöpfungsquote ebenfalls sinkt, war schon weniger sicher anzunehmen. Es ist jedenfalls zu vermuten, dass diese Entwicklung aber
nicht einfach »passiert« ist, sondern wegen der Ausgliederungen, Verkäufe usw. von Teilen der Wertschöpfungskette an ausländische Konzern-Unternehmungen durchaus gewünschte Strategie war. Einige wenige Unternehmungen konnten dennoch festgestellt werden, die eine andere Strategie wählten. Es gibt einige Unternehmungen, die in einem größeren Zeitraum sowohl die Wertschöpfungsquote als auch gleichzeitig den Personalaufwand im Verhältnis zur Betriebsleistung erhöhen konnten, ohne dass deshalb der ordentliche Gewinn in Prozent der Betriebsleistung unter Druck gekommen wäre.

Zuwachs der Wertschöpfung, des Personalaufwands und der Profite

Zunächst muss festgehalten werden, dass nicht viele Unternehmungen unter diese Kategorie fallen. Wohl konnten 29,4 Prozent aller untersuchten Unternehmungen die Wertschöpfungsquote, 30,8 Prozent den Personalaufwand im Verhältnis zur Betriebsleistung sowie 51,7 Prozent den operativen Gewinn im Verhältnis zur Betriebsleistung erhöhen. Allerdings war hier immer nur jeweils eine Kennzahl betroffen. Wenn alle diese drei Kennzahlen kombiniert werden, dann fallen 7,6 Prozent aller untersuchten Unternehmungen darunter. Bei diesen Unternehmungen treten alle Kriterien gleichzeitig auf. Sie konnten zwischen 1993 und 2003 gleichzeitig die Wertschöpfungsquote erhöhen, verzeichneten einen steigenden operativen Gewinn und einen Zuwachs des Personalaufwands jeweils im Verhältnis zur Betriebsleistung (Handelsunternehmen: 13,8 Prozent; Energieunternehmen/Stadtbetriebe: 10,5 Prozent; Dienstleistungsunternehmen: 8,6 Prozent; Industrieunternehmen: 6,1 Prozent). Interessant ist weiters, dass diese Unternehmen in diesem Zeitraum jeweils überdurchschnittliche Werte erreichten. Sowohl bei der Wertschöpfungsquote als auch beim Personalaufwand und beim operativen Gewinn liegt die Mehrzahl dieser Unternehmungen im Vergleich zu allen Unternehmen über dem Durchschnitt.

Geht man noch einen Schritt weiter und überprüft, ob eventuell zusätzlich auch der Beschäftigtenstand erhöht werden konnte, dann reduziert sich der Anteil der Unternehmungen auf nur mehr 3,1 Prozent. Diese Unternehmungen konnten also die Wertschöpfungsquote, den operativen Gewinn, den Personalaufwand im Verhältnis zur Betriebsleistung sowie den Beschäftigtenstand im Zeitraum 1993 und 2003 erhöhen.

Widerspruch Arbeit - Kapital

Tatsächlich haben nur wenige Unternehmungen diese Strategie verfolgt - dennoch gibt es sie. Wohl werden damit die Widersprüche (Arbeit - Kapital; Beschäftigteneinkommen - Profite; Arbeitsplatz - Spekulation ...) nicht ausgeschaltet. Der allgemeine Wohlstand für alle wird nicht von selbst errungen.

Dennoch zeigen diese Unternehmen, dass steigende Gewinne nicht automatisch Personalkosteneinsparungen sowie Auslagerungen von Wertschöpfungsbestandteilen bei gleichzeitigem Rückgang des Beschäftigtenstandes erfordern. Würden mehrere Unternehmungen diese Strategie anwenden, könnte in Österreich durchaus auch ein höheres Wirtschaftswachstum erwartet werden. Man hat aber den Eindruck, dass die Wirtschaftspolitik hier schläft.


R E S Ü M E E

Die schwache Entwicklung des Wirtschaftswachstums der letzten Jahre hat Querverbindungen zur Entwicklung in den Unternehmungen. Die Wertschöpfung kam sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite unter Druck. Auf der Angebotsseite führen Auslagerungen an ausländische (Konzern-)Gesellschaften zu niedrigeren Wertschöpfungsquoten der Unternehmungen in Österreich. Die Unternehmungen dürften zunehmend Teile der bisher in den Unternehmen selbst hergestellten Wertschöpfungsbestandteile an andere Unternehmungen verkauft haben. Innerhalb der - ausländisch beherrschten - Konzerne, aber auch außerhalb von Konzernen wächst die Abhängigkeit beim Kauf der Vorleistungen oder auch beim Verkauf der Endprodukte und Dienstleistungen. Teile der Wertschöpfungskette müssen jedenfalls von außen - teurer? - zugekauft werden. Der Beschäftigtenstand wurde verringert und die Personalkosten kamen unter Druck. Gerade dies führt aber wieder zu Nachteilen beim Wirtschaftswachstum - diesmal auf der Nachfrageseite. Die Einsparungen bei den Personalkosten stellen über sinkende oder schwächer steigende Beschäftigteneinkommen gleichzeitig einen schwach steigenden privaten Konsum dar, wodurch das BIP unter Druck kommt.

Wenn diese Strategie der »schlanken« Unternehmen von ausländischen Konzernen vorgegeben scheint, könnte ein selbstbewussteres Auftreten des österreichischen Managements diesen Trend durchaus unterbrechen. Zumindest ein - wenn auch geringer - Teil der österreichischen Unternehmen hat einen anderen Weg eingeschlagen. Auch die österreichische Wirtschaftspolitik ist allerdings gefordert. Es ist offenbar nicht unwichtig, wo sich die Konzernspitze befindet bzw. wer die Eigentümer sind.

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Alfred Kraus (Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wiens) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745934139 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745934153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745934164 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745934026 Inhalt Ausgabe Jänner 2006 MEINUNG

    Standpunkt: Lissabon, die Wortwahl und der Glaube

    Leserforum

    Kommentar: Armut - Was soll daran so kompliziert sein?

SCHWERPUNKT:

    Mehr Wert - mehr Lohn?
    Vermehren die österreichischen Unternehmungen über eine steigende Wertschöpfung den Wohlstand aller? Können den Beschäftigten daher höhere Einkommen zufließen? Profitieren dadurch die Unternehmerinnen und Unternehmer über steigende Gewinne ebenso?

HINTERGRUND:

    Rächer der enterbten Daten
    Technische Überwachung von Beschäftigten bei Internet- und E-Mail: Durch die neuen Technologien wandelt sich unsere Kommunikation am Arbeitsplatz. Heute kann theoretisch jeder Schritt eines oder einer Beschäftigten am PC überwacht werden. In der betrieblichen Praxis der Unternehmen wird die Nutzung von Inter- und Intranet sehr unterschiedlich gehandhabt.

    Unternehmensübernahmen
    Veränderte Standorte, geforderte Betriebsräte und verunsicherte Beschäftigte: Die Unternehmenslandschaft ist in den letzten Jahren durch Übernahmen und Fusionen massiv verändert worden. Die Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der übernommenen Unternehmen und die Herausforderungen für die Belegschaftsvertretungen waren Thema eines Workshops im Rahmen der IFAM-Reihe »Arbeitswelt in Bewegung«.

    Neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik
    Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL will neue Wege zur Bekämpfung von Diskriminierung und Ungleichheiten von Arbeitenden und Arbeitsuchenden auf dem Arbeitsmarkt erproben. Sie wird zu gleichen Teilen aus dem Europäischen Sozialfonds und aus nationalen Mitteln finanziert.

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Armut ist kein Schicksal

    Beschäftigung: Rasches Handeln gefordert

    Austria Frost: Anklagen, aufdecken, informieren

    Kinderskianzüge: Fehlerhafte Qualität

    Umfrage: ÖGB ist sehr verantwortungsbewusst

    Aktuell: Die erfolgreiche Lohnpolitik des ÖGB

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    OECD-Prognose: Ölpreis bremst global kaum

    Verbraucherpreise

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Feinstaub am Arbeitsplatz: Abstauben genügt nicht

    Kinderhandel: »Du blöde Ratte!«

INTERNATIONALES

    Ungarn: Armut und Arbeitslosigkeit

    Australien protestiert

    Europäische Union: Mehr für Soziales

    Wettbewerb: Um jeden Preis

    Textilsektor: Erfolg der Gewerkschaften

    Welthandel: Arbeitsplatzvernichtung

    WTO: Magere Runde

    Deutschland: Metaller-Runde

    Autoindustrie: Gespannte Lage

BÜCHER

    O. Meggeneder, K. Pelster, R. Sochert (Hg.): Betriebliche Gesundheitsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen.

    Alexander Giese: Reich ohne Geld. Anleitung für ein unzeitgemäßes Leben.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745933970 Erwerb und Erhaltung von Zusatzpensionen Die Ausgestaltung vieler betrieblicher Zusatzpensionssysteme hemmt die Mobilität von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Die EU-Kommission hat daher eine Richtlinie erarbeitet, die den Erwerb von Zusatzpensionsansprüchen erleichtern soll. Gleichzeitig soll bei einem Arbeitsplatzwechsel die Wahrung erworbener Ansprüche sichergestellt und die Übertragung in ein neues Zusatzpensionssystem ermöglicht werden.

Drei Säulen

In Österreich sind rund zehn Prozent der Beschäftigten in einen betrieblichen Zusatzpensionsplan eingebunden. Sie erwerben ergänzend zu ihrer öffentlichen Pension (»erste Säule der Altersvorsorge«) Ansprüche auf eine Pension, die in Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Beschäftigung steht (»zweite Säule«). Voraussetzung dafür ist, dass sich der Dienstgeber bereit erklärt, eine solche Zusatzpension zu finanzieren oder - beispielsweise über Kollektivvertrag - dazu verpflichtet wird.

Teilweise wird die Zusatzpension direkt vom Arbeitgeber garantiert (»Direktzusage«), fallweise wird sie über Gruppenlebensversicherungen abgewickelt. Die in Österreich meist verbreitete Form ist die Durchführung über externe Finanzdienstleister (»Pensionskassen«), die die Pensionsgelder treuhändisch veranlagen und verwalten. Das hat den Vorteil, dass die Betriebspension vom wirtschaftlichen Schicksal des Arbeitgebers abgekoppelt ist.

Mobilitätshemmnis

Die Ausgestaltung der betrieblichen Pensionssysteme hemmt die Mobilität der Arbeitnehmerschaft, da mit einem Arbeitsplatzwechsel oft enorme Einbußen bei der Betriebspension, bis hin zum Totalverlust der betrieblichen Altersvorsorgeansprüche, verbunden sind. So kann in Österreich bei Direktzusagen (direkte Pensionsversprechen durch den Arbeitgeber) vereinbart werden, dass bei Selbstkündigung alle Ansprüche verfallen.

Bei einem neuen Dienstgeber dauert es oft lange, bis man erneut Ansprüche aufbauen kann. Bei Pensionskassenmodellen dürfen beispielsweise ab Beginn des Dienstverhältnisses bis zu fünf Jahre verstreichen, bis Beschäftigte aufgrund der so genannten Wartefrist in das Modell einbezogen werden müssen.

Ab Beginn der Beitragsleistung durch den Arbeitgeber kann eine weitere Frist, die so genannte Unverfallbarkeitsfrist, vereinbart werden. Erst mit deren Ende ist ein Anspruch erworben. Scheidet man zuvor aus dem Unternehmen aus, steht man mit leeren Händen da, selbst bei Kündigung durch den Dienstgeber. Auch die Unverfallbarkeitsfrist darf in österreichischen Pensionskassenmodellen bis zu fünf Jahre dauern. Mit der Kombination von jeweils fünf Jahren Warte- und Unverfallbarkeitsfrist kann man Beschäftigte bis zu zehn Jahre lang vom Erwerb von Betriebspensionsansprüchen ausschließen. In anderen Ländern der EU sind die Regelungen ähnlich, wobei teilweise noch längere Fristen zulässig sind.

Flexibilisierungsdiskussion

Arbeitgeber verfolgen mit ihrer Pensionszusage unter anderem den Zweck, Personal an das Unternehmen zu binden. Dies ist eine Personalpolitik im Stil der 1960er-Jahre, die nicht mit den Anforderungen eines modernen Arbeitsmarktes vereinbar ist. Dienstgeber fordern gerne die Abschaffung von gesetzlichen Barrieren zur Mobilität von Arbeitnehmern - Stichwort »Flexibilisierung der Arbeitsmärkte«. Auf der anderen Seite bauen sie selbst jedoch im Unternehmen starke Mobilitätshemmnisse auf, indem sie mobilen Arbeitskräften den Erwerb betrieblicher Pensionsansprüche erschweren oder verunmöglichen. Betriebspensionszusagen haben Entgeltcharakter und sind keine Treueprämie.

Der geschilderten Problematik hat sich nun auch die EU angenommen. Die Kommission hat einen Vorschlag für eine »Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität der Zusatzrentenansprüche« veröffentlicht, die mit 1. 7. 2008 in Kraft treten soll. Vor dem Hintergrund des Lissabon-Aktionsplans und auch des »Europäischen Jahres der Mobilität der Arbeitnehmer/innen 2006« will die Kommission die erwähnten Mobilitätshindernisse ausräumen. Die Regelungen von Zusatzpensionssystemen dürfen es mobilen Arbeitskräften nicht erschweren, bis zum Ende ihres Erwerbslebens ausreichende Pensionsanwartschaften anzusammeln.

Der Titel »Portabilitätsrichtlinie« ist insofern ein wenig unscharf, als es in zentralen Teilen der Richtlinie nicht um die Mitnahme von Pensionsansprüchen (»portare« = lateinisch für »tragen«) geht, sondern vor allem um den Erwerb und die Erhaltung derselben.

Erleichterter Erwerb

Mit der Richtlinie sollen Barrieren für den Zugang zu betrieblichen Zusatzpensionssystemen abgebaut werden. Wenn es eine betriebliche Zusatzpension gibt, dann sollen in Hinkunft mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon profitieren. Speziell mobile Arbeitskräfte sollen rascher Ansprüche erwerben können.

Die Kommission will, dass die Wartefrist maximal ein Jahr, die Unverfallbarkeitsfrist maximal zwei Jahre dauern dürfen. Sofern es ein Mindestalter für die Aufnahme in das System der betrieblichen Altersvorsorge gibt, darf dieses nicht höher als 21 Jahre sein.

Die Forderung nach kurzen Warte- und Unverfallbarkeitsfristen gibt es auf Arbeitnehmerseite bereits seit langem. Die in der Richtlinie geplante maximal einjährige Wartefrist deckt sich mit der Dauer der derzeit üblichen Befristung vieler neuer Dienstverhältnisse und erscheint deshalb praktikabel.

Problem Kurzzeitarbeitsvertrag

Durch die Zunahme der befristeten Arbeitsverträge bleibt jedoch ein immer größer werdendes Segment der Beschäftigten auch unter den erleichterten Zugangsvoraussetzungen der Richtlinie (maximal ein Jahr Wartefrist, maximal zwei Jahre Unverfallbarkeitsfrist) von betrieblichen Altersvorsorgesystemen ausgeschlossen. Das stellt für die Alterssicherung ein massives Problem dar. Betroffen sind in erster Linie jüngere Personen und Frauen. Für die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist auf zwei Jahre können die Mitgliedsstaaten gegebenenfalls eine Zusatzfrist von fünf Jahren in Anspruch nehmen, also bis 1. 7. 2013. Diese Zusatzfrist ist vor allem angesichts der bereits lange laufenden Diskussion um erleichterten Zugang zu betrieblichen Vorsorgemodellen zu lang.

Anpassung ruhender Ansprüche

Ruhende Betriebspensionsansprüche, das sind Ansprüche von aus dem Unternehmen ausgeschiedenen ArbeitnehmerInnen, müssen »fair angepasst« werden. Damit soll vermieden werden, dass ausgeschiedene ArbeitnehmerInnen benachteiligt werden, indem der reale Wert ihrer Ansprüche im Laufe der Zeit vermindert wird. »Faire Anpassung« bedeutet beispielsweise ein Anwachsen der ruhenden Ansprüche im Verhältnis zur allgemeinen Lohnentwicklung oder zur Inflationsrate. Ein nominelles Gleichbleiben über viele Jahre wäre nicht zulässig. Die Formulierung, wie diese Anpassung zu erfolgen hat, ist allerdings extrem vage. Die Umsetzung wird sehr stark von der nationalstaatlichen Praxis abhängen.

Übertragbarkeit der Ansprüche

Aus einem Unternehmen ausscheidende Beschäftigte sollen die Möglichkeit haben, ihre erworbenen Ansprüche innerhalb desselben Landes oder auch in einen anderen Mitgliedsstaat übertragen zu können. Die Übertragung muss innerhalb von 18 Monaten erfolgen. Voraussetzung für die Übertragung ist, dass es ein aufnehmendes Zusatzpensionssystem gibt. Gibt es beispielsweise in einem Land kein aufnehmendes System, so können ausscheidende Beschäftigte trotz des grundsätzlichen Anrechts keine Übertragung durchführen.

Der nationale Gesetzgeber sollte bei der Umsetzung der Richtlinie sicherstellen, dass das Geld bei einer Übertragung in der zweiten Säule bleibt und nicht zweckentfremdet verwendet werden kann. Insofern ist darauf zu achten, welche Voraussetzungen ein Zusatzpensionssystem erfüllen muss, damit eine Übertragung dorthin zulässig ist.

Wert der übertragenen Ansprüche

Wenn versicherungsmathematische Annahmen über den Wert der zu bestimmenden Anwartschaft zur Anwendung kommen, dürfen diese dem ausscheidenden ArbeitnehmerInnen nicht zum Nachteil gereichen. Diese Bestimmung ist grundsätzlich sinnvoll. Allerdings ist auch hier die Formulierung äußerst vage, womit der konkrete Nutzen für die Arbeitnehmerschaft offen bleibt und sehr vom nationalen Gesetzgeber abhängt.

Bei nicht kapitalgedeckten Modellen gibt es keine Übertragbarkeit: Von der Verpflichtung zur Übertragung können die nationalen Gesetzgeber jene Systeme ausnehmen, die nach dem Umlageverfahren funktionieren oder bei denen Pensionsrückstellungen in der Bilanz gebildet werden (wie bei vielen klassischen Direktzusagen in Österreich). Die Ausklammerung dieser nicht kapitalgedeckten Systeme entstand insbesondere auf Druck Deutschlands und kann nach dem Wortlaut der Richtlinie theoretisch auf unbestimmte Zeit erfolgen. Die Mitgliedsstaaten müssen die Kommission lediglich über die Gründe für die Ausnahme informieren und angeben, welche Maßnahmen geplant sind, um die Übertragbarkeit der Ansprüche aus diesen Systemen zu verbessern.

Somit hat eine große Anzahl mobiler Beschäftigter nicht die Möglichkeit der Übertragbarkeit. Wichtiger ist aus Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen jedoch, dass die Ansprüche gewahrt bleiben und nicht mit der Zeit entwertet werden. Die Möglichkeit der Übertragung erscheint eher zweitrangig. Speziell nicht kapitalgedeckte Systeme könnten durch abfließendes Kapital tatsächlich vor Probleme gestellt werden.

Arbeitsplatzverlust

Für Irritation sorgt der Umstand, dass die Kommission im Richtlinienentwurf in den Punkten der Wahrung ruhender Ansprüche und der Übertragbarkeit nur jene ausscheidenden ArbeitnehmerInnen einbezieht, die das Arbeitsverhältnis von sich aus beenden. Die Schlechterstellung von Personen, die unfreiwillig ihren Arbeitsplatz verlieren, erscheint aus gewerkschaftlicher Sicht nicht akzeptabel. Die Kommission hat in den Sitzungen der Ratsarbeitsgruppe bereits angekündigt, dies zu überdenken.

Die Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge müssen die ArbeitnehmerInnen auf deren Verlangen darüber aufklären, welche Folgen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Hinblick auf ihre Zusatzpensionsansprüche hat. Ein Mindestkatalog an verpflichtenden Auskünften ist in der Richtlinie angeführt. Dieser verbesserte Informationsfluss ist absolut notwendig. Durch die Komplexität der Zusatzpensionssysteme können viele Personen nicht abschätzen, welche Konsequenzen ein Wechsel des Arbeitsplatzes für die Zusatzpensionsansprüche hat. Darüber hinaus ist es wichtig, eine fundierte Entscheidung darüber treffen zu können, die Ansprüche im alten System zu belassen oder gegebenenfalls zu übertragen.

Lange Diskussion erwartet

Der Richtlinienvorschlag wird im Rat der EU und im Europäischen Parlament diskutiert und soll ab 1. 7. 2008 gelten. In einzelnen Mitgliedsstaaten gibt es Vorbehalte gegen Teile der Richtlinie. So sind insbesondere ArbeitgeberInnen gegen die Absenkung der Unverfallbarkeitsfrist auf zwei Jahre. Einige Länder befürchten auch, dass durch die Übertragbarkeit Geld aus ihren (teilweise sozialpartnerschaftlich verwalteten) Systemen abfließt. Dieses könnte beispielsweise bei Lebensversicherern in der »dritten Säule« landen und dann zweckentfremdet, also nicht für Pensionszahlungen, verwendet werden. Es ist somit nicht damit zu rechnen, dass die Richtlinie bald als Rechtsakt verabschiedet wird. Auch die von Rat und Parlament geforderten Änderungen sind noch nicht in Sicht.

Anwendung

Bis spätestens 1. 7. 2008 sollen alle nationalen gesetzlichen Regelungen richtlinienkonform ausgestaltet sein und angewendet werden. Insofern sind von der Richtlinie auch all jene betrieblichen Pensionszusagen betroffen, die vor dem 1. 7. 2008 abgeschlossen wurden und die zum Umsetzungszeitpunkt (= Zeitpunkt des Inkrafttretens des nationalen Rechts) noch bestehen. Sie werden adaptiert werden müssen, denn ab dann gelten die verkürzten Warte- und Unverfallbarkeitsfristen, die Informationsrechte, die Wahrung ruhender Ansprüche und eventuell auch die Übertragbarkeit.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass aufgrund des mit der Richtlinie erleichterten Anspruchserwerbs von Zusatzpensionsrechten tatsächlich einige ArbeitgeberInnen keine betrieblichen Vorsorgeleistungen mehr anbieten, weil sie als Instrument der Personalbindung nicht mehr die gewünschten Wirkungen erzielen.

Solange jedoch steuerliche Förderungen für betriebliche Vorsorgemodelle bestehen, werden die Arbeitgeber diese auch weiterhin in Anspruch nehmen. Denn es ist für das Unternehmen wegen Steuer- und Abgabenvorteilen kostenmäßig günstiger, eine betriebliche Pensionszusage zu erteilen als ein höheres Gehalt zu zahlen (bei gleicher Anreizwirkung für die ArbeitnehmerInnen).

Aus Sicht der Arbeitnehmerschaft kann das Vorhaben der Kommission als sehr positiv eingestuft werden. Vor allem aufgrund seiner sozialpolitischen Komponente des erleichterten Zugangs zu betrieblichen Pensionsleistungen.

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Gerald Klec (Sekretär in der Grundlagenabteilung der GPA) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745933336 Global statt feudal Die Besteuerung von Vermögen, Gewinnen und Kapitaleinkommen geht weltweit zurück, ihr Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls - Schulen, Krankenhäuser, Trinkwasser - sinkt dramatisch. Warum ist das so? Ein Grund liegt im immer schärferen Steuerwettbewerb, der seinerseits eine Folge des freien Kapitalverkehrs ist: Unternehmensgewinne, Privatvermögen und Kapitaleinkommen können sich aufgrund ihrer globalen Bewegungsfreiheit zunehmend der Steuerpflicht entziehen. Der freie Kapitalverkehr ist jedoch nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde bewusst eingerichtet - mit internationalen Abkommen und nationalen Gesetzen.

Attraktive Plätzchen

Dahinter standen mächtige Interessen: Wenn das Kapital aus seinem nationalen »Gehege« ausbrechen und sich global frei bewegen kann, kann es sich das attraktivste Plätzchen aussuchen - und dabei wählerisch werden. Die Standorte geraten dadurch in einen Wettbewerb um die Gunst des Kapitals und überbieten sich darin, seine Wünsche zu erfüllen. Sie senken die Steuersätze auf Gewinne, Vermögen und Kapitalerträge, achten auf niedrige Inflation und hohe reale Finanzrenditen. Seit Anfang der Achtzigerjahre sind die durchschnittlichen Steuern auf Unternehmensgewinne in den »EU-15-Ländern« von 45 auf rund 30 Prozent gesunken, die Spitzensteuersätze der Einkommensteuer von 62 auf 48 Prozent und die durchschnittliche Besteuerung von Zinserträgen von 48 auf 33 Prozent. Ausgerechnet die Gewinner der Globalisierung tragen somit immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwohls bei.

Tobender Wettbewerb

Selbst innerhalb der Europäischen »Gemeinschaft« tobt der fiskalische Wettbewerb, am schärfsten bei den Unternehmensgewinnen: Österreich wirbt - mit Inseraten einer Regierungsagentur - aggressiv Unternehmen aus Deutschland ab, Bayern lockt Unternehmen aus Österreich weg. Letzter »Coup« Österreichs im fiskalischen Wettabrüsten war die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer von 34 auf 25 Prozent und die Einführung der Gruppenbesteuerung ab 2005. Laut der Unternehmensberatungsfirma PWC wird die Körperschaftsteuer dadurch zu einer »freiwilligen Abgabe«. Für deren Kollegen von der KPMG ist Österreich nun eine »Steueroase« (siehe Grafik 1: »Beitrag der Gewinnsteuern zum Gesamtabgabenaufkommen«).

Wie lange der österreichische »Vorsprung« halten wird ist fraglich: In der Slowakei werden schon heute 19 Prozent eingehoben, in Ungarn 16 Prozent, in Irland 12,5 Prozent, in Zypern zehn Prozent. Estland stellt reinvestierte Gewinne ausländischer Investoren steuerfrei. Hält dieser Wettlauf noch einige Jahre an, werden in der EU die Unternehmen bald gar keine Steuern mehr bezahlen. Und das, obwohl sich die Gewinne auf Rekordniveau befinden. In Österreich ist es seit 25 Jahren ständig angestiegen, die DAX-Unternehmen steigerten ihren Gewinn 2004 um sagenhafte 88 Prozent. Vor allem große Konzerne nützen die Möglichkeit, Gewinne in Niedrigsteuerländer oder Steueroasen zu verschieben. 2001 zahlte von sieben in München niedergelassenen DAX-Unternehmen nur ein einziges Steuern.

Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU), denen diese Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen, erleiden dadurch einen gravierenden Wettbewerbsnachteil. Der Rechnungshof hat berichtet, dass KMU gemessen am Umsatz sechsmal höhere Steuerleistung erbringen als multinationale Konzerne. Die Verschiebung der Steuerlast findet also nicht nur vom Faktor Kapital zum Faktor Arbeit statt, sondern auch von den Großunternehmen zu den klein- und mittelständischen Unternehmen, dem »Rückgrat der regionalen Wirtschaft« und Arbeitsplatz-Motor.

Entsteuertes Vermögen

Noch schmerzhafter für die Staatskassen ist die Entsteuerung von Vermögen. Die Statistik (siehe Grafik 2: »Beitrag zum Vermögenssteuern zum Gesamtabgabenaufkommen«) zeigt, dass Österreich das Industrieland ist, wo die Vermögenssteuern am wenigsten zur Staatsfinanzierung beitragen. An der Steuerbasis liegt es nicht: 1970 machten die Finanzvermögen der Privathaushalte 70 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aus, 2005 waren es bereits 140. Gemäß dem »Leistungsfähigkeitsprinzip« - jeder und jede entrichtet nach ökonomischer Kraft Steuern und Beiträge - müsste der Beitrag der Vermögenssteuern am Gesamtsteueraufkommen deutlich gestiegen sein. Bloß: Er ging laut OECD-Steuerstatistik um zwei Drittel zurück, von 3,7 Prozent 1965 auf 1,3 im Jahr 2004.

Die Spitze des Steuerwettbewerbs bilden Steueroasen. Nach verschiedenen Schätzungen bunkern die »High Net Worth Individuals«, also Personen mit mindestens einer Million US-Dollar Finanzvermögen, ein Drittel ihres Schatzes in Steueroasen, das wären rund zehn Billionen US-Dollar. Der daraus erwachsende Steuerausfall wird auf 200 bis 300 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Gravierende Folgen

Die systematische Entsteuerung von Gewinnen, Kapitaleinkommen und Vermögen hat gravierende Folgen. In einer ersten Phase, solange die Höhe der Steuern und Abgaben insgesamt nicht zurückgeht, müssen die Steuerausfälle aus anderen Steuerquellen wettgemacht werden. Die »immobilen«, also nicht fluchtfähigen Faktoren Arbeit und Konsum kommen über Lohnsteuer, Sozialversicherungsbeiträge und Mehrwertsteuer zum Handkuss. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips, sie hat auch den gravierenden Effekt, dass die große Masse der kleinen und mittleren Einkommensbezieher angesichts des »Vorbilds« der Reichen ebenfalls die Lust am Steuerzahlen verliert und unbedacht in den Ruf nach einer generellen Senkung der Abgabenquote einstimmt. Dass sie aber die Hauptleidtragenden sind, wenn sich der Staat aus den Bereichen Bildung, Gesundheit und Alterssicherheit zurückzieht, übersehen sie dabei.

Die Senkung der Abgabenquote und der Rückzug des Staates ist das Kernziel des Neoliberalismus. Der Steuerwettbewerb wird deshalb auch bewusst veranstaltet, um einen Hebel für Sozialabbau und Privatisierungen in die Hand zu bekommen. Neoliberale Ökonomen und Ökonominnen begrüßen den Steuerwettbewerb mit der Begründung, dass dadurch die Staaten zu höherer »Budget-Disziplin« gezwungen werden. Das ist ein undemokratisches Argument: Wenn die Bevölkerung eine sinkende Staatsquote mit allen Konsequenzen will, muss sie dafür politisch kämpfen. Sachzwänge dürfen Demokratie nicht ersetzen.

Seit 1999 befinden sich die Abgabenquoten der EU-15 auf Sinkflug: Die Staaten werden schlanker. Deutschland speckte von 43 Prozent im Jahr 2000 auf 39,6 im Jahr 2005 ab; Österreich von 45,4 Prozent (2001) auf 42,1 im Jahr 2005. Der Steuerwettlauf engt somit den budgetären Spielraum bereits ein. Österreichs Bundeskanzler will die Abgabenquote weiter auf 33 Prozent senken, meldete »Die Presse« am 11. Mai 2005.

Das würde gegenüber dem aktuellen Stand ein Sparpaket von 20 Milliarden Euro bedeuten. Vom öffentlichen Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem bliebe dann nicht viel übrig.

Arme Reiche

Wir erleben gerade das Paradox, dass Deutschland und Österreich volkswirtschaftlich immer reicher und gleichzeitig wirtschaftspolitisch arm geredet werden: »Wir können uns das nicht mehr leisten. Wir müssen sparen«, tönt es allerorts, obwohl Wirtschaft und Volkseinkommen unaufhörlich wachsen.

In Österreich trugen Gewinn- und Vermögenssteuern 2002 mit 6,4 Prozent nur halb soviel zum Gesamtabgabenaufkommen bei wie bei gleich reichen Ländern. Würde die Besteuerung auf OECD-Schnitt angehoben, flössen mehr als sieben Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskassen. Der Budgetüberschuss wäre ungefähr so hoch wie das aktuelle Defizit (siehe Grafik 3: »Steuerliches Missverhältnis«).

Geld ist also genug da, Österreich ist so reich wie nie zuvor in seiner Geschichte. Die entscheidende Frage ist, ob dieser Reichtum zur Finanzierung des Gemeinwohls herangezogen wird oder nicht. Im Folgenden wird gezeigt, was gegen Steuerwettlauf, Steuerungerechtigkeit und leere Staatskassen gemacht werden kann.

Leistungsfähigkeitsprinzip

Voraussetzung aller Maßnahmen ist die Wiederherstellung von Steuergerechtigkeit im Sinne des Leistungsfähigkeitsprinzips: Jeder und jede soll gemäß ihrer Einkommens- und Vermögenssituation Steuern leisten. Dieses Prinzip wurde bereits in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 verankert. Artikel 13 lautet: »Für die Unterhaltung der öffentlichen Gewalt und für die Verwaltungsausgaben ist eine allgemeine Abgabe unerlässlich: Sie muss auf alle Bürger, nach Maßgabe ihrer Möglichkeiten, gleichmäßig verteilt werden.« Dieser Artikel kam nicht von ungefähr: Vor der Revolution waren Adel und Klerus, der erste und zweite Stand, im Gegensatz zum »dritten Stand«, dem gemeinen Volk, nicht steuerpflichtig. Diese Ungerechtigkeit war ein Mitgrund für die französische Revolution. Heute bahnen sich neofeudale Verhältnisse an. Es nehmen nicht nur die Ungleichheiten bei der Einkommens- und Vermögensverteilung weltweit zu sondern auch die Schieflage bei der Steuerpflicht. Jene die am meisten haben, müssen in Relation dazu immer weniger Steuern leisten. Die Verletzung des Prinzips der Steuergerechtigkeit untergräbt den Gesellschaftsvertrag und das Fundament moderner Staaten. Seine Wiederherstellung muss zur politischen Priorität in der Gestaltung der Globalisierung werden.

Steueroasen schließen

Die meisten Steueroasen sind nicht aus eigener Kraft entstanden, sondern dank der Einrichtung des freien Kapitalsverkehrs seitens der Industrieländer. Ohne Anbindung an die globalen Finanzmärkte (New York, London, Frankfurt, Tokio) wären sie nichts. Viele von ihnen sind nicht nur ökonomisch von den Zentren abhängig, sondern auch rechtlich: Die Cayman-Islands, die Bermudas oder Jersey gehören zu Großbritannien, Samoa zu den USA und die Niederländischen Antillen zu Holland. Diese richteten die Steueroasen bewusst ein, um vermögenden Personen und Unternehmen eine Gelegenheit zu geben, geltende Steuergesetze und Regulierungen zu umgehen.

Sobald sich politischer Gegendruck bildet, können Steueroasen kurzerhand geschlossen werden. Es empfiehlt sich ein Mehrstufenprogramm. Zunächst werden Steueroasen von den Industrieländern »eingeladen«, alle Informationen über Vermögen und Einkommen von Nichtansässigen an die zuständigen Finanzämter der Herkunftsländer zu melden. Tun sie dies nicht, kann die EU Banken und Unternehmen aus ihren Mitgliedsländern verbieten, Filialen oder Briefkastenfirmen in Steueroasen zu unterhalten. Hilft das auch noch nichts, wird der Kapitalverkehr in Steueroasen bemautet oder gesperrt. Innerhalb kürzester Zeit würden selbst kapitale Steueroasen wie die Schweiz kooperieren, ihr Bankgeheimnis lockern und alle nötigen Informationen weitergeben oder auch selbst faire Steuersätze einheben. Falls einzelne Oasen nach ihrer Austrocknung in eine wirtschaftliche Depression schlittern sollten, könnten aus den Mehreinnahmen der Industrieländer ein Solidaritätsfonds eingerichtet werden, der ihnen bei der Umstrukturierung ihrer Wirtschaft auf saubere Geschäftszweige hilft.

Internationaler Informationsaustausch

Als nächster Schritt sollte ein globales Übereinkommen getroffen werden, in dem sich alle Staaten dazu verpflichten, die Vermögens- und Einkommensdaten von »Konto-Ausländern« an die zuständigen Finanzämter in den Herkunftsländern zu melden. Derzeit werden (ausländische) Kapitaleinkommen in den Steuererklärungen gerne »vergessen«, weil das Finanzamt nichts von den ausländischen Vermögen und Einkommen erfährt und deshalb keine Strafe zu befürchten ist. Auch das ist eine der vielen Schieflagen der Globalisierung: Man kann nicht einerseits den Kapitalverkehr liberalisieren und andererseits den dazugehörigen Informationsaustausch außer Acht lassen. Das wäre wie Autobahnen bauen und gleichzeitig die Straßenverkehrsordnung abschaffen.

Der erste Schritt zum wechselseitigen Informationsaustausch ist bereits getan. Aufgrund der grassierenden Steuerflucht hat die EU eine Richtlinie beschlossen, die am 1. Juli 2005 in Kraft trat. Zinseinkommen von Bürgern und Bürgerinnen aus anderen EU-Staaten werden automatisch ihrem zuständigen Finanzamt gemeldet und können der jeweils gültigen Besteuerung unterzogen werden. Die Regelung hat jedoch entscheidende Schwachstellen. Drei Länder - Österreich, Luxemburg und Belgien - machen nicht mit, weil sie an ihrem strengen Bankgeheimnis festhalten, sie wollen weiterhin Profit auf Kosten Dritter machen und heben nur eine Quellensteuer ein, die teilweise an das Herkunftsland weitergeleitet wird. Da die Quellensteuer anonym und geringer als die reguläre Einkommens- und Vermögenssteuer im Herkunftsland ist, bleibt die Steuerflucht weiterhin attraktiv. Die Meldepflicht gilt außerdem nur für Personen - nicht für Unternehmen oder Fonds - und nur für Zinserträge, nicht aber für Kursgewinne aus dem Aktienhandel. Diese Schlupflöcher machen aus dem positiven Ansatz Schweizer Käse. Anders wäre die Schweiz auch nicht freiwillig mitgegangen. Vom Ansatz her ist die Initiative aber goldrichtig. Ziel muss sein, alle Schlupflöcher zu stopfen und die Richtlinie zu einem globalen Abkommen auszubauen.

Einheitliche Konzernbesteuerung

Die nächste »Disziplin« des Steuerwettbewerbs, die es zu beenden gilt, sind die Unternehmensgewinne. Der einfachste Weg wäre eine global einheitliche Besteuerung von transnationalen Konzernen bei gleichzeitiger Harmonisierung der Bemessungsgrundlagen. Ein globales Abkommen ist allerdings kurzfristig sehr unwahrscheinlich, deshalb sollte die EU den Anfang machen. Die Idee der Harmonisierung ist nicht neu: Schon 1975 schlug die Kommission eine Bandbreite bei der Unternehmensgewinnbesteuerung von 45 bis 55 Prozent vor. 1992, einige Globalisierungsrunden später, empfahl ein Ausschuss unter der Leitung des niederländischen Finanzministers Onno Ruding immerhin noch 30 Prozent Mindestkörperschaftsteuer. Wem eine Steuerharmonisierung als unrealistisch erscheint: Die EU hat schon Größeres bewältigt, wie die Zollunion, den Binnenmarkt oder die Währungsunion. Es kommt nur darauf an, wer Europa formt, wessen Interessen sich durchsetzen. Die europäische Demokratie ist - hoffentlich - erst am Anfang.

Fluchtvereitelung

Der nächste Schritt nach der Beendigung des Steuerwettlaufs im Inneren wäre die Verhinderung der Gewinnverschiebung und Steuerflucht von Konzernen aus der EU hinaus. Dazu genügt die Neuformulierung der so genannten Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit den Handelspartnern. Derzeit steht in den meisten DBA, dass ein Gewinn, der in einem Drittland versteuert wurde (z. B. auf den Cayman-Islands), im jeweiligen EU-Staat nicht mehr steuerpflichtig ist. Das ist natürlich eine glatte Einladung, Gewinne in der Wüste anfallen zu lassen und »zu Hause« keine Steuern mehr zu bezahlen. Würden die DBA hingegen von der »Freistellungsmethode« auf die »Anrechnungsmethode« umgeschrieben, dann müsste der Differenzbetrag zwischen Niedrigsteuerland und Steuersitzland - die bisherige Steuerersparnis - im Sitzland nachbezahlt werden. Der Anreiz für die Gewinnverschiebung wäre dahin.

Auch das Wohnsitzlandprinzip lässt noch einige Schlupflöcher offen, deshalb empfiehlt sich ein weiterer alternativer Steueransatz, der die Nachteile des Sitzlandprinzips nicht hat: Die »unitary taxation« oder »globale Anteilssteuer«. Bei diesem Ansatz wird der inländische Anteil an der globalen Wertschöpfung (Kapitaleinsatz, Umsatz, Beschäftigte) ermittelt und danach der gleiche Anteil des globalen Konzerngewinns dem gültigen Steuersatz unterworfen. Damit wäre eine Sitzverlagerung oder auch nur die Gewinnverschiebung in eine Steueroase nutzlos, weil einzig die reale Geschäftstätigkeit zählt. Der große Vorteil ist: Dieses Prinzip kann ein Land, bzw. die EU, im Alleingang einführen, zumindest wiederum die EU. Der Nachteil: Solange nicht alle Länder den gleichen Steuersatz einheben, ist der »reale« Standortwettbewerb nicht zu Ende. Denn ein Unternehmen hätte in diesem Fall immer noch einen Anreiz, die reale Produktionen in Niedriglohnländer zu verlagern. Es empfiehlt sich daher eine Kombination aus Wohnsitzlandprinzip und globaler Anteilssteuer.

Weltsteuerbehörde

Die Gründung einer World Tax Authority (WTA) würde die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen erleichtern. Die WTA würde die nationalen Finanzämter nicht ersetzen, sondern unterstützen: Sie würde weder die Biersteuer noch die Parkgebühren einheben, sondern globale Aufgaben wahrnehmen:

  • Den weltweiten Informationsaustausch über Kontodaten von Devisenausländern aufbauen.
  • Doppelbesteuerungsabkommen nach der Anrechnungsmethode entwickeln.
  • Finanzbeamte in Entwicklungsländern ausbilden und Know-how-Transfer organisieren.
  • Steuerschädliche Praktiken identifizieren und sanktionieren.
  • Steueroasen schließen und im Bedarfsfall bei der Umstrukturierung der Wirtschaft behilflich sein.
  • Einheitliche Bemessungsgrundlage für Konzerngewinne definieren und eine global einheitliche Besteuerung durchsetzen.
  • Globale Steuern - z. B. auf Devisentransaktionen oder Naturressourcen - einführen.
  • Einhebung einer einprozentigen Steuer auf »High Net Worth Individuals«. Ihr Vermögen beträgt laut Weltreichtumsbericht mehr als 30 Billionen US-Dollar, das Steueraufkommen von 300 Milliarden US-Dollar wäre mehr als ausreichend, um die Millenniums-Entwicklungsziele der UNO zu erreichen.

Die WTA würde zwar einen kleinen Souveränitätsverlust für Nationalstaaten darstellen, der aber durch den enormen Souveränitätsgewinn, der aus der gerechten Besteuerung von Gewinnen, Vermögen und Kapitaleinkommen erwächst, mehr als wettgemacht würde. Schließlich: Wer WTO sagt, muss auch WTA sagen.

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Christian Felber (Gründungsmitglied von Attac-Österreich, freier Autor und Publizist) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745933493 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745933501 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745933529 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745930964 Dänemark im Wandel Arbeit&Wirtschaft: Schwächen die aktuellen Entwicklungen die Macht der dänischen Gewerkschaftsbewegung?
Ulla Sorensen:
Wir möchten keine unzufriedenen Mitglieder und wir müssen akzeptieren, dass sich manche Mitglieder anders entscheiden. Ich schätze diese Entwicklung nicht als Schwächung der Gewerkschaft ein. Dabei muss man aber bedenken, dass die Gewerkschaften in Dänemark eine sehr starke Tradition haben.

Das heißt, die Veränderungen im System der freiwilligen Arbeitslosenversicherung sind positiv zu beurteilen?
Hier passiert eine ganz natürliche Entwicklung. Ich glaube, diese Entwicklung zeigt, dass unsere Mitglieder - und die dänische Bevölkerung im Allgemeinen - sehr viel Wert auf die Verbindung von Qualität, Service und Preis legen.

Die dänische Sozialpolitik, insbesondere die Grundsicherung im Alter und die universalen Gesundheitsleistungen, werden von österreichischen Sozialexperten zunehmend als »Best practice«Beispiele wahrgenommen. Stehen solche Ansätze nicht in scharfem Kontrast zur Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik?
In Dänemark haben wir keinen strengen Kündigungsschutz der Arbeitnehmer. Ein wichtiger Grund dafür ist die »Flexicurity-Organisation« des Arbeitsmarktes.

»Flexicurity« ist eine besondere, typisch dänische Kombination aus hoher Mobilität der Beschäftigten und einer niedrigen Arbeitsplatzsicherheit, einer relativ hohen Arbeitslosenunterstützung und einer öffentlich finanzierten Beschäftigungs- und Bildungspolitik, auf die alle Bereiche des Arbeitsmarktes großen Einfluss haben. Dieses Modell kann auch als kontrolliert und flexibel bezeichnet werden. Die drei Elemente des »Flexicurity«-Modells stehen in enger Verbindung zueinander und können nicht getrennt werden.

Welche Auswirkungen hat der neuerliche Wahlsieg der bürgerlichen Regierungskoalition auf die dänische Sozialpolitik?
Unsere Regierung sagt einerseits, dass sie die Wohlfahrtsgesellschaft schützen und weiterentwickeln möchte, andererseits bringt sie aber immer mehr Gesetzesentwürfe ein, die unseren Wohlfahrtsstaat schrittweise zu einer freien Marktwirtschaft machen. Zum Beispiel durch die Möglichkeit, private Krankenversicherungen von der Steuer abzusetzen.

Die Regierung schwächt den Einfluss der Gewerkschaften durch die schrittweise Einführung neuer Gesetze. Dabei können wir beobachten, dass Einschnitte gemacht werden, von denen kleinere Gruppen betroffen sind, die Regierung aber sehr vorsichtig ist, wenn die Gefahr besteht, es sich mit einflussreicheren politischen Gruppen zu verscherzen.

Viele europäische Politiker wollen von Dänemark lernen, sei es im Bereich Bildung, sei es Steuer- und Sozialpolitik. Können dänische Politiker auch von anderen europäischen Ländern lernen?
Wir haben engen Kontakt zu Gewerkschaften in Skandinavien und Europa und es kommt dabei zu regem Ideenaustausch. In meinem eigenen Fachbereich, der unter anderem Sozialpolitik umfasst, möchte ich Norwegen hervorheben, von dem wir viel über Politik für ältere Menschen und den Schutz älterer Arbeitnehmer lernen können. In Norwegen hat man sehr gute Erfahrungen damit gemacht, mittels Ansporn und positiven Anreizen ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zu halten.

Kollegin Sorensen, wir danken für das Gespräch.

I N F O R M A T I O N

Das dänische Gewerkschaftssystem

In Dänemark gibt es drei Gewerkschaftsbünde: Der größte davon, die LO (Landsorganisationen i Danmark), vertritt 1,5 Millionen Mitglieder. Weitere Bünde sind der FTF (Zentralverband der Angestellten und Beamten) und die AC (Organisation der Akademiker). Alle drei Gewerkschaftsbünde gehören dem Europäischen Gewerkschaftsbund an.

Die meisten arbeitnehmerrelevanten Fragen werden in Dänemark nicht gesetzlich, sondern über zentrale Tarifvereinbarungen geregelt. Diese sind allerdings zeitlich begrenzt und werden alle zwei bis drei Jahre neu verhandelt. Die jeweiligen Branchengewerkschaften können über sektorenspezifische Fragen weiterverhandeln. In der Regel gelten dann die für die jeweilige Branche ausgehandelten Verträge für alle Regionen. Kommt es zu einer Einigung, müssen die Mitglieder über den Vorschlag abstimmen. Kommt es zu keiner Einigung oder wird das Verhandlungsergebnis von den Mitgliedern abgelehnt, können die Gewerkschaften zum Streik aufrufen bzw. die Arbeitgeber aussperren

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Martin Bolkovac (Politologe, beschäftigt beim Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745930958 Folkepension und Flexibilisierung Dänemark als neues sozialpolitisches Vorzeigemodell? Einige Kommentatoren fürchteten bereits das Ende des nordischen Wohlfahrtsstaates. Doch während die von den Rechtspopulisten tolerierte Koalition aus Rechtsliberalen und Konservativen in der Ausländer- und Außenpolitik einen stramm rechten Kurs fährt, hegt sie kaum Ambitionen, das erfolgreiche dänische Sozialmodell auszuhöhlen. »Hinsichtlich der Sozialpolitik ist die neue Regierung sogar sehr sozialdemokratisch orientiert«, meint der dänische Politologe Christoffer Green-Pedersen von der Universität Aarhus im Interview mit »Arbeit&Wirtschaft«. »Der Regierungswechsel zeigte nur geringe Auswirkungen«, pflichtet ihm sein österreichischer Kollege Marcel Fink vom Institut für Staatswissenschaften bei: »Die Mehrzahl der getroffenen Maßnahmen hatte wenig inhaltliche Auswirkungen. Sie bezogen sich primär auf administrative Belange, wie zum Beispiel in der aktiven Arbeitsmarktpolitik.«

Dänemark schneidet mittlerweile bei fast allen sozialpolitischen Indikatoren besser ab als sein Nachbarland Schweden, das immer noch als Prototyp des universalen Wohlfahrtsstaates angesehen wird. So gibt es in Dänemark etwa keine Selbstbehalte bei Arztbesuchen, eine erwerbsarbeitsunabhängige Grundrente (die »Folkepension«) für alle in Höhe von 1279 Euro, eine Ersatzrate beim Krankengeld von bis zu 100 Prozent sowie Arbeitslosengeld in der Höhe von 90 Prozent des Letztbezuges.

Kündigungsschutz unbekannt

Vor knapp zehn Jahren sah die Entwicklung des dänischen Wohlfahrtsstaates noch weitaus düsterer aus. Die Wirtschaft im skandinavischen Raum steckte in einer schweren Krise, die Arbeitslosigkeit war auf ein Rekordniveau gestiegen. Die Regierung des sozialdemokratischen Premierministers Poul Nyrup Rasmussen (1993 bis 2001) antwortete Mitte der Neunzigerjahre mit einer radikalen Umorientierung der dänischen Arbeitsmarktpolitik. Die Bezugsperiode von Arbeitslosengeld wurde von neun Jahren auf ein Jahr heruntergeschraubt. Bei aktiver Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kann der Anspruch auf die Leistung auf weitere drei Jahre verlängert werden. Leistungen für Arbeitslose werden gestrichen, wenn diese ein Jobangebot nicht annehmen. Die Höhe des Arbeitslosengeldes wurde dagegen nicht angetastet. Auch hielt man das traditionell sehr hohe Einkommensniveau aufrecht. Zwischen 1994 und 1998 wurde zur weiteren Entlastung des Arbeitsmarktes ein zeitlich befristetes »Sabbat-Programm« durchgeführt. Personen über 25 durften zwischen 13 und 52 Wochen Sabbaturlaub machen, während ihre Arbeitgeber einen arbeitslosen Stellvertreter einstellen mussten.

Der dänische Arbeitsmarkt wurde alsbald zu einem der flexibelsten in Europa. Ein Kündigungsschutz ist de facto unbekannt. Der Erfolg lässt sich dennoch nicht leugnen: »Diese Maßnahmen haben in erheblichem Ausmaß zum Rückgang der Arbeitslosigkeit und einem besser funktionierenden Arbeitsmarkt beigetragen«, erklärt Christoffer Green-Pedersen. Die Arbeitslosigkeit konnte bis 2001 tatsächlich von 15% auf vier Prozent gesenkt werden. Mittlerweile gibt es in Dänemark mehr Job- und Weiterbildungsangebote für Arbeitslose als irgendwo sonst in Europa.

Arbeitslosenversicherung freiwillig

Wie in Schweden, Finnland und Belgien ist auch in Dänemark die Arbeitslosenversicherung freiwillig. Zurzeit sind zirka 80% der dänischen Arbeitskräfte in einer der meist von den Gewerkschaften verwalteten Arbeitslosenkassen versichert. Teils organisieren sich diese nach Branchen und Berufen, teils nach Erwerbsstatus. So gibt es eigene Kassen für Arbeiter, Angestellte und Selbständige. Die eingezahlten Beiträge decken dabei nur zirka ein Drittel der Kosten ab, den Rest steuert der Staat aus dem allgemeinen Steueraufkommen bei. Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld ist eine einjährige Mitgliedschaft in einer der derzeit 39 Kassen und mindestens 52 Wochen Erwerbstätigkeit innerhalb der letzten drei Jahre. Die Leistungssätze werden mit 90% des Bruttolohns aus den letzten zwölf Monaten Arbeitsentgelt berechnet. Die Höchstgrenze betrug im Jahr 2005 440 Euro wöchentlich.

Mit Ausnahme der Journalistengewerkschaft schreibt keine dänische Einzelgewerkschaft ihren Mitgliedern die Mitgliedschaft in der von ihr verwalteten Arbeitslosenkasse vor. Umgekehrt ist auch die Mitgliedschaft in einer gewerkschaftlichen Arbeitslosenkasse nicht an eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft gebunden. »Die überwiegend gewerkschaftliche Verwaltung der Arbeitslosenversicherung ist aber nach wie vor ein wesentlicher Schlüssel der gewerkschaftlichen Organisationsfähigkeit«, führt Marcel Fink aus: »Daran hat auch die Etablierung nicht gewerkschaftlicher Arbeitslosenfonds wenig verändert.« »Neu ist nur, dass es nichtgewerkschaftliche Arbeitslosenkassen gibt, die ziemlich erfolgreich sind«, erklärt Christoffer Green-Pedersen.

Generalstreik

Die Macht des dänischen Gewerkschaftsdachverbandes LO ist mit einem Organisationsgrad von 80% auch nach seiner Entkoppelung von der Sozialdemokratischen Partei ungebrochen. 1995 war die gegenseitige Vertretung in den Vorständen und die gewerkschaftliche Parteienunterstützung für die Sozialdemokraten aufgehoben worden. Drei Jahre später rebellierte die Gewerkschaftsbasis sogar gegen die sozialdemokratisch geführte Regierung.

Gegen den ausdrücklichen Wunsch der Gewerkschaftsspitze votierten die Mitglieder für einen Generalstreik. Die zusätzlichen Belastungen durch einen flexibilisierten Arbeitsmarkt sollten zumindest teilweise durch eine sechste Urlaubswoche ausgeglichen werden. Am Generalstreik beteiligten sich an die 500.000 Arbeitnehmer. Dänemark wurde fast zwei Wochen lang lahm gelegt: Flug- und Bahnverkehr kamen zum Erliegen, die Schulen blieben geschlossen. Zwar konnte die Forderung einer sechsten Urlaubswoche für alle nicht durchgesetzt werden, doch erkämpften die Streikenden zwei zusätzliche Feiertage und drei weitere Urlaubstage für Familien.

Links von der Sozialdemokratie

Von 2001 an wird Dänemark vom rechtsliberalen Premierminister Anders Fogh Rasmussen regiert. Er teilt mit seinem Amtsvorgänger nicht nur den gleichen Nachnamen, sondern gab wie dieser die Garantie ab, keine signifikanten Einsparungen im Bereich der Sozialpolitik zu initiieren. Das erscheint durchaus glaubhaft. Zum einen hat sich Rasmussen bereits mit seinem allzu freundschaftlichen Verhältnis zu George Bush und der Entsendung dänischer Truppen in den Irakkrieg den Unmut großer Teile der Bevölkerung zugezogen. Zum anderen haben die Dänen bei der Wahl 2005 neben den Sozialdemokraten noch drei weitere Linksparteien ins Parlament gewählt: Die Radikalen, die Einheitsliste und die Sozialistische Volkspartei. Zusammen vereinigen diese links von der Sozialdemokratie stehenden politischen Kräfte fast 19% der Wählerstimmen auf sich. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Gewerkschaften bilden sie so einen starken Block zur Erhaltung des dänischen Wohlfahrtsstaates.

Im internationalen Vergleich brilliert die dänische Sozialpolitik neben ihrem System der Arbeitslosenkassen vor allem mit dem Alterssicherungsmodell und dem Gesundheitssystem. Jeder, der mindestens drei Jahre lang seinen Wohnsitz in Dänemark hatte (bei Ausländern sind es zehn Jahre), ist berechtigt, mit 65 Jahren eine steuerfinanzierte Volksrente zu beziehen. Die volle Rentenhöhe wird aber erst bei einem Aufenthalt von mindestens 40 Jahren ausbezahlt. Der Grundbetrag der vollen Volksrente betrug 2005 jährlich 7650 Euro. Zusätzlich gibt es beim Nichtvorhandensein zusätzlicher Pensionseinkünfte eine Rentenzulage von 7701 Euro. Während erstere Säule erst bei zusätzlichen Erwerbseinkünften von etwa 32.500 Euro anteilsmäßig gekürzt wird, ist dies bei zweiterer bereits bei Einkünften ab rund 7170 Euro der Fall. Einfacher ausgedrückt: Insgesamt betrug die monatliche Grundrente für Alleinstehende im Jahr 2005 1279 Euro.

 

 Vergleich Schweden - Dänemark (Stand 2005)
 1  Schweden    Dänemark
 Karenztage bei Krankheit  1  0
 Verhältnis Krankengeld zu Letztbezug  80%  100%
 Selbstbehalt bei Arztbesuchen    max. EUR 99  0
 Grundrente (Alleinstehende)   EUR 781     EUR 1279
 Ersatzrate/Arbeitslosigkeit    80%  90%

Quelle: MISSOC Tabellen 2005   

 

Zusatzrente

Die dritte Säule des dänischen Pensionsmodells bildet eine kapitalgedeckte Zusatzrente von höchstens 3000 Euro jährlich. Diese Versicherungsleistung ist wie in Österreich an Erwerbstätigkeit gekoppelt. Die Beitragsleistungen sind jedoch von der Dauer der Erwerbstätigkeit und den geleisteten Arbeitstunden abhängig und nicht vom Verdienst! Die Höhe des Einkommens während des Erwerbslebens ist für die öffentliche Pension Dänemarks vollkommen unerheblich.

Gesundheitssystem

Das öffentliche Gesundheitssystem ist steuerfinanziert und umfasst die gesamte Bevölkerung. Einzige Voraussetzung stellt ein mindestens sechswöchiger Aufenthalt dar. Selbstbehalte für ärztliche Behandlung oder Aufenthalten in Krankenhäusern sind in Dänemark mit Ausnahme zahnärztlichen Leistungen unbekannt.

Beim Krankengeld gibt es keine Karenztage, die ersten beiden Wochen des Krankenstandes müssen aber vom Arbeitgeber bezahlt werden. Die maximale Bezugsdauer ist in der Regel auf 52 Wochen beschränkt. Ist zu erwarten, dass die Erwerbsfähigkeit des Krankengeldbeziehers wieder hergestellt werden kann, ist eine Verlängerung möglich. Die Höhe des Krankengeldes ist bis zu einer Höchstgrenze von 439 Euro pro Woche (2005) mit dem Letzteinkommen ident. So wird kleineren Einkommensbeziehern eine Lohnersatzrate von 100% ermöglicht.

Steuern

Das hohe dänische Sozialleistungsniveau ist nur mit entsprechender Finanzierungsstruktur denkbar. Zum einen werden, genau umgekehrt wie hierzulande, zwei Drittel der Sozialleistungen steuerfinanziert, zum anderen beträgt der Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer durchschnittlich 38%. Und das ohne Freibetragsgrenzen wie etwa in Schweden oder auch in unserem Land. Der Höchststeuersatz von 59% in der höchsten Einkommensteuerklasse ist EuropaSpitze. Bei den Körperschaftsteuersätzen, sowohl den nominalen (30 gegenüber 25% in Österreich) als auch den effektiven, liegt Dänemark im guten europäischen Mittelfeld. Auch die Mehrwertsteuer hat mit 25% deutlich höhere Einnahmen zur Folge als sie der österreichische Satz von 20% ermöglicht. Haupteinnahmequelle ist und bleibt in Dänemark aber die Einkommensteuer, die dem dänischen Staatshaushalt knapp die Hälfte seiner Steuereinnahmen bringt.

Vorbild?

Ist nun Dänemark hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit Vorbild für andere europäische Staaten? Bei Indikatoren wie Altersarmut, Krankenversicherungsschutz oder Einkommensverteilung schneidet Dänemark offensichtlich deutlich besser ab als etwa Österreich. Wirft man darüber hinaus einen genaueren Blick auf die einzelnen Politikfelder, so merkt man, dass Dänemark unter den EU-Staaten die Nase vorn hat. Das gilt sowohl für Sozialausgaben für Arbeitslosigkeit, aktive und passive Arbeitsmarktpolitik, als auch für Aufwendungen für Familien. Nur bei den Ausgaben für Alterssicherung liegt Dänemark im Mittelfeld, während Österreich den Spitzenplatz einnimmt.

Durch den auch finanziell weitaus günstigeren universellen Grundsicherungsaspekt in der Altersvorsorge scheint Dänemark für einen stark ausdifferenzierten Arbeitsmarkt besser gerüstet zu sein als Länder mit einem erwerbsarbeitsorientierten Alterssicherungssystem. »Der Schlüssel zum Erfolg liegt unter anderem in einer gut abgestimmten gesamtwirtschaftlichen Steuerungspolitik. Diese zeigt sich auch in einer wenig zurückhaltenden Lohnpolitik«, resümiert Marcel Fink. »Das dänische Beispiel zeigt uns, dass eine so genannte aktivierende Arbeitsmarktpolitik und ein hoher Absicherungsgrad durch Sozialleistungen kein Widerspruch sein müssen!

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Martin Bolkovac (Politologe, beschäftigt beim Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181745930970 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181745930878 Das Europäische Sozialmodell Beide haben Recht. Die Analytiker, die genau beschreiben was abläuft und die Sozialethiker, die meinen, dass Sozialpolitik als Teil der Gesellschaftspolitik entweder europäisch gedacht wird oder aber dass die Integration Europas an der wesentlichsten Problemstellung, nämlich der berühmten sozialen Frage, scheitern wird.

Die Staaten der Europäischen Union haben sich einhellig im Jahr 2000 dafür entschieden, dass die EU in zehn Jahren zum größten und stärksten, wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen ist, der mit sozialem Zusammenhalt ausgestattet sein muss und der eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent erreichen wird. Ein engagiertes Ziel, allerdings kein utopisches, wie Wissenschafter bestätigen.

Beschäftigte für »soziales Europa«

Die Europäische Union hat ohne Zweifel zur Weiterentwicklung des europäischen Sozialmodells beigetragen - auch wenn es immer wieder Zweifel daran gibt, worin dieses Europäische Modell besteht.

Es sollen jene Punkte herausgestrichen werden, die für die österreichischen GewerkschafterInnen besonders wichtig sind, denn die Verwirklichung eines sozialen Europas hat für sie schon immer eine zentrale Rolle gespielt. Ein ganz wesentlicher Grund und eine herausragende Motivation für den Beitritt Österreichs zur EU war die Chance, das soziale Europa mitgestalten zu können. Die Gewerkschaften in Österreich haben den EU-Beitritt massiv unterstützt. So hat der Autor als ÖGB-Vizepräsident selbst innerhalb von zwei Jahren vor dem Beitritt an 200 Diskussionsveranstaltungen zum EU-Beitritt teilgenommen.

Für viele Österreicherinnen und Österreicher ist ein »Europäisches Sozialmodell« noch immer die Hoffnung, die sie an die EU knüpfen. Dabei sind folgende Elemente besonders wichtig:

1. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit als prioritäres Anliegen der Menschen
Mit dem Lissabon-Prozess hat sich die EU ehrgeizige Ziele gesetzt. Um die bis 2010 angestrebte Beschäftigungsquote von 70 Prozent zu erreichen, wären in der erweiterten Union noch 20 Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Von diesem Ziel ist man noch weit entfernt. Die Menschen in Europa wollen aber gerade die Lissabon-Ziele erreichen.

Die Strategie, Europa zum wettbewerbsfähigsten, wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, ist genau das, was die Menschen wollen und die größte Hoffnung an die Union.

Kombilohn

Verschiedene Modelle der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit werden von den Regierungen Europas angewendet. Ein Modell ist typisch für die Tatsache, dass »gut gemeint, oft das Gegenteil von gut ist«. Das sind die Modelle der Lohnsubventionen aus Steuermitteln oder dem so genannten Kombilohn.

Wird ein Kombilohn richtig verwendet, kann er - gezielt eingesetzt - dort sinnvoll sein, wo Betrieben geholfen werden soll, »Katastrophen« durchzustehen oder Managementfehler zu überleben, wenn der Betrieb an sich gesund und zukunftsträchtig ist. Kombilohn kann auch Sinn machen, wenn dadurch Arbeit im nicht marktfähigen Bereich erzeugt und gesellschaftlich notwendige Arbeit geschaffen wird.

Die Gewerkschaft ist aber gegen die Schaffung eines permanenten zweiten Arbeitsmarktes, wenn mit Lohnsubventionen dem ersten Arbeitsmarkt unfaire Konkurrenz entsteht. Außerdem ist die Gefahr groß, dass »teure« Arbeit durch »billige, subventionierte« ersetzt wird.

2. Viel sinnvoller ist eine kräftige Investition in Bildungssysteme, in Qualifikation und Weiterbildung.
Ein zweites Element des »Europäischen Sozialmodells« ist Bildung und Qualifikation. Da können die Staaten Europas viel voneinander lernen. Eine Folge qualitativer Bildungssysteme ist ja nicht nur eine größere Leistungsfähigkeit der Menschen um damit Produktivitätssteigerungen zu erreichen. Vielmehr ist klar, dass durch wissensbasierte Systeme mehr Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit entsteht - auch zwischen Frau und Mann - wie es schon erklärtes Ziel der EU in den Gründungsverträgen war.

Ziel eines erfolgreichen Bildungsprozesses ist ein menschenwürdiges Europa, in dem der Mensch nicht bloß auf seine Arbeitskraft reduziert wird, sondern als »Gesamtkunstwerk«, als Original und nicht als Kopie, als Individualist und soziales Wesen gesehen wird. Wenn klar ist, dass wir als soziale Wesen aufeinander angewiesen sind und kooperieren müssen, drängt das nächste Element des EU-Sozialmodells ans Licht.

3. Die Mitbestimmung
Mit dem Europäischen Betriebsrat und der Mitbestimmung in der Europäischen Aktiengesellschaft oder den Bestimmungen zur Verschmelzung von Unternehmen sind Rahmenbedingungen geschaffen worden, die es den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, auf Handlungsweisen der Unternehmen zu reagieren.

Aber alle diese Mitbestimmungssysteme müssen ausgebaut und sinnvoller gestaltet werden, denn Mitbestimmung und Mitwirkung sind Konstanten der Humanität, nicht bloß lästige Zugeständnisse, damit die Arbeitnehmer »Ruhe geben«.

Wenn Menschen aufeinander angewiesen sind - und darüber besteht kein Zweifel - dann entsteht daraus das Recht, jene Dinge mitzubestimmen, die die Menschen unmittelbar betreffen.

    * Mitbestimmung im Betrieb
    * Mitbestimmung im Unternehmen und im Konzern
    * Mitbestimmung in der Region
    * Mitbestimmung im Staat.

Dazu braucht man auch Systeme und Instrumente der Mitbestimmung gegenüber dem Staat, wie das in Österreich die Kammern sind.

4. Ein weiteres Element eines europäischen Sozialmodells ist die soziale Sicherheit durch staatlich garantierte Systeme.
Wirtschaftswachstum und Qualität des sozialen Schutzes gehen Hand in Hand und es war und ist erklärtes Ziel des europäischen Sozialmodells, die soziale Sicherheit in den Wechselfällen des Lebens zu stärken. Da gibt es in der EU unterschiedliche Phantasien und unterschiedliche Schulen (Anglikanisches Modell, skandinavisches Modell, Modell der Mittelmeerländer, Modell der Mitteleuropäer, osteuropäisches Modell).

Vorrang haben muss das so genannte Umlageverfahren, die erste Säule in staatlichen Wohlfahrtssystemen. Immer öfter hört man, das Umlageverfahren, wonach Beiträge einbezahlt und sofort wieder in Leistungen umgesetzt werden, sei nicht finanzierbar. Man benötige dringend und immer mehr kapitalstockgedeckte Systeme.Diese Auffassung wird von Experten für grundlegend falsch gehalten. Das zeigt sich am Beispiel der Pensionsfinanzierung:

Jede Erwerbsgeneration muss, egal welches Verfahren angewendet wird, Konsumverzicht leisten, um die junge und die ältere Generation zu ernähren. Wenn die Lebenserwartung der Älteren steigt, muss bei konstanten Beiträgen das Leistungsniveau gesenkt werden oder man erhöht zur Finanzierung eines gleichbleibenden Leistungsniveaus die Beiträge.

Das gilt für das Umlagesystem und das Kapitaldeckungssystem. Damit ist bei beiden Systemen eine grundsätzliche Abhängigkeit davon gegeben, dass die Erwerbstätigen Konsumverzicht leisten, um Mittel für die Versorgung der älteren Generation aufzubringen.

Schaut man sich die Sache genau an, dann sieht man aber die Überlegenheit und die Anpassungsfähigkeit des Umlageverfahrens, denn hier gibt es nur zwei Komponenten zu beachten:

1. Belastungsquotenrisiko
2. Verteilungskosten der Leistungen

Im Kapitaldeckungsverfahren allerdings gibt es viele Kosten und Risikopositionen

    * Abschlusskosten
    * Veranlagungskosten
    * Verteilungskosten
    * Währungsrisiko
    * Veranlagungsrisiko
    * Belastungsquotenrisiko

Das Umlageverfahren ist anpassungsfähig und sicher, daher allen anderen Systemen überlegen. Geschäft ist es keines, für niemanden.

5. Soziale Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn Angebot und Nachfrage auf allen Ebenen funktionieren und daher braucht die Marktwirtschaft Regeln, sie braucht aber auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände zu ihrem Funktionieren.
Wesentliches Element des europäischen Sozialmodells ist die Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft. Sie funktioniert besser als ihr Ruf, ist aber auf EU-Ebene noch ausbaufähig. Nachhaltige Systeme sozialer Sicherheit und wirtschaftlicher Entwicklung beruhen immer auf kooperativen Modellen der Sozialpartner.

Parlamente sind in politischen Fragen kompetent, in ökonomischen Fragen ist die Sozialpartnerschaft kompetenter, das wurde oft bewiesen. In allen Systemen sind Systemlogik und Fachwissen gefragt sowie die Klarheit, dass es eine Konfliktlage zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt, die man auch am Verhandlungstisch bewältigen kann. Soziale Sicherheit kostet Geld, schafft aber Sicherheit, Zufriedenheit und Wohlergehen. Wir müssen uns zu neuen Methoden der Finanzierung durchringen.

Lieblingsthema Globalisierung

Die gemeinsamen europäischen Wertvorstellungen von Solidarität, Gleichheit, sozialer Gerechtigkeit, Internationalismus und der Glaube, dass das soziale und das Wirtschaftsleben den menschlichen Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden sollten, stimmen stark mit den Werten überein, die der Gewerkschaftsbewegung zugrunde liegen.

Das europäische Sozialmodell sollte sich nicht auf Europa beschränken. Die EU sollte ihre sozialen Werte in allen Handels- und Entwicklungsverhandlungen voll Vertrauen befürworten und sicherstellen, dass europäische Unternehmen diese Standards auch außerhalb der Union anwenden.

Die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern und sie im Sinne der arbeitenden Menschen gestalten heißt daher, den Sozialstaat nicht abzubauen, sondern ihn weiter zu entwickeln. Nur so kann ein Rückfall in engstirnigen Nationalismus und Protektionismus verhindert werden.

Nicht alles was schief geht, ist Folge der Globalisierung und nicht jeder Managementfehler, der ein Unternehmen in Grund und Boden fährt, hat die Globalisierung im Hintergrund. Und natürlich tun alle gut daran, sich von dem alten Spruch zu verabschieden: »Wenn die liebe Sonne lacht, hat’s das eigene Land gemacht, gibt es Regen, Sturm und Schnee, war es sicher die EG.« Die negativen Referenden in Frankreich und in den Niederlanden waren ein Weckruf auch für ein soziales Europa.

Alle sollten sich daher dieser Verantwortung bewusst sein.

Was noch zu tun ist

Es muss gelingen, das »sozio-ökonomische Modell Europa« zu entwickeln, das die Erfahrungen der Vergangenheit verwertet, sich aber in neue Gassen bewegt. Dabei ist ein humanistisches Menschenbild nötig, in dem der Mensch nicht nur auf seine Arbeitskraft reduziert wird, die als »Humankapital« am Markt zu handeln ist.

Alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen müssen davon ausgehen, dass der Mensch das Subjekt und nicht Objekt der Wirtschaft ist und die Wirtschaft der Gesellschaft zu dienen hat.

Dass die Wirtschaft nicht Selbstzweck ist, wissen auch die so genannten Neoliberalen. Wer das nicht mehr weiß, sind die Anhänger eines »Pekuniarismus«, die ohne jede Moral alles in Geld bewerten und die Sucht nach dem schnellen Geld ausleben.

Ein neues »sozio-ökonomisches Europa« braucht wieder Moral in Wirtschaft und Gesellschaft. Dann wird möglich, dass die Vision einer Entwicklung weltweiter Gerechtigkeit, Friede und Nachhaltigkeit Wirklichkeit wird. Eine globale Partnerschaft (Global-Marshall-Plan), die eine »win-win«-Situation für alle schafft, könnte faire Entwicklungschancen für die ganze Welt bewirken. Man müsste nur eines tun, um sicher über die Runden zu kommen: Man sollte sich nicht Menschen anvertrauen, die so eine dicke Haut haben, dass sie auch ohne Rückgrat aufrecht stehen können.

Sondern jenen Menschen, die genau überlegen, ehe sie etwas tun. Denn jeder Plan, den man nicht ändern kann, ist schlecht.

 

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Karl Klein (ÖGB-Vizepräsident und Leiter des ÖGB-Referats für Kollektivverträge und Vorsitzender der Fraktion Christlicher Gewerkschafter) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435825 Inhalt Ausgabe Februar 2006 MEINUNG

    Standpunkt: Im Dienste der Menschen

    Leserforum

    Kommentar: Überalterung? Vorsicht: Ideologie!

SCHWERPUNKT:

    Das Europäische Sozialmodell
    Gibt es nicht, sagen die einen. Es gibt viel Modelle, das »skandinavische«, das »mediterrane«, das »kontinentale« und das »angelsächsische«. Gibt es doch, sagen die anderen. Denn wenn der Lissabon-Prozess umgesetzt wird, muss es ein »europäisches sozio-ökonomisches Modell«, also ein »europäisches Sozialmodell« geben.

    Folkepension und Flexibilisierung
    Dänemark als neues sozialpolitisches Vorzeigemodell?
    Mit großer Sorge blickten viele ausländische Beobachter im Feber 2005 auf das skandinavische Land. Zum ersten Mal war mit Anders Fogh Rasmussen ein politisch rechts stehender Regierungschef von den Wählern im Amt bestätigt worden.

    Global statt feudal
    Einer der vielen Systemfehler der gegenwärtigen Globalisierung liegt darin, dass ausgerechnet ihre Gewinner immer weniger Steuern zahlen.

HINTERGRUND:

    Erwerb und Erhaltung von Zusatzpensionen
    Mit der Portabilitätsrichtlinie will die Europäische Union Mobilitätshindernisse ausräumen und bei einem Arbeitsplatzwechsel die Wahrung erworbener Ansprüche sicherstellen.

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Jugendarbeitslosigkeit: Regierung, aufwachen!

    E-Card: Pleiten, Pech und Pannen

    Gesundheits- und Sozialberufe:

    Kollektivvertrag wird zur Satzung

    Gewerkschaftsrechte: Mit Füßen getreten

    Arbeitsverträge: Achtung, Verschlechterungen!

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Verbraucherpreise

    Datenschutz: Überwacht auf Schritt und Tritt

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Österreich: Kaufsucht steigt dramatisch

    Wilhelmine Moik:

    Diese Frau darf nicht vergessen werden

    Dienstleistungsscheck:

    Rückkehr des Taglöhnertums?

INTERNATIONALES

    WTO: Der Egotripp der großen Blöcke

    EU-Finanzplanung 2007-2013: Enttäuschend

    EU-Arbeits- und SozialministerInnen-Treffen:
    Brückenschlag statt Tiefschlag

    EU: Mehr Einsatz für Beschäftigung

    Indien: Aufhebung der Werkschließung gefordert

    Clean Clothes:
    Überprüfung der Arbeitsbedingungen

    Verkehrswirtschaft: Kampf den Missständen

    China-EU: Neuer Streit entbrannt

    Schweiz: Erfolgreiche Bilanz präsentiert

BÜCHER

    Jetschgo/Lacina/Pammer/Sandgruber:
    Industriegeschichte 1848 bis 1955

    Pirker: Märkte als Regulierungsformen

    Karlhofer/Tálos (Hg.): Sozialpartnerschaft.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435220 Inhalt Ausgabe März 2006 MEINUNG

    Standpunkt: »Positiv denken« genügt nicht!

    Leserforum

SCHWERPUNKT:

    »Ich will ein faires Europa für die Arbeitnehmer«
    Die Halbzeitbilanz von Österreichs EU-Präsidentschaft fällt aus Sicht von AK-Präsident Herbert Tumpel schlecht aus. Er fordert: Endlich die Ärmel aufkrempeln und etwas tun für mehr und sichere Arbeitsplätze - in Österreich und der EU.

    Dienstleistungsrichtlinie: Kein Grund zur Entwarnung
    Am 16. Februar 2006 hat das Plenum des Europäischen Parlaments abgestimmt und mit 394 Ja-Stimmen, 215 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen umfangreiche Änderungen zur Richtlinie beschlossen.

    Globaler Trend: Die Umverteilung der Hausarbeit
    »Perlen« aus Ecuador, der Ukraine oder Polen stellen keine Ansprüche. Um rund acht Euro die Stunde putzen und bügeln sie sich durch Österreichs Haushalte.

HINTERGRUND:

    Die Zukunft der AUVA
    2005 bilanzierte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt erstmals nicht mehr positiv. Teile der Wirtschaft verlangen Ausgliederungen oder Privatisierungen. Das »ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulen-System« weist einen Ausweg.

    Melkkuh fürs Budget
    Nach dem Willen der Regierung soll die Post zu 49 Prozent privatisiert und bis spätestens Sommer 2006 an die Börse gebracht werden. Die betroffenen PostlerInnen wehren sich.

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    AMS: Mehr Personal für Beratung erforderlich

    Nahverkehr: Stimmen für Bus und Bahn

    Studie: Interne Sozialpartnerschaft bringts

    Bilanzen: Jedes vierte Unternehmen ist säumig

    Atypisch: Vor allem Frauen betroffen

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Arbeitswelt: Alles bleibt anders

    Verbraucherpreise

    Flexibilisierung: neuer Kampfbegriff

    Derzeit mehr Flexi als (Se)curity

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Altenpflege: Gefordert ist soziale Fantasie

    Kein Auskommen mit dem Einkommen

    Tabakgesetz: Viel Rauch um nichts

INTERNATIONALES

    Deutschland: ver.di geht auf die Barrikaden

    Afghanische Flüchtlinge: Stärkung des Solidaritätspotentials

    Berlin: DGB verlangt Mindestlöhne

    Brüssel: EU prüft europäische »Green Card«

    USA: Keine Mittagspause - Millionenstrafe

    Brüssel: Mehr Ruhepausen für Lkw-Fahrer

    Wien: Neuer Weltgewerkschaftsbund

    Rumänien: »Wo ein Willi ist …«

BÜCHER

    B. Lurger/S. Augenhofer: Österreichisches und Europäisches Konsumentenschutzrecht

    Hans W. Grohs/Alexander A. Maly: So werde ich meine Schulden los

    Michael Hartmann: Elite-Soziologie. Eine Einführung

    Jean Ziegler: Das Imperium der Schande

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435176 Melkkuh fürs Budget Erfolgreich für Österreich«, so lautete der Slogan der ÖIAG (Österreichische Industrieholding AG) und des Finanzministeriums, den diese tagelang in fast allen großen österreichischen Tageszeitungen ganzseitig inserieren ließen. Allein eine Seite in einer großen Tageszeitung kostet rund 17.000 Euro, das sind etwa 13 Mitarbeiter-Monatsgehälter! Soviel zur teuren Privatisierungs-Werbung auf Steuerzahlerkosten. Doch was sind die Fakten?

Es ist nicht wahr, dass der Börsegang der Post allen etwas bringt, wie dies ÖVP, BZÖ, FPÖ, Industriellenvereinigung und Börsenvertreter behaupten. »Grotesk« ist für Gerhard Fritz, Vorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fenmeldebediensteten (GPF), »die Postprivatisierungsdebatte, wenn man die Vergangenheit Revue passieren lässt. Sowohl 2002, 2003 als auch im Jahre 2004 wollten Finanzminister Grasser und seine Manager in der ÖIAG die Post AG an die Deutsche Post AG verkaufen. Nahezu 75 Prozent des österreichischen Infrastrukturunternehmens sollten an die finanzkräftigen Deutschen veräußert werden.

Griff in die Trickkiste

Im Jahr 2004 griffen der Postvorstand und ÖIAG noch tiefer in die Trickkiste. In einer postinternen Unterlage wurde behauptet, auf die Post würde eine EBIT (Betriebsgewinn)-Lücke von knapp 264 Millionen Euro zukommen. Die Strategie war klar. Der Bevölkerung sollte Angst gemacht und vermittelt werden, die Post AG wäre ein unbedingter Verkaufskandidat. Aufgedeckt durch den Zentralbetriebsrat der Post AG, wurde der Deal aus politischen Gründen zum dritten Mal abgesagt. Sechs Monate später stellten die zuvor noch verkaufswütigen Manager fest, die Post wäre plötzlich börsefit«. Um den seit 1996 grundsätzlich bestehenden Plan zu entsprechen, die Post »börsefit« zu machen, wurden schon zahlreiche Vorleistungen von Beschäftigten und Allgemeinheit erbracht. Allein in den vergangenen vier Jahren wurden über 1000 Postämter geschlossen und 3300 Postkästen abmontiert. Derzeit gibt es nur mehr 1338 Postämter, 191 Postpartner und 350 Servicestellen. Weiters wurde der Mitarbeiterstab in den vergangenen fünf Jahren um 9000 Beschäftigte reduziert. Bis 2007 sollen es nochmals 3500 weniger werden, so dass dann die Post statt 35.000 Beschäftige wie im Jahr 1999 nur mehr 23.000 haben soll. Gleichzeitig wurde allein in den Jahren 1996 bis 2002 die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten um 41 Prozent erhöht.

Z E I T T A F E L :

1994/1995: Postreform wird beschlossen.
1996: Die PTA wird als Rechtsnachfolgerin der Post- und Telegraphenverwaltung gegründet. Die PTA bekommt zwei operative Töchter: Mobilkom Austria und Datakom Austria. Erste Vorgabe: Bis Ende 1999 muss die PTA laut Gesetz an die Börse gebracht werden. Dazu kommt es dann nicht.
1997: PTA und Bund einigen sich auf Abbau tausender Jobs (Frühpensionierungen). Das Telekomgesetz wird beschlossen.
1998: Die Trennung von Post, Telekom und Bus unter dem Dach einer Holding wird beschlossen. Postbetrieb und Postbus werden in neue Gesellschaften abgespalten. Der Telekombereich wird in der Telekom Austria AG (TA) verselbständigt.
1999: Gründung der Österreichischen Post AG, rechtliche Verselbständigung.
2000: Der Postautodienst wird abgespalten. In Wien und New York Börsegang der Telekom Austria. Die BAWAG kauf die PSK.
2002: Universaldienstverordnung: Die Post wird zu flächendeckender Versorgung verpflichtet. Auftakt für Postämter-Schließungswellen.
2003/2004: Die Hereinnahme eines strategischen Partners wird debattiert. Die Deutsche Post zeigt Interesse, die Übernahmeverhandlungen platzen aber.
2005: Im April nennt Finanzminister Grasser einen Börsegang im Frühjahr 2006 »realistisch«. Im August bescheinigen Berater Kapitalmarktfähigkeit.
2006: 12. Jänner: Ministerratsbeschluss zu Verkauf von bis zu 49 Prozent über die Börse. Platzierung im Juni erwartet.

Dazu kommt, dass insbesondere die ländliche Versorgung immer mehr ausgedünnt wird, Kunden kilometerlange Strecken zum nächsten Postamt privat zurücklegen müssen. Briefporto, Pakete, Postfächer wurden - zum Teil exorbitant - verteuert, Briefkastenentleerungen finden selbst in der Stadt nur mehr einmal täglich statt und die Post-Geschäftsführung rühmt sich sogar selbst, dass in der Stadt niemand weiter als 1.000 Meter, sprich einen Kilometer, zum nächsten Briefkasten hat, was besonders für ältere Menschen eine Zumutung ist. Im Gegenzug stiegen die Gewinne der Post: Von 2003 bis 2005 wurden in Summe 222 Millionen Euro an Gewinn ausgewiesen und von 2000 bis 2005 insgesamt 535 Millionen Euro an Dividenden ausbezahlt. Diese Superdividenden gingen allesamt an den Finanzminister für seine »Budgetkonsolidierung«, was umgekehrt zur Verschuldung der Post in Höhe von rund 334 Millionen Euro führte, weil diese für ihre Expansionen Bankkredite aufnehmen musste. Die Post war und ist also Melkkuh für Budget und »Nulldefizit«.1)

Bei der jetzt geplanten Privatisierung soll das Geld wiederum nicht der Post, sondern über die ÖIAG dem Finanzminister zufließen, der das Geld dann laut Eigenaussage für die »Forschungsförderung«, tatsächlich wieder für private, vor allem ausländische Großkonzerne verwenden will. Die MitarbeiterInnen sind überhaupt nicht abgesichert: 55 Prozent der Beschäftigten sind Beamte, die zwar nicht gekündigt werden können. Im Falle des Scheiterns des Postverkaufes müssen sie aber mit dem Wegfall der leistungsabhängigen Gehaltsanteile rechnen, was ein Drittel weniger Einkommen bedeutet. 45 Prozent sind Angestellte, die nach dem Angestelltengesetz wie jeder andere Angestellte in Österreich auch gekündigt werden können.

Keine Absicherung

Auch die Beteuerung, dass die Post rot-weiß-rot bleiben würde, ist laut Gerhard Fritz in Frage zu stellen: Die 51 Prozent Staatsanteile sind durch nichts abgesichert. Tatsächlich haben Vizekanzler Gorbach und Grünen-Chef Van der Bellen sich schon für eine Vollprivatisierung der Post ausgesprochen. Die SPÖ ist gegen eine Postprivatisierung in diesem Jahr. Der Vorschlag der GPF, den 51 Prozent Staatsanteil in die Verfassung zu schreiben, wurde von Bundeskanzler Schüssel und Vizekanzler Gorbach ausgeschlossen.

Auch von der »Volksaktie« hält Gerhard Fritz nicht viel: »Die überwiegende Mehrheit unserer Kolleginnen und Kollegen muss mit durchschnittlich 1300 Euro monatlich netto auskommen. 5 Prozent der Post haben, wenn man die öffentlichen Angaben über die Post glauben kann, einen Wert von knapp 1500 Euro pro Mitarbeiter und Mitarbeiterin. Wie sollen sich meine Kolleginnen und Kollegen bei diesem Einkommen leisten können, ihr schwer verdientes Geld in Aktien anzulegen. Die »Volksaktien«-Idee ist auch für Gottfried Zauner, Vorsitzender des Personalausschusses der Post AG und Landesvorsitzender der GPF in Oberösterreich ein Schmäh: »Wir verkaufen ein paar Prozent von dem, was ohnehin dem Volk gehört, an jene paar Prozent des Volkes, die sich Aktien leisten können und wollen! Die Privatisierung der Post AG muss sofort gestoppt werden!«

Tatsächlich hat sich schon beim Börsegang der Telekom gezeigt, dass zwei Drittel der Aktionäre Großanleger (Banken, Fonds, Versicherungen usw.) aus dem Ausland kamen, nur 25 Prozent waren Kleinaktionäre. Weder die breite Masse der Bevölkerung, noch die Postbeschäftigten verdienen so viel Geld, dass sie sich Aktien leisten können. So besitzen nur sieben Prozent der Bevölkerung Aktien.2) Bei der Telekom Austria sind nach Aussagen von Betriebsratsvorsitzenden Michael Kolek etwa nur 0,6 Prozent der Aktien in Mitarbeiterhand.3) Daher fürchtet GPF-Chef Fritz, dass nach einer Privatisierung die Post AG dann sehr schnell ein Übernahmefall für Finanzhaie auf dem Kapitalmarkt werden könnte.

Die Regierung hat auf den eingangs erwähnten ganzseitigen Zeitungsinseraten auch die Sicherung der Arbeitsplätze versprochen. Doch Post-Generaldirektor Anton Wais musste selbst indirekt zugeben, dass weiterer Personalabbau stattfinden wird, wenn er in einem Interview bezüglich Jobgarantien folgendes sagt: »Wir geben überhaupt keine Garantien ... Wir haben 8000 Beschäftigte ... ohne Streiks ... abbauen können. Wir sind zwei Drittel des Weges bereits gegangen, ein Drittel steht uns noch bevor. Und in Wahrheit glauben wir, dass wir das sehr gut schaffen können.«4)

So agieren private Anbieter

Wie private Postdienstanbieter agieren, das zeigt sich bei »Redmail«: Der private Post-Hauptkonkurrent hat seit 2002 keine Austräger mehr angestellt. Alle haben nur Werkverträge als Ein-Mann-Unternehmer (vor allem Asylwerber), wo sie für 500 Euro pro Monat mit einem Tag Urlaub im Jahr ohne Lohnnebenkosten, keinen arbeitsrechtlichen Schutz, keine Pension haben. Bei Krankheit muss selbst Ersatz gefunden werden!

Laut eine österreichweiten »market«-Umfrage sind 77 Prozent der Österreicher dafür, dass die Post weiter in öffentlicher Hand bleibt. Eine »Oekonsult«-Umfrage hat ergeben, dass fast zwei Drittel der Bevölkerung nach einem Teilverkauf der Post mit weiteren Postamtsschließungen, fast drei Viertel mit spürbaren Verteuerungen der Postdienstleistungen, 58 Prozent mit einem massiven Stellenabbau und fast 80 Prozent damit rechnen, dass ihr Zusteller den Job verliert.

1) siehe: W. Leisch: Posträuber,»A&W, 4/2005, Seite 20-21«
2) Stefan Zapotocky, Wiener Börsevorstand, Die Presse 17. 1. 2006
3) Die Presse, 14. 1. 2006
4) ZIB 2, ORF, 12. 1. 2006, zit. nach: APA DeFacto Datenbank & Contentmanagement GmbH.

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Wilfried Leisch (Freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435160 Die Zukunft der AUVA Seit Jahren wird bei der sozialen Krankenversicherung die Ersetzung der gesetzlichen Pflichtversicherung durch eine private Versicherungspflicht gefordert. Nun wird auch die AUVA als Defizitbringer hingestellt und es werden Privatisierungspläne gewälzt.

Bei den Krankenkassen diente als Begründung deren Dauerdefizit, das 2006 auf voraussichtlich 283 Millionen und 2007 auf über 400 Millionen Euro ansteigen soll1). Was nie dazu gesagt wird ist der Umstand, dass dieser finanzielle Aderlass darauf zurückzuführen ist, dass den Kassen seit Jahren die erforderlichen zusätzlichen Mittel vorenthalten werden, während Arzthonorare, Medikament- und Spitalskosten steigen - und bezahlt werden.

Keine Ausweichmöglichkeit

Weder erhalten die Kassen einen Ersatz für die Einnahmenverluste aufgrund der ständig steigenden Arbeitslosigkeit (diesen Winter bei über 380.000 Menschen), noch dürfen sie auf andere Finanzierungsquellen wie eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage auf die reale Wertschöpfung der Wirtschaft (z. B. Gewinne, Abschreibungen, Einkünfte aus Verpachtung und Vermietung usw.) ausweichen2).

Stattdessen werden weitere gesunde Bereiche der Sozialversicherung in diese Art von Gesundheitspolitik hineingezogen. Um das nicht selbstverschuldete »Defizit« der Krankenkassen3) abzudecken oder zu reduzieren, wurden zuletzt im Vorjahr 100 Millionen Euro von der AUVA zu den Kassen umgeleitet. Damit schrieb die AUVA 2005 erstmals ein Minus.

So wird eine unausweichliche Situation konstruiert, in der dann Privatisierungsrufe in der Öffentlichkeit auf fruchtbaren Boden fallen sollen. Nach der gesetzlichen Krankenversicherung erscheint nun auch die Unfallversicherung mit ihren Unfallkrankenhäusern (UKH) und Rehabiltationszentren (RZ) als Defizitbringer.

Der Unfallversicherungsbeitrag beträgt derzeit 1,4 Prozent bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Zwischen 1964 und 2005 wurden aus dem Budget der AUVA von den verschiedenen Regierungen insgesamt 899,4 Millionen Euro entnommen. Seit dem Jahr 2000 wurden der AUVA zusätzliche Leistungen und Aufgaben abverlangt, die ihre finanziellen Kapazitäten mittlerweile übersteigen: Übertragung der Entgeltfortzahlung zu 50 Prozent nach Freizeitunfällen für Unternehmen mit weniger als 51 Beschäftigten. Dies kommt einer Beitragssenkung auf 1,3 Prozent gleich.

Seit Jänner 2005 muss die AUVA auch die Entgelfortzahlung im Krankheitsfall ab dem 11. Krankenstandstag zu 50 Prozent übernehmen. Dies macht laut AUVA-Geschäftsführung eine weitere Beitragssenkung auf 1,2 Prozent aus.

Im September 2005 musste die AUVA schließlich aus ihren Rücklagen die oben bereits angeführten 100 Millionen Euro in den Ausgleichsfonds der Krankenkassen überweisen. Verschärfend kommt die mangelnde Kostenwahrheit für die AUVA-Einrichtungen hinzu. Das heißt die AUVA bekommt die Kosten für Fremdpatienten im Sinne des leistungsorientierten Krankenhausfinanzierungssystems (LKF) wie es für alle anderen Krankenanstalten üblich ist nicht adäquat ersetzt und muss überdies für Arbeitsunfälle, die nicht in AUVA-Einrichtungen behandelt werden, einen überhöhten Pauschalbeitrag leisten. Die jährlichen Kosten dafür beziffert die AUVA mit deutlich über 100 Millionen Euro.4)

I N F O R M A T I O N

AUVA - Gesundheit statt Gewinn

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist als Non-Profit Unternehmen nicht auf Gewinn ausgerichtet und wird vom Rechnungshof überprüft. Der Fokus liegt am optimalen Einsatz der Mittel für die Gesundheit der Versicherten. Nur sieben Prozent der Aufwendungen fließen in die eigene Verwaltung, der Rest der Mittel kommt den Versicherten zugute. Jährliche Überschüsse, die wieder in das Sozialversicherungssystem eingebracht oder dem Staatshaushalt zugeführt werden, bilden die Regel. Von den rund 5000 Mitarbeitern der AUVA sind 73 Prozent in Heilstätten, 19 Prozent in Kundendienststellen (Unfallverhütung, Leistungen, Sicherheits- und Sozialberatung, etc.) und rund acht Prozent im Servicebereich tätig. In der AUVA sind 2,65 Millionen unselbständig Erwerbstätige, 350.000 Selbständige und 1,3 Millionen Schüler und Studenten versichert.

Die AUVA wird bewusst ins finanzielle »AUS« manövriert, zeigt sich daher der Vorsitzende des AUVA-Zentralbetriebsrats, Wolfgang Gratzer, empört: »Jetzt werden Beiträge direkt an die Unternehmer zurückgeleitet. Und ist die AUVA erst einmal nicht mehr liquid - dieses Szenario wird für 2008 prognostiziert - wird jeder ›vernünftige‹ Mensch einsehen, dass man das kranke Unternehmen von Grund auf sanieren muss und somit einen Vorwand zur Privatisierung der UKH’s hat.«

Dass das finanzielle Desaster politisch beabsichtigt und gezielt herbeigeführt wurde, wird dann weitgehend vergessen und als Lüge abgetan werden. Nachdem die im Regierungsübereinkommen festgelegte Filetierung der AUVA zwar nicht umgesetzt wurde, bewirken nun diese Maßnahmen bereits mittelfristig eine Aushöhlung der Unfallversicherung in ihrer heutigen Form und gefährden somit einen wesentlichen Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung«.5)

Nachhaltige Maßnahmen gefordert

Statt herumzudoktern und Millionen von einem Sozialversicherungsträger zum anderen herumzuschieben, sollte man nachhaltige und vorbeugende Maßnahmen setzen. Dabei warteten die BelegschaftsvertreterInnen aufgrund der Erfahrungen der letzen Jahre nicht auf Segnungen von oben, sondern schritten gemeinsam in Abstimmung und Kooperation mit AUVA, ÖGB, AK, GPA und den anderen Sozialversicherungsträgern und auf der Grundlage des von ÖGB und AK beschlossenen Programms »AUVA-PLUS«6), selbst zur Tat. Es entstand das »ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulen-System«.

Die AUVA ist kein Selbstzweck. Sie ist zur Vermeidung und Reduktion von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ins Leben gerufen worden. Ihre Arbeit beruht auf den vier Säulen Prävention, Unfallheilbehandlung, Rehabilitation und Berentung. Während laut ILO (International Labor Organisation) und WHO (World Health Organisation) weltweit die Anzahl der Arbeitsunfälle steigt, ist sie in Österreich kontinuierlich rückläufig - in den letzen zehn Jahren um mehr als 30 Prozent. Das ist eine jährliche Kostenersparnis von rund 600 Millionen Euro durch Arbeitsunfallprävention, für die jährlich bloß ein Zwölftel (50 Millionen Euro) ausgegeben werden!

Ebenso erfolgreich ist die AUVA bei der Bekämpfung der Berufskrankheiten. Keinen gesetzlichen Präventionsauftrag hat die AUVA derzeit bei arbeitsbedingten Erkrankungen. Prävention erfolgt hier mangels klaren Gesetzesauftrags bisher nur im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beratungen durch AUVASICHER.

Die Erfolgsgeschichte der AUVA, der Rückgang der Unfälle und damit der Behandlungen in den UKH, nehmen nun Teile der Wirtschaft zum Anlass, die Herauslösung der UKH aus der AUVA zu verlangen. Während - im Gegensatz zu Deutschland wo diesbezügliche Maßnahmen gesetzt werden - in Österreich immer mehr Arbeitsunfallopfer in allgemeinen Krankenhäusern behandelt werden und damit immer mehr Menschen nicht in den Genuss der Betreuung durch dafür spezialisierte Einrichtungen kommen, haben gleichzeitig private Krankenhausbetreiber ein steigendes Interesse an den UKH, um die unbestrittene Spitzenmedizin profitsteigernd für ihr privates Klientel zu nutzen. Während also bislang jeder unabhängig von Einkommen Spitzenmedizin erhält, laufen diese Pläne darauf hinaus, dass Spitzenmedizin nur mehr für Spitzenverdiener zur Verfügung stehen soll.

Daher ist die Hauptforderung der AUVA-Belegschaftsvertreter, die AUVA mit ihren UKH und RZ nicht nur voll und ganz zu erhalten und auszubauen, sondern auch um den bisher vernachlässigten Bereich der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen zu erweitern: »Ein aktiv betriebener Arbeits- und Gesundheitsschutz reduziert nicht nur Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen, sondern auch Fehlzeiten und Betriebsstörungen und steigert damit die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen«, weiß der Präventionsexperte der AKNÖ, Christoph Lechner, der das »ZBR-Zukunftskonzept« fachlich begleitet und betreut hat.

Koordinierte Unfallprävention

Erforderlich ist nach ZBRV Wolfgang Gratzer ein umfassendes Präventionsgesetz, ein gesetzlicher Auftrag an die AUVA, die Unfallprävention insgesamt zu koordinieren und als Kompetenzzentrum mit seinen Einrichtungen (UKH und RZ) zu unterstützen. Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: Der Beitrag zu Unfallversicherung von 1,4 Prozent muss erhalten bleiben. Erfolgte stille Beitragssenkungen müssen rückgängig gemacht und Rücklagen dürfen nicht zweckentfremdet abgezweigt werden.

Da arbeitsbedingte Erkrankungen nach dem Verursacherprinzip den Arbeitgebern zuzuordnen und 50 Prozent des gesamten Krankheitsgeschehens arbeits(mit)bedingt sind, soll die AUVA vom Gesetzgeber die Prävention von arbeits- und berufsbedingten Erkrankungen übertragen bekommen und dieses Gesundheitsziel auch in die Unternehmensziele der Betriebe aufgenommen werden. Gleichzeitig wäre das Aufgabengebiet der AUVA auf Freizeitunfälle auszuweiten. Für diese zusätzlichen Präventionsaufgaben soll das derzeit dafür vorgesehene Jahresbudget von 50 Millionen (fünf Prozent) auf 100 Millionen Euro angehoben werden. Christoph Lechner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies bereits jetzt gemäß den erläuternden Bemerkungen im ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) zur bisherigen gesetzlichen Präventionsarbeit der AUVA grundsätzlich vorgesehen ist.

Schon jetzt sind die 50 Präventionsmillionen jährlich gut investiert, bringen sie doch das 12-fache an Kostenersparnis durch Reduktion von Arbeitsunfällen (600 Millionen Euro jährlich). Dieser Umstand beweist auch, dass die AUVA bereits bewiesen hat, dass sie in der Prävention glaubwürdig und kompetent agieren kann.

Wie groß der wirtschaftliche Nutzen durch ein umfassendes Präventionsgesetz in Zukunft wäre, zeigen allein die Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) über den ökonomischen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung. Danach macht das Einsparpotenzial durch Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt jährlich bis zu 3,6 Milliarden Euro aus. Der Hauptteil dieser Effekte wird durch die erwartete sinkende Anzahl an Neuzugängen zur Erwerbsunfähigkeitspension mit 1,4 Milliarden Euro an vermiedenem Produktionsausfall angegeben. Der zweithöchste Posten ist jener der vermiedenen Krankenstandskosten auf gesamtwirtschaftlicher Ebene mit Einsparungen bis zu maximal 1,04 Milliarden Euro.7)

Drängende Problematik

Wie drängend die Problematik ist zeigt die Statistik: Allein von 2003 auf 2004 stieg die Zahl der Neuzugänge bei den Invaliditätspensionen um fast 50 Prozent von knapp 22.600 auf 33.700 Menschen an.8) Selbst die Pensionsreformkommission der Bundesregierung kommt zu dem Schluss, dass ca. ein Drittel der Invaliditätspensionen durch Prävention vermeidbar wäre.

Neben den derzeit rund 100.000 Arbeitsunfällen im Jahr vor - 20 Jahren waren es noch doppelt so viele - sind noch 733.000 Verkehrs-, Haushalts- und Freizeitunfälle für eine wirksame Prävention von Bedeutung. Könnte die AUVA auch in diesen Aufgabengebieten präventiv tätig werden, ergäbe das einen ungemeinen volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen: So ereigneten sich in Österreich 2004 in Summe 833.000 Unfälle mit Folgekosten von rund sechs Milliarden Euro, weiß Christoph Lechner.

Das 4-Säulen-Prinzip

Das 4-Säulen-Prinzip (Prävention, Unfallheilbehandlung, Rehabilitation, Berentung) »Alles aus einer Hand« ist nach dem Konzept des AUVA-Zentralbetriebsrates dadurch zu festigen und auszubauen, dass die AUVA in Zukunft der einzige Unfallversicherungsträger in Österreich wird, dass die AUVA auch in Zukunft ihre eigenen Einrichtungen (UKH, RZ) mit eigenem Personal führen kann, Kostenwahrheit nicht nur für die allgemeinen Krankenhäuser, sondern auch für die AUVA-Einrichtungen Geltung hat und die Rentenleistungen der AUVA bei dieser verbleiben und nicht auf die Pensionsversicherung (PV) übertragen werden. Dies wäre nämlich nicht nur unsozial (Arbeitsunsfälle geschehen ja im Unternehmen) und bürokratischer, sondern würde auch der wirtschaftlichen Motivation der Unternehmen, diese Zahlungen nach Möglichkeit zu verhindern, widersprechen.9)

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Zu teure Unfallversicherung?

Derzeit macht der Beitrag zur Unfallversicherung 1,4 Prozent aus. Damit liegen die österreichischen Unternehmer weltweit sensationell gut. So liegen etwa in Kalifornien die Unfallversicherungsprämien bei sechs Prozent der Lohsumme, in Belgien für Arbeiter bei vier Prozent. Und in Neuseeland musste die Privatisierung der Unfallversicherung nach einem Jahr wieder rückgängig gemacht werden, weil Proteste wegen der hohen Beiträge und Betriebsabwanderungen die Folge waren. Zudem kommt, dass private Versicherungen keine Ablöse der Unternehmerhaftung übernehmen, was, wie z. B. in den USA, aber auch schon im EU-Raum üblich, regelmäßig zu kostspieligen Schadenersatzklagen führt.

Die organisatorischen und personellen Ressourcen für eine schnelle und kompetente Umsetzung einer solchen ganzheitlichen Gesundheitspolitik wären schon jetzt vorhanden.10) Warum bearbeitet dann die AUVA nicht schon längst diesen Zukunftsbereich? »Weil der politische Wille bisher dazu fehlte. Die Kleingewerbetreibenden hoffen, dass die Erkrankung von Arbeitnehmern nicht bei ihnen passiert. Die Großindustrie wiederum zahlt lieber die Reparatur, solange die Krankenversicherung (70 Prozent) und die Pensionsversicherung, also überwiegend die Arbeitnehmer selbst, die Folgen einer Erwerbsunfähigkeit bezahlen und schieben daher in der AUVA, wo die Unternehmen 100 Prozent für die Prävention bezahlen, die Fälle in die Kranken- und Pensionsversicherung ab.

Dieser gordische Knoten kann und muss mit einem umfassenden Präventionsgesetz durchschlagen werden. Für diese Aufgabe(n) müsste man die AUVA, wenn es sie nicht schon gäbe, neu erfinden«, so der AK-Präventionsexperte Christoph Lechner.

1) Prognose des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, lt. Die Presse, 5/6. Jänner 2005
2) Wilfried Leisch: Kranke Gesundheitspolitik, Arbeit&Wirtschaft 12/04, S. 12-16
3) Wilfried Leisch: Kein Geld für die Kassen? Arbeit&Wirtschaft 6/04, S. 14-15
4) ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulensystem, November 2005, S. 3
5) AUVA-ZBRV Wolfgang Gratzer, Dezember 2005
6) Offensivkonzept AUVA PLUS, Arbeitsgruppe ÖGB/AK, 2. 4. 2003
7) IHS: Ökonomischer Nutzen Betrieblicher Gesundheitsförderung, Endbericht, Studie im Auftrag des Bundeskanzleramtes, Sektion Sport, Mai 2004
8) ÖGB infoGRAFIK, ÖGB-Nachrichtendienst Nr. 3237/2005
9) 24-Punkte Programm des AUVA-ZBR zur Zukunft der AUVA
10) Wilfried Leisch: Arbeiten bis zum Umfallen? Arbeit&Wirtschaft 6/05, S. 32-36

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Wilfried Leisch (Freier Journalist in Wien) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435097 Globaler Trend | Die Umverteilung der Hausarbeit Flor ist eine wirkliche Perle. Die putzt nicht nur billig, sondern auch mit Liebe. Jetzt hat sie sogar die Zweitschlüssel zur Wohnung. Da kann sie abends kommen, wenn sie bei ihrer Leihfirma fertig ist und ich bei einer Sitzung bin. Es ist ein gutes Gefühl, dann müde nach Hause kommen und rein ins frischgemachte Bett.« (Zitat einer österreichischen Akademikerin.) Internationale Studien der letzten Jahre sprechen von einer »Feminisierung der Migration«. Mittlerweile emigrieren weltweit mehr Frauen als Männer. Drei Tätigkeitsfelder charakterisieren die »feminisierte« internationale Wanderbewegung: Die Gastronomie, die Unterhaltungsindustrie - wozu auch die Prostitution gehört - und die Arbeit in privaten Haushalten, die mittlerweile der größte Sektor ist. Frauen aus Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika ziehen in die westlichen Industriestaaten, um dort Arbeiten zu verrichten, die seit Jahrhunderten als weiblich gelten.

»Sie sind Teil eines globalen Trends, in dem sich feudale Vergangenheit und emanzipatorische Gegenwart vermischen«.

Cooking, Caring und Cleaning sind die »Chancen«, die sich den wandernden Frauen bieten. Nicht wenige davon sind Akademikerinnen oder haben zumindest Matura. »Sie sind Teil eines globalen Trends, in dem sich auf seltsame Weise feudale Vergangenheit und emanzipatorische Gegenwart vermischen«, kommentiert die deutsche Sozialwissenschafterin Helma Lutz. Sie forscht an der Universität Münster zum Thema »Hausarbeiterinnen im Zeitalter der Globalisierung« (www.uni-muenster.de/fgei) und stellt fest, dass Modernität durchaus archaisch geprägt sein kann. Eine Hypothese, die sich am äußerst »modernisierungsresistenten Arbeitsplatz Haushalt« deutlich bewahrheitet. Denn die Arbeit in privaten Haushalten ist, so die Sozialwissenschafterin, »nicht nur Arbeit, sondern eine besondere vergeschlechtlichte Aktivität, die emotional hochgradig mit Bedeutungen und Interpretationen darüber verbunden ist, wer wir als Männer und Frauen sind und wer wir sein wollen.«

Nach Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung beschäftigen fast vier Millionen deutsche Haushalte bezahlte Hilfskräfte - vor allem illegal. Die Statistik Österreich schätzt die illegal erbrachten haushaltsbezogenen Dienstleistungen auf rund 396 Millionen Euro im Jahr 2001. »Geht man von einem Stundenlohn von acht Euro aus und nimmt man eine durchschnittliche Jahresarbeitszeit von 273 Stunden an, errechnet sich eine Beschäftigtenanzahl von bis zu 180.000 Personen«, listet das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit auf und stellt eine Fußnote bei: »In Österreich sind in privaten Haushalten derzeit etwa 3500 unselbständige Arbeitskräfte offiziell gemeldet. Dazu kommen cirka 7000 geringfügig Beschäftigte.«

Handlungsbedarf ist also gegeben. Mit dem Dienstleistungsscheck, der seit Jahresbeginn in ausgewählten Trafiken und Postämtern erhältlich ist (siehe www.oegb.at/frauen) wurde ein Modell vorgelegt, das dem Anspruch der Regierung »ein wichtiges beschäftigungs- und sozialpolitisches Instrument« zu sein, kaum gerecht wird. Das Bekenntnis lautet: »Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht das Regierungsprogramm die Förderung des ›Unternehmens Haushalt‹ vor.« (BMWA vom 29. März 2005, siehe die Homepage). Die Bundesarbeitskammer begrüßt grundsätzlich »das Ziel, die unangemeldete Beschäftigung in Privathaushalten einzudämmen und den dort Beschäftigten zu einem legalen Arbeitsverhältnis mit dem damit verbundenen sozialrechtlichen Schutz zu verhelfen.« Mit dem Dienstleistungsscheck würden die betroffenen Arbeitnehmerinnen allerdings von wichtigen arbeitsrechtlichen Standards ausgeschlossen. Sie müssen höhere Beiträge in die Sozialversicherung leisten als andere Dienstnehmer, werden aber bei der Krankenversicherung schlechter gestellt. (Siehe A&W Feber 2006, Seite 30.)

Flexibilität und Mobilität gefordert

Das Problem geht aber noch tiefer. Es geht um das »Unternehmen Haushalt«, das durch »Förderungsbestrebungen« der oben zitierten Art die Hausarbeit dort belässt, wo sie seit voremanzipatorischen Zeiten hinzugehören hat: in weibliche Hände. Alternative Modelle zur Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen scheitern am großen Einkommensunterschied, die durch geschlechtsspezifische Berufswahl fortgesetzt wird. Auch die Arbeitsmarktstrukturen bieten Männern in höheren und mittleren Berufen bessere Karrierechancen. Dazu kommen zahlreiche strukturelle Ursachen, an denen die Umverteilung zwischen den Geschlechtern scheitert. Zunehmend wird von ArbeitnehmerInnen Flexibilität und Mobilität gefordert, die sich nicht mit der Betreuung von Kindern, Alten und Pflegebedürftigen verbinden lässt.

Trotz aller Rhetorik und tatsächlich erfolgten Bemühungen gibt es die Gleichverteilung von Haus-, Pflege- und Versorgungsarbeit nicht. Die deutsche Sozialwissenschafterin Marianne Friese geht davon aus, dass »die Reaktion auf diese nicht stattgefundene Gleichverteilung der Reproduktionsarbeit ein neues Geschlechterarrangement darstellt, bei dem der weibliche Part des Arrangements in weiblichen Händen bleibt«. Nicht in den eigenen, sondern in denen einer - ethnisch und sozial - anderen Frau. Mit dem Dossier »Deutschlands neue Dienstmädchen«, das am 19. August 2004 in der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit« erschien, wurde die öffentliche Diskussion um das »Phänomen Putzfrau« neuerlich belebt. Die Tätigkeit des Saubermachens privater Haushalte hat durchaus öffentlichen Charakter. Helma Lutz: »Es geht um den Zusammenhang zwischen internationalem Arbeitsmarkt, dem Arbeitplatz Privathaushalt, um Illegalität und transnationale Migration.«

Die Umverteilung von Hausarbeit auf eine andere Frau ist weitgehend akzeptiert, kommentiert Helma Lutz in ihrem Aufsatz »Der Privathaushalt als Weltmarkt für weibliche Arbeitskräfte«, »weil sie in der Logik des Doing-Gender verbleibt, keine Irritation hervorruft und gängige Identitätsmuster nicht in Frage stellt.« Ein neuer Weltmarkt »Hausarbeit« ist entstanden, bei dem Arme wieder Reichen dienen. Die Philippinen exportieren Arbeitskräfte wie andere Länder Kaffee oder Kakao. 70 Prozent der Auswanderer sind Frauen. In Singapur, Taiwan, Saudi-Arabien, Kuwait und Hongkong haben die Behörden mit Entwicklungsländern wie den Philippinen eine Art Freihandelsabkommen. Es lautet: Ihr schickt uns Dienstmädchen, wir geben ihnen Geld und Arbeitserlaubnis. Seitdem ist die Hausarbeit dem Kapital gleichgestellt. Sie zieht frei und legal von Land zu Land …

Ungeschützter Markt

Aus dem Pflege- und Versorgungsbedarf der westlichen Industriestaaten hat sich ein ungeschützter Arbeitsmarkt entwickelt, der sich von anderen durch seinen Charakter und die Entlohnung unterscheidet. Die irreguläre Beschäftigung ist ein wesentliches Merkmal des Haushaltssektors. In ihrem Buch »die weibliche Seite der Globalisierung« stellen die Wissenschafterinnen Barbara Ehrenreich und Arlie Russel Hochschild in allen OECD-Ländern eine vergleichbare Entwicklung fest. Besonders gut ausgebildete Frauen würden die Länder der »Dritten Welt« verlassen, um sich in OECD-Ländern als Haushaltsarbeiterinnen zu verdingen. So würden ambitionierte und unabhängige Frauen der Welt zusammengebracht. »Es führt sie allerdings nicht so zusammen, wie sich dies die Feministinnen in den reichen Ländern der Welt einmal vorgestellt hatten - als Schwestern und Verbündete für gemeinsame Ziele kämpfend. Stattdessen kommen sie als Herrin und Dienstmädchen zusammen, als Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin, von einander getrennt durch Privilegien und Chancen.«

»Meiner Putzfrau gegenüber war ich am Anfang ziemlich unterwürfig«, berichtet die studierte Ethnologin Martha1). aus Salzburg, die früher in Lateinamerika und Afrika völkerkundliche Studien unternommen hatte und nunmehr als akademische Hilfskraft im Sozialbereich tätig ist. Derzeit absolviert sie ihr zweites Studium, in der Hoffnung irgendwann eine Arbeit zu finden, bei der sie weder unterfordert noch unterbezahlt ist. Zeit hat sie keine, dafür schlechtes Gewissen gegenüber Rosa1), der »Frau, die mir beim Aufräumen hilft«. Diese bekommt acht Euro die Stunde, Martha S. verdient nur wenig mehr.

Private Gefühle

Zunehmend outen Kommentatoren ihre privatesten Gefühle gegenüber ihren Putzfrauen. Männer umgehen das Dilemma eher, indem sie auf Distanz gehen. »Warum eigentlich beschäftigen so viele Frauen eine Putzfrau?«, fragt sich Michael Allmeier in seinem Beitrag »Herrin im Haus: Warum wir so freundlich zu unserer Putzfrau sind.« (Die Zeit, 18. 03. 2004). Die Arbeit sei weder sonderlich anspruchsvoll noch allzu beschwerlich. »Trotzdem gibt mancher mehr dafür aus, als er selbst in der Stunde verdient.« Dies ist zwar bei einem Stundenlohn von rund acht Euro doch eher selten der Fall. Aber die »Perlen« sollen möglichst unauffällig in Erscheinung treten. Es scheint angenehm, dass eine Putzfrau »möglichst wenig mit uns gemein hat. Sprachbarrieren sind willkommen. Altersunterschiede auch. Anders gelagerte Interessen setzt man voraus. Wir wollen keine Studentin, die in sich hineinlacht, während sie unsere gesammelten Buchclubklassiker abstaubt. Wir wollen eine Putzfrau, die von unserem Leben möglichst wenig mitbekommt und darüber mit niemanden, der uns kennen könnte, spricht.« Auch eine Lösung.

Manche Männer suchen die Putzfrau ihres Lebens am Heiratsmarkt. Der Gänserndorfer Peter P.1) etwa fuhr zu dem Zweck »hinunter auf die Dominikanische Republik«, wie es sein Nachbar auch getan hatte. Zu Beginn war es »eine Super-Ehe. Alles pico bello, die unsrigen sind sich zum Putzen ja zu schade«, gibt er bei der Scheidungsverhandlung zwei Jahre später zu Protokoll. Dann habe »sie« Kontakt mit den Frauen einer Beratungsstelle bekommen, die ihr den Kopf verdreht hätten. Ab diesem Zeitpunkt hättte es keine sorgfältig gebügelte Bettwäsche, kein spezielles Diätessen mehr gegeben.

Und das, obwohl Herr P. Diabetiker ist. Die Ehe wird aufgrund der unheilbaren Zerrüttung und Unvereinbarkeit der Charaktere aufgelöst. Die geschiedene Frau P. fährt mit dem Bus zu ihrer Schwester, ihrerseits verheiratet mit einem Österreicher, der seinen Urlaub »unten« verbracht hatte. Peter P. braust grußlos mit dem Auto davon. Ein Ausnahmefall, vielleicht. Wer sich nach getaner Erwerbsarbeit in das von fremder Hand frisch gemachte Bett legen kann, ist privilegiert. Und wenn das Privileg der österreichischen Arbeitgeberin der lateinamerikanischen Putzfrau auch nur ist, ihrerseits frei für ihren Arbeitgeber zu sein.

Flor wiederum überweist monatlich 200 Euro nach Hause in Ecuador: Als kleinen Zuschuss an ihre Mutter, die den Enkel hütet.

Gabriele Müller

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066435019 Dienstleistungsrichtlinie | Kein Grund zur Entwarnung Diese Konsequenzen würden sich für ArbeitnehmerInnen, VerbraucherInnen und öffentliche Dienstleistungen aus dem Abstimmungsergebnis ergeben.

Die Folgen für ArbeitnehmerInnen

Mit der Herausnahme des Arbeitsrechts aus der Dienstleistungsrichtlinie ist die Gefahr gebannt, dass inländische Arbeitsverhältnisse auf auswärtige DienstleisterInnen umgemeldet werden, um dortiges Arbeitsrecht zur Anwendung zu bringen.

Weiter bestehen bleibt indessen das Hauptproblem: Die Dienstleistungsrichtlinie erleichtert die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen nach Österreich. Jede derartige Erleichterung ist abzulehnen, solange nicht gewährleistet ist, dass den dabei entsandten ArbeitnehmerInnen österreichische Löhne bezahlt werden. Das ist zwar auf dem Papier der Entsenderichtlinie festgehalten, nicht aber in der Praxis, weil verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen den im Herkunftsland sitzenden Dienstleister mangels Vollstreckungsabkommen und Zustellabkommen de facto nicht durchsetzbar sind.

Eine beschränkte Durchsetzbarkeit kann in der nun vorgesehenen Möglichkeit einer Sicherheitsleistung der DienstleisterInnen im Zielland gesehen werden. Die große Schwäche dabei: Die Sicherheitsleistung, also Kaution, könnte erst nach einem behördlich bereits festgestellten Verstoß verhängt werden. Notwendig wäre aber eine prophylaktische Sicherheitsleistung, um im Falle von Lohndumping wirklich darauf zugreifen zu können.

Lohnkostenunterschiede außerhalb der Entsenderichtlinie (Mindestlohn, Mindesturlaub usw.), insbesondere Diäten, Zulagen und Entgeltfortzahlung bei Krankheit und anderen Verhinderungen können selbst bei Einhaltung des reinen Mindestlohnes noch immer eine im Wettbewerb zwischen in- und ausländischen AnbieterInnen wesentliche Größe ausmachen.

Die besonderen Schwierigkeiten in Zusammenhang mit der Entsendung von Drittstaatsangehörigen ist durch den Entfall des Artikel 25 des Kommissionsentwurfs gemildert aber nicht beseitigt. Zwar können inländische Behörden kontrollieren, ob entsandte Drittstaatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung im Herkunftsland haben. Es ist jedoch unklar, ob es der EuGH zulassen würde, dass Österreich nur jene entsandten Drittstaatsangehörigen akzeptieren dürfe, die eine dauerhafte Verankerung im Arbeitsmarkt des Herkunftslandes nachweisen können.

Ein positiver Punkt im Abstimmungsergebnis des Europäischen Parlaments ist darin zu erkennen, dass die Leiharbeit aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen werden soll. Das heißt aber nur, dass die administrativen Erleichterungen der Dienstleistungsrichtlinie für grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung nicht gelten. Es bedeutet aber nicht, dass grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung insgesamt untersagt wäre. Auf Basis der Dienstleistungsfreiheit können LeiharbeiterInnen von auswärtigen Firmen durchaus an inländische KundInnen überlassen werden. Die beschriebene Gefahr von Lohndumping durch mangelnde Vollziehbarkeit der Entsenderichtlinie und andere geringere Arbeitskostenbestandteile neben dem Entgelt besteht nicht nur in klassischen Dienstleistungsbranchen, sondern in der Gesamtwirtschaft.

Die Folgen für KonsumentInnen

Gewiss beachtlich ist der grundsätzliche Entfall des aus ArbeitnehmerInnensicht heftig kritisierten »Herkunftslandprinzips«. Nach dem Willen des Europäischen Parlaments sollen sowohl bei den Zugangsvoraussetzungen als auch bei den Ausübungsbestimmungen grundsätzlich das Recht des Bestimmungslandes anwendbar bleiben. Jedoch dürfen jene Mitgliedsländer, in welchen die Leistung erbracht wird (= die Bestimmungsländer), ihre Rechtsordnung de facto nur in wenigen Bereichen gegenüber DienstleisterInnen aus anderen EU-Staaten anwenden. Derartige Maßnahmen können u. a. nur mit Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit oder zum Schutz der Gesundheit oder der Umwelt gerechtfertigt werden. Dies stellt eine klare Verschärfung zur bisherigen EuGH-Judikatur dar, wonach einzelstaatliche Schutzbestimmungen, die auch anderen öffentlichen Interessen gewidmet werden, gegenüber DienstleiterInnen aus dem EU-Ausland angewendet werden konnten.

Dies hätte in jedem Fall Konsequenzen für österreichische Verwaltungsnormen (insb. Ausübungsregeln), die »nur« dem Schutz der wirtschaftlichen Interssen der KonsumentInnen gewidmet sind. Dies betrifft z. B. Informationsverpflichtungen in Verordnungen auf Basis der GewerbeO wie z. B. Bruttopreisauszeichnung für Dienstleistungen, Immobilienmaklerprovisionen oder auch Werbevorschriften für Telekom-Mehrwertdienste.

Trotz der grundsätzlichen Rückbesinnung auf das Bestimmungslandprinzip soll nach dem Willen des Europäischen Parlaments im Verbraucherschutz sehr wohl das Herkunftslandprinzip maßgeblich sein.

Anders soll es sich aber im Verbraucherprivatrecht verhalten. Nach dem Abstimmungsergebnis im EP kann nämlich davon ausgegangen werden, dass zivilrechtliche Bestimmungen (wie z. B. das österreichische Konsumentenschutzgesetz) von der Richtlinie ausgenommen werden (sollen). Dies ist nur insoweit mit Vorsicht zu genießen, als mit der grundsätzlichen Abkehr vom Herkunftslandprinzip das Regel-Ausnahme-System der Richtlinie durcheinander geraten ist. Bei strenger Betrachtung macht nämlich die ebenfalls vom EP geforderte Ausnahme für das Internationale Privatrecht nicht mehr großen Sinn.

Die ArbeitnehmerInnen-Forderung, wonach das Zivilrecht ausgenommen werden soll, wird in der Richtlinie nur in einem neuen Erwägungsgrund »versprochen«,
der lautet: »Der Ausschluss (außer)vertraglicher Schuldverhältnisse aus dem Geltungsbereich der RL bedeutet, dass der Verbraucher in jedem Fall in den Genuss des Schutzes kommt, den ihm das Verbraucherecht in seinem Land gewährt.«

Es sollte unbedingt darauf beharrt werden, dieses Versprechen im Kern - dem so genannten »verfügenden Teil« - der Richtlinie zu verankern. Wäre das Verbraucherzivilrecht nicht ausgenommen, würden z. B. bei grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringungen in Österreich nicht mehr das österreichische KSchG, Gewährleistungsrecht etc. gelten. Denn wie erwähnt dürfen bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten keine Verbraucherschutzgründe (außer mit Gesundheitsbezug) mehr ins Treffen gebracht werden. Im Übrigen bestehen im Konsumentenschutz die gleichen Vollstreckungs- und Sanktionsprobleme wie im Arbeitsrecht (oben Pkt. 1).

Die Folgen für die Daseinsvorsorge

Der vom EP nun geänderte Text der Richtlinie sieht vor, dass - entgegen der Forderung der AK - die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse nicht gesamthaft vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Ausgenommen sollen aber u. a. die für uns besonders wichtigen Gesundheitsdienstleistungen und soziale Dienstleistungen werden. Bei den sozialen Dienstleistungen ist es indes eigenartig, dass der vieldiskutierte Fall der nichtgesundheitsbezogenen Altenpflege nicht beispielhaft genannt ist. Die Ausnahmebestimmung lautet: »soziale Dienstleistungen wie Dienstleistungen im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, Kinderbetreuung und Familiendienste«. Eine Ergänzung dieser Liste um den Bereich der Altenpflege ist daher jedenfalls angezeigt, um nähere Interpretationen darüber nicht allein dem EuGH zu überlassen.

Doch was bedeutet die Richtlinie für Leistungen der Daseinsvorsorge, die sich dem Anwendungsbereich nicht entziehen konnten, z. B. die Trinkwasserversorgung. Sollen sie liberalisiert werden?

Eine Bestimmung im Rahmen des »Gegenstandes« der Richtlinie (Artikel 1) beteuert zunächst das Gegenteil. Sie sieht vor, dass die Richtlinie weder die Liberalisierung noch die Privatisierung betrifft, sich auch nicht auf die Abschaffung von Monopolen bezieht, und die Mitgliedstaaten über die Erbringungsart und Finanzierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse weiter selbst bestimmen können.

Dies steht aber im unaufgelösten Spannungsverhältnis zu Bestimmungen im verfügenden - »harten« - Teil der Richtlinie. Danach sind z. B. Ausschreibungsverpflichtungen vorgesehen, wenn »die Zahl der für eine Dienstleistungstätigkeit erteilbaren Genehmigungen aufgrund der Knappheit der natürlichen Ressourcen oder der verfügbaren technischen Kapazitäten begrenzt« ist. Denkt man z. B. an die Trinkwasserversorgung durch ein kommunales Wasserwerk, so deutet Artikel 12 darauf hin, dass eine Versorgungskonzession künftig auszuschreiben wäre. Das Gegenteil könnte nur der EuGH beweisen.

Von den Regelungen, die die Dienstleistungsfreiheit erleichtern sollen - dem ehemaligen »Herkunftslandprinzip« - werden anhand einer beispielhaften nicht abschließenden Liste explizit die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, wie Postdienste, Elektrizität, Gas, Wasser, Abfalldienste ausgenommen. Aus der Beispielhaftigkeit kann gefolgert werden, dass auch andere Leistungen der Daseinsvorsorge erfasst sind. Das würde bedeuten, dass bei den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse weitergehende einzelstaatliche Schutzstandards zulässig bleiben. Es könnten also zumindest hier Verbraucherschutzstandards (z. B. Universaldienstverpflichtungen) auch gegenüber DienstleisterInnen aus anderen EU-Staaten angewendet werden.

So geht es jetzt weiter

Die Dienstleistungsrichtlinie wird im so genannten Mitentscheidungsverfahren beschlossen. Das heißt, Rat und Parlament sind gleichberechtigte Gesetzgeber und müssen sich auf einen Richtlinientext einigen. Wenn der Rat alle Änderungen des Europäischen Parlaments übernimmt, kann der Rechtsakt in kürzester Zeit beschlossen werden. Davon ist aber in diesem Fall nicht auszugehen, da sich sechs Mitgliedstaaten bereits gegen die »Verwässerung« der Dienstleistungsliberalisierung ausgesprochen haben. Daher ist es wahrscheinlich, dass die EU-Kommission am Frühjahrsgipfel (23. und 24. März) einen neuen Vorschlag auf Basis der Ergebnisse des Europäischen Parlaments vorlegen wird und die Staats- und Regierungschefs die Eckpunkte für einen gemeinsamen Standpunkt festmachen.

Die Hauptverantwortung liegt aber jetzt beim Rat und insbesondere bei der österreichischen Präsidentschaft, um zu einer Regelung zu kommen, die nicht nur sozial verträglich ist, sondern auch die Durchsetzung und Sanktionierung von Maßnahmen für ArbeitnehmerInnen-, VerbraucherInnen- und Umweltinteressen sicherstellt.

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Valentin Wedl und Melitta Aschauer (ExpertInnen der AK Wien für die Dienstleistungsrichtlinie) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066434854 »Ich will ein faires Europa für die Arbeitnehmer« Arbeit&Wirtschaft: Kollege Tumpel, die österreichische EU-Ratspräsidentschaft geht bald in die Halbzeit. Deine erste Zwischenbilanz?

Herbert Tumpel: Die Forderungen von Gewerkschaften, ÖGB und AK an die österreichische Ratspräsidentschaft waren und sind klar und deutlich: Nützt diese sechs Monate für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Tut alles für mehr und sichere Arbeitsplätze in Österreich und Europa. Wir brauchen eine Politik, in der endlich mehr Wachstum und mehr Beschäftigung im Mittelpunkt steht. Sonst bleibt die dramatisch hohe Arbeitslosigkeit noch sehr, sehr lange unser Hauptproblem. Es gibt keine Entwarnung auf dem Arbeitsmarkt. In der EU suchen 32 Millionen Frauen und Männer Arbeit. In Österreich ist die Zahl der Arbeitsuchenden so hoch wie noch nie in der gesamten Zweiten Republik. Ich akzeptiere es nicht, dass die österreichische Regierung sagt, sie ist jetzt nur »der neutrale Sachwalter Europas«. Es kann keinen »neutralen Sachwalter« geben, wenn die Arbeitslosigkeit immer dramatischer wird. Da kann es nur eines geben: Die Ärmel aufkrempeln, Arbeit schaffen und Arbeit schützen! Und da merke ich von der österreichischen Ratspräsidentschaft wenig bis gar nichts. Im Gegenteil: Alle Interessenvertretungen der Arbeitnehmer haben etwa ganz klar aufgezeigt, dass die Dienstleistungsrichtlinie den Druck auf die Löhne und Arbeitsbedingungen erhöhen und letztlich viele tausend Arbeitsplätze vernichten wird. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Das EU-Parlament hat zwar eine Herausnahme des Arbeitsrechts aus der Anwendung der Dienstleistungsrichtlinie beschlossen, aber die gilt nur auf dem Papier. Die zentrale Frage der Kontrolle und vor allem auch der Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen ist nämlich nicht gelöst. Das heißt, entsenden Dienstleister aus anderen EU-Ländern Arbeitnehmer nach Österreich, gilt zwar für die auf dem Papier österreichisches Lohnniveau. Die tatsächliche Durchsetzbarkeit ist jedoch in keiner Weise gesichert. Damit ist massivem Lohndumping, das unausweichlich zu Betriebsschließungen, Arbeitsplatzverlusten und massivem Druck in Richtung Lohnsenkungen führen muss, Tür und Tor geöffnet. Das ist nicht unser Europa, in dem Firmen das Recht haben, ohne jegliche Grenzen zu agieren - und gleichzeitig können die Behörden ihre Sanktionen nur innerhalb der Landesgrenzen durchsetzen. Zweiter Punkt: Es gibt keine klaren Regelung für die Entsendung von Nicht-EU-Bürgern: Dienstleister sollen sie nur dann nach Österreich mitnehmen dürfen, wenn sie auch im Herkunftsstaat in einem legalen und dauerhaften Arbeitsverhältnis zum Dienstleister stehen. Auch hier sind effiziente Kontrollen und Sanktionsmöglichkeiten unter Mitarbeit der Behörden im Herkunftsland unbedingt erforderlich. Und drittens fordern wir, dass öffentliche Dienstleistungen insgesamt von der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen werden.

Die Regierung muss für diese fairen, sozial verträgliche Rahmenbedingungen sorgen. Sonst kann der Markt für Dienstleistungen nicht völlig geöffnet werden. Das wäre verantwortlungslos gegenüber den Konsumenten und auch gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Die Dienstleistungsrichtlinie ist eine weitere Vorgabe aus Brüssel, wo Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer EU-Politik geradezu als Bedrohung empfinden.

Ja und völlig zu Recht. Die Dienstleistungsrichtlinie ist ein zusätzlicher Punkt einer EU-Politik, die die Interessen der europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ignoriert. So war es bei der Frage der EU-Erweiterung. So ist es bei der Finanzierung der EU.

Die EU hat 1993 selbst beschlossen, dass sie nur dann weitere Mitglieder aufnimmt, wenn sie selbst dazu fähig ist. In diese EU ist Österreich 1995 eingetreten. Wir haben uns auf diesen EU-Grundsatzbeschluss zur Erweiterung verlassen. Offenbar zu Unrecht. Kein Mensch kann mir erzählen, dass die EU 2004 fähig war, die Erweiterung um zehn Länder und 75 Millionen Menschen zu bewältigen. Ohne Verfassung, ohne klare und faire Regeln für die Finanzierung. Mit einer dramatisch hohen und weiter steigenden Arbeitslosigkeit. Und die EU hat diese jüngste Erweiterung noch lange nicht verkraftet.

Aber was passiert? Wir haben zwar noch immer keine Verfassung, hinter der die Bürgerinnen und Bürger auch stehen. Wir haben noch immer keine faire Finanzierung. Aber die nächste Erweiterung, diesmal um Rumänien und Bulgarien, ist schon fix. In diesen beiden Ländern leben 30 Millionen Menschen - die verdienen ein Sechzehntel des österreichischen Durchschnittslohns. Und die übernächste Erweiterung wird auch schon verhandelt. Und da sagt unsere Regierung: Ja, wir müssen mehr in die EU einzahlen, aber das ist uns die Erweiterung wert. Weil wir profitieren ja so viel davon. Wer profitiert? Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsplätze verlieren oder die Großkonzerne? Bei den letzten Verhandlungen ums EU-Budget jedenfalls hat die österreichische Regierung auf die Arbeitnehmerinnnen und Arbeitnehmer völlig vergessen. Die Landwirtschaft hat ihre Schäfchen ins Trockene gebracht. Bei den Mitteln für die Arbeitnehmer wurde hingegen gekürzt und gestrichen. Gerade bei dem Geld, das für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit dringend notwendig ist. Bei dem Geld, das für Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen gebraucht wird.

In der nächsten Finanzperiode werden die Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds für Österreich um bis zu 400 Millionen Euro gekürzt. Österreich bekommt künftig viel weniger aus Brüssel zurück.

Und beim gesamten EU-Budget hat der EU-Rat gegenüber dem Kommissionsvorschlag gerade bei den bildungs- und sozialpolitischen Programmen am meisten gekürzt. Das EU-Budget muss doch mehr sein als ein Hunderte-Milliarden-Agrarbudget mit ein paar Anhängseln.

Schauen Sie sich um. In der erweiterten EU tobt ein harter Wettbewerb bei den Unternehmenssteuern. Die Slowakei, Polen - jeder will die niedrigsten Unternehmenssteuern. Da entstehen unterm Strich Null-Prozent-Steueroasen direkt vor unserer Haustür. Nicht irgendwo weit weg in der Südsee oder in China. Was ist die Folge? Unternehmen wandern ab aus Österreich, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlieren ihre Arbeitsplätze. Ich fordere, dass dieser Steuerwettlauf nach unten sofort gestoppt wird. Da steht die Finanzierung des Sozialsystems auf dem Spiel. Es kann nicht sein, dass die Unternehmen abwandern, sich so von der Mitfinanzierung des Sozialstaats verabschieden und nur mehr die Arbeitnehmer ihren Beitrag leisten müssen. Das fordere ich auch von der österreichischen Ratspräsidentschaft.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht gegen Europa, wie so oft getan wird. Sie sind aber gegen die derzeitige Politik der EU. Sie erleben Tag für Tag, dass hier eine Politik gemacht wird, die gegen ihre Interessen ist. Wir brauchen in Europa endlich eine Sozialunion. Durchgesetzt hat sich nämlich nur die Wirtschaftsunion. Wir brauchen einen Kurswechsel. Europa hat die Chance, Arbeitsplätze zu schaffen. Europa muss es nur wollen. Es ist höchste Zeit dafür.

Was muss konkret passieren in Europa?

Was zu tun ist, ist ganz klar: Zunächst einmal darf die Dienstleistungsrichtlinie so nicht kommen. Ohne Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten bei Übertretungen vernichtet sie sonst Arbeitsplätze in Österreich.

Dann fordere ich einen Stopp bei der EU Erweiterung. Es darf keine Erweiterung geben, so lange die EU dazu nicht in der Lage ist. Und eine EU mit 32 Millionen Arbeitsuchenden ist eindeutig nicht in der Lage neue Länder aufzunehmen. Dabei ist es egal, um welches Land es sich handelt. Und gleich dazu, weil ich die Kritiker schon hören kann: Diese Forderung ist nicht unsolidarisch. Es ist im Gegenteil nicht solidarisch, wenn Grenzgänger, Praktikanten oder Saisoniers für einen Hungerlohn und bei unzumutbaren Bedingungen arbeiten müssen. Es ist nicht solidarisch, wenn immer neue Erweiterungsrunden dazu missbraucht werden, Löhne und Arbeitsbedingungen zu drücken.

»Alle Exporterfolge nützen nichts, wenn die Menschen in Österreich zu wenig Geld zum Ausgeben haben.«

Die nächste Forderung für ein faires Europa: Wir brauchen eine geänderte Wirtschaftspolitik. Eine Wirtschaftspolitik, bei der nicht irgendwelche Maastricht-Kriterien im Mittelpunkt stehen, sondern Wachstum und Beschäftigung. Nicht die Steuern für die Großunternehmen müssen immer aufs Neue gesenkt werden. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brauchen wieder mehr Geld in der Tasche.

Was muss in Österreich geschehen? Schließlich ist die Arbeitslosigkeit bei uns so hoch wie noch nie.

Monat für Monat zeigen die Statistiken des Arbeitsmarktservice, dass das Spielen auf Zeit der Regierung nichts genützt hat. Wir haben das von Anfang an gesagt. Alles Gerede von Trendwende, alles Gerede davon, dass bei der Arbeitslosigkeit die Talsohle durchschritten ist und es wieder aufwärts geht, war Schönrederei.

Die Arbeitslosigkeit steigt und sie steigt seit Jahren. Die Regierung tut zu wenig dagegen. Sie verweist darauf, wie gut wir angeblich im europäischen Vergleich stehen und brüstet sich mit einer angeblichen Rekordbeschäftigung. Dazu zwei klare Antworten: Es ist jeder arbeitsuchenden Kollegin, jedem arbeitsuchenden Kollegen völlig gleichgültig, wie Österreich im Vergleich mit Liechtenstein, Spanien oder Italien liegt. Davon kriegt niemand einen Arbeitsplatz. Und zweitens: Das Gerede von der angeblichen Rekordbeschäftigung stimmt so nicht. Was zunimmt ist unsichere und oft schlecht bezahlte Teilzeit. Vollzeitarbeitsplätze gehen verloren.

Die Regierung verweist in diesem Zusammenhang erstens auf ihr 285-Millionen-Euro-Arbeitsmarktpaket und zweitens darauf, dass Österreich allein nichts tun könne gegen Europas Entwicklung.

Zum Arbeitsmarktpaket der Regierung: Es stimmt, hier wurde mehr Geld in die Hand genommen. Die Regierung macht das, weil es Gewerkschaften, ÖGB und AK seit langem gefordert haben. Übrigens: 200 Millionen gibt die Regierung im Wahljahr 2006 aus. 2007 schaut’s schon wieder anders aus. Jetzt kann man sagen: Gut, es kommt zu spät, aber immerhin die Maßnahme kommt.

Ich fürchte bloß, ohne eine nachhaltige Änderung in der Wirtschaftspolitik, ohne Kurswechsel nützt alles zusätzliche Geld wenig. Wir brauchen keine besser ausgebildeten Arbeitslosen, wir brauchen mehr Arbeitsplätze. Auch wenn es mehr Geld zur Verfügung hat, steht das AMS auf verlorenem Posten, wenn es zu wenig Arbeitsplätze gibt. Dazu gibts zwei klare Forderungen: Runter mit den Steuern vor allem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinem oder mittleren Einkommen und rasche Umsetzung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen. Studien haben uns bestätigt: Das bringt rasch und nachhaltig 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Österreich.

Und das ist gleich auch die Antwort auf die zweite Frage, auf die Es-nützt-alles-nichts-wenn-die-EU-nicht-will-Ausrede der Regierung. Natürlich kann die österreichische Regierung allein nicht die Defizite der EU-Politik wettmachen. Aber: Erstens kann die österreichische Regierung in Österreich sehr wohl etwas unternehmen für mehr Arbeit. Und zweitens: Wer macht denn die EU-Politik? Das sind ja keine anonymen Beamten in Brüssel. Das sind die europäischen Regierungen - also auch die österreichische Regierung. Sie beschließen auf den Räten die konkrete Politik der EU. Daher: Unsere Regierung hat es in der Hand! Im eigenen Land und in der EU.

Was muss konkret umgesetzt werden?

Einen Punkt habe ich schon genannt. Eine andere Wirtschaftspolitik. Nicht den Großkonzernen das Geld hinterherschmeißen, sondern für die Arbeitnehmer die Steuern senken. Das ist fair und gerecht. Schließlich fressen allein die Rekordpreise fürs Heizen und Tanken die Steuerreform der Regierung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder auf. Gerade die, die ohnehin nur wenig verdienen, haben nichts von der angeblich größten Steuerreform.

Und wenn die Arbeitnehmer wieder mehr Geld haben, kurbelt das die Inlandsnachfrage an und bringt so mehr Arbeitsplätze. Dazu braucht’s keine Wirtschaftsforscher. Das weiß der Wirt ums Eck, der Friseur, die Greißlerin: Alle Exporterfolge nützen nichts, wenn die Arbeitnehmer in Österreich zu wenig Geld zum Ausgeben haben. Und die Regierung muss mehr Geld in die Aus- und Weiterbildung investieren. Daran führt kein Weg vorbei. In der Bildung liegt die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Österreich. Was die Regierung bisher getan hat, verdient nur die Note Nichtgenügend!

Noch immer sind Kinder von Eltern, die nur wenig verdienen, klar im Nachteil. Das zieht sich durch die gesamte Bildungslaufbahn. Für diese Kinder braucht es auch mehr Förderung. Was passiert aber? Durch den Abbau von Lehrerposten gibt’s nicht mehr, sondern immer weniger Förderung in der Schule.

Nächster Punkt: Die berufsbildenden mittleren oder höheren Schulen haben zu wenig Plätze. Seit Jahren. Tausende Jugendliche werden abgewiesen. Die Klassen sind vollgestopft bis zum Rand - zwei von fünf AnfängerInnen werden beinhart hinausgeprüft. Immer mehr Schülerinnen und Schüler haben den falschen Schulplatz und sagen: Das ist eigentlich nicht die Ausbildung, die ich mir wünsche und mit der ich gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt habe.

Drittens: Der Druck auf dem Lehrstellenmarkt bleibt hoch. Es gibt zwar die so genannte Blum-Förderung. Aber unsere Analyse zeigt: Großer Aufwand - leider nur bescheidene Wirkung. Der effektive Zuwachs an Lehrstellen ist viel zu gering. Für 3300 zusätzliche Lehrstellen zwischen Dezember 2004 und Dezember 2005 hat die Regierung gleich 7000 Blum-Förderungen um insgesamt 33 Millionen Euro vergeben. Tausende Mädchen und Burschen können aber - Förderung her, Förderung hin - keine Lehrstelle im Betrieb bekommen. Weil sich trotz Millionen-Förderungen immer mehr Unternehmen aus der Lehrlingsausbildung zurückziehen.

Wie der Wirtschaftsminister davon zu reden, dass das Lehrstellenproblem bald gelöst sei, ist mehr als nur vollmundig. Mich macht es persönlich sehr betroffen, dass so viele Jugendliche den Start ins Berufsleben nicht schaffen können. Wir haben in Österreich 30 Jahre lang fast keine Jugendarbeitslosigkeit gehabt und jetzt das.

Jeder sechste Jugendliche hat in Österreich keine Ausbildung, die über die Pflichtschule hinausgeht. 6000 schaffen bereits mit 15 den Einstieg in eine Lehre oder weiterführende Schule nicht. Bis zum Alter von 20 fliegen pro Jahrgang weitere 10.000 aus einer Ausbildung, obwohl sie sich bemühen. Ohne Bildung steigt das Risko der Arbeitslosigkeit dramatisch. Und wer schlecht ausgebildet ist, der hat auch nur geringe Chancen, im Beruf vorwärts zu kommen.

Und hier ist klar die Wirtschaft verantwortlich: Die Unternehmen schrauben ihre Weiterbildungsaktivitäten immer mehr zurück. Nach dem Motto: Wir wollen gut ausgebildete Arbeitskräfte. Für die Ausbildung wollen wir aber nichts tun. Und die Weiterbildung geht uns auch nichts an. Wenn notwendig, holen wir die Arbeitskräfte halt aus dem Ausland.

So geht’s nicht. Ich will mehr Chancen und bessere Chancen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich. Bildung ist dafür ein wichtiger Schlüssel. Und wir brauchen mehr Arbeitsplätze. Sichere Arbeitsplätze. Arbeitsplätze von denen die Arbeitnehmer auch leben können. Das ist die Hauptforderung von Gewerkschaften, ÖGB und AK an diese Regierung, an jede Regierung!

Wir danken für das Gespräch.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066434620 Die Zukunft der sozialen Demokratie Der Konflikt miteinander konkurrierender, gegensätzlicher politischer Systeme scheint längst Geschichte geworden zu sein. Ob dieser, wie seit Mitte der 1990er Jahre mit steigender Zustimmung behauptet wird, von einem »Kampf der Kulturen« (Samuel Huntington) abgelöst wurde, ist strittig. Auch wenn es eine Reihe nicht zu übersehender Anzeichen gibt, ist die Gefahr, damit einem ideologisch motivierten, vereinfachenden Erklärungsmodell anzuhängen, nicht gering. Wesentlich weniger Beachtung als dieser »Kampf der Kulturen« hat bisher jedoch ein Konflikt gefunden, der sich innerhalb der demokratischen und »kapitalistischen« Staatenwelt selbst abspielt: jener zwischen sozialer und libertärer Demokratie.

Was genau ist mit diesen beiden Demokratieformen gemeint? Und wie unterscheiden sich diese? Da ist zum einen jenes Modell, das Demokratie im Wesentlichen mit Gewaltentrennung, Grundrechten, freien Wahlen und Marktwirtschaft gleichsetzt. Der Staat erfüllt darin nur die Funktion, die Rahmenbedingungen des Wettbewerbs zwischen Individuen, Gruppen und Unternehmen sicherzustellen. Eine darüber hinaus gehende Rolle wird ihm nicht zugebilligt, im Gegenteil: Staatliche Interventionen und Regulierungen erscheinen als Funktionsprobleme einer »freien« Gesellschaft, die bekämpft werden müssen. Dieses Demokratiemodell harmoniert mit dem Neoliberalismus, wie in seine führenden Ideologen, August von Hayek und Milton Friedman, formuliert hatten.

Dem steht eine andere Vorstellung von Demokratie gegenüber, in der das politische Grundverständnis im engeren Sinn eigentlich dasselbe ist. Auch hier soll der freie demokratische Wettbewerb über die politischen Kräfteverhältnisse im Staat entscheiden, sollen grundlegende individuelle Rechte gesichert und rechtsstaatliche Grundprinzipien gewährleistet sein. Der Unterschied zwischen den beiden Konzepten liegt darin, dass für das zweite Modell dies erst die Basis ist, auf der eine soziale Demokratie errichtet werden muss. Nicht nur Individualismus und Wettbewerb, sondern Gemeinschaft und Solidarität, nicht nur Freiheit, sondern auch Gerechtigkeit und Gleichheit sind Zielvorstellungen einer »sozialen Demokratie«, deren Ursprünge rund ein Jahrhundert in die Geschichte zurückführen.

Klare Grundausrichtung

Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, etwa in deutschen Arbeiter-Gesellen-Vereinen oder im Werk des Staatsrechtlers und Ökonomen Lorenz von Stein, tauchte der Begriff »soziale Demokratie« schon auf. Zu einem wesentlichen Bestandteil der theoretischen und programmatischen Debatten sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien wurde das politische Modell aber erst einige Jahrzehnte später. Auch wenn die verschiedenen unter diesem Begriff in Erscheinung tretenden Konzepte nicht in allen Punkten immer identisch waren, war doch die Grundausrichtung klar: Soziale Demokratie sollte eine Weiterentwicklung der bürgerlichen bzw. politischen Demokratie bedeuten. Nicht nur »formelle« Rechte und Freiheiten, sondern soziale Gerechtigkeit, gleiche Teilhabe und gleiche Chancen waren ihre Zielpunkte. In Schriften wie Eduard Bernsteins »Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie« (1899) - ein wesentlicher Text der Begründung des sozialdemokratischen Revisionismus - oder Max Adlers »Politische oder soziale Demokratie« (1926) sind bestimmte Grundgedanken sozialer Demokratie formuliert worden.

Hermann Heller, der Staatsrechtler und Gegenspieler Carl Schmitts (Heller verteidigte die Weimarer Republik, die der reaktionäre Schmitt verachtete), war der Ansicht, dass für das Funktionieren von Demokratien nicht nur Institutionen, Verfahren und Grundrechte notwendig seien. Wesentliche Merkmale sozialer Demokratie wie gesellschaftliche Partizipation, Mitbestimmung und sozialer Ausgleich, stellte er ins Zentrum der Debatte. Nur die soziale Demokratie bot seiner Ansicht nach die Gewähr dafür, dass die notwendigen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft nachhaltig erfüllt und gesichert werden können.

Auf Hermann Heller stützt sich auch Thomas Meyer in seiner »Theorie der Sozialen Demokratie«.1) Der Dortmunder Politikwissenschaftler und wissenschaftliche Leiter der deutschen Friedrich Ebert-Stiftung hat ein voluminöses Werk vorgelegt, das die Idee der sozialen Demokratie mit einer Fülle politischer und wissenschaftlicher Argumente versorgt. Warum ist seiner Ansicht nach die soziale Demokratie das geeignete Konzept? Insbesondere in der deutschen Sozialdemokratie wurde der demokratische Sozialismus nach dem Zweiten Weltkrieg zum entscheidenden Bezugspunkt, nicht die soziale Demokratie. Dieser sollte einen dritten Weg jenseits des (oder zwischen) Sowjetkommunismus und (Konkurrenz) Kapitalismus weisen. Im immer noch gültigen Parteiprogramm der SPD von 1989 ist diesem Konzept ein eigenes Kapitel gewidmet. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Realsozialismus, aber auch durch den Druck, der durch die Globalisierung und die Öffnung der Märkte entstanden ist, geriet das politische Modell des demokratischen Sozialismus unter Druck. Thomas Meyer empfiehlt nun, die Konzeption des demokratischen Sozialismus aufzugeben und soziale Demokratie als neues Orientierungsbild der Sozialdemokratien zu verwenden.

Drei grundlegende Modelle

In der »Theorie der Sozialen Demokratie« unterscheidet Thomas Meyer zwischen drei grundlegenden demokratischen Modellen: Die liberale Demokratie ist die rechtsstaatlich-pluralistische, auf die Geltung von Menschenrechten gestützte Demokratie. Sie setzt einen Rahmen, der sowohl der libertären als auch der sozialen Demokratie Raum bietet. Libertäre Demokratie ist durch ihre Begrenzung auf den politischen Bereich gekennzeichnet. Eigentumsfreiheit und sich selbstregulierender Markt sind für sie die Entsprechungen der politischen Demokratie im wirtschaftlichen und sozialen Bereich. Anders die soziale Demokratie: Sie ist untrennbar mit einem Rechtsanspruch auf soziale Sicherung und dem an den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit orientierten Staat verbunden, dessen Politik regulative und distributive (verteilende) Komponenten hat. Als normative Basis dienen die Pakte der Vereinten Nationen von 1966, in denen bürgerliche, politische, wirtschaftliche und soziale Grundrechte verankert und ratifiziert worden sind.

Ein wesentlicher Unterschied der beiden konkurrierenden Demokratiekonzepte liegt im Verständnis von Freiheit begründet. Während der Freiheitsbegriff der libertären Demokratie negativ definiert ist, ist jener der sozialen Demokratie positiv orientiert. Ein positiver Freiheitsbegriff bedeutet, dass Staat und Gesellschaft aktiv für gleiche Chancen und Gleichberechtigung eintreten. Freiheit bedeutet nicht nur den Schutz bestimmter Rechte (z. B. vor staatlicher Willkür), sondern auch positive Handlungsermöglichung. Die sozial-ökonomische Gesellschaftssphäre darf also nicht (wie in der liberalen Demokratietheorie) einfach ausgegrenzt werden. Sieht die libertäre Demokratie die beiden Freiheitsbegriffe als Widersprüche an, so sind sie für die soziale Demokratie komplementär (wechselseitig ergänzend).

Ein wesentliches Anliegen der sozialen Demokratie ist, die »formalen« Prinzipien der liberalen Demokratie um die Aspekte sozialer Gerechtigkeit und politischer Teilhabe zu erweitern. Soziale Demokratie basiert auf der Gültigkeit und dem Bestand universeller Grundrechte. Es geht darum, die sozialen Risiken, die einzelne Individuen oder Gruppen von der Inanspruchnahme oder Realisierung ihrer Grundrechte abhalten, zu identifizieren und zu entschärfen bzw. zu bekämpfen (wie etwa Arbeitslosigkeit, ungenügende Bildung, Krankheit etc.). Die soziale Demokratie hat zwar den Wohlfahrtsstaat zur Voraussetzung, geht aber über diesen hinaus. Ihre Wirksamkeit erstreckt sich über die wesentlichen Bereiche von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Programmatisches Selbstverständnis

Im Gegensatz zur SPD hat die österreichische Sozialdemokratie dieses Konzept ins Zentrum ihres programmatischen Selbstverständnisses gestellt. Vor allem das Grundsatzprogramm von 1978, aber auch noch das aktuell gültige von 1998 räumen der sozialen Demokratie eine Schlüsselrolle ein. Inwieweit das Modell in stärkerem Ausmaß zu einem programmatischen Orientierungspunkt für die praktische Politik werden kann, muss sich erst zeigen. Genau betrachtet berührt die soziale Demokratie aber eine ganze Reihe von Kernpunkten, von »Zukunftsfragen« schlechthin. Dazu zählen die Konzeption und Reichweite des Sozialstaates und die Sicherung des Einzelnen vor den (wieder deutlich gestiegenen) Risiken genau so wie die Gestaltung transnationaler Bündnisse und Gemeinschaften sowie der internationalen Beziehungen und der Nord-Süd-Verhältnisse.

Gegensätzliche Konzepte

Es zeigt sich: Der Unterschied der Konzepte, der Gegensatz zwischen libertärer und sozialer Demokratie, ist als politisch, ökonomisch und kulturell zu definieren. Umfassende Mitbestimmung, die »Durchflutung« aller Bereiche, einschließlich der Wirtschaft, mit Demokratie ist das Ziel der sozialen Demokratie. Sie lehnt den pauschal geforderten Rückzug des Staates entschieden ab. Der Sozialstaat ist untrennbar mit ihr verbunden. Dieser soll zwar umgebaut (z. B. analog den skandinavischen Modellen stärker über Steuern finanziert werden), aber in seiner Substanz erhalten bleiben. Trotz der Anerkennung der zentralen Bedeutung individueller Rechte, soll nicht der Individualismus, sondern Solidarität und Gerechtigkeit - deren Bedeutung freilich diskutiert werden muss - zu den Orientierungspunkten zählen.

Die soziale Demokratie ist keine Utopie, sondern ein zumindest zum Teil - etwa in den skandinavischen Wohlfahrtsstaaten - existierendes Modell. Sie stellt einerseits eine Art Rückeroberung verlorener Rechte dar. Andererseits bemüht sich gerade der Politikwissenschaftler Thomas Meyer, diesen nostalgischen Beigeschmack nicht zum entscheidenden Merkmal werden zu lassen. Denn es geht auch um eine neue Begründung ihrer Plausibilität unter den aktuellen Verhältnissen, die sich angesichts der Globalisierung, des verschärften Wettbewerbs und des teilweisen Rückzugs der Politik wesentlich von jenen unterscheiden, die ein Bernstein oder Adler vorfand. Ein auf Veränderung gerichtetes politisches Handeln, um die große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen, erfordern sie aber allemal.

1) Thomas Meyer: Theorie der Sozialen Demokratie. Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden 2005, 678 Seiten, EUR 39,90

 

 

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Günther Sandner (Politikwissenschaftler und Publizist) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066434575 Grundsicherung | Gegen die Erosion des sozialen Schutzes Mit der sozialen Sicherheit ist es so eine Sache: Die Begrifflichkeit an sich kommt als Versprechen daher: »Bei uns gibt es soziale Sicherheit«. Wer genauer hinsieht, merkt schnell, dass dieses Versprechen oft nicht gehalten wird. Im Gegenteil: Immer mehr Menschen finden sich in Lebenssituationen wieder, in denen sie keinen ausreichenden sozialen Schutz vorfinden. Eine im Sozialbericht 2003/2004 veröffentlichte Statistik zeigt deutlich, welche Bevölkerungsgruppen keinen ausreichenden sozialen Schutz vorfinden: AlleinerzieherInnen (wobei das große I die Realität schon ein wenig verzerrt), arbeitslose Menschen, Menschen mit Migrations-Hintergrund (selbst dann, wenn sie längst die österreichische Staatsbürgerschaft haben), SozialhilfeempfängerInnen, Menschen mit Behinderungen ...1)

Doch damit nicht genug: Eine sich verändernde Berufswelt schafft neue Lebensrealitäten, die nur schwer Zugang zum System sozialer Sicherheit erlauben. Konnten Menschen noch in den Fünfzigern und Sechzigern mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf bauen, vom Berufseintritt bis zur Pension bei ein und demselben Betrieb beschäftigt zu sein, ermittelte das wifo 1999 eine durchschnittliche Dauer eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen 1,8 und 2,7 Jahren. Wer jetzt in das Berufsleben eintritt, darf mit einem wilden Hin und Her zwischen freien Dienstverträgen, Scheinselbständigkeit, Werkverträgen, Teilzeitbeschäftigung, geringfügiger Beschäftigung - und mit viel Glück irgendwann einmal mit einem auf ein, zwei Jahren befristetes »Normalarbeitsverhältnis« rechnen. Ein Leben voller Freiheit eben - insbesondere Freiheit vor sozialer Sicherheit.

Grund genug, sich auf die Suche nach Ursachen dieser zunehmenden Freiheit vor sozialer Sicherheit zu begeben. Und Grund genug, auch nach Antworten auf diese Erosion des sozialen Schutzes zu suchen.

Bei der Suche nach Ursachen wird Mensch schnell fündig: Das Sozialsystem wurde zu Beginn der Zweiten Republik für ein Gesellschaftsmodell entwickelt, das heute nicht mehr der Realität entspricht. Kontinuität war das Zauberwort. Soziale Sicherheit sollte es für Familien geben, in denen der Mann vollzeiterwerbstätig ist und die Frau den Haushalt führt. Sind die Kinder aus dem Haus, kann sie dazuverdienen. In diesem Modell waren Männer geschützt, wenn etwa der Betrieb geschlossen werden musste und sie vorübergehend den Job verloren, aber auch die Familie, wenn etwa der Mann erkrankte, einen Unfall erlitt oder Ähnliches passierte.

Phantasien der frühen Jahre

Die Phantasie von der glücklichen Familie, die alle Probleme gemeinsam meistert und ewig zusammenhält, war auch in den Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahren nur in Ärzteromanen und Vorabendserien zu finden. Aber das soziale Sicherungssystem fragte nicht, ob die Familie wirklich glücklich ist, sondern begnügte sich mit dem Trauschein, der gemeinsamen Wohnadresse und der Eingliederung (des Mannes) im Berufsleben als Voraussetzung für soziale Absicherung.

Doch irgendwie scheint die Phantasie der angeblich immer glücklichen und zusammenhaltenden Familie nicht den Bedürfnissen ihrer Mitglieder an Romantik entsprechen: Patchworkfamilien, Lebensabschnittspartnerschaften, Wohngemeinschaften und Lebensgemeinschaften haben den Traum von der ewigseligmachenden Keimzelle der Gesellschaft abgelöst. Und zwar um den Preis sozialer Sicherheit: Der Arbeitslosenanspruch des Mannes hilft seiner Ex-Frau gar nichts mehr. Sie braucht einen eigenen. Und der muss auch ausreichend hoch sein.

Womit eine dritte Ursache von Lücken im Sozialsystem angesprochen ist: Seit gut 15 Jahren sinkt das Lohnniveau in Relation zur Kaufkraft. Immer kürzere Beschäftigungsverhältnisse in mehrfach wechselnden Rechtsformen (Scheinselbständigkeit, freier Dienstvertrag, etc.) in unterschiedlichem Ausmaß (geringfügige Beschäftigung, Teilzeit, Vollzeit) haben die Einkommensentwicklung im Verlauf eines Berufslebens nachhaltig verändert. Wer wiederholt mit Einstiegsgehältern auskommen muss, hat geringe Chancen, dauerhaft ein höheres Einkommen zu erreichen. Und da Leistungen wie Arbeitslosengeld, Krankengeld oder die Pension vom zuvor bezogenen Gehalt abhängen, resultiert aus niedrigen Einkommen kein ausreichender sozialer Schutz.

Für jedes komplizierte Problem, meinte einmal Umberto Eco, gäbe es auch eine einfache Lösung. Auch in der Debatte um den Sozialstaat und das System sozialer Sicherheit gibt es diese einfachen Lösungen: Sie beginnen bei der Rückwendung zu entzauberten Familienidyllen, reichen über die Forderung, eben auch zu niedrigeren Löhnen schlecht abgesicherte Beschäftigungsverhältnisse zu akzeptieren bis hin zur Forderung, lohnarbeitslose Menschen mögen zu »gemeinnütziger« Arbeit herangezogen werden.

Umberto Eco fügte seiner Feststellung die Bemerkung an, dass einfache Lösungen immer falsch seien, und trifft damit den Nagel auf den Kopf: Wenn das soziale Sicherungssystem den Menschen in ihrer Lebensrealität nicht mehr schützt, ist das soziale Sicherungssystem zu adaptieren, nicht die Menschen.

Oder anders gesagt: Österreich ist das siebtreichste Land der Welt. Und es ist eine Schande, wenn es im siebtreichsten Land der Welt Armut gibt. Gibt es die?

Der Sozialbericht 2003/2004 gibt eine eindeutige Antwort: 1.044.000 Menschen in Österreich leben in Haushalten mit Nettoeinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle. Über 475.000 davon, darunter 114.000 Kinder, leben unter Bedingungen »verfestigter Armut«. Sie leben in Familien, die sich auch essentielle Grundbedürfnisse nicht einfach erfüllen können. Das beginnt bei Ausgaben für Schulskikurse, beruflich oder schulisch benötigte PCs oder den Urlaub und geht hin bis zu Ausgaben für Miete, Heizung oder Kreditrückzahlungen, mit denen über 700.000 Menschen in Österreich Probleme haben.

Und um die Frage nach den einfachen Lösungen zu erledigen: Diese Probleme lösen sich auch nicht, wenn die Betroffenen schlechte und schlecht bezahlte Arbeit akzeptieren. Im Gegenteil: Über 235.000 Menschen leben in Haushalten, in denen alle erwachsenen Mitglieder das ganze Jahr über einer Lohnarbeit nachgehen, aber dennoch mit ihren Einkommen nicht über die Armutsgefährdungsschwelle kommen. 220.000 Menschen kommen über diese Schwelle nicht hinaus, obwohl sie einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen.

Recht auf Leben in Würde

Zu den weniger »einfachen« Lösungen für einige der sozialen Probleme der Gegenwart zählt Forderung nach Schaffung einer »Grundsicherung«, die in den letzten zwei Jahren die sozialpolitische Debatte prägt. Die Grundidee: Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben in Würde. Wo dies nicht möglich ist, muss es die Gesellschaft möglich machen.

Wer Grundsicherung fordert, verlangt nicht nach einem völligen Umbau des Sozialsystems, sondern nach einem zusätzlichen Netz, das vor den Lücken des bestehenden Systems schützt.Notstandshilfe erhält, wer sich in einem Notstand befindet, also in einem Haushalt mit niedrigem Einkommen lebt. Aber wie soll eine Notstandshilfeempfängerin, die ihre Notstandshilfe nur erhält, weil es kein ausreichendes Haushaltseinkommen gibt, mit der durchschnittlichen Notstandshilfe für Frauen in der Höhe von 480 Euro im Monat auskommen?

Oder vielleicht noch ein bisserl drastischer: Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld sind an Kriterien geknüpft, die junge Menschen mit erst sehr kurzem Aufenthalt in Österreich nicht erfüllen können. In diesem Fall geht der Anspruch auf den berufstätigen Partner über - in der Regel auf den Mann. Wenn nun, und das passiert auch mehrmals im Jahr, eine junge Frau aus einer solchen Ehe mit ihrem Kind vor der Gewalt des Partners in ein Frauenhaus flieht, steht sie vor dem ökonomischen Nichts. Kindergeld und Familienbeihilfe gibt es nur, wenn ein gemeinsamer Haushalt mit dem Anspruchsberechtigten existiert, in diesem Fall dem gewalttätigen Ehemann. Geltendes österreichisches Recht zwingt die betroffenen Frauen, mit ihren Kindern in den gemeinsamen Haushalt zurückzukehren, wissend, dass beide dort abermals Opfer von Gewalt werden können.

Das wollen immer mehr Menschen und Organisationen nicht mehr einfach hinnehmen und erarbeiten Modelle der Grundsicherung für alle, die sie brauchen. Entsprechende Vorschläge kamen etwa bereits von der Armutskonferenz, der Caritas, der Diakonie und den Grünen. Auch die Gewerkschaft der Privatangestellten hat sich mit dem Thema Grundsicherung beschäftigt und wird mit ihrem Konzept in den nächsten Monaten verstärkt an die Öffentlichkeit treten.

Im Kern sind sich diese Grundsicherungskonzepte ähnlich: Wer weniger als die Armutsgefährdungsschwelle zur Verfügung hat, soll die Differenz als Grundsicherung erhalten.

Ein wichtiger erster Schritt, aber nicht ausreichend: Es geht schließlich nicht nur darum, Menschen ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit zu bieten, sondern auch darum, ihnen die Chance auf nachhaltige Verbesserung ihrer Lebenssituation zu eröffnen. Eine Grundsicherung, die ihren Namen verdient, muss daher auch entsprechende Rahmenbedingungen schaffen: einen Rechtsanspruch auf Ausbildung und Qualifikation, Zugang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen (auch in ländlichen Regionen), öffentliche Verkehrsmittel, die soziale wie berufliche Mobilität erst ermöglichen, qualitativ hochwertige Kinderbetreuungseinrichtungen, die Frauen Chancen im Berufsleben eröffnen, und arbeitsrechtliche Bestimmungen, die Armut und Ausgrenzung aus sozialen Sicherungssystem unmöglich machen.

Klare Botschaft

Eine umfassend verstandene Grundsicherung schützt nicht nur vor Armut und Ausgrenzung, sie schafft auch neue Beschäftigungsmöglichkeiten in Sozial- und Betreuungsberufen wie in der Infrastruktur. Und dabei gehen zumindest die Grünen sogar noch einen Schritt weiter: Über eine Grundsicherung ließen sich sogar berufliche Auszeiten finanzieren, die insbesondere für gesellschaftlich und beruflich gut abgesicherte Menschen interessant sind. Die Grünen fordern fünf Jahre für Aus- und Weiterbildung sowie zwei Jahre Sabbatical. Die Folgewirkung: Zusätzliche Arbeitsplätze und Beschäftigungsmöglichkeiten, zusätzliche Einnahmen aus Steuern und Beiträgen, zusätzliche Kaufkraft.

Die Botschaft ist klar: Soziale Sicherheit kostet nicht, sie macht sich bezahlt!
Wer jetzt das »richtige« Konzept der Grundsicherung hat, ist eine Frage des Standpunktes. Unübersehbar ist jedoch, dass die Debatte um die Grundsicherung zunehmend an Geschwindigkeit wie Intensität gewinnt. Unübersehbar ist letztlich auch, dass die nächste Regierung eine Mindestsicherung in der Arbeitslosenversicherung wie auch in der Sozialhilfe und die Absicherung unfreiwillig (Schein-)Selbständiger angehen wird müssen, so sie nicht soziale Konflikte riskieren will.

Lukas Wurz

1) BMSG: Armut in Österreich; in: Bericht über die soziale Lage in Österreich 2003/2004, Wien 2005

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066434550 »Flexibel wie ein Gummimensch« Mit welchen Problemen sehen Sie sich als freie Dienstnehmerin konfrontiert?
Birgit Groß:
Wenn es so wäre, dass »atypisch« Beschäftigte tatsächlich all diese Freiheiten hätte, besser bezahlt bekämen und sozial abgesichert wären, dann sehe zumindest meine Welt anders aus. Ich bin damit konfrontiert, dass ich als freie Dienstnehmerin nicht arbeiten kann, wann, wo und wie ich will. Stresspunkt Nummer eins ist aber immer die Frage: Wie viel Geld krieg ich am Ende des Monats? Da ich nie mit einem fixen Gehalt rechnen kann und die Einkommensschwankungen sehr hoch sein können, muss ich immer kalkulieren, dass ich möglicherweise am Ende des Monats auch überhaupt kein Einkommen habe. Dadurch kann ich es mir einfach nie leisten einen Job auszuschlagen. Man ist im Grunde ständig gezwungen mehrere Jobs gleichzeitig zu haben. Es scheint paradox, aber trotz Job muss ich immer ein wachsames Auge haben. Bei größeren Einkäufen bekomme ich beispielsweise immer einen Schweißausbruch, weil ich befürchten muss, dass mir möglicherweise genau dieser Betrag im nächsten Monat zum Leben fehlen wird. Ich habe mir mittlerweile angewöhnt in Zeiten, in denen ich etwas mehr als üblich verdiene, Vorratskäufe zu tätigen.

»Atypische« Beschäftigung wird häufig als Notwendigkeit oder Anreiz für einen dynamischen Arbeitsmarkt gesehen. Wie sehen Sie sich selbst als freie Dienstnehmerin in dieser »Dynamik«?
Flexibles Arbeiten erfordert permanente Biegsamkeit. Und so komme ich mir tatsächlich manchmal wie ein Gummimensch vor. Ich denke, die Wirtschaft begrüßt diese Flexibilität. Die KundInnen sowieso, denn deren Wünsche gehen ohnehin immer vor. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich allerdings sagen, dass die meisten »atypisch« Beschäftigten nicht freiwillig flexibel arbeiten, sondern wie ich in diese Art der Beschäftigung gedrängt wurden. Eine Anstellung zu haben entspricht für viele nicht mehr ihrer Normalität. Ich kenne kaum »atypisch« Beschäftigte, die damit zurecht kommen, ihr Honorar selbst auszuverhandeln. Denn für viele ist es schwierig, sich dem Auftraggeber gegenüber erfolgreich durchzusetzen.

Sehen Sie auch positive Aspekte an »atypischer« flexibler Arbeit?
Ich bin viel herumgekommen und habe unterschiedlichste »atypische« Jobs gemacht. Wenn freie DienstnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen die gleichen Rechte wie Angestellte hätten, dann ließen sich möglicherweise an dieser Art der Beschäftigungsverhältnisse auch positive Aspekte feststellen. In der derzeitigen Situation ist es allerdings so, dass »atypisch« und flexibel arbeiten für mich bedeutet, weder einen sicheren Job noch ein sicheres Einkommen zu haben.

Wo müsste aus Ihrer Sicht angesetzt werden, um diese Zustände zu ändern?
Neben ausreichender sozialer Absicherung für den Krankheitsfall und im Fall der Arbeitslosigkeit, geht es auch um Wertschätzung, Weiterentwicklung und Einbeziehung der MitarbeiterInnen. Ob die Beschäftigten zufrieden sind oder nicht, hängt auch von der Philosophie eines Unternehmens ab.

Glauben Sie, Ihre Situation ist für »typische« ArbeitnehmerInnen nachvollziehbar?
Ich denke schon. Denn wenn Angestellte, die jahrelang beschäftigt sind, plötzlich einen freien Dienstvertrag oder einen Werkvertrag vor die Nase gesetzt bekämen, würden sie sich zunächst nur wundern. Da sie auf viele ihrer bisherigen Rechte mit einem Schlag verzichten müssten, würden sie sich informieren gehen, um dem entgegenwirken zu können. Außerdem sind viele längst selbst damit konfrontiert. Durch die hohe Arbeitslosigkeit machen viele Menschen Erfahrungen mit den Schwierigkeiten, auf dem Arbeitsmarkt einen Platz zu finden. Es entsteht ein enormer Konkurrenzdruck, dem man auch bei unqualifizierten Jobs begegnet. Zunehmend bekommen auch unselbständig Beschäftigte, die auf Jobsuche sind, nur mehr »atypische« Verträge angeboten. Da kann man sich dann zwischen einem freien Dienstvertrag oder Werkvertrag und der Arbeitslosigkeit entscheiden. Für »atypisch« Beschäftigte ist das wiederum meist kein Thema, weil sie nicht gegen Arbeitslosigkeit versichert sind und in vielen Fällen in der Vergangenheit keinen Versicherungsanspruch erworben haben.

Halten Sie es für attraktiv, sich selbständig zu machen?
Aus meiner Sicht wird oftmals der Fehler begangen, den Einzelnen mit einem Unternehmen zu vergleichen. Wenn ich als Werkvertragsnehmerin selbständig bin, dann habe ich sozusagen dieselbe Verantwortung wie ein Unternehmen. Einerseits muss ich zwar wie ein Unternehmen agieren und alle Aufgaben gleichzeitig bewältigen, andererseits habe ich aber klarerweise nicht dieselben Ressourcen wie ein Unternehmen. Ein Unternehmen ist auch nicht auf einzelne KundInnen angewiesen. Wenn ich Ausfälle habe, dann kann das unter Umständen meine Existenz gefährden. Das ist doch ein Widerspruch in sich.

Was wünschen Sie sich beruflich?
Eine Zukunftsplanung ist für mich eigentlich nicht möglich. Abgesehen davon, dass ich mir keinen Urlaub leisten kann, geschweige denn, dass ich jemals einen bezahlten Urlaub gehabt hätte. Ich kann mir beispielsweise auch keine Zahnspange leisten, die aber ein notwendiger medizinischer Eingriff wäre. Was ich möchte, ist ein festes Standbein für meine Existenzsicherung. Und ich möchte einmal erleben, ohne Wenn und Aber angestellt zu werden. Denn mittlerweile brauche ich einen Brotjob, um mir meinen Herzensjob überhaupt leisten zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066433701 »Atypische« Beschäftigung und ihre vielen Gesichter Unsere Gesellschaft befindet sich im Wandel: von einer Industrie- zu einer Dienstleistungsgesellschaft. So auch in Österreich. Der Großteil der Erwerbstätigen ist bereits im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Dieser Wandel hat auch Auswirkungen darauf, wie, wann, wo und unter welchen Bedingungen gearbeitet wird.

In den Neunzigerjahren begannen viele Unternehmen mit »Outsourcing«. Damit ist die Auslagerung bestimmter Aufgabenbereiche des Unternehmens sowie der damit verbundene Verantwortungs- und Risikotransfer an externe ProduzentInnen und DienstleisterInnen gemeint. Vor dem Hintergrund derartiger Flexibilisierungsstrategien und Zielen der Kostenreduktion greifen immer mehr Unternehmen verstärkt zu »atypischen« Beschäftigungsverhältnissen. Dieser Begriff beschreibt das zunehmende Abweichen vom so genannten »Normalarbeitsverhältnis«; oft auch »Entgrenzung« der Arbeit genannt.

»Bei freien Dienstverträgen und Werkverträgen findet das
Arbeitsrecht keine Anwendung.«

Damit verbunden sind die Verschiebung und Vermischung von Arbeitsformen, Veränderungen von Arbeitsprozessen sowie die zunehmende Prekarisierung von Arbeit. Darunter ist die Kombination von Unsicherheit am Arbeitsplatz, niedriger Bezahlung und einer nicht ausreichenden sozialen Absicherung subsumiert. So zeichnet sich beispielsweise Schicht- und Wochenendarbeit durch eine Verschiebung der Arbeitszeit aus, Leiharbeit hingegen bedeutet die Verlagerung des Arbeitsortes. Bei Teilzeitarbeit handelt es sich um eine Verkürzung der Arbeitszeiten. Diese Formen der »atypischen« Beschäftigungen sind keineswegs neuartige Phänomene.

Gesetzliche Grundlagen geschaffen

Doch im Laufe der vergangenen zehn Jahre wurden in Österreich die gesetzlichen Grundlagen für neue »atypische« Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, mit denen Beschäftigte zunehmend konfrontiert sind. Dabei handelt es sich um freie Dienstverträge und Werkverträge. Diese Dienstverhältnisse wurden mittlerweile zwar teilweise in die Sozialversicherung einbezogen, es gibt jedoch eine Besonderheit: das Arbeitsrecht findet bei dieser Art der Beschäftigung keine Anwendung.

Neuen Unternehmensstrategien, die unternehmerische Handlungsspielräume auszuweiten versuchen, stehen individuellen Lebenslagen gegenüber, in denen Menschen eine »atypische« Beschäftigung annehmen. Darin sehen sie die einzige Möglichkeit, neben Bezügen wie Kindergeld oder Transferleistungen oder neben einem Studium etwas dazuzuverdienen.

Z A H L E N,  F A K T E N

Während die Erwerbstätigkeit in Österreich leicht zunahm, ging Vollzeitbeschäftigung in den vergangenen Jahren deutlich zurück. Die Zahl der Teilzeitbeschäftigungen hingegen hat stark zugenommen. Im Vergleichszeitraum von 2000 bis 2004 reduzierten sich die Vollzeitjobs um 6,7 Prozent. Gleichzeitig stieg die Teilzeitquote um 39 Prozent an.

Mittlerweile arbeiten 730.000 Menschen auf Teilzeitbasis, drei Viertel davon Frauen. Weitere 40.000 ArbeitnehmerInnen arbeiten als Leih- oder Zeitarbeitskräfte. Insgesamt waren 2005 rund 330.000 Personen geringfügig beschäftigt, d. h. verdienten weniger als 323,46 Euro monatlich. Die Geringfügigkeitsgrenze wird jährlich angepasst und beträgt für heuer 333,16 Euro.

Jede/r Siebte davon hat einen freien Dienstvertrag. Mittlerweile gibt es 70.000 Menschen, die als freie DienstnehmerInnen arbeiten. Etwa 33.000 »neue« Selbständige arbeiten auf Basis von Werkverträgen. Das ist etwa ein Neuntel aller erwerbstätigen Selbständigen. Darüber hinaus gibt es eine große Zahl an WerkvertragsnehmerInnen, die aufgrund der bestehenden Sozialversicherungsgrenze gar nicht von der Statistik erfasst werden.

Laut Statistik Austria hatte 2004 jede/r zehnte Arbeitnehmer/in mehrere Jobs. Weiters wurde in den vergangenen zehn Jahren eine starke Zunahme befristeter Erwerbstätigkeit sowie des regelmäßigen Schicht-, Wechsel- und Turnusdienstes und der regelmäßigen Abend-, Nacht-, Wochenend- und Heimarbeit verzeichnet.

Auswirkungen und Strategien

Doch auch eine Anstellung kann die gewünschte Flexibilität, die sich auch an den Bedürfnissen der arbeitenden Menschen orientiert, gewährleisten. Gerade in den letzten Jahren wuchs der Druck von Unternehmensseite die Rahmenbedingungen von Anstellungsverhältnissen zu flexibilisieren. Es kam zu Regelungen in den Bereichen Teilzeit- sowie Telearbeit, wie beispielsweise die geblockte Freizeit.

Der Großteil der »atypisch« Beschäftigten muss sowohl auf einen sicheren Job als auch eine ausreichende soziale Absicherung verzichten. Viele Menschen würden eher flexibel und vor allem aber selbstbestimmt arbeiten wollen, wenn dabei eine ausreichende soziale Absicherung gewährleistet wäre.

Freie DienstnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen sind laut Gesetz keine ArbeitnehmerInnen und haben nicht die gleichen Rechte wie Angestellte oder ArbeiterInnen. Diese »atypisch« Beschäftigten sind daher in der Praxis oft damit konfrontiert, dass allein der/die Dienstgeber/in über die Rahmenbedingungen des Dienstverhältnisses entscheidet. Einkommenshöhe und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses hängen ausschließlich von der individuellen Vereinbarung mit dem/der Dienstgeber/in ab. Weiters sind »atypisch« Beschäftigte von den traditionellen Formen der Mitbestimmung im Betrieb ausgeschlossen.

Herausforderung für Betriebsräte

Rein rechtlich gesehen haben diese Beschäftigtengruppen keine Möglichkeit ihre Interessen kollektiv durchzusetzen, da der Betriebsrat für sie formal überhaupt nicht zuständig ist. Viele engagierte BetriebsrätInnen, die sich trotzdem um deren Anliegen kümmern wollen, stehen daher vor der Herausforderung, die Interessen »atypisch« Beschäftigter mit jenen der Stammbelegschaft zu vereinbaren. Die gesetzliche Realität erfordert aber auch neue Strategien. Denn um sicher zu stellen, dass »atypisch« Beschäftigte auch einen verbindlichen Rechtsanspruch auf eine betriebliche Interessenvertretung haben, müssen die arbeitsrechtlichen Bestimmungen entsprechend geändert werden.

Durch die sich verändernden Lebens- und Arbeitsrealitäten in unserer Gesellschaft ergeben sich auch Konsequenzen für überbetriebliche Interessenvertretungen. Doch weder die strikte Ablehnung dieser Arbeitsverhältnisse noch die simple Verallgemeinerung ist zielführend.

T I P P S

>work@flex: GPA-Interessengemeinschaft für »atypisch« Beschäftigte - www.interesse.at- bietet:

  • kostenlose rechtliche Erstberatung
  • Vertretung vor dem Arbeits- und Sozialgericht
  • monatlichen Newsletter
  • Veranstaltungen, öffentliche Aktionen
  • Plattform zur Vernetzung »Atypischer«
  • Unterstützung von BetriebsrätInnen
  • politische Selbstvertretung »Atypischer«
  • NEU: Leitfaden durch den Paragraphendschungel 2006 für freie DienstnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen
  • Broschüre für Leiharbeitskräfte (Bestellungen: helmuth.korn@gpa.at, telefonisch unter 050301-21314)

Erfolgreiche Verfahren

Die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) führt zahlreiche erfolgreiche Verfahren bei Umgehungsverträgen, bei denen die sozialversicherungs- sowie arbeitsrechtlichen Ansprüche der Beschäftigten eingeklagt werden. Um in der gegenwärtigen Situation jedoch die Konkurrenzsituation zwischen den verschiedenen Beschäftigtengruppen im Betrieb zu minimieren, müssen weitere kreative Ansätze und Lösungen gefunden werden.

Die GPA unterstützt BetriebsrätInnen sowie Beschäftigte dabei, »atypisch« Beschäftigte aktiv und passiv in die Betriebsratswahl einzubeziehen. Regelmäßige Jour Fixes zwischen BetriebsrätInnen und »atypisch« Beschäftigten werden organisiert.

Weitere Möglichkeiten sind die Einbeziehung der Anliegen der freien MitarbeiterInnen in Austauschgespräche zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsführung, sowie die Einbeziehung in betriebliche Sozialleistungen. Zur Durchsetzung der eigenen Interessen müssen sich »atypisch« Beschäftigten selbst organisieren können und in gewerkschaftliche Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen werden.

F O R D E R U N G E N

work@flex fordert:

  • gesetzliche Gleichstellung aller ArbeitnehmerInnen bei Krankheit und Arbeitslosigkeit
  • einheitliche Regelungen für alle ArbeitnehmerInnen, die wirtschaftlich von einem Dienstgeber abhängig sind
  • gleiche Mitbestimmungsrechte für »atypisch« Beschäftigte
  • gleichwertige Bezahlung aller ArbeitnehmerInnen
  • einen Generalkollektivvertrag, der »Atypische« nicht schlechter stellt wie Angestellte sowie die Ausweitung der Geltungsbereiche in den einzelnen Branchenkollektivverträgen auf »atypisch« Beschäftigte
  • gewerkschaftliche Unterstützung in der Mitbestimmung und Vertretung »Atypischer« in Betriebsratskörperschaften

Rahmenbedingungen schaffen

Für die Interessendurchsetzung müssen Rahmenbedingungen geschaffen sowie der institutionelle innergewerkschaftliche Interessenausgleich organisiert werden. Es muss das Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass »atypisch« Beschäftigte keine Betroffenen, sondern handelnde AkteurInnen in ihrer eigenen Arbeits- und Lebenswelt sind.

Gewerkschaften haben daher die Aufgabe sich mit Veränderungen der Arbeits- und Lebensrealitäten der Menschen auseinanderzusetzen und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass diese Veränderungen nicht nur in die tägliche Interessenpolitik, sondern ebenso in das gewerkschaftliche Selbstverständnis einfließen.

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Sandra Stern (Sekretärin des Geschäftsbereichs Interessenvertretung der GPA) http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066430424 Inhalt Ausgabe April 2006 MEINUNG

    Standpunkt: Der ÖGB ist handlungsfähig

    Leserforum

SCHWERPUNKT:

    »Atypische« Beschäftigung und ihre vielen Gesichter
    Für eine vorausdenkende gewerkschaftliche Interessenpolitik geht es darum, vielfältige Erwerbsbiographien mit gesellschaftlichem Strukturwandel in Beziehung zu setzen.

    »Flexibel wie ein Gummimensch«
    Birgit Groß, 35, ausgbildete Trainerin für Legasthenie, hat trotz ihrer hohen Qualifikation in den vergangenen 15 Jahren nie eine Anstellung erhalten, sondern immer nur freie Dienstverträge oder Werkverträge.

    Gegen die Erosion des sozialen Schutzes
    Patchworkfamilien und Lebengemeinschaften haben den Traum von der ewig seligmachenden Keimzelle der Gesellschaft abgelöst. Ein zusätzliches Netz könnte vor Lücken im bestehenden System schützen.

HINTERGRUND:

    Die Zukunft der sozialen Demokratie
    Der Sozialstaat soll zwar umgebaut und etwa analog den skandinavischen Modellen stärker über Steuern finanziert werden, aber in seiner Substanz erhalten bleiben.

AUS ARBEITERKAMMERN & GEWERKSCHAFTEN

    Illegale Beschäftigung: Mehr Kontrolle

    Überstunden: Arbeiten um »Gottes Lohn«

    ÖGB: Neue Führungsspitze bestellt

    AK Wien-Steuerspartage

    Ungleiche Verteilung drückt auf Bildung

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

    Den Steuersenkungswettlauf stoppen

    Arbeitsverträge: Massive Fußangeln

    Menschen mit Behinderung:
    Abbau von Denkbarrieren notwendig

    Mit Innovationen kräftig durchstarten

    Verbraucherpreise

GESELLSCHAFTSPOLITIK

    Der mühsame Weg der Alphabetisierung

    Urlaub: Richtiger Versicherungsschutz

    Das Geschäft mit Zahlungsverzug blüht

INTERNATIONALES

    EU: Von Plattitüden und der Realpolitik

    Uganda: Profit von der Armut der Massen

    Europass für berufliche Kompetenzen

    EU: Internationale Sozialpartner-Konferenz

    EU: Abkehr vom Neoliberalismus?

    Brüssel: Mehr Ruhepausen für Lkw-Fahrer

    Genf: Weltweit 191,8 Millionen Arbeitslose

    Caracas: Weltweite Proteste

    Iran: Internationaler Gewerkschaftsprotest

    Lkw-Lenker: Auch Neuregelung katastrophal

    Brasilia: 4133 SklavenarbeiterInnen befreit

    Aus für AEG-Fabrik in Nürnberg

BÜCHER

    Dachs/Gerlich/Gottweis/Kramer/Lauber/Müller/
    Tálos (Hg.): Politik in Österreich.

    Reimon, Weixler: Die sieben Todsünden der EU

    Attac (Hg.): Das kritische EU-Buch

    Misik: Genial dagegen.

    Beaud: Die verlorene Zukunft der Arbeiter

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[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066430069 Standpunkt | Was bleibt? Offene Fragen und mögliche Antworten Warum haben die Kontrollen versagt?

Eine Zeitlang konnte man aus den Medien täglich neue Hiobsbotschaften vernehmen. Steht uns das Schlimmste noch bevor oder sind wir gut unterwegs auf dem Weg zur Konsolidierung? Welche Beteiligten haben welche Fehler gemacht? Es soll hier an dieser Stelle nicht um die Suche nach den Schuldigen und um ihre Bestrafung gehen, wobei das wohl keine unwesentliche Sache ist, auch wenn dies nichts an der unmittelbaren Situation ändern kann.

Nein, unser Thema hier ist die Frage nach dem, was bleibt, was immer noch wesentlich ist neben der unglaublichen finanziellen Misere und dem berechtigten Schwund an Vertrauen in die Verantwortlichen für die Führung unserer Bewegung. Wie kann so etwas in Zukunft verhindert werden? Und wie können wir das Vertrauen unserer Mitglieder wieder gewinnen?

Jene Teile der Bevölkerung, die wirtschaftlich unselbständig sind oder über ein nur geringes Einkommen aus selbständiger Arbeit verfügen, müssen sich organisieren, müssen gemeinsam auftreten, um ihren Interessen überhaupt Gehör zu verschaffen und diese Interessen auch durchzusetzen. Wenn es sein muss auch im Konflikt und in der Konfrontation. Die verschiedenen Interessengruppen in unserem Staatswesen brauchen einen Ausgleich, der aber nur möglich ist, wenn das Kräfteverhältnis - zumindest halbwegs - ausgeglichen ist.

Die Gewerkschaften müssen heute Einfluss auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung nehmen, denn längst ist es nicht mehr allein entscheidend, was der Lohnsäckel enthält, sondern wie sich die allgemeine Lage gestaltet…

Und die allgemeine Lage ist - ja, wie ist sie?
Wird unser Sozialstaat schleichend oder ziemlich offen ausgehöhlt und abgebaut?
Wie steht es um unsere Pensionen?
Wie um unsere medizinische Versorgung?
Wie ist die Lage am Arbeitsmarkt?
Wie viel Arbeitslose haben wir?
Und wie viel Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen?
Soll die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Gestaltung so weitergehen?
Welche gesellschaftlichen Kräfte gibt es, die sich glaubwürdig für einen echten Interessensausgleich einsetzen?

An der Interessenslage der arbeitenden Menschen hat sich nichts geändert, auch nicht an den Interessensgegensätzen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, ob sie nun im Rahmen einer Partnerschaft ausgetragen werden oder auch in der Kontroverse und im Widerstreit. Und auch an der Notwendigkeit einer kollektiven Vertretung von Interessen nicht nur bei den meist jährlichen angepassten Verträgen zur Regelung von Löhnen und Gehältern, aber auch Abfertigung, Urlaub, Krankengeld, Arbeitszeiten und und und, also kurz gesagt an der Notwendigkeit einer kollektiven Interessenvertretung zur Regelung der Lohn und Arbeitsbedingungen hat sich nichts geändert: Wir brauchen Kollektivverträge und wir müssen die Einhaltung dieser Verträge durch unsere Vertragspartner auch überwachen.

Die vielen zehntausenden unmittelbar in Urwahlen direkt in den Betrieben gewählten Vertrauensleute der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen sich mit den Interessen und Problemen der Arbeitnehmer/-innen vor Ort und sie sind nicht nur die Sprecher/-innen der Belegschaft, sondern auch Sprachrohr zur Artikulation und Einbringung von weitergehenden Forderungen.

Sie nehmen so auch Einfluss auf wirtschaftliche und sozialpolitische Fragen, und so gesehen sind Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung bestimmt keine Illusionen, sondern wesentliche Elemente zur Funktion unseres Gemeinwesens. Alle, die dies für wichtig und wesentlich erachten, werden auch nicht zögern, gemeinsam an der Erneuerung unserer Gewerkschaftsbewegung zu arbeiten. Jedes einzelne Mitglied ist wichtig.

»Arbeit&Wirtschaft« ist eines der Diskussionsforen, um gemeinsam die schwierige Phase der Neugestaltung zu bewältigen. Die Herausforderungen der Arbeitswelt erfordern mehr denn je eine starke Gewerkschaftsbewegung. Wir alle sind Teil von ihr.

Siegfried Sorz

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066429980 Frische Kraft. Neue Richtung »Unser Ziel ist eine echte Erneuerung des ÖGB, wir wollen eine der modernsten Gewerkschaftsbewegungen Europas werden «, so ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer bei der Präsentation der Eckpunkte zum gestarteten Reformprozess mit VertreterInnen der Teilprojekte sowie einer IFES-Umfrage. »Eine Erneuerung von innen und außen«, so der ÖGB-Präsident, sei nötig, um die Veränderungen in der Arbeitswelt entsprechen und in Zukunft bestimmte Gruppen wie zum Beispiel atypisch Beschäftigte besser ansprechen und vertreten zu können. Dazu wurden sechs Teilprojektgruppen, eine Steuerungsgruppe, die das Projekt Verwaltung neu umsetzen soll und ein Projektleitungsausschuss, dem auch die Themen Finanzen und gewerkschaftspolitische Inhalte und Kongresse zugeordnet ist, ins Leben gerufen.

Neue Glaubwürdigkeit

Erich Gumpelmaier, Landessekreär des ÖGB Oberösterreich, der das Teilprojekt »Neue Glaubwürdigkeit« (Themen: Vertrauen, Ethik, Transparenz,
Kontrolle, Überparteilichkeit, Einkommen und Funktion) leitet: »Unsere Mitglieder brauchen einen nachhaltigen Nachweis, dass derartige Vorgänge im ÖGB nicht mehr passieren können.« Dazu seien eine neue politische Kultur sowie Richtlinien für die Kontrolle und für künftige Personalentscheidungen erforderlich.

Weil wir »verschiedene Gruppen, wie zum Beispiel die Frauen, mit den herkömmlichen Mitteln nicht so ansprechen können wie wir das gerne hätten«, wollen wir »die verschiedenen Zielgruppen verstärkt in ihrer Vielfältigkeit ansprechen und vertreten«, skizziert Renate Lehner, Zentralsekretärin der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) und Leiterin des Teilprojekts »Zielgruppen« (Themen: Jugend, Frauen, PensionistInnen, Behinderte, Atypische, Arbeitslose, MigrantInnen, nichtorganisierte Betriebe, Initiativen), ihre Reformideen. Zu diesen neuen Zielgruppen zählt sie u. a. MigrantInnen der zweiten Generation, atypisch Beschäftigte, junge EinsteigerInnen ins Berufsleben und gut qualifizierte Frauen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen. »Als Kernstück der Gewerkschaftsbewegung«, das erneuert und erweitert gehört, sieht Markus Wieser, Landessekretär der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung in Niederösterreich und Leiter des Teilprojektes »Organisation« (Themen: Betreuung, internationale Arbeit, Grundsatzabteilungen, Mitgliederwerbung-Werbemethoden, Gremien), »die regionale, flächendeckende Betreuung der Betriebe.«

Dabei gehe es ebenso um die moderne Ausgestaltung des Leistungsangebotes für BelegschaftsverteterInnen als auch um die effiziente Aufgabenverteilung
zwischen ÖGB und Gewerkschaften. In der Teilgruppe »Kommunikation« werden Vorschläge zu Öffentlichkeitsarbeit und Krisenmanagement, BetriebsrätInnenbetreuung, ArbeitnehmerInneneinbeziehung, Serivcecenter, Marketing, Kampagnen und Mitgliederbindung erarbeitet, weiß Josefine Rasztovits, ÖGB-Bezirkssekretärin in Mattersburg und Oberpullendorf. Mit der »Neuorganisation der Verwaltung« (Themen: Buchhaltung, Mitgliederevidenz, EDV, Beitrag & Leistung, Serviceangebot und Beitragswahrheit/Einhebung) befasst sich Thomas Maurer-Mühlleitner, Referatsleiter im ÖGB, im Umsetzungsprojekt aus der Steuerungsgruppe. Im Teilprojekt »Mitsprache und Mitbestimmung« (Themen: BetriebsrätInnen- und Mitgliedermitbestimmung, Fraktionen, Verhältnis zu politischen Parteien, parteiunabhängige  FunktionärInnen) werden bisherige und künftige neue Formen der Einbindung in die Gewerkschaft analysiert, erläutert Sandra Steiner, Genderbeauftragte der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA).

Ein Glas klares, frisches Wasser ist das neue Logo des ÖGB. Ist das Glas halbvoll, oder halbleer? Bei der zum Start des ÖGB-Reformprozesses präsentierten IFES-Umfrage zeigen sich Möglichkeiten und Abgleitflächen. Für ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer ist klar: »Österreich ohne Wasser wäre wie die Arbeitswelt ohne Gewerkschaft.«

Tatsächlich sehen das trotz des BAWAG-Skandals sowohl die Gesamtbevölkerung als auch - stärker - die Gewerkschaftsmitglieder so. Rund vier Fünftel aller Befragten meinen, dass Gewerkschaften wichtiger denn je sind, es ohne ihnen den ArbeitnehmerInnen wesentlich schlechter gehen würde und Gewerkschaften zur Aufrechterhaltung des gesamtgesellschaftlichen Gleichgewichtes gebraucht werden. Derzeit haben nur rund 30 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder weiterhin Vertrauen in ihre Interessenvertretung. 70 Prozent der Mitglieder erwarten sich ein kämpferisches Auftreten gegenüber den Arbeitgeberverbänden.

Weitere Details: Für 92 bzw. 79 Prozent der Mitglieder bzw. der Bevölkerung ist der ÖGB wichtig, für 81 (61) sachkundig, 65 (51) demokratisch, 64 (49) neuerungswillig, 58(40) verantwortungsbewusst, 51 (32) glaubwürdig, 49 (37) basisnah, 42(33) modern, 21 (19) politisch unabhängig. 83 Prozent der Mitglieder und 71 Prozent der Nichtmitglieder sind davon überzeugt, dass der ÖGB seine Krise über kurz oder lang überwinden und an früheren Erfolgen anknüpfen können wird.

Einmalige Chance im Leben

Die Eckpunkte des Reformprozesses sollen bis zum ÖGB-Bundeskongress Ende Jänner 2007 stehen. ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer spricht an alle Interessierten die Einladung aus: »Alle, die davon überzeugt sind, dass es auch in Zukunft eine schlagkräftige Gewerkschaftsbewegung geben muss, werden Möglichkeiten bekommen, mitzuwirken. Ich hoffe, dass sich sehr viele Interessierte beteiligen werden und fordere bereits jetzt alle auf, sich aktiv in den Reformprozess einzubringen. Denn man hat wohl nur einmal im Leben die Chance seine Gewerkschaft von Grund auf mitzugestalten.«

Wilfried Leisch

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Wilfried Leisch http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066429912 Standpunkt | Weinen oder lachen? Öffentlichkeit kann auch inszeniert werden wie eine Oper und angesichts des jetzt tobenden Wahlkampfs haben auch Sie sich wahrscheinlich schon öfters die Frage gestellt: »Ist das eine Tragödie? Oder doch eher eine Komödie? Offensichtlich beides, also eine Tragikomödie!« Sollen wir nun weinen oder lachen angesichts dessen, was wir tagtäglich geliefert kriegen?

In Bagdad und anderswo

Ich erinnere mich an eine Begebenheit aus der inszenierten Kriegsöffentlichkeit bei der letzten Eroberung von Bagdad. Ein paar ausgewählte Statisten wurden durften von den anwesenden Korrespondenten dabei abgefilmt werden, wie sie eine Statue von Saddam Hussein stürzten. Der inszenierte Volkszorn als Ablenkung von der Suche nach den Massenvernichtungswaffen, die der vorgebliche Kriegsgrund waren und die man bis heute nicht gefunden hat …

Ein gesundes Misstrauen gegenüber den diversen öffentlichen Inszenierungen, den Szenen und Auftritten und dem Applaus der Claqueure scheint mir durchaus angebracht. Was ich mir wünschen würde? Einen Cato! Erinnern Sie sich aus der Schule an die Cato-Formel, die er nach jeder Rede einfügte - »Ceterum censeo, Carthaginem esse delendam«, Karthago muß im übrigen zerstört werden? - In der selben Manier wünsche ich mir einen (oder eine), der (oder die) bei jeder sich bietenden Gelegenheit einflicht: »Im übrigen haben wir ein paar hunderttausend Arbeitslose, und jeder einzelne ist einer zu viel! Hier liegen unsere Hauptprobleme und hier muss dringend was geschehen!«

Was geschieht wirklich?
Ein feines Lächeln kräuselt die Lippen, und mit ein, zwei flotten Phrasen und einem treuherzigen Augenaufschlag wendet man sich - dem nächsten Thema zu … Die klassische Aufforderung des Immanuel Kant »Habe Mut, dich deines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen « ist angesichts der vielen Versuche, uns zu manipulieren, in diesen Zeiten besonders aktuell.

Kritisches Denken und kreatives Lernen, auch angewendet auf politische Zusammenhänge wie zum Beispiel auf die Situation des ÖGB und seiner Gewerkschaften, ist jetzt angesagt und vielleicht auch erkennbar. Wir haben uns hier keineswegs verbarrikadiert. Mit Karl Korsch sind wir der Meinung: Arbeiter müssen die Möglichkeit haben, ihre eigenen Oberen in jedem Punkt zu kritisieren.1)  (Wobei mit »Oberen« hier die demokratisch gewählten Vertreter gemeint sind.)

Die Führung der Gewerkschaftsbewegung stellt sich der Kritik und ruft zur gemeinsamen Anstrengung für eine Erneuerung auf. Diese soll sich keineswegs nur auf die Teilnahme an der Mitgliederbefragung beschränken, obwohl diese Teilnahme das Mindeste an Anstrengung wäre, das von Ihnen erwartet wird und wo wir bitten, dass Sie auch die Kolleginnen und Kollegen zumindest in ihrem nähren Umkreis dazu zu animieren.

Demokratie, Kritik und Selbstkritik

Ich persönlich möchte hier Rosa Luxembourg zitieren, für die Demokratie, Kritik und Selbstkritik Kategorien sind, die sie für untrennbar gehalten hat. Sie war es, die zur Selbstbestimmung aufgerufen hat und die von der Freiheit als der Freiheit der Andersdenkenden gesprochen hat. Dies konstituiert die lebenden Formen der Demokratie. Auch wenn manchmal die Töne (und auch die leiseren Zwischentöne) noch ziemlich schrill sind, so liegt es an uns allen, unsere Lebenserfahrung und unser Arbeitswissen einzubringen. In unserem Leben und unserer Arbeit gibt es noch viel mehr Interessen und Möglichkeiten, die über das Alltägliche hinausgehen. Was uns nicht umbringt, macht uns auch gemeinsam stärker.

Von manchen geliebten heiligen Kühen werden wir uns eben trennen, nicht mit Wehmut, sondern mit dem Elan der Erneuerung.

Siegfried Sorz

1) Falls Sie sich fragen, »Woher hat er das?«, möchte ich Ihnen gerne
ein Buch empfehlen, das eine gute Quelle und Anregung ist, auch
wenn es ziemlich umfangreich ist: Oskar Negt, Alexander Kluge:
»Der unterschätzte Mensch«, zweibändige Gesamtausgabe, Verlag
Zweitausendeins, ISBN 3-86150-425-1

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066429834 Standpunkt | Hakelziehen und Terror des Profits Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist für Hundstorfer alles andere als rosig. Er betonte, dass Teilzeitarbeit großteils unfreiwillig ist und dass der Anteil dieser unfreiwillig Teilzeit Arbeitenden ständig steigt. Eine neue Synthesis-Studie, die das AMS in Auftrag gegeben hat, bestätigt, dass der Großteil des Beschäftigungszuwachses auf Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen ist. Außerdem prognostiziert diese Studie, dass die Arbeitslosigkeit bald nach den Wahlen wieder auf das hohe Niveau vom Jahresanfang steigen wird.

Empathie

Der Schreiber dieser Zeilen meint, dass zwischen den ziemlich abstrakten Warnungen der Experten und den persönlichen Erfahrungen von Betroffenen ein Gegensatz besteht, eine Kluft, die auch durch ausreichende Phantasie oder Empathie nur schwer überbrückt werden kann:

Wenn ich arbeitslos bin oder in meinem näheren Umfeld, meiner Familie einen Arbeitslosen habe, ist das was anderes als wenn ich die Arbeitsmarktstatistik lese. Das eine sind trockene Zahlen, das andere sind persönliche Schicksale, die Betroffenheit auslösen oder Empathie, wenn Betroffene mir nahe stehen.

Dass Zahlen dies bei uns auslösen, ist eher selten, obwohl wir glauben, sowohl mit dem nötigen Abstraktionsvermögen wie auch mit Phantasie ausgestattet zu sein. Der Umbau unseres Sozialsystems - wir stecken mitten drin in diesem Prozess - geht munter fort. Die Versicherungen sind emsig dabei, die sogenannten »guten Versicherungsrisiken«, also die Besserverdienenden und die Gesunden einzusammeln. Freuen Sie sich auch immer so, wenn Sie die diversen Werbespots sehen? Die greisen Rettungsschwimmer oder das Buberl, das nicht teilen will mit seinem Vater? Bei diesen Appellen an unsere Emotionen und an die (tief im Unterbewusstsein sitzenden?) Zukunftsängste gibt’s wohl genug Erfolg.

Die Frage ist: Will man ein gut funktionierendes Sozialsystem oder will man möglichst viel an Profiten abschöpfen? Der Terror des Profitdenkens, hat schon alle unsere privatesten und persönlichsten Lebensbereiche erfasst und man kann ihm nicht entgehen (siehe Viviane Forrester: »Die Diktatur des Profits«).
Wie sieht die Zukunft für uns Lohnabhängige aus?

Transparenz

Hakelziehen ist angeblich ein beliebter Volkssport in den Alpenländern. Die ineinander verhakten Finger hat eine Tageszeitung zum Emblem gemacht für ihre Berichte über die Regierungsverhandlungen und über die Frage, wer wen wie über den Tisch zieht. Das Wahlergebnis ist so, dass das logischste eine große Koalition wäre. Wenn ich die Berichte zu den Verhandlungen lese, so mischt sich für mich die Realsatire oder die unfreiwillige Kabaretteinlage mit Elementen aus der Tragödie. Möchten Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dass ich mich bei Ihnen entschuldige? Vielleicht habe ich je hier, an dieser Stelle, etwas gesagt, dass Sie persönlich beleidigt hat? Ich bin zutiefst untröstlich und bitte unendlich aufrichtig um Ihre Vergebung (gschamster Diener!).

Jetzt bitte ich Sie, nochmals zum Anfang unseres Beitrags zu gehen, zur Beschäftigungssituation! Unser Land braucht dringend eine handlungsfähige Regierung, die stark genug ist, die anstehenden Probleme zu lösen und neue Lösungsansätze zu finden! »Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit muss für die neue Regierung Priorität haben «, fordert der ÖGB-Präsident namens des ÖGB-Bundesvorstandes: »Eine nachhaltige und dauerhafte Erhöhung des Budgets für aktive Arbeitsmarktpolitik ist unbedingt erforderlich.« Auch nach 2006 müssen die finanziellen und personellen Mittel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bereitgestellt werden.

In diesem Sinne wünsche ich mir auch mehr Transparenz, was die Regierungsverhandlungen betrifft. Den schwarzen Peter »zuweisen«, das machen die Kinder beim Kartenspielen. Ich möcht eigentlich ganz gern wissen, welche Positionen die Verhandlungspartner einnehmen. Schachern ist ein Wort aus dem Jiddischen, das die Nazis oft gebraucht haben bei ihren antisemitischen »Sagern«: übles, feilschendes Geschäftemachen. Wir wünschen uns alle, dass für mehr Arbeitsplätze verhandelt oder von mir aus auch übel gefeilscht wird, aber Hakelziehen, das machen doch nur diese Typen mit Lederhose und Gamsbart. Onzarrn Burschen (und Mäderl)! Oder sollen wir gleich noch einmal wählen?

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066429580 Standpunkt | Aufklärungsauftrag Dazu meint der geschäftsführende ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer: »Ich warne davor, nur Fragebögen zu zählen und das Ergebnis gering zu schätzen. Über 80.000 Einzelvorschläge und Tausende, die sich persönlich bei den verschiedenen Konferenzen eingebracht haben, sind eine kostbare, aktive Unterstützung, die viele Unternehmen und Organisationen gerne hätten.« Der ÖGB-Präsident betont, dass das Befragungsergebnis die Politik des ÖGB zwar in manchen Bereichen unterstütze.

»Wir haben aber auch viele Aufträge wie etwa mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten oder modernes Gewerkschaftsmanagement mit Qualitäts- und Leistungskontrolle bekommen. Und in manchen Bereichen zeigt uns die Befragung, dass wir noch einen Aufklärungs- und Meinungsbildungsauftrag haben. Ich spreche hier etwa den Wunsch nach mehr Frauen in der Geschäftsführung an, der nur von 28 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Befragung geäußert wurde oder internationale Gewerkschaftsarbeit, die 29 Prozent für wichtig halten.«

Ich meine, ist doch eigentlich ziemlich logisch, dass ein global entfesselter Kapitalsmus auch globale Antworten braucht. Wenn die Arbeiter in China oder Korea oder sonst wo mehr Rechte haben und besser bezahlt werden, dann ist das auch für uns gut. Und wenn jemand jetzt sagt: »Wieso? Ist doch mir egal?«, dann bitte ich ihn zu überlegen, ob er will, dass auch die letzten Industrieproduktionen ins billigere Ausland abwandern? Ob er will, dass zum Beispiel unsere sozialen Standards an den niedrigsten Level in der EU angepasst werden und ob er will, dass Lohnforderungen, die über einen Inflationsausgleich hinausgehen und einen - wenn auch noch so bescheidenen - Anteil an den nicht unbeträchtlichen Gewinnen umfassen, mit dem Hinweis auf die viel billigeren Gehälter jenseits unserer Grenzen abgeschmettert werden? Eine grenzüberschreitende bzw. internationale Zusammenarbeit auf überstaatlicher Ebene ist für eine effektive Gewerkschaftsarbeit unverzichtbar

Mitbestimmungsmöglichkeiten

Im Handbuch »Politik in Österreich« (herausgegeben von Dachs, Gerlich, Gottweis und anderen, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien 2006) sagt Ferdinand Karlhofer (Seite 469):

»Hinsichtlich der Einbindung der Mitglieder in die gewerkschaftliche Willensbildung, gehörte es lange Zeit zum Credo des ÖGB, dass man mehr erreicht und dabei schneller ist, wenn man etwas für die Mitglieder macht, statt es mit ihnen zu tun. Eine direkte Wahl der Funktionäre durch die Gewerkschaftsmitglieder war statutenmäßig nicht vorgesehen. Möglichkeiten der Partizipation eröffneten sich für das Gewerkschaftsmitglied erst mit der Ausübung einer Funktion als gewählter Betriebsrat bzw. Personalvertreter.«

Er weist auf die deutliche Erweiterung der »Partizipationsmöglichkeiten« durch die letzte Änderung der Statuten des ÖGB im Jahre 1995 hin. Dort heißt es nämlich im

  • 14 Absatz 2: »Jedes Mitglied muss regelmäßig die Möglichkeit haben, sich an der Wahl von Organen und Delegierten seiner Gewerkschaft zu beteiligen …«
  • Nach § 17 Absatz 3 hat jedes Mitglied das Recht, »an allen Veranstaltungen seiner Gewerkschaft teilzunehmen«.
  • Nach § 17 Absatz 5 sind die Gewerkschaften verpflichtet, mindestens alle 5 Jahre Mitgliederversammlungen durchzuführen.

Na ja, immerhin: Wer kandidiert für den Betriebsrat? Und wer hat schon einmal gewählt? Also nicht nur seinen Betriebsrat oder Personalvertreter, sondern auch »Organe« oder »Delegierte«. Wer kommt zu Mitgliederversammlungen? Wer weiß überhaupt davon?

Willensbildung

Was die Entscheidungsstruktur und die Willensbildung betrifft, so sind die obersten Organe des ÖGB der Bundeskongress, das Präsidium und der Bundesvorstand. Der Bundeskongress tritt alle vier Jahre zusammen und der nächste wird im Jänner 2007 sein, und zwar voraussichtlich von Montag, den 22., bis Mittwoch, den 24. Jänner. Dort werden nicht nur die Spitzenfunktionäre
gewählt, sondern vor allem auch programmatische Beschlüsse gefasst. Für »einfache« Mitglieder besteht durchaus die Möglichkeit, dort teilzunehmen - sofern sie sich rechtzeitig anmelden, denn die Zahl der Plätze ist begrenzt. Die Entscheidungen, die dort getroffen werden, sind sicherlich ausschlaggebend für die Zukunft der gewerkschaftlichen Bewegung und der Gewerkschaftsarbeit in unserem Lande.

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
[startdatum:EEE', 'dd' 'MMM' 'yyyy' 'HH:mm:ss' 'Z] 1181066429385 Standpunkt | Der Hut brennt immer noch Meinung Von Abwarten oder dem allzeit so beliebten »Aussitzen« kann bei der jetzigen Lage keine Rede sein. »Reform jetzt!« heißt die Devise oder - es bleibt nur mehr die Asche übrig, ohne jegliche Wiederauferstehung. Was für Lösungen auch immer gefunden werden: Es wird sich ziemlich schnell herausstellen, ob sie wirklich nachhaltig und zukunftsweisend sind, denn die Zeit rennt uns davon.

Rücklagen

Bis vor kurzem sind dem ÖGB nicht nur die Einnahmen aus den Mitgliedsbeiträgen zur Verfügung gestanden, sondern auch »Gewinnabschöpfungen« aus seiner eigenen Bank. Jetzt gibt es nur mehr die laufenden Einnahmen, aus denen aber auch noch Rücklagen für gewerkschaftliche Maßnahmen gebildet werden sollen. Diesen Umstand haben uns der geschäftsführende Gewerkschaftspräsident wie auch der für die Finanzen zuständige geschäftsführende Leitende Sekretär des ÖGB eindringlich erklärt.

In den Kommentaren zu dem Deal mit dem US-Fonds Cerberus verstiegen sich ein vormaliger Finanzminister und jetziger Industrieller (und neugebackener Bawag-Aktionär) sogar zu der Behauptung: »Ich bin überzeugt, dass mein väterlicher Freund Anton Benya mit dem einverstanden wäre, was wir jetzt tun.« Obwohl er nicht ohne Sentiment sei, denn immerhin sei die Bank von Karl Renner 1922 gegründet worden.

Dies veranlasste einen meiner Kollegen zu der lapidaren Behauptung, dass wohl beide im Grab rotieren würden, wenn das Sprichwort stimmte. Im Grunde ist es wohl so, wie mir ein anderer Kollege sagt: »Wir haben keine Zeit für irgendwelche Befindlichkeiten, wir müssen dringend den ÖGB sanieren. Der Hut brennt!« Also keine Gefühle, das ist Luxus? Es geht um die Zukunft und nicht um die Vergangenheit. Auf jeden Fall haben der immer noch amtierende Finanzminister Karl-Heinz Grasser und der immer noch amtierende Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dem Kollegen Rudi Hundstorfer gratuliert, der wiederum sagte, mit dem Verkauf der Bawag hätten wir uns von einem Teil unserer Geschichte verabschiedet. Da bin ich anderer Meinung: Unsere Geschichte haftet uns an wie ein Schatten, den wir werfen. Wir können den Schatten vergessen oder verdrängen, aber er ist da.

Weichen stellen

Wie der »neue« ÖGB aussehen soll, dazu gibt es Entwürfe von den diversen Gremien und Komitees. Letzten Endes werden die Delegierten beim kommenden Bundeskongress des Österreichischen Gewerkschaftsbundes von 22. bis 24. Jänner im Austria Center Wien entscheiden, wie die Weichen für die Zukunft gestellt werden. Die Prognosen sind teils pessimistisch, teils relativ optimistisch. Nicht nur aktive Betriebsräte und Personalvertreter wissen, dass wir die Gewerkschaft brauchen, sondern auch das Gros der Mitglieder. Wir brauchen die Gewerkschaft nicht nur wegen der Vorherrschaft des Neoliberalismus und der globalisierten Wirtschaft, sondern auch wegen des tagtäglichen Geschäfts derjenigen, die sich tagaus tagein um den Ausgleich der unterschiedlichen konkret bestehenden Interessenslagen von Unternehmern und Lohnabhängigen bemühen und sich rund um die Uhr für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen.

Dazu gibt es in unseren Landen die Tradition der Sozialpartnerschaft. Handlungsfähig und effektiv organisiert sollte diese Organisation sein, die gegenüber der Wirtschaft als Partner auftritt und die sich in der modernen Gesellschaft und den veränderten Strukturen der Arbeitswelt behauptet. Es geht um Dinge wie Mitbestimmung, aber auch konkret um Lohn- und Kollektivvertragspolitik bzw. angesichts einer kontinuierlich sinkenden Lohnquote, um Umverteilung oder zumindest um ein Stopp der Umverteilung von unten nach oben. Letztendlich geht es darum - um noch einmal abschließend unseren geschäftsführenden Präsidenten zu zitieren - »Es geht schlichtweg darum, dass die Interessen der Arbeitnehmerschaft nicht weiter den Kapitalinteressen untergeordnet werden!«

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Siegfried Sorz - Chefredakteur http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1181066433153 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
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