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Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688181341 Reformen des sozialen Dialogs in Frankreich Seit 2007 erfolgten in Frankreich tiefgreifende Reformen des sozialen Dialogs. Aus Perspektive der konservativen Regierungen bestand das Ziel der eingeleiteten Reformen darin, den Unternehmen erweiterte Flexibilitätsspielräume zu bieten, die allerdings in sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen festzulegen wären, um den sozialen Frieden zu gewährleisten.
Ein Hauptproblem für die Umsetzung dieser arbeitspolitischen Konzeption liegt in der Schwäche der Gewerkschaften, ihrer Zersplitterung und Rivalität. Die institutionellen Reformen im Bereich des sozialen Dialogs zielen auch darauf ab, diesem Problem entgegenzutreten bzw. es zu umgehen.

Reformgesetze 

Die französische Gewerkschaftsbewegung war in den 2000er-Jahren charakterisiert durch einen sehr niedrigen Organisationsgrad (acht Prozent 2009), den Pluralismus rivalisierender Richtungsgewerkschaften, zunehmende organisatorische Zersplitterung aufgrund der Entstehung neuer Berufs- und Branchengewerkschaften, abnehmende Legitimation durch die betrieblichen Vertretungswahlen und sinkenden Einfluss auf Politik und Gesellschaft.
Das "Gesetz über die Modernisierung des sozialen Dialogs" aus 2007 verpflichtete die Regierung, Reformen in den Bereichen Arbeitsbeziehungen und Beschäftigung zunächst im Rahmen des nationalen sozialen Dialogs zu beraten und den Sozialpartnern die Möglichkeit zu geben, eine Vereinbarung zu treffen, die in der Folge Grundlage eines Gesetzes werden könnte.

Neuregelung der Repräsentativität

Schon 2008 wurde bei der lange überfälligen Neuregelung der Repräsentativität von Gewerkschaften so verfahren. Die beiden mitgliederstärksten Gewerkschaftsdachverbände und die beiden größten Arbeitgeberdachverbände einigten sich auf eine Neudefinition der Repräsentativität von Gewerkschaften auf Basis der Ergebnisse der betrieblichen Vertretungswahlen und auf neue Regeln hinsichtlich der Gültigkeit von Kollektivverträgen (KV) auf allen Ebenen. Das in der Folge verabschiedete "Gesetz über die Erneuerung der sozialen Demokratie" orientierte sich in wichtigen Punkten an der Sozialpartner-Übereinkunft.
Bis dahin galten jene fünf Gewerkschaftsdachverbände als repräsentativ, die durch ein Regierungsdekret 1966 diesen Status erhalten hatten. Das sicherte ihnen - unabhängig von der jeweiligen Mitgliederzahl und vom jeweiligen Organisationsgrad - das KV-Recht auf allen Ebenen, die Ernennung von KandidatInnen für die Wahlen zu betrieblichen Vertretungsorganen und zu sozialpolitischen Gremien sowie Sitze in den Verwaltungsräten der Sozialversicherungsfonds.
Nicht überraschend unterzeichneten die beiden größten Gewerkschaftsdachverbände CGT und CFDT dieses Abkommen über die Neuordnung des sozialen Dialogs, stimmten doch ihre Interessen in dieser Sache weitgehend mit jenen von Staat und Arbeitgeberdachverbänden überein: Ein effektiver sozialer Dialog setzt verpflichtungsfähige Partner und damit die Eindämmung der Zersplitterung und der damit einhergehenden Rivalität auf Gewerkschaftsseite voraus.
Bei der Neudefinition der Repräsentativität der Gewerkschaften übernahm das Gesetz die Schwellenwerte aus dem Sozialpartnerabkommen: Zehn Prozent Stimmenanteil bei den letzten Wahlen zu betrieblichen Vertretungsgremien (Betriebsausschuss bzw. Belegschaftsdelegierte) als Voraussetzung für die Ernennung von Gewerkschaftsdelegierten und die Teilnahme an Verhandlungen über einen Unternehmens-KV, acht Prozent Stimmenquote (aufsummiert) auf Branchen- bzw. nationaler Ebene.

Mindestens 30 Prozent der Stimmen

Diese grundlegende Reform der Repräsentativität der Gewerkschaften trat für die Unternehmensebene am 1. Jänner 2009 in Kraft. 2012 werden die Ergebnisse aller betrieblichen Vertretungswahlen auf Branchen- und nationaler Ebene addiert werden, um auch auf diesen Ebenen die Frage der Repräsentativität zu klären. KV sind gemäß dem neuen Gesetz nur dann gültig, wenn die abschließende/n Gewerkschaft/en bei den jeweiligen Vertretungswahlen mindestens 30 Prozent der Stimmen erhielt/en und die Gewerkschaft/en mit der Stimmenmehrheit keinen Einspruch erhob/en. Durch kleine Minderheitengewerkschaften abgeschlossene KV, die sich häufig als instabil erwiesen, gehören damit der Vergangenheit an.
In Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten, in denen es keine Gewerkschaftsdelegierten gibt, kann der/die ArbeitgeberIn mit einer nichtgewerkschaftlichen ArbeitnehmerInnenvertretung (Belegschaftsdelegierten bzw. dem Betriebsausschuss) einen Unternehmens-KV abschließen.
Seit den ersten Vertretungswahlen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes sind erwartungsgemäß weniger Gewerkschaften repräsentativ, und es werden Allianzen eingegangen, um die Anteilshürde zu nehmen.
Die Reform der Repräsentativitätsvoraussetzungen und der Kriterien für rechtskräftige KV dürften also die beiden großen Gewerkschaftsdachverbände CGT und CFDT stärken sowie Fusionen und Bündnisse der kleineren begünstigen. Alle Gewerkschaften werden ihre Basisorientierung und ihre Bemühungen, neue Mitglieder zu gewinnen, verstärken müssen. Inwieweit eine Konsolidierung der Gewerkschaftsstruktur stattfindet, wird sich freilich erst in einigen Jahren beurteilen lassen.

Kollektivverträge

Von repräsentativen Gewerkschaften abgeschlossene KV gelten für alle Beschäftigten des jeweiligen Bereichs, nicht nur für die Mitglieder der betreffenden Gewerkschaften. Sie besitzen normativen Charakter, d. h. den gleichen rechtlichen Status wie gesetzliche Regelungen. Auf nationaler Ebene verhandeln die Sozialpartner über grundlegende Aspekte des sozialen Dialogs sowie über Rahmenabkommen zu sozialpolitischen Themen (z.B. berufliche Aus- und Weiterbildung, Arbeitszeitverkürzung).

Branchen-KV und Mindestlöhne

Die Branchen-KV-Verhandlungen haben ihre Funktion als wichtigste Lohnverhandlungsebene im Zuge der seit den 1980er-Jahren wirksamen Dezentralisierungstendenz an die Unternehmensebene verloren. Auf Branchenebene wird in lohnpolitischer Hinsicht meist nur über spezifische Mindestlöhne verhandelt, die sich oft am gesetzlichen Mindestlohn orientieren.
Neben alljährlichen Lohn-KV-Verhandlungen über Branchenmindestlöhne werden zumindest alle fünf Jahre Verhandlungen über die Festlegung der Lohnstufen nach Qualifikationen geführt. Diese unregelmäßige Anpassung führt dazu, dass viele kollektivvertragliche Branchenmindestlöhne unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegen und daher bedeutungslos sind.
Für die Lohnentwicklung entscheidend ist die Unternehmensebene. Gemäß dem Günstigkeitsprinzip dürfen Unternehmens-KV die Mindestlöhne aus Branchen-KV nicht unterschreiten.
In Frankreich hat der Arbeitsminister die Möglichkeit, Branchen-KV, die Lohnbestimmungen enthalten, auch für jene Unternehmen der betreffenden Branche verbindlich zu erklären, die nicht den unterzeichnenden Arbeitgeberverbänden angehören. In den 2000er-Jahren wurden meist mehr als die Hälfte der Branchen-KV für allgemeinverbindlich erklärt. Vor allem aufgrund der häufigen und sehr weite Wirtschaftsbereiche betreffenden Allgemeinverbindlichkeitsverordnungen liegt der KV-Deckungsgrad in Frankreich bei rund 90 Prozent.
Ohne diese Praxis bestünde wegen der Schwäche der Gewerkschaften die Gefahr einer Erosion der KV: Die Anreize für Unternehmen, sich der kollektiven Regelung zu entziehen, würden stark steigen.
Der Einfluss der französischen Gewerkschaften auf die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten stützt sich heute in hohem Maße auf externe Quellen der Unterstützung, nämlich Institutionen wie den sozialen Dialog auf allen Ebenen, die KV, die Allgemeinverbindlichkeitsverordnungen, die Übertragung von öffentlichen Aufgaben im Bereich der Sozialversicherung usw.
Die jüngsten Reformen im Bereich des sozialen Dialogs zwingen die Gewerkschaften, ihre Bemühungen um die Schaffung interner Ressourcen - Werbung von Mitgliedern, verstärkte betriebliche Präsenz, organisatorische Konsolidierung durch Zusammenarbeit und Zusammenschlüsse etc. - massiv zu verstärken.

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Michael Mesch (Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift "Wirtschaft und Gesellschaft") Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688181323 Ein effektiver sozialer Dialog setzt verpflichtungsfähige Partner und damit die Eindämmung der Zersplitterung und der damit einhergehenden Rivalität auf Gewerkschaftsseite voraus. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688181306 Zehn Jahre Allianz für den freien Sonntag Seit dem vierten Jahrhundert hat sich aus jüdisch-christlichen Wurzeln das heutige Kulturgut des Sonntags entwickelt. Für ChristInnen ist der Sonntag das älteste Fest. Sonntag bedeutet seither gemeinhin einen Tag Arbeitsruhe für alle zur Erholung von Körper und Geist sowie zur Pflege menschlicher Beziehungen. Arbeitsfrei war der Sonntag deshalb aber noch lange nicht. Erst durch die ArbeiterInnenbewegung des 19. Jahrhunderts wurden erste gesetzliche Regelungen erkämpft, und diese bildeten die Grundlage für den gesetzlich freien Sonntag. Ausnahmen gab es für gesellschaftlich notwendige Arbeiten, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit und in der Grundstoff- und verarbeitenden Industrie im Schichtbetrieb. Seit ca. 30 Jahren wird von UnternehmerInnenseite im Zuge der Liberalisierung der Märkte (nicht nur) der freie Sonntag offensiv und zum Teil per Gesetzesbruch infrage gestellt und bekämpft - zum Schaden der ArbeitnehmerInnen und der gesamten Gesellschaft.

Im Oktober 2001 gegründet

Daher gibt es seit nunmehr zehn Jahren die "Allianz für den freien Sonntag Österreich", um diese gesellschaftliche Errungenschaft zu verteidigen. Die im Oktober 2001 gegründete bundesweite Allianz, die für den arbeitsfreien Sonntag eintritt, betont den Wert gemeinsamer freier Zeit für Individuum und Gesellschaft. Sie zeigt die Bedeutung des freien Sonntags für Zeitwohlstand und Lebensqualität auf und ruft den gesellschaftlichen Wert der gemeinsamen freien Zeit ins öffentliche Bewusstsein.

Anliegen topaktuell

Zehn Jahre später ist das Anliegen, den freien Sonntag und damit Zeitwohlstand und Lebensqualität durch gemeinsame freie Zeiten zu sichern, noch topaktuell. Denn in einer zunehmend liberalisierten und stressigen "Hochleistungsgesellschaft", in der sich immer mehr Reiche auf Kosten der größer werdenden Masse der Arbeitenden etwas leisten können, erkennen immer mehr Menschen, dass der freie Sonntag ein Fixpunkt für den Ausstieg aus dem Alltag ist und er Regeneration ermöglicht. Wenn zum Beispiel die UnternehmerInnenseite oder die Finanzministerin die hohe Frühpensionsrate durch Invalidität beklagen, aber weiter Arbeitszeiten verlängern oder flexibilisieren wollen, dann zeigt sich, wie wichtig berechenbare, fixe Erholungszeiten für gesunde Menschen und eine funktionierende Gesellschaft sind. Die Institution des freien Sonntags schafft Lebensqualität.
Der Sonntags-Allianz gehören mittlerweile über 50 Organisationen aus Zivilgesellschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Wirtschaft an. Sie vereint so unterschiedliche Institutionen und Bewegungen wie ATTAC, Kinder- und Jugendorganisationen, KAB (Katholische Ar-beitnehmerInnen Bewegung), Freizeitorganisationen, den Österreichischen Gewerkschaftsbund, die christlichen Kirchen, die Plattform für Alleinerziehende oder studentische Organisationen.
Die gemeinsamen Ziele sind:

  • Der Einsatz für den Schutz des freien Sonntags vor schleichender Aushöhlung durch Politik und Wirtschaft sowie
  • die Förderung von Zeitwohlstand und Lebensqualität,
  • die Schaffung öffentlichen Bewusstseins für die Bedeutung des Wertes gemeinsamer freier Zeiten im Gegensatz zu rein individualisierten Zeiten und
  • dem Trend entgegenzuwirken, dass Lebenszeit zu Arbeits- und Konsumzeit wird.

Anlässlich des Jubiläums "10 Jahre Allianz für den freien Sonntag", zu dem der zweite Nationalratspräsident Fritz Neugebauer unter dem Ehrenschutz von Bundespräsident Heinz Fischer Mitte November ins Parlament eingeladen hatte, wurde Bilanz gezogen, worin der Gewinn des freien Sonntags für Gesellschaft und Individuum besteht.
Bischof Ludwig Schwarz erinnerte als Sprecher der Sonntags-Allianz und Vertreter der Österreichischen Bischofskonferenz daran, dass in der Bibel beim Sonntag der soziale Aspekt im Vordergrund steht: "Somit ist wohl das dritte Gebot ('Du sollst den Tag des Herrn heiligen‘) das älteste Sozialgesetz der Menschheit."
Allianz-Sprecher Franz Georg Brantner (ÖGB, GPA-djp) betonte, dass die "Öffnungszeiten im Handel ein Taktgeber für die ganze Gesellschaft" sind. Eine Gesellschaft brauche gemeinsame, synchronisierte Zeit für so unterschiedliche Anliegen wie Freundschaften, Familie oder ehrenamtliches Engagement, genauso wie auch für Entschleunigung. Sonntagsarbeit müsse daher auf gesellschaftlich notwendige Bereiche beschränkt bleiben. Brantner drückte seine Wertschätzung für die KollegInnen aus, die in den Bereichen Verkehr, Gesundheit und Freizeit am Sonntag arbeiten müssen. Er machte deutlich, dass die Angriffe auf den freien Sonntag oftmals von Einkaufszentren kommen, die häufig im Besitz internationaler Immobilienfonds stehen, deren Ziel Gewinnmaximierung und das Abziehen von Kaufkraft von kleineren HändlerInnen sei.

"Ein Stück Kultur"

ÖGB-Präsident Erich Foglar unterstrich, dass die Gewerkschaftsmitglieder ein klares Bild vom arbeitsfreien Sonntag haben. Sonntagsarbeit sei akzeptabel, wenn diese sich auf gesellschaftlich sinnvolle Bereiche wie Gesundheit oder andere öffentliche Interessen beschränke. Für den ÖGB stehe der gesellschaftspolitische Aspekt des freien Sonntags neben dem sozialen im Vordergrund. Es gehe dabei um ein Stück Kultur, das wir uns "nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen wegnehmen lassen sollen".
Fritz Aichinger, Spartenobmann für den Handel in der Wirtschaftskammer, sagte, dass es für ihn als Unternehmer und Betriebswirt neben den gesellschafts- und familienpolitischen Argumenten auch ein betriebswirtschaftliches Argument für den freien Sonntag gebe. Ein siebenter Tag im Handel würde 16 Prozent mehr Umsatz erfordern, wofür die Kaufkraft fehle. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht würde eine Sonntagsöffnung im Handel zu einer enormen Konzentration führen wie auch zu einer Verlagerung in 1-a-Lagen, womit die Nahversorgung gefährdet werde. Das Beispiel Samstag zeige, dass maximal ein Drittel der Geschäfte offen halte. Aichinger betonte, dass 95 Prozent der 80.000 Handelsbetriebe mit über 550.000 Beschäftigten den freien Sonntag wünschen.
Die Geschäftsführerin der Plattform für Alleinerziehende, Elisabeth Wöran, hob als Vertreterin der Zivilgesellschaft hervor, dass es um das Anliegen des "erwerbsfreien Sonntags" gehe, da Arbeit mehr sei als Erwerbsarbeit, nämlich auch die viele unbezahlte Arbeit, die vor allem von Frauen geleistet wird. Von den ca. 175.000 Alleinerziehenden seien allein 22.000 im Handel beschäftigt. Für Alleinerzieherinnen brauche es unter der Woche verbesserte Kinderbetreuungsmöglichkeiten, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Ziel müsse es sein, dass am Sonntag Zeit für die Kinder ist und keine zusätzliche außerhäusliche Kinderbetreuung geschaffen werden muss.
Bischof em. Maximilian Aichern hob beim Festakt die gute Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsorganisationen der Allianz für den freien Sonntag hervor. Er war langjährig in der Österreichischen Bischofskonferenz für soziale Fragen zuständig und setzt sich seit den späten 1980er-Jahren gemeinsam mit der Katholischen ArbeitnehmerInnen Bewegung (KAB) und der Gewerkschaft für den Erhalt des arbeitsfreien Sonntags ein. Schritt für Schritt kam es unter seiner Führung zur Gründung von Länderallianzen (erste Bundesländerallianz 1997 in OÖ) und schließlich zur bundesweiten Allianz für den freien Sonntag Österreich.

Seit Juni 2011 Europäische Allianz

Die offenen Angriffe auf den freien Sonntag oder die schleichenden Aushöhlungsversuche des freien Sonntags werden weitergehen, daher ist die Allianz nicht nur weiter gefragt, sondern eine Ausweitung nötig. Deshalb entstanden nach dem österreichischen Vorbild Sonntags-Allianzen in Deutschland (2006), Polen (2008) und in der Slowakei (2009). Mittlerweile gibt es in Europa zehn nationale Allianzen bzw. Initiativen für den freien Sonntag.
Im Juni 2011 wurde die "Europäische Allianz für den freien Sonntag" in Brüssel geschaffen, an der die österreichische Allianz maßgeblich beteiligt war - sie ist Gründungsmitglied der "European Sunday Alliance".

Internet:
Mehr Infos unter:
www.freiersonntag.at
www.europeansundayalliance.eu
www.oegb.at
www.gpa-djp.at
www.ksoe.at 
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Wilfried Leisch (Freier Journalist und Publizist in Wien) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688181276 Die im Oktober 2001 gegründete bundesweite Allianz, die für den arbeitsfreien Sonntag eintritt, betont den Wert gemeinsamer freier Zeit für Individuum und Gesellschaft. Sie zeigt die Bedeutung des freien Sonntags für Zeitwohlstand und Lebensqualität auf. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688181232 Zahlen, Daten, Fakten Unter Downloads gibt es

Zahlen, Daten, Fakten

  • Druck- und Verkaufsauflage österreichischer Tageszeitungen 2010
  • Zahl und Erscheinen von Zeitungen in Österreich
  • Zahl und Erscheinen der Zeitungen sowie Zahl der Fachpresse und Corporate Publishing 1960 bis 2010
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Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180334 Ungarns Medien am Gängelband Es war ein schöner Frühsommermorgen, als die Polizei an die Tür von Tamas Bodoky klopfte. Die Beamten waren höflich, aber energisch. Sie wollten von dem Journalisten Unterlagen, die er von einem Informanten erhalten hatte. Bodoky weigerte sich und berief sich auf den InformantInnenschutz. Doch im neuen ungarischen Mediengesetz gibt es diesen nicht mehr. Beim Verdacht auf Straftaten haben die ermittelnden Behörden das Recht, JournalistInnen zur Preisgabe ihrer Quellen oder Daten zu verpflichten - ohne richterlichen Beschluss.

Enthüllungsjournalist unter Druck

Bodoky ist Ungarns bekanntester Enthüllungsjournalist, für das Online-Portal Index.hu berichtete er über illegalen Treibstoffhandel und Grundstücksspekulationen der damaligen sozialistisch-liberalen Regierung. Als er jedoch im Umfeld des 2010 neu gewählten konservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán recherchierte, wurde er gefeuert. Daraufhin gründete er sein eigenes Portal atlatszo.hu, eine Art ungarisches Wikileaks, das ihm schnell viel Respekt einbrachte. Aber eben auch Ärger mit den Behörden.
Zwei Tage danach wurde Bodoky auf einem Budapester Wachzimmer noch einmal von Ermittlern in die Mangel genommen und musste seinen Computer mit sensiblen Daten herausgeben. Erst drei Monate später bekam er ihn zurück. Der Fall ist für ihn nicht ausgestanden: Beim Menschengerichtshof in Straßburg kämpft Bodoky seither gegen jenen Paragrafen im Mediengesetz, der investigative Arbeit in Ungarn so gut wie unmöglich macht.
Seit 1. Jänner 2011 gilt in Ungarn ein neues Mediengesetz. Es wurde mit den Stimmen der mit Zweidrittelmehrheit allein regierenden Partei Fidesz (Bund der Jungdemokraten) beschlossen. Eine Diskussion über den Gesetzesentwurf fand nicht statt. Als während der ungarischen EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2011 die Kritik aus Brüssel immer lauter wurde, ließ Regierungschef Orbán zwei Stellen im Gesetz, die ausländische Medien und die Berichterstattung privater Anbieter im Internet betrafen, entschärfen. Sonst aber wurde nichts verändert: Mit dem Gesetz ist die Kontrolle privater und öffentlich-rechtlicher Medien fest in der Hand der Regierungspartei.
Kernstück des Gesetzes ist die Medienbehörde. Ihre vom Parlament bestellten Mitglieder sind fast ausschließlich Angehörige oder SympathisantInnen der Regierungspartei. Auch die Leiterin der Medienbehörde, Annamaria Szalai, gehört zu Fidesz. Sie kann Verordnungen erlassen, ohne das Parlament damit zu befassen, und hat so fast die gleiche Stellung wie MinisterInnen. Mit dem kleinen Unterschied, dass ihre Amtsperiode neun Jahre dauert.
Die Medienbehörde kann Lizenzen für Privatradio und -TV vergeben und entziehen, sie kann Strafen bis zu 700.000 Euro erlassen. Nach dem neuen Gesetz müssen ungarische Medien ihre KonsumentInnen vor jeder Verletzung oder Beleidigung ihrer Gefühle schützen. Dazu gehören religiöse Gefühle und auch die Wahrung der Privatsphäre. Wie streng diese Verpflichtung ausgelegt wird, ist noch offen. Allein die Drohung mit schweren Strafen schafft ein Klima der Unsicherheit und Verzagtheit in den Medienunternehmen. Die Schere sitzt im Kopf der JournalistInnen.

Mehr Musik - aus Ungarn

Private Radio- und Fernsehsender sind per Gesetz verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres Programms mit - hauptsächlich ungarischer - Musik zu bestreiten. Das beliebte, aber regierungskritische "Klubradio" hat dieses Kriterium nicht erfüllt. Die Folge: Seine Lizenz wird nur mehr für ein Jahr verlängert.
Dabei bestreiten nicht einmal die KritikerInnen, dass ein neues Mediengesetz notwendig war. "Ein demokratisch angelegtes, modernes, europäisches und verbraucherInnenfreundliches Gesetz hätte die bereite Öffentlichkeit mit großer Freunde empfangen", sagt Judit Acsay vom ungarischen Journalistenverband, die auf Einladung der GPA-djp in Wien über das neue Medienrecht und seine Folgen diskutierte.
In ihrem Vortrag umriss Acsay kurz die unerfreuliche Entwicklung der ungarischen Medien seit der Wende 1989: Sowohl der öffentlich-rechtliche Bereich als auch private Medien seien von der jeweils regierenden Partei oder ihr nahe stehenden Oligarchen für den Kampf gegen politische GegnerInnen instrumentalisiert worden. Entlassungen und Leitungswechsel im ungarischen Fernsehen und Radio hätten immer fast gleichzeitig mit den Regierungswechseln stattgefunden, so Acsay: "Ziel war immer die Entfernung von regierungskritischen Führungskräften oder MitarbeiterInnen der öffentlich-rechtlichen Medien." Keine Partei ging jedoch dabei so radikal vor wie Orbáns Fidesz.
Besonders gründlich und schnell wurde der Umbau der öffentlich-rechtlichen Medien vollzogen. Sie unterstehen jetzt einem "Programm- und Vermögensverwaltungsfonds" (MTVA), der (wie könnte es anders sein) von Gefolgsleuten der Regierungspartei kontrolliert wird. Sämtliche Nachrichten für sämtliche Radio- und TV-Stationen in öffentlicher Hand werden seit Kurzem von einer zentralen Stelle produziert - wie zuletzt in der kommunistischen Diktatur.

Feindbild Cohn-Bendit

Leiter dieser Nachrichtenabteilung ist der 32-jährige Daniel Papp, ein ehemaliger Sprecher der rechtsradikalen Partei Jobbik und späterer Journalist, der sich mit einem manipulierten Beitrag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen den Regierenden empfahl. Papp schnitt einen Bericht über eine Pressekonferenz des grünen EU-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit so, als wäre der Politiker vor einer Frage davongelaufen. Cohn-Bendit hatte Orbáns Medienpolitik im EU-Parlament scharf kritisiert. Seitdem ist er für die ungarische Regierung eine Persona non grata. In regierungsnahen Zeitungen wird der Grüne seither nur mehr mit Pädophilie in Zusammenhang gebracht. Die rechtsextreme Zeitung "Magyar Forum" zeigte ein Bild Cohn-Bendits vor dem Davidstern, unter dem Titel "Kinderschänder". Die Medienbehörde nahm Beschwerden gegen die antisemitische und diffamierende Berichterstattung nicht an.
Der Herausgeber von "Magyar Forum", der antisemitische Dichter Istvan Csurka, bekam kurze Zeit später vom Budapester Oberbürgermeister (er gehört zur Regierungspartei Fidesz) die Intendanz eines der großen Theaterhäuser in Budapest übertragen.
Private Zeitungen und Internetportale können trotz regierungskritischer Haltung weiter bestehen. Doch der ökonomische Druck steigt: Unternehmen, die sich vom Staat Aufträge erhoffen (und das sind die meisten), verzichten vorsorglich auf Inserate in diesen Medien.
Mitte November schickten zehn internationale regierungsunabhängige Organisationen zur Wahrung der Pressefreiheit und der Menschenrechte ihre VertreterInnen auf eine dreitägige Mission nach Budapest. Sie sprachen dort mit JournalistInnen, AnwältInnen, VerlegerInnen, VertreterInnen der Medienkommission und der Regierung über das Gesetz. Ihr Urteil ist verheerend: Ungarns Vorschriften würden Unsicherheit schaffen und seien mit europäischen Standards nicht vereinbar. Sorge bereiten den MedienwächterInnen vor allem die Aufhebung des InformantInnenschutzes, die eingeschränkten Möglichkeiten, Entscheidungen der Medienbehörde zu beeinspruchen und der mangelnde Pluralismus bei den öffentlich-rechtlichen Medien. Die ungarische Regierung sei erpicht darauf, ihre Medienregulierung in andere Länder zu exportieren, warnt Mike Harris von der britischen Organisation "Index on Censorship".
So weit ist es noch nicht. Vorerst wollen Orbán und seine Partei im eigenen Land klare Verhältnisse schaffen. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien wurde 2011 ein Drittel der Belegschaft entlassen. Die erste Kündigungswelle fand im Frühjahr statt, die zweite Mitte November. Einen Sozialplan gibt es nur für Eltern kleiner Kinder, die anderen bekommen nicht einmal eine Abfertigung. Man könne zwar nicht behaupten, dass alle Entlassungen politischer Natur wären, sagt Judit Acsay: "Aber es verschwanden einige bekannte Gesichter vom Bildschirm und im Radio sind ein paar alte, bekannte Stimmen nicht mehr zu hören. Und dabei handelt es sich eben genau um die mutigeren, kritischeren Journalisten in Ungarn."

Internet:
Petition der GPA-djp:
tinyurl.com/c9dlzqd
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Bernhard Odehnal (Freier Journalist, Budapest) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180285 Private Radio- und Fernsehsender sind per Gesetz verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres Programms mit - hauptsächlich ungarischer - Musik zu bestreiten. Das beliebte, aber regierungskritische "Klubradio" hat dieses Kriterium nicht erfüllt... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180251 Wettkampf im Netzwerk Ein Pick und eine Scher’, fertig ist der Redakteur." Die Zeitungstexte wurden in den Redaktionen auf Millimeter-Papier geklebt und so per Rohrpost an die Druckerei geschickt. Das war vor rund 20 Jahren. Seither hat sich die Arbeitswelt der JournalistInnen technologisch ebenso gewandelt wie in wirtschaftlicher Hinsicht: Die Zahl der freien MitarbeiterInnen ist deutlich gestiegen, es strömen überproportional viele Junge - vor allem Frauen - in den JournalistInnenberuf, und die Grenzen zwischen Nachrichten und PR verschwimmen zusehends. Das bestätigt die Studie "Medienkarrieren im Umbruch", die im Vorjahr unter der Aufsicht von Roman Hummel und Susanne Kirchhoff an der Journalistik-Abteilung des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg durchgeführt wurde. Dazu haben insgesamt 348 der 2.576 JournalistInnen (Stand 2010), die Mitglied der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) sind, an einer Fragebogenumfrage sowie an Einzelbefragungen teilgenommen.

3.000 bis 4.000 Euro/Monat

Verglichen mit Herrn und Frau Österreicher verdienen demnach die JournalistInnen hierzulande rund das Doppelte; allerdings ist bei Frauen und vor allem FreiberuflerInnen, PauschalistInnen sowie Personen außerhalb der klassischen journalistischen Kollektivverträge - die als selbstständig Erwerbstätige zum Beispiel auch kein Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bekommen - das Gehalt geringer. Der durchschnittliche Bruttoverdienst von Vollzeit berufstätigen JournalistInnen beträgt 3.000 bis 4.000 Euro pro Monat, hat die Befragung ergeben. Die BestverdienerInnen mit über 4.000 Euro sind die Angestellten sowie Angestellte, die zusätzlich freiberuflich tätig sind. Journalistinnen gehen im Schnitt mit bis zu 3.000 Euro brutto nach Hause, ihre männlichen Kollegen mit bis zu 4.000 Euro.

43 Prozent Freie

Am besten verdient man beim öffentlich-rechtlichen Hörfunk (über 4.000 Euro), mit Abstand am schlechtesten bei den privaten Radios und Online-Medien (1.500 bis 2.500 Euro). Am unteren Ende der Gehaltsskala befinden sich die selbstständigen freien JournalistInnen: Mehr als ein Drittel lukriert weniger als 2.000 Euro monatlich. Das durchschnittliche Jahresgehalt von freien ist also halb so hoch wie das von angestellten JournalistInnen. Dementsprechend sind in den Redaktionen mittlerweile rund 43 Prozent als Freie tätig. In der Untersuchung der Uni Salzburg scheint, aufgrund der Mitgliederstruktur der Gewerkschaft, jedoch nur ein Drittel freiberufliche JournalistInnen auf; viele Freie sind nicht Gewerkschaftsmitglied, das durchschnittliche Monatshonorar ist daher vermutlich noch niedriger.
Anders als etwa bei HandwerkerInnen gibt es in Österreich für JournalistInnen keine eindeutige Ausbildungsschiene. In der Praxis kann sich jeder/jede als JournalistIn bezeichnen, doch man versteht darunter nur jemanden, der den berufsmäßigen Beitrag zur inhaltlichen Gestaltung eines Mediums leistet (laut Journalistengesetz). Zwar hat sich unter den JournalistInnen der Anteil der Personen, die ein Studium abgeschlossen haben, zwischen 1981 und 2008 von rund 20 Prozent auf 30 Prozent erhöht. Ein akademischer Abschluss gilt jedoch nicht als Bedingung für den Berufseinstieg. Hier nennen die Befragten eher Kriterien wie Kreativität, Formulierfähigkeit und kritische Reflexion. Angesichts dieser eher schwammigen Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie JournalistInnen über komplexe Themen verständlich für ihr Publikum schreiben können.

Gute Bildung ist gefragt

Nur in Einzelbefragungen konnte die Studie herausfiltern, dass zum Beispiel WirtschaftsjournalistInnen sehr wohl Wirtschaft studiert haben sollten. "Weil deine Aufgabe als Wirtschaftsjournalist ist, dass du Wissen rezipierst und allgemein verständlich wiedergibst", formulierte es ein festangestellter Mitarbeiter (46) eines Printmagazins. Interessant ist, dass manche Befragte meinten, ein höheres Bildungsniveau sei nur bei international angesehenen Zeitungen mit hohem Qualitätsanspruch notwendig: Bei der "Süddeutschen Zeitung", "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" oder "Neuen Zürcher Zeitung" müsse man "sicher eine extrem gute fundierte Bildung haben in dem, was man tut. Wenn es die zweite Liga auch sein darf, halte ich es für wichtiger, wenn man eine sehr gute Allgemeinbildung hat", sagte ein Redakteur (37) der Austria Presse Agentur. "Auch von der Möglichkeit, angestellte Journalisten zur Weiterbildung zu verpflichten", wie in den Kollektivverträgen der Zeitungen vorgesehen, "wird offensichtlich - wohl aus Kostengründen - kaum Gebrauch gemacht", so die Studie.

Praxis und Netzwerke zählen mehr

Um als JournalistIn in Österreich Erfolg zu haben, zählen vielmehr Berufspraxis, konstantes Beweisen im Berufsalltag - und Netzwerke. "Persönliche Kontakte spielen sowohl für den Anfang als für spätere Stationen im Beruf eine wichtige Rolle", schreiben die StudienautorInnen. Überhaupt entscheidet sehr oft der "Zufall" über den Berufseinstig in den Journalismus. Doch Netzwerke erachten die Befragten als eine wichtige Strategie neben Fähigkeit, Qualität der Arbeit und Fleiß/Engagement. "Das ist der Spagat, den man leider machen muss", wird ein angestellter ORF-Mitarbeiter (33) zitiert, "netzwerken ist gut, aber kann gefährlich sein, weil ein Journalist absolut unabhängig sein sollte". Drastischer formulierte es eine freiberufliche Journalistin (45): "Ich glaube, dass ein Trottel mit guten Netzwerken es eher schafft als eine Koryphäe ohne Netzwerk."
Gerade für freie MitarbeiterInnen sind Kontakte wichtig, um Aufträge zu erhalten, aber auch bei Jobwechsel und Aufdecker-Geschichten. Viele der befragten JournalistInnen sind sich bewusst, dass es bei der Kontaktpflege einen schmalen Grat zwischen dem gibt, was erlaubt ist und die Karriere fördert, und dem, was sich eher nachteilig auswirken kann. "Hochschlafen" ist eine der häufigsten Nennungen, wenn nach inakzeptablen Karrierestrategien gefragt wurde, zusammen mit "anschleimen" und "KollegInnen ausbooten".
Die Hummel-Studie bestätigt einmal mehr, dass die Mehrheit der JournalistInnen prekäre Arbeitsverhältnisse wie (unbezahlte) Praktika oder langjährige freie Mitarbeit ablehnen. Die Befragten finden dafür klare Worte, die von "Frechheit" (freiberuflicher Magazin-Journalist, 40) und "schlimme Entwicklung" (freier Mitarbeiter einer Tageszeitung, 30) über "Skandal" (angestellter Tageszeitungsredakteur, 45) bis "extrem beschissen" (freiberufliche Journalistin, 45) reichen. Argumentiert wird, das sei nicht fair, gute Arbeit müsse auch entsprechend belohnt werden, und prekäre Beschäftigungsverhältnisse (also mit zu geringem Einkommen) seien eine Gefahr für die Branche.
Immerhin die Hälfte meinte, das Prekariat im Journalismus schade der Qualität keineswegs. Denn der Arbeitsmarkt bringe nun mal viele gut qualifizierte Leute hervor, die sich im harten Konkurrenzkampf mit wenig zufrieden geben müssten; in diesem Wettbewerb würden sich schließlich die Besten durchsetzen und prekäre Arbeitsverhältnisse seien eine Art Eignungstest. Diese Argumentation mag für ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen wie für hauptberufliche freie JournalistInnen zynisch anmuten.

Die Hälfte der JournalistInnen ist frei

Wenngleich zu berücksichtigen ist, dass die Untersuchung nicht wirklich repräsentativ für die Branche ist. Denn von den geschätzten 6.300 JournalistInnen in Österreich arbeitet ca. die Hälfte als (neue) Selbstständige bzw. freiberuflich, an der Befragung haben die Freien jedoch nur als kleine Minderheit teilgenommen. Manche Ergebnisse könnten daher aus der komfortableren Position der angestellten JournalistInnen verzerrt sein. Einzelne Freie haben diese ihre Freiheit tatsächlich selbst gewählt. "Es bemühen sich viele, und die kriegen ja auch eine Anstellung, ich hab mich nie ernsthaft darum bemüht, weil mir meine Freiheit sehr, sehr wichtig ist", gab eine freie ORF-Mitarbeiterin (33) an. "Aber das Fatale ist, wie stark es ausgenutzt wird."

Internet:
Kurzfassung der Studie:
tinyurl.com/85fvdau
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Heike Hausensteiner (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180221 "Ein Pick und eine Scher’, fertig ist der Redakteur." Die Zeitungstexte wurden in den Redaktionen auf Millimeter-Papier geklebt und so per Rohrpost an die Druckerei geschickt. Das war vor rund 20 Jahren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180161 Versteckte Vielfalt der MigrantInnen Wir sind frech, wir sind schräg, wir schreiben ein bisschen direkter - mit scharf eben." Mit diesen Worten beschreibt Redakteurin Ivana Martinovic das Erfolgsrezept von "das biber". Es ist wohl die bekannteste Zeitung, die seit 2006 von MigrantInnen in Österreich gemacht wird. "das biber" richtet sich in erster Linie an die dritte Generation und erscheint deshalb auch auf Deutsch. "Wir wollen die neuen Österreicher ansprechen, also Leute, die in Österreich geboren sind und nichts anderes kennen, außer vielleicht die Heimat vom Heimaturlaub", sagt Martinovic.

"Aus der multiethnischen Community"

Das vielfältige Redaktionsteam schreibt "über die Lebenswelten direkt aus der multiethnischen Community heraus", so die Eigenbeschreibung. Die JournalistInnen berichten über Themen wie das kleine Glücksspiel oder den arabischen Frühling, es werden die "erfolgreichsten Migrantinnen Österreichs" vorgestellt, es gibt Lokalkritiken, die rumänische Miss Austria ist ebenso Thema wie Import-Männer aus der Türkei - alles gewürzt mit ordentlich "biber", türkisch für "Pfeffer" (auf Serbokroatisch heißt "biber" im Übrigen "Paprika"). Das Konzept ging auf: "Die Reaktionen auf unser Erscheinen waren toll und das hat uns darin bestätigt, dass es eine große Lücke gab", freut sich Martinovic. Jüngster Neuzugang in diesem Bereich ist "daStandard.at", ein eigenes Ressort im Online-Standard, in dem MigrantInnen täglich über ihre Lebenswelten berichten. Erst vor kurzem erschien "daStandard" auch als Beilage in der Print-Ausgabe, in Zukunft soll es eine solche vierteljährlich geben. "daStandard.at" ist - wie "das biber" - ein Erfolg und wurde zudem mit dem europäischen CIVIS-Medienpreis ausgezeichnet, der die besten Programme zum Thema Integration und kulturelle Vielfalt in Europa prämiert. "daStandard.at" soll sich nicht in erster Linie mit Integration beschäftigen, findet Leiterin Olivera Stajic: "Mein Ziel ist es, eine Art Normalität vom Leben in der post-migrantischen Gesellschaft abzubilden."
Sehr wohl mit dem Thema Integration beschäftigen sich einmal pro Woche JournalistInnen mit Migrationshintergrund in der Tageszeitung "Die Presse". Es handelt sich dabei um ein Projekt des Vereins M-Media, das in etwa zeitgleich mit "das biber" gestartet worden ist. Und auch dieses Projekt findet Anklang: "Wir kommen an Geschichten heran, an die nicht jeder herankommt. Auch auf manche Ideen kommt man einfach nicht, wenn man nicht bestimmte Erfahrungen gemacht hat. Da kommt dir der Migrationshintergrund zugute und das wird auch in der Presse geschätzt", sagt Chefredakteurin Clara Akinyosoye.

Fast 90 Ethno-Medien in Österreich

M-Media macht aber weitaus mehr, unter anderem veranstaltet der Verein seit 2008 die Medien.Messe.Migration. Dort können sich die unterschiedlichen Ethno-Medien vorstellen. In den ersten Jahren fand sie noch in überschaubarem Rahmen statt, dieses Jahr war sie zum ersten Mal Teil der "Österreichischen Medientage". "Das ist ein Zeichen, dass wir im Mainstream ankommen", ist M-Media-Geschäftsführer Simon Inou zufrieden. Begleitend zur Messe gibt M-Media auch das "Österreichische Medienhandbuch Migration & Diversität" heraus. Darin sind inzwischen fast 90 Ethno-Medien gelistet. Auch wenn die deutschsprachigen Medien im Moment für mehr mediale Furore sorgen: Die große Mehrheit der Ethno-Medien erscheint in der jeweiligen Herkunftssprache.

Vielfältige Medienlandschaft

Im Segment der Ethno-Medien ist die Vielfalt groß: Die meisten Medien gibt es in der türkischen Community, ganze 22 Zeitungen sind allein im Medienhandbuch vertreten. Darüber hinaus gibt es afrikanische, arabische, polnische oder lateinamerikanische Medien. Sie verstehen sich als konservativ oder liberal, es gibt Tages-, Wochen- und Monatszeitungen.
Eine dieser Zeitungen ist "KOSMO". Das Monatsmagazin wurde 2009 gegründet und richtet sich an die ex-jugoslawische Community. Es verfolgt unter anderem das Ziel, den MigrantInnen Österreich näherzubringen, erzählt Chefredakteur Nedad Memic. Von der Aufmachung her erinnert "KOSMO" an die österreichische Zeitschrift "News" und ähnlich bunt sind auch die Inhalte - mit dem zentralen Unterschied, dass "KOSMO" auch über die ex-jugoslawische Community in Österreich berichtet. "Wir sind sehr ernsthaft, aber wir bringen auch Unterhaltungsthemen. Es gibt zum Beispiel einen Gastarbeiter-Raunzer. Er nennt sich Zemo und raunzt über Politiker, Hausmeister, einfach alles in diesem Land", so Memic. "KOSMO" ist eine der größeren Zeitungen, sie hat eine Auflage von mehr als 100.000 Stück.
Die türkische Zeitung "Yeni Vatan" bringt es immerhin auf eine Auflage von 50.000 Stück. Der Titel der Zeitung heißt auf Deutsch übrigens "Neue Heimat". Darauf legt Herausgeber Birol Kilic sehr viel Wert, denn auch er hat sich zum Ziel gesetzt, dass sich seine LeserInnen mit Österreich beschäftigen. Und ihm ist wichtig, dass seine Zei-tung ernst genommen wird: "Wir leisten mit objektiver Berichterstattung einen leidenschaftlichen Beitrag zur Demokratie."

Rechte verständlich machen

Wo man sich umhört, die Motive sind immer ähnlich: Man will den LeserInnen Österreich nahebringen und Themen behandeln, die MigrantInnen betreffen, aber in den Mainstream-Medien zu wenig vorkommen. Auch die Vertriebswege sind ähnlich: Über die Abos hinaus werden sie überall verteilt, wo sich MigrantInnen aufhalten oder arbeiten, ob in Geschäften, Kaffeehäusern, Busbahnhöfen oder Moscheen. Dass die Informationen in der Herkunftssprache veröffentlicht werden, sehen die Medienmacher nicht als Hindernis bei der Integration. Immerhin seien Deutschkenntnisse von der älteren Generation gar nicht verlangt worden. "Für viele ist es eine Erleichterung, wenn sie die Rechte in ihrer eigenen Sprache lesen können, denn das ist oft sehr kompliziert", meint Hasan Kilic. Nicht umsonst würden diese auch in den Medien von Gewerkschaft und Arbeiterkammer für das deutschsprachige Publikum in einfachere Worte gefasst.

"Sendika" - Gewerkschaft

Hasan Kilic gibt eine kleine Zeitung heraus, die sich "Sendika" nennt, zu Deutsch "Gewerkschaft". Entsprechend ist auch das Medium gestaltet: "Zu 80 bis 90 Prozent geht es in unseren Berichten um das Arbeitsfeld der Arbeitnehmer und die Gewerkschaften. Wir berichten über Gesetzesänderungen, Kollektivvertragsverhandlungen und über die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer."
Weniger zielgruppenspezifisch ist die Berichterstattung der türkischsprachigen Zeitung "Post". Aber auch sie informiert in erster Linie über die österreichische Innenpolitik, so Chefredakteur Ahmed Dogan. Darüber hinaus ist das Leben der Community in den Regionen Thema. "Sich in der Muttersprache Informationen zu holen, ist noch kein Hindernis bei der Integration", meint auch Dogan. Er findet es aber gut, dass es für die dritte Generation Angebote auf Deutsch gibt.
Diese dritte Generation will mehr: Endlich sollen mehr MigrantInnen in den Mainstream-Medien arbeiten. "Ein halbes Prozent der Journalistinnen und Journalisten in Österreich hat einen Migrationshintergrund, das ist eine zutiefst winzige Zahl", meint Zarko Radulovic von der Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, Informationen zum Thema Integration für JournalistInnen in Österreich aufzubereiten. Außerdem werden junge JournalistInnen mit Migrationshintergrund dabei unterstützt, in den Mainstream-Medien unterzukommen. Auch M-Media verfolgt ein ähnliches Ziel und bei einer Mitarbeiterin hat es bereits funktioniert: Duygu Özkan schreibt inzwischen in der Chronik-Redaktion der "Presse". Eine ganze JournalistInnenausbildung bietet "das biber" an: die "biber"-Akademie. Das Ziel all dieser Bemühungen formuliert Ivana Martinovic, die neben ihrer Tätigkeit als "biber"-Redakteurin die "biber"-Akademie leitet: "Wir wollen, dass es selbstverständlich wird, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die gerne schreiben, auch als Journalisten in den Medien anfangen." Für "das biber" ergänzt sie als Ziel: "Wir wollen als selbstverständlicher Teil der österreichischen Medienlandschaft gesehen werden."

Internet:
Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen:
medienservicestelle.at
M-Media - Verein zur Förderung interkultureller Medienarbeit:
m-media.or.at
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Sonja Fercher (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180152 Im Segment der Ethno-Medien ist die Vielfalt groß: Die meisten Medien gibt es in der türkischen Community, ganze 22 Zeitungen sind allein im Medienhandbuch vertreten. Darüber hinaus gibt es afrikanische, polnische oder lateinamerikanische Medien. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180141 Transparenz in den Medien Am Nachmittag des 1. Dezember 2011 hat der parlamentarische Verfassungsausschuss das vielfach diskutierte "Medientransparenzgesetz" beschlossen. Das Gesetz, das von SPÖ und ÖVP initiiert wurde, konnte dank Zustimmung der Grünen und des BZÖ nun beschlossen werden. Dieses Einverständnis der Opposition war für das Zustandekommen des Gesetzes erforderlich, da die Regierungsvorlage Bestimmungen im Verfassungsrang enthielt und daher nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden konnte.

Werbeaufträge und Förderungen

Doch was wurde hier eigentlich seit dem Frühsommer diskutiert? Das Bundesverfassungsgesetz über die "Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums" verpflichtet die im Gesetz genannten Rechtsträger dazu, quartalsmäßig sämtliche Werbeaufträge und die entsprechenden Entgelte, die dafür an MedieninhaberInnen geflossen sind, öffentlich bekannt zu machen. Kurzum: Der wesentliche Bestandteil des Gesetzes betrifft die umstrittenen Regierungsinserate und Inseratschaltungen von öffentlichen Stellen. Genau jene sollen mit Hilfe des Medientransparenzgesetzes nun vierteljährlich veröffentlicht werden.
Ausschlaggebend für die Diskussion war die Vermutung, dass die Regierung durch die Vergabe kostspieliger Inserate bestimmte Medien gezielt subventioniert habe, um sich dadurch im Gegenzug eine geneigte Berichterstattung zu sichern. Eine Hand wäscht die andere. Solch ein Vorgehen ist insofern von öffentlichem Interesse, da es sich letztlich um steuerfinanzierte Werbeaufträge handelt.
Ein weiterer Kernpunkt betrifft die Offenlegung der wirtschaftlichen Eigentümerverhältnisse von Medienunternehmen: So sollen künftig auch Konstruktionen aus Stiftungen und Treuhandschaften, wie sie beispielsweise bei der Gratiszeitung "Heute" vorherrschen, offengelegt werden - eine Verschleierung, wer hinter welchem Medium steht, soll damit verhindert werden. Auch sieht das Medientransparenzgesetz Sanktionen vor: Wer seiner Bekanntgabepflicht nicht fristgerecht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall mit bis zu 60.000 Euro zu bestrafen. Soweit die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Doch kann das neue Gesetz das Vertrauen der BürgerInnen in die Medien überhaupt stärken?

Kann Transparenz Vertrauen stärken?

Anlässlich der Debatte rund um das Medientransparenzgesetz fand am 1. Dezember 2011 im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Österreichischen Presserat und dem Kuratorium für Journalistenausbildung eine hochkarätig besetzte Diskussion über Transparenz statt. Im ersten Panel stand die Transparenz in Medienunternehmen im Mittelpunkt. Es wurde darüber debattiert, inwieweit durch zielgerichtete Inseratschaltung die öffentliche Meinung beeinflusst werden kann und inwiefern ein Medientransparenzgesetz das Vertrauen der BürgerInnen in die Medien stärken kann.

Verantwortung des Staates

Es diskutierten Harald Fidler (Der Standard), Oliver Voigt (Mediengruppe "Österreich"), Florian Philapitsch (Komm-Austria) und Wolfgang R. Langebucher (Universität Wien). Der emeritierte Professor des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien hielt dabei zu Beginn fest, dass Transparenz ein unabdingbares Grundprinzip in einer demokratischen Gesellschaft sei, obgleich Österreich prinzipiell einem Strukturmangel des Verlagswesens unterliege. So habe vor 25 Jahren in Österreich noch die Tradition des Familienbetriebes vorgeherrscht - die heutige Entwicklung sei geradezu diametral. Es sei die ureigenste Aufgabe des Staates, Verantwortung dafür zu tragen, dass seine StaatsbürgerInnen qualitative Informationen erhielten.
Dass überhaupt eine Diskussion über mediale Transparenz entbrannt sei (Stichwort: Inserate) ließe darauf schließen, dass grundsätzlich ein Prinzip der "systematischen Täuschung" im System zu vermuten sei, anders könne er sich das "Versteckspielen" nicht erklären. Angesprochen wurden auch Begriffe wie "politische Günstlingswirtschaft" und die potenzielle Möglichkeit, sich politische Positionen zu "erkaufen". Oliver Voigt von der Mediengruppe "Österreich" brachte hier auch schlicht das "Prinzip der Steueroptimierung" ein, was durchwegs legitim sei. Er sei jedenfalls nicht der Meinung, dass man in der Republik Österreich Positionen durch Inseratplatzierung und wohlwollende Berichterstattung indirekt erkaufen könne.

Risko Unübersichtlichkeit

Harald Fidler (vom "Standard") begrüßte jede Form der Transparenz und betonte, Transparenz per se könne immer nur positiv sein. Fraglich sei aber das konkrete Handling der neuen Regelung. Florian Philapitsch, Vorsitzender-Stellvertreter der Kommunikationsbehörde Austria, die nunmehr als unabhängige österreichische Medienbehörde fungiert, merkte in Bezug auf das Medientransparenzgesetz vor allem die durch die Offenlegungspflicht erzeugte Datenmenge kritisch an, die einer Transparenz wiederum durch Unübersichtlichkeit im Wege stehen könne.  Damit greift Philapitsch ebenso den Kernpunkt der verlautbarten Kritik des Rechnungshofes auf, der durch das Medientransparenzgesetz einen Belastungsanstieg fürchtet. Die Kontrollinstitution hätte nämlich zur Aufgabe, jene Auflistung künftig zu veröffentlichen, was jedoch eine Sonderaufgabe mit enormem Mehraufwand für die Institution darstellen würde. Zudem wäre auch der Verfassungsgerichtshof betroffen, der für Beschwerden im Zusammenhang mit diesen Offenlegungspflichten künftig zuständig ist.

Wie transparent ist Journalismus?

MedienrechtsexpertInnen befürchten einen Ansturm von Beschwerden beim Höchstgericht. Auch wurden im Hinblick darauf bereits erste Stimmen laut, dass dies im krassen Widerspruch zu der schon lange geforderten Verwaltungsreform stehe. Das Medientransparenzgesetz würde damit einen weiteren bürokratischen Wildwuchs schaffen.
Das zweite Panel der Veranstaltung - bestehend aus Christian Rainer (profil), Claus Reitan (Die Furche), Helge Fahrnberger (kobuk) und Anette Novak (Norran) - befasste sich mit der Thematik rund um "echten" Journalismus. Christian Rainer betonte, für ihn bedeute professioneller Journalismus entsprechende Ausbildung sowie einen ethischen Standard: Journalismus sei kein Beruf, sondern vielmehr eine Berufung. Nachgegangen wurde in der Debatte vor allem der Frage, ob Transparenz in der journalistischen Arbeit (Stichwort: gläserne Redaktion) die "neue Objektivität" ist. Anette Novak, die Chefredakteurin der schwedischen Tageszeitung "Norran", verfolgt seit dem Jahre 2009 ein neuartiges Konzept, die LeserInnen partizipieren bei einem Experiment des offenen Blattmachens.
Die Möglichkeit, aktiv am Prozess teilzunehmen, sichere ihres Erachtens die Existenz von Printmedien in einer Zeit der digitalen Realität. Doch auch Partizipation in einem anderen Sinne kann der medialen Transparenz zuträglich sein: Der Blogger Helge Fahrberger hat den Medien-Watchblog "kobuk.at" geschaffen und es sich zum Ziel gesetzt, journalistische Fehler aufzuzeigen. Partizipation und professioneller Journalismus sollten sich im Idealfall also sinnvoll ergänzen. Claus Reitan von der "Furche" bekräftigte, dass man gelebte Demokratie, Transparenz und Medien ohnehin niemals trennen könne, allerdings sei in Österreich die Tradition der gebündelten Information an der Spitze der Hierarchie stark verfestigt. Transparenz ist also gerade hier kein selbstverständliches Gut, doch in jedem Fall absolut begrüßenswert.

Internet:
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Info&News
Unter anderem soll künftig auch verboten sein, Konterfeis von Regierungsmitgliedern abzudrucken. Damit dürfen weder MinisterInnen, Staatssekretäre/-sekretärinnen noch LandespolitikerInnen auf Inseraten zu sehen sein. Inhaltlich müssen diese Werbeeinschaltungen ausschließlich der Information der BürgerInnen dienen und über einen konkreten Sachverhalt informieren. Eine reine Eigenwerbung, aus Steuergeldern finanziert, soll damit gesetzlich ausgeschlossen werden. Die Schwelle für die Offenlegung von Inseraten wurde im Gesetz mit 5000 Euro pro Quartal fixiert.

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Nina Ehrensberger (Freie Autorin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180132 So sollen künftig auch Konstruktionen aus Stiftungen und Treuhandschaften, wie sie beispielsweise bei der Gratiszeitung "Heute" vorherrschen, offengelegt werden - eine Verschleierung, wer hinter welchem Medium steht, soll damit verhindert werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180110 Der Entenboulevard Heute wie vor 100 Jahren fallen die Medien auf sie herein. Viele Falschmeldungen werden aber von ihnen bewusst produziert. "Wer auf Partykracher hoffte, den überraschte George Michael mit ruhigen Klängen", schrieb die "Kronen Zeitung" am Tag nach dessen Wien-Konzert im heurigen November. Bei den Schlussliedern "Freedom" und "I’m your man" hingegen bebte die Stadthalle. Das Problem: Das Ereignis war wegen Erkrankung des Sängers abgesagt worden.
Schon bei den Nationalratswahlen 2008 hatte die auflagenstärkste Zeitung des Landes hellseherische Fähigkeiten bewiesen, die allerdings durch keinen Spitalsaufenthalt der Protagonisten ad absurdum geführt worden wären: So konnte Werner Faymann im TV-Duell "mit viel Erfahrung" punkten, während sein damaliger Gegner Alexander Van der Bellen "fast britischen Humor" bewies. Das Problem: Der Bericht erschien in der Abendausgabe vor der Fernsehkonfrontation. Es habe sich auch um keine Kritik, sondern um eine Vorschau gehandelt, rechtfertigte sich das Blatt später.

George im und Robbie aus dem Koma

Ein gefundenes Fressen war die Zeitungsente der ohne den Sänger George Michael und sein Publikum bebenden Halle für das Fellner-Blatt "Österreich". Es empörte sich über die "Peinlichkeit, (...) die Fans in die Irre zu führen". Mehr als nur peinlich war der Bericht gewesen, den "Österreich" unter dem Titel "Robbie holte Show aus Koma" über den Auftritt von Robbie Williams bei "Wetten, dass?" lieferte. Ein Unfall hatte den Abbruch der Show erfordert, der verunglückte Wettkandidat musste längere Zeit im künstlichen Koma gehalten werden.

Da jault der Grubenhund

Offenbar nicht umsonst erfreut sich der "Grubenhund" (eine spezielle Form der Zeitungsente) schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem in Österreich besonderer Beliebtheit. Es handelte sich ursprünglich um die Rache des/der kritisch Lesenden an der Berichterstattung, meist in Form eines Leserbriefes oder einer getürkten Presseaussendung. Berühmt wurden die beiden Sätze des Grubenhund-Erfinders Arthur Schütz, der sich im November 1911 über die techniklastige Berichterstattung der "Neuen Freien Presse" (NFP) über ein lokales Erdbeben ärgerte. Unter dem Namen "Erich Ritter von Winkler" schrieb er: "Ich saß allein im Kompressorenraum, als (...) der große 400 pferdekräftige Kompressor (...) eine auffällige Varietät der Spannung aufzuweisen begann." Offenkundig wusste der Ingenieur Schütz vor 100 Jahren bereits um die Notwendigkeit, komplexe Sachverhalte durch Menschlich-Tierisches aufzulockern und fuhr fort: "Völlig unerklärlich ist jedoch (...), dass mein im Laboratorium schlafender Grubenhund schon eine halbe Stunde vor Beginn des Bebens auffallende Zeichen größter Unruhe gab." Ein Satz, der die Bezeichnung "Grubenhund" begründete.
Als eigentlicher Erfinder fingierter Leserbriefe gilt aber Karl Kraus. Er hatte schon 1908 der NFP als Zivilingenieur J. Berdach einen Leserbericht über ein Erdbeben geschickt, der trotz hochgradiger Skurrilität veröffentlicht wurde.

Hermeneutik der Quantengravitation

Später, als sich die Zeitungen mehr auf die Meldungen von Presseagenturen als auf LeserInneninformationen verließen, gerieten die Grubenhunde etwas ins Abseits. Bewusst lancierte Falschmeldungen oder -berichte rütteln aber immer wieder am Glauben an das gedruckte Wort, so er noch vorhanden ist. Etwa 1996 der Artikel des amerikanischen Physikers Alan Sokal mit dem Titel "Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation".
Der Beitrag erschien in der Fachzeitschrift "Social Text", das Ziel des Autors, die nutzlose Pseudowissenschaftlichkeit so mancher pompöser Textkonstrukte aufzuzeigen, war erreicht. Verlassen sich JournalistInnen bei ihrer Recherche auf das Internet als einzige Quelle, werden sie auch heute noch oft Opfer von bewusst lancierten Falschmeldungen. So blamierte ein Jungjournalist das Medienestablishment, als er am Tag vor Ernennung des Wirtschaftsministers Karl-Theodor zu Guttenberg dessen Eintrag in der Wikipedia um den frei erfundenen elften Vornamen Wilhelm ergänzte. Seriöse Online-Nachrichtenseiten wie "Spiegel Online", "sueddeutsche.de" und "taz.de" übernahmen die Namensschlange ungeprüft. Der im Grund insignifikante Grubenhund Wilhelm machte sich dennoch lautstark bemerkbar: Immerhin knabberte er an der Glaubwürdigkeit professioneller Medien und der Netzenzyklopädie Wikipedia.

Das Sex-Gen und der Tastatur-Pilz

2005 kreierte ein deutscher Journalistikstudent im Rahmen seiner Diplomarbeit einen klassischen Grubenhund und sah zu, wie einfach seine Falschmeldung über das Internet in die Medien gelangte. Der Sensationsmeldung zufolge hatten Genforscher des Münchner Arthur-Schütz-Instituts (!) in der menschlichen DNS ein das Sexualverhalten steuerndes Gen entdeckt.
Zwar klang die Nachricht schlüssig, doch wäre die Täuschung offenkundig gewesen, sofern die Minimalanforderungen der journalistischen Recherche erfüllt worden wären. Die Meldung wurde an rund 1.500 Redaktionen und Agenturen geschickt und von einigen, darunter einer Fachpublikation für ApothekerInnen, veröffentlicht.
1997 sandte ein Witzbold ein Fax an die Nachrichtenagentur AP, in dem das österreichische Verkehrsministerium vor gefälschten Mautvignetten warnte, die zu Dumpingpreisen verkauft würden. Die Korrekturmeldung, nach Aussendung an die Redaktionen, kam für einige Medien zu spät. Der "Münchhausen von Niederrhein", als der sich der Witzbold Christian M. bezeichnet, hatte 1992 während einer PC-Virushysterie den "Tastatur-Pilz" erfunden. Im Namen eines Professors riet er zur mehrstündigen Lagerung des Teils im Tiefkühlfach, um das Pilzwachstum zu bremsen. Sogar das Computer-Magazin "Chip" fiel auf die Meldung herein. Lohnend sei Kreativität bei der Erstellung von Briefbögen, so der Grubenhundexperte: Die von ihm erfundene "Fundamentalstation Wegberg" etwa, die vor der Zerstörung eines NASA-Mondreflektors durch Meteoriten warnte, zeichnete als "Außenstelle der Saaruniversität".

Eskimodichter Kobuk

Auf dem Briefpapier des PEN-Clubs hatte die Schauspiellegende Helmut Qualtinger im Jahr 1951 eine offizielle Einladung verschickt, die am nächsten Tag in der "Arbeiter-Zeitung" zu lesen war. "Der bekannte Eskimodichter Kobuk wird morgen auf dem Wiener Westbahnhof zur Dichterlesung eintreffen. Sein Stück 'einsames Iglu‘ soll in Wien aufgeführt werden." Einige Reporter erschienen im sonnigen Juli zum Empfang am Bahnhof. "Haaß is", sagte der dicke, im Pelz vermummte "Inuit-Dichter" Kobuk schließlich auf die Frage nach seinen ersten Eindrücken von Österreich.
"Kobuk" nennt sich heute ein Medienwatchblog von Studierenden und Unterrichtenden am Publizistikinstitut der Uni Wien.
Er rät etwa: Gehen Sie bei Kurzgeschichten in "Österreich" nie davon aus, dass abgebildete Personen etwas mit der Erzählung zu tun haben. Auch wenn hinzugefügte Augenbalken und Bildtexte es suggerieren. "Der jüngste Einbrecher ist jetzt im Waisenhaus", lautet etwa die Bildlegende des Blattes zu einem Bericht über eine Familieneinbrecherbande. Blog "Kobuk" zeigt auch das Originalfoto, das von der Homepage der amerikanischen Bildagentur "Getty Images" stammt. Nicht nur dem "symbolischen Journalismus" widmen sich die engagierten MedienbeobachterInnen im Netz. Sie decken auch bewusste Manipulationen des Meinungsjournalismus auf: Etwa indem sie durch Nachrechnen belegen, dass die "Kronen Zeitung" EU-kritische Meldungen einfach mit falschen Zahlen untermauert. Nur zum Beispiel.

Internet:
Der Blog:
kobuk.at 
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Gabriele Müller (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180089 Ein gefundenes Fressen war die Zeitungsente der ohne den Sänger George Michael und sein Publikum bebenden Stadthalle für das Fellner-Blatt "Österreich". http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180100 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180046 Gratis liegt im Trend In Wien hat die U-Bahn-Zeitung "Heute" erneut Terrain gewonnen und liegt damit vor der "Kronen Zeitung". Im vergangenen September feierte das Gratis-Blatt "Heute" seinen siebenten Geburtstag. Herausgeberin Eva Dichand und Geschäftsführer Wolfgang Jansky konnten sich über 849.000 LeserInnen österreichweit freuen ("Heute" erscheint mittlerweile auch in Nieder- und Oberösterreich sowie im nördlichen Burgenland). GeschäftspartnerInnen, Prominente und PolitikerInnen aller Couleur gratulierten. Kein Wunder - an so vielen potenziellen WählerInnen kommt kaum jemand vorbei.

Konkurrenz für die Krone

Begonnen hat allerdings alles schon im Jahr 2001, als der Chef der "Kronen Zeitung" Hans Dichand den "U-Express" ins Leben rief, um möglichen Gratiszeitungsaktivitäten von internationalen Playern zuvorzukommen. Drei Jahre lang wurde der "U-Express" an Werktagen in Entnahmeboxen in den U-Bahn-Stationen gratis aufgelegt.
Um der Mutterzeitung "Krone" nicht Konkurrenz zu machen, enthielt der "U-Express" zum Beispiel kein Fernsehprogramm, trotzdem bescherte das Gratis-Blatt vor allem auch der "Kronen Zeitung" herbe Verluste beim Einzelverkauf in Wien. Die Eigentümer Mediaprint/WAZ drängten auf Einstellung der unliebsamen Konkurrenz im eigenen Haus, und trotz aller Bemühungen Dichands war der "U-Express" am 31. März 2004 zum letzten Mal unterwegs.
Nur wenige Monate später, im September 2004, erschien die Gratiszeitung "Heute" zum ersten Mal, Herausgeberin war Hans Dichands Schwiegertochter Eva Dichand. Die Gesamtauflage ist mittlerweile von anfangs 150.000 auf mehr als 580.000 Exemplare angewachsen.
Längst gehören die Entnahmeboxen von "Österreich" und "Heute" vor allem in Wien zum Stadtbild. Hinter den Kulissen sorgen sie allerdings nach wie vor für Konflikte. Anfangs gab es Beschwerden anderer Medienunternehmer, die schon länger vergeblich versucht hatten, von den Wiener Linien bzw. der Stadt Wien eine Bewilligung für das Aufstellen von Entnahmeboxen zu bekommen. "Österreich" kämpft bis heute darum, nicht nur in der Umgebung, sondern direkt in den U-Bahn-Stationen Boxen aufstellen zu dürfen. Bisher hat dieses Recht allein die Zeitung "Heute".

Waschen, legen, schießen!

Die Tageszeitung "Österreich" wurde im September 2006 mit viel Publicity aus der Taufe gehoben, sie ist sowohl als Kaufzeitung als auch in abgespeckter Version hauptsächlich in U-Bahn-Stationen und Bahnhöfen erhältlich. Herausgeber Wolfgang Fellner wollte damit die Zielgruppe von Ö3 erreichen. Laut Media-Analyse ist "Österreich", das im Gegensatz zu "Heute" auch sonntags erscheint, derzeit auf Platz vier unter den Tageszeitungen.
Während Gratis-Tageszeitungen in den USA schon in den 1940er-Jahren üblich waren, wurde das erste europäische Medium dieser Art, "metro", 1995 in Stockholm gedruckt. Seitdem wurde in fast jeder größeren Stadt mindestens eine Gratis-Tageszeitung gegründet, aber nicht alle haben die Wirtschaftskrise 2008/09 überlebt.
Das Konzept der Gratis-Tageszeitungen ist weltweit sehr ähnlich: Kurz gehaltene Beiträge mit eingängigen Headlines wie "Das letzte Foto des irren Wüsten-Diktators" oder "Waschen, legen, schießen!". Wer tagesaktuelle Veranstaltungstipps, die neuesten Sportergebnisse oder Sonderangebote sucht, der/die kommt wohl oder übel an Titeln wie "Sohn entdeckt ermordete Mama" (naiv, wer jetzt denkt, hier handelte es sich um ein Kind, der Sohn war 59!) nicht vorbei.

"Das Wiener Schnitzel"

Apropos Nachkommen: Welche Schlüsse zieht ein Kind im ersten Lesealter angesichts der Schlagzeile "Stromausfall: Politiker rastet bei Polizei aus" in Kombination mit einem Foto von Hollywood-Star Kiefer Sutherland mit einer Pistole im Anschlag? So manche Meldung kann auch Erwachsene verunsichern: "Hier schlafen zwei Männer ein, weil ihre Frauen so lange shoppen", im Textteil daneben ist dann detailliert angeführt, in welchem Modemarkt dieses Foto entstanden ist. Da fragt man sich doch: Ist das jetzt Werbung oder nicht?
Anlässlich der Medientage in Wien meinte Eva Dichand zum Thema Qualität: "Ich verstehe mich nicht als Qualitätsmedium im Vergleich zur ,Neuen Zürcher Zeitung‘. Wenn die NZZ das Fünf-Gänge-Haubenmenü ist, das auch viel kostet, ist ,Heute‘ das Wiener Schnitzel, das man beim Heurigen auch gerne isst." International gesehen sei "Heute" eine der besten Gratiszeitungen.

Pendlerzeitung mit Niveau?

Wie viel Qualität ist in einem Gratis-Medium möglich? In Washington D.C. etwa wird der von der angesehenen "Washington Post" herausgegebene "Express" gratis aufgelegt bzw. verteilt. Das Layout erinnert hier deutlich weniger als bei den meisten anderen Gratis-Blättern an eine typische Boulevardzeitung. Auch die Website ist wesentlich unaufgeregter als jene von "Heute", "Österreich" & Co.
In der Schweiz versuchte man 2007 mit "CH" eine Gratiszeitung mit Qualitätsanspruch zu etablieren. Die Investoren, darunter Eugen Russ, Chef des Vorarlberger Medienhauses, setzten anfangs auf adressierte Hauszustellung als Erfolgsrezept. Zu spät wurde auf das kostengünstigere, für Pendlerzeitungen übliche Entnahmeboxen-System umgestellt, die Wirtschaftskrise schließlich zwang 2009 zur Einstellung des Blattes.
Das Fachmagazin "Der österreichische Journalist" verglich auch 2011 wieder die wichtigsten Gratiszeitungen. Positiv hervorgehoben wurden vor allem Magazine für ein junges, urbanes Publikum: "6020" in Innsbruck, "Wien live" und das transkulturelle Stadtmagazin "biber". Das Trio bekam heuer nicht zum ersten Mal Bestnoten von den KollegInnen: "Das sind Titel, die einem nicht die kostbare Zeit rauben, sondern die das Leben schöner machen, es erklären, intelligent unterhalten und fit für Diskussionen machen, ohne den Oberlehrer raushängen zu lassen …" Seit 2001 wird das Magazin "6020", das monatlich erscheint, der "Tiroler Tageszeitung" beigelegt und ist an den Haltestellen der Innsbrucker Verkehrsbetriebe erhältlich. "Wien live" erscheint zehnmal jährlich und findet sich unter anderem gratis in Trafiken und Restaurants (Zielgruppe: urbane, design-, lifestyle- und kulturinteressierte LeserInnen). Das 2007 gegründete Magazin "biber" erscheint seit 2009 ebenfalls zehnmal jährlich und liegt in Restaurants, Shoppingcentern sowie in 45 Wiener Anker-Filialen auf.

Internet:
"Express", Gratiszeitung der "Washington Post":
www.expressnightout.com 
Mediaanalyse:
www.media-analyse.at 
"Wien live":
www.wienlive.at 
"das biber":
www.dasbiber.at 
Gratiszeitungs-Test 2011 in "Der Journalist":
tinyurl.com/cl4jmyy 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
afadler@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

Info&News
Konkurrenzkampf um LeserInnen:
Mindestens 5,2 Mio. ÖsterreicherInnen haben laut Media-Analyse im zweiten Halbjahr 2010 und im ersten Halbjahr 2011 täglich eine Tageszeitung gelesen. Damit ist die Gesamtreichweite von 75 auf 73 Prozent gesunken. Mit 12,9 Prozent nationaler Reichweite und 921.000 regelmäßigen LeserInnen rangiert "Heute" nach der "Kronen Zeitung" auf dem zweiten Platz bei den Tageszeitungen. In Wien liegt "Heute" mit 39,9 Prozent sogar noch vor der "Kronen Zeitung" unter Herausgeber Christoph Dichand (33 Prozent). Die Regionalmedien Austria AG (RMA) erreicht mit ihren rund 130 Titeln (Bezirksblätter und -zeitungen) österreichweit 3.855.000 LeserInnen, das ist eine nationale Reichweite von 54 Prozent.
Für die Media-Analyse (MA) werden jedes Jahr rund 16.000 einstündige persönliche (Face-to-Face) Interviews zur Erforschung des Mediennutzungsverhaltens durchgeführt. Seit 2010 werden auch Regional- und Gratismedien einbezogen, wobei die Tageszeitung "Österreich" zu den Gratismedien gezählt wird.
Die Österreichische Auflagenkontrolle(ÖAK) ist ein auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhender Verein. Er wurde 1994 auf Initiative der Werbeagenturen und des Verbandes Österreichischer Zeitungen gegründet. Die Mitgliedsverlage der ÖAK verpflichten sich, halbjährlich auf Basis der ÖAK-Richtlinien eine Auflagenmeldung für die der ÖAK angeschlossenen Medien abzugeben. Ein Wirtschaftstreuhänder überprüft die übermittelten Daten dann vor Ort.

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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180040 Längst gehören die Entnahmeboxen von Österreich und Heute vor allem in Wien zum Stadtbild. Hinter den Kulissen sorgen sie allerdings nach wie vor für Konflikte. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688180014 Ganz schön schrecklich Was für eine Story: Zwei Minderjährige werden von ihren Eltern im Wald ausgesetzt, woraufhin eine Menschenfresserin die beiden Schutzsuchenden fängt und in einen Käfig sperrt. Die Unglücklichen sollen gemästet und anschließend verspeist werden! In Todesangst befreien sich die Kinder und verbrennen die Kannibalin bei lebendigem Leib ... Es handelt sich bei dieser Geschichte um das Märchen von Hänsel und Gretel - nur ein Beispiel dafür, dass exzessive Gewaltdarstellung keine Erfindung von Boulevardmedien oder blutrünstigen Splatter-Movies ist. So strotzen gerade viele Märchen und Sagen buchstäblich vor Brutalitäten, aber auch die Bibel ist voll von Beispielen der Blutschande, Mord, Totschlag und Naturkatastrophen.

Schlag nach bei Shakespeare

Im Erbe der Antike entdecken wir ebenfalls umfangreiche Darstellungen realer, aber auch fiktiver Gewalt, die vor penibelsten Detailbeschreibungen nicht zurückschrecken. Ein Beispiel aus Homers Odyssee: "Jetzo holten sie den Ziegenhirten Melantheus, und sie schnitten ihm Nas’ und Ohren mit grausamen Erze ab, entrissen und warfen die blutige Scham vor die Hunde, hauten dann Hände und Füße von Rumpf mit zürnendem Herzen." Auch wer bei Shakespeare nachschlägt, stößt auf mannigfaltige Gräueltaten: So werden etwa in "Titus Andronicus" der Figur der Tamora ihre eigenen Söhne zum Mahl vorgesetzt ... Aber nicht nur fiktionale Medien, auch der Journalismus ist stark von Gewaltdarstellungen geprägt. Hierbei wird oft auf die Informationspflicht und die möglichst wahrheitsgemäße Wiedergabe von - eben auch schrecklichen - Ereignissen verwiesen. Nun muss der/die verantwortungsvolle RedakteurIn natürlich über Morde, Kriege, Terroranschläge etc. berichten, das Schwelgen in solchen Gräueltaten zählt aber sicher nicht zur journalistischen Sorgfaltspflicht. Beispiel 11. September 2011: Anlässlich des zehnten Jahrestages der Terrorattacken in den USA sahen wir in allen TV-Kanälen zum x-ten Mal wie Flugzeuge in das World Trade Center rasten, Menschen in den Tod sprangen und die beiden Türme letztlich in sich zusammenbrachen. Im Kultursender 3sat zeigte man unkommentiert über mehrere Stunden die TV-Bilder des ORF, die vor zehn Jahren live zur Katastrophe gesendet worden waren. Hier stellt sich die Frage: Wo bleibt der Informationsgehalt, wo der Hintergrundbericht und wo die Aufklärungsarbeit? Scheinbar wird all das von der Wiederholung des Schreckens und der Faszination der Gewalt in den Schatten gestellt.
Halten wir fest: Medien, die wir hier breit als Mittel zur Verbreitung und Konservierung von Informationen definieren wollen, werden offensichtlich von Gewalt nahezu magnetisch angezogen. Eine Anziehungskraft, die sich letztlich nur durch das Interesse der RezipientInnen erklären lässt. Sprich: Fänden die LeserInnen, ZuseherInnen, ZuhörerInnen, Internet-UserInnen etc. nicht in irgendeiner Art und Weise Gefallen an der medial präsentierten Gewalt, würden sie die entsprechenden Produkte nicht "kaufen". Was uns zu der entscheidenden Frage führt: Warum kann der Mensch an (auch durchaus realer) Gewalt und den daraus resultierenden Leiden anderer Menschen Freude, Befriedigung, ja sogar Lust empfinden? In der Diplomarbeit "Der hochgeschätzte Massenmörder" ist der Autor dieser Zeilen auf die genannte Problematik eingegangen und stieß bereits bei antiken Denkern auf Antworten.

"Reinigung" durch Gewalt?

So brachte Aristoteles die Katharsisthese ins Spiel. Katharsis bedeutet in diesem Zusammenhang die "homöopathische Reinigung der Affekte": Durch die Erregung von Mitleid und Furcht soll der/die RezipientIn von negativen Stimmungen befreit werden. Aristoteles vertritt also die auch heute noch existierende Theorie, dass durch die mediale Darstellung von Gewalt das Aggressionspotenzial des Publikums abgebaut werden könne. Bezogen auf das griechische Theater zur Zeit Aristoteles’ muss allerdings erwähnt werden, dass nicht so sehr die direkte Gewaltanwendung, sondern ihre negativen Folgen im Vordergrund standen. Aus dieser Aufarbeitung der Gewalt ergibt sich laut Aristoteles die "sozialhygienische Wirkung" - und nicht aus Gewaltexhibitionismus. Weshalb die Katharsisthese für viele Formen aktueller medialer Gewalt (Detailschilderung und permanente Wiederholung der Brutalität statt Erklärung von Ursprung und Folgen) wohl nicht zutrifft.

Die sogenannte "Schreckenslust"

Es muss also noch andere Erklärungsmodelle für die Attraktivität von Gewaltdarstellungen geben. Eine liegt in der sogenannten Schreckenslust begründet. Schon der Schöngeist, Aufklärer und überzeugte Humanist Friedrich Schiller wusste: "Es ist eine allgemeine Erscheinung in unserer Natur, dass uns das Traurige, das Schreckliche, das Schauderhafte selbst mit unwiderstehlichem Zauber an sich lockt, dass wir uns von Auftritten des Jammers, des Entsetzens mit gleichen Kräften weggestoßen und wieder angezogen fühlen." (Friedrich Schiller. Werke. Nationalausgabe 1943). Schiller nennt hier neben den drei Quellen von Lust und Vergnügen - nämlich dem Angenehmen, dem Guten, dem Schönen - noch eine vierte: Schrecken und Entsetzen. Wobei Schiller hier im Gegensatz zu früheren Schriften die Lust am Leiden und Grauen nicht als abartig oder unnatürlich ansieht, nicht als vereinzelt auftretende Fehlentwicklung pervertierter Menschen, sondern eben als allgemeine Erscheinung in unserer Natur. Auf diese Lust gehen nun journalistische Medien genauso ein wie Kunst und Kultur. So ist in der Dichtkunst der Begriff des "angenehmen Grauens" seit Mitte des 18. Jahrhunderts präsent, ebenso kennt die englische Sprache Bezeichnungen wie "delightful horror" oder "agreeable horror". Wir können hier von einer Ästhetisierung des Schrecklichen und des Negativen in den Medien sprechen, wobei der deutsche Germanist und Literaturkritiker Richard Alewyn (1902-1979) den Grund für diese Überhöhung in der zunehmenden Naturbeherrschung durch den Menschen sieht. Unter diesem Aspekt fügt Alewyn einen kompensatorischen Ansatz hinzu: Der Mensch habe sozusagen ein Bedürfnis nach Angst. Die moderne Welt der Aufklärung lässt allerdings keinen Platz mehr für traditionelle, der Natur entsprungene Ängste. Der Urwald verkümmert zum Naturlehrpfad, die unheimlichen Urgewalten eines Gewitters lassen sich als elektrische Entladungen erklären. Der moderne Mensch versucht nun, sein Angstdefizit durch künstlichen, in den Medien verbreiteten Schrecken auszugleichen.

"Live" dabei und in Sicherheit

Dieses Streben, die verloren gegangenen realen Ängste durch künstliche zu ersetzen, erklärt die Existenz von Schauer-, Kriminal- und Abenteuerromanen, sowie deren Ausläufer in Form von Presse, Film, Funk, Fernsehen und Internet. KritikerInnen wenden allerdings ein, dass es ja auch in unserer modernen Welt genug reale Ängste gibt - etwa vor Jobverlust, allgemeinem Versagen, Krankheiten und letztlich dem Tod. Müssen wir uns also tatsächlich noch zusätzlich auf "Angstsuche" in den Medien begeben? Ja, denn nur scheinbar paradoxerweise verhel-fen Medien so auch zu einem gewissen Sicherheitsgefühl. Gewalt bereitet in der Regel nämlich nur dann Lust, wenn RezipientInnen nicht selbst durch Gewalt bedroht werden, sondern sie deren sichere BeobachterInnen bleiben. Das erkannte schon der römische Dichter Lukrez, der in "De rerum natura" schreibt: "Angenehm ist es vom Ufer ein Schiff mit den Wellen kämpfen zu sehen, die es verschlingen wollen, oder an einem sicheren Orte Zuschauer einer wichtigen Schlacht zu sein." Gewalt betrifft die BeobachterInnen also nicht direkt, da diese entweder fiktiv ist und/oder nicht auf sie selbst, sondern auf Zweite und Dritte einwirkt. Das gilt für die von Lukrez genannten Beispiele ebenso wie heute für die genüssliche Betrachtung von Naturkatastrophen und Verbrechen im Fernsehen: Man ist "live" dabei, gleichzeitig in Sicherheit und kann sich immer damit trösten, dass es anderen noch viel schlechter geht als einem selbst. Diesem einfachen Schema folgend wird Gewalt noch lange auf dem Programm stehen.

Internet:
Aktuelle Forschungsergebnisse und umfassende Link-Sammlung zum Thema:
www.mediengewalt.de 
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Harald Kolerus (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180005 Medien, die wir hier breit als Mittel zur Verbreitung und Konservierung von Informationen definieren wollen, werden offensichtlich von Gewalt nahezu magnetisch angezogen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688180000 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179985 Mehr als tausend Worte Tag ein Tag aus werden die Menschen mit Bildern überflutet. Ihre Wirkung ist ebenso mächtig wie undurchschaubar. Während vor fünfhundert Jahren die Erfindung des Buchdrucks die Macht der Schrift begründete, haben heutzutage - durch neue Technologien wie das Internet - digitale Bilder weltweit eine ähnlich epochale Wende eingeleitet. Bilder sind Dokumente, festgehaltene Zeit, Kultur. Doch Bilder wecken auch Emotionen, sie lösen Mitleid, Erbarmen, Wut, Unverständnis aus. Einst wurden Katastrophen und deren Opfer erst im Nachhinein durch Bilder dokumentiert, das machte es einfacher, sie zu vergessen und zu verdrängen. Beinahe live wahrgenommene Ereignisse verstärken das Erinnern. Und das ist erst möglich, seit die Menschen die größten Katastrophen auf CNN oder online miterleben können. Die Menschen werden durch die Aufnahme und geistige Verarbeitung der Bilderflut zu Zeit- und AugenzeugInnen. Mittlerweile ist die Wirkungsmacht der Bilder im Kopf so stark, dass sie nicht mehr verdrängt werden kann.

Die Macht der Bilder

Gerade weil Bilder so viel Macht ausüben, versuchen PolitikerInnen immer wieder dieses Mittel für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und die Menschen so zu beeinflussen. Wie politisch konstruierter Medienschwindel funktioniert, zeigt der 1998 erschienene Spielfilm "Wag the Dog" mit Robert De Niro und Dustin Hoffmann. In diesem Film stellt sich kurz vor den Präsidentschaftswahlen heraus, dass sich der amtierende US-Präsident an einer Schülerin vergangen hat (oder haben könnte). Die Wahl ist nahezu unmöglich zu gewinnen, aber die SpitzenberaterInnen des Präsidenten haben eine Idee, um die Presse bis zur Wahl von der Affäre abzulenken. Sie inszenieren einen Krieg in Albanien und setzen auf Bilder, die Emotionen bei der Bevölkerung auslösen. Obwohl es sich um fiktive Spielfilmszenen handelt, wird anschaulich gezeigt, wie sogenannte "Spindoktoren" arbeiten. Der Film macht deutlich, welche technischen Möglichkeiten heute vorhanden sind, um einen politischen Schwindel in den Medien zu veröffentlichen und zu propagieren.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Es wird immer einfacher Bilder zu produzieren, aber auch zu manipulieren. Wir leben in einer Welt der Bilder. Bilder - vor allem Fotografien und Filme - sind in unserem Alltag allgegenwärtig und prägen unsere Wahrnehmung, sie brennen sich nachhaltig ins Gedächtnis ein. Flüchtlingstrecks am Ende eines Krieges, ein nacktes vietnamesisches Mädchen, das schreiend vor Angst auf einer Straße rennt, eine staubbedeckte Frau sucht nach dem Einsturz des ersten Zwillingsturmes Zuflucht in einem Bürogebäude - kaum haben wir das gelesen, stellt unser Gedächtnis das passende Bild dazu bereit. Wenn der Name einer berühmten oder berüchtigten Person fällt - ob Mutter Teresa oder Nelson Mandela, Saddam Hussein oder Josef Stalin - ist unser Bewusstsein sofort mit einem dieser Person zugeschriebenen Bild zur Stelle. Obwohl die meisten diesen Menschen nie begegnet sind, nicht einmal in ihre Nähe gelangt sind, glauben viele sie zu kennen, weil sie Fotografien gesehen haben, die nicht nur ihr Äußeres, sondern auch ihren Charakter eingefangen haben. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte - so heißt es. Aber Bilder sind nicht eindeutig und lassen viel Raum für Interpretationen. Dank moderner Medien lässt sich nur noch selten nachvollziehen, ob das Bild echt ist oder verändert wurde.

Bildmanipulationen 

Die Manipulationstechniken werden immer wieder verfeinert. Am häufigsten werden Bilder durch ihren Bildausschnitt, die Motivwahl, die Farbgebung und das Weglassen oder Hinzufügen von Bildteilen manipuliert. Aber auch Fotomontagen sind heutzutage sehr beliebt. Mithilfe des Computers gibt es unzählige Möglichkeiten der Bildmontage - oft wird aus zwei Bildern eines gemacht, ohne dass dieses als Fotomontage zu erkennen ist. Einige Bildmanipulationen haben sogar weltweit Schlagzeilen gemacht, auf der Website www.rhetorik.ch werden viele der verfälschten Bilder anschaulich dargestellt und erklärt, zum Beispiel:

  • Nicolas Sarkozy ist ein eitler Politiker. Der französische Präsident wurde beim Boot fahren mit nacktem Oberkörper fotografiert und eine Speckrolle am Bauch einfach wegretuschiert.
  • Während des zweiten Golfkrieges recherchierte der Reporter Brian Walski von der "Los Angeles Times" im südirakischen Basra und lieferte der Zeitung ein Bild: Ein Soldat der US-Army, inmitten einer großen Anzahl sitzender, kniender IrakerInnen, hält schreiend einen Mann, der ein anscheinend verletztes Kleinkind in den Armen trägt, vom Weitergehen ab. Das Foto erschien am 31. März 2003 auf der Frontseite der "LA Times". Nach der Publikation wurde aber bemerkt, dass einige der Personen zweimal im Bild auftauchen. Tatsächlich gab der Reporter zu, das Bild mittels Computer aus zwei Aufnahmen zusammengesetzt zu haben. Er wollte damit den Eindruck desselben verbessern. Journalistische Ethik verbietet aber die elektronische Veränderung von Bildern, und das war ein Grund für die Zeitung, Walski zu entlassen.

Eine Frage der Perspektive

Aber auch vor der Zeit der Computer wurden Bilder manipuliert, etwa während der Sowjet-Ära. Damals war anscheinend die Kunst der Bildübermalung sehr fortgeschritten. Ein Originalbild, das Wladimir Iljitsch Lenin mit Leo Trotzki zeigt, erschien nur mit Lenin. Die Bilddifferenz (die Bilder wurden leicht gedreht und verschoben, um eine bessere Übereinstimmung zu bekommen) zeigt, dass neben Trotzki noch drei andere Personen übermalt worden sind.
Wie die Wahl des Blickwinkels das "Bild" der BetrachterInnen zu beeinflussen vermag, kann anhand des Sturzes der Saddamstatue erklärt werden. Ein Blick von Weitem zeigt ein anderes Bild als die meist gesehenen Nahaufnahmen. Im Nachhinein sieht man, dass der Fall der Saddamstatue nicht so populär war und von einer großen Menschenmenge verfolgt wurde, wie es die Fernsehbilder zu vermitteln versuchten. Der Ort des Geschehens war sorgfältig abgeriegelt worden, nur wenige IrakerInnen waren dabei. Die Blickwinkeländerung hatte das verborgen. Solche Effekte sind oft bei Demonstrationen zu beobachten. Wenn der Blickwinkel stimmt, kann ein Grüppchen von Menschen als ein Großaufmarsch verkauft werden.
Auch die Überbelichtung ist zum Teil Bildmanipulation. Oft werden Bilder von Notizzetteln gemacht, bei denen jedoch das Geschriebene schwer zu entschlüsseln ist, also müssen die Fotos nachträglich überbelichtet werden, damit die Sätze auch wirklich lesbar sind.
Dass Bilder immer schon als Transportmittel von Botschaften und vor allem zur Beeinflussung genutzt wurden und werden, ist hinlänglich bekannt. Und trotzdem zweifeln die wenigsten ihre Objektivität an. Meistens werden sie als das genaue Abbild der Realität akzeptiert. Aber Bilder können lügen, genauso wie Wörter. Noch nie waren die Möglichkeiten der Bildbearbeitung so vielfältig, die Instrumente dazu so verbreitet und die Resultate so perfekt wie heute - im Zeitalter des Computers. Dank dem Bild ist man in einem Augenblick sofort mitten im Geschehen und glaubt informiert zu sein. Oft tritt eine naive Bildergläubigkeit auf, aber Bilder fördern nicht eine kritische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, sie verhindern sie eigentlich.

Gefasst erfassen

Gerade in diesen Zeiten sind JournalistInnen und FotografInnen sehr gefordert - vor allem, wenn es sich um Katastrophenbilder handelt. Eigentlich wäre es heutzutage wichtig, dass FotografInnen versuchen auch in schweren Momenten die Fassung zu bewahren, und so mit ihren Bildern nicht nur die Gefühlswelt des Publikums anzusprechen, sondern diesem auch die Möglichkeit zu bieten die Ereignisse zu fassen, bevor die Emotionen die Oberhand gewinnen. Aber auch das Publikum muss den richtigen Umgang mit Medien lernen, um Bilder zu durchschauen und zwischen den Zeilen lesen zu können. Denn nur so kann man sich eine eigene Meinung über das Geschehen bilden und komplexe Sachverhalte verstehen.

Internet:
Mehr Informationen unter:
www.rhetorik.ch 
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amela.muratovic@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Amela Muratović (Mitarbeiterin der ÖGB-Öffentlichkeitsarbeit) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179976 Gerade weil Bilder so viel Macht ausüben, versuchen PolitikerInnen dieses Mittel für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und die Menschen somit zu beeinflussen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179950 Oh du fröhliches Medien-Einerlei … Man kennt das Bild morgens in der U-Bahn: Alle lesen dasselbe und überall steht das Gleiche. Beispiel: Der Tod von Ludwig Hirsch. "Die Polizei geht von Selbstmord aus", stand in so gut wie allen Medien zunächst zu lesen. Einmal abgesehen davon, dass man sich selbst nicht ermorden kann und somit bestenfalls von Freitod sprechen sollte - hier war wohl eine Agenturmeldung übernommen worden, mal kürzer, mal etwas länger. Zumindest der Name der Nachrichtenagentur bürgt für Qualität - oder?

Woher kommen die Medieninhalte?

Twitter, Facebook, Blogs, Citizen journalism - ob Attentate in Norwegen oder arabischer Frühling: Social Media scheinen die Rolle der klassischen Medien übernommen zu haben, oder zumin-dest die der InformationslieferantInnen. Irgendjemand ist immer am Ort des Geschehens.
Anders als bei klassischer Recherche lassen sich solche Inhalte jedoch selten überprüfen, vor allem nicht in "Echtzeit", in der viele Menschen heute Informationen erwarten. Ein anonymer Mensch hat ein Video einer ebenso anonymen Person aufgenommen und es ins Internet gestellt. Klassische Medien übernehmen den Film mangels anderer Quellen - und stellen manches Mal erst später fest, wie falsch oder zumindest ungenau die ursprüngliche Information war.
Ein Beispiel: Das Handy-Video vom gewaltsamen Tod der Iranerin Neda Agha-Soltan ging am 21. Juni 2009 um die Welt und machte die junge Frau zu einer Symbolfigur der Grünen Revolution. Überprüfen ließ sich die Echtheit des Videos allerdings wegen der Beschränkungen für die Berichterstattung nicht, etwa was die anwesenden anderen Personen im Film betraf. Trotzdem wurde er in vielen Medien gezeigt …

Seriöse Informationsbeschaffung

Journalistische Sorgfalt sieht anders aus: Informationen werden aus mehreren Quellen eingeholt und überprüft, widerstreitende Auskünfte gegengecheckt. Quellen legt man offen (sofern man damit niemandem schadet, etwa in einer Diktatur). Meinung und Bericht werden getrennt und gekennzeichnet, ebenso entgeltliche Einschaltungen; in laufenden Strafverfahren gilt die Unschuldsvermutung, statt die Verdächtige oder den Verdächtigen vorab zu verurteilen. Eine Vorgangsweise, die sich heute vielfach "überholt" hat, wo Recherche by Google Standard in vielen Redaktionen ist - Zeitdruck und Budgetknappheit sei Dank.
Und wer entdeckt schon Fehler? Als in Deutschland Guttenberg (vollständiger Name: Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg) Minister wurde, schummelte ein Anonymus einen zehnten Vornamen - Wilhelm - in den Wikipedia-Eintrag des blaublütigen Politikers. So gut wie alle Medien schrieben davon ab und entschuldigten sich für die Falschinformation später mehr oder weniger elegant …
Eine Frage des Vertrauens
Was ist wahr, was ist falsch? Wie sollen kritische KonsumentInnen das überprüfen? Wenn überall das Gleiche steht, spricht das doch für dessen Wahrheitsgehalt - oder nicht?
Medienkonsum ist eine Frage des Vertrauens, und das stellt ein strukturelles Problem der Medienwelt dar, erläutert Kommunikationswissenschafter Josef Trappel von der Universität Salzburg. Medien sind, anders als etwa Autos, Vertrauensgüter. Den KonsumentInnen bleibt meist nicht viel anderes übrig, als dargebotenen Berichten mehr oder weniger blind zu vertrauen, schließlich fehlt ihnen fast immer die Möglichkeit, eine Story zu überprüfen - außer sie befinden sich am Ort des Geschehens oder sind selbst JournalistInnen oder WissenschafterInnen. In diesem Prozess wird die Marke eines Mediums zur alles entscheidenden Frage. Qualitätszeitungen wie "Die Presse" stehen mit ihrem guten Namen für objektiven Journalismus, sagt Trappel: "Wer sagt aber, dass nicht auch dort die besten JournalistInnen aus Spargründen gehen mussten?"

Eigentümer-Vielfalt

Grundsätzlich beobachtet Trappel, dass es immer weniger Vielfalt unter Medieneigentümern gibt - die Konzentration nimmt stetig zu. Dabei gibt es aber, bezogen auf Österreich, einige Unterschiede: Stellt sich die Situation auf nationaler Ebene mit fünf Tageszeitungen, dem ORF und privaten Radio- und Fernsehprogrammen noch als hinreichend vielfältig dar, so ist dies auf regionaler Ebene anders. Hier gehören immer mehr Medien immer weniger Eigentümern. Beispiel: das Vorarlberger Medienhaus (tinyurl.com/7u5oeq6), zu dem über 60 Zeitungen, zahlreiche Internet-Portale und Radiosender in Österreich, Ungarn und Rumänien gehören. Als andere Vorarlberg-Quellen bleiben nur die regionalen Angebote des ORF. Ähnlich stellt sich die Medienkonzentration in Oberösterreich, Salzburg, Tirol oder der Steiermark dar.
Damit gibt es hierzulande weniger Eigentümer-Vielfalt als in gleich großen Ländern wie der Schweiz oder in Skandinavien. In Deutschland ist eine große Bandbreite an Eigentümern vorhanden; sogar im Bundesland Bayern, das größenmäßig mit Österreich vergleichbar wäre, herrscht mehr Vielfalt in Bezug auf die Eigentümer-Strukturen. Josef Trappel: "Das Medien-Geschäft belohnt Marktkonzentration. Je höher eine Auflage ist, umso billiger sind die Stückkosten; je mehr Menschen eine Fernsehsendung konsumieren, umso billiger werden die Produktionskosten pro ZuschauerIn."
Medienunternehmer wie Silvio Berlusconi oder Rupert Murdoch wollen ihren Einfluss ausweiten, etwa in politischer Hinsicht. Auch im wirtschaftlichen Bereich gibt es Bestrebungen, die öffentliche Meinung durch Medieneigentum für sich zu gewinnen. So investieren in Frankreich auch Unternehmen aus der Rüstungsbranche in Medien, um Einfluss zu bekommen.
Der Übergang zwischen Berichterstattung, Einflussnahme und Propaganda ist hier wohl fließend … "Wes’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing", soll schon Walther von der Vogelweide gesagt haben.

Medien verstehen - kritisch nutzen

Kritische MedienkonsumentInnen sind hier gefragt. Die Kenntnis darüber, wie Medien funktionieren, hilft zu erkennen, dass nicht alles wahr ist, nur weil es so in der Zeitung steht …
Doch Medienbildung in der Schule ist in Österreich nach wie vor ein Minderheitenprogramm und hängt laut Stadtschulrat vom Engagement der individuellen Schule ab. So steht zwar im AHS-Lehrplan: "Innovative Technologien der Information und Kommunikation sowie die Massenmedien dringen immer stärker in alle Lebensbereiche vor. (…) Im Rahmen des Unterrichts ist diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen und das didaktische Potenzial der Informationstechnologien bei gleichzeitiger kritischer rationaler Auseinandersetzung mit deren Wirkungsmechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen."

Medienbildung nicht im Lehrplan

Doch wie diese Vorgabe umzusetzen ist, bleibt offen. Ein eigenes Fach Medienbildung ist in den Lehrplänen des Unterrichtsministeriums nicht aufgeführt. Somit hängt es von den Lehrkräften ab, inwieweit sie Medienbildung etwa als Teil der politischen Bildung, der bildnerischen Erziehung oder des Deutschunterrichts einsetzen. Daneben gibt es aber auch Schulen mit Medien- und Informatikschwerpunkt.
Dabei heißt es im Hauptschul-Lehrplan so schön: "(…) ist die Bereitschaft zum selbstständigen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern." Schön wäre es …

Internet:
Österreichs Medienwelt von A bis Z:
www.diemedien.at 
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Anni Bürkl (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179926 Der Übergang zwischen Berichterstattung, Einflussnahme und Propaganda ist hier wohl fließend … "Wes’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing", soll schon Walther von der Vogelweide gesagt haben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179937 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179891 Worte die töten können Beschäftigte der Medienbranche sind Gatekeeper - so etwas wie TorwächterInnen - im modernen Nachrichtenüberfluss. Nur ein Bruchteil der Nachrichten schafft es tatsächlich in traditionelle Medien wie Zeitung (online oder analog), Fernsehen oder Radio. Unzählige OTS-Meldungen (Originaltext-Service) beispielsweise von Firmen, Parteien oder Institutionen, Presseagenturmeldungen - wie etwa jene der APA (Austria Presse Agentur), Polizeimeldungen und selbst recherchierte Geschichten erreichen täglich die Redaktionen. Damit nicht jede Tageszeitung den Umfang eines Telefonbuchs hat, müssen all die Meldungen gefiltert werden. RezipientInnenzeit ist ein knappes Gut - und damit fängt das Dilemma an.

Vernichtung versus Aufklärung

Allein die Auswahl der Nachrichten ist natürlich ein ungeheurer Machtfaktor. Die Verantwortung der Medien gegenüber der Gesellschaft wird auch darin deutlich, dass diese als "Vierte Gewalt" bezeichnet werden (neben Gesetzgebung - Legislative, Vollziehung - Exekutive und Gerichtsbarkeit - Judikative). Ohne Zweifel ist das Potenzial zu Aufklärung und Aufdeckung oder zur Weckung von tieferem Verständnis und Toleranz vorhanden. Das Potenzial zu Bashing, Hetze, Krisenbeschwörung und der Vorführung eines sogenannten Bauernopfers ebenso. Dazu sind nicht einmal handfeste Lügen notwendig, schon mit einseitiger oder schlampiger Recherche ist der moderne Pranger nicht weit.

Die Wahrheit ist relativ

"Das habe ich in der Zeitung gelesen" ist für viele Menschen gleichbedeutend mit der Wahrheit. Insofern nehmen Medien Einfluss auf so ziemlich alles. Zwei Beispiele:

  • Je nach Berichterstattung fühlen wir uns schuldig, wenn wir nicht zur Grippeimpfung gehen - oder wir halten die Grippeimpfung für eine reine Placebo-Übung.
  • Tagelang geistert durch die Medien, das Triple-A-Rating Österreichs sei in Gefahr, und schon spielt die Wirtschaft verrückt.

Hier wird deutlich, dass allein durch verstärkte Lancierung bestimmter Zitate dermaßen für Stimmung gesorgt werden kann, dass es zu weitreichenden Auswirkungen kommt. Aufgrund dieser Gewichtigkeit für das gesellschaftliche Wohlbefinden darf für die Medienzunft etwas mit dem hippokratischen Eid der Ärzteschaft Vergleichbares nicht fehlen. Daher gibt es den sogenannten Pressekodex - einen Ehrenkodex für JournalistInnen, der Verhaltensnormen regelt. Dieser weist je nach Land Unterschiede auf. Im Grunde enthält er recht einleuchtende Regeln, die normale MedienkonsumentInnen vermutlich ohnehin vertrauensvoll voraussetzen. Gängige journalistische Grundregeln sind beispielsweise:

  • Transparenz: Werbung, Kommentare, Berichte etc. müssen klar unterschieden werden.
  • Quelle/Genauigkeit: Mindestens zwei voneinander unabhängige Quellen sind nötig (d. h. jede erhaltene Information sollte eigentlich von der Journalistin/dem Journalisten nochmals überprüft werden). Insbesondere in Konfliktbereichen müssen die Stellungnahmen aller Beteiligten berücksichtigt und korrekt wiedergegeben werden. Unbestätigte Meldungen oder Gerüchte müssen entsprechend erkennbar sein.
  • Unangemessene sensationelle Darstellungen von Gewalt und Brutalität sollen vermieden werden.
  • Falschmeldungen müssen nachträglich richtig gestellt werden.
  • Recherche darf nicht mit unlauteren Methoden erfolgen (z. B. eingeschaltetes Diktiergerät ohne ausdrückliche Zustimmung) oder von Außenstehenden beeinflusst werden (z. B. WerbekundInnen).
  • Öffentliches Interesse ist abzuwägen - insbesondere auch im Bereich von Persönlichkeitsschutz. Intimsphäre muss gewahrt sein. Es soll keine persönliche Diffamierung, Pauschalverdächtigung oder Verunglimpfungen, Diskriminierung etc. geben.

Kritische Distanz zum Thema, d. h. JournalistInnen sollten so neutral wie möglich sein.

"Eine gemütliche Watschn …"

"Sind wir gescheit, bleiben wir blöd", und "Jeder Satz muss sein wie eine Watschen, aber eine gemütliche." So soll einst der mächtigste Medienmacher Österreichs seine RedakteurInnen angewiesen haben. Bei solchen Sätzen staunt der Laie und der Fachmann wundert sich - aber nur auf den ersten Blick - bei genauerem Hinschauen werden sie schnell verständlich: Es ist ein nicht leicht zu schaffender Spagat zwischen seriöser Berichterstattung und Massentauglichkeit. Komplexe Inhalte verständlich herunterzubrechen - und das auf beschränktem Seitenplatz oder in kürzester Sendezeit - ist freilich eine intellektuelle Meisterleistung. Keine Frage: Es gibt die JournalistInnen, die diese Aufgabe tapfer übernehmen. Dass davon im Kampf um die Quote oder Auflagenstärke ("Only bad news are good news") so einiges auf der Strecke bleibt, zeigt dennoch die Praxis. Dazu kommen die häufig doch recht narzistischen ChefredakteurInnen und die Eigentümerverhältnisse der Verlagshäuser, die Richtungen vorgeben. Das Ergebnis ist, dass beinahe eine Medienkompetenz auf wissenschaftlichem Niveau notwendig ist, um die medial servierten Nachrichten im Kontext richtig einschätzen zu können.
Regelmäßig werden ganze Berufsgruppen für unfähig und dumm befunden. In letzter Zeit ist es vor allem die Kompetenz von PolitikerInnen, die ins Visier der Medien geraten ist. Es ist gut, dass Medien kritisch berichten, besonders auch über PoltikerInnen - Stichwort "Vierte Gewalt". Aber wie reflektiert ist die kritische Berichterstattung nach oben genannten journalistischen Kriterien? Wenn stur und konsequent auf einzelne Personen eingeprügelt wird, beschweren sich Betroffene zu Recht über PolitikerInnenbashing (Bashing: heftige öffentliche Beschimpfung). Auch wenn es zugegebenermaßen den Medien manchmal leicht gemacht wird, ist es aber dennoch weder ein Zeichen von intelligentem noch von seriösem Journalismus, wenn mit primitiver Stimmungsmache gearbeitet wird. Kritisieren ist einfach, es besser machen umso schwerer. Es wäre ein schöner Anfang, wenn die selbsternannten ExpertInnen diverser Medien, die so manchen substanzlosen Beitrag in diese und jene Richtung abfeuern, ihr Geschriebenes einer selbstkritischen Prüfung in Bezug auf die eigene Integrität und Seriosität unterziehen würden.

Wörter sind potenziell Waffen

Auch bei strikter Trennung von "objektiver" (z. B. Bericht) und "subjektiver" (z. B. Kommentar) Darstellungsform kann allein durch die Wahl der Sprache eine vermeintlich objektive Nachricht eine unterschwellig kommentierende Wirkung haben. Die Wahl der Worte - "Wörter sind potenziell Waffen" - zeigt deutlich, wie stark Begriffe wirken: Mit Waffe wird gemeinhin Gefahr assoziiert, was bei den meisten Menschen bestimmte Emotionen auslöst. In diesem Beispiel ist die beeinflussende Wirkung leicht durchschaubar, in der Praxis allerdings werden kommentierende Akzente meist subtiler eingesetzt: Ein aufmerksamer Blick in einschlägige Boulevardzeitungen zeigt, dass stark emotional besetzte Worte im - eigentlich objektiven - Nachrichtenteil erstaunlich ungeniert eingesetzt werden. Doch mit etwas Medienkompetenz sind schnell in allen anderen Mediengenres solch wertende, teils gut versteckte, kommentierend wirkende Worte eingesetzt. Es ist ein Unterschied, ob von "Verlusten" oder "Negativwachstum", ob von einer "Lüge" oder einem "Missverständnis" die Rede ist. Sicherlich ist es schwierig Worte zu finden, die nicht bedeutungsschwanger sind, und objektiv genug, im Sinne von seriösem Journalismus eingesetzt werden zu können. Auch dieser Text ist vollgepackt mit kommentierender Sprache, da viele der verwendeten Vokabeln emotional besetzt sind. Zum Selbsttest ist der/die geschätzte LeserIn eingeladen, diese kommentierenden Worte rot anzustreichen, um sie einmal sichtbar zu machen.

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Elke Radhuber (Mitarbeiterin im Büro des ÖGB-Präsidenten) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179879 Ein aufmerksamer Blick in einschlägige Boulevardzeitungen zeigt, dass stark emotional besetzte Worte im - eigentlich objektiven - Nachrichtenteil erstaunlich ungeniert eingesetzt werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179863 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179786 Enormer Sanierungsbedarf UnternehmerInnen sind keine SamariterInnen. In der Regel wollen sie Umsätze machen und steigern. Dazu brauchen sie fähige und willige MitarbeiterInnen. Für Medienhäuser und Verlage gilt das genauso. Wäre da nicht eine große Ungleichheit: Freie JournalistInnen übernehmen als freie DienstnehmerInnen die gleiche Arbeit wie ihre angestellten KollegInnen. Keine Redaktion kommt ohne sie aus. Und kaum eine/r der betroffenen Freien muckt auf, sondern sie haben lieber den Spatz in der Hand als die Taube am Dach.

Häufig Umgehungsverträge

"Wir führen zwar ständig Verfahren bezüglich Feststellung von echten Angestelltendienstverhältnissen, die auch fast immer in unserem Sinne entschieden werden, was aber noch nicht zu einer generellen Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Branche geführt hat", erläutert Edgar Wolf, Regionalsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) für Wien. "Umgehungsverträge sind leider nach wie vor an der Tagesordnung", genauso wie Ausgliederungen und Umstrukturierungen zwecks Flucht aus bestimmten Kollektivverträgen. "Was die sozial- und arbeitsrechtliche Absicherung der Beschäftigten im Bereich Medien/Kommunikation betrifft, herrscht weiterhin enormer Sanierungsbedarf. Weder die Arbeitsbedingungen, noch die Honorare der freien JournalistInnen sind bestens - das war einmal."
Es gibt schlimme AutofahrerInnen oder Kinder, die sich erst an die Regeln halten, wenn man ihnen auf die Finger klopft und Strafen androht. Ähnlich ist das Verhaltensmuster im österreichischen Journalismus, wo der Anteil der Freien - je nach Medium - bis zur Hälfte gestiegen ist und wo die Freien vollwertige Arbeit leisten: Die Betriebe werden von sich aus kaum tätig. Sondern in der Regel passiert nur etwas, wenn die Gewerkschaft und die Krankenkasse Druck machen und einzelne Dienstverhältnisse überprüfen, bestätigt GPA-djp-Vertreter Edgar Wolf. Illegale Arbeitssituationen werden dann erst sukzessive saniert, meist - aufgrund von Nachzahlungen - zuungunsten der Betriebe, anstatt dass sie die Situationen selbst bereinigen.
In der Redaktion der Austria Presse Agentur (APA) wurden seit 2010 nicht weniger als 60 freie MitarbeiterInnen angestellt, mehr als ein Drittel der journalistischen Belegschaft. Die Betriebsratsvorsitzende Andrea Tretter spricht von einem "zukunftsfähigen" Ergebnis. Und sie erinnert sich an ein "ziemlich kräftezehrendes Prozedere" zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat. Aufgrund "äußerer Rahmenbedingungen", so Tretter, wurde klar, dass eine Anstellung der Freien unumgänglich geworden war. Mit dem Argument, dass das System der freien MitarbeiterInnen nicht haltbar sei, hätten diese ursprünglich in eine ausgelagerte Tochtergesellschaft übernommen werden sollen, so die Idee der Geschäftsführung. Gerne wäre die Unternehmensleitung damit auch gleich in den für sie günstigeren Kollektivvertrag (KV) für das Gewerbe ausgewichen. Doch in der APA wird der für JournalistInnen wesentlich bessere KV für Tageszeitungen angewendet, der u. a. auch Fragen des InformantInnenschutzes oder des Urheberrechts regelt (die Genossenschaftsanteile der Nachrichtenagentur sind im Besitz der österreichischen Tageszeitungen und des ORF).

Einzigartige Solidarität

Eine Flucht in den Gewerbe-KV lehnten die zahlreichen freien DienstnehmerInnen ebenso wie die angestellten RedakteurInnen denn auch ab. Mehr noch: Angestellte und Freie solidarisierten sich und sprachen sich im Jahr 2009 in einer geheimen Abstimmung zu 93 Prozent sogar für "Maßnahmen des Arbeitskampfes" aus. Diese Solidarität der MitarbeiterInnen ist wohl einzigartig in der österreichischen Medienbranche. Dass der Missbrauch von freien Dienstnehmerverträgen in Österreich immer mehr an die Öffentlichkeit drang, sei eine große Hilfe gewesen, "dass das Ding ins Rollen geriet", sagt Andrea Tretter rückblickend. Natürlich auch dank Unterstützung der GPA-djp.
Denn der Betriebsrat erreichte, dass für die seit dem Vorjahr neu angestellten RedakteurInnen der KV für Tageszeitungen beibehalten wird. Für sie gilt allerdings eine andere Gehaltstabelle, die kostengünstiger für den Arbeitgeber ist. "Dass die KollegInnen weniger verdienen, war starker Tobak", so Andrea Tretter. "Es ging um eine Abflachung der Gehaltskurve bei den älteren MitarbeiterInnen." Dafür wurden zur Vorrückung in den Gehaltsstufen sogenannte "booster" eingebaut, die die Ausbil-dung und bisherige Funktion stärker berücksichtigen. So steigen zum Bei-spiel AbsolventInnen eines Wirtschaftsstudiums als WirtschaftsredakteurInnen schneller in der Gehaltskurve als AbsolventInnen eines geisteswissenschaftlichen Studiums in dieser Tätigkeit.

Mut und Durchhaltevermögen

"Unser Ziel war, die Sache im Haus und am Verhandlungstisch zu lösen", resümiert Betriebsrätin Tretter. "Man kann etwas verändern, wenn man sich zusammenschließt. Aber es braucht Mut und Durchhaltevermögen." Schließlich habe man auf die ungleiche Behandlung lange Jahre hingewiesen, nun sei das problematische Thema "freie MitarbeiterInnen" in der APA durchaus zufriedenstellend gelöst. Im Wirtschaftsverlag dürfte man hingegen noch nicht bei einer zufriedenstellenden Lösung für die Redaktion angekommen sein, auch wenn im Laufe des Jahres ebenfalls eine Handvoll ständig freier MitarbeiterInnen angestellt worden ist. Der Verlag gehört zur Mediengruppe Süddeutscher Verlag, gibt wirtschaftsnahe Fachzeitschriften für Unternehmen (u. a. "die wirtschaft", "Gastro-Zeitung") heraus - und befindet sich gerade in einer Phase der Umstrukturierung. Hinter dem schönen Wort verbirgt sich meist, dass - wie derzeit in fast allen Branchen - Stellen gestrichen werden sollen. Was das für die rund zwei Dutzend RedakteurInnen bedeutet, mag in der Redaktion noch niemand offiziell einschätzen. Auf die ArbeitnehmerInnen-VertreterInnen dürfte aber noch eine harte Zeit zukommen.
Jahrelang für die Anstellung der freiberuflichen KollegInnen in der Steiermark und in Kärnten habe man auch bei der "Kleinen Zeitung" gekämpft, berichtet Claudia Gigler. "Ein Fenster hat sich im Sommer 2010 aufgetan." Die Geschäftsführung sei an die Chefredaktion mit dem Wunsch herangetreten, ein "Arbeitszeitzuckerl aus der Vergangenheit" zur Regelung der Feiertagsdienste abzuschaffen. Im Gegenzug sagte man den Freien zu, sie würden alle bis zum Jahr 2012 angestellt. Zugegebenermaßen sei "eine Anstellungszusage auf lange Zeit nicht so einfach", so Betriebsrätin Gigler. Es habe des "goodwill" von allen drei Seiten - der Geschäftsführung, der Chefredaktion und des Betriebsrates - bedurft, dass innerhalb von drei Jahren 24 KollegInnen sukzessive angestellt werden können. Aber der Zustand sei noch nicht zufriedenstellend, meint Andreas Katzinger, Regionalsekretär der GPA-djp in der Steiermark. Dass immer wieder freie DienstnehmerInnen, oft jüngeren Alters, de facto wie Angestellte arbeiten, sei selbst für die Gewerkschaften ein Spagat: Wer auf eine Anstellung pocht, riskiert, dass auch die Tätigkeit - und damit die Bezahlung - als Freier flöten gehen. "Dann hole ich mir einen anderen jungen Freien", mit dieser erpresserischen Argumentation spielen die ArbeitgeberInnen, so Katzinger. Ein eklatanter Widerspruch ist freilich auch, dass ausgerechnet viele VertreterInnen der sogenannten "vierten Macht" im Staat permanent um ihre Ansprüche fürchten müssen.

Internet:
Das GPA-djp-Netzwerk für Menschen mit Werkvertrag, freiem Dienstvertrag und "neue Selbstständige":
tinyurl.com/62fbgeq
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Info&News
Tipp:
Das 92-seitige "Handbuch für freie JournalistInnen", herausgegeben von der GPA-djp und der Interessengemeinschaft work@flex, informiert freie DienstnehmerInnen und WerkvertragsnehmerInnen über Fragen zu echtem und freiem Dienstvertrag, neuen Selbstständigen, Sozialversicherungs-Beiträge, Krankengeld, Steuerrecht, Urheberrecht sowie Mindeststandards durch kollektive Vereinbarungen. Das Handbuch kann im Internet gratis heruntergeladen werden.
tinyurl.com/6tgdgma

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Heike Hausensteiner (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179643 Es gibt schlimme AutofahrerInnen oder Kinder, die sich erst an die Regeln halten, wenn man ihnen auf die Finger klopft und Strafen androht. Ähnlich ist das Verhaltensmuster im österreichischen Journalismus. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179612 Piraten und Beiräte Die Radio-Technologie war 1924 so brandneu wie 1994 das Handy. Das Management der ersten österreichischen Rundfunkanstalt, der RAVAG, stand in enger Beziehung zu den rechten Koalitionsregierungen. Deshalb formierte sich schon bevor die RAVAG erstmals auf Sendung ging der Widerstand in der sozialdemokratischen und kommunistischen ArbeiterInnenbewegung. Der sozialdemokratische Freie Radiobund (später Arbeiter-Radiobund Österreichs) forderte als Gegengewicht eigene "Arbeitersender", hatte aber keine Chance, dafür Frequenzen zugesprochen zu bekommen. So sendeten die linken Parteien, der sozialdemokratische Republikanische Schutzbund, aber auch die freien Gewerkschaften von 1925 bis 1932 illegal ihre Programme. Der Ausbau des sozialdemokratischen Netzes an Piratensendern, das alle Bundesländer umfasste, wurde von der Arbeiterbank und den Arbeiterkammern finanziert. Ab 1928 gab es einen regelmäßigen geheimen Sendedienst, der zweimal wöchentlich je drei Stunden sendete. Insgesamt existierten 13 geheime Sendeanlagen: in Wien - wo auch die Zentrale war, Linz, Salzburg, Klagenfurt, Villach, Innsbruck, Bregenz, Ried im Innkreis, Bad Ischl, Knittelfeld, Leoben, Bruck an der Mur und Selzthal.
Gleichzeitig reklamierte die sozialdemokratische Opposition aber auch Sendezeit in der RAVAG für sich und versuchte dort, auf die Programmgestaltung doch etwas Einfluss zu nehmen. Der Radiobund war im Programmbeirat vertreten und setzte eine von der Arbeiterkammer gestaltete halbstündige Sendung pro Woche durch. Das waren die Vorläufer der in der Zweiten Republik über Jahrzehnte üblichen "Belangsendungen" der Interessenvertretungen, für die gratis Sendezeit zur Verfügung gestellt wurde. Damit hatten auch der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer regelmäßig Zugang zum Medium Radio.
In der Ersten Republik erreichte Käthe Leichter, die Leiterin der AK-Frauenabteilung in Wien, dass die wöchentliche  Sendezeit einmal im Monat für Frauenanliegen zur Verfügung stand. Sie ließ in dieser Sendung Gewerkschafterinnen über ihre Probleme in der Arbeitswelt berichten, - Frauen ohne jede Medienerfahrung. Eine von ihnen erinnerte sich später:
Sie überraschte mich eines Morgens … mit der Erklärung, dass sie mich für den nächsten Radiovortrag in der "Stunde der Arbeiterkammer" über ein Problem der arbeitenden Frau in Aussicht genommen habe. Ich möge mich für ein Thema entscheiden, wofür mir eine Woche Frist bleibe. Ich war zutiefst bestürzt, denn ich bezweifelte meine Fähigkeit, diese Aufgabe und die in mich gesetzte Erwartung erfüllen zu können. Ich hoffte, mich drücken zu können, aber das war bei Käthe Leichter unmöglich. Täglich wurde mir die Frage serviert: "Wo ist das Manuskript?" ...
Beim Ablesen im Studio in der RAVAG dachte ich nicht an die vielen Hörer, sondern mit Herzklopfen an Käthe Leichter, dass ich sie nicht blamieren dürfe. Und so erreichte ich sogar ein Lob in der Presse, die damals nicht immer sehr freundlich zu den Sendungen der Arbeiterkammer Stellung nahm …

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Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179563 Im Mai 1924 informierte die Arbeiterkammer über das neue Medium, hier das Foto-Dokument über die AK-Veranstaltung "Modernes Broadcasting" in der Wiener Urania. Die ersten HörerInnen mussten ja ihre Empfänger selbst basteln. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179446 Arbeiterkammer: Spenden auf Nummer sicher Besonders jetzt werden für karitative Zwecke Spenden gesammelt. Doch Vorsicht: Dahinter können sich auch unseriöse Vereinigungen verbergen! Wer sich jedoch am Spendengütesiegel orientiert, geht auf Nummer sicher, rät die AK.
Winterzeit ist Spendenzeit, das wissen auch unseriöse Sammler. Nur das Spendengütesiegel ist der Garant dafür, dass das Geld auch tatsächlich einem guten Zweck zugute kommt. Das Gütesiegel erhalten nur jene Organisationen, die sich regelmäßig einer freiwilligen Kontrolle durch unabhängige WirtschaftsprüferInnen unterwerfen.
Die Strategien der Spendenvereinigungen reichen von Angeboten zu Mitgliedschaften bis hin zu Bargeldsammlungen vor Ort. Bei einer sogenannten Fördermitgliedschaft verpflichten sich die SpenderInnen zu einer wiederkehrenden Spendenleistung und erteilen gleichzeitig eine Einzugsermächtigung für die Spende bei ihrer Bank. Die Sammlung von Bargeld ist nur mit einer Bewilligung der zuständigen Behörde zulässig. "Deshalb immer den Ausweis der Behörde zeigen lassen, auf dem der Veranstalter und Zweck der Sammlung ersichtlich ist", raten die AK-KonsumentenschützerInnen.
Wer also sicher sein will, dass seine Spende auch wirklich den guten Zweck erfüllt, sollte sich erkundigen, ob es sich um seriöse AnbieterInnen mit Spendengütesiegel handelt. Informationen über entsprechende Non-Profit-Organisationen gibt es unter www.osgs.at.
Eine Einzugsermächtigung kann innerhalb von acht Wochen widerrufen werden.
Spenden für karitative Einrichtungen können als Sonderausgaben von der Steuer abgesetzt werden. Ab 2012 sind auch Spenden für Tierschutz- und Umweltorganisationen sowie an Freiwillige Feuerwehren steuerlich begünstigt.
Nähere Informationen unter:
www.bmf.gv.at


 

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Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179438 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179429 GPA-djp: Streikbeschluss in Druckerbranche "Sollten die Gespräche", die uns der Verband Druck & Medientechnik zum gekündigten grafischen Kollektivvertrag bzw. den Lohn- und Gehaltsverhandlungen angeboten hat, scheitern, werden gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen - bis hin zum Streik - eingeleitet."
Dieser Beschluss wurde bei der am 5. Dezember 2011 in Wien abgehaltenen BetriebsrätInnen-Konferenz von den rund 140 anwesenden FunktionärInnen des grafischen Gewerbes einstimmig getroffen.
Der Arbeitgeberverband hat ja den Kollektivvertrag zum 31. März 2011 gekündigt und will die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen der rund 10.500 Beschäftigten in den österreichischen Druckereien wesentlich verschlechtern.
Das werden wir nicht zulassen, wir wollen weiterhin einen qualitativ hochwertigen Kollektivvertrag für alle Beschäftigten der Druckerbranche.

Wir fordern:

  • Den Abschluss eines neuen Kollektivvertrags in guter Qualität,
  • Rechtssicherheit für die Beschäftigten,
  • faire Lohn- und Gehaltsabschlüsse.

Sollten die von den ArbeitgeberInnen angebotenen Gespräche scheitern, werden gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen - bis hin zum Streik - eingeleitet.
Ein erstes Gespräch zum Kollektivvertrag wurde für den 11. Jänner 2012 vereinbart. In der Zeit vom 13. Dezember 2011 bis 13. Jänner 2012 finden in allen grafischen Betrieben weitere Betriebsversammlungen statt.
In diesen Versammlungen wird die betriebliche Umsetzung des in der BetriebsrätInnen-Konferenz gefassten Streikbeschlusses fixiert.
Weitere Informationen unter:
www.gpa-djp.at/grafischerkv

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Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179423 Arbeiterkammer: Ein Le(e.h)rstuhl für Käthe Leichter Cornelia Mittendorfer holt mit ihrem Kunstprojekt Käthe Leichter in die Gegenwart. Nach dem Auftakt bei dem Fahnenprojekt im Semperdepot im März 2011, bei dem sich Mittendorfer mit der Auslöschung Käthe Leichters als Jüdin beschäftigt hat, wird nun das Herzstück ihrer Arbeit gezeigt:
Die Künstlerin schafft mit ihrer Lehrstuhl-Installation einen tatsächlichen und gedanklichen Raum, um über Käthe Leichters Arbeit heute nachzudenken. Sie nimmt dabei vor allem Leichters wissenschaftliche Seite ins Visier: Ein für diese frühe Sozialwissenschaftlerin entworfener Tisch und Stuhl sind mit ihrer wohl wichtigsten Arbeit überzogen, dem Handbuch der Frauenarbeit in Österreich aus dem Jahr 1930. Auf diesem sinnbildlichen Lehrstuhl, den Käthe Leichter nie bekommen hat, kann tatsächlich in den bahnbrechenden Untersuchungen dieses Frauenhandbuchs gelesen werden.
Käthe Leichter (geboren 1895 in Wien und 1942 aufgrund ihrer jüdischen Herkunft ermordet) war Sozialwissenschaftlerin, Sozialpolitikerin, Gewerkschafterin und Redakteurin der "Arbeit&Wirtschaft". Sie war Leiterin des ersten Referats für Frauenfragen in der Arbeiterkammer Wien und Autorin bahnbrechender Arbeiten in der Sozialforschung.

Ein Le(e.h)rstuhl für Käthe Leichter  ist ein Kunstprojekt in vier Teilen.

  • Zeit: 7. Dezember 2011 bis 20. Jänner 2012, Montag bis Freitag: 10.00 bis 19.30 Uhr
  • Ort: Bibliothek der Arbeiterkammer Wien, Prinz-Eugen-Straße 20-22, 1040 Wien

Mehr Informationen unter:
tinyurl.com/bp24tbu 

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Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179418 GPA-djp: KV: plus 3,5 Prozent Die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) und dem Österreichischen Zeitschriften- und Fachmedienverband (ÖZV) über den neuen Kollektivvertrag für die kaufmännischen Angestellten bei Zeitschriftenverlagen wurden kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe der "Arbeit&Wirtschaft" abgeschlossen: Die Gehälter der rund 2.000 Angestellten steigen mit 1. Jänner 2012 um 3,5 Prozent.
Bestehende Überzahlungen bleiben aufrecht. Einen Artikel zum aktuellen Stand der KV-Verhandlungen für JournalistInnen lesen Sie auf Seite 32.
Außerdem haben sich die Verhandlungspartner darauf geeinigt, dass für Karenzen, die ab Jahresbeginn 2012 angetreten werden, bis zu zwölf Monate für die Vorrückung in der Gehaltstabelle, für die Bemessung der Kündigungsfrist sowie für die Dauer der Entgeltfortzahlung und des Urlaubsanspruchs angerechnet werden.
"Mit dem Verhandlungsergebnis ist es gelungen, deutlich über der Jahresinflation abzuschließen. Von der Anrechnung der Karenzzeiten für die Vorrückung profitieren überwiegend Frauen nach der Karenz", zeigt sich GPA-djp-Wirtschaftsbereichssekretärin Judith Reitstätter zufrieden mit der Einigung. Der neue Kollektivvertrag tritt am 1. Jänner 2012 in Kraft, die Laufzeit beträgt zwölf Monate.
Mehr Infos unter:
www.gpa-djp.at

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Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179380 Zukunft der österreichischen Medien Die "Zukunft der österreichischen Medien"  war Thema einer Diskussionsveranstaltung des 61. Lehrgangs der Sozialakademie (SOZAK) gemeinsam mit der BetriebsrätInnenakademie (BRAK) am 14. November 2011. Medienkunde steht bei beiden Lehrgängen für ArbeitnehmervertreterInnen auf dem Lehrplan. Am Podium im Bildungszentrum der Arbeiterkammer saßen Reinhard Göweil, Chefredakteur der "Wiener Zeitung", ORF-Moderator Peter Resetarits ("Schauplatz Gericht", "Bürgeranwalt") und Wolfgang Mitterlehner, Leiter der AK-Kommunikationsabteilung. Moderiert wurde die Diskussion von Katharina Klee, Chefredakteurin von "Arbeit & Wirtschaft". 
Themen der spannenden Diskussion waren unter anderem die wohl einzigartige Medienkonzentration in Österreich und ihre Folgen für die objektive Berichterstattung, die Bedeutung des Internets für Tageszeitungen und den modernen Journalismus, der neue Kanal ORF 3, Gratiszeitungen und Manipulation durch die Medien.]]>
Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179374 Bildungshungrig: Am Ende eines langen Schulungstages waren die TeilnehmerInnen von Sozialakdemie und BetriebsrätInnenakademie noch immer sehr konzentriert bei der Sache. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688179387 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688179354 Standpunkt | Beruf und Berufung Seit mehr als 20 Jahren bin ich Journalistin und stolz darauf. Auch wenn dieser Beruf nicht unbedingt das beste Image hat. Wir Medienmenschen rangieren bei entsprechenden Untersuchungen auf den letzten Rängen irgendwo zwischen PolitikerInnen, VersicherungsmaklerInnen und AutoverkäuferInnen.

Spät aufstehen, gratis essen

Sensationsgeil seien JournalistInnen, meinen viele, ständig auf der Jagd nach neuen Geschichten ohne Rücksicht auf die Menschen, und Deutsch könnten sie auch nicht. Sie stünden spät auf und schlügen sich den Bauch bei Pressekonferenzen voll. Ein Blick in die Medien scheint diese Vorurteile zu bestätigen.
Dabei galten die Medien neben Legislative, Exekutive und Judikative als vierte Gewalt im Staat, die die öffentliche Meinung prägt und als eine Art Kontrolle wirkt. Doch die Einflussnahme mächtiger Akteure - wie Politik und Großunternehmen - auf die Berichterstattung ließ und lässt das Vertrauen in diese demokratische Kontrollfunktion mehr und mehr schwinden.
Längst füllen PR-Agenturen und ÖffentlichkeitsarbeiterInnen mit ihren Botschaften kaum widersprochen oder hinterfragt Zeitungsseiten und Sendezeit. Aus der öffentlichen Meinung wurde zu oft die veröffentlichte Meinung. Doch die BürgerInnen schauen im Internet den Medien und den Mächtigen auf die Finger. Wie viele andere in meinem Beruf, bin ich nicht wegen der Brötchen oder wegen des Ausschlafens Journalistin geworden, sondern auch, weil ich etwas bewegen wollte, Fenster in anderer Leute Leben öffnen, Geschichten erzählen, Verständnis erzeugen.
Angefangen habe ich vor mehr als 20 Jahren beim Privatradiosender Radio CD, der damals aufgrund des ORF-Monopols aus Bratislava senden musste. Ich moderierte, machte Nachrichten, führte Interviews. Später war ich Talk-Show-Redakteurin bei "Schiejok täglich", gestaltete Beiträge für "Report" und "Treffpunkt Kultur", schrieb für diverse Zeitungen und landete wieder als Nachrichtenredakteurin bei der frisch gegründeten "Antenne Wien".
Ich habe die ganze Bandbreite dieses Berufs kennengelernt: das Bangen ums Auskommen mit dem geringen Einkommen als Freie, cholerische Chefs, nächtliche Einsätze, das lange Warten auf die Bezahlung von Honorarnoten und die abartige Freude an kleinen und größeren Katastrophen, die den Dienst in der Nachrichtenredaktion erst würzen, an denen man sein Können beweisen kann.

Aufdecken, erklären, berühren

Der Beruf ist in den letzten 20 Jahren nicht gerade einfacher geworden und noch schwerer ist es, dabei anständig zu bleiben. Und doch gibt es sie noch: die JournalistInnen, die Unrecht aufdecken, die richtigen Fragen stellen, die die Welt erklären, neue Perspektiven ermöglichen oder mit ihren Geschichten einfach nur berühren. Und das trotz immer schwierigerer Arbeitsbedingungen. Damit sie das weiter tun können, braucht es eine arbeitsrechtliche Absicherung, eine faire Entlohnung und MedienkonsumentInnen, die bereit sind für Qualitätsmedien auch zu bezahlen.
Als Chefredakteurin der "Arbeit&Wirtschaft" bin ich privilegiert, ich muss nicht nach Werbekundschaft und Verkaufszahlen schielen, sondern kann die Berufung hinter meinem Beruf leben. Und ich habe LeserInnen, die mitdenken. Das haben Sie uns auch in diesem Jahr bewiesen. Danke!

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Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1294824502754 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688177232 Ein solidarischer Pakt zur Lösung der Eurokrise Seit Monaten jagt ein EU-Gipfel der Regierungschefs den anderen. Am 21. Juli 2011 wird beschlossen, dass sich erstmals der Privatsektor freiwillig beteiligen soll. Am 26. Oktober 2011 beschließen die Staats- und Regierungschefs einen Schuldenschnitt von 50 Prozent für Griechenland, eine Ausweitung des Rettungsschirms auf über eine Billion Euro durch eine Hebelung und eine Rekapitalisierung der durch den Schuldenschnitt bedrohten Banken. Vor allem aber wird die Verankerung einer Schuldenbremse in den Verfassungen der Euroländer vereinbart. Am 9. Dezember 2011 einigen sich die 17 Euro-Länder sowie sechs weitere EU-Staaten auf einen neuen Vertrag zur Bildung einer Fiskalunion. Eine einstimmige Vertragsbildung mit allen 27 Staaten der EU scheitert an Großbritannien, da der britische Premier David Cameron inakzeptable Bedingungen stellt. Durch Schuldengrenzen in den Verfassungen und automatische Sanktionen sollen die Vertragsparteien stärker kontrolliert und eine solide Haushaltsgrundlage für die Union geschaffen werden.

Beruhigung für Finanzmärkte

Vor dem Hintergrund der sich überschlagenden Ereignisse auf der politischen Bühne ist die wichtigste Frage in Bezug auf die Beschlüsse des EU-Gipfels bisher nicht eingehend diskutiert worden: Können die dort vereinbarten Maßnahmen tatsächlich die Probleme der Eurozone lösen? Die Antwort ist leider ein eindeutiges "Nein", da diese Maßnahmen nur bei den Symptomen ansetzen. Die Finanzmärkte sollen durch die Verpflichtung zu strengen Sparmaßnahmen beruhigt werden.

Die wahren Gründe der Krise

Aber die wahren Gründe für die derzeitige Situation liegen in den Voraussetzungen für die Finanzkrise von 2007/2008. Durch eine gewaltige Spekulationsblase, die schließlich platzte, war das globale Finanzsystem aufgrund undurchschaubarer Risiken und nicht bewältigbarer Verbindlichkeiten am Rande des völligen Kollapses. Nur durch umfassende Konjunkturprogramme und gewaltige staatliche Hilfen für das Finanzsystem konnte letzteres gerettet und die größte Weltwirtschaftskrise seit 80 Jahren abgefangen werden. Doch diese Kosten haben die Staatsdefizite rasant ansteigen lassen.
Dass nun nur noch von den Staatsschulden gesprochen und ständig die Notwendigkeit des Sparens betont wird, ist äußerst zynisch, da die hohen Schuldenzuwächse der Staaten ja zum Großteil auf die Kappe der "Bankenrettung" gehen und die Finanzmarktakteure an den hohen Zinsen für Staatsanleihen und den explodierenden Kursen der Kreditausfallversicherungen auch noch gut verdienen. Können die betroffenen Staaten freilich die Schuldenlast aufgrund der hohen Zinsen tatsächlich nicht mehr tragen und ein Schuldenschnitt ist unumgänglich, dann schlägt sich das in den Bilanzen jener Banken verheerend nieder, die im Besitz dieser Anleihen sind. Dann müssen diese Banken eventuell erneut von den Staaten gerettet werden. Was wiederum die Staatsschulden in noch größere Höhen treiben würde. Ein Teufelskreis also.
Kann dieser Teufelskreis durchbrochen und das europäische Gemeinschaftsprojekt bewahrt werden? Ja! Aber dazu müssen die Probleme bei der Wurzel gepackt werden. Die aktuelle Krise ist die langfristige Folge des Zusammenbruchs des Systems von Bretton Woods und des Abgehens von der fordistischen Allianz von Kapital und Arbeit, die nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Periode des Wirtschaftswachstums und der allgemeinen Wohlstandssteigerung ermöglichte.
Das darauf folgende neoliberale Paradigma mit seiner völligen Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte ließ die Gewinneinkommen rasant steigen, während die Lohneinkommen nur mehr bei den obersten zehn Prozent wuchsen. Dies führte zu einer massiven Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen sowie zu einer starken Schwächung der Realwirtschaft. Die Vermögenden investieren ihr Geld daher in immer abenteuerlichere Spekulationen, deren Kosten nach dem Platzen der Spekulationsblasen auf die Gesellschaft abgewälzt werden.

Acht Maßnahmen

Also kann nur die Orientierung an den Prinzipien einer solidarischen Wirtschafts- und Finanzpolitik zu einer Umkehr dieser Entwicklung führen. Folgende acht Maßnahmen sollten sofort umgesetzt werden, um zu einem solidarischen System zurückzukehren:

  • Griechenland werden wie geplant 50 Prozent der Schulden erlassen und außerdem keine weiteren Sparmaßnahmen vorgeschrieben. Vielmehr werden dem Land von den EU-Partnern weitere Mittel zur Verfügung gestellt, wenn es sich dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Erhöhung seiner Staatseinnahmen zu treffen: Reformierung des Steuersystems sowie effizientere Finanzverwaltung. Griechenland stottert seine Schulden langsam durch das Erwirtschaften höherer Einnahmen nach Ankurbelung des Wachstums ab.
  • Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft geben gemeinsame Staatsanleihen (sogenannte Eurobonds) heraus, um ihre Schulden zu finanzieren. Dazu sollte ein Europäischer Währungsfonds gegründet werden, der unabhängig vom Kapitalmarkt günstige Kredite an die Staaten der EU vergibt.
  • Um in Zukunft gefährliche ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der Eurozone zu verhindern, werden die EU-Staaten zu einer gemeinsamen Finanz- und Wirtschaftspolitik verpflichtet. Die Verfügung über die gemeinsame Wirtschaftspolitik darf dabei aber nicht in erster Linie in der Hand der EU-Kommission oder beim Europäischen Rat liegen, sondern muss durch eine Stärkung der europäischen Demokratie vorrangig beim EU-Parlament angesiedelt sein. Die Vorgaben für die gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik umfassen in Zukunft nicht nur Schuldengrenzen, sondern auch Vorgaben für eine harmonisierte Steuerpolitik, koordinierte Wachstumsziele, Obergrenzen für die Arbeitslosigkeit, eine an der Produktivitätssteigerung orientierte Lohnentwicklung und Zielkorridore für die Inflation.
  • Alle systemrelevanten Finanzinstitute werden europaweit unter staatliche Kontrolle gestellt. Danach werden diese Institutionen hinsichtlich uneinbringlicher Verbindlichkeiten aus missglückten Spekulationsgeschäften überprüft. Jene Institutionen (bzw. Teilbereiche dieser Institutionen), die sich dabei als insolvent herausstellen, werden in einem geordneten Verfahren abgewickelt und geschlossen.
  • Die tragfähigen Bereiche dieser Institutionen werden in kleinere Einheiten aufgeteilt und einer strengen öffentlichen Kontrolle unterworfen. Weiters wird ein Trennbankensystem eingeführt, das zwischen Geschäfts- und Investmentbanken unterscheidet. Besonders gefährliche Finanzinstrumente, wie Hedgefonds, strukturierte Wertpapiere (z. B. Collateralized Debt Obligations, CDOs) sowie Kreditausfallversicherungen, werden von supranationalen Behörden überwacht und streng limitiert.
  • Um die gesellschaftlichen Kosten für den Umbau des europäischen Finanzsektors zu finanzieren, werden neue Einnahmequellen herangezogen: eine europaweite Finanztransaktionssteuer, höhere Besteuerung von Vermögen (z. B. Grundstücke, Immobilien), stärkere Besteuerung für sehr hohe Einkommen, höhere Besteuerung von Kapitalerträgen.
  • Diese zusätzlichen Einnahmen werden außerdem dazu verwendet, durch Umverteilung die Ungleichheit zu reduzieren, die Staatsschulden abzubauen, den Sozialbereich auszubauen, in die Entwicklung nachhaltiger Energiegewinnung zu investieren und die öffentliche Infrastruktur zu verbessern. Dadurch werden neue Arbeitsplätze geschaffen, es kommt zu einer Stärkung der Konsumnachfrage und das Wachstum wird nachhaltig angekurbelt.

Um neben den Einkommen auch die Arbeit gerechter zu verteilen, wird die gesetzliche Normalarbeitszeit EU-weit deutlich reduziert und den Gewerkschaften ermöglicht, weitergehende Schritte der Arbeitszeitverkürzung in ihrem Einflussbereich umzusetzen.

Internet:
Zahler-Treibers Blog:
zahlertreiber.wordpress.com
Schreiben Sie Ihre Meinung
an den Autor
gerhard.treiber@aon.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Gerhard Zahler-Treiber (Mitglied des Steuerbeirates der GPA-djp und Koordinator der Steuergerechtigkeitsgruppe von ATTAC Österreich) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688177102 Durch eine gewaltige Spekulationsblase, die schließlich platzte, war das globale Finanzsystem aufgrund undurchschaubarer Risiken und nicht bewältigbarer Verbindlichkeiten am Rande des völligen Kollapses. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688176974 Es geht nicht nur ums Geld "Journalismus ist kein Gewerbe": Das ist die kurze Antwort auf die eingangs gestellt Frage, weshalb sich die Verhandlungen über Änderungen des JournalistInnen-KV in die Länge ziehen. Die Erläuterung bedarf einer Reise durch die vergangenen 20 Jahre dieser Branche. Ende der 1990er-Jahre haben die Medienhäuser begonnen, Abteilungen in eigene Firmen auszulagern. Während sich im Arbeitsalltag der betroffenen KollegInnen nichts geändert hatte, wurde der rechtliche Rahmen deutlich anders, und damit auch der finanzielle. In der neuen Firma wurden KV angewandt, in denen sich die Tätigkeiten von Medienberufen kaum wiederfanden und die schlechtere Bedingungen boten. Diese KV-Flucht führte auch dazu, dass hierzulande formale Mauern zwischen Print und Online hochgezogen wurden, während in anderen Ländern Online-Journalismus Stück um Stück in die Print-Redaktionen hineingewachsen und zu einem neuen Ganzen verschmolzen ist.

Gleiche Story, verschieden bezahlt

Zugespitzt formuliert: In den Redaktionen sitzen Tisch an Tisch Leute, die möglicherweise an der gleichen Story arbeiten, aber völlig unterschiedlich bezahlt werden. Das führt bis heute zur grotesken Situation, dass sich JournalistInnen, die online publizieren, in einem Gewerbe-KV wiederfinden (für z. B. FußpflegerInnen, Finanzwirtschaft und Abfallwirtschaft verhandelt), einem IT-KV zugeschanzt werden, der für die EntwicklerInnen von Software und SystemadministratorInnen gedacht ist, oder einem für Werbeagenturen geschriebenen Rahmenrecht unterworfen werden. Diese Entscheidung der Verlagshäuser hat nicht nur Barrieren für eine Zusammenarbeit in den jeweiligen eigenen Häusern hochgezogen, sondern auch dem Ansehen des Journalismus geschadet.
Um nicht missverstanden zu werden: All die genannten Berufe sind hoch angesehen und wichtig. Doch wie jede Branche hat auch der Journalismus ein paar ganz spezifische Spielregeln und Erfordernisse. Die stehen eben im KV für JournalistInnen, nicht im Gewerbe-KV, schon gar nicht im KV für die Werbebranche. Wer JournalistInnen in einem Rahmen arbeiten lässt, der für Werbung geschaffen worden ist, trifft damit auch eine klare Aussage über den Stellenwert, der journalistischer Qualität beigemessen wird. Journalismus ist keine Werbung, Journalismus ist kein Gewerbe.

Fairness und Gerechtigkeit

Eine Demokratie ohne unabhängigen Journalismus hat sich selbst aufgegeben. Es ist der Gewerkschaft der Privatangestellten - Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp) ein Anliegen solche Tendenzen einzudämmen und für eine gerechte Entlohnung von JournalistInnen zu kämpfen. Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um Fairness und Gerechtigkeit, darum, dem Journalismus wieder den Stellenwert zu geben, den er verdient hat, den eine funktionierende Demokratie bitter nötig hat.
Zurück zu den KV-Verhandlungen: Diese waren durch geplante Auslagerungen gleich zu Beginn einer schweren Belastungsprobe ausgesetzt. Der damalige Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen VÖZ (der zu diesem Zeitpunkt Vorstand des steirischen Medienkonzerns "Styria" war) hat seine Idee zunächst in der "Presse" lancieren wollen: Eine Firma mit dem Namen "Content Engine" sollte als Sammelbecken für JournalistInnen dienen, um Inhalte quasi am Fließband zu produzieren. Ziel war es, mit Medieninhalten Handel zu betreiben. In den Verträgen waren auch Klauseln enthalten, die JournalistInnen Storys wie Fotos völlig aus der Hand nahmen - bis hin zur Möglichkeit, dass die Firma die Inhalte für Werbezwecke verwendet. So "nebenbei" hätte nicht mehr der JournalistInnen-KV angewandt werden sollen, sondern der Gewerbe-KV.
In der "Presse" entschloss sich der Betriebsrat mit Unterstützung der JuristInnen der GPA-djp, diese Frage vom Arbeits- und Sozialgericht klären zu lassen. Daran sollte auch der Versuch des Medienhauses Styria nichts än-dern, kurze Zeit später im "Wirtschaftsblatt" ebenfalls eine "Content Engine" ins Gespräch zu bringen. Quasi zum Drüberstreuen hätten schließlich noch Dutzende JournalistInnen der APA in den Gewerbe-KV verfrachtet werden sollen. Letztlich sollten all diese Anläufe scheitern. Denn: Journalismus ist kein Gewerbe.
Die VerhandlerInnen der JournalistInnengewerkschaft in der GPA-djp sind nicht vom Verhandlungstisch aufgestanden, sondern haben ihre Forderungen präzisiert: KV-Änderungen nur unter der Vorgabe, dass künftig Online-JournalistInnen vom KV erfasst werden müssen und dass die Möglichkeit ausgeschlossen wird, freie MitarbeiterInnen in Redaktionen de facto wie ihre angestellten KollegInnen arbeiten zu lassen, aber nicht annähernd entsprechend zu bezahlen. Insgesamt müsse der Geltungsbereich des KV erweitert werden.
Die Verhandlungen laufen. Ein Erfolg. Die letzte Runde wird dann nicht mehr im Konferenzraum in Szene gehen, sondern in einer Urabstimmung. Die GPA-djp-Mitglieder der Branche werden dabei entscheiden, ob der geänderte KV-Entwurf in Geltung gehen soll. Wenn’s ein fairer Kompromiss ist, wird dies erkennbar sein.  Eine Nagelprobe für einen neuen JournalistInnen-KV ist unter anderem auch der zweite Kollektivvertrag, der beim VÖZ angesiedelt ist und der in monatelangen Verhandlungen mit der GPA-djp verändert wurde: der KV für die kaufmännischen Angestellten in Verlagshäusern. Einzelne Positionen sind für UnternehmerInnen billiger geworden (bestehende Verträge nicht), der Geltungsbereich dafür breiter. Die konkrete Umsetzung wird zeigen, wie breit eine Vertrauensbasis sein kann. Denn die betroffenen Firmen, oft auch die handelnden Personen, sind die gleichen, die auch für die Einhaltung des JournalistInnen-KV verantwortlich sind.
Für einen wirklich tragfähigen Kompromiss zwischen VÖZ und Gewerkschaft wird auch die übrige Begleitmusik entscheidend sein. Eines ist klar: Jede weitere Auslagerung ist ein Torpedo ins Herz der Verhandlungsbemühungen.

Internet:
Weitere Informationen bietet das Handbuch für Freie JournalistInnen, Gratisdownload unter:
www.journalistengewerkschaft.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
judith.reitstaetter@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 
 

Info&News
Der KV für Angestellte im Handwerk und Gewerbe, in der Dienstleistung, in Information und Consulting regelt rahmen- und gehaltsrechtliche Belange von Angestellten bei OptikerInnen, RauchfangkehrerInnen und vielen anderen Berufsgruppen. Die Regelungen zur Arbeitszeit und Gehaltsentwicklungen wurden speziell für diese Angestellten- und Unternehmensgruppen entwickelt.
Der KV für Angestellte von Unternehmen im Bereich Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik reguliert seit 2001 die rahmen- und gehaltsrechtlichen Spielregeln der IT-Branche. Der junge KV wird ständig weiterentwickelt und gilt z. B. für SystemadministratorInnen, SoftwareentwicklerInnen und DatenbankanalystInnen. Im KV für Angestellte in Betrieben der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation Wien finden sich Regelungen für Berufsgruppen wie WerbemittelverteilerInnen, PR-BeraterInnen, WerbetexterInnen, MeinungsforscherInnen u. a. m. Der regionale KV gilt nur für Wien. Das kaufmännische (nichtjournalistische) Personal bei Tages- und Wochenzeitungen und deren Online- und Nebenausgaben hat mit 1. Jänner 2012 einen reformierten kaufmännischen KV. Dieser beinhaltet medienspezifische Regelungen wie z. B. Gehaltsentwicklungen über Fünf-Jahres-Sprünge (sog. Quinquennien).
"Journalisten-KV" steht im Regelfall für zwei KV: zum einen der KV für die bei österreichischen Tageszeitungen, zum anderen der KV für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten RedakteurInnen, RedakteursaspirantInnen und ReporterInnen. Beide KV wurden speziell für journalistische Arbeit entwickelt. Sie beinhalten spezifische Regelungen zu Urheber- und Verwertungsrechten, integrieren Regelungen des Journalistengesetzes und sorgen dafür, dass Meinungsfreiheit und ethische Qualitätsstandards im Journalismus eingehalten werden und eingehalten werden können. Sie verankern für JournalistInnen und HerausgeberInnen gleichermaßen Rechte und Pflichten, um das in der österreichischen Verfassung verankerte Grundrecht auf Pressefreiheit sicherzustellen.
Für freie MitarbeiterInnen sind kollektive Regelungen wie Mindesthonorare für Bild- und Textbeiträge, Kündigungsfristen und zum Urheber- und Werknutzungsrecht in sogenannten Gesamtverträgen festgeschrieben: Gesamtvertrag für ständige freie MitarbeiterInnen bei österreichischen Tageszeitungen und bei österreichischen Wochenzeitungen.

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Judith Reitstätter (Wirtschaftsbereichssekretärin der Gewerkschaft GPA-djp) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688176965 Diese KV-Flucht führte auch dazu, dass hierzulande formale Mauern zwischen Print und Online hochgezogen wurden, während in anderen Ländern Online-Journalismus Stück um Stück in die Print-Redaktionen hineingewachsen ist. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688176887 Nur selber denken hilft Wir wollen Sie auf die miserable Qualität der politischen Meinungsbildung aufmerksam machen, auf die Tricks der Irreführung und den gezielten, strategisch geplanten Missbrauch Ihrer guten Absichten", so beschreiben die Autoren der deutschen NachDenkSeiten (siehe Kasten) ihre Intention. Mit Worten werden Bilder erzeugt, die zur breiten Meinungsbildung beitragen - und dann ist die "Transparenzdatenbank" wirklich die beste Idee überhaupt, um "Sozialmissbrauch" abzustellen …

Gehirnwäsche, reiner als weiß?

Wie funktioniert diese Gehirnwäsche? Lehrmeisterin ist die Werbebranche, ihre Partnerin die Psychologie: Hört man Dinge nur oft genug, werden Botschaft und AbsenderIn schon irgendwann sitzen. Ein kleiner Selbsttest beweist das: Bestimmt können Sie folgende Slogans mühelos zuordnen: Sie baden gerade Ihre Hände drin (1); Für das Beste im Mann (2); Nicht immer, aber immer öfter (3); So wertvoll wie ein kleines Steak (4); Daham statt Islam (5); Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut (6).1 Einige dieser Slogans sind nicht neu, trotzdem haben sie sich in unsere Gehirne eingebrannt. Der Trick ist, dass sie Bilder und Stimmungen erzeugen, die sofort wieder abrufbar sind. Untersuchungen bestätigen das, zum Beispiel jene von innovation-marketing.at: Bekannte Slogans, auch von länger zurückliegenden Kampagnen, so die Autoren, wurden durchgängig der richtigen Marke zugeordnet. Wurde der Slogan gesungen, wirkte sich das noch stärker auf die Erinnerung aus. Die politische Kommunikation funktioniert nach dem gleichen Prinzip: Je eingängiger der Slogan, je stärker das Bild und die Emotion dazu und je länger der Kampagnen-Zeitraum, umso mehr verinnerlichen die Zielgruppen die Aussagen. Auch abseits von Kampagnen vor Wahlgängen werden in der Politik permanent Slogans und Bilder erzeugt, um die Meinungsbildung zu beeinflussen und so Zustimmung zu bestimmten Vorhaben zu erreichen - den Medien kommt dabei eine wichtige Steigbügelhalterfunktion zu. Einige Beispiele aus der heimischen Innenpolitik zeigen, dass die Waschmaschinen für die Gehirnwäsche in den Turbogang geschaltet wurden. Am Ende des Waschgangs sollen unsere Gehirne frei von der Idee sein, Reichensteuern würden zu mehr sozialer Gerechtigkeit und zu mehr Einnahmen ins Budget beitragen können.

"Erneuern statt besteuern"

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl verwendet diesen Satz, um gegen neue Steuern, allen voran Vermögenssteuern, zu reden. Die Hauptbotschaft liegt in Teil zwei der Aussage - "statt besteuern". Damit wird suggeriert, Steuern wären etwas Böses und mehr davon abzulehnen. Steuern finanzieren aber praktisch alles in diesem Land: Schulen, Kindergärten, Verkehrswege, die auch die Mitgliedsfirmen der WKO nutzen, sogar Staatsoper und Burgtheater werden mit Steuergeld subventioniert. Will man das alles weiterhin haben, wird es mehr Geld brauchen. Ohne neue oder andere Steuern wird das "Erneuern" also nicht gehen.
Leistungswahn
Mit "Leistung" wird uns ebenfalls systematisch das Gehirn gewaschen: Leistung muss sich lohnen; neue Steuern sind leistungsfeindlich; rauf mit der Leistung, runter mit den Steuern …2 Vor allem die ÖVP sieht sich als Schutzschild der LeistungsträgerInnen. Und wie schützt man die am besten? Man verhindert Vermögenssteuern. LeistungsträgerInnen dürften nicht noch mehr belastet werden, die wandern dann ab, Arbeitsplätze werden vernichtet alles wird fürchterlich. Würde man nach dieser Gehirnwäsche-Kampagne in einer Straßenbefragung wissen wollen: "Wer ist LeistungsträgerIn?" - was käme heraus? Der Bäcker, der um fünf Uhr früh aufsteht, damit auch der Vorstandsvorsitzende sein Jour-Gebäck beim Frühstück hat? Die Kindergärtnerin, die Polizistin, die Kanalräumer? Eher nicht. Was also tun? Das Wort klauen, seinen Sinn neu deuten: Der ÖGB stellte dem LeistungsträgerInnen-Bluff die wahren LeistungsträgerInnen gegenüber - eben jene BäckerInnen, Büroangestellten, BauarbeiterInnen, die Tag für Tag Leistungen - und vor allem mehr Steuerleistungen - erbringen.
Auch beim Mittelstand geht’s ums Steuerthema. Würde man fragen: Zählen Sie sich zum Mittelstand?, die Mehrheit würde "Ja" sagen. Reich ist man nicht, arm auch nicht, oder man sagt es nicht. Mittelstand sind also eh alle, darum eignet sich dieses Wort bestens für Irreführung. Manche behaupten, Mittelstand gäbe es keinen, sondern nur hier: Kapital, da: Arbeit. Die Mittelstands-Diskussion trägt auch dazu bei, Grenzen zu verwischen und Menschen gegen Maßnahmen einzunehmen (Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer), von denen sie in drei Leben nicht betroffen sein werden.

Klassenkampf 

Wer Reichensteuern verlangt betreibt "Klassenkampf pur". Das Wort ruft bei jüngeren Menschen wahrscheinlich gar keine Bilder hervor, bei älteren, die noch wissen, was der Kalte Krieg war, wohl keine angenehmen: MarxistInnen, Revolutionen und dann triste Zustände als Folge. Das will natürlich niemand. Warum ist es aber Klassenkampf, eine Reichensteuer zu fordern, flexible (= längere) Arbeitszeiten zu verlangen aber nicht? Und: Wer sagt, dass wir angefangen haben …
Der Sozialstaat kostet Milliarden. Stimmt. Aber was tut der Sozialstaat? Neben der Sicherung von Sozialsystemen, Bildung und der Wahrung des sozialen Friedens sponsert der Sozialstaat z. B. die Staatsoper. Bankenrettungspakete sind ebenso sozialstaatliche Leistungen. Der Sozialstaat wird aber von denen, die ihn abbauen möchten, gerne auf das bloße Auszahlen von Unterstützungen reduziert. Und hier haben MedienkonsumentInnen gelernt, dass es so viel Missbrauch gibt, dass so viele in der sozialen Hängematte liegen und nichts leisten - denen kann man ruhig was streichen. Ist es aber nicht umgekehrt? Liegen nicht die Reichen, die viel zu wenig Steuern zahlen, vom Sozialstaat aber enorm profitieren, in der Hängematte?
"Schuldenbremse", ein Import aus Deutschland. Klingt auf den ersten Blick gut: Niemand hat gerne Schulden. PolitikerInnen nennen sie auch gerne Ausgabenbremse. Was heißt weniger Ausgaben für einen Staat? Er muss Leistungen für Menschen streichen: vielleicht Pflegegeld oder Mindestsicherung, vielleicht Heizkostenzuschüsse. Schulden zu bremsen ist auch für den Staat wichtig, damit er seine Aufgaben erfüllen kann. Er hat aber natürlich auch die Möglichkeit, statt einer Schuldenbremse einen Einnahmen-Turbo zu beschließen. Neue Arbeitsplätze schaffen, das stärkt Kaufkraft, verringert Sozialausgaben, erhöht Steuereinnahmen - und bremst Schulden.

Gegen die Schöpfer

Was hilft gegen die strategisch gesteuerte Gehirnwäsche, wie kommen wir dagegen an? Genau zuhören, genau schauen, wer was sagt. Hirn einschalten, selber denken, und nicht den Schlagzeilen im Boulevard in die Falle gehen, die uns von Pleite-Griechen erzählen. Ein Blick auf die deutschen NachDenkSeiten öffnet das Denken. Unter "Strategien der Meinungsmache" wird anhand vieler Beispiele gezeigt, wie man versucht, unser Denken zu beeinflussen. Das zu erkennen und die Wortschöpfungen gegen ihre SchöpferInnen zu kehren - wie bei "Kapitalschmarotzer" - ist schon ein großer Schritt gegen das Gehirnwäscheprogramm, das derzeit allerorten läuft.

Internet:
Weitere Informationen:
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1 1: Palmolive, 2: Gillette, 3: Clausthaler, 4: Fruchtzwerge, 5: FPÖ-Strache; 6: Wirtschaftskammer.
2 alle Leistungs-Zitate aus OTS-Presseaussendungen der ÖVP nach einer Klausur des Parlamentsklubs im Oktober 2011

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Nani Kauer, MA (Pressesprecherin des ÖGB-Präsidenten Erich Foglar und Leiterin des Referats für Öffentlichkeitsarbeit im ÖGB) Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688176827 Der ÖGB stellte dem LeistungsträgerInnen-Bluff die wahren LeistungsträgerInnen gegen-über - eben jene BäckerInnen, Büroangestellten, BauarbeiterInnen etc., die Tag für Tag wichtige Leistungen - und vor allem mehr Steuerleistungen - erbringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688177246 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Dec 2011 00:00:00 +0100 1323688176754 Ein dreckiges Gewerbe? Arbeit&Wirtschaft: Harald Fidler, Sie sind Medienjournalist und haben vor drei Jahre das Lexikon "Österreichs Medienwelt von A bis Z" veröffentlicht. Was ist das Besondere an Österreichs Medienlandschaft?

Harald Fidler: Das herausragendste Merkmal von Österreichs Medienlandschaft ist die extrem hohe Konzentration, sowohl bei Zeitungs- und Magazinverlagen als auch bei Rundfunk und Fernsehen.

Wie weit haben die aktuellen Besitzverhältnisse - z. B. die Medienbeteiligungen des Raiffeisenkonzerns - Einfluss auf Inhalte?

Natürlich hat der Medieneigentümer einen Einfluss auf das Medium. Wie weit der geht, hängt von den handelnden Personen auf beiden Seiten ab, auf der des Eigentümers und der der JournalistInnen und MitarbeiterInnen des jeweiligen Mediums. Was lassen sich die sagen? Inwieweit lassen die eine Art von vorauseilendem Gehorsam in ihre Arbeit einfließen?

Was hat sich seit Ihren Anfängen vor mehr als zwanzig Jahren verändert?

In der Zeit haben sich "Kurier" und "Krone" unter der Regie der WAZ zusammengeschlossen. Das Privatradio ist - unter großen Mühen - entstanden. Die schon marktbeherrschende Verlagsgruppe "News" konnte sich mit den "Kurier"-Magazinen "Trend" und "Profil" vereinigen. 1988 ist auch der "Standard" gegründet worden. Das war damals ein Signal: "Da macht jemand unabhängigen und kritischen Journalismus." Das bringt man über die Zeitungsgründungen seither nicht so leicht über die Lippen - wenn man etwa an "Heute" und "Österreich" denkt.
Man könnte sich Hans Dichand anschließen und sagen: Es ist kein Stein auf dem anderen geblieben. Obwohl: Über die Jahre blieben die Versuche der Politik, den ORF unter Kontrolle zu bekommen - mal von diesen Regierungsparteien, mal von jenen, mal heftiger, mal subtiler.

Hans Dichand starb 2010 und hat bis zuletzt die "Krone" regiert. Wie hat sich die Medienlandschaft mit seinem Tod verändert?

Die "Kronen Zeitung" würde ihm heute wohl auch noch gefallen, wobei man der Zeitung schon anmerkt, dass sie unter der neuen Führung ein bisschen versucht "anständiger" zu werden. Natürlich kommen die "schwarzen Dealer" noch immer vor, aber ich habe das Gefühl, das nimmt ein bisschen ab, in sehr kleinen Trippelschritten, um nicht die Leserschaft zu vergraulen. Aber natürlich ist die "Krone" noch immer schlimm genug, und es gibt noch immer bedenkliche Kolumnisten. Aber man versucht eine Verjüngung und, vielleicht, so etwas wie Normalisierung.

Sie haben ja über die andere interessante Verlegerpersönlichkeit Wolfgang Fellner gerade ein Buch veröffentlicht. Ist Österreich ein guter Boden für Boulevard?

Das ist nicht auf Österreich beschränkt. Man muss die Kirche im Dorf lassen - in Deutschland gibt es die "Bildzeitung". Die ist kein Hort des Anstands, aber immerhin ist dort rechtes und rechtsextremes Gedankengut ein No-go. Es gibt den  "Blick" in der Schweiz, fast zu links für eine Boulevardzeitung, sagen mir Menschen, die ihn aufmerksamer verfolgen. Und schauen Sie sich den Brutalboulevard in England an.
Österreichs Problem war und ist wohl noch ein derartig dominantes Medium, die "Kronen Zeitung". Fast muss man Herrn Fellner dankbar sein. Es ist besser, es gibt zwei Boulevardzeitungen - als eine, die glaubt, über die Volksseele zu bestimmen. Auch wenn die Gefahr besteht, dass sie einander nach unten lizitieren.
Und bei etwas genauerer Betrachtung bestehen ja sogar bei "Krone" und "Österreich" Verbindungen. Raiffeisen ist einer der wesentlichen Kreditgeber für "Österreich", Raiffeisen ist als "Kurier"-Gesellschafter Partner der "Krone" in der Mediaprint. Wenn Raiffeisen-Boss Christian Konrad sich beschwert, wird man wohl auch bei "Österreich" nicht auf stur schalten. Dass man beim "Kurier" besonders genau auf ihn hört, ist anzunehmen.

Und wer sich wieviel sagen lässt?

Das kommt vielleicht auf die Investitionsfreude an …

Thema Gratiszeitungen - was bedeutet deren Entstehen für Österreichs Medienlandschaft?

Gratiszeitungen sind ein Phänomen der letzten 12, 13 Jahre, besonders in Europa. Wahrscheinlich war es unvermeidbar, dass sie auch nach Österreich kommen. In Deutschland gibt es allerdings keine. Dort haben sich die Verleger vehement und offenbar erfolgreich gegen diverse Anläufe gewehrt. Es gab Versuche, die kläglich gescheitert sind. In der Schweiz ist "20 Minuten" längst größte Tageszeitung.
In Österreich kam Hans Dichand den Ambitionen zuvor, das war ein kluger Schachzug aus seiner Sicht. Die Mediaprint hat 2001 den "U-Express" gegründet, ein bisschen halbherzig und wirtschaftlich nicht besonders erfolgreich. Sie hat damit aber den Markt besetzt und einige ausländische Gratiszeitungskonzerne abgeschreckt. 2004 haben die Miteigentümer Raiffeisen und WAZ in ihrem Zwist mit Hans Dichand dessen Zeitungsspielzeug abgedreht. Dichand bat die WAZ um Erlaubnis, selbst eine Gratiszeitung zu gründen, die deutschen Partner lehnten ab. Nur wenige Wochen später startete ein ehemaliger Pressesprecher des heutigen Kanzlers Werner Faymann eine Gratiszeitung namens "Heute" mit jenem Chefredakteur, der zuvor den "U-Express" geführt hatte. Eigentümer: Günther Havranek, ein SP-naher Wirtschaftstreuhänder und eine von diesem Pressesprecher geführte Stiftung.
Dichand verhehlte nicht, dass ihm dieses Blatt sehr gelegen kam - seine Schwiegertochter, also die Frau des "Krone"-Chefredakteurs Christoph Dichand, wurde dort bald Herausgeberin. Das Powerpaar der Massenpresse.Dass dieses "Heute" den Gratiszeitungsmarkt in Wien besetzte, war einer der wesentlichen Gründe, warum sich Wolfgang Fellner mit seinem "Österreich" viel schwerer tat und tut, als er das erwartet hatte.
Das Problem der Gratiszeitungen ist natürlich, dass sie nur von Werbung leben, ihnen fehlt eine Einnahmemöglichkeit, Verkaufserlöse. Selbst wenn es die Ambition gäbe - damit Qualitätsjournalismus zu produzieren, ist nicht leicht. Und Gratisblätter bedeuten zusätzlichen Konkurrenzdruck auf andere Tageszeitungen. "Heute" ist die ernsthafteste Konkurrenz zur "Kronen Zeitung", wenn es eine Konkurrenz wäre …

Im Nationalrat soll ja noch heuer das Medientransparenzgesetz beschlossen werden. Dort steht, dass direkt und indirekt Beteiligte, auch stille GesellschafterInnen von Medien, künftig "für jede Stufe" zu veröffentlichen sind und Stiftungen StifterInnen sowie Begünstigte offenlegen müssen …

Ja, Begünstigte der "Periodika Privatstiftung", die hinter "Heute" steht, sind laut Eva Dichand der Verein "Rettet den Stephansdom" und "Weißer Ring". Wir kennen den Vorstand, Stifter ist Heinrich Gehl, ehemaliger Bank-Austria-Vorstandsdirektor. Der hat auch vor Gericht schon ausgesagt, er hätte eine Tageszeitung eine gute Idee gefunden. Auch Havranek hat vor Gericht ausgesagt, er sei nicht Treuhänder, sondern persönlich Eigentümer seiner Anteile. Das Gesetz ist ein wichtiges Signal, aber große neue Erkenntnisse würde ich davon nicht erwarten. Spannend wäre auch bei "Österreich", wenn alle - auch stille - Teilhaber offen gelegt würden. Aber die Konstruktion hinter "Österreich" ist so verschachtelt, das wird sich wohl auch vermeiden lassen.

Hängen Ihrer Einschätzung nach die viel diskutierten Regierungsinserate mit dem vermehrten Aufkommen der Gratiszeitungen zusammen?

Die Ambition insbesondere der Politik, sich Wohlwollen von Medien mit Inseraten zu erkaufen, ist keine Neuigkeit. Die Bereitschaft, dieses Geschäft einzugehen, ist mit Gründungen wie "Österreich" und "Heute" jedenfalls nicht gesunken. Und der Kapitalbedarf für Gründungen wie "Österreich" hat das Volumen noch einmal kräftig gesteigert.

Was bedeuten die neuen Medien für die Medienlandschaft z. B. die Online-Auftritte der Zeitungen. Kostet das KäuferInnen?

"Der Standard" ist im Februar 1995 als erste deutschsprachige Tageszeitung ins Netz gegangen. Von diesem frühen Start profitiert die Plattform noch heute, und davon, dass sie sehr früh sehr unabhängig von der Zeitung agieren konnte. Der gedruckte "Standard" profitiert von "derStandard.at" - er gewinnt AbonnentInnen für die Zeitung und er trägt stark zur Präsenz der Marke bei.
Das Prinzip erinnert vielleicht ein bisschen an andere Medienentwicklungen wie Gratiszeitungen: Man kann darauf warten, dass andere sie machen und einem Konkurrenz machen, manche sprechen von Kannibalisierung. Oder man kannibalisiert sich klugerweise lieber selbst, bevor es andere tun.
Man konsumiert ja ein gedrucktes Medium anders als ein Online-Medium. Es bringt einen auf Dinge, die man nicht gesucht hat. Eine Zeitung ist ein abgeschlossenes Ding, das Internet hört nie auf.
Da hat jemand einen Punkt gemacht, Dinge auf den Punkt gebracht - zumindest für den Tag. Und dieser Jemand ist jemand, von dem ich das Gefühl habe, ich kann mich auf denjenigen oder diejenige verlassen.

Das Bedienen dieser verschiedenen Kanäle ist für die klassischen Medien eine Frage der MitarbeiterInnen …

Und die wiederum arbeiten heute in einer Zweiklassengesellschaft: Hier die PrintjournalistInnen mit ihren ansehnlichen, alten Kollektivverträgen (KV), dort die Onliner mit IT-Kollektivvertrag, Gewerbe-KV oder ähnlichen Konstruktionen. Nun besteht Hoffnung, dass man diese Spaltung der JournalistInnenschaft doch langsam überwindet. Ein neuer, gemeinsamer JournalistInnen-KV ist geplant.
Es ist nicht einzusehen, warum ein journalistisch tätiger Mensch, der eine Onlinegeschichte schreibt, nicht genauso wertvolle oder wertlose Arbeit macht, wie einer, dessen Geschichte dann gedruckt wird.

Über den ORF haben wir noch nicht gesprochen - manchmal hat man ja den Verdacht, dass mit ORF 3 der Bildungsauftrag ausgelagert wurde …

Ein wesentlicher Faktor der Medienkonzentration in Österreich ist der öffentlich-rechtliche ORF. Er verliert zwar seit Jahren, seit Jahrzehnten, jeden Monat im Fernsehen Marktanteile. Und dennoch beherrscht er noch den elektronischen Medienmarkt. Im Radio mit rund 75 Prozent Marktanteil, im Fernsehen mit mehr als 30 Prozent, im Internet ohnehin. 
Die Strategie des ORF mit seinen neuen Spartenkanälen kann man auf zwei Arten sehen: Einerseits ist ORF 3 natürlich ein Aushängeschild in der Erfüllung des öffentlich rechtlichen Auftrags. Es ist eine Verbesserung, wenn im Hauptabend etwa anspruchsvollere, öffentlich-rechtliche Programme wiederholt werden, die in ORF 2 spätabends laufen.
Aber zugleich versucht der ORF natürlich mit ORF 3 und vor allem auch ORF Sport Plus, seine Marktposition insgesamt zu stärken. Und die Spartenkanäle könnten ihn verleiten, Formate, die in ORF 1 und ORF 2 die Quoten drücken, in diese Spartenkanäle zu verlagern, sozusagen als mediale Entlas-tungsgerinne.

Ist das aber nicht eine Art 3sat, das uns allein gehört?

Man könnte argumentieren - wozu ORF 3, wenn es 3sat gibt, dem auch der ORF zuliefert. Aber der Auftrag des ORF ist ja immerhin auch österreichische Produktion.

Manchmal erscheint mir ORF 3 auch ein wenig wie Servus TV. Was sagen Sie zum Phänomen Medienmacher Dietrich Mateschitz? Verleiht Flügel?

Es hat immer Mäzene gegeben oder Menschen, die in einer anderen Branche Geld verdient haben und dann Medien gegründet haben, mit welchen Ambitionen auch immer. Herr Berlusconi war auch einmal Bauunternehmer. Solche Finanziers sehen das entweder als Geschäftschance oder sie wollen einen wie immer gearteten Vorteil daraus ziehen.
Mateschitz spielt schon länger mit Medien. Meiner Information nach soll der Sektor ein ernsthaftes wirtschaftliches Standbein seines Imperiums werden. Mich erinnert das alles irgendwie ein bisschen an Disney - es ist eine andere Form eines Entertainmentkonzerns: Extremsport, DJ-Kultur, Essen, Medien und das Getränk dazu. Ich glaube, das Medienkonzept soll sich selbst tragen und das Getränk unterstützen.

Was ist Ihr persönlicher journalistischer Auftrag zwischen dem Medienressort im Standard und Ihren Ausflügen als "Schmeck’s" in den Gourmetjournalismus?

Letzteres weise ich energisch zurück - ich habe einen kleinen Gastroblog, der hat mit Gourmet nichts zu tun. Da schreibe ich über meine Erlebnisse beim Essen. Ich bin kein Gourmet, das ist ein Hobby.
Mein journalistischer Anspruch - vielleicht etwas, das schon ein bisschen antiquiert klingt: Aufklärung. Den LeserInnen zu vermitteln, wer oder was hinter denen steckt, die Nachrichten und Unterhaltung machen.
Das gelingt manchmal besser, manchmal schlechter, weil ich streckenweise zu tief in der Materie bin, um das verständlich zu vermitteln. Aber die Posterinnen und Poster im Internet erinnern mich schon daran, ergänzen und fragen nach (lacht). Den Anspruch kann man vielleicht so beschreiben: Hinter die Kulissen von für die Demokratie zentralen Unternehmen zu blicken, einer wichtigen und verdienstvollen Branche, die sich nur leider ziemlich oft als ausgesprochen dreckiges Gewerbe entpuppt.

Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Katharina Klee für Arbeit&Wirtschaft.

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Zur Person
Harald Fidler
Geboren 1969 in Klosterneuburg.
Seit 1995 Medienredakteur bei der Tageszeitung "Der Standard".
1987 begann er als freier Mitarbeiter und Praktikant bei den Zeitungen "Niederösterreichische Nachrichten", "Die ganze Woche", "Arbeiter-Zeitung" und der Austria Presse Agentur APA zu arbeiten.
2008 veröffentlichte er das Lexikon "Österreichs Medienwelt von A bis Z".
2009 folgte "Österreichs manischer Medienmacher. Die Welt des Wolfgang Fellner".

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Arbeit&Wirtschaft 12/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1323688176727 Mein journalistischer Anspruch - vielleicht etwas, das schon ein bisschen antiquiert klingt: Aufklärung. Den LeserInnen zu vermitteln, wer oder was hinter denen steckt, die Nachrichten und Unterhaltung machen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617931 Die Ausgaben privater Haushalte Laut einer Rahmenverordnung1 sind die Staaten der Europäischen Union verpflichtet, in Fünfjahresabständen eine sogenannte Konsumerhebung durchzuführen. Primäres Ziel der Stichprobenerhebung ist die detaillierte Erfassung der gesamten Verbrauchsausgaben der Haushalte. Die Ergebnisse geben zum einen Aufschluss über die Ausgabenstruktur der privaten Haushalte, d. h. letztlich über die Lebensbedingungen der unterschiedlichen sozialen Gruppen. Zum anderen bildet das Konsumprofil die Basis für die Spezifizierung des Warenkorbes, der wiederum bei der Berechnung des Verbraucherpreisindex (VPI) und damit der monatlichen Inflationsrate Verwendung findet.

Einige statistische Basisdaten

Die Erhebung erstreckte sich über den Zeitraum April 2009 bis Mai 2010. Insgesamt nahmen 6.534 Haushalte daran teil: Als zentrales Erhebungsinstrument diente das Haushaltsbuch. Darin wurden alle privaten Ausgaben verzeichnet. Im konkreten Ausgaben für

  • Lebensmittel, Getränke, Tiernahrung,
  • Ausgaben im Restaurant,
  • alle übrigen Ausgaben,
  • Entnahmen für den Eigenbedarf aus Garten oder Betrieb.

Neben Konsumausgaben mussten Fragen zur Person beantwortet werden:

  • Geschlecht,
  • Staatsbürgerschaft,
  • Familienstand
  • Geburtsdatum,
  • berufliche Stellung,
  • höchste abgeschlossene Schulbildung usw.

Diese Merkmalsdaten lassen über Datenverknüpfungen sozialstatistische Auswertungen verschiedenster Art zu. Eine derartige Verknüpfung wäre etwa die Zuordnung der einzelnen Haushaltsausgaben (Ernährung, Bekleidung, Wohnen etc.) zu den Gesamtausgaben (siehe Grafik oben). Aber nicht nur die Konsumausgaben wurden erhoben; es wurden auch Fragen zum Ausstattungsgrad der Haushalte gestellt. So etwa verfügen 91 Prozent aller Haushalte lt. KE 2009/2010 über mindestens ein Mobiltelefon. Im Jahr 2000 waren es noch 60 Prozent. Interessant sind auch die Daten zur Mobilität: In Wien besitzen 40 Prozent aller Haushalte kein Kfz. In Haushalten in Regionen mit weniger als 10.001 EinwohnerInnen hingegen nur 13 Prozent. Damit lassen sich u. a. PendlerInnenbewegungen erklären.

Durchschnittliche Haushaltsausgaben

Die durchschnittlichen Haushaltsausgaben betragen 2.910 Euro. Insgesamt beträgt die Anzahl der Haushalte, die von der Statistik Austria hochgerechnet wurde, 3,605.100 Einheiten. Die durchschnittliche Haushaltsgröße umfasst 2,29 Personen. Betrachtet man nun die Ausgaben bezüglich des Merkmals Haushaltsgröße, so geben Haushalte mit einer Person im Durchschnitt 1.930 Euro monatlich für den Konsum aus; Haushalte mit zwei Personen 2.990 und schließlich Haushalte mit fünf und mehr Personen 4.110 Euro. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass lediglich die Ausgaben erfragt werden, nicht deren Finanzierung. Die kann durch Kredite, durch Auflösen von Sparguthaben etc. erfolgen. Generell muss man daher bei der Interpretation dieser Statistiken mit großer Behutsamkeit vorgehen. Individuelle Muster lassen sich in aller Regel daraus nicht ableiten. Statistik dient zur Beschreibung von Massenphänomenen.

Verteilung der Ausgaben

Die Grafik "Monatliche Äquivalenzausgaben nach Quartilen" veranschaulicht die Ausgabenverteilung nach der Höhe der Gesamtausgaben. So geben etwa die ausgabenstärksten Haushalte - also jene mit 2.287 Euro und mehr Ausgaben - im Durchschnitt 3,5-mal so viel aus wie die ausgabenschwächsten Haushalte. Betrachtet man den österreichischen Ausgabendurchschnitt, so liegen die ausgabenschwächsten Haushalte um 52 Prozent darunter.  Haushalte in der höchsten Ausgabenstufe geben für Ernährung 8,5 Prozent aus - gemessen an ihren Gesamtausgaben. Für die unterste Ausgabenstufe beträgt der Anteil 18,4 Euro - also mehr als doppelt so viel. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Ausgabenkategorie Wohnen und Energie: 19,1 Euro der Gesamtausgaben, das sind im Durchschnitt  628 Euro, entfallen auf die Gesamtausgaben der höchsten Ausgabenstufe und 37,2 Prozent - rund 333 Euro - auf jene der niedrigsten Ausgabenstufe. Für den Verkehr gibt ein Haushalt in der obersten Ausgabenstufe etwa dreimal mehr aus (19 Prozent) als ein Haushalt unterster Ausgabenstufe (6,8 Prozent) - wiederum gemessen an den jeweiligen Gesamtausgaben. Betrachtet man die Ausgabenprofile unter dem Regionalaspekt/EinwohnerInnenanzahl, so stellt man fest, dass die Haushaltsausgaben in Regionen mit zunehmender EinwohnerInnenanzahl sinken (siehe Grafik unten). Gänzlich anders sieht die Datenlage aus, wenn man zu Vergleichen nicht die Haushaltsausgaben heranzieht, sondern die Äquivalenzausgaben2. Hier steigen die Ausgaben: Regionen mit kleiner EinwohnerInnenanzahl geben im Durchschnitt weniger aus als jene mit höherer EinwohnerInnenanzahl. Einer der Gründe dafür ist die Belagsdichte (Anzahl der in einer Wohnung lebenden Personen). Bei sinkender Belagszahl steigen die Äquivalenzausgaben.

Nach Männern und Frauen …

Zu guter Letzt noch einen schmunzelnder Blick auf das Konsumverhalten im Frühling. Nicht verwunderlich ist, dass Haushalte während der Monate März bis Mai für Kleingartengeräte um 176 Prozent mehr ausgeben als während der restlichen Monate. Schon erstaunlicher ist das Mehr an Schokoladekonsum, es ist im Frühling um elf Prozent höher als während der anderen Jahreszeiten. Und der um 17 Prozent höhere Eierkonsum ist wohl auf die Osterfeiertage zurückzuführen.

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1 EU-Rahmenverordnung Nr. 2494/95, Abl.Nr. L257, Oktober 1995.
2 Nach einem von der OECD entwickelten Klassifikationsschema lassen sich Haushaltsausgaben in Pro-Kopf-Ausgaben (Äquivalenzausgaben) umrechnen. Demnach wird eine erwachsene Person mit dem Faktor 1, jede weitere Person im Haushalt mit 0,5 und Kinder unter 14 mit 0,3 bewertet.

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Reinhold Russinger (Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617901 Zum Vergrößern klicken http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617906 Zum Vergrößern klicken http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617915 Zum Vergrößern klicken http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617862 Schule im Wandel? Wie wandeln? Wohin wandeln? Unterrichtsministerin Claudia Schmied ist ehrgeizig. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, das Riesenreformprojekt "Schulreform zum Wohle unserer Kinder" auf den Weg zu bringen. Tatsächlich ist es in den letzten drei Jahren gelungen, wichtige Meilensteine (Lehre mit Matura, Zentralmatura, "Neue Mittelschule", Ausbau ganztägiger Schulangebote) zu setzen; für viele Anliegen war es zudem erst einmal wichtig, dass sie überhaupt auf die politische Tagesordnung kommen (z. B. Wiederholen einer Klasse ersetzen durch individuelle Förderung in den Problemfächern).
Dazu kommen umsetzungsreife Konzepte zu LehrerInnenausbildung, LehrerInnendienst- und besoldungsrecht, Schulverwaltungsreform, Schulinvestitionsprogramm. Für zusätzliche ganztägige Schulplätze und das Schulinvestitionsprogramm ist zusätzliches Geld1 locker gemacht worden und steht bereit.

Ein Drittel RisikoschülerInnen

Über unser Schulwesen wird viel geredet. Das wichtigste, alarmierendste und gleichzeitig beschämendste Problem ist wohl: Ein Drittel der SchülerInnen sind nach neun Jahren Schulpflicht RisikoschülerInnen, kann nicht sinnzusammenhängend lesen, nicht ausreichend rechnen und steht in grundlegenden Fragen etwa bei den Naturwissenschaften "auf der Seife".
Politische Widerstände verpackt als pädagogische Vorbehalte hindern am Weiterkommen. Einige wenige Lobbygruppen halten an Standesdünkeln, am konservativen Familienbild ("Mütter als die Nachhilfelehrerinnen der Nation") und unzeitgemäßen Arbeitsweisen des LehrerInnenberufs (Frontalunterricht) fest. Leitsatz fortschrittlicher Schulpolitik: Im Mittelpunkt die SchülerInnen klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Wir brauchen LehrerInnen, DirektorInnen, Schulverwaltungen und Ministerien im Schulsystem, die sich an Wertschätzung, Engagement, humanistischen Bildungszielen, an einem Menschenbild der Gleichberechtigung und Solidarität orientieren.
Viele Schulen denken an die Auslastung ihrer LehrerInnen, ihren guten Ruf, an den Wettbewerb im Kampf um SchülerInnen,  vor allem "problemlose" SchülerInnen. Diese Anliegen haben ihre Berechtigung. Nur: da ist wohl der grundlegende Sinn der Einrichtung aus den Augen verloren worden. Es geht nicht um einen Wettbewerb um die "Besten", sondern Schulen sollten es als ihre Aufgabe sehen, die besten Begabungen und Neigungen aller SchülerInnen zu fördern. Die "alte" Herausforderung an das grundlegend liberale Gerechtigkeitsempfinden - Chancengleichheit unabhängig von sozialer Herkunft beim Zugang zu Bildung - ist um neue Herausforderungen angereichert: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund aus häufig bildungsbenachteiligten Elternhäusern sind die größte schulische Herausforderung an Zusammenhalt, Demokratie und Entwicklungsgeist. Dieser muss sich die Schule wieder annehmen.
LehrerInnen sind nicht nur Vortragende für SchülerInnen, die am Vormittag an Wissen aufnehmen, was sie wollen oder können. Die Schule muss zum eigenständigen Wissenserwerb motivieren und junge Menschen auf eine Welt vorbereiten, die es noch nicht gibt. Die Fähigkeit, bisher unbekannte Fragestellungen zu lösen und in Interaktion mit anderen zu agieren, sind die Schlüsselkompetenzen der Gegenwart und Zukunft. Es bedarf weniger an zusätzlichem "Wissen" als vielmehr zusätzlicher Bildung, an Wissen um Zusammenhänge und der Fähigkeit, Informationen einordnen und bewerten zu können. Last, but keineswegs least: Demokratie lernen.
Demokratie ist kein Gegenstand, sondern eine Lebensform. Und das geht heute über gemeinsam Lernen: Vielfalt ist eine Chance, sei es in Bezug auf Lernbegabung, auf ethnische Zugehörigkeit, auf Geschlecht, auf sozialen Hintergrund. Hehre Ziele, aber wo ansetzen? Gleichzeitigkeit ist angebracht. Einzelprojekte gehen unter im Meer der "alten" Schule; da schlägt die "alte" Welle darüber zusammen. Viele neue Enttäuschungen sind dem Schulwesen nicht mehr zuzumuten.

Der Schlüssel sind die LehrerInnen

Nur Menschen, die sich für dieses anspruchsvolle Arbeitsfeld eignen und qualifizieren, sollen LehrerInnen werden. Mehr Menschen mit Migrationshintergrund, die als Brücke für eine interkulturelle SchülerInnenpopulation dienen, und mehr Männer sollen für den Beruf begeistert werden. An größeren Schulstandorten soll die Einführung eines mittleren Managements die Schulleitung unterstützen, um die LehrerInnen von administrativen Tätigkeiten freizuspielen.  Weitere Unterstützung soll durch den Einsatz von Berufsgruppen wie z. B. SozialarbeiterInnen erfolgen.
Der Arbeitsplatz der LehrerInnen ist an der Schule: dort sind LehrerInnen ansprechbar für SchülerInnen zu Lernen, Üben, Vertiefen, Nachfragen. Und auch LehrerInnen gehen ohne Schultasche nach Hause, weil ihr Auftrag nach einem ereignisreichen Arbeitstag erledigt ist. Zwei Schultypen für eine Altersgruppe vertiefen soziale Unterschiede und legen viel zu früh fest, welche Bildungswege wem künftig offenstehen. An die Hochschule kommen HauptschülerInnen zu 25 Prozent im Vergleich zu 75 Prozent der AHS-UnterstufenschülerInnen. Um keine Unklarheit aufkommen zu lassen: HauptschülerInnen sind benachteiligt, nicht unintelligenter.
In der gemeinsamen Schule wird auf unterschiedliche Lernbedürfnisse eingegangen. Talent und Neigung werden im sozialen Rahmen individuell gefördert.
Von den Hochbegabten bis zu SchülerInnen mit Lernproblemen und Behinderungen werden alle bestmöglich nach Bedarf in Kleingruppen, im Einzelunterricht, in der Klasse, in Neigungsgruppen unterrichtet.

Ganztägige Schulformen

Ganztägige Schulformen unterstützen die ganzheitliche Entwicklung der SchülerInnen, sie entlasten Eltern von der Überforderung neben Beruf und Kindererziehung auch noch umfassende Lernförderung zu übernehmen. Ein sinnvoll abgestimmtes Angebot von Lernen, Wiederholen und Üben sowie freizeitpädagogischer Akzente mit sportlichen, kreativen und musischen Aktivitäten stellt sicher, dass den Kindern mehr Zeit und Raum gewidmet wird.
"Jedes Kind hat drei Lehrer: Der erste Lehrer sind die anderen Kinder, der zweite Lehrer ist der Lehrer selbst und der dritte Lehrer ist der Schulraum (schwedisches Schulverständnis)."
Die Schule soll schön, architektonisch anspruchsvoll, viel Platz bieten und als ein Ort der Kreativität konzipiert sein. Schulen sollen zum Zentrum kultureller Bildung und Innovation weit über den Schulalltag hinaus werden.
Die Erneuerung der Lehr- und Lernmethoden schließt den Bogen hin zur "neuen" Schule. Statt Zugang und Aufstieg zu beschränken, sollen Zeugnisse und Rückmeldungen motivieren. Noten sind für Förderung und Entwicklung von Kreativität, von sportlicher Betätigung nicht weiter sinnvoll.
Individualisierung des Unterrichts - kein Sitzenbleiben mehr: in den Oberstufen Unterricht im Kurssystem wie an der Universität. Bei unzureichenden Leistungen in einem Modul wird das Modul wiederholt und nicht die gesamte Schulstufe.
Eine moderne Schulverwaltung gibt Unterstützung und zieht die Grenzen der Schulautonomie dort, wo der gleichberechtigte öffentliche Zugang behindert wird. Nicht mehr und nicht weniger. Ein engagiertes Schulteam in einer Region ist allein in der Lage, sich um das Wohl der SchülerInnen ohne große bürokratische Vorgaben bestmöglich zu kümmern. Unterstützung aber dort, wo das größte Wollen auf soziale oder pädagogische Schranken trifft. Sogenannte "Brennpunktschulen" mit den Kindern der Bildungsfernen, der sozial Benachteiligten brauchen mehr LehrerInnen, mehr Geld, mehr Zusatzhilfen.
Und dies ist die größte Herausforderung an eine demokratische, eine solidarische Gesellschaft: dass jene, die mehr brauchen in der Schule auch mehr bekommen.

Internet:
Österreichs Plattform für Bildung
www.bildungsdeck.at 
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1 320 Mio. EUR bis 2015 für den Ausbau ganztägiger Betreuungsformen; 1,8 Mrd. EUR bis 2018 Schul-Infrastruktur

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Gabriele Schmid (Abteilungsleiterin Bildungspolitik der AK Wien) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617808 Ein Drittel der SchülerInnen sind nach neun Jahren Schulpflicht RisikoschülerInnen, kann nicht sinnzusammenhängend lesen, nicht ausreichend rechnen und steht in grundlegenden Fragen etwa bei den Naturwissenschaften "auf der Seife". http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617755 Arbeiten können, Arbeit haben In Bad Ischl treffen einander laufend Monarchisten in der Kaiservilla und einmal jährlich die Sozialpartner im Kongress- und Theaterhaus. Während die letzten Kaisertreuen in der Vergangenheit schwelgen, sind ÖGB, AK, Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer zukunftsorientierter. Heuer fand der Bad Ischler Dialog der Sozialpartner am 10. und 11. Oktober statt, und es ging um die Altersversorgung, also um die Sicherung des öffentlichen Pensionssystems. Der Auftrag dazu kam von der Bundesregierung, und die Sozialpartner haben sich trotz naturgemäß widersprüchlicher Interessen auf gemeinsame Positionen geeinigt, damit das faktische Pensionsalter steigen kann. Jetzt ist wieder die Regierung am Zug. Setzt sie die Vorschläge der Sozialpartner um, wird das öffentliche Pensionssystem auch langfristig finanzierbar sein.

Hauptproblem Invalidität

Die Ausgangslage sieht auf den ersten Blick trist aus. Das Pensionsantrittsalter lag 2010 im Schnitt bei 58,2 Jahren (Männer 59,1 und Frauen 57,1) - deutlich schlechtere Werte als im Schnitt der OECD-Länder. Dazu kommt: Die Menschen werden älter, durch steigende Lebenserwartung und weil in den kommenden Jahren geburtenstarke Jahrgänge ins Pensionsalter kommen werden. WKÖ-Präsident Christoph Leitl warnt: "Künftig wird laut Hochrechnungen auf zwei Erwerbstätige ein/e PensionistIn kommen. Heute beträgt das Verhältnis noch 4:1." Auf 1.000 Personen im Erwerbsalter zwischen 15 und unter 65 werden dann voraussichtlich 480 ältere und alte Personen entfallen (demografische Altersquote), heute sind es 260.
Die einfache Herangehensweise wäre, einfach per Gesetz das Pensionsalter hinaufzusetzen. Das bringt aber nichts, wie die Pensionsreformen 2000 und 2003 gezeigt haben: Das faktische Antrittsalter hat sich dadurch kaum verändert. Denn "um später in Pension gehen zu können, brauchen die Menschen zwei Dinge: Gesundheit und einen Arbeitsplatz. Es geht darum: Arbeiten können, Arbeit haben", sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar bei der Präsentation der Sozialpartnervorschläge in Bad Ischl. Eine aktuelle Auswertung der Pensionsversicherung hat ergeben, dass ein Großteil der Invaliditätspensionszugänge aus Langzeitarbeitslosigkeit erfolgt.
Um das faktische Pensionsantrittsalter zu erhöhen, haben sich die Sozialpartner auf "ein ganzes Bündel von Maßnahmen geeinigt, die wie ein Getriebe ineinander greifen", so Foglar. Das Hauptproblem sei die große Anzahl an InvaliditätspensionistInnen, die das Durchschnittsalter drücken würden. Im Jahr 2010 wurden 18.000 Anträge auf Invaliditätspension gestellt, 7.465 wurden zuerkannt (85 Prozent davon befristet), rund 10.000 Anträge wurden abgelehnt. Anzusetzen gilt es zum Beispiel bei psychischen Krankheiten, die bereits Spitze bei den Anträgen auf I-Pension sind. 54 von 100 neuen Invaliditäts- bzw. ArbeitsunfähigkeitspensionistInnen zwischen 15 bis 49 Jahren müssen wegen psychiatrischer Erkrankungen in Pension gehen. Foglar: "Man kann nur bei der Gesundheit ansetzen, bei der Arbeitsfähigkeit und beim Arbeitsplatz. Ziel der Gewerkschaft war immer: Gesund in die Arbeit, gesund von der Arbeit. Die Menschen brauchen einen Arbeitsplatz, auf dem sie auch bis zum Regelpensionsalter bleiben können."

Schon bei den Jungen anfangen

Wenn man will, dass die Menschen länger arbeiten können, muss man bei denjenigen ansetzen, die noch gesund sind, also bei den Jungen. Die Bad Ischler Einigung der Sozialpartner sieht daher konkrete Maßnahmen für die 15- bis 49-Jährigen vor. Zum Beispiel sollen die Belastungen in den Betrieben laufend erhoben werden; der Umstieg auf weniger belastende Tätigkeiten soll gefördert werden. Wer im neuen Job dann weniger verdient als im alten, soll eine Förderung bekommen.
Damit der Umstieg gut vorbereitet ist, wollen die Sozialpartner, dass ArbeitnehmerInnen in belastungsintensiven Berufen schon ab 35 Jahren an entsprechenden Weiterbildungen teilnehmen, zum Beispiel alle zwei Jahre zwei Wochen lang. Wenn jemand 40 oder mehr Tage in einem Jahr in Krankenstand geht, soll die Krankenkasse Alarm schlagen und den Betroffenen eine verpflichtende Beratung zur Verfügung stellen. So kann spätere Invalidität vermieden werden.
"Die Menschen wollen nicht krank und arbeitslos auf die Pension warten - sie wollen gesund auf einem guten Arbeitsplatz ihren Lebensunterhalt verdienen", sagte AK-Präsident Herbert Tumpel, "daher muss man alles tun, damit die Menschen einen Arbeitsplatz haben und arbeiten können." Je besser die Ausbildung, desto besser die Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ein weiterer wesentlicher Faktor für die Bewältigung der demografischen Entwicklung ist das Ausschöpfen der Beschäftigungspotenziale bei allen Bevölkerungsgruppen, speziell bei Jugendlichen, Älteren, Frauen und MigrantInnen. Die Erwerbstätigkeit der Frauen muss durch noch bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Beruf auf skandinavisches Niveau angehoben werden.

Wer länger bleibt, kriegt mehr

Darüber hinaus soll es auch Zuckerl geben: Die Sozialpartner empfehlen Anreize für ArbeitnehmerInnen, die länger arbeiten als bis zum erstmöglichen Pensionsantrittsalter. Könnte jemand etwa die Hacklerregelung von den Voraussetzungen her antreten und tut das nicht, bekommt er fürs erste Jahr eine Prämie von 2.000 Euro, fürs zweite von 3.000 und fürs dritte Jahr von 4.000 Euro. Zusätzlich steigt die Pension entsprechend. Für die Arbeitgeber gibt es dieselbe Prämie. Auch eine "Teilpension" soll es geben: halbe Arbeitszeit, halbe Pension. Das Modell soll versicherungsmathematisch neutral sein und auf eine längere Beschäftigung abzielen. Ein weiterer Ansatzpunkt: Information. Alle ab 55 sollen wissen, wann sie frühestens in Pension gehen können, wie viel Pension sie dann bekämen - und um wie viel mehr, wenn sie länger im Job bleiben würden. Um die Pensionsrechnung einfacher und transparenter zu machen, wäre ein schnellerer Umstieg ins Pensionskonto ein wichtiger Beitrag, denn aufgrund der sich überlagernden Pensionsreformen der vergangenen Jahre ist das Pensionsberechnungssystem für die Einzelnen auch kaum nachvollziehbar. Die Pensionsberechnung muss vereinfacht werden, damit für die Versicherten klar darstellbar ist, dass sich ein längerer Verbleib im Erwerbsleben für die Pensionshöhe lohnt.
Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen ausreichend finanziert und vollständig umgesetzt, kann nach Ansicht der Sozialpartner das faktische Pensionsantrittsalter unter Einrechnung schon beschlossener Maßnahmen in den nächsten zehn Jahren um zwei Jahre angehoben werden. Laut WKÖ-Präsident Leitl bringt es 1,5 Milliarden Euro Einsparung. Kurzfristig wird das Pensionspaket aber Geld kosten, zum Beispiel für den Ausbau der Rehabilitation oder für Prämien und Umschulungskosten. "Diese Investitionen sind aber zu rechtfertigen, weil sie in den kommenden Jahren eine deutliche Erhöhung des faktischen Pensionsantrittsalters mit sich bringen werden", sagte Foglar.
Die zuständigen Minister, ebenfalls nach Bad Ischl gereist, unterstützen die Forderungen der Sozialpartner: Sozialminister Rudolf Hundstorfer, der ÖGB und Kammern um Vorschläge gebeten hatte, erklärte, die Maßnahmen würden sicher ausreichen, dass man im kommenden Jahrzehnt das Antrittsalter um zwei Jahre heben könnte. Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sprach von einem positiven Ansatzpunkt. Explizit unterstützt wurde von ihm das Prinzip Rehab vor Zwangsmaßnahmen. Umsetzungsgespräche auf ExpertInnenebene wurden in den beiden Ministerien bereits gestartet. Jedenfalls der konstruktivere Weg, als die zahlreichen Unkenrufe, wonach all die Sozialpartnervorschläge zu wenig seien und ohnehin nichts brächten.

Umsetzen statt nur kritisieren

Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, kritisierte die Kritiker: "Deren Vorschläge zielen nur darauf ab, Pensionen zu kürzen, aber niemand hat Vorschläge gemacht, wie man Betriebe dazu bringen kann, die Menschen länger zu beschäftigen. Aber wenn jemand keinen Arbeitsplatz hat oder zu krank zum Arbeiten ist und nicht in Pension gehen kann, werden nur die Kosten zwischen Arbeitslosen-, Kranken- und Pensionsversicherung verschoben. Das wäre keine nachhaltige Reform."

Internet:
Alle Sozialpartner-Vorschläge für das Pensionssystem:
www.sozialpartner.at 
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oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Florian Kräftner (Redakteur im ÖGB-Referat für Öffentlichkeitsarbeit) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617741 Zum Beispiel sollen die Belastungen in den Betrieben laufend erhoben werden; der Umstieg auf weniger belastende Tätigkeiten soll gefördert werden. Wer im neuen Job dann weniger verdient als im alten, soll eine Förderung bekommen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617699 Sozialpartner: Vom Konsens zum Konflikt zur Normalität Die diesjährige Lohnverhandlungsrunde in der Metallindustrie für ca. 165.000 Beschäftigte hat in der medialen Öffentlichkeit zu einer teilweisen Neubeurteilung der österreichischen Sozialpartnerschaft geführt. Die offenbar relativ rasch nach Verhandlungsbeginn getroffene Streikentscheidung der Gewerkschaft sorgte für eine Diskussion über das mögliche Ende eines bislang konfliktarmen Zusammenwirkens von Gewerkschaftsbund und Wirtschaftskammer. Hintergrund dieser Ereignisse ist ein komplexes Gemenge aus ökonomischer Realität und politökonomischer Inszenierung.

Bilaterales Monopol

Die Struktur von Kollektivvertragsverhandlungen entspricht der Theorie der Verhandlung nach einem sogenannten bilateralen Monopol: Keine der beiden Seiten hat einen alternativen Verhandlungs- und Vertragspartner, man ist also aufeinander angewiesen. Die Aufteilung der Verhandlungsmacht auf die beiden Akteursgruppen ist gemäß makroökonomischen Arbeitsmarktmodellen über die Arbeitslosenquote zunächst einmal realwirtschaftlich fundiert.
Darüber hinaus spielen aber politökonomische Zusammenhänge eine wichtige Rolle. Trotz diametraler Interessenunterschiede bei der Frage nach der Verteilung der Ressourcen (Geld, Zeit und Verfügungsmacht) sind die Verhandlungsstrategien durchaus ähnlich: Wer schafft es besser, die eigenen Interessen als im Sinne des Gemeinwohls darzustellen? Dabei argumentieren die Unternehmen angebotsseitig (preisliche Wettbewerbsfähigkeit halten oder erhöhen) und die ArbeitnehmerInnen nachfrageseitig (Kaufkraft halten oder erhöhen). Beide Argumente sind zusammen richtig und isoliert jeweils falsch. Trotzdem liegt die Lösung auch nicht einfach in der Mitte, sondern ist dynamischen Veränderungen unterworfen.
Die zunehmende Offenheit der österreichischen Volkswirtschaft infolge des Europäischen Binnenmarktes sowie der Ostöffnung verschob den Kompromiss zugunsten der Unternehmen. Diese können nunmehr niedrigen Löhnen und daraus folgender mangelnder Inlandsnachfrage mittels steigenden Exporten begegnen und hohen Löhnen mit Produktions- oder gar Betriebsverlagerung antworten. Entsprechende Exit-Optionen fehlen auf ArbeitnehmerInnenseite, vor allem bei den Niedrigqualifizierten.
Während die grundsätzlichen Parameter der Verhandlung, vergangene und zukünftig zu erwartende Inflationsrate sowie Produktivitätsfortschritt des vergangenen Jahres, einigermaßen klar sind, schafft vor allem die Tatsache, dass die verhandelten Löhne in der Zukunft, d. h. unter potenziell sehr divergenten ökonomischen Umfeldbedingungen bezahlt werden müssen, Probleme. Das wurde bei den Verhandlungen deutlich: Während die Gewerkschaft eine Abgeltung für das sehr gute vorige Jahr argumentierte, warnten die Unternehmen vor der aufziehenden konjunkturellen Schlechtwetterlage. So hat diese möglicherweise drastische konjunkturelle Trendumkehr zusammen mit der generell höchst unsicheren und krisenhaften Lage in Europa die Verhandlungen signifikant erschwert. Hinzu kommt, dass das Verhandlungsergebnis selbst Einfluss auf die Größe des zu verteilenden Kuchens nimmt, weil die festgelegten Preise in Form von Lohnsätzen auf die am Arbeitsmarkt gehandelten Mengen in Form von Arbeitsstunden einwirken. Kommt es etwa aufgrund eines sich im Nachhinein als zu hoch herausstellenden Abschlusses zur Pleite von Unternehmen, reduziert sich der Kuchendurchmesser. Auch wurde in der aktuellen Diskussion angeführt, dass Streiks über darauf folgende Investitionszurückhaltung der Unternehmen ebenfalls negativ auf die Kuchengröße einwirken könnten.

Kampforganisation Gewerkschaft

Die Lohnverhandlungen der Metaller haben damit in mehrerlei Hinsicht "Normalität" signalisiert: Erstens sind die Gewerkschaften letztlich Kampforganisation; ihre strategische Ressource und Geschäftsbasis ist die Institution des Streiks. Diese wurde durch jüngst ergangene Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Streikrecht entscheidend gestärkt. Dass der Streik gerade in härteren Zeiten auch zum Einsatz kommt, sollte niemanden überraschen. Es ist ja auch keineswegs so, dass die Unternehmensseite ohne Druck- und Drohgebärden auskommen muss, im Gegenteil: Die Drohung der Abwanderung und Verlagerung einzelner Produktionsschritte (Outsourcing) ist durch größere Güter- und Kapitalmobilität glaubwürdiger geworden und wird von Arbeitgeberseite strategisch ausgenutzt, um ökonomische Renten zu den eigenen Gunsten zu verteilen. Diese Verlagerungsdrohung hat das Instrument der Aussperrung von ArbeitnehmerInnen als traditionelles Pendant zum Streik auf Unternehmensseite weitgehend abgelöst und gehört mittlerweile zur alltäglichen Lobbying-Maschinerie der Unternehmerschaft. Tatsächlich wurden dadurch viele Flexibilisierungsvorhaben und Lohnzurückhaltungsforderungen erfolgreich durchgesetzt. Freilich wirkt das Instrument der Verlagerungsdrohung etwas eleganter als der Streik und kann zudem mit Sachzwängen hervorragend argumentiert werden. Wer kennt schon tatsächlich die Kostenrechnungen der Unternehmen, um die Plausibilität der Argumente zu überprüfen?
Zweitens hat sich auch gezeigt, dass Kapital und Arbeit in Verteilungsfragen nach wie vor diametral unterschiedliche Interessenlagen haben. Auch das sollte ja eigentlich nicht wirklich verwundern. Im Gegenteil, sorgt doch der Standortwettbewerb für neue akzentuierte Ungleichheiten und wachsenden Druck auf Unternehmen und ArbeitnehmerInnen.
Drittens hat das zeitliche Aufeinandertreffen eines konjunkturell sehr guten Jahres, auf das möglicherweise ein deutlich unterdurchschnittliches Jahr folgen wird, zusammen mit stark erhöhter, globaler makroökonomischer Unsicherheit zusätzliche Komplexität für die verhandelnden Akteure verursacht.
Viertens ist zu berücksichtigen, dass Verhandlungen zwischen stets gleichen Vertragspartnern Verrechnungen über die Zeit hinweg ermöglichen. Die hervorragenden Exportleistungen der heimischen Industrie sind nämlich auch das Ergebnis einer Politik der Lohnzurückhaltung relativ zu den Handelspartnern. Durch die Nichtweitergabe von Produktivitätsgewinnen in den vergangenen Jahren wurden die relativen Lohnstückkosten der heimischen Industrie immer konkurrenzfähiger: Im Durchschnitt der Jahre 2005-2010 nahmen diese Kosten in Österreich nur um 0,5 Prozent pro Jahr zu, beim Exportweltmeister Deutschland um 1,6 Prozent. Diese Phase der lohnpolitischen Austerität und der damit verbundenen Außenhandelsgewinne sollte nach Ansicht der Gewerkschaft nunmehr auch an die ArbeitnehmerInnen weitergegeben werden. Fakt ist weiterhin, dass diese Lohnpolitik ohnehin nur deswegen funktioniert, weil nicht alle Staaten gleichzeitig eine solche Strategie verfolgen, sondern eben ihre Löhne entsprechend der Produktivitätsentwicklung -oder noch höher, was auch nicht gut ist (siehe Griechenland) - anpassen. Insofern legt auch die ökonomische Vernunft im Sinne einer Re-Balancierung europäischer Leistungsbilanzen ein Umdenken nahe.
Last but not least sorgt die ständige Lohnzurückhaltung auch für fragwürdige Innovationsanreize, weil anstatt neuen und besseren Produkten und Produktionsmethoden billigere Arbeitskräfte eingesetzt werden können. Anstatt durch lohnkostengetriebene Exporterfolge sollte Österreich vor allem mittels innovativer Produkte und Produktionsverfahren auf den Weltmärkten reüssieren. So könnte der Weg zum Innovation-Leader, Ziel der Bundesregierung bis 2020, schwieriger werden.

Neue Konflikte sind zu erwarten

Zusammengenommen bleibt daher eigentlich wenig Überraschendes unter der Sonne. Neue Konflikte sind vor diesem Hintergrund gleichsam zu erwarten. Dass diese aber nach wie vor auf signifikant geringerem Eskalationsniveau als in den meisten anderen Staaten ablaufen, bestätigt nur die hohe Kompetenz der Sozialpartner, auch komplexe Aushandlungsprozesse tendenziell in eine Win-win-Situation umzuwandeln.

Internet:
Aktionsseite zum Streik
www.streik.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung
an den Autor
christian.reiner@joanneum.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Christian Reiner (Wirtschaftsforscher in Wien) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617688 Während die Gewerkschaft eine Abgeltung für das sehr gute vorige Jahr argumentierte, warnten die Unternehmen vor der aufziehenden konjunkturellen Schlechtwetterlage. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617667 Zahlen, Daten, Fakten Unter Downloads gibt es

Zahlen, Daten, Fakten

  • Arbeitsmarkt - Wie ist Ihre Erwartung für die nächsten 12 Monate?
  • Haben die (negativen) Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf den Arbeitsmarkt ihren Höhepunkt bereits erreicht oder überschritten?
  • Wie ist die finanzielle Situation Ihres Haushalts, wie hat sie sich entwickelt?
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Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617637 Respekt! - kein Platz für Rassismus Die Initiative "Respekt! - kein Platz für Rassismus" wird von der IG Metall seit März 2011 unterstützt. Die Initiative hat in kurzer Zeit eine relativ hohe Aufmerksamkeit erzielt. Sie behandelt das Thema Respekt und Rassismus im Alltag. Mithilfe der IG Metall wird das Thema mit großer Resonanz in die betriebliche Öffentlichkeit getragen. Die Diskussionen auf diversen Veranstaltungen zeigen: Das Thema "Respekt" trifft einen Nerv. Es gibt das Bedürfnis, über Anerkennung und Respekt im betrieblichen und gesellschaftlichen Alltag zu diskutieren.

Start am grünen Rasen

Der Bereich der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit hat die Initiative mit seinem Vorstandsmitglied Bertin Eichler vorangetrieben. Er hat sich dafür stark gemacht, dass wir die Kooperation eingehen und gestalten konnten: "Nirgendwo sonst kommen im täglichen Leben so viele Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Kultur zusammen, wie in der Arbeitswelt. Wir wollen einen respektvollen Umgang auf allen Hierarchiestufen - sowohl bei den MitarbeiterInnen untereinander als auch von Vorgesetzten gegenüber ihren MitarbeiterInnen und natürlich auch gegenüber ihren Leistungen." Die Frankfurter Initiative "Respekt! - kein Platz für Rassismus"1 hat ihre Wurzeln im Sport. Mit der ursprünglichen Botschaft "Kein Platz für Rassismus" ging es zunächst darum, bei den Fußball-Fans für mehr Respekt auf dem grünen Rasen zu werben. Rassistische Pöbeleien oder schwulenfeindliche Sprüche sind oft Alltag in den Fußballstadien. Nachdem das Respekt-Schild in vielen Fußballstadien öffentlichkeitswirksam aufgehängt wurde, ist die Idee 2009 weiter entwickelt worden, und aus dem Gebot wurde eine Botschaft "Respekt!". Viele MitstreiterInnen und BotschafterInnen aus Sport und Kultur, wie zum Beispiel Jürgen Klopp, Trainer von Borussia Dortmund, und Schauspieler Peter Lohmeyer, der ZDF-Sportjournalist Thomas Wark, der Comedian Bülent Ceylan, unterstützen seitdem mit vielen anderen Prominenten tatkräftig die Initiative. Neue Schirmherrin ist die ehemalige Fußballnationalspielerin Sandra Minnert. Sie ist Nachfolgerin von Steffi Jones, die weiterhin engagierte Botschafterin bleibt. Die Aktion hat eigene Leitlinien und wird über verschiedene Kanäle verbreitet. Empfehlenswert ist ein Blick auf die Internetseite www.respekt.tv. Augenfällig ist das Metallschild, das mit einfachen Worten zum Denken und Handeln aufrufen soll. Ziel ist es, das Schild in vielen Betrieben, Schulen, Sportvereinen und anderen öffentlichen Einrichtungen anzubringen.
Über 450.000 Menschen haben seit März 2011 an Veranstaltungen der IG Metall teilgenommen, bei denen die Initiative vorgestellt, Schilder angebracht oder Diskussionen zum Thema geführt wurden. Bei Veranstaltungen wie Betriebsversammlungen, Sommerfesten, Fußballturnieren, JugendvertreterInnen-Versammlungen, Delegiertenversammlungen etc. wurde die Initiative aufgegriffen, um das Thema Ungleichheit im Betrieb an unterschiedlichen Punkten aufzuzeigen. Hier ging es um Themen wie die Übernahme nach der Ausbildung, die Situation der LeiharbeitnehmerInnen, Karrierechancen von Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund. Die "Respekt!"-Initiative verstehen wir als Kommunikationsplattform für die Diskussion dieser Themen von struktureller Ungleichheit und Diskriminierung im Betrieb.

Einladung zur Beteiligung

Die große Resonanz ist aus meiner Sicht darauf zurückzuführen, dass das Konzept einfach und gestaltungsoffen ist. Alle Interessierten sind eingeladen sich zu beteiligen, es gibt keine Vorgaben. Es wurden Filme gedreht, Kreativworkshops zum Thema organisiert und vieles mehr. VW Braunschweig hat mit 1.000 KollegInnen im Rahmen einer Betiebsversammlung eine imposante Aktion gemacht. Es gab viele KollegInnen, die eigeninitiativ ihre Kontakte zu Sportvereinen aktiviert haben, um gemeinsame Veranstaltungen zu organisieren. Es gibt seit vielen Jahren die verschiedensten gewerkschaftlichen Initiativen, wie zum Beispiel "Die Gelbe Hand", das Netzwerk für Demokratie und Courage, die Kulturmittler bei Thyssen-Krupp oder der Anti-Rassistische Arbeitskreis der IG-Metall-Jugend, die sich aktiv mit Ausgrenzung und der Bekämpfung von rechtsradikalen Tendenzen beschäftigen und sensibilisieren wollen. Ihre Arbeit verdient Respekt und mehr Aufmerksamkeit. Dazu will die Initiative beitragen. Auch die Arbeitgeberseite hat in den meisten Fällen sehr positiv auf die Initiative reagiert, denn sie hat auch Interesse an einem guten Betriebsklima.

Erfrischende Initiative

Die Strategie, mit anderen etwas gemeinsam zu machen, die normalerweise nicht so viel mit Gewerkschaften zu tun haben, ist erfrischend und vitalisierend. Der Wertekanon der Gewerkschaften setzt sich nicht erst seit dieser Initiative mit den Themen Gerechtigkeit, Respekt und Anerkennung auseinander. Aber das bringt nur begrenzt Nutzen, wenn unser Image immer noch altbacken und unattraktiv ist. Durch die Zusammenarbeit mit SportlerInnen, KünstlerInnen, SchauspielerInnen und aktiven Menschen aus anderen Lebenswelten haben wir uns die Chance eröffnet, andere an unserer gewerkschaftlichen Kultur zu beteiligen. Wesentlich ist auch, dass die "Respekt!"-Initiatoren um Lothar Rudolf großen Wert darauf legen, dass das Ganze auch Spaß machen darf, witzig und frech sein kann. Neben dem erfrischenden Rap von Irie Révoltés gibt es jetzt einen zweiten Song zur Initiative von der Frankfurter Bluessängerin Kaye-Ree. Stellvertretend hervorheben möchte ich eine Respekt-Anzeige in der Frankfurter Rundschau (22. 9. 2011) mit den Betriebsratsvorsitzenden Uwe Hück von Porsche und Bernd Osterloh von VW. Dazu gibt es auch ein Video, das seine Wirkung nicht verfehlt.
Dass wir als IG Metall auch bunt, vielfältig und auch weiblich sind, beweist der im Rahmen der Kooperation gerade veröffentlichte zweite Band "Respekt! 100 Frauen - 100 Geschichten". In diesem Buch kommen neben vielen spannenden, bekannten und unbekannten Frauen auch 30 Kolleginnen aus dem Organisationsbereich der IG Metall zu Wort. Hier zeigt sich deutlich, wie vielschichtig und persönlich der Zugang zum eigenen Wertesystem verankert ist.
Für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit ist es eine dankbare Herausforderung mit Bildungsangeboten die Respekt-Initiative zu unterfüttern, um für Nachhaltigkeit zu sorgen. Unsere Position war von Anfang an, dass es mit einer Schildanbringung nicht getan ist. Die Aktion ist ein Anlass, um auf schwierige Themen im Betrieb zu schauen und sie dann auch zu bearbeiten. Hier arbeiten wir eng mit dem Ressort Migration und der Betriebspolitik zusammen. Ziel sind u. a. Betriebsvereinbarungen zum partnerschaftlichen Verhalten oder gegen Diskriminierung im Betrieb. Unsere Bildungsangebote beinhalten Argumentationstrainings gegen rechts, die Sensibilisierung für Ungleichheiten im Betrieb und in der Gesellschaft, und wir fördern die Entwicklung interkultureller Kompetenzen. Darüber hinaus haben wir für betriebliche MultiplikatorInnen Workshops organisiert, um sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Kurz und gut, für uns geht die eigentliche Arbeit jetzt erst richtig los! Wichtig ist uns dabei, interessierte Mitglieder, Vertrauensleute, BetriebsrätInnen und JugendvertreterInnen zu erreichen!

Fazit und Ausblick

Wir machen weiter, bringen Schilder an, gehen auf betriebliche Veranstaltungen und arbeiten in Bildungsveranstaltungen an den Anliegen der Beschäftigten. Für nächstes Jahr sind wieder einige Highlights geplant, u. a. ein bundesweiter Wettbewerb, der sich an die junge Generation und ihr Verhältnis zum Thema Respekt richtet. Die Initiative "Respekt! - kein Platz für Rassismus" leistet einen wertvollen kulturellen Beitrag für eine bessere Arbeitswelt!

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Respekt!-Schild
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1Initiator der Initiative ist Lothar Rudolf, Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Respekt, gelernter Schriftsetzer und Inhaber einer Medienagentur in Frankfurt.

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Ulrike Obermayr (Bereichsleiterin der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit beim Vorstand der IG Metall) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617623 Augenfällig ist das Metallschild, das mit einfachen Worten zum Denken und Handeln aufrufen soll. Ziel ist es, das Schild an vielen Betrieben, Schulen, Sportvereinen und anderen öffentlichen Einrichtungen anzubringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617631 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617606 Fremde Nachbarn Wir schreiben den Oktober 2009: Eine Gruppe von KleingärtnerInnen aus Wiener Neustadt hat beschlossen, den Kampf gegen ein geplantes islamisch-türkisches Zentrum in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aufzunehmen. Sie nennen sich fortan die Gartengallier, den (SP-)Bürgermeister nur noch Imperatorix und finden bald MitstreiterInnen unter den GemeindepolitikerInnen.
Die Website der Gartengallier ist äußerst umfangreich; laufend informieren Scheiberix, Schülerix & Co. Interessierte über den Stand der mittlerweile begonnenen Bauarbeiten. Lieferwägen und BaustellenbesucherInnen werden fotografiert etc. Auf den ersten Blick erscheint manches vielleicht sogar ganz witzig, doch man braucht angesichts der gallischen Rundumschläge gegen die Stadtregierung, die Grünen, die SPÖ, die EU und viele mehr kein außergewöhnliches psychologisches Einfühlungsvermögen, um zu vermuten, dass die Chancen für ein Aufeinanderzugehen, für gute Nachbarschaft hier äußerst gering sind.

Der Kampf geht weiter

Ein Mediationsverfahren wurde ohne konkretes Ergebnis beendet. Ende 2010 wurde die Baugenehmigung - mit einigen freiwilligen Änderungen seitens des türkischen Vereins Havas - erteilt. Die Gartengallier bleiben weiter wachsam, bei den nächsten Gemeinderatswahlen möchten sie für den Gemeinderat kandidieren.
Ein ähnlich großes islamisch-türkisches Kulturzentrum (mit Einkaufsladen, Schulungs- und Gebetsräumen plus Kindergarten) wird demnächst in Wien-Floridsdorf entstehen. Die AktivistInnen der dortigen Bürgerinitative Rappgasse/Umgebung haben sich Anfang 2010 zusammengeschlossen. BI-Sprecherin Leopoldine Weidinger: "Das Zentrum, zu dem etwa an Freitagen mehrere Hundert Menschen kamen, wurde ursprünglich ohne Genehmigung, ohne jegliche Information der AnrainerInnen in einer alten Fabrikshalle eröffnet. Erst nach unseren massiven Protesten und mit Unterstützung der Volksanwaltschaft wurde es schließlich geschlossen." Mittlerweile gibt es eine Baugenehmigung, der Eingang zum Zentrum wurde von der nur 200 Meter langen Rappgasse in die Koloniestraße verlegt. Die AktivistInnen der BI Rappgasse sind gespannt, was die Zukunft bringen wird. "Ich habe nichts gegen Religion, gegen Vielfalt oder Multikulti, ich bin selbst viel gereist", so die BI-Sprecherin, die sich nicht ins rechte Eck drängen lassen will. "Wir legen Wert auf Zusammenarbeit und Kommunikation. Und wir hoffen, dass sich die Besucher des Zentrums an die Gesetze halten werden."

Moschee ade

Im Jänner dieses Jahres haben sich die Bürgerinitiativen Rappgasse/Umgebung, Dammstraße (unter www.moschee-ade.at im Netz), Troststraße/Muhrengasse und die Gartengallier aus Wiener Neustadt zum Dachverband "Bewegung Pro Österreich" zusamengeschlossen. In der Dammstraße in Wien-Brigittenau kämpft die BI gegen den Ausbau einer Moschee des islamisch-türkischen Vereins ATIB. Vor allem durch das geplante Veranstaltungszentrum werden bis zu 1.500 BesucherInnen pro Tag erwartet. Die BI, unter anderem unterstützt von Ex-FPÖ-Politiker Hans-Jörg Schimanek, wirft den BezirkspolitikerInnen Wortbruch vor, da diese sich schon in den 1990er-Jahren gegen die Errichtung derartiger Großprojekte in verbautem Gebiet ausgesprochen haben sollen.

Gleiche Argumente und Ängste

Ganz ähnliche Vorbehalte, Probleme und Auseinandersetzungen gibt es in ganz Österreich (und in vielen anderen Ländern) sobald bekannt wird, dass irgendwo ein islamisches Kulturzentrum oder eine Moschee entstehen soll. Die Argumente und Ängste sind fast überall die gleichen: Ruhestörung (die südländische Lebensart finden die meisten EuropäerInnen eben nur im Urlaub charmant - sofern sie nicht direkt unter dem eigenen Hotelzimmer stattfindet), Parkplatznot etc.
Man argumentiert auch damit, dass es der Integration nicht gerade dienlich ist, wenn sich türkische MitbürgerInnen ihre eigenen Rückzugsorte schaffen, ja sogar eigene Kindergärten und Schulen bauen. Umgekehrt könnte man natürlich auch die Frage stellen, warum das Bedürfnis nach einem Rückzugsort bei vielen Moslems/Türken/-innen so groß zu sein scheint. Wären sie im Beisl ums Eck tatsächlich willkommen? Manche Gründe für Ängste und Vorbehalte gegenüber vielen türkischen/islamischen Einrichtungen sind vermutlich viel diffuser. Die Tatsache, dass der Islam nicht nur eine Religion ist, sondern auch ein Gesellschafts- und Politikmodell, also so gut wie alle Lebensbereiche erfasst, ist so manchen nicht geheuer. Neben Begriffen wie Scharia, Zwangsheirat oder Dschihad wurde sogar das schon seit vielen Jahrzehnten in Österreich heimische Kopftuch zum Reizwort. "Weil Europa im globalen Vergleich wohlhabend ist, zugleich aber demografisch vergreist und überdies durch die Verdrängung seines christlichen Erbes in eine schwere Identitätskrise geraten ist, fürchtet es jene Nachbarn, die im Kontrast dazu leben, also wirtschaftlich ärmer sind, demografisch jung und sich ihres islamischen Erbes höchst bewusst", so der Islamexperte und Theologe Stephan Baier auf der Veranstaltung "Das Unbehagen mit der Religion" im vergangenen Juni. Ängste gäbe es auf beiden Seiten, denn schließlich dominiere der Westen seit zweihundert Jahren die islamische Welt und nicht umgekehrt.
Zurück in die Niederungen der lokalen Politik: Dass PolitikerInnen geplante Kulturzentren bzw. deren Ausbau manchmal möglichst lange verschweigen, auf Anfragen von AnrainerInnen erst nach Monaten reagieren, fördert weder das gegenseitige Verständnis noch die Deeskalation.

Religion und Politik

Mit rund 90.000 Mitgliedern kann man den türkisch-islamischen Kulturverein ATIB wohl als Big Player der türkischen Community bezeichnen. Er ist derzeit Bauherr mehrerer Projekte in Österreich (z. B. Dammstraße, Rappgasse, Kufstein). Die Initiative Liberaler Muslime in Österreich (ILMÖ) etwa steht dem rührigen Verein kritisch gegenüber, da dessen Vorsitzender Seyfi Bozku auch beim staatlichen türkischen Amt für religiöse Angelegenheiten (der höchsten islamischen Autorität der Türkei) … und in der türkischen Botschaft in Wien als Diplomat (Botschaftsrat) angestellt ist. Dadurch vermische er staatliche und religiöse Aufgaben, was gegen den in der österreichischen Bundesverfassung festgelegten Grundsatz der Trennung von Staat und Religion verstoße.

Seit 1912 Islam anerkannt

Laut Islamischer Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) gibt es in Österreich insgesamt 190 Moscheen, betrieben werden die meisten von den beiden großen Vereinen ATIB und AIF (Islamische Föderation Österreich). Moscheen mit Minaretten gibt es nur wenige, meist wird während der Planungsphase mit der örtlichen Bevölkerung lange um die Höhe der Minarette gefeilscht.
1912 wurde der Islam als Religion anerkannt und den Muslimen Selbstbestimmung zugesichert. Seit 1983 wird in Österreich Islamunterricht für alle muslimischen SchülerInnen durch die IGGiÖ abgehalten, in den letzten zehn Jahren entstanden auch islamische Kindergärten und Schulen, die nach dem österreichischen Lehrplan unterrichten und zusätzlichen Religionsunterricht auf freiwilliger Basis anbieten. Derzeit gibt es im gesamten Bundesgebiet vier Volksschulen, zwei Hauptschulen, ein Gymnasium sowie eine berufsorientierte islamische Fachschule für soziale Bildung. Insgesamt leben mehr als 500.000 Muslime in Österreich, die weitaus größte Gruppe davon hat türkische Wurzeln.
Im Übrigen hat die IGGiÖ Ende 2010 mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (nach einer Beschwerde der Aleviten), dass es in Österreich mehrere islamische Religions- bzw. Bekenntnisgemeinschaften geben darf, ihren bisherigen Alleinvertretungsanspruch für die österreichischen Muslime verloren.

Internet:
Zentralrat der Ex-Muslime in Österreich:
www.exmuslime.at 
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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617600 Es muss nicht immer gleich eine Moschee inklusive Minarett und Muezzin geplant sein, um bei den AnrainerInnen für schlaflose Nächte zu sorgen. Auch architektonisch unauffällige islamische Kulturzentren stoßen auf massive Widerstände. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617592 Neue Märkte für alte Ideen Tatort Wien-Opernpassage: In einer Geschäftsauslage wird eine Taschenbuchausgabe von Hitlers "Mein Kampf" angeboten. Nach Protesten verschwindet das Buch zwar. Wenig später findet sich aber eine gebundene Version von Hitlers Werk im Schaufenster. Ein handgeschriebener Zettel preist das Buch sogar "mit Widmung" des Autors für 150 Euro an. Willi Mernyi, Vorsitzender des "Mauthausen-Komitee Österreich" (MKÖ), sieht in der Aktion des Geschäftsinhabers Harald Mayer eine gezielte Provokation. Der Fall wurde daher zur Anzeige gebracht. Szenenwechsel: Ausgerechnet im oberösterreichischen Braunau, dem Geburtsort von Adolf Hitler, befindet sich einer der zwei österreichischen Thor-Steinar-Läden. Diese rechte Bekleidungsmarke gilt mit ihren Aufdrucken und Symbolen als wichtiges Erkennungsmerkmal im einschlägigen Milieu. Robert Eiter, Sprecher des Oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus, beschreibt den Laden als wichtigen Bezugspunkt für die rechte Szene in seinem Bundesland.

Entwicklungen am rechten Markt

Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOEW) analysiert vor dem Hintergrund derartiger Erscheinungen das Geschehen am rechten Markt differenziert: "(Neo-)Nazistica und sonstige 'rechte Ware‘ werden vor allem über neonazistische Internet-Versandfirmen vertrieben. Das Angebot richtet sich vor allem an Jugendliche und umfasst Musik, Modeaccessoires, (historische) Publikationen, Fahnen, Abzeichen und Videos. Neben dem Versandwesen gibt es noch Flohmärkte, Geschäfte und Buchhandlungen, wo Einschlägiges - oft unter dem Ladentisch und in der Regel aus Profitstreben - zum Verkauf angeboten wird." Da sich vieles im Graubereich abspielt erscheint die Einschätzung der Marktentwicklung zwar nicht einfach, auf der Hand zu liegen scheint eine Verlagerung und Professionalisierung - analog zu allgemeinen Entwicklungen in der (jugendlichen) rechtsextremen Szene. Mernyi vom MKÖ dazu: "Wie groß der Markt genau ist, können wir natürlich nicht abschätzen. Aber was klar ist, es gibt diesen Markt und er wird jedes Jahr professioneller, die Marken auch 'cooler‘. Sie bedienen sich nicht des rechtsextremen/Skinhead-Schlägerimages, sondern coole Hochqualitätsrechtsextremistenkleidung hat dieses ersetzt." Ganz ähnlich schätzt auch Andreas Peham diese Situation ein: "Zum Umfang bzw. Volumen verkaufter 'rechter Ware‘ in Österreich liegen keine konkreten Zahlen vor. Es ist aber davon auszugehen, dass gerade bei einschlägigen Angeboten aus den Bereichen Musik und Mode über die gefestigte neonazistische Szene hinaus eine größere Anzahl von (vor allem männlichen) Jugendlichen angesprochen wird."
Dass die Ausbreitung und Veränderung des rechten Marktes im Kontext einer zuweilen bedrohlichen Entwicklung stattfindet, betont auch Robert Eiter. Die Anzahl rechtsextremer Vorfälle sei schließlich ebenfalls in den letzten fünf Jahren drastisch angestiegen: "Unserer Wahrnehmung nach ist Oberösterreich hier leider eine Hochburg." Einige Städte wie Wels oder Ried und nun auch Braunau stellen seit vielen Jahren Brennpunkte von Szeneaktivitäten dar. Auch die geografische Nähe zu Gruppen und Aktivitäten aus Deutschland dürfte hier eine Rolle spielen. Für diese deutsche Szene konstatiert das "Netz-gegen-Nazis.de" jedenfalls, dass "geschäftstüchtige Neonazis" inzwischen Millionenbeträge durch den Verkauf von rechtsextremer Musik, Kleidung und Propaganda-Material verdienen. (Allein für Thor Steinar kursieren bereits ältere Zahlen mit Jahresumsätzen zwischen 1,2 und 1,8 Mio. Euro.) Als zentrales Problem für Oberösterreich sieht Eiter jedenfalls, dass es von politischer Seite oft wenig Sensibilität für derartige Fragen gäbe. Insbesondere der Landespolitik fehle es aktuell (auch) in der Causa "rechter Handel" an einer Gegenstrategie.

Gegenstrategie 1: Sensibilisierung

Harald Mayer, der Verkäufer von "Mein Kampf" in der Wiener Opernpassage, rechtfertigt sein Handeln in der Öffentlichkeit nicht untypisch: Die Leute würden derartiges eben "gern" kaufen. Die Ablehnung dieser Art der "Gewerbefreiheit" nehmen Organisationen wie das MKÖ als eine ihrer zentralen Verantwortungen wahr. Das Repertoire der Gegenmaßnahmen reicht hier im Regelfall vom freundlichen Gespräch über die Öffentlichmachung bis zur - wie in Mayers Fall - Anzeige. Vielfach war man mit dieser Sensibilisierungsarbeit bereits erfolgreich. Andreas Peham beschreibt hier grundsätzlich auch eine zentrale Funktion von Gewerkschaften: "Da der Rechtsextremismus im Kern die konformistische und legitimierende Verarbeitung von sozialer Ungleichheit darstellt und gleichzeitig in sozialdemagogischer Manier von sich behauptet, die Interessen der (inländischen) unselbstständig Beschäftigten ("kleinen Leute") zu vertreten, sind die Gewerkschaften gefordert - nicht zuletzt aufgrund der antisozialen und antigewerkschaftlichen Agenda der extremen Rechten. In der gewerkschaftlichen (Bildungs-)Arbeit sollte dem verstärkt Rechnung getragen werden." Martin Müller, Betriebsratsvorsitzender des Vereins Wiener Jugendzentren, stimmt dem in seinem eigenen gewerkschaftlichen Verständnis nicht nur grundsätzlich zu. Er weist darüber hinaus auch noch auf einen weiteren interessanten Aspekt im praktischen Umgang mit rechten Markenartikeln hin: "Jugendliche sind für derartiges Gedankengut umso empfänglicher, je weniger Chancen sie in der Gesellschaft finden. Es ist wichtig, die Symbole und Codes zu kennen und zu erkennen, um entsprechend reagieren zu können. Das beschränkt sich nicht nur auf Nazi-Symbolik. Es gibt auch Rechtsradikale mit kroatischem, türkischem oder serbischem Hintergrund. Nationalismus und Rassismus ist keine Frage der Herkunft."

Gegenstrategie 2: Mobilisierung

Im Umgang mit Phänomenen wie den Thor-Steinar-Läden handelt es sich in der Regel um eine direkte Konfrontation mit einer gut organisierten Szene. Dieser Konflikt besitzt somit eine andere Dimension als die Auseinandersetzung mit einigen Flohmarktstandlern und Antiquitätenhändlern, die sich (ebenfalls) auf die Gewerbefreiheit berufen. Konkret hat seit der Existenz des rechten Ladens in Braunau die rechte Szene immer wieder dazu aufgerufen, gegen die örtlichen AntifaschistInnen mit Gewalt vorzugehen. Angesichts solcher Gefahren beinhaltet die antifaschistische Konfliktkultur in vielen europäischen Staaten daher schon längst selbst das Mittel der aktiven Blockade rechtsextremer Aktivitäten. 2010 ließ sich mit Wolfgang Thierse sogar ein deutscher Parlamentsvizepräsident im Rahmen einer solchen Protestform von der Exekutive abtransportieren. Dass im Zentrum solcher antifaschistischer Aktivitäten auch der Kampf gegen die Versuche der rechtsextremen Szene steht, ihre Designerläden strategisch zu positionieren, zeigt ebenfalls ein Blick über die Grenze. Immer wieder wurde weniger als 200 km von Braunau entfernt zur Blockade eines entsprechenden Shops in Nürnberg aufgerufen. Vonseiten der Gewerkschaft ver.di wird in diesem Zusammenhang zumindest von der zeitweiligen Schließung des Ladens berichtet. Auch in Braunau hat die Eröffnung des Thor-Steinar-Ladens zu einer breiten Welle der Gegenmobilisierung geführt. Das hier sehr aktive Bündnis "Braunau gegen rechts" umfasst zahlreiche Personen und Gruppen, gerade auch aus dem gewerkschaftlichen Bereich. Wie breit die Ablehnung gegenüber dem Laden in Braunau ist, zeigen nicht zuletzt die Versuche der Stadtpolitik, die Hauseigentümerin bei der vorzeitigen Beendigung des Mitverhältnisses mit dem Pächter Thoralf Meinl zu unterstützen. Allerdings: Diese Ansätze blieben ebenso erfolglos wie - im Gegensatz zu vergleichbaren Fällen in Deutschland - der Gang vor das Gericht. Im November 2009 wurde sogar ein zweiter Thor-Steinar-Laden in Schwaz/Tirol eröffnet. Zivilcourage und aktive Protestformen könnten also auch hier (weiter) gefragt sein.

Internet:
Link zum Buch des MKÖ:
www.rechtsextrem.at 
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John Evers (Erwachsenenbildner und Historiker) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617574 Tatort Wien-Opernpassage: In einer Geschäftsauslage wird eine Taschenbuchausgabe von Hitlers "Mein Kampf" angeboten. Nach Protesten verschwindet das Buch zwar. Wenig später findet sich aber eine gebundene Version von Hitlers Werk im Schaufenster. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617586 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617557 Aktiv gegen rechts Neben Aufklärungskampagnen und politischer Bildung ist die individuelle Betreuung von Auffälligen und Straffälligen ein wichtiger Faktor im Kampf gegen Rassismus, Nationalismus und rechte Ideen.
Die Zahl rechtsextrem motivierter Tathandlungen steigt seit Jahren kontinuierlich. 2010 gab es laut aktuellem Sicherheitsbericht des Innenministeriums 580 entsprechende Anzeigen, um 28 Prozent mehr als im Jahr davor (453). Polizei und Verfassungsschutz gehen weiterhin von einer relativ großen Dunkelziffer aus, führen den Anstieg der gemeldeten Delikte aber nicht zuletzt auch darauf zurück, dass die allgemeine Sensibilität für dieses Thema gestiegen ist.
Laut, aggressiv, mit Springerstiefeln, Bomberjacke und kahl geschoren - das Bild vom typischen Rechtsradikalen stimmt so nicht mehr. Mehr als 80 Prozent der Tatverdächtigen gehören keiner einschlägigen Szene an. Was geblieben ist: Rechtsextreme Straftäter sind nach wie vor männlich, nur rund fünf Prozent der 2010 angezeigten Personen waren Frauen.

Vorübergehende Phase?

Im Verfassungsschutzbericht 2011 wird daher Rechtsextremismus auch als überwiegend männliche Adoleszenzerscheinung bezeichnet, die von den meisten irgendwann wieder überwunden wird. Übrig bleibt ein harter Kern von Unverbesserlichen. Hier gäbe es einen Generationenwechsel, bei den einschlägigen Treffen waren 2010 erstmals mehr junge Männer zu sehen.

Keine Programme für Aussteiger

Harald Embacher, heute Bewährungshelfer bei NEUSTART (Verein für Bewährungshilfe, Konfliktregelung, soziale Arbeit) arbeitete fünf Jahre lang als Streetworker mit Skinheads und Hooligans. Er legt Wert auf die Differenzierung zwischen rechtsorientiert und rechtsextrem: "Viele meiner Klienten sind rechtsorientiert, aber an den harten Kern, dort, wo es ums Arische geht, kommt man als Sozialarbeiter nicht heran." Spezielle Programme für Personen, die aus der Neonazi-Szene aussteigen wollen, gibt es in Österreich nicht.
Sein Kollege Jürgen Kaiser hatte mit einschlägig Vorbestraften bisher noch nicht zu tun. "Aber extrem rechtes Gedankengut, Rassismus etc. kommen bei unseren Klienten häufig vor, meist stellt sich das aber erst im Laufe der Betreuungsarbeit heraus." Die Motive, sich der rechten Szene anzuschließen, sind sehr unterschiedlich. "Aus meiner Sicht", so Kaiser, "ist es wichtig zu verstehen, warum jemand diese Haltung an den Tag legt oder sich gar einer rechten Gruppierung anschließt. Absurderweise gibt es häufig Klienten mit Migrationshintergrund, die Politiker wählen, die einen (rechts-)radikalen Ansatz in der Migrationsfrage vertreten. Sie haben Angst, dass ihnen das, was sie sich erarbeitet haben, weggenommen wird. Sie erhöhen sich dadurch, dass es einen noch Schwächeren gibt, vor dem man sich schützen muss. Sie sind ja quasi schon die, die dazugehören."
Wie man mit rechtsorientierten Jugendlichen am besten umgeht? Zuhören, akzeptieren, nichts dramatisieren, positive Alternativen aufzeigen. Sobald man auf die rechten Provokationen eingeht, macht ihnen das Ganze nur noch mehr Spaß.
Fußballplätze und Eishockeystadien sind zwar weniger gefährlich als viele Medien uns glauben machen wollen, aber so mancher kommt (auch) dort mit rechten Sprüchen und Ideen in Kontakt. Erhöhte Gewaltbereitschaft ist eines der offensichtlichen Probleme: Militante Fußballfans verabreden sich in der sogenannten dritten Halbzeit außerhalb eines Stadions zum gegenseitigen Verprügeln. Dass Hooligans immer rechtsorientiert sind, ist ein Vorurteil. Der Ansatz der hier eingesetzten BetreuerInnen ist ebenfalls, individuell auf die Klienten einzugehen und an den Ursachen für erhöhte Gewaltbereitschaft und die Attraktivität rechter Ideen zu arbeiten.

Initiative FairPlay

"Die Initiative FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel." wurde 1997 im Rahmen des EU-Jahres gegen Rassismus mit Unterstützung der Europäischen Kommission und des BKA-Sport gestartet. FairPlay führt seitdem mit Verbänden, Vereinen, Fanclubs, MigrantInnen- und Jugendorganisationen Aktivitäten gegen Diskriminierung im österreichischen Fußball und Sport durch. Außerdem ist FairPlay auch im Schulbereich aktiv. Markus Pinter: "Zahlen dazu, wie verbreitet rechtes Gedankengut unter Fußballfans ist, gibt es nicht. Und von außen erkennbar sind Rechtsextreme nicht eindeutig. Auffällig werden ja zuerst nur die, die betrunken sind, andere anpöbeln oder gewalttätig werden. Es kann aber durchaus sein, dass gerade die Unauffälligen in der rechtsextremen Szene eine Rolle spielen." Bereits Ende der 1970er-Jahre gab es in Österreich gezielte Fanarbeit mit StreetworkerInnen, derzeit gibt es keine speziellen Projekte mit Fans aller Altersstufen. StreetworkerInnen sind zwar nach wie vor bei jedem Heimspiel in den Fansektoren beider Wiener Vereine unterwegs, sie sind aber nur für die Altersgruppe 14 bis 25 zuständig. Von einer umfassenden sozialpädagogischen Fußballfanarbeit kann aber nicht mehr die Rede sein. Derzeit startet nur in Innsbruck ein Fanbetreuungsprojekt, ansonsten sollen FanbetreuerInnen der Klubs und szenekundige Beamte/Beamtinnen (SKB) des Innenministeriums Ausschreitungen verhindern.

Einstiegsdroge Musik

Rechte Sager kommen nicht nur von (Möchtegern-)PolitikerInnen, sondern werden mittlerweile in allen Musikstilen von Hard Rock bis Hip-Hop verbreitet - ganz einfach übers Internet. Dort kann man auch die entsprechende Kleidung bestellen oder in Netzwerken mit Gleichgesinnten kommunizieren. "Die Kleidung wird cooler - modische Accessoires und Mainstream-Produkte versus Schlägeroutfits. Mit jugendkulturellen Codes auf der Kleidung, deren Bedeutung in der Regel nur in der Szene bekannt ist, outet man sich szeneintern", so die MKÖ-MitarbeiterInnen Christa Bauer und Willi Mernyi in ihrem Buch "Rechtsextrem". Es ist also nicht immer einfach zu erkennen, wer zur rechtsextremen Szene gehört. Und auch nicht, wer hauptsächlich provozieren möchte und - angesichts entsprechender Wahlplakate und PolitikerInnen-Statements - Rassismus & Co. einfach cool findet.
Seit 1997 kämpft das von ÖGB, Bischofskonferenz und Israelitischer Kultusgemeinde gegründete Mauthausenkomitee Österreich (MKÖ) gegen Wiederbetätigung, rechtsextremes Gedankengut und Rassismus. Ein wichtiger Bestandteil sind die Zivilcourage-Trainings, seit April 2010 wurden in rund 400 Workshops in ganz Österreich 6.000 Jugendliche trainiert. Die Zivilcourage-Trainings sind kostenlos und werden direkt vor Ort in den Räumlichkeiten von Schulen oder Bildungseinrichtungen durchgeführt. Ein Training dauert vier Stunden, Zielgruppe sind SchülerInnen und Lehrlinge ab der 10. Schulstufe.
Außerdem bietet das MKÖ unter der Hotline 0810 500 190 die Möglichkeit, individuelle Fragen zu rechtsextremen Symbolen, einschlägiger Musik usw. zu klären. Für Probleme wie "Mein Kind/Freund/Schüler trifft sich mit Rechtsradikalen, was kann ich tun?" gibt es eine Kooperation mit Rat auf Draht (147 - rund um die Uhr, kostenlos und österreichweit).

Internet:
Mauthausen-Komitee Österreich
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Info&News
Rechte Ideen - transnational
In der rechten Szene sind sowohl Jugendliche als auch Erwachsene sehr mobil. Man trifft sich nicht selten bei Veranstaltungen außerhalb Österreichs, dort, wo nicht so viel verboten ist. Nach wie vor stehen österreichische Rechte in regem Austausch mit deutschen Gesinnungsgenossen. Aber entsprechendes Gedankengut kommt auch aus den Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder aus der Türkei. Zum Teil gelten die entsprechenden Symbole und Logos (z. B. der Grauen Wölfe oder der Ustascha) unter den jungen Leuten der MigrantInnencommunity als cool. Viele sind in Österreich aufgewachsen, in der Schule haben sie vor allem österreichische Geschichte gelernt, über die Geschichte der Heimatländer ihrer Eltern erfahren sie in der Schule kaum etwas. Die TrägerInnen von Schmuckstücken (oder Tatoos) mit den Symbolen nationalistischer/rechter Organisationen wissen daher nicht immer genau, welche Statements sie damit eigentlich abgeben.

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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617551 Fußballplätze und Eishockeystadien sind zwar weniger gefährlich als viele Medien uns glauben machen wollen, aber so mancher kommt (auch) dort mit rechten Sprüchen und Ideen in Kontakt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617522 Mut und Courage Der Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preis 2011 hat die Situation entscheidend verändert. Bis zum Erscheinen des Romans "Der Engel des Vergessens" von Maja Haderlap wussten nur wenige KärntnerInnen, dass es den Peršmanhof überhaupt gibt. Dieses Museum, in der Nähe des Südkärntner Ortes Eisenkappel/Železna Kapla gelegen, ist den Kärntner Slowenen gewidmet. Als PartisanInnen leisteten viele während des Zweiten Weltkrieges Widerstand, aus reiner Willkür wurden slowenische Familien enteignet und ausgesiedelt, mussten als Knechte im deutschen Reich arbeiten.

Gedenken am Peršmanhof

Am Peršmanhof, einem Ort, der als Partisanenstützpunkt galt, fand noch am 25. April 1945 ein Massaker statt. Die Bauernfamilie, die den Hof betrieb, wurde von NS-Einheiten erschossen, elf Tote waren zu beklagen. Das Peršmanhof-Museum passt so gar nicht in das Bild des offiziellen Kärntens: Es gibt keine Werbung und erst seit kurzer Zeit zeugt auch ein kleiner Wegweiser in Bad Eisenkappel von der Existenz der Gedenkstätte. Adresse und Öffnungszeiten: Koprein-Petzen/Podpeca 3, 9135 Bad Eisenkappel/Železna Kapla; Anfang Mai bis Ende Oktober, Freitag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr.
www.persman.at oder www.erinnern.at
Die Oberösterreicherin Gudrun Blohberger zog aus Liebe nach Kärnten und lebte dort acht Jahre lang, bevor sie vom Peršmanhof erfuhr. Heute betreut die 40-jährige Pädagogin und Wissenschafterin das Museum. Die Ausstellung dokumentiert u. a. den Anschluss Österreichs, den Widerstand der Kärntner PartisanInnen und das Massaker am Peršmanhof. Daneben werden Veranstaltungen organisiert und die Vernetzung mit anderen Gedenkinitiativen betrieben. "Immer mehr Schulen und Gruppen kommen zum Peršmanhof", erzählt Blohberger. Allerdings stammen diese BesucherInnen etwa aus Wien, der Steiermark oder Oberösterreich - aus Bad Eisenkappel hat noch niemand vorbeigeschaut.
Die Arbeit am Peršmanhof ist großteils ehrenamtlich. Gudrun Blohberger engagiert sich auch für weitere Projekte, etwa für einen Jugendaustausch zwischen SchülerInnen aus Moringen in Deutschland und der zweisprachigen Handelsakademie Klagenfurt. In Moringen, einer Kleinstadt in Niedersachsen, wurden drei Konzentrationslager betrieben; ab 1941 selbst ein Jugendkonzentrationslager, in das auch Jugendliche aus Südkärnten deportiert und zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden. In diesem - von der EU geförderten - Projekt konnten Jugendliche ein Jahr lang über dieses Themengebiet forschen.
Dementsprechend positioniert, sind auch die Rechten auf Gudrun Blohberger aufmerksam geworden. "Ich bekomme regelmäßig Briefe von einem alten Herren, der mir mitteilt, dass ich unbelehrbar sei und mich für die falsche Seite einsetzen würde." Auf der inzwischen verbotenen Neonazi-Homepage "Alpen-Donau.info" wurde Blohberger als "Partisanenliebchen" und "Partisanennostalgikerin" mit Foto vorgestellt. "Es hat lange gedauert, bis von der Justiz dagegen etwas unternommen wurde", ärgert sich die Pädagogin und Wissenschafterin. Auch die zweisprachigen Ortstafeln haben das Leben in Kärnten nicht erleichtert. "Ich fand die Diskussionen über die zwei Sprachen immer sehr irritierend. Es war nichts davon zu bemerken, dass es selbstverständlich und bereichernd ist, zwei Sprachen und Kulturen in einem Land zu haben", sagt die "Zug’raste".
Nur 56 Kilometer weiter liegt Karnburg am Fuße des Ulrichsbergs. "Als wir das erste Jahr am Ulrichsberg waren, haben wir vor allem recherchiert", erzählt Josefine Broz, Pressesprecherin des Arbeitskreises gegen den Kärntner Konsens (www.u-berg.at und www.u-berg.at/texte/tafeln.htm). Am Ulrichsberg, einem Hügel zwischen Klagenfurt und St. Veit, wird seit 1958 das Ulrichsbergtreffen veranstaltet. Eine einschlägig bekannte Zusammenkunft von jungen und alten Rechten, Burschenschaftern, noch lebenden Wehrmachtssoldaten und SSlern. Das Treffen findet meist im Oktober statt, der Höhepunkt ist die Feier auf dem Ulrichsberg. Dort befindet sich in einer verfallenen Kirche der "Ehrenhain": Neben mehreren Gedenktafeln finden sich dort auch Erinnerungen an die Waffen-SS-Kameradschaft IV oder andere "internationale" SS-(Kollaborations-)Verbände. "Wir haben nur einmal diese Tafeln fotografiert und recherchiert, welche Verbände das überhaupt sind", berichtet Broz. Auffallend: Auch drei Tafeln des österreichischen Bundesheeres sind darunter.
Broz: "Das Besondere an diesem Treffen ist ja auch, dass es so wohlwollend in der Bevölkerung eingebunden ist." Bei der Organisation helfen Feuerwehr und Rettung, vom Klagenfurter Hauptbahnhof fahren Shuttle-Busse direkt zum Ulrichsberg. Alte Veteranen und Recken, die nicht mehr gehen konnten, wurden vom Bundesheer auf den Berg geführt. Prominente Redner stellten die ehemaligen Soldaten als Vorbild dar, nicht nur Jörg Haider war einer von ihnen. Sogar Josef Klaus hielt 1967 als aktiver Bundeskanzler die Festrede!
Seit 2005 finden als Gegenveranstaltung Demonstrationen in Klagenfurt oder Krumpendorf statt, wo es meistens im Rahmen des Ulrichsbergtreffens geschlossene Veranstaltungen gibt, "wo es richtig zur Sache geht" - Haiders Rede, in der er die Karmeradschaft IV als Vorbild bezeichnete, wurde in einem solchen Rahmen gehalten. Eine Störaktion: Der traditionelle Marsch auf den Ulrichsberg begann 2007 erstmals mit erheblicher Verspätung, weil der Weg blockiert war. Deshalb wurde 2008 entsprechend reagiert: Die Polizei bildete einen Kessel um die DemonstrantInnen, damit sie nicht stören konnten. "Wir konnten trotzdem etwas erreichen. Als wir aufdeckten, dass der Veranstalter mit Nazidevotionalien handelte, zog das Bundesheer seine Unterstützung zurück." Im Jahr 2009 wurde die Feier offiziell abgesagt, in kleinerem Rahmen geht sie aber unvermindert weiter. Die Neonazis Gottfried Küssel (in U-Haft) und Hans Jörg Schimanek junior waren 2010 vor Ort. "Inzwischen ist es Militärangehörigen verboten, mit Uniform bei dieser Veranstaltung aufzutreten, doch der Verstoß wird nicht gerade hart bestraft." Ein Miltärangehöriger musste eine Verwaltungsstrafe von 250 Euro bezahlen - kaum eine Summe, die vor Wiederholung scheuen lässt.

Gegen rechte Schmierereien

Alexander Baumann ist Wiener Baumeister mit Courage. Neben traditioneller Bau- und Reparaturarbeit bietet Baumann ein ganz besonderes Service: 2007 gründete er die Beschmierungsambulanz. "Die Idee enstand bei einer Fahrt zu meinen Eltern nach Niederösterreich. Auf einem Stromverteilerkasten waren rassistische Schmierereien." Einen Monat später waren sie immer noch da. Baumann, eingetragener Mediator, überlegte eine Kooperation. "Ich kannte ZARA aus den Medien und habe ein Mail an den Verein geschrieben." (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, www.zara.or.at). Auf seiner Homepage www.der-bau-mann.com wirbt der Baumeister: "Ihre Hauswand ist durch eine rassistische Beschmierung beschädigt und Sie wollen ein klares Zeichen gegen Rassismus setzen? Nehmen Sie doch die 'Beschmierungsambulanz‘ in Anspruch." Baumanns Service ist kostenlos, es genügt, das Antragsformular auszufüllen. Nachdem Printmedien und TV im März 2007 über die Beschmierungsambulanz berichtet hatten, wurden bis 2008 rassistische Schmierereien gemeldet, und Alexander Baumann und Helfer konnten zur Tat schreiten. "Mittlerweile ist das Ganze eingeschlafen. Gott sei Dank gibt es offenbar keinen Markt dafür." Was nicht bedeutet, dass Baumann keine rassistischen Bosheiten an Wänden mehr ausmacht: "Doch zu 98 Prozent sind es Zeilen in einem großflächigen Graffiti, das ansonsten keine politische Aussage hat. Diese kleinen Schmierereien werden nicht gemeldet, die werden schnell hingeschrieben, wenn jemandem an der Bushaltestelle fad ist." Freilich kann Baumann auch nicht einfach zu einer Hausfassade gehen, sie übermalen oder mit Lösungsmitteln säubern - das bedarf der Zustimmung der HausbesitzerInnen, die es erst ausfindig zu machen gilt. Den Rechercheaufwand nimmt er gerne auf sich, wenn sich die Leute nur melden. Bei Gebäuden der Stadt wird die Gemeinde selbst aktiv, ebenso wie die Wiener Linien in ihrem Bereich.

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Sophia-Therese Fielhauer-Resei und Christian Resei (Freie JournalistInnen) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617507 "Doch zu 98 Prozent sind es Zeilen in einem großflächigen Graffiti, das ansonsten keine politische Aussage hat. Diese kleinen Schmierereien werden nicht gemeldet, die werden schnell hingeschrieben, wenn jemandem an der Bushaltestelle fad ist." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617515 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617490 Nur ein Brandstifter? Der Angriff galt nicht nur uns. Es war auch ein Angriff auf die Demokratie und die Offenheit. Utøya wird weiterhin die Insel der Arbeiterjugend und ein Ort für alle Demokraten sein." Kurz nach den Anschlägen von Oslo und auf der Insel Utøya drückte Eskil Pedersen, Vorsitzender der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF, so eine in Norwegen weitverbreitete Stimmung aus. Der Rechtsterrorist Anders Behring Breivik hatte im Juli 2011 nicht weniger als 77 Menschen getötet. 69 Personen davon, größtenteils Jugendliche, richtete er auf der Ferieninsel Utøya regelrecht hin. Weitere acht Personen kamen durch eine Bombe in Oslo ums Leben. Die AUF hatte die Insel 1950 von den Gewerkschaften geschenkt bekommen. Sie galt seit langer Zeit als Symbol für Werte wie Sozialismus, Internationalismus und Solidarität.

Breiviks politischer Hintergrund

Die Sicherheitsbehörden gaben sich angesichts des Massakers völlig überrascht. "Dies ist ein einsamer Wolf, der unter alle unsere Radarsysteme schlüpfen konnte", erklärte die Leiterin des norwegischen Geheimdienstes Janne Kristiansen. Ein Bericht des Sicherheitsdienstes der norwegischen Polizei sah demgegenüber bereits 2010 eine verstärkte Aktivität rechtsextremer Gruppen. Trotzdem lautete die Prognose: keine erhöhte Gefahr. Weitere Recherchen ergaben aber, dass Breivik nicht nur seine Taten bereits seit zehn Jahren plante. Er war auch von 1999 bis 2006 Mitglied der rechten Fortschrittspartei. Zentrale Themen der bei Wahlen bis zu 22 Prozent starken Partei: Eine strikte Asyl- und Einwanderungspolitik und Kampagnen gegen "die Linke", die vor allem mit der politischen Elite, konkret den regierenden Sozialdemokraten gleichgesetzt wird. In seinem Bekennerscheiben benannte Breivik - analog zu den Themen der Fortschrittspartei - den Kampf gegen "Kulturmarxismus" und gegen die "islamische Besiedelung" als Hauptmotive für die Tat. Seine spätere Distanz der Partei gegenüber begründete er nicht ideologisch, sondern vor allem methodisch. Diese Kraft sei ihm insgesamt zu gemäßigt.

Kontext des Terrors

Selbst norwegische Kommentare, welche eine Mitverantwortung der Fortschrittspartei ablehnen, wie jener des Parteienforschers Jo Saglie, räumen ein, dass es zumindest immer wieder einzelne PolitikerInnen gab, "die der Hass-Argumentation von Rechtsextremisten sehr nahe kamen". Genau darin sehen aktive GegnerInnen der Fortschrittspartei den entscheidenden Kontext. Der Täter habe schließlich vor allem aus Hass auf alles Linke gehandelt, erklärte etwa der Vorsitzende der linken Roten Jugend Norwegens (RU) Iver Aastebøl zu den Attentaten. Gerade auch in den skandinavischen Ländern existieren, wie im übrigen Europa, inzwischen etablierte Rechtsparteien. Diese unterscheiden sich zwar in ihren Ursprüngen und im Außenauftritt. Sie haben grundsätzlich aber ähnliche Feindbilder und Themen, Losungen und "Lösungen". Darüber hinaus gibt es zumindest in Schweden seit Jahren eine extrem militante Szene. "Es ist augenscheinlich die Tat eines einzelnen Mannes, aber die Tat hätte auch ohne Kontext nicht funktioniert - diesen Kontext gibt es in allen westeuropäischen Ländern", bringt es der norwegische Politikwissenschafter Knut Heidar auf den Punkt. Dass gerade Österreich keine Ausnahme darstellt, unterstreicht demgegenüber Breivik selbst. Der Attentäter verlinkte sein Schreiben u. a. mit Texten von Elisabeth Sabaditsch-Wolff, die früher Islam-Seminare im FPÖ-Bildungsinstitut geleitet hatte. Ebenso hat sich Breivik mehrfach positiv auf die FPÖ (und das BZÖ) bezogen.

Distanzierung nur unter Krämpfen

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DOEW) hat die Reaktionen aus diesem etablierten Rechtsextremismus auf das Morden ausführlich dokumentiert. So hielten nicht nur Mario Borghezio, Lega-Nord-Abgeordneter zum Europaparlament, oder der französische Regionalpolitiker Jacques Coutela von der Front National Breiviks Ideen für gut bzw. Breivik selbst sogar für eine "Ikone" im Kampf gegen eine "muslimische Invasion". Auch in Österreich ließ der Kommentar des FPÖ-Abgeordneten Königshofer über einen kritischen Journalisten und dessen Meinung zum Attentat aufhorchen: "Unfassbar, von diesem 'feinen Herrn‘ hat man noch nie etwas von der islamistischen Gefahr gehört, obwohl diese in Europa schon tausendmal öfter zugeschlagen hat." Ähnlich wie die Führungen der anderen großen Rechtsparteien, war allerdings auch die FPÖ-Spitze schnell um möglichst große Distanz zu Breiviks Tat und den relativierenden Stimmen aus den eigenen Reihen bemüht. Werner Königshofer wurde aus der FPÖ ausgeschlossen. Vom dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf abwärts waren allerdings auch die innerparteilichen Unmutsäußerungen über diese Form der Distanzierung unüberhörbar. Nur wenige Tage nach dem Attentat veröffentlichte der österreichische Verfassungsschutz seinen Jahresbericht. Für 2010 gibt dieser an, dass von 1.411 erfassten Anzeigen (580 Tathandlungen) nicht weniger als 1.040 klar dem rechten Lager zuzuordnen sind. Besonders erschreckend: Die seit Jahren steigende Anzahl, wie auch der hohe Anteil an rechten Taten bei denen Gewalt im Spiel ist (weit mehr als ein Drittel). Allerdings: Beziehungen der FPÖ zur rechtsradikalen Szene - wie sie sogar der deutsche Verfassungsschutz aufgegriffen hat - fehlen im österreichischen Bericht. Peter Gridling, Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, erklärt dies ganz einfach damit, dass die FPÖ eine demokratisch gewählte Partei sei. Selbst für den bereits erwähnten Werner Königshofer, dessen Verbindungen zur militanten "Alpen-Donau.info" 2011 von einem Wiener Gericht bestätigt wurden, negiert die Behörde Zusammenhänge beharrlich. Innenministerin Mikl-Leitner erblickt zudem weiter in islamistisch motivierten Straftaten das wesentliche Gefahrenpotenzial. Im Bericht ihrer Behörde wird für solche Straftaten allerdings nur ein verschwindend geringer Umfang angegeben.

Diskussion hat erst begonnen

In Norwegen ist demgegenüber eine breite und zum Teil ganz andere Diskussion ausgebrochen. Nicht zuletzt angesichts der Versäumnisse des Sicherheitsapparates hat sich die offizielle Politik jeder polemischen Debatte über neue Polizeigesetze enthalten. Genau darin sehen viele Kommentare übrigens auch einen wesentlichen Grund für die Geschlossenheit, welche Bevölkerung und Politik zumindest nach dem Attentat ausstrahlte. Ebenso unübersehbar ist allerdings auch die Frage nach den Bruchlinien in der als wohlhabend und sozial geltenden norwegischen Gesellschaft als ein möglicher Nährboden des Terrors. Dass weder die Verbrechen Breiviks noch die bisherige Stärke der Fortschrittspartei auf die Existenz von knapp drei Prozent EinwohnerInnen mit moslemischem Hintergrund zurückzuführen sind, scheint dabei auf der Hand zu liegen. Vielmehr gibt es auch in Norwegen Diskussionen um Verteilungsfragen und den Abbau sozialer Leistungen. Konsensbeschlüsse, welche (Regierungs-)Parteien und Gewerkschaften hier z. B. über eine Rentenreform erwirkt haben, entsprechen keineswegs immer der Stimmung in der Gesellschaft bzw. rissen und reißen bisher unbekannte Gräben auf. Selbst bei den jetzt knapp nach dem Attentat durchgeführten Kommunalwahlen drückte die Enthaltung von einem Drittel der Wahlberechtigten eine weiter bestehende Skepsis gegenüber der etablierten Politik aus. Gleichzeitig hat Breiviks Tat tatsächlich viele Menschen wachgerüttelt; allerdings nicht so wie der Attentäter es beabsichtigte. Das aktive politische Engagement ist vor allem vonseiten der Jugendlichen in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich gestiegen. Während die rechte Fortschrittspartei eine deutliche Wahlschlappe hinnehmen musste, verzeichnen linke und gewerkschaftliche Organisationen, insbesondere der Jugendverband AUF, eine regelrechte Welle von Neubeitritten.

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Info&News
Auszug aus Wikipedia:
Unter dem Pseudonym Andrew Berwick stellte Breivik einen über 1.500-seitigen Text mit dem Titel 2083: A European Declaration of Independence (2083: Eine Europäische Unabhängigkeitserklärung) zusammen, und versandte ihn kurz vor den Anschlägen an 1.003 E-Mail-Empfänger. In der auf Englisch verfassten Schrift, deren Titelseite das Kreuz des Templerordens zeigt, ist von einer Bedrohung Europas durch "Multikulturalisten, Kulturmarxisten [...] und kapitalistische Globalisten" zu lesen. Den Begriff Kulturmarxismus, den er oft synonym für den Multikulturalismus verwendet, stellt er dabei drei sogenannten "Hassideologien" an die Seite, die zu bekämpfen seien: den Nationalsozialismus ("anti-jüdisch"), den Kommunismus ("anti-individuell") und den Islam. Der Titel des Pamphlets bezieht sich auf die Schlacht am Kahlenberg 1683  und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung.

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John Evers (Historiker und Erwachsenenbildner) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617484 Nur wenige Tage nach dem Attentat veröffentlichte der österreichische Verfassungsschutz seinen jährlichen Bericht. Für 2010 gibt dieser an, dass von 1.411 erfassten Anzeigen nicht weniger als 1.040 klar dem rechten Lager zuzuordnen sind. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617464 Fakten statt Hetze AusländerInnen nehmen uns die Arbeitsplätze weg und zerstören den Sozialstaat. Krimineller als ÖsterreicherInnen sind sie sowieso. Diese Behauptungen hat fast jeder schon einmal gehört oder gelesen - am Stammtisch, in PolitikerInnenreden und Wahlkampfveranstaltungen, auf den Leserbriefseiten kleinformatiger Zeitungen oder in diversen Internet-Foren. Andere Botschaften hört und liest man dort nie: Dass AusländerInnen in Österreich beispielsweise keineswegs ungebildet, sondern viel häufiger Doktoren oder Magister sind als "einheimische" ÖsterreicherInnen. Oder dass sie in den österreichischen Sozialstaat mehr einzahlen, als sie an Geldleistungen beziehen. Mit diesen und ähnlichen Themen beschäftigt sich das "Handbuch gegen Vorurteile", das diesen November im Czernin-Verlag erscheint. Die beiden AutorInnen Nina Horaczek, Politikredakteurin der Stadtzeitung Falter, und der Rechtsanwalt Sebastian Wiese überprüfen anhand offizieller Statistiken und wissenschaftlicher Studien den Wahrheitsgehalt von Mythen, die am Stammtisch ebenso blühen wie im Plenarsaal des Parlaments.

Wer nimmt uns Arbeitsplätze weg?

Das "Handbuch gegen Vorurteile" möchte einen Beitrag zur Versachlichung der abdriftenden politischen Debatte in Österreich leisten: Fakten statt Hetze lautet das Motto. Das Handbuch beschäftigt sich neben Vorurteilen gegen AusländerInnen auch mit Mythen über AsylwerberInnen, die EU, den Islam und mit Geschichtsverharmlosungen zum Nationalsozialismus. Denn in vielen Fällen gründen Vorurteile auf allzu simple Rechnungen. So seien zum Beispiel dreimal mehr AusländerInnen als InländerInnen in Österreich arbeitslos gemeldet. Würde der Staat die AusländerInnen des Landes verweisen, hätten automatisch alle ÖsterreicherInnen Arbeit, behaupten manche PopulistInnen.
Was sie dabei übersehen: Selbst wenn AusländerInnen dem Jobprofil einer Stellenausschreibung voll entsprechen, können sie einem/r arbeitslos gemeldeten ÖsterreicherIn keinen Job wegnehmen. Dafür sorgt das "Ersatzkraftverfahren", das InländerInnen bevorzugt: Bevor das Arbeitsmarktservice AusländerInnen eine Stelle anbieten darf, muss es diesen Arbeitsplatz qualifizierten, arbeitslos gemeldeten ÖsterreicherInnen anbieten. Nur wenn ein/e ÖsterreicherIn ablehnt, kann ein/e arbeitslose AusländerIn vermittelt werden. ÖsterreicherInnen den Job "wegschnappen" können höchstens EU-BürgerInnen. Im Gegenzug sind allerdings österreichische Arbeitsuchende, die in Berlin, Paris oder Madrid einen Job suchen, den dortigen StaatsbürgerInnen ebenfalls gleichgestellt. Falsch ist übrigens auch die Behauptung, dass es keine Arbeitsplätze gebe, weil schon alle Jobs von AusländerInnen besetzt sind. Im Jahr 2010 gab es bei uns durchschnittlich 69.100 offene Stellen - trotz AusländerInnen in Österreich.
Österreich hat ArbeitsmigrantInnen auch nicht angeworben, damit diese den ÖsterreicherInnen die Arbeitsplätze wegnehmen. Sie füllten bloß Lücken in jenen Bereichen, aus denen sich heimische Arbeitskräfte verabschiedet hatten. Bis heute hat sich daran wenig geändert: ErntehelferInnen zum Beispiel verdienen brutto sechs Euro pro Stunde. Landwirte berichten, dass sie keine ÖsterreicherInnen finden würden, die für diesen Stundenlohn einen derart anstrengenden Job verrichten würden. Ohne ausländische Arbeitskräfte wäre die Ernte auf Österreichs Feldern zu marktfähigen Preisen nicht möglich. Trotzdem hält sich hartnäckig der Glaube, dass AusländerInnen Schuld an der Arbeitslosigkeit tragen. Einer von der Kronen Zeitung zitierten Studie folgend, glauben 47 Prozent der ÖsterreicherInnen, dass ihnen AusländerInnen die Arbeitsplätze wegnehmen würden. Das zeigt: Auf überprüfbaren Fakten basierende Aufklärung tut not.
Ähnlich ist die Lage bei der Ausländerkriminalität. Immer wieder hört man selbst von grundsätzlich weltoffenen Personen, dass die höhere Kriminalitätsrate unter MigrantInnen ein Faktum sei, das sich statistisch belegen lasse. Immerhin wären in den vergangenen Jahren etwa 30 Prozent aller strafgerichtlich Verurteilten keine ÖsterreicherInnen gewesen: Der Anteil an AusländerInnen ist also dreimal höher als der Anteil von AusländerInnen an der österreichischen Wohnbevölkerung. Sind in Österreich lebende AusländerInnen damit dreimal krimineller als ÖsterreicherInnen? Wer die Kriminalitätsstatistik so interpretiert, interpretiert sie falsch. Denn diese Interpretation ignoriert mehrere Verzerrungsfaktoren, die sich alle zulasten der AusländerInnen auswirken.

Sind AusländerInnen krimineller?

Zunächst differenziert die Statistik nicht zwischen TouristInnen, durchreisenden AusländerInnen und jenen, die zwar keinen österreichischen Pass haben, sich aber legal bei uns niedergelassen haben. Die beiden erstgenannten Gruppen fließen zwar in die Kriminalitätsstatistik ein, nicht aber in den Anteil der AusländerInnen an der österreichischen Wohnbevölkerung. Schon wenn man diesen Umstand berücksichtigt, gleicht sich die Kriminalitätsrate von ÖsterreicherInnen und in Österreich lebenden AusländerInnen an. Denn etwa zwei Drittel der verurteilten AusländerInnen hielten sich nur kurzfristig in Österreich auf. Auch müssen bei der Kriminalitätsbelastung soziale Faktoren berücksichtigt werden. Wo Armut herrscht, steigt die Wahrscheinlichkeit, mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.  Auch ÖsterreicherInnen weisen unter schlechterer sozialer Absicherung eine höhere Kriminalitätsrate auf. Selbst in Vollzeit beschäftigte MigrantInnen verdienen durchschnittlich nur 84 Prozent des Jahreslohnes von ÖsterreicherInnen, sind also auch häufiger ärmer als ein/e DurchschnittsösterreicherIn. Das wirkt bei einem direkten Vergleich der Kriminalitätsraten verzerrend zulasten der AusländerInnen.
Schließlich muss, wer solche Zahlen objektiv analysieren will, auch die soziodemografische Struktur des Samples betrachten: Die ausländische Bevölkerung ist statistisch gesehen nicht nur um einiges jünger als die DurchschnittsösterreicherInnen, sie weist auch einen höheren Männeranteil auf. 23 Prozent der AusländerInnen, die in Österreich leben, aber nur 17 Prozent der ÖsterreicherInnen sind zwischen 20 und 40 Jahre alt. Zahlreiche Studien haben nachgewiesen, dass die Gruppe der Männer zwischen 20 und 40 besonders häufig mit dem Gesetz in Konflikt kommt - und das ganz unabhängig davon, welchen Pass diese jungen Männer besitzen. Auch hier wirkt die grobe Statistik also zum Nachteil der AusländerInnen.
Berücksichtigt man alle Faktoren, gleicht sich die Kriminalitätsrate von in Österreich lebenden AusländerInnen an jene der InländerInnen an. Die Behauptung, dass AusländerInnen dreimal krimineller als ÖsterreicherInnen seien, ist also falsch - auch wenn die statistischen Rohdaten auf den ersten Blick einen anderen Eindruck vermitteln.
Insgesamt überprüft das "Handbuch gegen Vorurteile" detailliert über fünfzig Behauptungen und Mythen von "Auschwitzlüge" bis "Zuwanderungstsunami" anhand zahlreicher seriöser Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt. So erfährt man beispielsweise, dass die AkademikerInnenquote unter AusländerInnen um sechs Prozentpunkte höher ist als unter "echten" ÖsterreicherInnen. Oder dass in Österreich lebende Türkinnen im Durchschnitt 2,43 Kinder gebären, heimische Bäuerinnen aber im Schnitt auf 2,5 Kinder kommen. Und auch, dass im Jahr 2008 ÖsterreicherInnen 89,3 Prozent aller Sozialbeiträge zahlten und 93,8 Prozent der monetären Sozialleistungen bezogen, während AusländerInnen aus Drittstaaten außerhalb der EU (also die "klassischen GastarbeiterInnen") zwar das Sozialsystem zu sechs Prozent finanzierten, aber nur 3,7 Prozent der Geldleistungen daraus erhielten. Wer sich nicht mit Parolen zufrieden geben will, findet im "Handbuch gegen Vorurteile" Zahlen und Fakten zu nahezu jedem Detail der laufenden Ausländerdebatte. Die Lektüre dieses Handbuchs versetzt die LeserInnen in die Lage, künftig nicht beklemmt schweigen zu müssen, sondern aktiv und faktenunterstützt plump dahergesagten Vorurteilen entgegenzutreten und diese entkräften zu können.

Internet:
Mehr Infos im GPA-djp-Blog:
tinyurl.com/d9jpjgr
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Nina Horaczek und Sebastian Wiese (Journalistin beim "Falter" und Rechtsanwalt) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617443 AusländerInnen nehmen uns die Arbeitsplätze weg und zerstören den Sozialstaat. Krimineller als ÖsterreicherInnen sind sie sowieso. Diese Behauptungen hat fast jeder schon einmal gehört oder gelesen - am Stammtisch, in Reden, auf den Leserbriefseiten... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617455 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617415 Was "rechts" ist Worüber sprechen wir eigentlich, wenn wir uns mit rechter Gesinnung befassen? Die historische Herkunft der politischen Begriffe rechts und links lässt sich einfach erfassen: In Kontinentaleuropa reicht die Tradition dieser Bezeichnungen bis ins späte 18. Jahrhundert, in die Zeit der Französischen Revolution, zurück. "In den verschiedenen parlamentarischen Organen der Revolutionszeit saßen die konservativeren Kräfte vom vorsitzführenden Präsidenten aus gesehen rechts, die fortschrittlicheren links", so die Erklärung auf der Homepage des heimischen Parlaments.

Macht des Marktes

Im Laufe der Jahrhunderte verfestigte sich die genannte politische Rechts-links-Terminologie, wofür steht dieses Schema aber heute in der politischen Praxis? Dazu der Politologe Peter Filzmaier, Professor an der Donau-Universität Krems: "Linke Parteien sind egalitär und staatsinterventionistisch, rechte Parteien libertär - nicht liberal - und marktwirtschaftlich orientiert." Der Gegensatz lässt sich anhand der Parteienposition zu Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik und des Widerspruchs von sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit bzw. individueller Freiheit verdeutlichen. Rechte Parteien vertrauen auf das Konzept des freien Wettbewerbs bzw. der freien Marktwirtschaft - auf eine "invisible hand" als Regulativ - und lehnen eine zentralistische Einflussnahme des Staates weitgehend ab. Dagegen betonen linke Parteien die Notwendigkeit staatlicher Regelungen, um gleiche Chancen für alle zu schaffen.
Ein anderes Kriterium ist die Positionierung zu Sicherheitsthemen, wo "law and order" als kollektive Kontrolle rechts einzustufen ist, die höhere Einschätzung individueller Freiheitsrechte jedoch als links (siehe z. B. das Thema Datenschutz). "Man kann also durchaus wirtschaftspolitisch rechts und sozialpolitisch links sein, wie es das Liberale Forum (LIF) war", analysiert Filzmaier.
Das LIF fristet bekanntlich seit Jahren ein politisches Schattendasein, ganz im Gegenteil zur rechtspopulistischen FPÖ. Angesichts der starken FPÖ stellt sich natürlich die Frage, ob Österreich besonders weit rechts steht. Auf Bundesebene gab es tatsächlich bisher noch nie eine rot-grüne Mehrheit, jedoch eine schwarz-blaue. Wenn man also SPÖ und Grüne als mitte-links sowie ÖVP und FPÖ als mitte-rechts einstuft - was natürlich vereinfachend ist, jedoch anhand der Geschichte der Sozial- und Christdemokratie zulässig - so gibt es tendenziell eine leichte Rechtsorientierung.
Wie weit rechts stehen nun Österreichs Parteien, wird "rechts sein" in der politischen Kommunikation bewusst eingesetzt? Sprich: Ist es salonfähig rechte Gesinnung zuzugeben? Dazu Filzmaier: "Das BZÖ definiert sich als rechtsliberal, mittlere bzw. größere Parteien werden sich jedoch auf keiner Seite fix positionieren bzw. das nur ungern tun, da eine Mehrheit der Wähler ja in der Mitte zu finden ist." Das gilt allerdings nicht nur für ÖVP und FPÖ rechts dieser Mitte, sondern auch SPÖ und Grüne wollen sich nicht pauschalierend als "Linke" bezeichnen. Das tun allenfalls Teilorganisationen vom Bauernbund bis zu roten und grünen Studierendenorganisationen. Sie sprechen jedoch eine homogenere Zielgruppe an.

Rechts von der Mitte

Filzmaier meint weiters, dass die österreichische Bevölkerung selbst im Querschnitt leicht rechts der Mitte steht. Diese Einschätzung wird von einer aktuellen Umfrage untermauert: In der repräsentativen Studie erkundigte sich das Meinungsforschungsinstitut IMAS bei den Befragten, wo sie sich selbst politisch sehen. Eine solche Ermittlung ist laut IMAS zumindest in Deutschland ein wenig mit dem Geruch eines Tabus behaftet. "Niemand in Deutschland, der noch bei Trost ist, bezeichnet sich selbst als rechts", schrieb der prominente Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer in seinem Bestseller "Unter Linken". Rechts sei nicht die andere Seite des Meinungsspektrums, sondern ein Verdammungsurteil. Unabhängig davon, ob die deutsche Szene der österreichischen gleicht oder nicht, steht für IMAS fest, dass die Bevölkerung hierzulande keine Scheu hat, sich als zumindest knapp rechts der Mitte zu beschreiben: Der Skalenwert liegt bei 50,2. Wobei 50 die genau ausgeglichene Position im Rechts-links-Schema repräsentiert (0 = ganz links und 100 = ganz rechts). Die ÖsterreicherInnen positionieren sich im politischen Spektrum etwas rechts vom Scheitelpunkt.
Es stellt sich aber auch die interessante Frage, wie weit links oder rechts die einzelnen Parteien von den ÖsterreicherInnen eigentlich empfunden werden. Um Aufschluss darüber zu erhalten, hat IMAS einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung gebeten, die politischen Positionen anhand der erwähnten Skala einzustufen. Aus den Antworten errechnet sich für die SPÖ ein durchschnittlicher Skalenwert von 42,2. Erheblich weiter links (bei 29,2) empfindet man jedoch die Grünen. Die ÖVP wird von der Bevölkerung bei der Position 53,9, das BZÖ bei 68,7, die FPÖ hingegen bei 73,0 positioniert. Ob eine der Parteien als rechtsextrem eingeschätzt wird, darüber gibt die Umfrage keinen Aufschluss. Wobei sich wiederum die Frage stellt, was Rechtsextremismus bedeutet?
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes greift hier auf die Definition des Klagenfurter Univ. Doz. Dr. Willibald Holzer zurück: Rechtsextreme Ideologie wird von Holzer als Phänomen aus einem Bündel von Einzelaussagen, die in erster Linie durch die Berufung auf das Prinzip der Natur/Natürlichkeit verklammert werden, beschrieben. Natur, verstanden als vorgegebene Konstante, entzieht sich jeglicher Kritik, ein derartiger Begründungszusammenhang kann nicht infrage gestellt werden. Über dieses Prinzip der Natur wird die Ideologie der Ungleichheit in die rechtsextreme Weltanschauung eingeführt. Rechtsextremismus versteht sich als "natürliche" bzw. "biologische" Ideologie, alles Abgelehnte wird als "widernatürlich" diffamiert, was sich sehr deutlich im Nationalsozialismus und Faschismus widerspiegelt.
In enger Verbindung mit diesen Konzepten wird verschiedensten Gruppen die Sündenbockfunktion zugeschrieben. Das kann AusländerInnen ebenso betreffen wie sprachliche oder religiöse Minderheiten (vergleiche www.doew.at). Diesen Gruppen wird Verantwortung für gesellschaftliche und ökonomische Missstände zugeschoben, sie werden der Kriminalität und anderer unerwünschter Verhaltensweisen bezichtigt und erfüllen eine Entlastungs- und Integrationsfunktion nach innen, indem Ängste und Ärger auf die Feindgruppe abgelenkt werden.

Angst vor dem Islam

In Österreich hat offensichtlich der Islam diese Sündenbockfunktion übernommen. Eine wiederum vom IMAS (2010) durchgeführte Studie bestätigt das große Unbehagen der ÖsterreicherInnen gegenüber dem Islam. Die Kluft zwischen der islamischen und der westlichen Lebenswelt in der einheimischen Bevölkerung gilt demnach als groß: 71 Prozent der ÖsterreicherInnen erklären, dass sich die unterschiedlichen Vorstellungen von Demokratie, Freiheit und Toleranz auf beiden Seiten nicht miteinander vereinen lassen. Lediglich elf Prozent glauben an eine Annäherung zwischen einem westlich-christlichen und einem islamischen Gesellschaftsverständnis. Die Islam-Skepsis der ÖsterreicherInnen wird nun wiederum leider von rechtspopulistischen Parteien missbraucht: Slogans wie "Islam statt Daham", das Video-Spiel "Moschee Baba" oder das Anti-Islam-Comic der FPÖ im Wiener Wahlkampf sprechen hier eine nur allzu deutliche Sprache.
Übrigens glaubt immerhin ein Drittel der AnhängerInnen der Grünen an eine Vereinbarkeit der westlichen und orientalischen Lebenswelten. Bei der SPÖ sind 15 Prozent, bei der ÖVP vier und bei der FPÖ drei Prozent der WählerInnen dieser Meinung. Daraus lässt sich ableiten: Je rechter die politische Einstellung, desto größer die Inakzeptanz gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Lebensweisen.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.parlament.gv.at/PERK/FAQ/PARLA 
www.doew.at 
www.imas.at 
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Harald Kolerus (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617399 Rechtsextremismus versteht sich als "natürliche" bzw. "biologische" Ideologie, alles Abgelehnte wird als "widernatürlich" diffamiert, was sich sehr deutlich im Nationalsozialismus und Faschismus widerspiegelt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617422 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617377 Contra Faschismus - wozu? Der 17. ÖGB-Bundeskongress beschloss 2009 eine große Reform der Statuten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. In den Jahrzehnten, die seit der Wiederbegründung einer staatsunabhängigen demokratischen Gewerkschaftsbewegung vergangen waren, hatte sich vieles geändert. Die in Paragraf 3 der Statuten festgelegten Selbstverpflichtungen des ÖGB spiegelten die Veränderungen wider. So kam zum Beispiel nach dem EU-Beitritt Österreichs und angesichts von öffentlichen Angriffen auf Gewerkschaftsrechte die Verpflichtung zur "Wahrung der in der Verfassung verankerten Rechtsstaatlichkeit in einem sozialen Europa" hinzu.
Der "unentwegte Kampf zur Hebung des Lebensstandards der ArbeitnehmerInnen Österreichs" blieb selbstverständlich immer unverändert im Zentrum - wie auch die Sicherung des Weltfriedens. Aber noch eine andere Selbstverpflichtung gibt es seit der ÖGB-Gründung: jene, den Faschismus zu bekämpfen.1

Einmischung notwendig

Angesichts des Inhalts von Paragraf 3 werden sich viele fragen, was das alles mit einer Gewerkschaftsbewegung zu tun hat, - natürlich mit Ausnahme der Verpflichtung zum Kampf für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen der ArbeitnehmerInnen. Und zusätzlich werden sich wohl manche auch noch fragen, warum sich der ÖGB 66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch immer zum Kampf gegen den Faschismus verpflichtet. Zunächst der Versuch einer Antwort auf die erste Frage: Es kann keiner Gewerkschaft der Welt, die diesen Namen verdient, gleichgültig sein, wie die Gesellschaft und der Staat um sie herum beschaffen sind - ob Frieden herrscht oder Krieg, ob GewerkschafterInnen verfolgt werden oder beim Eintreten für ArbeitnehmerInneninteressen persönlich sicher sind, ob das Recht auf Organisation erst erkämpft werden muss oder außer Frage steht, ob gute Lohnabschlüsse weggesteuert werden oder nicht und vieles mehr. Deshalb mischte sich die Gewerkschaftsbewegung von Anfang an in die Politik ein. In Österreich musste sie es 1869 tun, um erst einmal Koalitionsfreiheit durchzusetzen, das heißt die Beseitigung der Strafdrohung für Gewerkschaftsgründung und Arbeitskämpfe.
Sie mischte sich auch massiv ein, um ein demokratisches Wahlrecht zu erreichen, das 1907 wenigstens für Männer Wirklichkeit wurde. Sie begann, Kollektivverträge abzuschließen, und schuf damit eine neue Rechtsform, die über das Individualrecht für die Arbeitsbeziehungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch weit hinausging. In der Demokratie der Ersten Republik stellte Richard Wagner, der Leiter der Wiener Gewerkschaftsschule, 1925 überhaupt einen "Funktionswandel der Gewerkschaften" fest: "Wenn die freien Gewerkschaften heute lange nicht mehr Vereine unter anderen Vereinen im Gesellschaftsleben sind, die irgendwelche Sonderinteressen ihrer Mitglieder vertreten, also in unserem Fall mehr Lohn und geringere Arbeitszeit, sondern wenn sie immer größere Massen zu gemeinsamem Wirtschaftswillen zusammenschließen …, dann wandelt sich ihre Funktion, Gruppenvertretung in den gegebenen Wirtschaftsverhältnissen zu sein, zu der allgemeinen gesellschaftlichen Funktion, die Wirtschaftsverhältnisse bewusst zu beeinflussen."2 Es war also nur eine konsequente Weiterführung der Gewerkschaftsstrategien der Zeit vor dem Faschismus, die den ÖGB nach 1945 zu einem entscheidenden Faktor für den demokratischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Österreichs werden ließ.

Auch 2011 noch wichtig

Das Stichwort "Faschismus" führt zum Versuch einer Antwort auf die zweite Frage, warum der Kampf gegen Faschismus und Reaktion im Jahr 2011 noch immer als Selbstverpflichtung in den ÖGB-Statuten zu finden ist. Dazu vorab ein notwendiger Hinweis: Es wird nicht auf den Nationalsozialismus allein Bezug genommen, sondern auf faschistische Ideologien und Systeme generell. Es gibt leider keine Dokumentation des Diskussionsprozesses bei der Formulierung der ersten Statuten, aber man kann davon ausgehen, dass damit die Absicht ausgedrückt werden sollte, nicht nur etwaigen nationalsozialistischen Umtrieben entgegenzutreten, sondern auch jedem Ansinnen, Elemente des austrofaschistischen Ständestaat-Systems, das 1934 bis 1938 geherrscht hatte, wiederzubeleben. Auf jeden Fall wurden die Statuten von den VertreterInnen der ehemaligen christlichen Gewerkschaften im überparteilichen ÖGB mitgetragen, obwohl diese trotz Gegnerschaft zu den faschistischen Heimwehren in das Regime eingebunden gewesen waren.1945 wusste ja niemand wirklich, wie es weitergehen würde, und der Ständestaat war es gewesen, der 1934 alle eigenständigen, staats- und unternehmensunabhängigen Gewerkschaften verboten hatte. Wie tief und lang diese historischen Ereignisse nachwirken, zeigt übrigens die aktuelle politische Diskussion um die längst überfällige Aufhebung der Strafurteile gegen GegnerInnen der austrofaschistischen Diktatur.

Diese Ära ist nicht vorbei

Trotzdem vertreten viele Menschen, darunter auch etliche HistorikerInnen, den Standpunkt, die Ära des Faschismus sei endgültig vorbei, man solle die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen und Nationalsozialismus, italienischen Faschismus, Austrofaschismus, das spanische Franco-Regime, den kroatischen Faschismus und all die anderen Spielarten nicht anders behandeln wie zum Beispiel die Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph. Es stimmt ja auch: Außer ein paar nostalgischen Neo-Nazis wird niemand mehr Outfit und Sprache dieser historischen Regime verwenden. Aber sind deshalb auch ihre Ideen und Ziele verschwunden? Die Antwort darauf wird unterschiedlich ausfallen, je nachdem, wie und durch wen Faschismus definiert ist.
Der US-amerikanische Historiker Stanley G. Payne kam in seinem 1995 erschienenen Standardwerk "A History of Fascism"3 zu dem Ergebnis, dass zwar "der spezifische historische Faschismus niemals wiedererschaffen werden kann. Jedoch wäre es möglich, dass wir am Ende des 20. Jahrhunderts Zeugen eines Aufstiegs neuer und teilweise ähnlicher Formen von autoritärem Nationalismus, insbesondere in Osteuropa, Afrika und Asien, werden". Der deutsche Historiker Andreas Umland stimmt dem zu, hält aber die Definition als "autoritärer Nationalismus" für zu harmlos. Er verlangt: "Faschismus sollte als eine spezielle Form von Rechtsextremismus konzipiert werden, wie unter anderem die … häufigen Allianzen zwischen faschistischen und anderen antidemokratischen rechten Gruppierungen und deren gelegentliche Verschmelzung zu indizieren scheinen."4 
Staatsunabhängige eigenständige Gewerkschaften, deren Handlungsspielraum untrennbar mit einem demokratischen Umfeld verbunden ist, gehörten zumindest in Europa zu den Angriffszielen des Faschismus und wurden zerschlagen, wo dieser an die Macht kam. Nicht zuletzt auch, weil es echten Gewerkschaften egal ist, welchen "Migrationshintergrund" ihre Mitglieder haben, - sie sind die Organisation der auf abhängige Arbeit angewiesenen Menschen, unabhängig davon, woher sie kommen. Das widerspricht der rassistischen Ideologie, die alle alten und neuen Formen des Rechtsextremismus miteinander verbindet.

Lebensbegleitendes Lernen

Die meisten Menschen, die heute in Österreich leben, können keine Erinnerung an die Ereignisse vor 80, 70, 60 Jahren haben. Das ist normal. Damit sie aber trotzdem zur Erkenntnis fähig sind, wo faschistische und sonstige rechtsextreme "Problemlösungen" den demokratischen Weg bedrohen, muss das Gedächtnis an die reale Herrschaft des Faschismus zu einem öffentlichen Kulturgut werden. Oskar Negt, der deutsche Wissenschafter, der immer wieder auch der österreichischen Gewerkschaftsbewegung kritische Nachdenkanstöße gibt, betont aus diesem Grund in vielen seiner Referate: "Nur die demokratische Gesellschaftsordnung ist angewiesen auf lebensbegleitendes Lernen."5

Internet:
ÖGB-Statuten
tinyurl.com/bmhkusx
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1 Die aktuellen Statuten des ÖGB im Web: tinyurl.com/bmhkusx
2 Richard Wagner: Der Funktionswandel der Gewerkschaften und die freigewerkschaftliche Bildungsarbeit. In: Anton Hueber, Franz Domes (Hg.): Arbeit und Wirtschaft, VI. Jg., Heft 13 vom 1. Juli 1928, Sp. 609-614; Sp. 609-610.
3 Stanley G. Payne: A History of Fascism, 1914-1945. XIV + 613 S., The University of Wisconsin Press, Madison 1995.
4 www.neue-politische-literatur.de; Fachbereich 2 der TU Darmstadt > Neue Politische Literatur > Archiv > Online-Rezensionen > e-npl Stanley G. Payne; DL 23.10.2011.
5 Oskar Negt: Politische Bildung und Demokratie - ein Plädoyer für Bildung als Antwort auf die Katastrophe: In AK Oberösterreich (Hg.): 50 Jahre Bildungshaus AK-Jägermayrhof, Linz 2009, S. 52-67; S. 52.

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Brigitte Pellar (Historikerin) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617334 Es stimmt ja auch: Außer ein paar nostalgischen Neo-Nazis wird niemand mehr Outfit und Sprache dieser historischen Regime verwenden. Aber sind deshalb auch ihre Ideen und Ziele verschwunden? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617320 Der Prozess Man schrieb das Jahr 1994. Die Gewerkschaftsjugend-Mitglieder des Jahres 2011 waren noch nicht geboren oder ganz kleine Kinder. Ein Berufsschullehrer wurde wegen Verdachts auf nationalsozialistische Wiederbetätigung angezeigt, aber das Verfahren verschleppt, die massiven Proteste der ÖGJ ignoriert. 1996 kam es dann doch zum Prozess. Die "Bildungsinfo" von AK und ÖGB, die damals auch an alle JugendvertrauensrätInnen ausgeschickt wurde, berichtete darüber:

Und so ist es dazu gekommen. Richard R. unterrichtete Elektrotechnik an einer Wiener Berufsschule. Eigentlich kein Gegenstand für ausschweifende historische Betrachtungen. R. sieht das aber anders. "Zur Erholung und damit die Schüler danach entspannt weiterarbeiten können", fühlte er sich bemüßigt, zwischen Trafo und Gleichstrom über Gaskammern in Dachau zu plaudern und diese - wenn die Gelegenheit schon einmal da war - auch gleich zu leugnen. … Couragierte Schüler beschwerten sich beim Direktor über diese untragbare "Unterrichtsgestaltung" und es kam 1994 zur Anzeige. … Spät, und weil es sich eben nicht "vermeiden" ließ, begann dann im Mai 1996 die Gerichtsverhandlung gegen Richard R. …
Richter Hans Peter Januschke hielt dem angeklagten Lehrer die Stange und sprang mit den jungen Zeugen in unvorstellbarer Weise um. … "Nichts über Auschwitz? War es also generell oder partiell? Das ist doch ein Unterschied, den man auch einem Berufsschüler erklären können müsste!" Zu seinem besonderen "Feindbild" erkor sich der Richter die Gewerkschaftsjugend, die ihre Aufgabe auch darin sieht, "im Rahmen ihrer Politik vom Rechtsextremismus gefährdete Jugendliche wieder auf den Boden von Demokratie und Toleranz zu führen". Januschke zum ÖGJ-Bundessekretär als Zeugen: "Sie wollen also die Weltanschauung der Lehrlinge ändern, so es Ihnen nicht genehm ist - es ist sozusagen Ihre Funktion, sie umzupolen. Da kann man quasi sagen, dass sich die Wirtschaft der Gewerkschaft bedient, um ihr gesinnungsmäßig angenehme Arbeitnehmer zu rekrutieren." Kollege Mernyi ließ sich aber nicht einschüchtern: Er forderte konsequent und entschlossen den Rücktritt des Richters Januschke. Die Medien machten den Skandal zu einem öffentlichen Thema - fast alle standen in diesem Fall auf der Seite der Zeugen.

Die Staatsanwaltschaft erklärte den Richter jetzt als befangen, er wurde ausgetauscht und der Justizminister kündigte ein Disziplinarverfahren an.
Der Lehrer Richard R. war allerdings kein Einzelfall. In der "Bildungsinfo" heißt es weiter:

Seit Jahren leistet die Gewerkschaftsjugend engagierte Aufklärungsarbeit und sammelt Material gegen rechte Lehrer. … Seit dem Skandal-Prozess des Richters Januschke läutet im ÖGJ-Sekretariat fast pausenlos das Telefon. "Es ist erschreckend, wie viele Hinweise auf braune Umtriebe wir bekommen", sagen die KollegInnen aus der ÖGJ, "wir sind aber auch begeistert, dass Schülerinnen und Schüler so viel Mut beweisen, und sich gegen nationalsozialistische Wiederbetätigung wehren. An ihrer Zivilcourage sollten sich viele Erwachsene ein Beispiel nehmen."

Für die AnruferInnen hatte die ÖGJ eine eigene Servicenummer zum Thema "Rechtes Gedankengut im Unterricht" eingerichtet (Rufnummer 0222/534 44-320 Dw.). SchülerInnen und Lehrlinge konnten hier Informationen weitergeben und/oder benötigte Hilfe bekommen.
Zusammengestellt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at
 

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Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617311 Um keine Angriffsfläche zu bieten, war das Titelbild zum Prozessbericht symbolisch. Es zeigte eine Probe zur AK-Aktion "Bundestheater in die Bundesländer" mit den Schauspielern Weber, Evangelides und Czerwenka. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617298 Arbeiterkammer: Käthe-Leichter-Preis an Christa Schlager "Käthe Leichter hat in vielerlei Hinsicht Pionierarbeit für uns Frauen geleistet. Der nach ihr benannte Staatspreis für Frauen, Geschlechterforschung und Gleichstellung in der Arbeitswelt soll an das Wirken dieser großen Ökonomin und Sozialforscherin erinnern", so Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek im Rahmen der feierlichen Verleihung des Käthe-Leichter-Staatspreises 2011 sowie fünf weiterer Käthe-Leichter-Preise. Zum zweiten Mal wurde außerdem der 2010 ins Leben gerufene Frauen-Lebenswerk-Preis vergeben.
Die Frauenministerin überreichte den Käthe-Leichter-Staatspreis 2011 an Christa Schlager für ihre wirtschaftswissenschaftliche Forschungsarbeit in den Bereichen Budget- und Verteilungspolitik, Gender-Budgeting und Einkommensentwicklung. "So wie Käthe Leichter hat Christa Schlager sich die ökonomischen Benachteiligungen von Frauen zum Thema gemacht und hier Pionierarbeit geleistet", so Heinisch-Hosek. Die Preisträgerin greife die blinden Flecken im Wirtschafts- und Sozialsystem auf. So sei etwa das Sichtbarmachen und die Anerkennung von Versorgungsarbeit eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Frauen in ihrer gesellschaftlichen Rolle nicht einem erhöhten Armutsrisiko und sozialer Ungleichheit ausgesetzt bleiben.
Um das Sichtbarmachen weiblicher Leistungen gehe es auch beim Frauen-Lebenswerk-Preis. Die ehemalige Präsidentin der Österreichischen Nationalbank, Maria Schaumayer, sei für viele Frauen ein solches Vorbild. Sie habe sich in ihrem beeindruckenden Werdegang im männerdominierten Bankenwesen durchgesetzt. Mit der Dr.-Maria-Schaumayer-Stiftung unterstütze sie nun die Karrieren von jungen Frauen in Wirtschaft und Wissenschaft.
Die fünf weiteren Käthe-Leichter-Preise wurden von der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur, dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, von der Österreichischen Nationalbank und der AK Wien gestiftet. Sie gingen dieses Jahr an Angelika Paseka, Beate Großegger, Silvia Ulrich, Petra Unger sowie Helga Amesberger gemeinsam mit Brigitte Halbmayr.
Die Preise werden für hervorragende Leistungen um die Frauen- und Geschlechterforschung in den Bereichen Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften verliehen, wie auch für den Einsatz um die Frauenbewegung und die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit. Sie erinnern an das Leben und Wirken der Nationalökonomin Käthe Leichter (1895-1942), die als erste Frauenreferentin der Arbeiterkammer und Redakteurin der "Arbeit&Wirtschaft" politisch und wissenschaftlich im Interesse der Frauen tätig war. Ihre sozialpolitischen Erhebungen gehören zu den wichtigsten frauenrelevanten Publikationen der Zwischenkriegszeit. 1942 wurde Käthe Leichter, die sich auch als Widerstandskämpferin für Gerechtigkeit und Menschwürde einsetzte, in der Euthanasieanstalt Bernburg ermordet.
Weitere Infos unter:
www.bka.gv.at/site/5558/default.aspx 

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Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617284 ÖGB und AK: Mach mit! Rasche und von den KollegInnen mitgetragene Lösungen sind Alltag für ArbeitnehmervertreterInnen. Sich zusammenreden, abstimmen und argumentieren, um andere ins Boot zu holen, oder auch das Gegenüber in der Konfrontation zu überzeugen: All das bedeutet letztlich Kommunikation in sozialen Netzwerken - seien es reale Beziehungen oder virtuelle "soziale Medien".
ÖGB und AK Wien suchen die besten Kommunikationsideen und -lösungen in kleinen, mittleren und großen Betrieben bzw. Organisationen in Wien. Die Kategorien 2011 beziehen sich auf den Status der jeweiligen Problemlösung, die durch gezielte Kommunikation erreicht wurde. Entscheidend ist das Vorhandensein einer erfolgten Problemlösung oder einer Idee bzw. eines Konzeptes für eine Problemlösung mithilfe kommunikativer Maßnahmen - sei es im realen Raum oder auch unter Einbeziehung von "Social Media".
Die Kategorien:
Lösung - "So war’s". Welches Problem hat es gegeben? Welche Kommunikationsmittel hast du eingesetzt? Was hast du erreicht, was hat sich verändert?
Idee - "So wird’s". Welches Problem möchtest du lösen? Wie kannst du darauf aufmerksam machen und welche Kommunikationsmittel einsetzen? Was kann damit erreicht werden?
Jetzt einreichen! Einreichfrist ist der 30. November 2011. Die Abschlussveranstaltung mit Preisverleihung findet Ende Jänner 2012 statt. Alle TeilnehmerInnen werden darüber informiert und erhalten dazu eine schriftliche Einladung.
Alle Informationen unter
www.bestkom.at  ]]>
Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617278 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617273 Arbeiterkammer: Kampfansage an "Gewinnschmähs" Der Ausflug zum Glück entpuppt sich meist als Werbefahrt, bei dem überteuerte Produkte an die vermeintlichen Gewinner verkauft werden. Immer wieder kommen findige Unternehmen mit neuen Tricks auf den Markt. Die AK Niederösterreich hat jetzt gemeinsam mit der AK Wien, dem Konsumentenschutzministerium, den Bundesländern Niederösterreich und Burgenland eine Initiative im Internet "Hände weg von Werbefahrten" gestartet und deckt damit unseriöse Firmen auf. Immer öfter ärgern sich KonsumentInnen in den AK-Konsumentenberatungen über neue Maschen bei Werbefahrten und Gewinnbenachrichtigungen. Die Unternehmen werden immer dreister. Dem muss Einhalt geboten werden, findet die AK. Unter www.haendewegvonwerbefahrten.at erhalten VerbraucherInnen mit wenigen Klicks Auskunft über jene Firmen, die sie besser ignorieren sollten. Jeder Eintrag enthält den Firmennamen, die Anschrift, mit welchen Tricks die Firmen arbeiten und das Schreiben, das an die KonsumentInnen versandt wurde. KonsumentInnen können sich ebenfalls beteiligen: Wenn Sie eine Gewinnnachricht oder Einladung zu einer Werbefahrt erhalten, können Sie diese an die AK-KonsumentenschützInnen schicken.
Tipps der AK-KonsumentenschützerInnen:
Denken Sie daran: Niemand hat etwas zu verschenken! Je toller die Gewinnversprechungen klingen, desto mehr Vorsicht ist geboten.

  • Hände weg, wenn Sie eine Einladung oder Gewinnzusage von einem Unternehmen erhalten, das nur ausschließlich eine Postfachadresse angibt.
  • Äußerste Vorsicht bei Gewinnzusagen von Firmen, die Sie nicht kennen. Erkundigen Sie sich über das Unternehmen.
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Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617254 GPA-djp: SOS Ungarn: Kehrtwende nach rechts Seit April 2010 regiert in unserem Nachbarland Ungarn die neu angetretene Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán mit einer verfassungsgebenden 2/3-Mehrheit im ungarischen Parlament. In atemberaubender Geschwindigkeit wurde diese Mehrheit dafür genutzt, die politischen Spielregeln im Land zu ändern. Mit dem international viel kritisierten neuen Mediengesetz wird die Freiheit der Medien und der Meinungsäußerung empfindlich eingeschränkt. Im Eilverfahren wurden Verfassungsänderungen, zuletzt eine große Verfassungsnovelle, beschlossen. Unerwünschte KritikerInnen werden ihrer Existenzgrundlage beraubt und mundtot gemacht. Zudem plant die Regierung ein neues Arbeitsgesetz, welches nicht nur das Streikrecht weiter einschränken soll, sondern auch arbeitsrechtliche Verschlechterungen mit sich bringen wird.
Am 24. Oktober nahm die GPA-djp diese bedenklichen und Demokratie und Meinungsfreiheit gefährdenden Entwicklungen in Ungarn genauer unter die Lupe. In einer spannenden Diskussionsveranstaltung gingen GewerkschafterInnen aus Ungarn gemeinsam mit JournalistInnen aus Österreich der Frage nach, ob Ungarn den Boden der Demokratie bereits verlassen hat. Außerdem wurde darüber diskutiert, wie wir als GewerkschafterInnen unsere KollegInnen in Ungarn konkret unterstützen können.
Online-Petition der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp:
www.gpa-djp.at/pressefreiheit   ]]>
Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617241 Driften nach rechts Er freue sich ganz besonders, mit seiner Journalistenkollegin Nina Horaczek am Podium zu sitzen, betonte Hans-Henning Scharsach gleich nach Betreten der ÖGB-Fachbuchhandlung am 7. November. Zum ersten Mal treffe er sie, deren Strache-Buch ausgezeichnet sei und ihm wertvolle Anregung für sein geplantes Buch über den FPÖ-Populisten liefere, erklärte der Autor von unter anderem "Haiders Kampf". Die Falter-Journalistin Horaczek hat mit dem Anwalt Sebastian Wiese das profunde "Handbuch gegen Vorurteile" geschrieben, das druckfrisch auflag. Mit am Podium auch Willi Mernyi, Leiter des Referats für Organisation, Koordination, Service im ÖGB, Autor der Bücher "Demagogen entzaubern", "Rechtsextrem. Symbole. Codes. Musik. Gesetze. Organisationen" und Vertreter des Mauthausen Komitees (MKÖ).
Die hochkarätigen Gäste und die engagierten Beiträge des Publikums, sorgten für einen interessanten und unterhaltsamen Abend in der ÖGB-Fachbuchhandlung in der Wiener Rathausstraße.

Buchtipp
Nina Horaczek/Sebastian Wiese
Handbuch gegen Vorurteile
Von Auschwitzlüge bis Zuwanderungstsunami
Czernin Verlag, 2011,304 Seiten, EUR 19,80 ISBN 978-3-7076-0392-7
Bestellung:
ÖGB-Fachbuchhandlung, 1010 Wien, Rathausstr. 21, Tel.: (01) 405 49 98-132
fachbuchhandlung@oegbverlag.at 

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Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617231 Die besten Argumente gegen Stammtischparolen sind nach wie vor gut recherchierte Fakten - schon allein deswegen kauften viele nach der Diskussion das Handbuch gegen Vorurteile. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617213 Standpunkt | Der Schoß ist fruchtbar noch ... Kahl geschoren mit Springerstiefeln und Bomberjacken haben sie die Veranstaltungen der Ewiggestrigen beschirmt. "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch", schreibt Bert Brecht im "Aufhaltsamen Aufstieg des Arturo Ui". Sollte er etwa nicht recht behalten haben?

Neuer Auftritt für alte Parolen

Er hat leider recht behalten, nur hat sich im Lauf der letzten 30 Jahre das Gesicht der Rechten nach und nach verändert - zu den alten Herren, die noch dabei waren, den Skinheads und den Akademikern und Studenten mit dem Schmiss im Gesicht, kamen neue, modischere Rechte, denen man ihre Gesinnung nicht so leicht ansah. Und auch deren Feindbilder - zum Antisemitismus und Rassismus kam mehr und mehr Anti-Islamismus - haben sich gewandelt seit Mitte der 1980er-Jahre Jörg Haider alten Parolen einen neuen Auftritt verpasst hat.
Seine Buberln waren keine Skinheads, sondern fesch gekleidet und modisch schick. Der Coverheld der FPÖ schaffte es, seine Partei immer näher der Mitte zu platzieren und gleichzeitig den rechten, deutschnationalen Rand nicht zu verlieren, der ihn auf den Thron gehievt hatte. Er feierte mit ihnen am Ulrichsberg und erheiterte sie mit Pointen über die Ostküste. AsylwerberInnen wollte er in Kärnten keine haben. Nur zum Islam hatte er ein gespaltenes Verhältnis, er besuchte Saddam Hussein und pflegte ein freundschaftliches Verhältnis zum Sohn von el-Gaddafi, war für einen Türkei-Beitritt der EU, aber gegen den Bau von Moscheen in Kärnten.
Nachdem vor drei Jahren "die Sonne vom Himmel gefallen ist", übernahm ein anderer die Verbreitung von Rassismen und rechter Propaganda. Heinz-Christian Strache war bereits als 15-Jähriger Mitglied einer schlagenden Schülerverbindung und hatte Kontakte zur Neonaziszene. Noch heute sieht man Skinheads am Rande seiner Veranstaltungen, bei denen er - wie auch auf seinen Plakaten - gegen MigrantInnen und Islam wettert. Eine Strategie, die ihm, wie schon Haider, durchaus Stimmen bringt. Immerhin ist die FPÖ mit 34 Sitzen die drittstärkste Partei im österreichischen Parlament.
Da kann man nicht mehr nur vom rechten Rand sprechen, das ist ein Zeichen dafür, dass rassistisches und rechtes  Gedankengut in der Mitte angekommen ist.
Dass aber auch der rechte Terror eine stete Gefahr ist, beweist nicht nur das schreckliche Attentat des Norwegers Anders Behring Breivik im Juli dieses Jahres, sondern auch das Auffliegen der sogenannten "Braunen Armee Fraktion" in Deutschland, die mindestens zehn Morde zu verantworten hat, wie kurz vor Drucklegung dieser Zeitung bekannt wurde. Von all dem will der deutsche Verfassungsschutz nichts geahnt haben.

Lasst euch nicht verführen

Dass immer wieder Rassismen auf fruchtbaren Boden fallen, das bestätigt auch die Sozialanthropologin Christa Markom. Sie hat den Rassismus in Österreich untersucht und festgestellt, dass sogar antirassistische NGOs dagegen nicht ganz gefeit sind.
Es liegt wohl auch an uns selbst, unsere Sprache und unser Denken stetig neu auf Diskriminierungen zu untersuchen, und diese bei uns und anderen zu kritisieren. Zu leicht schleichen sich Vorurteile und Klischees in unser Denken und Sprechen. Um mit Brecht zu schließen: "Lasst euch nicht verführen!"

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Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1294824502754 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866617122 Griechenland: Rettungsschirme als Krieg gegen das Volk? In Windeseile ändern sich derzeit dramatisch die politischen Rahmenbedingungen in der EU. Beispiel Griechenland: Zunächst  nahm der griechische Premier Papandreou zähneknirschend neue demütigende Auflagen für ein weiteres "Rettungspaket" hin, dann schlug er - weil er wusste, dass dieses nie Akzeptanz finden würde - eine Volksabstimmung über das Verhandlungsergebnis vor. Das offizielle Europa reagiert mit Entsetzen und Panik, die Börsen mit Kursstürzen. Einige Tage später wurde er gezwungen, die Volksabstimmung abzusagen und in Konsequenz davon auch zurückzutreten. In Windeseile wurde ein Notenbanker gefunden, das Land aus der Krise zu führen. Vorübergehend zumindest. Beinahe zeitgleich dazu passierte das Gleiche in Rom. Zwar ist die Figur Berlusconi in keiner Weise vergleichbar mit Papandreou, der neue Premierminister Mario Monti ist aber genau so wenig politisch legitimiert wie sein neuer Amtskollege Papademos. Zufrieden reagieren "die Märkte". Zumindest vorerst. Einer "Expertenregierung" traut man doch viel mehr zu, als einer durch das Volk gewählten Parteienregierung.

Massive Entdemokratisierung

Vor unseren Augen spielt sich in den vergangenen Jahren in Europa eine massive Entdemokratisierung und damit ein eklatanter Rechtsruck ab, eingeleitet und ausgeführt von den etablierten (Volks-)Parteien links und rechts der Mitte, die dem Diktat des Marktes folgten, ihm die nötige Freiheit verschafften, und jetzt - nach der Selbstentsorgung der Politik - wie der Zauberlehrling auf das Unwesen starren, das sie losgeschickt haben.  Der "Fall Griechenland" (im doppelten Sinne) veranschaulicht dies par excellence.

Massive Rezession

Nach zwei "Rettungsschirmen" und vor einem "freiwilligen Haircut" sieht es im Land wie folgt aus: Die Rezession der griechischen Wirtschaft wird heuer laut Prognosen fünf bis sieben Prozent betragen, und dies nach der gewaltigen Rezession von 4,5 Prozent im Jahr 2010. Insgesamt ist die griechische Wirtschaft seit 2008 um etwa 13 Prozent geschrumpft. Im Durchschnitt betragen die Einkommensverluste griechischer ArbeitnehmerInnen bis dato rund drei Monatslöhne, die Pensionen werden um 20 bis 35 Prozent gekürzt.
Die Arbeitslosenrate liegt bei 17 Prozent, das sind über 800.000 Menschen. Die Jugendarbeitslosigkeit nähert sich der 50-Prozent-Marke an. Zu den offiziellen Zahlen kommt mittlerweile eine große Anzahl an ehemals selbstständigen KleinunternehmerInnen, die ihr Geschäft schließen mussten, aber keinen Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung haben. Trotz zum Teil massiver Anhebung der Mehrwertsteuer gehen die Steuereinnahmen zurück, und der Schuldenstand steigt unaufhörlich. "Die Arbeits- und Lebensbedingungen werden an die der sogenannten Dritten Welt herangeführt", sagte der Wirtschaftsexperte des griechischen Gewerkschaftsinstitutes INE_GSEE Christos Triantafillou beim Forum Jägermayrhof im September in Linz. Denn neben den unmittelbaren finanziellen Einbußen wird hier die immer geforderte "Strukturreform" beinhart durchgezogen. Im Bereich der ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsrechte heißt das, dass z.B. im Bereich des öffentlichen Sektors nicht nur das 13. und 14. Monatsgehalt mehr oder weniger abgeschafft und Beamte einfach entlassen werden, sondern dass auch Tarifverträge im Bereich des öffentlichen Verkehrs einfach abgeschafft werden und die Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden auf 40 Stunden erhöht wird. In der Privatwirtschaft werden unter anderem die Löhne für drei Jahre eingefroren, das System der Tarifverhandlungen ausgeschaltet und es besteht die Möglichkeit von Tarifverträgen unter dem vereinbarten nationalen Mindestlohn.

Ausverkauf von Staatseigentum

Dazu kommt der erzwungene Ausverkauf von Staatseigentum. Von Energie- und Wasserversorgung über Flughäfen, Häfen, Eisenbahnen bis hin zu Glücksspiel und Inseln steht alles auf der Verkaufsliste. Große internationale Konzerne und chinesische Investoren sind seit geraumer Zeit als Schnäppchenjäger unterwegs. Eine "Rettung" sind diese Maßnahmen ja nun wohl nicht. Denn nichts von den offiziell angegebenen Zielen (Abbau des Staatsdefizits, Rückzahlung der Schulden, Wirtschaftswachstum) wird dadurch erreicht. Im Gegenteil: die Wirtschaft schrumpft, die Ratings werden schlechter, die Situation immer auswegloser. Fazit: Diese Politik ist ökonomisch dumm, sozialpolitisch verheerend und demokratiepolitisch äußerst gefährlich.

Die PIGS und die "Hausaufgaben"

Die Maßnahmen gegen Griechenland - aber auch gegen alle anderen PIGS (so nennt man in "Fachkreisen" nicht ohne Genuss die Staaten Portugal, Irland, Griechenland und Spanien) - dienen als Labor für Sozialabbau in ganz Europa. Diese sogenannten "Hausaufgaben" werden über kurz oder lang von uns allen verlangt werden. Frankreich, Belgien, und Österreich sind ja auch bereits "unter Beobachtung der Märkte". Deshalb wird nun unter der politischen Führung Deutschlands von einer Elite an einer neuen Wirtschaftsregierung gebastelt, und der (gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Grünen) beschlossene "Six-Pack" ist die erste der "Aufgaben", die in Zukunft für uns alle angedacht werden.
Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung war einer der Träume von Jacques Delors und Forderung von Gewerkschaften, SozialdemokratInnen und Linken in Europa. Ihr Ziel war eine soziale Union. Jetzt wird sie in ihr Gegenteil verkehrt: Sie propagiert eine radikale Spar- und Lohnsenkungspolitik, die die bisher schon für den Euroraum schädlichen Leitlinien und monetaristischen Dogmen durch Recht versteinert und letztlich genau zu jenen Resultaten führen wird, die sie angeblich verhindern will. Dass daneben Ratingagenturen und "die Märkte" weiterhin ihr Unwesen treiben, stört Merkel, Ackermann und Co. nicht. Das Ergebnis wird eine verarmte europäische Gesellschaft zum Wohle der Banken, Konzerne und der internationalen Spekulation sein. Derzeit richten sich die legitimen Proteste der BürgerInnen gegen ihre eigenen Herrscher, die fügsame Marionetten der Märkte sind. Werden sie ihre Wut morgen gegen die Europäische Union richten?
Die Diskreditierung und Demontage der Demokratie ist wahrscheinlich die schlimmste aller Folgen der aktuellen Politik in Europa. Die Menschen in den Krisenländern fühlen sich enttäuscht, von der Politik im Stich gelassen, ja verraten. In Griechenland wurde nach Jahren einer korrupten Regierungsepoche mit großer Mehrheit eine sozialistische Regierung gewählt, die mit dem Schlamassel aufräumen wollte. Privatisierungspläne wurden rückgängig gemacht, die Finanzlage des Staates durchforstet, die Menschen fassten wieder Vertrauen in die Politik.
Dann kamen die weltweit aktiven Spekulanten auf die Idee, nach den USA Europa abzugrasen. Griechenland bot sich da als erstes an, und mit der nötigen Stimmungsmache von den "faulen PIGS" lieferten sie es als erstes Schwein dem Schlachtmesser aus. Und jetzt muss diese junge Regierung Schritt für Schritt ausführen, was der IWF, die Hardliner der EU und die dahinter liegenden Kapitalinteressen verlangen. Die politische und wirtschaftliche Elite vollzieht unter dem Vorwand, Europa zu retten, einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Sie hat sich zu einem Regieren gegen die Mehrheit der Bevölkerung entschieden. Das Ganze nennt sich nicht von ungefähr "Austeritätspolitik". Auch dieser Ausdruck kommt aus Griechenland und bezeichnet unter anderem jene Herrscher, die ihr Land streng - mit eiserner Faust - regieren.

Schlittern in die Gesellschaftskrise

Von der Finanz- über die Wirtschaftskrise schlittern wir immer mehr in eine Gesellschaftskrise. Viele leben noch immer in der Welt des wohlfahrtsstaatlichen Europas des vorigen Jahrhunderts und glauben, diese sei grundsätzlich gesichert, man habe nur ein bisschen übertrieben. In Wahrheit stehen wir vor einem neuen, jedoch sehr kalten, von enormer wirtschaftlicher Dummheit geprägten, sozial und politisch immer mehr verarmenden Europa. Vor einem undemokratischen, autoritären, politisch äußerst rechtem Austerity-Europa. Ein Meister der Verdrängung, wer es nicht wahrhaben will.

Internet:
Podcast - Vortrag von Christos Triantafillou
tinyurl.com/cz6vbe4
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
wall-strasser@oegb.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Sepp Wall-Strasser (Bereichsleiter für Bildung und Zukunftsfragen im ÖGB) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866617063 Derzeit richten sich die legitimen Proteste der BürgerInnen gegen ihre eigenen Herrscher, die fügsame Marionetten der Märkte sind. Werden sie ihre Wut morgen gegen die Europäische Union richten? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866616859 Wörter können wehtun Negerkuss, Zigeunerschnitzel, Schwarzarbeit - manche Wörter sind eindeutig, manche weniger offensichtlich mit der Diskriminierung einer Minderheit verbunden. Aber wie wichtig ist die antirassistische Sprachkritik für Menschen, die mit Sprache arbeiten, selbst MigrantInnen sind oder gegen Rassismus auftreten? Wie weit darf ein/e KünstlerIn gehen, und was ist zu viel? Wenn Sprache aber auch hilft, mit Themen wie Rassismus, Sexismus oder Homophobie satirisch umzugehen, wie es besonders in textorientierter Rap-Musik der Fall ist, ist dann alles erlaubt, was "Spaß" macht?

Zu hart für den Index

Massimo ist Rapper in Berlin und in der Live-Produktion der Berliner Hip-Hop-Formation K.I.Z. tätig. Er selbst und die Band nehmen kein Blatt vor den Mund. So kann es sogar passieren, dass K.I.Z. immer wieder für Erklärungsnot bei der BPJM, der Deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, sorgt. Um nicht auf den Index zu kommen, muss hier bewiesen werden, dass die vermeintlich sexistischen, rassistischen oder homophoben Äußerungen ironisch gemeint sind.
Auch für Massimo gibt es kaum Tabus. Denn Lachen entkräftet die harten Aussagen und schafft es, ernste Themen in ein anderes Licht zu rücken und auf die Realität aufmerksam zu machen. "Das Augenzwinkern kann man heraushören!", meint der Deutsche mit dem ägyptischen Vater. Seinen schwarzen Freund Tarek von K.I.Z. mit "Neger" anzusprechen würde ihm jedoch nie einfallen. "Jemanden persönlich anzugreifen" wäre für ihn die Grenze der sprachlichen Freiheit, allgemeine Aussagen dürfen auch schon mal den Major-Labels nicht gefallen. Denn künstlerische Freiheit muss es doch geben. Auch wenn besonders in der amerikanischen, aber auch in der deutschen Hip-Hop-Szene in manchen Kreisen das "N-Wort" gang und gebe ist, treten doch auch einige dagegen auf. Aber selbst das harmloser klingende "Farbiger" kann Diskussionen hervorrufen. Sprachkritisch betrachtet könnte man argumentieren, dass "Weiße" doch auch "Farbe" hätten.

"Straight outta Kärnten"

Dass die Truppe um K.I.Z. rechtes Gedankengut verbreite, klingt sowieso absurd, sieht man das politische Engagement von Mitgliedern der Band. Nico und Maxim kandidierten schon für die Wahl der Bundesversammlung in Berlin für Die PARTEI des "Politclowns" Martin Sonneborns. Regelmäßig sieht man auch auf ihren Konzerten Anti-Faschismus-Flaggen der Fans gehisst. Mit ihrem kritischen Jörg-Haider-Trauerlied "Straight outta Kärnten" zeigen sie, dass K.I.Z. auch für österreichische Politik ein offenes Ohr haben. Auch homophob ist die Band keinesfalls. Im Hip-Hop ist das Thema ein Tabu, aber mit einem Männerkuss in "Geld essen" geht die Band provozierend mit der Diskriminierung um. "Das Wort Schwuchtel wird gebraucht, ist aber keinesfalls sexuell diskriminierend gemeint!", so Massimo. Genauso wie die Tatsache, dass im Management der Band ein sehr ausgeglichenes Frauen- und Männerverhältnis herrscht, ein gutes Argument gegen vermeintlich sexistische Aussagen ist.

"Machen Integration!"

Sprache kann auf viele Arten Vorurteile ausdrücken. Nicht nur rassistische Wörter oder Redewendungen können Ausdruck von Alltagsrassismus sein. Auch das vorschnelle Du-Wort oder grammatikalisch falsche Sätze zeigen Betroffenen, welche sprachliche Kompetenz und welchen Platz in der sozialen Hierarchie sein/ihr Gegenüber annimmt. Für die deutschsprachige Meisterin im Poetry-Slam, Yasmo, liegt die sprachliche Diskriminierung in der Grammatik. Ihr Papa, in den 90ern aus Tunesien nach Wien gekommen und Unternehmer, spaßt oft ironisch "Machen Integration!" über die absurden Ausdrucksweisen gegenüber MigrantInnen. Warum manchen Menschen unterstellt wird, die deutsche Sprache nicht zu beherrschen, weil sie anders aussehen, versteht die 21-Jährige nicht. Selbst wenn es so ist, sollte man ihnen mit richtigen Sätzen die Möglichkeit geben, die Sprache zu erlernen.
Die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen, sei in Österreich oft gar nicht so gegeben, erzählt Yasmo. Sprachkurse geben nicht die dauerhafte Begleitung beim Erlernen, wie es sein sollte, und knallharte Selbstdisziplin muss man dabei schon mitbringen, um zum gewünschten Erfolg zu gelangen. Denn viele Fremdsprachler würden sich, trotz abgeschlossenem staatlichem Deutschkurs, auf die Grundlagen des Deutschen beschränken. Was nicht am Engagement der Beteiligten läge, sondern an der Kürze der Kurse. So habe Yasmos Cousin, vor fünf Jahren aus Tunesien nach Deutschland gekommen, eine viel umfassendere Deutschausbildung genossen als ihre Stiefmutter in Österreich.

Unterschiede sind da und gut so

Die Rapperin und Poetin möchte die Realität auch nicht schönreden: "Unterschiede sind da und sind toll und gut so", und man sollte auch darüber sprechen. Generell sind daher für Yasmo kaum Redewendungen oder Wörter tabu, auch wenn sie diskriminierend wirken, jedoch muss man zu der Aussage stehen können, meint Yasmo.
Der Inhalt der Aussage und der Kontext sind immer noch am wichtigsten, die Kompetenz der Hörerschaft Satire zu erkennen, wird in der Szene vorausgesetzt. Manche Menschen leben jedoch "ohne Selbstbildung mit ihrer Kronenzeitung glücklich", und das ist schade, denn "manche Ideologien hätten mit nur ein bisschen Reflexion gar nicht überzeugen können".
Yasmo wird von ihrem Publikum verstanden, man weiß, wie sie es meint und reduziert sie nicht auf einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Aussagen. Feminismus beginnt auch nicht in überkorrekter Sprache, sondern in der Realität. Wenn sie "Bitch" sagt, können beide Geschlechter gemeint sein, "Männer und Frauen sind bei mir 100 Prozent gleichberechtigt".
Kid Pex macht österreichisch-kroatischen Rap. Er erklärt, dass "Tschusch", das urwienerische Wort für Kroaten, Serben und Bosnier, gar keinen bösen Ursprung hat. Denn uješ (Hörst du mich?) kommt vom klassischen Gastarbeiter des ehemaligen Jugoslawiens, von der Baustelle, und wird noch immer jeden Tag verwendet. Es wird nicht verschwinden, und ohne es zu glorifizieren, möchte Kid Pex dieses vermeintlich abfällige Wort annehmen und "feiern". Denn "der Tschusch hat’s geschafft", kann er stolz sagen.
Mit "Gastarbeiterlife" war der "Tschuschenspitter" schon auf Platz 54 der österreichischen Long-Player-Charts. In anderen Kunstformen hätte er vielleicht nicht den Mut zu dieser Ironie. Hip-Hop ist doch sehr offen und ehrlich, meint er. Vielleicht ist die lange Tradition des "Dissens", des verbalen Beschimpfens des Konkurrenten, im Hip-Hop eine sprachliche Möglichkeit und ein Anlass, über den Ursprung der Wörter und deren Interpretation nachzudenken.
Unterschiedliche Methoden des "Songschreibens" bringen aber jeden/jede der drei RapperInnen zu einem Schluss: Der Inhalt der Aussage ist entscheidend, und das muss man vertreten können. Wenn aber Textzeilen aus dem Biotop des Hip-Hop ins kommerzielle Scheinwerferlicht treten, kann auch ein verzerrtes Bild entstehen.

Balkan-Konzerte und "Ich bin Wien"

Medienecho hat der "Tschusch" Kid Pex durch seine Provokation auf jeden Fall bekommen. Obwohl es oft auf den "Aufhänger" beschränkt blieb und "Ernstes nicht wahrgenommen worden ist", lässt sich Kid Pex nicht entmutigen. Vielleicht will er deshalb nach dem Erfolg seines Songs mit dem serbischen Rapper Juice mehr Konzerte am Balkan geben. Obwohl, ein Gastspiel beim nächsten SPÖ-Wien-Sampler "Ich bin Wien" gibts dann doch noch.

Internet:
Yasmo auf myspace:
www.myspace.com/yasmomc 
K.I.Z.:
www.k-i-z.com 
Kid Pex auf myspace:
www.myspace.com/kidpex 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
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Lisa Seidl (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866616742 Negerkuss, Zigeunerschnitzel, Schwarzarbeit - manche Wörter sind eindeutig, manche weniger offensichtlich mit der Diskriminierung einer Minderheit verbunden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866616484 Aus der Mitte nach rechts Dass etwa der verstorbene Kärntner Landeshauptmann (LH) Jörg Haider (FPÖ bzw. BZÖ), sein Nachfolger als LH Gerhard Dörfler (dzt. FPK), sein Nachfolger als FPÖ-Parteichef H. C. Strache, der Kärntner Vize-LH und Kärntner (BZÖ)FPK-Chef Uwe Scheuch, oder der aus der Riege des Bundes-BZÖ in den Medien als "Dobermann" bezeichnete Ex-FPÖler Ewald Stadler, oder der dritte FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf für rechte oder gar rechtsextreme Politik stehen, dafür braucht man nicht erst das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) zu bemühen.1 Laut Statistik des Innenministeriums stiegen zudem rechtsextreme Straftaten im vergangenen Jahr um 28 Prozent auf 580 an.2 Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein. Viele rechte Straftaten werden von Polizei und Justiz als "dumme Bubenstreiche" verharmlost, gewalttätige Nazis in der Statistik z. B. bloß als "Fußballrowdies" vermerkt.

Was rechte Politik ausmacht

Was macht rechte Politik aus? Als "Paintball spielen" verharmloste Waffenübungen im Wald, ein als "Drei-Krügerl-Bestellung" verharmloster rechter Reckengruß, Parlamentsmitarbeiter, die rechtes Propagandamaterial im Internet bestellen usw. wie diverse Medien sensationslüstern "aufdecken"? Nein, das sind Indizien, sie verdecken aber, was rechte Politik bedeutet, woher sie kommt, was sie nährt und wohin sie zu führen imstande ist. Unter der politischen Rechten werden in der Wissenschaft konservative oder reaktionäre, d. h. rückwärtsgewandte Haltungen, Positionen und Strömungen in der Gesellschaft bzw. im politischen Spektrum verstanden. Diese reichen von gesellschaftspolitisch konservativen Haltungen über "rechtspopulistische" Positionen bis hin zum offen antidemokratischen, unterdrückerischen und offen Gewalt gegen Menschen rechtfertigenden und einsetzenden Rechtsextremismus. Ihre äußersten Extreme: Faschismus, z. B. im Nationalsozialismus oder Austrofaschismus - mit der offenen, massenhaften Ermordung von Menschen. Gemeinsamer Nenner: Ablehnung einer aktiv emanzipatorischen Gesellschaft(-sveränderung)3 Haben die Rechten anti-emanzipatorische Politik offen auf ihre Fahnen geheftet? Offene Rechte ja. Rechte im Nadelstreif (BZÖ) oder auch im Sport- und Freizeitoutfit (FPÖ) noch nicht, sie geben sich gar "heimatsozial" oder "volksnah". Betreiben und befördern umgekehrt die "Nicht-Rechten", also etwa die anderen im Parlament vertretenen Parteien wie ÖVP, SPÖ oder Grüne, eine echte, aktive emanzipatorische Politik? Kaum. Und: Gibt es eine "chinesische Mauer" zwischen rechter und nicht-rechter Politik? Nein. Rechtes Gedankengut und Handeln im Sinne von nicht-emanzipatorischer Politik ist bis weit in die sogenannte Mitte des (partei-)politischen Spektrums, sowohl des rechten und rechtskonservativen (FPÖ, FPK, BZÖ) bzw. des konservativen (ÖVP) als auch des sozialdemokratischen (SPÖ), seit Jahren angesiedelt. Galoppierend wurde dieser "Trend" durch den Neoliberalismus mit seiner ungehemmten Liberalisierung und Privatisierung, d. h. der immer zügelloseren Gewinnmaximierung auf allen Ebenen. Eine "Politik der Sachzwänge" hat dies befördert. Alle Regierungs und Oppositionsparteien haben diese Politik mehr oder weniger vertreten. Für die Masse der Bevölkerungen ist das negativ: Hunger, Not und Tod in der Dritten Welt, immer mehr prekäre Arbeitsformen, Einkommenseinbußen, Arbeitslosigkeit oder zunehmende Altersarmut in den Industriestaaten.4

Massiver Sozialabbau

Obwohl die heimische Gesellschaft reich ist wie nie zuvor, wird bei den arbeitenden Menschen massiv Sozialabbau betrieben. Was hat ÖVP-Vizekanzler Spindelegger mit Arbeitslosen und PensionistInnen vor? Er begrüßt den Vorschlag, ab 2013 Arbeitslosen- und Krankenstandszeiten nicht mehr auf die Pension anzurechnen. Gegen Erbschafts- oder Vermögenssteuern ist er vehement,5 obwohl vermögensbezogene Steuern nur 1,4 Prozent des Steuervolumens ausmachen.6 Sehr christlich-sozial.
Dass mit billigen Arbeitskräften aus dem Ausland in Österreich Lohndumping betrieben wird, wird durch eine "Ausländerpolitik", die MigrantInnen z. B. für Kriminalität und Inlandsarbeitslosigkeit verantwortlich macht, absichtlich überdeckt: Zugunsten der Wirtschaft, die ihr billiges und williges "Ausländerkontingent" immer bekam und gleichzeitig Produktionen ins billige Ausland verlagerte. Zudem ritterten die InnenministerInnen der letzten 20 Jahre mit den Rechten um die Wette, unter dem Vorwand der (v. a. islamischen) Terrorismusbekämpfung mit Rasterfahndung, Lauschangriff, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung usw., die Freiheitsrechte der Bevölkerung massiv einzuschränken.

"Sozialschmarotzer"

Die arbeitenden Menschen werden seit Haiders Zeiten als "Sozialschmarotzer", die in der "sozialen Hängematte" liegen, (Ex-Finanzminster Josef Pröll) diffamiert. Das System der Finanz- und Börsenspekulation, der Banker und Bosse mit dem 10-, 20- bis 100-fachen Jahreseinkommen eines Normalverdieners, die also nie im Leben so viel arbeiten können wie sie verdienen, die wirklich "arbeitsloses" Einkommen lukrieren, denen wird von der Politik aller Farben der Hof gemacht, und deren Untaten und Pfründe werden kaum angetastet. Im Gegenteil: So hat Finanzministerin Fekter die Reichen und Vermögenden gegen Kritik in Schutz genommen. Vielleicht auch deswegen, weil "die Politik" oft mit diesen Kreisen verfilzt ist, wie die diversen Korruptionsfälle zeigen. "Es hat viele Gauner in die Politik gespült", so LH Erwin Pröll populistisch markig.7 Richtig. Dass unter seinem Segen das Land Niederösterreich (ebenso wie andere) mit Steuergeldern spekuliert hat,  ähnlich wie Haider und Co. in Kärnten, hat er wohl vergessen. So eine Politik der Etablierten, die gleichzeitig gegen rechts redet, ebnet den waschechten Rechten und ihren Hintermännern den Weg.
Die Ursache ist, dass die kapitalistische oder neudeutsch die neoliberale Logik als der Weisheit letzter Schluss hingestellt wird. Das heißt, dem Profitmachen wird alles, also auch jedes menschliche Bedürfnis (Beispiel Ryanair: Reduktion von Bord-WCs von zwei auf eins oder gar deren Abschaffung ...) untergeordnet. Alles ist erlaubt, was Profit bringt, bis hin zu Mord, Totschlag und Krieg, z. B. im Namen von humanitärer Hilfe, wie dies etwa Jean Ziegler analysiert: "Der Westen missbraucht die Menschenrechte zumeist zu Herrschaftszwecken",8 "Obama führt zwei Kriege zugleich ... und bekommt den Friedensnobelpreis."9 Ganz "demokratisch" in die Bresche für die Banken und Konzerne sprang auch EU-Kommissar Barroso vergangenes Jahr, als er den streikenden ArbeiterInnen in Südeuropa ankündigte, dass Spanien, Portugal und Griechenland "Militärdiktaturen" drohen und "als Demokratien, wie wir sie kennen, verschwinden, wenn die Sparpakete nicht umgesetzt werden."10 Das offizielle politische und wirtschaftliche Establishment weist vehement von sich, auch nur irgendetwas mit rechter Politik zu tun zu haben. Ist die kapitalistische Profitlogik aber Richtschnur der Politik, richtet sich diese letztlich gegen die Menschen und ist damit "rechts". Egal ob dies als christlich-sozial, sozial-demokratisch oder heimat-sozial beschönt wird, am Ende steht für die Betroffenen: Entsolidarisierung (jeder soll selbst schauen, wo er bleibt, wer "fleißig" ist, wird es schon schaffen ...), Sozial- und Demokratieabbau, Hetze gegen den Nächsten, Rechtfertigung von Gewaltanwendung, Krieg.

Zu Schuldigen gestempelt

Den Etablierten wie den - oft noch nicht - an den Futterschüsseln sitzenden Rechten ist gemeinsam: von den wirklichen Verursachern für Not und Leid in der Bevölkerung lenken beide ab. Die Etablierten knebeln uns mit der Propaganda, dass wir, die ganze Bevölkerung, mit den Verursachern der Krise, den Banken und Konzernen, in einem Boot säßen und daher den Gürtel enger schnallen müssen. Die Rechten lenken mit ihrer Propaganda ganz von den Verursachern ab, indem sie Teile der Bevölkerung zu Schuldigen stempeln, z. B. die Arbeitslosen, die MigrantInnen, die FrühpensionistInnen, die Gewerkschaften, die zu viel verlangen usw.

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1 www.doew.at 
2 oesv1.orf.at/stories/505590
3vgl.: de.wikipedia.org/wiki/Rechte_Politik
4 www.armutskonferenz.at
5 ORF-Pressestunde, 18. 9. 2011: www.youtube.com/watch?v=b0hy--IElTs bzw.: Die Presse, 14. 10. 2011
6 Wahre LeistungsträgerInnen, www.oegb.at 
7 Heute, 11. 10. 2011
8 ORF, 30. 6. 2011, oe1.orf.at/artikel/280381
9
Jean Ziegler: Der Hass auf den Westen. Wie sich die armen Völker gegen den wirtschaftlichen Weltkrieg wehren. Goldmann, 2011
10 Daily Mail, 15. 6. 2010

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Wilfried Leisch (Freier Journalist und Publizist in Wien) Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866616252 Was macht rechte Politik aus? Als "Paintball spielen" verharmloste Waffenübungen im Wald, ein als "Drei-Krügerl-Bestellung" verharmloster rechter Reckengruß, Parlamentsmitarbeiter, die rechtes Propagandamaterial im Internet bestellen? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Tue, 15 Nov 2011 00:00:00 +0100 1320866616115 "Die Mitte ist breit" Zur Person

Christa Markom
Geboren in Amstetten 1976
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ludwig-Boltzmann-Institut für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit
Studium der Sozialanthropologie, Doktorarbeit mit dem Titel "Anti/Rassismus als Gruppenphänomen. Eine sozialanthropologische Analyse sozialer Netzwerke in Österreich"
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sparkling-Science-Projekt "Migrationen im Schulbuch" am Ludwig-Boltzmann-Institut für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit www.migrationen-im-schulbuch.at 
Lektorin am Institut für Kultur- und Sozialanthropologie. www.univie.ac.at/ksa 
Trainerin (Anti-Rassismus, Sprache & Diskriminierung, Gender & Diversity) homepage.univie.ac.at/christa.markom 
Forschungsschwerpunkte:
Migrationsforschung,  Rassismustheorie, Sprache und Diskriminierung, Schulbuchforschung, Feministische Theorie

Arbeit&Wirtschaft: Christa Markom, Sie befassen sich als Sozialanthropologin sehr intensiv mit Rassismus in Österreich - so haben Sie auch Schulbücher nach diskriminierenden Inhalten durchforscht. Ihre Doktorarbeit untersucht Anti/Rassismus als Gruppenphänomen. Rassismus ist rechts - alles was rechts ist, ist das Thema der aktuellen A&W. Wieso haben Sie angefangen sich mit Rassismus zu beschäftigen? 

Christa Markom: Ich komme aus dem ländlichen Bereich und bin innerhalb von Österreich mehrfach übersiedelt.  Ich will das jetzt nicht mit einer grenzübergreifenden Migration vergleichen, aber ich habe selbst erlebt, wie es ist "die Zuagroaste" zu sein, einen Weg zu suchen. Ich habe das als Kind und Jugendliche immer sehr in Frage gestellt und habe Wien sehr idealisiert. Bin dann nach Wien gegangen und habe festgestellt, dass fremd-sein viele Menschen betrifft. Und dann habe ich mich mehr und mehr dafür interessiert, wie das funktioniert, was die Strukturen dahinter sind. Ich habe sehr schnell bemerkt, dass es da nicht um Einzelpersonen geht, sondern um gesellschaftliche Strukturen. Es geht auch um die soziale Praxis der einzelnen Personen, aber sehr stark um Wechselwirkungen zwischen Ideologie, Strukturen und Praxis. Die Ideologie kann man im Kopf haben, muss sie nicht leben. Viele wissen gar nicht, dass sie rassistische Ideologien im Kopf haben. Die Strukturen sind lange etabliert in Österreich und noch lange nicht weg aus den Institutionen. Die Entscheidung rassistisch zu handeln - sei es eine Sprachhandlung oder ein Übergriff - ist wieder eine andere Geschichte. Diese Übergriffe werden häufig im Bereich des Rechtsradikalismus thematisiert und erforscht. Das finde ich spannend, aber mich hat viel mehr interessiert, was ist mit der Mitte der Gesellschaft, mit den ganz normalen Leuten, also Stammtisch, Sportverein, aber auch Menschen, die in NGOs arbeiten.
Ich war in vielen NGOs und habe dort immer wieder Irritationen bemerkt. Auch wenn die Leute eine ganz klassisch antirassistische Position einnehmen, kommen immer wieder Rassismen durch. Das hat mich interessiert.

Und was haben Sie herausgefunden?

In Österreich gibt es stark einen kulturellen Rassismus, wie der neue Rassismus definiert wird. Der hat - so denken manche WissenschafterInnen - den biologischen Rassismus, bei dem Haarfarben, Hautfarben negative Eigenschaften zugeschrieben werden, abgelöst. Ich habe aber herausgefunden, dass das "Rasse"-Konzept schon noch sehr stark verankert ist. Ganz viele Menschen, vor allem außerhalb von Wien, wo sich das sogenannte politisch korrekte Sprechen nicht durchgesetzt hat, sagen: "Wie? Neger soll ich nicht sagen?"
Da ist noch immer ein starker Biologismus da, der auch in den Schulen verankert ist. Wir machen jetzt eine Analyse von Schulbüchern: "Migrationen im Schulbuch" Ich habe mit meiner Kollegin Heidi Weinhäupl vor fünf Jahren "Die Anderen im Schulbuch" geschrieben. Da haben wir jede Menge Sexismen, Rassismen und Antisemitismen entdeckt.

Wie haben Sie das für Ihre Dissertation untersucht?

Als Sozialanthropologin führe ich nicht nur ein Interview, sondern beobachte über einen längeren Zeitraum, mit informellen Gesprächen, Einzelgesprächen, Gruppengesprächen, nehme am Leben der Leute teil. Ich habe zwischen 2005 und 2009 drei unterschiedliche Gruppen - Beziehungsnetze - untersucht.
Das waren Personen, die mit anderen Personen - beruflich, freundschaftlich, sexuell - enge Beziehungen hatten. Ich hatte immer eine Ausgangsperson, deren engstes Umfeld ich mir angesehen habe. Die Ausgangspersonen haben sich sehr unverblümt über Rassismus geäußert. Den Ersten habe ich in einem Wiener Lokal getroffen, wo er laut rassistisches Zeugs gegrölt hat. Sein Umfeld war ein Sportverein. Die Zweite war Kellnerin in einer Bar, da waren viele Gäste im Umfeld. Die dritte Gruppe waren Leute, die sich aus einer zivilgesellschaftlichen NGO kennen, die sich als antirassistisch definieren. Alle drei Gruppen wussten, was ich mache. Ich habe also nicht verdeckt ermittelt.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus vier Jahren Beobachtung?

Ich habe bemerkt, dass es bei allen drei Gruppen ganz ähnliche Strategien gibt, über "das Fremde" zu sprechen. Die dritte Gruppe versuchte "politisch korrekter" zu sein, aber auch hier gab es diese Konstruktion von wir und die anderen. In keiner Gruppe, keiner Konstruktion habe ich irgendwie die Idee erkannt, dass wir eine Gesellschaft sind, die vielfältig ist. Dieses hoch gelobte Konzept der Diversität ist einfach in unserer Gesellschaft, in den Köpfen der Menschen noch nicht angekommen. Manche in der NGO-Gruppe sahen es zwar als Ideal, wissen aber nicht, wie wir dorthin kommen könnten. Wenn man sich anschaut wie lange es Migration schon gibt, ist es traurig, dass wir noch immer nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen.
Und in all den Jahren hat sich nicht viel geändert?

Doch, es werden neue Phänomene herangezogen, wie Terrorismus etwa. Was interessant ist, diese Leute leben z. B. im 16. Bezirk und finden einerseits den Yppenplatz mit Multikulti-Atmosphäre cool, aber wollen nicht in einer Substandardwohnung leben.
Was auch noch spannend ist - und das ist auch eine Qualität der Sozialanthropologie - die Menschen machen im Einzelinterview komplett andere Aussagen als in der Gruppe.

In allen drei Gruppen?

Ja, bei den als rassistisch wahrgenommenen Gruppen war es so, dass sie in Einzelgesprächen durchaus differenziert waren. In der Gruppe hat sich aber immer der Rassismus stärker durchgesetzt; also das Aquirieren von sozialer Anerkennung durch das laute Aussprechen.
In Österreich könnte man derzeit nichts Schlimmeres tun, als den Leuten Sprachverbote aufzuerlegen. Meinungsfreiheit und Political Correctness sind die Hauptproblematiken im Kontext mit Rassismus. Wenn sich dann eine/r in der Gruppe zu sagen traut, "dass das ein Witz ist mit den Türken, mit den Afrikanern usw." wird das anerkannt: "Die oder der traut sich wenigstens zu sagen, wie es ist."
Und das ist auch der Grund, warum diese Strategie so gut funktioniert und Antirassismusarbeit am Individuum nicht so viel bringt. Die Gruppen ticken anders. Da könnte und müsste man ansetzen, bei diesen Beziehungsgeflechten.
Es war sehr spannend, dass häufig Menschen aus den Gruppen in Einzelgesprächen zu mir gekommen sind und gefragt haben, wie könnte man das denn anders denken. Es gibt durchaus auch das Bedürfnis, sich das anders zu überlegen. Nicht alle fühlen sich auch wohl mit dieser feindseligen Haltung.
Sogar diejenigen, die mit ganz extremen Rassismen dahergekommen sind, haben unter vier Augen gemeint: "Ich kenne da schon den einen oder die andere. Das kann doch nicht so stimmen, überall hört man das aber immer." Also sie hatten durchaus Zweifel.

Unter den RassistInnen waren also auch starke ZweiflerInnen? Wie weit spielen hier politische Ideologien eine Rolle? Wie weit sind sich die Menschen bewusst, dass sie rechts denken, rechts sind?

In allen Fällen war es den Menschen wichtig, rechts und Rassismus zu differenzieren. Und das finde ich auch wichtig. Wenn ich Rassismus definiere, als Zuschreibung von negativen Eigenschaften aufgrund von Hautfarbe, Kultur, Religion u. a., dann ist das eine Ideologie, die Einzelne im Kopf haben.
In Wien wurde bewusster gesprochen: "Ich bin kein Rassist, aber …" oder "Ich bin ein Rassist und kann dir sagen, warum …" Die haben aber betont, dass sie nicht rechts sind, schon gar nicht rechtsradikal, auch politisch nicht rechts; einige von denen haben gesagt, sie gehen nicht wählen, weil sie sich nicht vertreten fühlen. Die haben sich vor allem geärgert, dass man das alles nicht sagen darf, dass man nicht offen reden darf, dass man von allen Seiten mit Irritationen bombardiert wird, wie Zwangsverheiratung, Terrorismus, es aber nicht diskutieren darf. Das hat die Leute so geärgert, dass ein noch stärkerer Rassismus entstanden ist.
Das ist ein verhängnisvoller Kreislauf. Die Forderungen nach Political Correctness und die Veränderung von Sprache, wie sie in der Gesellschaft meiner Ansicht nach normal ist, gehen für manche einfach zu schnell. Ich habe meine Einstellung zu diesen Menschen geändert.

Inwiefern?

Wen man die Leute länger kennt, merkt man, dass es nicht nur RassistInnen sind, sondern dass das Menschen sind, die auf den unterschiedlichen Ebenen Opfer und TäterInnen zugleich sind. Das stört mich an den meisten Rassismusforschungen. Man vergisst, dass das Personen, Subjekte sind, Menschen, die auf den unterschiedlichen Ebenen agieren.
Eine 20-Jährige, die drei negative Erfahrungen mit türkischen Jugendlichen gemacht hat, äußert sich sehr rassistisch. Das verurteile ich natürlich, weil sie extrem reduziert auf die sogenannten Fremden. Auf der anderen Seite erkenne ich auch an, dass sie Opfer einer sexuellen Diskriminierung, eines sexuellen Übergriffs ist. Ich sehe die Menschen mit der Zeit, mit ihrer Lebensgeschichte und ihren Erfahrungen - das legitimiert Rassismus nicht, erklärt aber vieles. Und es macht auch deutlich, dass diese Menschen zugänglich sind für andere Ideen und Vorstellungen. Das ist das Spannende an der Mitte der Gesellschaft.
Es ist leicht, sich hinzustellen und zu sagen: "Ich bin Anti-Rassist!" - aber das durchzuargumentieren hat keiner geschafft. Nach fünf Stunden im Wirts-haus bringen diese Leute dieselben Argumente - "Diese Nigerianer haben wirklich nichts verloren vor unseren Schulen …" - in einer Verallgemeinerung, als würde vor jeder Schule ein Nigerianer stehen. Da kommen die Türkei und die Menschenrechte zur Sprache. Es fallen auch genau die gleichen Stammtischparolen in Bezug auf Frauen. Und dann, obwohl diese Leute sich bewusst sind, dass es unterschiedlichste Motivationen gibt ein Kopftuch zu tragen, schimpfen sie los.
Damit habe ich eigentlich nicht gerechnet. Das habe ich erst am Schluss bei der Analyse erkannt.

Wie kann man es besser machen, wenn man nicht rassistisch sein will? Was sagt man statt Neger?

Ich mache relativ viele Workshops zum Thema "Political Correctness", von Volksschulen angefangen bis zur Erwachsenenbildung. Diese Sprachpolitik, dieses Nachvollziehen, warum sich etwas verändert, dazu muss man die gesamte Geschichte des Begriffs erzählen - dann verstehen es auch die ärgsten Rassisten. Dieses Wissen wird nicht weitergegeben - es heißt nur: Das darfst du nicht sagen. Ich habe es so erlebt, dass am Land eher nachgefragt wird: "Warum nicht?" Viele argumentieren: "Ich sehe nicht ein, dass ich, wenn ich einen Begriff verwende, gleich als Ganzes rassistisch bin."

Oft fehlen andere Worte.

Ja, aber muss ich immer dazu sagen, welche Hautfarbe jemand hat. Wenn mich ein Kerl in der U-Bahn belästigt, muss ich dann dazu sagen, was für eine Hautfarbe der hat? Würde ich auch sagen, das war ein Weißer? Es ist ein schwieriges Thema. Da muss man ständig weiter daran arbeiten.

Hat Sprache die Macht zur Veränderung?

Sprache hat viel Macht und bietet die Möglichkeit, Dinge zu erklären. Neologismen, also Wortneuschöpfungen aber auch Wortbeschönigungen bringen viel, wenn sie erklärt werden. Ohne Erklärung kann das Gegenteil passieren und Sprache destruktiv wirken. Daher würde es sehr dringend in die Ausbildung von Kindergartenpädagogen/-innen und Lehrenden hineingehören - ich erlebe aber in meinen Workshops gerade von dieser Seite enorme Widerstände. Schwieriger sind nur noch JournalistInnen. Dort wäre es wichtig anzusetzen.

Was ist Ihr Anliegen?

Rassismus ist absolute Selbsterhöhung, die mit Macht verbunden ist - die eigene Gesellschaft wird nicht hinterfragt, der Blick auf die anderen nach unten - hier liegt auch ein Unterschied zum Antisemitismus. Den Juden wurde ja Macht zugetraut.
Es wird im Moment viel zu wenig auf die Mehrheit geschaut, auf die Mitte der Gesellschaft, wie die auf Migration schaut. Auf die ganz normalen Menschen, die nicht die Zeit haben, sich über diese Fragen den ganzen Tag den Kopf zu zerbrechen. Denen müsste man fair gegenübertreten, um zu sehen, was sind die Haltungen, wo kommen sie her, wo werden sie reproduziert und wo kann man ansetzen. Die Mitte ist breiter als ich am Beginn meiner Forschung dachte. Ich glaube, der Blick der Mehrheit auf die Minderheiten ist essenziell. Man kann nicht nur den Rechtsruck beklagen. Das zementiert nur Grenzziehungen, die ohnehin schon da sind. Rassisten oder Nichtrassisten? Ich glaube, da werden die vergessen, die eine zu Recht angespannte Situation erleben, in  der sie nicht wissen, wie sie agieren oder denken sollen. Sie  werden von allen Richtungen bombardiert mit Informationen, die sie verarbeiten sollen. Ich glaube fest, jeder Mensch kann sich jeden Tag entschließen, nicht rassistisch zu sein. Aber ich hatte auf diesem Weg sehr viel Unterstützung und Möglichkeiten. Viele haben das nicht, sie werden jeden Tag darin bestätigt Rassist zu sein.

Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Katharina Klee für Arbeit&Wirtschaft.

Internet:
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Arbeit&Wirtschaft 11/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1320866616031 Ich glaube fest, jeder Mensch kann sich jeden Tag entschließen, nicht rassistisch zu sein. Aber ich hatte auf diesem Weg sehr viel Unterstützung und Möglichkeiten. Viele haben das nicht, sie werden jeden Tag darin bestätigt Rassist zu sein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576588 Nachhaltigkeit ist nichts für Öko-Freaks Nachhaltigkeit (NH) wird zwar vielerorts als eines der zahlreichen sinnentleerten Modewörter unserer Zeit wahrgenommen, richtig verstanden berührt sie jedoch ein Grundproblem allen menschlichen Wirtschaftens: In welcher Weise können wir die Natur und ihre Ressourcen für unsere Zwecke nutzen, ohne jene längerfristig zu zerstören und damit unsere eigene Lebensgrundlagen und die der folgenden Generationen zu unterminieren? In dieser Form hat die Frage die Menschheit schon lange vor Beginn der industriellen Revolution beschäftigt und bildete in den 1970er-Jahren mit dem Bericht des Club of Rome "Die Grenzen des Wachstums" den Ausgangspunkt für den modernen Diskurs zu diesem Thema.

Ökologische NH allein unmöglich

Dieser hat sich mittlerweile weit über die ökologische Fragestellung hinaus entwickelt und erkannt, dass er ohne die Einbeziehung anderer Dimensionen, vor allem der sozialen und wirtschaftlichen, unzulänglich und abstrakt bliebe. Ökologische NH allein ist letztlich unmöglich, wenn ihr gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse zuwiderlaufen. Und sie wird inhuman, wenn sie nicht auf die Menschen und ihre Bedürfnisse Bezug nimmt. Dem hat in den 1980er-Jahren die "Brundtland-Kommission" der UN mit ihrer Definition "Entwicklung ist nachhaltig, wenn sie gewährleistet, dass die Bedürfnisse der heute lebenden Generationen befriedigt werden, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zur Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zu beeinträchtigen" Rechnung getragen.
Die vielfach in der Öffentlichkeit noch immer vorhandene Gleichsetzung von NH mit Verhindern des Klimawandels greift daher bei weitem zu kurz. Schon rein ökologisch geht es um wesentlich mehr. Etwa um Ressourcenschonung, um Schutz und Erhaltung von Naturräumen und Landschaften (nicht nur im Fremdenverkehrsland Österreich), um lebenswerte Städte, die nicht unter Abgaswolken und Autolawinen leiden. Auf Soziales bezogen bedeutet NH vor allem die Erhaltung des gefährdeten gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Sicherstellung von Chancengleichheit oder die Garantie, dass die Menschen von ihrer Arbeit auch leben können. Auch werden von nicht-nachhaltigem Umgang mit der Umwelt vorrangig die Schwächsten in Mitleidenschaft gezogen. Sei es, dass der Raubbau an der Natur Hand in Hand geht mit dem an den dazu vergatterten Arbeitskräften, sei es, dass die unteren Einkommensschichten von Preiserhöhungen bei knapp werdenden Brennstoffen und Nahrungsmitteln am härtesten getroffen werden. Schließlich ist auch entscheidend, von welchen Kräften die Wirtschaft bestimmt wird, und welche Anreize für umwelt- und menschen-freundliche Produktionsmethoden und Produkte sie erhält oder nicht erhält. Mit anderen Worten: NH darf nicht den Öko-Freaks und einigen betuchten Schöngeistern überlassen werden, sondern ist eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse.

Einbindung der Sozialpartner

Auch in Österreich hat die NH-Diskussion in den vergangenen Jahrzehnten Fuß gefasst. Meilensteine auf der politischen Ebene im vorigen Jahrzehnt waren dabei die NH-Strategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 (NSTRAT 2002) und die 2006 beschlossene "Österreichische Strategie Nachhaltige Entwicklung (ÖSTRAT)" als Handlungsrahmen für Bund und Länder sowie deren Neustrukturierung durch den Ministerrat (MR) im Jahr 2010. Durch Letztere wurde im Koordinierungsprozess ein Ko-Vorsitz von Bundeskanzleramt (BKA) und dem bisher allein dafür verantwortlichen Umweltministerium (BMLFUW) eingerichtet. Gleichzeitig wurde die Einbindung der Sozialpartner bekräftigt. Neben "klassischen" NH-Zielen wurden die Erreichung der Beschäftigungsziele, ein hohes Niveau an sozialer Sicherheit wie auch die Prävention und Bekämpfung von Armut als zentrale Anliegen der ÖSTRAT festgeschrieben.
Erst vor wenigen Wochen wurde in diesem Rahmen vom Ministerrat ein Arbeitsprogramm Nachhaltige Entwicklung für die kommenden Jahre beschlossen, das in weiten Teilen auch von den Bundesländern mitgestaltet wurde und mitgetragen wird. Die nächste wichtige Etappe im erneuerten ÖSTRAT-Prozess wird nun die erneuerte Fassung der NH-Strategie von 2002 (Arbeitstitel NSTRATneu) bilden, für die schon einige Vorarbeiten geleistet wurden und die im kommenden Juni vorgelegt werden soll.
Die Neufassung der NSTRAT 2002 scheint aus verschiedenen Gründen notwendig. Es gilt einmal, die neueren Entwicklungen im österreichischen und internationalen NH-Prozess auf wis-senschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Ebene einzuarbeiten. Darüber hinaus gehört auch den neuen Anforderungen, die sich aus der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre für die NH-Politik ergeben, sowie den Erfahrungen aus dem ÖSTRAT-Prozess selbst mit einer strategischen Neujustierung Rechnung getragen. Schließlich kann die NSTRAT aus 2002 nicht verleugnen, unter welcher Regierungskonstellation sie entstanden ist, und weist schon daher viele nicht mehr zeitgemäße Züge auf.

Grundlegende Aufgaben

Die Übung steht vor folgenden grundlegenden Aufgaben:

  • Definition und Eingrenzung: Wie bereits skizziert, kann sich NH nicht auf ökologische Aspekte beschränken. Sie darf aber auch nicht zur Beliebigkeit ausufern, in der alles und jedes, was nur ein wenig über den Tag hinausgeht, untergebracht wird. Auf dieser Gratwanderung gehören vor allem Trends erkannt, die in längerer Perspektive schädliche Wirkungen auf Umwelt, Menschen und Gesellschaft haben. Außerdem ist es unerlässlich, darunterliegende Kräfte und Entwicklungen zu erfassen, die NH gefährden oder sogar verunmöglichen (etwa das aktuelle Wirken der Finanzmärkte).
  • Mehrdimensionalität in der Sache: Die drei bereits angeführten Dimensionen müssen nicht nur als gleichrangig anerkannt, sondern auch in ihren gegenseitigen Wechselwirkungen und bezogen auf ihre Konsequenzen für die Menschen begriffen werden.
  • Mehrdimensionalität der Umsetzung: NH kann nur realisiert werden, wenn gängige Politikmuster überwunden werden. Daher sind generationenübergreifende statt kurzfristiger, kreative statt trendfortschreibender, regionale und nationale Grenzen überwindende sowie offene, mehrere Lösungsmöglichkeiten einbeziehende Denk- und Handlungsansätze vonnöten.
  • Politikrelevanz: NSTRATneu soll die vorhandenen Probleme richtig darstellen und analysieren. Sie soll aber keine akademische Studie werden, sondern für Politik und Verwaltung umsetzbare Handlungsanleitungen und eine mittelfristige Perspektive anbieten.

Daneben gilt es auch, unterschiedliche gesellschaftliche Interessen auf einen Nenner zu bringen. Diese reizvolle, aber wahrhaft nicht leichte Aufgabe wird vom Komitee NHÖ, in dem neben den Bundesministerien auch die Sozialpartner vertreten sind, geleistet werden. Es wird vom ExpertInnenbeirat Forum NHÖ fachlich beraten. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass angesichts ihres gesellschaftlichen Gewichts und ihres Know-hows gerade die aktive Mitarbeit der Sozialpartner entscheidend für die praktische Relevanz der Strategie sein wird. Aufseiten der VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen wird es dabei Voraussetzung sein, nicht von den als wenig positiv empfundenen Erfahrungen aus der NSTRAT-2002-Zeit auf die anstehende Aufgabe zu schließen.
Die Bundesregierung ist nun anders zusammengesetzt als vor neun Jahren. Der per MR-Beschluss festgelegte Ko-Vorsitz des BKA bei der Steuerung des ÖSTRAT-Prozesses hat bereits im vorigen Jahr zur beabsichtigten Verbreiterung der inhaltlichen Basis und zu geänderten strategischen Akzenten geführt. Sichtbarster Ausdruck dessen ist die Aufnahme der Themenfelder "Öffentliche Gesundheit, Prävention und Altern" und "Arbeit unter fairen Bedingungen für alle" im erwähnten Arbeitsprogramm. Dies wird auch für NSTRATneu gelten. Um dies zu verwirklichen, ist die Beteiligung der ExpertInnen aus den ArbeitnehmerInnen-Organisationen nicht nur willkommen, sondern notwendig.

Internet:
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Robert Stöger (Mitarbeiter im Bundeskanzleramt, Sektion Koordination) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576582 Ökologische Nachhaltigkeit allein ist letztlich unmöglich, wenn ihr gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse zuwiderlaufen. Und sie wird inhuman, wenn sie nicht auf die Menschen und ihre Bedürfnisse Bezug nimmt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576575 Zahlen, Daten, Fakten Unter Downloads gibt es

Zahlen, Daten, Fakten

  • Bevölkerung im Jahresdurchschnitt 1952-2070
  • Erwerbspersonen nach Alter im Jahr 2010 und Prognose 2050
  • Familienprojektion: Familien im Jahresdurchschnitt 2010 bis 2050
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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576515 Wer die Kosten der Krise trägt, und wer sie tragen sollte Europa steht im Bann der Staatsschuldenkrise. Die von der EU geforderten Sparprogramme treffen besonders jene Bevölkerungsgruppen, die auf den Sozialstaat angewiesen sind. Diese Politik übersieht, dass der rasche Anstieg der Staatsschulden in ganz Europa meist nicht die Folge überbordender sozialer Großzügigkeit, sondern das Ergebnis der von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Finanz- und Wirtschaftskrise ist. Sie hat einerseits enorme Budgetkosten für die Rettung der Banken verursacht, in der EU insgesamt deutlich mehr als 300 Mrd. Euro, und andererseits hat die von ihr ausgelöste Rezession in allen Ländern die Steuereinnahmen verringert und das Budgetdefizit nach oben getrieben.

Zahl der Arbeitslosen gestiegen

Die Finanzkrise erhöhte nicht nur die Staatsverschuldung, sondern auch die Zahl der Arbeitslosen: In Österreich liegt sie noch immer um 50.000 über dem Niveau vor der Krise, in der Europäischen Union sogar um sieben Mio. Besonders dramatisch ist die Lage für Jugendliche: In 17 Mitgliedsländern der EU liegt die Arbeitslosenquote von Jugendlichen bei über 20 Prozent der Erwerbspersonen, in Griechenland beträgt sie nahezu 40 Prozent, in Spanien sogar 46 Prozent. Die arbeitslosen Jugendlichen tragen die höchsten Kosten der Finanzkrise, ohne in irgendeiner Weise zu ihrem Entstehen beigetragen zu haben. Eine Wirtschaftspolitik, die die Kosten der Krise fair verteilen will, muss deren Ursachen genau analysieren: Die Finanzkrise ist vor allem das Ergebnis von zwei Entwicklungen, der Liberalisierung des Finanzsektors und der Ungleichheit der Verteilung des Wohlstandes. Der seit den 1980er-Jahren verfolgte Abbau staatlicher Regulierungen basierte auf der neoliberalen Ideologie der Selbststeuerungsfähigkeit der Finanzwirtschaft. Er führte zu einer enormen Aufblähung des spekulativen Finanzsektors und schließlich zum Zusammenbruch der Spekulationsblasen mit schweren realwirtschaftlichen Folgeschäden.
Deshalb muss der Finanzsektor deutlich verkleinert und auf seine ursprüngliche Rolle als Diener der Realwirtschaft zurückgeführt werden. Hier sind durch die Stärkung der EU-Finanzaufsicht und die Erhöhung der Eigenkapitalerfordernisse für Banken ("Basel III") einige positive Schritte gelungen. Eine stärkere Besteuerung durch Bankenabgaben und Finanztransaktionssteuer wäre ein wirkungsvolles Instrument zur Begrenzung der Finanzaktivitäten.
Die enorme Zunahme der Ungleichheit der Verteilung von Vermögen und Einkommen hat in den vergangenen Jahrzehnten die wirtschaftliche Lage jener schmalen Bevölkerungsschicht eklatant verbessert, die zu besonders risikoreichen Finanzanlagen neigt. So entstand das Spielkapital für das weltweite Finanzcasino. Eine gerechtere Verteilung des Wohlstandes könnte dazu beitragen, eine nächste Finanzkrise zu verhindern und die Krisenlasten fair zu verteilen. Drei konkrete Maßnahmen bilden die Kernelemente eines emanzipatorischen Projektes, das sich zum Ziel setzt, Freiheit und Sicherheit der Menschen zu erhöhen: der Ausbau des Sozialstaates, die Ausweitung der Besteuerung von Vermögen und die Verkürzung der Arbeitszeit.

Sozialstaat hat sich bewährt

Der Sozialstaat hat sich in der Krise bewährt: Er hat den Menschen Sicherheit gegeben und dadurch die Konjunktur stabilisiert, dabei hat er seine Überlegenheit gegenüber privaten Vorsorgesystemen eindrucksvoll bewiesen. Dennoch steht er vor großen Herausforderungen: Der Beschäftigungsrückgang in der Wirtschaftskrise hat die Einnahmen der Sozialversicherung merklich gedämpft, und die demografische Verschiebung wird langfristig wachsende Finanzierungskosten mit sich bringen. Vor allem wandeln sich die Anforderungen an den Sozialstaat, etwa weil geänderte Familienstrukturen wie die Zunahme der AlleinerzieherInnenfamilien die Erbringung von Dienstleistungen für Kinder und Pflegebedürftige in den Familien immer schwieriger machen; oder weil bei zunehmender Ungleichheit der Erwerbseinkommen ein Sozialstaat, der primär auf dem Versicherungsprinzip basiert, die Ungleichheit perpetuiert, statt sie zu verringern. Ein Sozialstaat, der diese Herausforderungen meistern will, muss vor allem in den Ausbau sozialer Dienste investieren. Soziale Dienstleistungen, von Kindergärten und Krippen über Ganztagsschulen bis zu Heimhilfen und Pflegeplätzen, stellen eine soziale Grundversorgung für die gesamte Bevölkerung dar, die besonders den Armen und der Mittelschicht zugute kommen, die sich derartige Dienstleistungen hoher Qualität privat finanziert nicht leisten könnten. In den skandinavischen Ländern wurde ein sozialer Dienstleistungsstaat aufgebaut, in dem für soziale Sachleistungen zugunsten von Kindern und Pflegebedürftigen vier- bis sechsmal so viel ausgegeben wird als bei uns. Dänemark und Schweden zeigen aber auch, dass ein gut entwickelter Sozialstaat nicht gratis ist, er kann nur durch ein relativ hohes Niveau an Abgaben finanziert werden.

Soziale Dienstleistungen fair bewerten

Ein moderner Sozialstaat muss auch die Leistungen der in diesem Sektor Beschäftigten höher bewerten. Gesellschaftliche Wertschätzung kommt in Anerkennung und Einkommen zum Ausdruck. Unsere Gesellschaft honoriert derzeit soziale Dienstleistungen, die für den sozialen Zusammenhalt genauso wie für ein erfolgreiches Wirtschaften so wichtig sind, viel schlechter als den Finanzbereich, dessen Wertschöpfung in den vergangenen Jahren so sehr zu wünschen übrig ließ. Ein zweites Element emanzipatorischer Wirtschaftspolitik, das eine soziale Investitionsstrategie in idealer Weise ergänzt, ist die Ausweitung der Besteuerung von Vermögenseinkommen und Vermögensbeständen. Die Vermögen sind außerordentlich ungleich verteilt, ihre Besteuerung ist die einzige Möglichkeit, die Reichen an der Finanzierung des Sozialstaates zu beteiligen. Zudem würde die Belastung leistungsloser Einkommen die Leistungsanreize verbessern. Selbst niedrige Steuersätze würden aufgrund der großen Volumina an Vermögen zu erheblichem Steueraufkommen führen.

Die Reichen haben 770 Mrd. Euro

Das Vermögen der privaten Haushalte beträgt in Österreich etwa 1.400 Mrd. Euro, davon sind ein Drittel Finanzvermögen, zwei Drittel Immobilienvermögen. Das oberste Zehntel der Haushalte, das sind die reichen Bevölkerungsschichten, die vom Einkommen aus Vermögen leben könnten, verfügen über ein Vermögen von 770 Mrd. Euro. In dieser sozialen Schicht besitzen mehr als 80 Prozent Aktien, 85 Prozent des Immobilienbesitzes, der nicht auf Hauptwohnsitze entfällt, wird in diesem Segment gehalten.
Sinnvoll sind eine allgemeine Vermögenssteuer auf sehr hohe Vermögensbestände, die der Konzentration des Vermögens entgegenwirkt; eine Erhöhung der Grundsteuer, deren Aufkommen für die Finanzierung des Ausbaus sozialer Dienstleistungen der Gemeinden und Städte zweckgebunden wird; die Wiedereinführung einer Erbschaftssteuer, die einen Beitrag zur Verbesserung der Chancengleichheit zwischen Kindern aus unterschiedlichen sozialen Schichten leistet.
Ein drittes Element emanzipatorischer Wirtschaftspolitik bildet die Verkürzung der geleisteten Arbeitszeit. Viele EU-Länder haben mit Maßnahmen der Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Beruf und Weiterbildung in den vergangenen Jahren innovative Formen der Arbeitszeitpolitik umgesetzt. Die Verkürzung der Arbeitszeit leistet einen Beitrag zur Erreichung von Vollbeschäftigung und stellt die wichtigste Möglichkeit dar, den hohen gesellschaftlichen Wohlstand für die ArbeitnehmerInnen in Form von mehr Freizeit und besserer Lebensqualität zu nutzen.

Sozialer Fortschritt möglich

Die von Banken und Finanzmärkten ausgelöste Finanzkrise hat gezeigt, wie instabil eine deregulierte und von Finanzmärkten dominierte Marktwirtschaft ist. Doch selbst nach der Finanzkrise ist der Wohlstand in unserer Gesellschaft so hoch, dass sozialer Fortschritt für alle Menschen möglich ist: Eine merkliche Besteuerung von Vermögensbeständen, der Ausbau des Sozialstaates und die Verkürzung der Arbeitszeit bilden die richtigen Antworten auf die Krise und sind die wichtigsten Elemente eines emanzipatorischen politischen Projekts.

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Markus Marterbauer (AK Wien - Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576496 Unsere Gesellschaft honoriert derzeit soziale Dienstleistungen, die für den sozialen Zusammenhalt so wichtig sind, viel schlechter als den Finanzbereich, dessen Wertschöpfung in den vergangenen Jahren so sehr zu wünschen übrig ließ. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576505 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576488 EU-Nulldefizite als Krisenlösung? Am 16. August 2011 trafen sich die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident, um ein Signal zur Beruhigung der Lage in der Eurozone zu senden. Das Ergebnis enttäuschte, da nicht viel mehr als alter Wein in neuen Schläuchen mit modriger neoliberaler Note geboten wurde. Wichtigste Einzelmaßnahme: die Verankerung struktureller Nulldefizite in allen nationalen Verfassungen der Eurozone-Mitgliedsstaaten. Bisher gibt es eine solche Regelung, die unter dem Namen "Schuldenbremse" besser bekannt ist, lediglich in Deutschland - wo sie allerdings erst 2020 zur Gänze in Kraft tritt.
Seit ihrer Verabschiedung wird sie vor allem wegen der einhergehenden Einschränkung des politischen Gestaltungsspielraums, ihrer möglichen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen gerade in der Einführungsphase, ihrer unklaren Berechnungsmethode und ihrer Tendenz zur Wirkung als "Investitionsbremse" kritisiert.

Facts and Fiction

Warum sich die Schuldenbremse trotzdem großer Beliebtheit erfreut, dürfte vor allem politstrategische Gründe haben. Sie "klingt gut", ist trotz ihrer Komplexität einfach zu kommunizieren und passt ideal zur Interpretation, dass die Krisenschulden eigentlich fahrlässig verursacht worden sind bzw. Regierungen schon sparen könnten, wenn sie nur wirklich wollten. Damit dient sie als Ablenkungsmanöver von der wahren Schuldenursache, nämlich die durch die steigende Vermögenskonzentration mitverursachte Finanz- und Wirtschaftskrise. So stört es dann wenig, dass die empirischen Fakten mit ihren Heilsversprechungen nicht in Einklang zu bringen sind. Ein paar Beispiele:

  • Der Schuldenstand in der Eurozone ist vor der Krise gesunken (von 72,8 Prozent vor ihrer Gründung 1999 auf 66,1 Prozent des BIP 2007; rechnet man die "Vorkrisen-Verschuldungssünder" Deutschland, Frankreich, Griechenland und Portugal heraus, so ergibt sich sogar ein rekordverdächtiger Rückgang der Verschuldungsquote um 21,5 Prozentpunkte in den anderen 13 Mitgliedsstaaten der Eurozone). Erst die Krise zerstörte diese Erfolge, nicht plötzliche "unverantwortliche Ausgabenpolitik". Eine solche wäre vielmehr der Versuch gewesen, den Schuldenanstieg durch sofortige radikale Einsparungen zu stoppen, und damit die Rezession zu verschärfen.
  • Die einzigen Eurozone-Mitgliedsstaaten, die in den 2000er-Jahren über mehrere Jahre die Vorgaben der deutschen Schuldenbremse erfüllt haben, sind - neben Finnland und Luxemburg - Irland und Spanien, also Staaten, die nun als Problemfälle gehandelt werden.
  • Wäre die Schuldenbremse in Deutschland bereits 2007 in Kraft getreten, hätte sie nicht eingehalten bzw. die erfolgreichen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung kaum gesetzt werden können. Allgemein berücksichtigt die Schuldenbremse den Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und budgetärer Entwicklung nur unzureichend. ExpertInnen des Internationalen Währungsfonds schätzten zuletzt, dass ein Sparpaket im Ausmaß von ein Prozent der Wirtschaftsleistung diese um durchschnittlich mehr als 0,6 Prozent schwächt - was in Folge wiederum das Defizit um etwa 0,3 Prozent des BIP verschlechtert. Griechenland bestätigt unfreiwillig diesen engen Zusammenhang: Milliardenschwere Sparpakete ließen die Wirtschaft massiv schrumpfen, wodurch Steuereinnahmen wegbrechen  und die Kosten für die Arbeitslosigkeit steigen - was am Ende den Staatshaushalt neuerlich belastet. Diese Zusammenhänge werden in der öffentlichen Debatte gerne ausgeblendet - lieber bedient man sich dem Klischee fortgesetzter griechischer Verantwortungslosigkeit. Und das, obwohl die griechische Entwicklung zumindest deutschen PolitikerInnen sehr vertraut sein sollte: deren Konsolidierungsversuche 2002 folgend scheiterten ebenfalls. So ernteten sie am Ende die schwächste Wirtschaftsentwicklung in der EU und ein Verfahren wegen Überschreitung der Maastricht-Defizitgrenze. Sowohl heute in Griechenland als auch damals in Deutschland hätte eine Schuldenbremse in der Verfassung daran nichts geändert.

Schuldenbremsen im Eilverfahren

Trotzdem wurden "Schuldenbremsen" nun im Eilverfahren in der spanischen und italienischen Verfassung verankert. Frankreich soll demnächst folgen. Dieser Trend stellt eine Bedrohung für Wohlstand, Beschäftigung und Stabilität in Europa dar. Diese drei Länder plus Deutschland umfassen bereits mehr als drei Viertel der Wirtschaftsleistung der Eurozone. Versuchen alle gleichzeitig einen scharfen Sparkurs einzuschlagen, werden sich auch andere Länder von den dort zu erwartenden negativen Auswirkungen kaum abkoppeln können. Das gilt insbesondere für die österreichische Wirtschaft, die etwa 17 Prozent aller Güter und Dienstleistungen dort absetzt. Nun forderte auch die österreichische Finanzministerin eine Schuldenbremse für Österreich, allerdings in einer etwas eigenartigen Form. Sie möchte per Gesetz beschließen, dass die Staatsverschuldung bis 2020 auf 60 Prozent des BIP gedrückt werden sollte. Woher die dafür notwendigen über 40 Mrd. Euro - die Hälfte des gesamten Bundesbudgets - kommen sollen, bleibt gerade angesichts eingetrübter Wachstumsaussichten und mit einer ebenso angekündigten radikalen Senkung der Steuer- und Abgabenquote ein Rätsel.

Demokratiepolitisches Problem

Die Schuldenbremse ist aber nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch ein demokratiepolitisches, wie etwa das spanische Beispiel zeigt: Innerhalb nur einer Woche erfolgte gegen den Widerstand der kleineren Parteien, Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und selbst Teilen der regierenden SozialdemokratInnen die erste substanzielle Verfassungsänderung seit der Rückkehr zur Demokratie. Pikantes Detail: Dieses problematische Vorgehen war umsonst, denn sowohl am Tag des Beschlusses als auch danach stiegen die Zinsen für spanische Staatsanleihen erneut. Offensichtlich dürften hier die FinanzmarktakteurInnen die Maßnahme realistischer einschätzen als die spanische Regierung.
Da Schuldenbremsen zur Lösung der neuerlichen Finanz- und Wirtschaftskrise in Europa kaum etwas beitragen können, braucht es andere Maßnahmen. Kurzfristig wird es notwendig sein, dass die Europäische Zentralbank (EZB) direkt oder indirekt als Finanzier von Staaten einspringt, wenn private InvestorInnen ausfallen bzw. zu hohe Zinsen verlangen. Mittelfristig bedarf es einer Reduktion der Krisenanfälligkeit durch eine egalitäre Verteilung der Einkommen, effektive Finanzmarktregulierung sowie höhere vermögensbezogene Steuern, aber auch durch eine sanfte Beschränkung des Ausgabenwachstums und des Unternehmenssteuerwettbewerbs. Die Belastungen sind auf die Wohlhabendsten zu konzentrieren, die ansonsten - zugespitzt formuliert - dieses Geld ohnehin den Staaten gegen hohe Zinsen verborgen (oder den Finanzmärkten zuführen), anstatt es nachfragewirksam auszugeben.
Statt an Schuldenbremsen sollte deshalb an einer möglichst europaweiten Einführung/Erhöhung von Finanztransaktions-, Kapitalertrags-, Spitzeneinkommens-, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern gearbeitet wer-den. Zudem wäre es an der Zeit, die direkte und indirekte Förderung der privaten Pensionsvorsorge einzuschränken, die mitverantwortlich ist für das Aufblähen der Finanzmärkte und damit die Krisenanfälligkeit erhöhen. Ein solches Programm würde solide Staatsfinanzen ermöglichen. Die Fallbeispiele Schweden oder Finnland zeigen, dass eine hohe Steuer- und Abgabenquote ein gutes Mittel gegen Budgetdefizite und Staatsverschuldung ist.

Positiver Nebeneffekt

Ein weiterer positiver Nebeneffekt vermögensbezogener Steuern: Die moralisch richtige Beteiligung des Privatsektors bei der Entschuldung kann so - ohne problematische Nebenwirkungen wie bei echten Schuldenschnitten (neue Bankenkrise und höhere Zinsen) - gewährleistet werden.

Internet:
Horn, Gustav (2011): Schöne neue Welt ohne Schulden?
www.boeckler.de/imk_33663_37948.htm 
Truger, Achim (2010): Alternative Strategien der Budgetkonsolidierung.
tinyurl.com/69xgrwd
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Georg Feigl (BA - Mitarbeiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik in der AK Wien) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576479 Die Belastungen sind auf die Wohlhabendsten zu konzentrieren, die ansonsten - zugespitzt formuliert - dieses Geld ohnehin den Staaten gegen hohe Zinsen verborgen (oder den Finanzmärkten zuführen) anstatt es nachfragewirksam ausgeben würden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576464 Herausforderung Demografie Die Steigerung der Beschäftigung ist "die beste Strategie mit der sich Länder auf den demografischen Wandel vorbereiten können". Diese sehr richtige Einschätzung aus dem Demografie-Report 2008 (EU-Kommission) hat bisher leider bei vielen PensionsexpertInnen und PolitikerInnen noch nicht das nötige Gehör gefunden.

Abhängigkeitsquoten-Rechner

Die AK Wien hat einen "Abhängigkeitsquoten-Rechner" entwickelt, mit dem der ganz wesentliche Unterschied zwischen demografischen und ökonomischen "Abhängigkeitsquoten" und der Einfluss der Arbeitsmarktentwicklung auf die letztlich entscheidenden ökonomischen Abhängigkeitsquoten aufgezeigt werden kann. Zentrale Botschaft: Hohe Beschäftigung auf Basis hochwertiger Arbeitsplätze und die effektive Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der bestehenden Beschäftigungsbarrieren (Mängel bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Fehlen altersgerechter Arbeitsplätze etc.) sind die zentralen Stellschrauben im Umgang mit dem demografischen Wandel.
Nach der aktuellen Bevölkerungsvorausschätzung von Statistik Austria wird die Gesamtbevölkerung in Österreich in den kommenden Jahrzehnten beträchtlich wachsen, von derzeit 8,39 Mio. auf 9,02 Mio. im Jahr 2030 und auf 9,45 Mio. im Jahr 2050.
Mehr Menschen werden allerdings nur in der Altersgruppe 65plus erwartet. Dort wird ein Anstieg von derzeit 1,48 Mio. auf 2,14 Mio. bis 2030 und auf 2,64 Mio. bis 2050 in Aussicht gestellt. Weitgehend konstante Zahlen zeigen die Vorausschätzungen bei den Kindern und Jugendlichen im Alter bis 14 und im Erwerbsalter 15 bis 64.
Die Gegenüberstellung der Zahl der Menschen im Alter ab 65 mit der Zahl der Menschen im Alter 15 bis 64 ergibt die sogenannte Altenquote bzw. demografische Abhängigkeitsquote. Diese Quote liegt derzeit bei 26 Prozent, bis 2050 wird ein Anstieg auf 48 Prozent erwartet. Oder anders ausgedrückt: Die Relation zwischen den Altersgruppen 15 bis 64 und 65plus wird sich nach den Vorausschätzungen der Demografen zwischen 2010 und 2050 von 4:1 auf 2:1 verschieben.
Auch innerhalb der Gruppe der Menschen im Erwerbsalter wird es eine erhebliche Änderung der Altersstruktur geben. Die sehr stark besetzten "Baby-Boom-Jahrgänge" (Geburtsjahrgänge ab Mitte der 1950er-Jahre bis 1970) erreichen in den kommenden Jahren die Alterszone 55 bis 64. Die Zahl der Menschen in dieser Gruppe wird bereits bis 2020 um 280.000 höher liegen als heute. In näherer Zukunft ist das die bei weitem massivste demografische Verschiebung, die es zu bewältigen gilt.
Klar ist, dass derart gravierende Änderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung massive Auswirkungen in vielen Bereichen haben und entsprechende Anpassungen erfordern - in den Sozialsystemen, am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft, in der Gesellschaft als Ganzes. Das Finden richtiger Antworten muss deshalb in der Prioritätenliste ganz oben gereiht werden.
Umso bedauerlicher ist es, dass in der Berichterstattung zum demografischen Wandel immer wieder falsche Behauptungen, Analysen, Schlussfolgerungen auftauchen. Bezeichnend ist dabei der oft sehr fahrlässige Umgang mit den Unterschieden zwischen demografischen und ökonomischen "Abhängigkeitsquoten" und zwischen "Erwerbstätigen" und "Menschen im Erwerbsalter".

Tückischer Pensionsreport

Ein Beispiel unter vielen bietet ein Special Report über Pensionen, der Anfang April im weltweit renommierten britischen Wirtschaftsmagazin "The Economist" unter dem reißerischen Titel "70 or bust! Why the retirement age must go up" erschienen ist. Die zentrale Behauptung ist, dass die Pensionssysteme zusammenbrechen, wenn das Pensionsalter nicht auf 70 Jahre (!) angehoben wird. Begründet wird das mit der Behauptung, die Relation zwischen Erwerbstätigen und PensionistInnen würde sich in den kommenden Jahrzehnten in unhaltbarem Ausmaß verschlechtern. Dazu wird auf Grafiken verwiesen, die allerdings etwas ganz anderes abbilden! Die Grafiken beziehen sich einzig und allein auf die Relation zwischen verschiedenen Altersgruppen. Ohne den Unterschied auch nur anzudeuten, wird in beiden Fällen der Begriff Abhängigkeitsquote ("support ratio") verwendet. Der "Fehler" bleibt nicht ohne Folgen: Als einziger Rettungsanker zur Eindämmung des Anstiegs der "Abhängigkeitsquote" wird die Verschiebung der Altersgrenze zwischen Pensionsalter und Erwerbsalter dargestellt.

Ignorierte Potenziale

In einer im Juli 2011 verfassten Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur Zukunft des europäischen Arbeitsmarkts und zur demografischen Entwicklung wurde das Problem derartiger Fehldarstellungen aufgegriffen und auf die sehr problematischen Konsequenzen hingewiesen: "Die irreführende Verwendung der demografischen Abhängigkeitsquote und die oftmalige Gleichsetzung der Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit jener der Erwerbstätigen geht an der Realität vorbei und verstellt den Blick auf problemadäquate Lösungsansätze." Am schlimmsten ist, dass zentrale Stellschrauben zur Verbesserung der Relation zwischen LeistungsbezieherInnen und Erwerbstätigen von vornherein nicht ins Blickfeld geraten, wenn nur die zahlenmäßige Besetzung verschiedener Altersgruppen und die Grenzziehung zwischen diesen Gruppen im Fokus der Aufmerksamkeit stehen.
Schlichtweg ignoriert werden damit die enormen Potenziale zur Dämpfung des Anstiegs der ökonomischen Abhängigkeitsquote durch Maßnahmen wie

  • Abbau der Arbeitslosigkeit,
  • bessere Arbeitsmarktintegration der Jugendlichen,
  • bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie,
  • bessere Invaliditätsprävention,
  • Überführung prekärer Arbeitsformen in "gute" Arbeitsplätze,
  • Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze etc.

In der AK Wien wurde ein "Abhängigkeitsquoten-Rechner" entwickelt, der die Unterschiede zwischen demografischen und ökonomischen Abhängigkeitsquoten und die zentrale Bedeutung des Arbeitsmarktes in diesem Zusammenhang anschaulich macht.
Die Gegenüberstellung der LeistungsbezieherInnen auf der einen und der Erwerbstätigen auf der anderen Seite ergibt für Österreich im Jahr 2008 eine ökonomische Abhängigkeitsquote von 61 Prozent. Das heißt, dass auf 1.000 Erwerbstätige 610 Personen entfallen, die entweder eine Pension oder eine Geldleistung aus dem Titel Arbeitslosigkeit beziehen. Ausgangsbasis dafür ist eine Beschäftigungsquote von 66 Prozent.
Im vorliegenden Zusammenhang ist vor allem der enorme Unterschied zwischen demografischer und ökonomischer "Abhängigkeit" von Interesse (26 Prozent/61 Prozent).
Wie wird sich das in der Zukunft darstellen? Die demografischen Projektionen wurden oben geschildert. Viel wichtiger ist aber, wie sich die ökonomische Abhängigkeitsquote entwickeln wird. Der AK-Rechner zeigt, dass dabei - je nach Entwicklung des Arbeitsmarktes - eine erhebliche Bandbreite besteht. In einfachen Worten: Je höher die Zahl der Erwerbstätigen sein wird, desto weniger stark wird der Anstieg der ökonomischen Abhängigkeitsquote ausfallen. Das lässt sich durch Gegenüberstellung verschiedener Szenarien demonstrieren. Unter anderem zeigt sich dabei, dass bei Erreichung ambitionierter Beschäftigungsziele (z. B. 76 Prozent Beschäftigungsquote wie in den besten EU-Ländern) die ökonomische Abhängigkeitsquote in längerfristiger Perspektive viel weniger stark steigen würde als in den Szenarien-Rechnungen der Pensionskommission angenommen. Evident ist im Sinne der Generationengerechtigkeit, dass angesichts des massiv steigenden Anteils Älterer an der Gesamtbevölkerung künftig auch ein größerer Anteil des erwirtschafteten Wohlstands für Zwecke der Absicherung der älteren Bevölkerung Verwendung finden muss. Die zentrale Aufgabe besteht darin, diesen Kostenanstieg durch sozial vertretbare und ökonomisch sinnvolle Maßnahmen einzudämmen. Der Arbeitsmarkt bietet dazu ein erhebliches Potenzial.

Internet:
"Abhängigkeitsquoten im demografischen Wandel. Arbeitsmarkt hat zentrale Bedeutung":
www.etui.org 
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Erik Türk (Mitarbeiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien), Josef Wöss (Leiter der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576438 Die Relation zwischen den Altersgruppen 15 bis 64 und 65plus wird sich nach den Vorausschätzungen der Demografen zwischen 2010 und 2050 von 4:1 auf 2:1 verschieben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576382 "Neue Ära sozialer Gerechtigkeit" Oslo, September 2010. Noch ist Dominique Strauss-Kahn geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Mit dem Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Juan Somavia, präsentiert er als Ergebnis einer gemeinsamen Konferenz zur Politikentwicklung zwei Eckpunkte einer Vereinbarung zwischen beiden Organisationen: IWF und ILO werden das Konzept eines sozialen Basisschutzes für Menschen prüfen, die in Armut und ungeschützt leben; den Zusammenhang soll ein mittel- bis langfristiger strategischer makroökonomischer Rahmen herstellen. Zweiter Schwerpunkt der vereinbarten Zusammenarbeit ist eine Politik, die Beschäftigung schafft, um nachhaltiges Wachstum zu fördern - die Antwort auf die Krise, die seit 2008 die Arbeitslosigkeit vor allem in den entwickelten Ländern ansteigen ließ und weltweit auf 30 Mio. Menschen geschätzt wird, muss beschäftigungsorientiert sein.

100. IAK-Tagung

Genf, Juni 2011. Die Internationale Arbeitskonferenz (IAK) tritt zu ihrer 100. Tagung zusammen. ILO-Generaldirektor Juan Somavia präsentiert dem Konferenzplenum seinen Bericht "Eine neue Ära sozialer Gerechtigkeit" - dazu ein kurzer Überblick: Schlüsselfragen für die kommenden Jahre ergeben sich, so der ILO-Generaldirektor, aus einem ineffizienten Wachstumsmuster, das die Ungleichheit in den vergangenen Jahren weltweit vergrößert habe. Festzustellen sei ein weltweiter, durchaus auch von Wut getragener Vertrauensverlust in die Systeme der Regierungs- und Verwaltungsführung, in Politik, Wirtschaft und das globale Finanzsystem: "Die Welt braucht eine neue Ära sozialer Gerechtigkeit, die durch eine Vision nachhaltiger Entwicklung beflügelt wird." Weltweit werde die Last der Krise arbeitenden Familien aufgebürdet, während andere AkteurInnen weitermachten wie bisher. Die neue Weltära habe schon begonnen. Die enge Logik des Konsenses von Washington sei zusammengebrochen, das Zentrum der Wirtschaftspolitik habe sich von den G8-Staaten zum Aufschwung großer Schwellenwirtschaften verlagert. Die Werte der IAO würden mehr denn je im Übergang zu einem neuen, effizienten globalen Wachstum gebraucht.

Soziale Gerechtigkeit untergraben

Im zweiten Teil seines Berichts ging Somavia näher auf gegebene Ungleichgewichte und ihr Potenzial ein, Wirtschaft, Gesellschaft und politische Systeme zu destabilisieren. Soziale Systeme seien bedeutende Instrumente der Umverteilung: Länder müssten nicht auf Reichtum "warten", vielmehr könnten sie durch frühzeitige Investitionen in sozialen Schutz ein breites nachhaltiges Wachstum erzielen. Neben dem nur sehr langsamen Abnehmen der Armut mit 1,25 US-Dollar pro Tag - 2005: 1,4 Mrd. Menschen; 1990: 1,8 Mrd. Menschen - könne eine "stille Revolution" der Fortschritte bei der weltweit steten, doch zu langsamen Ausweitung des sozialen Schutzes verzeichnet werden.
Soziale Gerechtigkeit - Weg nach vorn
Im dritten Teil seines Berichts entwarf der ILO-Generaldirektor die Umrisse eines neuen, effizienten Wachstumsmodells: "Das Hauptziel besteht somit darin, die Politiken so zu gestalten, dass ein hohes Wachstum erzielt wird, aber mit anderen Marktergebnissen: Marktergebnissen im Bereich der menschenwürdigen Arbeit". Er umriss fünf Bereiche von Maßnahmen:

  1. den Rahmen für produktive Investitionen stärken;
  2. das Finanzsystem in den Dienst der realen Wirtschaft stellen, so durch das Eindämmen "spekulativer" Kapitalströme insbesondere durch eine Finanztransaktionssteuer, wie vom IWF angeregt;
  3. integrative und gerechte Arbeitsmärkte, einschließlich internationaler Arbeitsnormen: Die ILO habe stets vor der Meinung gewarnt, dass integrative Arbeitsmärkte - das heißt: qualitativ gute Arbeitsplätze, sozialer Schutz, Rechte von ArbeitnehmerInnen - schlechte wirtschaftliche Ergebnisse brächten. Vielmehr seien sogenannte flexible Arbeitsmärkte ein entscheidendes Merkmal ineffizienten Wachstums. Die in den Kernarbeitsnormen der ILO verankerten Rechte seien nicht nur Menschenrechte, sondern auch der Rahmen für ein effizientes und faires Wirken der Marktkräfte; dies zeigt nicht zuletzt der Trend zu Arbeitsrechtsklauseln in regionalen, insbesondere Süd-Süd-Handelsabkommen;
  4. solide makroökonomische Politiken einschließlich einer progressiven Fiskalpolitik zur Finanzierung von Schlüsselprogrammen, die Umverteilungsziele unterstützen, so in den Bereichen Bildung und sozialer Schutz. Auch ein beschäftigungsintensiver Ausbau der Infrastruktur für Unternehmen ist hier zu nennen. Im Sinn des 2009 auf der 98. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz beschlossenen Globalen Beschäftigungspaktes sollten die Sozialpartner am Ausarbeiten und Festlegen solcher grundsatzpolitischen Strategien und Programme beteiligt sein;
  5. Förderung multilateraler Politikkohärenz: Der ILO-Generaldirektor kann nicht nur auf die Erklärung des G20-Gipfels von 2009 (Pittsburgh) zum Globalen Beschäftigungspakt verweisen, sondern mittlerweile eben auch auf die Ergebnisse der eingangs erwähnten mit dem IWF abgehaltenen Konferenz in Oslo zu "Herausforderungen des Wachstums, der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts". Somavia unterstrich vor dem Plenum der 100. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz, dass die von IAO und IWF vereinbarte Zusammenarbeit nicht nur einen verstärkten Sozialen Dialog umfasse, sondern auch die Zusage des IWF, seine makroökonomischen Politiken zu überdenken. Abschließend wies der ILO-Generaldirektor noch einmal auf die notwendige Abkehr der Dogmen im Konsens von Washington hin: "Ich bin der festen Überzeugung, dass die IAO in diesen unruhigen Zeiten über die Werte verfügt, um eine Abkehr von einem Politikparadigma zu unterstützen, das sowohl diskreditiert als auch ineffizient ist."

ILO und G20

2011 fand parallel zur dritten Woche der 100. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz ein Treffen von MinisterInnen der G20-Staaten in Genf statt. Unter anderem richteten der Präsident der Republik Indonesien, die Bundeskanzlerin der Republik Deutschland und der Premierminister der Russischen Föderation Ansprachen an das Konferenzplenum. Die zunehmende Orientierung der ILO an G20 und IWF, für die Generaldirektor Somavia steht, beobachten manche GewerkschafterInnen im Bewusstsein einer altbekannten strategischen Zweischneidigkeit: Einerseits ist man durch Teilnahme besser informiert, andererseits wird man auch dann für die Politik verantwortlich gemacht, auch wenn man die Beschlüsse gar nicht mitgetragen hat.
Auf ihrer 100. Tagung hat die IAK im Normenausschuss einen umfassenden Bericht über soziale Sicherheit beraten; der Zugang zu Systemen sozialer Sicherheit soll auf Rechtsansprüchen einschließlich sozialer Grundrechte beruhen.

2012 nächste IAK-Tagung in Genf

Ein eigener Konferenzausschuss beriet Fragen des sozialen Basisschutzes und schlug vor, Beratungen über eine diesbezügliche Empfehlung auf die nächste Tagesordnung zu setzen. Der Verwaltungsrat ist diesem Vorschlag nachgekommen.
Das Internationale Arbeitsamt hat vor kurzem Fragebögen an die Mitgliedsstaaten ausgesendet, eine Empfehlung über soziale Basisschutzniveaus wird jedenfalls 2012 auf der nächsten Ta-gung der IAK in Genf beraten werden.

Internet:
Diskussionspapier zur ILO/IWF-Konferenz (Oslo, September 2010): The Challenges of Growth, Employment and Social Cohesion
tinyurl.com/34kj3od
Bericht des ILO-Generaldirektors "Eine neue Ära sozialer Gerechtigkeit"
tinyurl.com/5wfvjp8
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Neda Bei (Mitarbeiterin der AK Wien, Bereichsleitung Soziales) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576373 Die Welt braucht eine neue Ära sozialer Gerechtigkeit, die durch eine Vision nachhaltiger Entwicklung beflügelt wird. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301576329 Sinn und Unsinn der Integration Integration ist in aller Munde und entsprechend vieldeutig sind die Vorstellungen darüber. Für die Betroffenen ändert sich jedoch wenig. Im Migrationskontext kommen alltagsweltliche und politische Debatten ohne diesen Begriff, so scheint es, nicht aus. Dabei wird zumindest eines deutlich: Die Tatsache der Migration und damit einhergehende Phänomene (wie Ein- und Auswanderung, Sprachenvielfalt, sozioökonomische und soziokulturelle Differenzen etc.) beeinflussen das gesellschaftliche Miteinander, die betriebliche Zusammenarbeit oder die betriebsrätliche Interessenvertretung. Aber macht es aus ArbeitnehmerInnen-Sicht überhaupt Sinn, von Integration zu sprechen? Oder sollte über etwas anderes gesprochen werden?

Beispiel für Integration

Politisch gesehen ist die ArbeiterInnenbewegung ein historisches Beispiel für Integration. Ende des 19. Jahrhunderts strebten ArbeiterInnen fast aller industrialisierter Staaten nach politischer Teilhabe. Aufgrund ihrer ökonomischen Stellung war die Arbeiterklasse politisch und oftmals auch sozial ausgegrenzt. Menschen, die körperlich/manuell arbeiteten waren kein guter gesellschaftlicher Umgang. In den großen Industriestädten bildeten sich Wohnviertel heraus, wo ArbeiterInnen getrennt vom Rest der Gesellschaft lebten. Die Kämpfe der ArbeiterInnen, oft von Gewalt und Repression begleitet, führten letztendlich zu einem Demokratisierungsprozess in den Industriestaaten. Ein Prozess, der im Nachhinein als Integration bezeichnet werden kann.

Benachteiligungen am Arbeitsmarkt

Österreich ist ein Einwanderungsland und wird dies auch in der Zukunft bleiben. Der Anteil der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft stieg von zwei Prozent im Jahr 1960 auf elf Prozent im Jahr 2011. Der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund (wenn beide Elternteile im Ausland geboren sind) ist in Österreich mit 18,6 Prozent noch deutlich höher. Trotz der langen Tradition als Einwanderungsland, sind MigrantInnen am österreichischen Arbeitsmarkt stark benachteiligt. So war das Arbeitslosigkeitsrisiko im Jahr 2010 in Österreich mit 9,6 Prozent bei nicht-österreichischen StaatsbürgerInnen deutlich höher als bei InländerInnen (6,5 Prozent). Hinzu kommt, dass das mittlere Einkommen (Median) von ausländischen Beschäftigten im Jahr 2008 bei 1.848 Euro und somit um 17,3 Prozent unter dem der österreichischen StaatsbürgerInnen (2.235 Euro) lag. Die schwierige Arbeitsmarktsituation von MigrantInnen kann nur zu einem Teil auf das im Durchschnitt niedrigere Qualifikationsniveau von Zugewanderten zurückgeführt werden. Neben direkter Diskriminierung, die auf Ressentiments und Ausländerfeindlichkeit basiert, erzeugen auch bestimmte Gesetze bzw. Regelungen strukturell eine diskriminierende Wirkung. Der Aufenthaltsstatus und die Art der Arbeitsbewilligung haben einen deutlichen Einfluss auf die Möglichkeiten am österreichischen Arbeitsmarkt. Oftmals werden äußerst schlechte Arbeits- und Lohnbedingungen akzeptiert und/oder eine Beschäftigung unter der eigenen Qualifikation angenommen, um Beschäftigungs- und Aufenthaltsbewilligung nicht zu verlieren.

Arbeitsmarkt - Integration fordern

Aus Sicht der Arbeiterkammer macht es Sinn, am Arbeitsmarkt von Integration zu sprechen und sie zu fordern. Integration am Arbeitsmarkt verlangt Chancengleichheit und gleiche Rechte. Erfolgreiche Arbeitsmarktintegration drückt sich in der Angleichung der klassischen arbeitsmarktpolitischen Kennzahlen zwischen österreichischen StaatsbürgerInnen und Menschen ohne österreichischen Pass aus. Dieses Ziel kann nur erreicht werden, indem es gelingt die strukturellen Probleme bestimmter Branchen zu lösen, Diskriminierung abzubauen und allen ArbeitnehmerInnen zu ihren Rechten zu verhelfen. Bei alldem werden die Gewerkschaften und die Interessenvertretungen der ArbeiternehmerInnen eine entscheidende Rolle spielen. Offensichtlich ist, dass jede Form der Ausgrenzung und Diskriminierung die Position der ArbeitnehmerInnen als Ganzes schwächt. Der Einsatz von AK und Gewerkschaften für die Rechte von zugewanderten Menschen ist somit auch ein Kampf für die Interessen aller ArbeitnehmerInnen.

Schluss mit der Integrationsdebatte

Im vergangenen Jahr forderte eine Gruppe von Intellektuellen ein Ende der "Integrations-Debatte". Durch das ständige Sprechen über Integration wird das Anderssein hochgespielt und ein Teil der Gesellschaft unter Generalverdacht gestellt, so der Vorwurf. Für Gewerkschaften und AK geht es hingegen vielmehr um die Frage, um welche Art der Integration es sich handelt. Die Frage wird hier also deshalb gestellt und diskutiert, weil der Integrationsbegriff im öffentlichen Diskurs trotz oder gerade wegen diffuser und vieldeutiger Auffassungen oft Anpassung an eine Aufnahmegesellschaft bedeutet. Der Begriff stellt Standards auf, die selbst für die Aufnahmegesellschaft selten gelten. Mit dieser Thematik setzt sich etwa Mark Terkessidis in seinem aktuellen Buch Interkultur auseinander.
Allgemein wird unter dem Begriff der Integration die gesellschaftliche Einbeziehung von MigrantInnen über wechselseitige Prozesse von Teilhabe und Angleichung verstanden. Die Wechselseitigkeit meint die Notwendigkeit gesellschaftlicher und individueller Anstrengungen sowie struktureller Veränderungen. Integration setzt Bewegung voraus und schließt MigrantInnen sowie Nicht-MigrantInnen mit ein. Das Problem dabei ist allerdings, dass das Nicht-Gelingen dieser Prozesse meist einem (kulturell geschuldetem) Unvermögen der MigrantInnen zugeschoben wird, während gesellschaftliche Strukturen und (Ausschließungs-)Mechanismen aus dem Blickfeld geraten. Kulturelle Differenzen werden als natürlich gegeben angenommen und gleichzeitig als unüberwindbare Hürden aufgebaut, während die gesellschaftlichen Prozesse der Herstellung von sozialen, rechtlichen, kulturellen Differenzen unberücksichtigt bleiben.

Es geht um Demokratie und Teilhabe

Integration schafft es damit nicht, diese sozialen, rechtlichen und kulturellen Unterschiede zu überwinden, sondern verstärkt diese noch. Notwendig ist daher eine Politik, die imstande ist, Barrierefreiheit herzustellen, die näher am Verständnis einer interkulturellen Öffnung liegt, als an Integration und der Idee einer gleichen Gesellschaft. Mark Terkessidis schlägt deshalb vor, von den tatsächlich vorhandenen Organisationskulturen in Institutionen auszugehen, und diese als Ausgangspunkt von gesellschaftlichen Veränderungen zu sehen.
Das ÖGB-Kompetenzzentrum Migration in Oberösterreich stellt ein mögliches Beispiel dar, das von der Wirklichkeit einer vielfältigen ArbeitnehmerInnenschaft ausgeht. Indem hier zwar Differenzen entlang von Migrationserfahrungen betont werden, diese aber dafür genützt werden, um MigrantInnen an innergewerkschaftlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen zu lassen. Über den Weg formaler Veränderung werden demokratischere Strukturen und Mitentscheidungsmöglichkeiten geschaffen. Inwiefern damit die Organisationskultur, informelle Abläufe und Denkweisen verändert werden können bleibt abzuwarten. Das Entscheidende im Zusammenhang von Migration und gewerkschaftlicher Arbeit ist, dass Möglichkeiten einer gleichberechtigten Teilhabe geschaffen werden, die Selbstbefähigung und -ermächtigung fördern. Das würde letztlich Demokratie auszeichnen, was aber auch so benannt werden sollte.

Internet:
Quartalsanalyse der AK Oberösterreich/Februar 2011. Schwerpunkt: MigrantInnen auf dem Arbeitsmarkt:
tinyurl.com/6atrxxv
Das Projekt "Vielfalt schätzen. Vielfalt nutzen!":
www.vielfalt-ooe.at 
Petition Ausschluss Basta! Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der es selbstverständlich ist, dass alle Menschen die gleichen Rechte teilen.
ausschlussbasta.wordpress.com 
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Stefan Kronister (ÖGB OÖ), Dennis Tamesberger (AK OÖ) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576245 Österreich ist ein Einwanderungsland und wird dies auch in der Zukunft bleiben. Der Anteil der Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft stieg von zwei Prozent im Jahr 1960 auf elf Prozent im Jahr 2011. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301576256 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571840 Guter Rat ist nicht teuer Kurz vor acht Uhr früh treffe ich  Birgit Ceplak, Teamleiterin der Abteilung Arbeitsrecht, im AK-Hauptgebäude in der Prinz-Eugen-Straße. Sie ist heute meine Ansprechpartnerin in allen Dingen, die die AK-Rechtsberatung betreffen. Punkt acht Uhr beginnen die Termine bei den BeraterInnen, die vorher telefonisch vereinbart wurden. Die Beratungen sind in verschiedene Fachgebiete aufgeteilt, darunter die allgemeine Beratung, wo es in erster Linie um Beendigungen, also beispielsweise fristlose Entlassungen, Kündigungen im Krankenstand, Überprüfung der Lohnabrechnungen etc. geht. Weiters gibt es speziellere Beratungen, wie zum Beispiel im Bereich Mutterschutz und Elternteilzeit oder auch im Lehrlings- und Jugendschutz.  In welchen Dimensionen das abläuft, stellen die folgenden Zahlen dar: Im Jahr 2010 gab es bei der AK 250.000 persönliche Beratungen, 190.000 telefonische Beratungen und es wurden 63 Millionen Euro für die ArbeitnehmerInnen erstritten.

Knifflige Fälle werden diskutiert

Während  Ceplak mir die Arbeitsweise der Rechtsabteilung erklärt, kommen immer wieder KollegInnen, um diverse knifflige Sachverhalte aus laufenden Beratungsgesprächen zu diskutieren. Dadurch werden Unklarheiten schnell beseitigt, und den ArbeitnehmerInnen kann besser geholfen werden. Im konkreten Fall geht es um eine Arbeitnehmerin, der die Handkasse abhanden gekommen ist, die in einer Schreibtischlade im  Büro aufbewahrt wurde. Diese Praxis war in der betreffenden Firma schon vor Diensteintritt der Arbeitnehmerin Usus. Nach einem Gespräch, in dem das Für und Wider geklärt wird, kommen die BeraterInnen zur Auffassung, dass die Arbeitnehmerin nicht für den gesamten Schadensbetrag haftbar gemacht werden kann.
Dann wechsle ich zur allgemeinen Rechtsberatung, da ich bei einem Beratungsfall zuhören darf: Ein Arbeitnehmer wurde falsch gekündigt und hat daher als Schadenersatz Anspruch auf Gehalt bis zum Jahresende, obwohl er seit September nicht mehr dort arbeitet. Jetzt möchte die Firma dies nicht zahlen. Durch die lückenlose Dokumentation der Vorfälle ist neben der Rechtslage auch die Beweislage klar und die AK Wien wird mit dem Arbeitnehmer bis vor das Arbeitsgericht gehen, sollte der Arbeitgeber trotz Intervention der AK Wien nicht zahlen. In den kurzen Pausen zwischen den Beratungen klärt mich der AK-Berater über einige weit verbreitete Irrtümer im Arbeitsrecht auf: "Kündigungen im Krankenstand sind möglich. Die meisten Leute wissen das nicht, aber es ist so. Man muss auch für einen Krankenstand, der bloß einen Tag dauert, eine Krankenstandsbestätigung bringen, wenn es der Chef verlangt. Dass dies erst nach drei Krankenstandstagen erforderlich ist, gilt nur dann, wenn es so vereinbart wurde oder im Betrieb üblich ist."
Meinen Tag in der AK Wien setze ich bei der Erstberatung im Hauptfoyer fort. Hier geht es darum, Menschen, die ohne Termin bei der AK vorbeikommen, in dringenden Fällen sofort zu helfen. Schon wird der erste Arbeitnehmer aufgerufen: Es ist ein in der Backwarenproduktion tätiger Mann, der nach über vier Jahren von einem Tag auf den anderen gekündigt wurde. Er möchte vor allem wissen, warum er gekündigt wurde. Den Grund für die Kündigung muss der Arbeitgeber jedoch nicht angeben. Der Berater empfiehlt dem Arbeitnehmer, einen Brief an den Arbeitgeber zu richten, um die offenen Ansprüche wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Urlaubstage einzufordern, und unterstützt ihn bei der Formulierung dieses Schreibens. "Die eintägige Kündigungsfrist ist nach der Gewerbeordnung von 1859 zulässig", erklärt mir der AK-Rechtsexperte. "Diese und auch einige andere Bestimmungen sind nicht mehr zeitgemäß. Die AK fordert daher vom Gesetzgeber diese veralteten Gesetzespassagen anzupassen."

Einvernehmliche Auflösung

Der nächste Fall ist ein Elektroinstallateur, der im Krankenstand ist, aber noch nicht beim Arzt war, weil dieser erst am Nachmittag ordiniert. Der Arbeitgeber möchte, dass der Arbeitnehmer eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterschreibt. Der Arbeitnehmer befürchtet nun, dass ihm der Arbeitgeber einen Strick daraus drehen könnte, dass er noch nicht beim Arzt war. Der Berater kann beruhigen - es besteht keine Gefahr für den Ratsuchenden, wenn der Arzt tatsächlich nur am Nachmittag ordiniert. Dann kommt jedoch noch der wichtigste Tipp: "Unterschreiben Sie bitte nichts, was Sie nicht verstehen. Nehmen Sie es lieber mit und lassen sie es von uns anschauen. Wenn Sie nämlich bereits etwas unterschrieben haben, dann ist das schwer wieder rückgängig zu machen. Von einer einvernehmlichen Lösung im Krankenstand raten wir dringend ab, da der Arbeitgeber den Krankenstand dann nicht mehr bezahlen muss. Sie erhalten zwar Krankengeld von der Krankenkasse, das ist aber weniger als Ihr Lohn. Es geht daher um bares Geld!"

Tiefenberatung 

Es geht zurück zur Tiefenberatung. Die Beraterin klärt eine Verkäuferin darüber auf, dass Teilzeitbeschäftigte dieselben Rechte wie Vollzeit-MitarbeiterInnen haben. Als nächstes kommt ein Ehepaar, die Frau fungiert als Übersetzerin für den Mann. Die beiden vermuten, dass bei der Kündigung nicht alles korrekt abgelaufen ist. Leider haben die beiden die notwendigen Unterlagen, wie etwa das Kündigungsschreiben, nicht mit. Die Expertin formuliert nach den Angaben des Arbeitnehmers einen Brief an den Arbeitgeber mit allen Forderungen und gibt diesen dem Paar mit. Außerdem vereinbart sie mit den beiden einen neuen Beratungstermin, zu dem sie alle Papiere mitbringen sollen, um den Sachverhalt abschließend klären zu können.
Nächste Station Lehrlingsberatung. Dort sitzt ein junger Mann, der seit Juni keine Lehrlingsentschädigungen bekommen hat. Er wird über einen berechtigten Austritt aus dem Lehrverhältnis aufgeklärt. Nach schriftlicher Androhung des Austritts unter Setzung einer Nachfrist an den Arbeitgeber, kann der Lehrling seinen Austritt erklären und muss nicht mehr arbeiten gehen. Der Austritt berechtigt ihn zu einer Entschädigungszahlung durch den Arbeitgeber, der Lehrling kann in diesem Fall jedoch trotzdem bereits zur Lehrabschlussprüfung antreten. "Nicht bezahlte Lehrlingsentschädigungen gehören zu den häufigsten Problemen, mit denen die AK Wien in der  Lehrlingsberatung zu tun hat", berichtet mir der Berater.
Bei der Telefonberatung, die als nächstes dran ist, geht es darum, kurze rechtliche Fragen der AK-Mitglieder zu beantworten. Meistens sind auch hier Mythen zu bekämpfen. Viele glauben, es gäbe einen besonderen Kündigungsschutz für ältere ArbeitnehmerInnen, dem ist aber nicht so. Auch ältere ArbeitnehmerInnen können jederzeit gekündigt werden, die Kündigungen sind allenfalls anfechtbar. Eine Arbeitnehmerin, die drei Monate vor der Pensionierung steht, möchte nicht in einen anderen Bereich versetzt werden und hat ein geharnischtes Schreiben an die Firma aufgesetzt. Die Rechtsexpertin schafft es, die Anruferin davon zu überzeugen, dass es äußerst kontraproduktiv wäre, dieses Schreiben abzuschicken. Sie rät der Arbeitnehmerin mündlich, in umgänglicher Art und Weise ihre Bedenken zu äußern, und die Hilfe des Betriebsrates in Anspruch zu nehmen.
Zu guter Letzt ist die Beratung bei Mutterschutz- und Elternteilzeit an der Reihe. Hier berät die AK-Mitarbeiterin gerade ein junges Paar. Die Frau ist hochschwanger und bei einer Reinigungsfirma tätig. Es werden ihr seitens des Arbeitgebers strapaziöse Tätigkeiten zugemutet. Die Arbeitsrechtsexpertin klärt die Arbeitnehmerin über die Schutzbestimmungen für Schwangere auf und stellt klar, welche Anweisungen des Arbeitgebers sie nicht zu befolgen braucht. Um den Arbeitgeber auf seine Fürsorgepflicht aufmerksam zu machen, gibt die Beraterin der Ratsuchenden eine Broschüre der AK Wien, in der die gesetzlichen Bestimmungen festgehalten sind, mit.

Spiegel der Probleme

Mein Tag in der AK Wien zeigte mir die breite Palette der Anliegen, mit denen sich die ArbeitnehmerInnen an ihre AK wenden.  Ceplak: "Die Beratungen spiegeln genau die Probleme, mit denen die ArbeitnehmerInnen in den Betrieben täglich konfrontiert sind. Wir klären unsere Mitglieder über die rechtlichen Bestimmungen auf, unterstützen sie bei einzelnen Schritten, geben Tipps und schreiten für sie ein, wenn sie sich selbst nicht mehr helfen können. So versuchen wir täglich gemeinsam mit engagierten BetriebsrätInnen und den KollegInnen der Fachgewerkschaften die Lage der österreichischen ArbeitnehmerInnen zu verbessern."

Internet:
Mehr Infos unter:
www.arbeiterkammer.at 
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Thomas Varkonyi (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571792 Im Jahr 2010 gab es bei der AK Wien 250.000 persönliche Beratungen, 190.000 telefonische Beratungen und es wurden 63 Mio. Euro für die ArbeitnehmerInnen erstritten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571771 Beratung boomt Niederösterreich ist ein Land großer Vielfalt und zahlreicher Naturschönheiten. Doch im Rubrum Bruttoregionalprodukt (Statistik Austria 2011 für das Jahr 2008) liegt es im Ranking der Bundesländer mit 28.000 Euro (vor dem Burgenland) nur an achter Stelle. (Zum Vergleich BRP Wien: 44.700 Euro). Laut AK NÖ lag die Anzahl der Beschäftigten 2010 mit 0,14 Prozent noch unter den Werten des konjunkturell schlechten Jahres 2009, während sie bundesweit um 0,79 Prozent gestiegen war.

Große regionale Unterschiede

Niederösterreich? Hinter den blau-gelben Landesfarben treten große regionale Unterschiede zu Tage: Das Wald- ist anders als das Mostviertel, das Wein- gleicht nicht dem Industrieviertel und alle unterscheiden sich vom sogenannten Zentralraum um Wien. Auch innerhalb der einzelnen Regionen sind die Gegebenheiten der Bezirke differenziert zu betrachten. Mit der Broschüre "Meine Region Waldviertel: Zahlen Fakten 2010", bietet die AK NÖ eine detaillierte Studie zur nördlichsten Region des Landes, aufgeteilt auf die Bezirke Gmünd, Horn, Waidhofen/Thaya und Zwettl. Die Broschüre liegt in fünf regionalen Ausgaben für alle genannten "Vierteln" Niederösterreichs vor, die wesentliche Wirtschaftskennzahlen zu Beschäftigung, Einkommen und Arbeitsmarkt, Pendlerstrukturen und zur Wohn- und Bildungssituation liefern. Denn "Zahlen und Daten zeigen Veränderungen auf und helfen Entwicklungen zu erkennen", ist AK NÖ-Präsident Hermann Haneder überzeugt. Die Zahlen aus der Beratung sprechen für sich: Rund 100.000 ArbeitnehmerInnen wurden 2010 von der AK Niederösterreich persönlich oder telefonisch beraten. Außergerichtlich konnten 3,3 Mio. Euro an ausständigen Löhnen und Gehältern erzielt werden, weitere zehn Mio. wurden vor Gericht erstritten. Über 31 Mio. Euro konnten bei Insolvenzen mit Hilfe der AK für die ArbeitnehmerInnen gesichert werden.

Grenzregion 

Spezielle Probleme wegen der Grenze zum tschechischen Nachbarn oder wegen des seit 1. Mai 2011 offenen Arbeitsmarktes gebe es nicht, betont Leopold Kapeller, AK-Bezirkstellenleiter Waidhofen/Thaya. Das Leben in der sogenannten Peripherie berge andere Probleme: niedriges Lohnniveau etwa, fehlende Arbeitsplätze oder Pendeln mit langen Wegen bis Wien oder St. Pölten. Manchmal gebe es Druck vonseiten der ArbeitgeberInnen, der "dann erduldet wird oder erduldet werden muss. Denn zwischen Recht haben und Recht bekommen stellt sich oft die Frage: Tu ich mir das an?". Kapeller, seit 25 Jahren in der AK-Beratung tätig, rät: "Wer krank wird, soll sich nicht unter Druck setzen lassen und keiner 'einvernehmlichen‘ Dienstauflösung zustimmen." Schließlich ist Krankengeld nur halb so hoch wie die Lohnentgeltfortzahlung. Durch intensive Beratungstätigkeit gelingt es den AK-ExpertInnen, viele Beschäftigte vor finanziellen Schäden zu bewahren. Bei Krankenständen, die länger als elf Tage dauern, gibt es eine teilweise Rückerstattung an die ArbeitgeberInnen vonseiten der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt. Leopold Kapeller: "Das ist leider vielen ArbeitgeberInnen nicht bekannt, sodass die Kostenersparnis auf dem Rücken der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ausgetragen wird."
Im ersten Halbjahr 2011 forderte die AK-Waidhofen für 21 Beschäftigte ausstehende Löhne und Gehälter ein. Insgesamt wurden 23.284 Euro an Entgeltnachzahlungen im Bezirk erkämpft. "Leider lassen es einige Arbeitgeber auch auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen", so die Bezirksstellenleitung. Von Jänner bis Juni mussten sieben Fälle dem zuständigen AK-Rechtsbüro in Krems übertragen werden, das die Klagen beim Arbeitsgericht einbringt.

Problemzone 

Mit dem Niedergang der Textilindustrie Ende der 90er-Jahre wurde die ehemals prosperierende Region zur Problemzone. Seit einigen Jahren erhole sich der Arbeitsmarkt, berichtet Kapeller, AK-Bezirkstellenleiter von Waidhofen. "Wir sind nun nicht mehr auf den letzten Rängen in der Statistik. Das ist aber auch ein wenig zynisch: Denn mehr Arbeitsplätze gibt es auch nicht." Zwar verzeichnet die Statistik einen Rückgang der Arbeitslosigkeit von zwischen -5,6 Prozent im Bezirk Horn und -12,4 Prozent in Waidhofen. Ein verändertes Bild ergibt sich jedoch, rechnet man die Teilnehmenden von Schulungsmaßnahmen des Arbeitsmarktservice (AMS) hinzu. Noch aussagekräftiger zur Beschreibung der regionalen Arbeitsmärkte ist die Arbeitslosenquote: Sie wird definiert als Anteil der Arbeitslosen an den Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Beschäftigte). Diese lag im Waldviertel im Jahr 2010 zwischen 5,4 Prozent (Horn) und 9,2 Prozent (Gmünd).

Problem Abwanderung

Die Abwanderung der jungen, gut ausgebildeten Menschen ist ein zusätzliches Problem. Ein aktuelles Problem, das weit in die Zukunft reicht. Bis 2050, so die Prognose der Statistik Austria, wird das Waldviertel rund ein Viertel seiner jungen Bevölkerung verlieren.
Kontinuierlich ist auch der Rückgang der Anzahl von Jugendlichen in der Lehrlingsausbildung. Die Zahlen sprechen für sich: Wurden 1980 noch 3.339 Lehrlinge von Betrieben ausgebildet, waren es 2000 nur noch 2.271 und im Jahr 2010 schließlich 1.986 Jugendliche. Aber Zahlen können auch täuschen: Seit 2009 werden auch jene Lehrlinge dazugerechnet, die keine betriebliche Lehrstelle haben, sondern im Rahmen einer Maßnahme des "Auffangnetzes" im Auftrag des AMS ausgebildet werden. Hier setzen sich AK und ÖGB, mit Sitz und Stimme im AMS-Regionalbeirat, ein.

Abgemeldet 

Auch für die KollegInnen aus Tschechien gibt es einiges zu tun. Etwa für die Kellnerin, die täglich aus Znaim zur Arbeit in ein Waldviertler Burgrestaurant pendelte, bis sie eines Tages erkrankte. Die Reaktion auf ihre Krankmeldung: "Du bist nicht krank. Du bist abgemeldet." Durch Vermittlung der AK-Horn kam es schließlich doch noch zu einer korrekten Beendigung des Dienstverhältnisses. Auch wenn dieser Fall gut ausgegangen ist, appelliert Robert Fischer, Leiter der AK-Bezirksstelle Horn, an die ArbeitgeberInnen, "Krankenstände nicht zum Anlass für Kündigungen zu nehmen".
Besonders im oberen Waldviertel sind Arbeitsplätze rar. So ertrug eine 47-jährige Textilarbeiterin jahrelang die Schreiattacken ihres Chefs. Ende April wurden ihr die Wutausbrüche des Vorgesetzten jedoch zu viel. Herzrasen und Atemnot führten sie schließlich zum Arzt. Die Leiterin der AK-Bezirksstelle Gmünd, Elisabeth Zellhofer, erinnert sich an die Beratung und was danach geschah: "Der Arztbesuch wurde als unerlaubtes Entfernen vom Arbeitsplatz bewertet. Statt die Krankmeldung entgegenzunehmen, wurde die fristlose Entlassung gleich zu Beginn des Krankenstandes ausgesprochen." Die Textilarbeiterin würde die Entgeltfortzahlung und sechs Monate Abfertigung verlieren. Eine Summe, die nunmehr von der AK-Gmünd eingefordert wird.
Entlassungen im Krankenstand sind in der Region Waldviertel "ein Dauerbrenner". Eine negative Entwicklung sieht Elisabeth Zellhofer auch bei den sogenannten All-inclusive-Dienstverträgen. "Durch das vermeintlich höhere Entgelt sind alle möglichen Stunden abgedeckt. Wo es keine Zeitaufstellungen mehr gibt, gibt es auch keine Kontrolle über geleistete Mehrarbeit und Überstunden."

Sprachprobleme

Seit 1. Mai 2011 arbeiten rund 5.000 UngarInnen in der östlichen Grenzregion, vor allem in den Bezirken Schwechat und Wr. Neustadt. Eine Studie der AK NÖ zeigt, dass die Arbeitskräfte häufig überqualifiziert sind. Sie beherrschen die Sprache oft nur unzureichend oder sind nicht über ihre Rechte informiert. Mit einer Kampagne will die AK NÖ die "Beschäftigten direkt im Land ansprechen und sie ermutigen, sich rechtzeitig an uns zu wenden, weil sie Ungerechtigkeiten nicht hinnehmen müssen", so AK NÖ-Präsident Hermann Haneder.

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Info&News
Die Broschüren zu den fünf Regionen Niederösterreichs können Sie kostenlos unter Tel. 05 71 71-1212 bestellen oder als pdf downloaden unter:
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Gabriele Müller (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571748 Die Abwanderung der jungen, gut ausgebildeten Menschen ist ein aktuelles Problem, das weit in die Zukunft reicht. Bis 2050, so die Prognose der Statistik Austria, wird das Waldviertel rund ein Viertel seiner jungen Bevölkerung verlieren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571714 AK im Gegenwind Sind Sie dafür, dass die Kammer für Arbeiter und Angestellte als gesetzliche Interessenvertretung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen bleibt?" Bereits die Frage, welche die Arbeiterkammern 1996 ihren Mitgliedern stellte, wies auf eine bedrohliche Lage für die Interessenvertretungen hin. Diese - in der Geschichte einmalige - Abstimmung war letztlich die Reaktion auf ein mehrjähriges Dauerfeuer, welches sich u. a. gegen die AK als Institution richtete.

Neoliberaler Zeitgeist

Ab der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre begannen sich - auch in Österreich - die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nachhaltig zu verändern. Privatisierung und Sanierung, als Folge von konjunkturellen Problemen und steigenden Defiziten, betrafen nicht nur die arbeitende Bevölkerung negativ.
Europaweit brach die Verankerung der Interessenvertretungen in der Bevölkerung nachhaltig ein. Solche strukturellen Probleme waren eng mit neuen politischen Herausforderungen verknüpft. Marktradikale Ideologen gewannen mit ihren Parolen gegen den Sozialstaat überall an Unterstützung. Die Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen galten überall plötzlich als "Bremser" und standen daher bald selbst im neoliberalen Fadenkreuz.
Mitte der 1990er-Jahre war das entsprechende Gedankengut bereits tief bis in die damals amtierende große Koalition vorgedrungen. So wollte etwa der amtierende ÖVP-Vorsitzende und Vizekanzler Erhard Busek 1994 keine erkennbare Aufgabe mehr für die Arbeiterkammern erkennen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Andreas Kohl bedauert, dass man Themen, die in Europa an sich mit neokonservativen PolitikerInnen wie Margret Thatcher verbunden waren, in Österreich einer anderen politischen Kraft überlassen hatte.

Haiders FPÖ ab 1986

Rechtsextremes Fundament, neoliberale Substanz und markgerechte Präsentation: So fasst der Wirtschaftswissenschafter Herbert Schui die Neuausrichtung der FPÖ unter Jörg Haider - also ab 1986 - zusammen. Während Haiders Partei damit in Europa zum Modellfall eines modernen Rechtsextremismus wurde, fungierten die Freiheitlichen in Österreich mit ihren Kampagnen gegen angebliche "Sozialschmarotzer" zunächst vor allem als "Eisbrecher" (Mölzer 1990) für neoliberale Positionen. Bereits die erste große Kampagne der "FPÖ neu" - das "Antiprivilegienvolksbegehren" (1987) - forderte aber auch ein Ende der AK-Pflichtmitgliedschaft. Nach dem relativen Misserfolg des Volksbegehrens (nur 250.000 unterschrieben) griff die FPÖ stärker innere Problemfälle der Interessenvertretungen auf.

Der Mann mit dem Taferl

Legendär wurde in diesem Zusammenhang etwa der Fall des steirischen AK-Präsidenten Alois Rechberger, dessen Spesen Jörg Haider 1989 anprangerte. Fünf Jahre später hielt Haider in der TV-Konfrontation mit Franz Vranitzky das "Taferl" mit den Einkünften des AK-Direktors Kurt Zacharias in die Kamera. Grundverständnis und Zielsetzungen der FPÖ gegenüber AK und ÖGB blieben über die Jahre unverändert. Interessenvertretungen wie die AK wurden im Grunde schlicht als mafiöse Strukturen betrachtet. Für eine derartige Behauptung in der Öffentlichkeit wurde die FPÖ 1992 sogar rechtskräftig verurteilt.
1994 gingen nur noch 31 Prozent der Wahlberechtigten bei den AK-Wahlen zu den Urnen. Waren die traditionellen Interessenvertretungen überhaupt noch zeitgemäß? So lautete zumindest die Frage, welche inzwischen nicht nur von der FPÖ, sondern auch von liberalen Journalisten immer häufiger gestellt wurde. Gleichzeitig gelang es gerade den Freiheitlichen, erstmals massiv ArbeitnehmerInnenstimmen bei Wahlen auf sich zu ziehen. Dabei spielte nicht nur das sich allgemein verschärfende Klima in der "Ausländerfrage" eine Rolle, welches die FPÖ optimal für ihre typische Art der entsolidarisierenden "Interessenvertretung" nutzen und weiter schüren konnte. So schwächte die ausgabenseitige Budgetkonsolidierung 1995/96 - Stichwort: "Sparpakete" - das Vertrauen in AK und ÖGB. Hinzu kamen hausgemachte Probleme. Wie die FPÖ hier methodisch vorging, bringt ein Kommentar zur Konsum-Krise auf den Punkt: "Jörg Haider hingegen war vor Ort. In der Pause der von ihm angezettelten Parlamentssitzung machte er Blitzbesuche in vier Konsum-Filialen im traditionellen Arbeiterbezirk Favoriten. Das Übliche: Herein mit dem ganzen Troß, ein paar Sprüche, eine Käsesemmel gekauft und wieder hinaus. Aber er war da. Hingegen hat sich, soweit sich das feststellen läßt, kein SPÖ-Vorsitzender, haben sich keine Generalsekretäre, keine Minister, auch keine Spitzengewerkschafter seit dem Ausbruch der Krise beim Konsum blicken lassen. Kein beruhigendes Wort für die Belegschaft, keine Geste." (Kurier, 22. März 1995).

Gescheiterter Versuch FGÖ

Gleichzeitig waren und blieben die Widersprüche und Probleme der FPÖ, sich tatsächlich organisatorisch unter ArbeitnehmerInnen zu verankern, offensichtlich. Vordergründig strebte sie seit 1986 eine stärkere Position in den Gremien an; durch die weitere Beteiligung bei AK-Wahlen oder der Forderung nach Fraktionsstatus im ÖGB. Parallel dazu testeten die Freiheitlichen in den 1990er-Jahren immer wieder das Feld für eigene, blaue "Interessenvertretungen" ab. Entsprechende Ansätze mündeten allerdings im Fiasko. Das galt vor allem für den Versuch mit der Gründung "FGÖ" (1998) eine Konkurrenz zu AK und ÖGB schaffen zu wollen. Statt den erwarteten 100.000 Personen, folgten nur knapp 6.000 Menschen dem Ruf einer "Gewerkschaft", welche per Bittbrief verschiedene UnternehmerInnen um finanzielle Unterstützung gebeten hatte und Kollektivverträge als unwichtig erachtete. Tatsächlich war die FGÖ-Gründung damit auch der gescheiterte Versuch, die inzwischen erfolgreiche AK-Mitgliederbefragung 1996 mittels einer neuen Organisation offensiv zu beantworten.

Gute Vernetzung hat gegriffen

90 Prozent der abstimmenden Mitglieder sprachen sich bei dieser Abstimmung für die Beibehaltung der AK als gesetzliche Interessenvertretung aus. Besonders bemerkenswert: Die über Jahre hindurch gesunkene Beteiligung bei AK-Wahlen wurde bei dieser Befragung ebenfalls durchbrochen. Zwischen 56,1 (Vorarlberg) und 79,1 (Tirol) Prozent der Basis beteiligten sich an dem speziellen Urnengang. Der damals amtierende AKNÖ-Chef Staudinger kommentiert die Hintergründe des Erfolges: "Die gute Vernetzung mit Gewerkschaft und Betriebsräten hat damals voll gegriffen." (60 Jahre AKNÖ, S. 85). Dass konkret die AK als Institution durch die massive Mobilisierung in den Betrieben einen wichtigen Etappensieg errungen hat, steht außer Zweifel. Entspannung war für die Interessenvertretungen allerdings auch in dieser Frage weiter nicht angesagt.
Mit Hubert Gorbach und Susanne Riess-Passer überlegten zwischen 2000 und 2006 nämlich erstmals (FPÖ-)Regierungspolitiker die Abschaffung von Gewerkschaften. Die FPÖ erwies sich bei allen Versuchen der Wenderegierung, den Einfluss der Interessenvertretungen zu schwächen, als Motor und strategischer Partner.

Wachsam bleiben

Mittels Urabstimmung aber auch den Kampfmaßnahmen 2003 gelang es ÖGB und AK zwar erneut, dieser Strategie der Delegitimierung entgegenzutreten. Die Drohung bleibt trotzdem aufrecht. Der freiheitliche Landeshauptmann Dörfler forderte erst unlängst nichts weniger als die Auflösung des ÖGB.
Gleichzeitig findet sich der Wunsch nach dem Ende der AK-Pflichtmitgliedschaft auch im aktuellen "Handbuch freiheitlicher Politik". Chancen für eine Umsetzung kann es allerdings nur dort geben, wo ÖGB und AK Schwächen zeigen. Zu solchen gehören nicht nur die Gefahren, soziales Protestpotenzial rechten Demagogen zu überlassen. Auch der Umgang mit freiheitlichen Funktionären und deren Inhalten in den eigenen Reihen - also in AK und ÖGB - bedarf einer permanenten Beobachtung bzw. einer entschlossenen (Gegen-)Positionierung.

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Autor: John Evers, Leiter des Bereichs Bildungsabschlüsse, Basisbildung und & Beratung, Historiker und Erwachsenenbildner (John Evers erhielt für seine Studie zum Verhältnis der FPÖ zum ÖGB das Johann-Böhm-Stipendium und wurde mit dem Wissenschaftspreis der AK OÖ ausgezeichnet)

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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571672 Interessenvertretungen wie die AK wurden im Grunde schlicht als mafiöse Strukturen betrachtet. Für eine derartige Behauptung in der Öffentlichkeit wurde die FPÖ 1992 sogar rechtskräftig verurteilt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571635 Die Minimalgesellschaft 01

Am 15. März 1989 wurde auf der Federal Plaza in New York die Skulptur 'Tilted Arc' des Bildhauers Richard Serra auf Anordnung einer lokalen Behörde entfernt. 'Tilted Arc' war eine etwa 40 Meter lange und 4 Meter hohe, selbsttragende gekrümmte Wand aus Stahl, die dort 1981 mit öffentlichen Mitteln errichtet worden war. In einer öffentlichen Anhörung nach Anrainerbeschwerden hatten 58 Menschen sich gegen die Skulptur ausgesprochen, 122 aber für sie.
Dieser Fall bezeichnet wohl, abgesehen von der Frage der plebiszitären Beurteilbarkeit von Kunst, einen Wendepunkt in der Funktionsweise von Öffentlichkeit. Es ist der sichtbare Beginn eines neuen Verständnisses von der Aufgabe des Staates - sowie davon, was der öffentliche Raum für die Menschen leisten soll bzw. leisten darf. Alle Elemente scheinen hier versammelt, die auch in ganz anderen Zusammenhängen seither, und nicht nur in den USA, immer wieder zusammen auftreten, als charakteristische Merkmale einer neoliberalen, postmodernen Ordnung: ein Eingreifen der öffentlichen Hand, um ein bislang verfügbares öffentliches Gut zu entfernen; eine überproportionale Sensibilität der Behörden für die Beschwerden einer Minderheit; die gleichzeitige Bereitschaft, über die Wünsche und Interessen einer großen betroffenen Gruppe hinwegzugehen; und dies gestützt auf die Auffassung, dass eine Beschwerde ernster zu nehmen sei als ein Wunsch.
Die staatliche oder die kommunale Behörde übernimmt nun die Mission der Beseitigung von Störendem, und das Prinzip, das hier zur Anwendung gelangt, ist - wie der Philosoph Slavoj Zizek es treffend nannte - "das postmoderne universelle Menschenrecht", von nichts und niemandem belästigt zu werden.  Die Folge, die das für den öffentlichen Raum mit sich bringt, ist klar: über kurz oder lang wird dieser Raum nur noch ein negativ bestimmter Raum sein, ein Raum ohne jegliche positive Qualitäten, da die Staatsgewalt alles polizeilich entfernt haben wird, was jemals irgendjemanden gestört hat. Es ist, mathematisch gesprochen, nicht mehr der Raum eines übergeordneten, gemeinsamen Vielfachen der Individuen, sondern der Raum ihres größtmöglichen Teilers, den man noch finden konnte. Ein Raum, in dem nichts mehr da ist - außer einer Polizei, die dafür sorgt, dass es so bleibt: nennen wir diesen Raum den Schauplatz einer auf ihr Minimum heruntergewirtschafteten Gesellschaft - einer Minimalgesellschaft.

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Das ökonomische Prinzip der Minimalgesellschaft besteht in der Privatisierung des öffentlichen Raumes. Alles Positive, das sich darin zeigt, wird als privates Eigentum oder als private Eigenschaft definiert. Alles, was jemand tut, ist dessen private Aktivität, und alles, was jemand sagt, ist dessen private Meinung. Wenn jemand vom öffentlichen Raum irgendeine Leistung erwartet, dann ist dies von nun an eine irrige, private Erwartung. Für jede Leistung (zum Beispiel aktuelle Kunst in Topqualität gezeigt zu bekommen) sollen die interessierten Individuen - und nur diese - von nun an privat bezahlen und sich in private Räume (wie z. B. private Kunstmuseen) begeben.
Wenn die Individuen sich im öffentlichen Raum äußern, dann hat dies fortan als ihre Privatmeinung zu gelten und auch nichts anderes zu beanspruchen. Dies kann man seit dem Beginn der Vorherrschaft des Privatferrnsehens auf allen Bildschirmen beobachten: Dort treten keine Leute mehr auf, die sich sachlich zu Fragen äußern, welche die Gesellschaft als ganze betreffen (es gibt auch kaum mehr Sendungen dafür), sondern vorwiegend bizarre Freaks, die über ihre Privatmarotten erzählen oder vor laufender Kamera Würmer verspeisen.

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Dem ökonomischen Prinzip der Abwirtschaftung zur Minimalgesellschaft folgt auch die sogenannte "Bologna-Reform" der europäischen Universitäten. Wer heute studieren möchte, bekommt kein ordentliches Studium mehr, sondern nur noch ein Bachelorstudium finanziert, worin man keine Gelegenheit mehr hat, aktuelle Forschung kennenzulernen und eigene Fragen und Forschungsinteressen zu entwickeln. Wer so etwas Extragavantes will, soll sich das gefälligst selbst bezahlen und einen Masterstudiengang besuchen. Wenn das dann gar auch noch interessant sein soll, dann wird man es nicht nur selbst bezahlen müssen, sondern bald wohl nur noch an einer teuren Privatuniversität bekommen können.
Die Funktion des Staates wird in einer Minimalgesellschaft ausschließlich darin gesehen, dass Mindeststandards gesichert werden. Dies geschieht durch Kontrollen. Darum blüht in einer neoliberalen Gesellschaft das Kontrollwesen und die Überregulierung. So wird an den Bologna-konformen Minimaluniversitäten weniger gelehrt als vielmehr permanent geprüft. Studierende sollen nicht Wissen und Methoden oder gar die von der Wirtschaft gern geforderte kreative Eigenständigkeit erwerben; sie sollen vor allem Fristen einhalten, Formulare ausfüllen und in lächerlichen Prüfungsritualen (die den Missbrauch geradezu herausfordern) sogenannte ECTS-Punkte sammeln. Anstatt für immer mehr Studierende auch entsprechend mehr Lehrende anzustellen, engagiert man darum an den Universitäten lieber immer mehr Verwalter, welche angeblich die Qualität sichern und zu diesem Zweck die Studierenden (und die Lehrenden) mit immer mehr Kontrollen schikanieren. Der minimalgesellschaftliche Staat ist darum ein Tummelplatz exzessiver Bürokratie.

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Wenn in einer Minimalgesellschaft jemand klug wird, dann ist das seine private Klugheit. Sie wird privaten Verwertungszwecken dienen, und ihr Erwerb muss privat finanziert werden. Ebenso ist es mit der Gesundheit. Auch sie wird Privatsache, und ihr Erwerb muss privat bezahlt werden. Wenn jemand krank wird, ist es von nun an dessen eigene, private Schuld, und nicht etwa ein Unglücksfall, gegen den eine gesellschaftliche Solidarität die Individuen abzusichern hätte. Darum sucht die Minimalgesellschaft nach individuellen Verfehlungen bei der Entstehung von Krankheit: Raucher sind selber schuld, wenn sie erkranken, dicke Menschen natürlich auch. Diejenigen, die keinen Sport treiben, ebenso. Und auf der anderen Seite die Sportler, die sich beim Sport verletzen, selbstverständlich auch. Wer also irgendeine Krankheit hat, für die man ihn oder sie scheinbar persönlich haftbar machen kann, soll auch selbst für die Heilung zahlen. So entsteht der staatlich versorgte Minimalpatient - sozusagen der kleine Rest, der übrig bleibt, wenn man alle privat verursachten Leiden abgezogen hat. Es kann freilich sein, dass auch gar nichts übrigbleibt.

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Das kulturelle Prinzip der Minimalgesellschaft besteht darin, dass von niemandem mehr etwas erwartet wird - außer dass er den sich immer mehr ausbreitenden Kontroll- und Zwangsapparaten gehorcht und für alles, was er sonst braucht, selbst bezahlt. Weil alle Individuen nur noch als Privatpersonen, als bourgeois, angesehen werden, traut man ihnen nicht zu, dass sie sich jemals darüber erheben könnten, um eine andere, zweite Existenzweise anzunehmen - die der öffentlichen, gleichsam schauspielerischen Rolle; jene Funktion, die der Soziologe Richard Sennett als public man bezeichnet hat  - beziehungsweise, in der Sprache der französischen Revolution: die Rolle des citoyen. Seit der Renaissance hatten Menschen in Europa und Übersee eine solche Zweiteilung erlernt und die Fähigkeit erworben, im öffentlichen Raum eine Rolle zu spielen, um anderen dadurch erträglich, angenehm und elegant zu erscheinen - und um neben ihren privaten Interessen auch als politische Bürger das Interesse der Gesellschaft als ganzer im Blick zu haben. Nun jedoch erwartet man von den Leuten nicht mehr, dass sie ihr Privates ein Stück weit hinter sich lassen und sich für den Blick der Anderen zivilisiert benehmen können. Darum begegnet man ihnen mit immer mehr Verboten und bedroht sie mit Strafen.
Zugleich aber ermuntert man sie auch, sich zu beschweren. Denn zu Privatpersonen zusammengestutzt, haben sie in der Öffentlichkeit ja auch gar keine Möglichkeit mehr, ihre privaten Empfindlichkeiten hintanzuhalten. Sie spüren nun alles, was ihnen begegnet, gleichsam sofort auf ihrer privaten Haut, und nicht etwa auf der unverbindlicheren und weniger verletzlichen Maske, die zivilisierte Menschen früher in der Öffentlichkeit zur Schau trugen. Sie haben nicht mehr das Gefühl, sich in der Öffentlichkeit ein bisschen besser benehmen zu müssen als zu Hause, nicht gleich alles persönlich zu nehmen und ein wenig aufgeschlossen zu sein auch für Dinge, die ihnen nicht ganz vertraut sind. Eine solche Leistung wird ihnen in der Minimalgesellschaft erspart. Zugleich wird ihnen jede Fähigkeit dazu abgesprochen.

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Wenn man sich nicht mehr besser benehmen kann, als man eben privat so ist (und es auch gar nicht mehr soll), dann kann man auch das bessere Benehmen anderer Leute, sofern es noch vorkommt, nicht mehr als solches begreifen. Wenn jemand zum Beispiel eine Zigarette raucht, so wird das in der Minimalgesellschaft nur noch als dessen finstere, giftige Privatbeschäftigung begriffen: Das soll er oder sie doch bitte gefälligst zu Hause machen! Polizei!
Bis vor kurzem, das heißt: bis vor etwa 15 Jahren, war das noch ganz anders. Da erblickte man in der Tabakkultur noch etwas Mondänes - eine Verhaltensweise, die dazu dient, in der Öffentlichkeit bei allen Beteiligten eine Atmosphäre der Eleganz und des kollektiven Wohlgefühls entstehen zu lassen. Tabakkultur gehörte zum zivilisierten Benehmen; sie war ein entscheidender Bestandteil des public man, denn wer raucht, nimmt eine entspannte, ruhige, vornehme Haltung ein und wird anderen dadurch angenehm. Aus diesem Grund haben unsere Eltern und Großeltern, wie sich im Familienalbum sehen läßt, oft überhaupt nur in der Öffentlichkeit oder bei eleganten Anlässen geraucht. Privat hingegen waren sie in vielen Fällen Nichtraucher. Sie begriffen es als eine Verpflichtung dem Anderen gegenüber - vergleichbar dem Gebot der Großzügigkeit, das heute noch die Raucher dazu veranlaßt, anderen Menschen eine Zigarette anzubieten.
Heute hingegen sieht man in solchem Verhalten nicht mehr die Dimension der sozialen Verpflichtung, sondern nur noch eine Neigung, ein Laster, sowie das Monströse eines rücksichtslosen Egoismus, der sich auf Kosten anderer ausbreitet. Darum verweist man den Anderen am liebsten an die Exekutive und erklärt ihm barsch, er solle das gefälligst im Freien oder innerhalb der eigenen vier Wände machen. (Freilich ist das keine wirkliche Lösung, denn wie man in den USA bereits sehen kann, wird die Tabakkultur auch im Freien zunehmend untersagt, und wer eine Wohnung mieten will, bekommt oft keinen Vertrag mehr, wenn er oder sie sich unvorsichtigerweise als Raucher oder Raucherin outet.) Angesichts der kulturellen Funktion dieser Praktiken ist dieser Verweis allerdings ähnlich absurd, wie wenn man jemandem sagte: "Wenn Sie schon unbedingt höflich sein wollen, dann machen Sie das bitte zu Hause." Dadurch, dass in der Minimalgesellschaft niemand mehr dazu angehalten wird, sich selbst und die Anderen als Ausübende einer öffentlichen Rolle zu begreifen, kann sich niemand mehr vorstellen, dass der Genuss oder das Glück etwas Allgemeines sein könnte - etwas solidarisch Teilbares, das zum Nutzen aller da ist. Für eine emanzipierte Gesellschaft ist die Fähigkeit, sich das Glück so vorzustellen, freilich eine unabdingbare Voraussetzung. Zu einer solchen Vorstellung unfähig geworden, rufen heute alle neidisch nach Verboten. Und wenn diese kommen, dann haben sie das Gefühl, geschützt oder befreit worden zu sein.

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Bei den aktuellen Verbotspolitiken geht es allerdings um sehr viel mehr als nur um Rauchen, Trinken, fett Essen etc. Was auf dem Spiel steht, ist vor allem die Frage, ob ein Staat sich nicht um etwas ganz anderes zu kümmern hätte als darum, den Individuen solche Dinge zu verbieten. Gibt es nicht gegenwärtig, da immer mehr Menschen auch in reichen Gesellschaften in die Nähe der Armut geraten, sehr viel wichtigere Aufgaben?
Davon lenkt eine Pseudopolitik ab, die gouvernantenhaft das Beste für die Individuen zu tun behauptet, indem sie ihnen kleinliche Verbote aufbrummt, während sie im selben Zug den multinationalen Konzernen und Investoren großzügigst freie Hand lässt. Denn es ist genau derselbe Staat, der dicke Menschen schikaniert und sie für ihr mangelndes Ernährungsbewusstsein zur Kasse bittet, und der auf der anderen Seite die Kontrollen für Lebensmittelproduktion der Konzerne unterlässt und dadurch zum Beispiel die Beimengung von Hormonen erlaubt, welche die Leute erst dick werden lässt. Die Verbotspolitiken der Minimalgesellschaft geben vor, die Individuen zu schützen. Unter diesem Vorwand aber tun sie genau das Gegenteil. Sie machen die Leute privat haftbar für die Unterlassungen des Staates.

08 

Eine Politik, die in einer solchen Situation, in der das multinationale Kapital mit einer Aggressivität auftritt, die wenigstens der ersten Welt bereits für etliche Jahrzehnte unbekannt geworden war, nichts anderes zu tun hat, als Trauerränder auf die Zigarettenschachteln zu kleben, mit Warnungen, die jedes Kleinkind besser aufsagen könnte, betreibt einen groben Missbrauch der Instrumente des Staates. Die entscheidende und dringliche Aufgabe der Politik hingegen ist es jetzt, angesichts der aktuellen gewaltigen Umverteilungen und Kaputtsparmaßnahmen, jede weitere Schwächung des Staates abzufangen - und jede Ablenkung von dieser Aufgabe zu vermeiden.
Es wird nicht leicht sein, gegenüber diesem Kapital, das sich an unsere Harmlosigkeit gewöhnt hat und das sich seit dem Wegfall seines realsozialistischen Widersachers so gut wie gar keine Hemmungen mehr auferlegt, wieder eine ernstzunehmende Drohung aufzubauen. Das wird vielleicht noch lange dauern. Einen wirksamen ersten Schritt in diese Richtung aber kann man immerhin jetzt schon setzen: nämlich indem man alles beseitigt, was den aktuellen, schlimmen Entwicklungen noch eine ablenkende, pseudopolitische Hülle verleiht. Alle politischen Funktionäre, die sich in den letzten Jahrzehnten für Augenauswischereien wie allgemeine Rauchverbote, Senkungen der Alkohollimits für Autofahrer, Sanktionen für Dicke oder für bloß symbolische Kompensationen wie Sprachregelungen etc. eingesetzt haben, sollten dringend aus ihren Funktionen entfernt werden. Alle Personen und Institutionen, die durch Verbote oder Bürokratisierungen den minimalgesellschaftlichen Raubbau an den allgemeinen Gütern der Gesellschaft vorangetrieben haben, müssen für die Zukunft daran gehindert werden. Alle Einrichtungen, die behaupten, Missstände zu beseitigen, aber in Wahrheit zu deren Aufrechterhaltung beitragen, weil ihre eigene Existenz in parasitärer Weise davon abhängt, müssen aufgelöst und transformiert werden. Die Kontrollore und Punktezähler, die heute betriebshemmend an den Universitäten und anderen Institutionen sitzen und die sich ihre Posten selbst verschafft haben durch angeblich zukunftsweisende Reformen, müssen entlassen und zu produktiven Funktionen umgeschult werden - um bei ihnen ein Umdenken in Gang zu bringen, dürfte ein verpflichtendes Bachelorstudium für jeden von ihnen wohl am geeignetsten sein.
Das Prinzip muss sein: Solange die Lage so schlimm ist, werden wir nichts mehr tun, was sie besser aussehen lässt und sie dadurch noch zusätzlich verschlimmert. Wie die antiken Stoiker lehrten: Erst wenn man zu einem Übel noch eine Einbildung hinzufügt, dann wird es zu einem wirklichen Problem. Heute bedeutet das, politisch gelesen: Wenn wir zu den aktuellen Umverteilungen noch die Einbildung hinzufügen, wir würden geschützt oder befreit, dann werden sie zu einem wirklichen Problem. Wenn wir aber diese Einbildungen bekämpfen, dann werden die wirklichen Probleme uns klar vor Augen treten und vor unserem Zorn nicht mehr lange sicher sein.

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Robert Pfaller (Philosoph) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571537 Eine Politik, die in so einer Situation, in der das multinationale Kapital mit einer Aggressivität auftritt nichts anderes zu tun hat, als Trauerränder auf die Zigarettenschachteln zu kleben, betreibt einen groben Missbrauch der Instrumente des Staates. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571655 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571387 90 Jahre Arbeiterkammern - Zukunft gestalten Jubiläen werden zumeist als Leistungsschau zelebriert. Nostalgische Rückblicke in eine "glorreiche" Vergangenheit sollen dazu beitragen, die Akzeptanz des Jubilars zu stärken. Die Arbeiterkammern, deren Leistungen gegenwärtig stärker denn je in Anspruch genommen werden, beschlossen im Zuge der Vorbereitung der Veranstaltungen anlässlich des 90. Jahrestages ihrer Konstituierungen, einen anderen Weg zu gehen. Als "Zukunftsprojekt" in der wirtschaftlichen und sozialen Umbruchszeit nach dem Ersten Weltkrieg konzipiert und errichtet, galt es einmal mehr, den Blick nach vorne, in die nahe und weitere Zukunft zu richten. Angesichts des nach Jahrzehnten neoliberalen Regimes hinterlassenen Scherbenhaufens, der sich in vielfältigen Problemlagen und Krisen zeigt, ist es für die Arbeiterkammern Gebot der Stunde - wie in der Vergangenheit -, aus der Analyse der Gegenwart Handlungsperspektiven für die zukünftige Gestaltung unserer Gesellschaft zu entwickeln.

Zukunft gestalten - Visionen denken

Die Kammerleitung hat beschlossen, zum 90-jährigen Jubiläum keine "Festschrift" im landläufigen Sinn herauszugeben, sondern sich vielmehr brennenden Fragen unserer Gegenwart und Zukunft zu widmen. Die inhaltlichen Schwerpunkte von "Zukunft gestalten - Visionen denken" (so der Titel der "Zukunftsfestschrift") sollten denn auch der gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung unserer Gesellschaft, unseres Staates und der Europäischen Gemeinschaft gewidmet sein. Namhafte österreichische WissenschafterInnen und PublizistInnen wurden eingeladen, ihre Analysen und Visionen in Form eines kurzen Essays zu Papier zu bringen. Dieser "Außensicht" unserer Gegenwart und möglichen Zukunft wurden die Forderungen von ExpertInnen der Büros der BAK gegenübergestellt. Damit sollte ein Teil jener KollegInnen zu Wort kommen, die überwiegend im Hintergrund die Grundlagen der Entscheidungen der FunktionärInnen der BAK erarbeiten. Weder den KammermitarbeiterInnen noch den "externen" AutorInnen wurden die Themen, Inhalte und Texte der anderen bekannt gegeben. Damit sollte bewusst eine gewisse Spannung erzeugt werden, die zum Weiterdenken anregt und damit den Weg für eine neue, gerechte und faire Gestaltung unserer Gesellschaft ebnet. Ohne nun auf einzelne Beiträge des Bandes einzugehen, ohne Namensnennung der AutorInnen und ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien einige in der Publikation näher ausgeführte zentrale Gedanken benannt.
Im Maßstab von Jahrhunderten gemessen leben wir in einer Übergangsphase. Das "Modell Neuzeit", jene in der Zeit der Aufklärung entstandene Wissenschaftsgläubigkeit, scheint am Ende. Notwendig erscheint ein neues Denken, welches sich von der Logik der Wissenschaft löst und alternativen Betrachtungsweisen Raum gibt. Denn Globalisierung bedeutet "Ent-Grenzung". Wo sich einst Ost und West, Nord und Süd in Konflikten befanden, schwirren heute in Sekundenbruchteilen Datenströme. Und die Informationstechnologie entwickelt sich rasant weiter. Die Folgen sind demokratiepolitisch, menschen- und arbeitsrechtlich kaum abschätzbar, aber gestaltbar.

Neoliberalismus 

Die Herrschaft des Neoliberalismus - so die überwiegende Meinung der AutorInnen - zerstörte die fundamentalen Gerechtigkeitsprinzipien als Grundgerüst des Zusammenlebens. Und die Politik spielte mit. Während die Freiheit für das Individuum propagiert wurde, führte etwa der Staat unter dem Vorwand die Menschen zu schützen neue Verbote ein, während er die mächtigen Konzerne ungeschoren ließ. Der Mythos, Eigentum fördere sittliches Handeln, zerstörte jedes Streben nach Gerechtigkeit. Der Glaube an die selbstheilenden Mächte des Marktes erwies sich spätestens nach den Finanz- und Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre als Betrug an der Bevölkerung, die nun Folgen und Kosten zu tragen hat. Und doch erscheint es zu früh, das Totenlied auf die gerechtigkeitsverachtende Ideologie der vorigen Jahrzehnte zu singen. Vielmehr sind wir alle gefordert, neue Modelle einer fairen, gerechten Gesellschaft zu entwickeln.

Auf "Megatrends" eingegangen

Wenn auch zugegebenermaßen die "große umfassende Zukunftsidee" fehlt, so gibt es doch "Megatrends". Es sind dies die Trends zu mehr Bildung, zur Aufhebung nationaler Grenzen und sozialer Unterschiede zwischen den Geschlechtern sowie der Trend zu einer Neuformierung von Arbeit. Es geht dabei um die Überwindung sozialer Schranken, den Verlust traditioneller Staatlichkeit, um eine Feminisierung als Überwindung einer männerdominierten Gesellschaft und um eine Stärkung des Arbeitsmarktes bei gleichzeitiger Humanisierung der Arbeitswelt. Jedoch: Trends und Veränderungen in unserer Gesellschaft folgen keinen "Naturgesetzen", geschehen nicht von selbst, sondern sind politisch beeinfluss- und gestaltbar. Wenn durch die Politik auch nur langsame Schritte gesetzt werden, so muss immer das Postulat einer nachhaltigen sozialen Gerechtigkeit höchste Priorität haben.
Die genannten "Megatrends" sind nicht nur im Bewusstsein der AK-ExpertInnen verankert, sondern vielmehr Inhalt ihrer täglichen Arbeit. Es geht dabei weniger um die großen gesellschaftspolitischen Entwürfe, als vielmehr um aktuelle, verhandel- und durchsetzbare Forderungen, um die Lage der Arbeitnehmerinnen zu verbessern. Die "Mühen der Ebene" bedeuten einen steten Kampf um die richtigen Argumente, um durchsetzbare Verhandlungsgegenstände, um Paragrafen. In den Beiträgen der AK-MitarbeiterInnen geht es um die Notwendigkeit sozialer Ausgewogenheit bei der Lösung ökologischer und ökonomischer Fragen, um Verteilungsgerechtigkeit, um die Schaffung eines zeitgemäßen Arbeitsrechtes oder um Strategien gegen das ungehemmte Treiben von ManagerInnen.
Die in einigen Beiträgen "externer" AutorInnen geforderte Umorientierung von Politikbereichen in der EU wird auch von den AK-ExpertInnen geteilt. Das BAK-Büro in Brüssel und das Europabüro des ÖGB begreifen sich als Reformkraft und versuchen, durch strategische Allianzen dem in der EU vorherrschenden neoliberalen Regime Paroli zu bieten. Zur Stärkung gewerkschaftlicher Handlungskompetenz wird an der Sozialakademie der europäischen und internationalen Gewerkschaftsarbeit in Zukunft breiterer Raum gegeben.
Gilt es die ständig im Wandel begriffene Arbeitswelt auf Ungleichgewicht zuungunsten der ArbeitnehmerInnen zu überprüfen, so liegen künftige Herausforderungen besonders auch darin, die ökonomische Situation von Frauen zu verbessern, bezahlte und unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern gerechter zu verteilen und Einkommensunterschiede aufgrund des Geschlechts zu beseitigen. Integrations- wie Migrationspolitik wird immer "work in progress" bleiben. Geht es doch darum, für alle Menschen die gleichen Chancen zu schaffen. Bildungsökonomie wird - wie die Situation der Universitäten zeigt - immer wichtiger zur Durchsetzung bildungspolitischer Forderungen. Bildung muss unterschiedslos allen zugänglich sein und darf keinem anderen Zweck, als dem demokratisch begründeten dienen.
Mit neuen Gesprächsformen und Diskussionsrunden zwischen ExpertInnen der AK, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen sowie VertreterInnen von NGOs wird versucht, Bewegung in Richtung einer Humanisierung der Gesellschaft zu bringen.

Gerechtigkeit muss sein

Das Leitmotiv der aktuellen Kampagne der Arbeiterkammern "Gerechtigkeit muss sein" kann nur - so wie bisher - im erfolgreichen Zusammenspiel zwischen einem starken ÖGB, durchschlagskräftigen Gewerkschaften, gut ausgebildeten BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen und leistungsfähigen Arbeiterkammern zum Erfolg führen. Denn der Kampf um gleiche Rechte, gleiche Chancen, faire Verteilung und soziale Sicherheit wird nie aufhören. Er begleitet uns als Aufgabe und immer neue Herausforderung in die Zukunft.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
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Klaus-Dieter Mulley (Institut für Geschichte der Gewerkschaften und AK. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571372 Mit neuen Gesprächsformen und Diskussionsrunden zwischen ExpertInnen der AK, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen sowie VertreterInnen von NGOs wird versucht, Bewegung in Richtung einer Humanisierung der Gesellschaft zu bringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571394 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571343 "Die Drei" - ein untrennbares Team Über Selbstverständlichkeiten zu schreiben ist nicht leicht, sind sie doch oft den Beteiligten unbewusst. Dennoch erscheint es - gerade im Hinblick auf das 90-jährige Jubiläum der Arbeiterkammern - wichtig, auf einige Stationen in der langen Geschichte erfolgreicher Zusammenarbeit hinzuweisen.

"Zukunftsprojekt Arbeiterkammer"

Als gegen Ende November 1917 die Reichskonferenz der Freien (sozialdemokratischen) Gewerkschaften die Forderung nach Errichtung von Arbeiterkammern aufstellte, ging es darum, den Mitte des 19. Jahrhunderts gegründeten Handels- und Gewerbekammern eine mit ähnlichen Kompetenzen ausgestattete gesetzliche Interessenvertretung für ArbeitnehmerInnen gegenüberzustellen. Mit der Errichtung von Einigungsämtern durch das Kollektivvertragsgesetz, dem Betriebsrätegesetz und dem am 26. Februar 1920 von der Nationalversammlung beschlossenen Arbeiterkammergesetz wurden unter Staatssekretär Ferdinand Hanusch die Grundlagen des modernen österreichischen Sozialstaates geschaffen.
Die Aufgaben der Arbeiterkammern waren durch den gesetzlichen Auftrag zur "Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Arbeiter" breit gehalten. Während die Lohn- und Tarifpolitik, die Verhandlung und der Abschluss von Kollektivverträgen auf ArbeitnehmerInnen-Seite zentrale Aufgabe der Gewerkschaften als "Kampforganisationen" zu sein hatten, war es Aufgabe der Arbeiterkammern, die Interessen der ArbeitnehmerInnen "in innigster Verbindung mit den Gewerkschaften und Betriebsräten" gegenüber Bürokratie und Staat zu vertreten. Darüber hinaus sollten die Kammern für Arbeiter und Angestellte - wie es 1923 in der ersten Nummer der von Gewerkschaftskommission und Arbeiterkammer gemeinsam herausgegebenen Zeitschrift "Arbeit und Wirtschaft" hieß - "Wegweiser der Zukunft zu" sein.
Der erste "Kammertag" fand nach den ersten AK-Wahlen am 14. und 15. Oktober 1921 in Wien statt. Es war eine Arbeitssitzung, die neben politischen Fragen vor allem der Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften gewidmet war. Die Wiener AK, die mit der laufenden Geschäftsführung betraut war, wurde beauftragt, gemeinsam mit der Gewerkschaftskommission ein Bildungsprogramm für Betriebsräte auszuarbeiten. Darüber hinaus galt es, gemeinsame Aktionen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Förderung des Arbeiterbildungswesen und der Lehrlingsfür-sorge sowie eine Zusammenarbeit im Bereich der Wirtschaftsstatistik zu vereinbaren. Als es im Rahmen der Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Nachkriegszeit, gedrängt von den Siegermächten, durch die bürgerlichen Regierungen zu wirtschaftlichem und sozialem Kahlschlag kam, waren es die Arbeiterkammern, die zusammen mit allen Gewerkschaften in umfangreichen Stellungnahmen die sogenannten "Reform- und Sanierungsprogramme" der Regierung geißelten.

"Die Drei" in der Ersten Republik

Im politisch aufgeheizten Klima der 1. Republik waren die Arbeiterkammern nahezu der einzige Ort, an dem die sich bekämpfenden Richtungsgewerkschaften zu gemeinsamen Beschlüssen kamen. Bei sachbezogenen Maßnahmen, Studien, Stellungnahmen und Aktionen kam es kaum zu politischen Differenzen. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit zwischen den Freien Gewerkschaften und den von ihr politisch dominierten Arbeiterkammern in vielen Bereichen intensiver. Beispiele sind die gemeinsame Ausbildung von BetriebsrätInnen und FunktionärInnen, Lehrlings- und Jugendschutz und auch die von Käthe Leichter ab 1926 zusammen mit Anna Boschek und Wilhemine Moik getragene Frauenpolitik.
Als nach der Ausschaltung des Parlaments auch die Selbstverwaltung der Arbeiterkammern zerstört und die Kammern ministeriellen Verwaltungskommissionen unterstellt wurden, hagelte es Proteste aus den Betrieben. Im Jänner 1934 kam es in ganz Österreich zu Demonstrationen, Vorsprachen von BetriebsrätInnen bei den Landeshauptleuten und zu Protestschreiben. Über 1.100 Betriebe mit rund 171.000 Beschäftigten protestierten gegen die Entfernung sozialdemokratischer FunktionärInnen aus den Arbeiterkammern. Doch das austrofaschistische Regime unter Dollfuß blieb hart: Für eine demokratische Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen gab es keinen Platz mehr.
Die Gründung des überparteilichen österreichischen Gewerkschaftsbundes 1945 brachte eine neue Qualität in die Zusammenarbeit zwischen den wiedererrichteten Arbeiterkammern, dem ÖGB und den Gewerkschaften und den Betriebsratskörperschaften. Als am 20. Juli 1945 im Kabinettsrat das Gesetz zur Wiedererrichtung der Arbeiterkammern verabschiedet wurde, setzte der Gründer und Präsident des ÖGB, Johann Böhm, Staatssekretär für soziale Verwaltung, die Verabschiedung des Gesetzes mit den Worten durch: "Entweder wird das Kammergesetz verabschiedet, oder ich lege meine Stelle als Staatssekretär für soziale Verwaltung zurück."

Sozialpartnerschaft nach 1945

In der nach 1945 entstandenen "Sozialpartnerschaft" stehen ÖGB und AK gemeinsam den gesetzlichen Interessenvertretungen der Wirtschaft und Landwirtschaft gegenüber. Nahezu alle modernen sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Regelungen, die weit über die Grenzen Österreichs hinaus Beachtung fanden und finden, gehen auf Initiativen der Arbeiterkammern und Gewerkschaften zurück und sind unter ihrer Mitwirkung zustande gekommen. Mit dem AK-Gesetz 1992 wurde diese engen Bande auch rechtlich normiert, so steht in § 6 AKG , dass die Arbeiterkammern berufen sind, "die kollektivvertragsfähigen freiwilligen Berufsvereinigungen und die Organe der betrieblichen Interessenvertretung zu beraten sowie zur Förderung der sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten".
Die enge Kooperation zwischen den AK, Gewerkschaften und BetriebsrätInnen zeigt sich tagtäglich nicht nur bei gemeinsamen Veranstaltungen, sondern auch bei der Aus- und Weiterbildung von BetriebsrätInnen. Die BetriebsrätInnen-Akademien (BRAK) der Arbeiterkammern werden ergänzt durch ein umfangreiches Aus- und Fortbildungsprogramm sowie durch eine Reihe von Spezialkursen, wie etwa jene für betriebsrätliche Aufsichtsratsmitglieder. Die Spitzenausbildung für FunktionärInnen der Gewerkschaftsbewegung - die von der AK geleitete Sozialakademie - führt 2011/12 erfolgreich bereits den 61. Jahrgang durch. Die Stärkung gewerkschaftspolitischer Handlungskompetenz ist das Hauptziel dieser Hochschule der ArbeitnehmerInnen-Vertretungen.
Die Pensionsreform 2003 war einer der schärfsten Angriffe der blau-schwarzen Bundesregierung auf den Sozialstaat. Vorgeschlagen wurde damals eine drastische Kürzung der Pensionen. Dies konnten und durften die ArbeitnehmerInnenvertretungen nicht hinnehmen. Auch in den Betrieben regte sich Unmut und Widerstand. Dem ÖGB und allen Gewerkschaften gelang es, alle Widerstandskräfte im Lande zu bündeln. Die Organisation des größten Streiks seit Jahrzehnten lief auf Hochtouren. Die Arbeiterkammern zeigten durch von allen Medien übernommene Rechenbeispiele den geplanten Kahlschlag der Bundesregierung schonungslos auf und konnten dadurch das Meinungsklima im Lande entscheidend beeinflussen. Die Bundesregierung wurde zum Einlenken gezwungen und musste Abstriche ihrer Pläne hinnehmen. Das "Doppelpass-Spiel" (es war allerdings kein "Spiel", sondern ein beinharter Kampf um ArbeitnehmerInnenrechte) kann als nahezu "klassisches Beispiel" für die Unverzichtbarkeit der österreichischen Interessenvertretungen der ArbeitnehmerInnen gesehen werden. Hätte es die Mobilisierungsstärke von ÖGB und Gewerkschaften einerseits, und die Beeinflussung des Meinungsklimas durch die Expertisen der AK andererseits nicht gegeben, wären die Absichten der Bundesregierung beschlossen worden.

Gemeinsam in die Zukunft

Es kann hier nicht auf zahlreiche weitere Aktionen bis hin zum aktuellen Kampf um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene eingegangen werden, denn die Liste der Kooperationen ist schier endlos. Das gemeinsame Auftreten von AK und ÖGB gestützt auf die Erfahrungen von BetriebsrätInnen in allen die Interessen der ArbeitnehmerInnen berührenden Fragen war nicht nur Grundlage für den erfolgreichen österreichischen Weg, sondern ist ein Zukunftsmodell. Gäbe es "die Drei" nicht, man müsste sie erfinden!

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Klaus-Dieter Mulley (Institut für Geschichte der Gewerkschaften und AK Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571241 Das gemeinsame Auftreten von AK und ÖGB, gestützt auf die BetriebsrätInnen, war nicht nur Grundlage für den erfolgreichen österreichischen Weg, sondern ist auch ein Zukunftsmodell. Gäbe es "die Drei" nicht, man müsste sie erfinden! http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571207 Nützliche Gefährten Besondere Gesprächs- und Verhandlungskultur als Kennzeichen der Sozialpartnerschaft: Die Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg ließen Arbeiterkammer, ÖGB, Wirtschaftskammer und Landwirtschaftskammer die großen Gegensätze aus der Zwischenkriegszeit überwinden. Kooperation unter den Sozialpartnern, der "Geist der Lagerstraße" - Synonym für die notwendige Verdrängung des Bürgerkriegs von 1934 - als Mittler. Tragbare Kompromisse nach beiden Seiten nebst Zielen im gesamtgesellschaftlichen Interesse prägten das Arbeitsverhältnis.

Wiederaufbau gemeinsam bewältigt

Eine Herausforderung, die vor allem auch gelingt, wenn es ein gutes Gesprächsklima gibt. Schließlich konnte der Wiederaufbau nur gemeinsam bewältigt werden. Die ersten Vereinbarungen der Sozialpartner kamen von 1947 bis 1951 zustande, nämlich die fünf Preis-Lohnabkommen. "Das Ziel war, bei drohender Nachkriegsinflation die Preise niedrig zu halten und durch moderate Lohnforderungen nicht zu sehr hinaufzutreiben", erklärt Thomas Delapina, Arbeiterkammer-Experte und Geschäftsführer des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen. Der Versuch, eine Verhandlungsrunde (mit Beteiligung einiger Minister) als "Wirtschaftskommission" gesetzlich zu verankern, scheiterte am Verfassungsgerichtshof - das Gremium wurde als verfassungswidrig eingestuft und aufgehoben. Ab 1957 kamen die Sozialpartner also wieder informell zusammen. Die Paritätische Kommission wurde gebildet, dazu im Laufe der Jahre auch vier Unterausschüsse (Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, Unterausschuss für internationale Fragen, Lohnunterausschuss sowie Wettbewerbs- und Preisunterausschuss). In weiterer Folge kümmerten sich die Sozialpartner nicht bloß um Tarifverträge und Arbeitsrecht, sondern auch um weite Teile der gesamten wirtschaftlichen Willensbildung.
Thomas Delapina: "Österreich war in den 1950er-Jahren eine wirtschaftlich weitgehend geschlossene Welt." Der Preisunterausschuss (wurde später zum Wettbewerbs- und Preisunterausschuss erweitert) musste Preiserhöhungen für alle in Österreich standardisiert hergestellten Produkte genehmigen. Heute kaum mehr vorstellbar. Ebenso wurden die Preise in der Agrarpolitik kontrolliert. Große Leistung: Im neu zu organisierenden Sozialversicherungssystem wurde die Selbstverwaltung so geregelt, dass die Versichertenvertreter von den Sozialpartnern bestimmt wurden. Impulsgeber: In vielen Bereichen der Wirtschaftspolitik wurden Empfehlungen der Sozialpartner übernommen oder auf Basis ihrer Informationen entschieden. Die klassische Phase, in der die Sozialpartner am Höhepunkt ihres Einflusses standen, wurde von ÖGB-Präsident Anton Benya (ab 1963) und Wirtschaftskammerpräsident Rudolf Sallinger (ab 1964) geprägt.
Mit einer Organisationsdichte von über sechzig Prozent verfügte der ÖGB über ein beachtliches Durchsetzungsvermögen. Die Freundschaft der Patriarchen Benya und Sallinger hielt allen Belastungsproben stand, ihr Wort galt - auch in der jeweiligen Partei. Damit waren auch Streiks in Österreich so gut wie ausgeschlossen. Anton Benya galt als kluger Verhandler, hatte ein Gespür dafür, was er seinem Gegenüber zumuten konnte. Menschlich: Bahnte sich eine Sackgasse an, half eine Kartenpartie über Meinungsverschiedenheiten hinweg. Gemeinsam schnapsen für den Wirtschaftsaufschwung. Entsprechend positiv hat sich diese Zusammenarbeit auf die gesamte Wirtschaft ausgewirkt. "Der Austrokeynesianismus, eine wesentliche Säule des rasanten Aufholprozesses der österreichischen Wirtschaft, war ohne funktionierende Sozialpartnerschaft nicht denkbar", weiß Arbeiterkammer-Experte Delapina. Als Säule fungierte die Hartwährungspolitik, die Bindung des Schillings an die D-Mark. "Die Strategie war erfolgreich, weil die Sozialpartner Gesamtverantwortung übernahmen und bei den Lohnabschlüssen auf die Wettbewerbsfähigkeit Rücksicht nahmen."

Sozialpartner und EU-Beitritt

Anton Benya blieb bis 1987 an der Spitze des ÖGB, Rudolf Sallinger bis 1990 am Ruder der Wirtschaftskammer. Obwohl sich ihre Nachfolger Fritz Verzetnitsch und Leopold Maderthaner persönlich nicht besonders gut verstanden, funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Verbänden weiterhin gut. Das zeigte sich auch beim EU-Beitritt Österreichs. Die Sozialpartner bekamen die Aufgabe, den Beitritt wirtschaftlich zu beurteilen. Klar war, dass sich in einem freien Binnenmarkt die Einflussmöglichkeiten der Sozialpartner spürbar verringern würden, etwa in der Preispolitik und in der Beeinflussung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Der Beitritt wurde trotzdem empfohlen, das Gemeinwohl über das eigene Wohl gestellt.

AK-Reformen

Beinahe zeitgleich kündigten sich Reformen in der Arbeiterkammer an. Durch die Fälle Zacharias und Rechberger Anfang der 1990er-Jahre geriet die AK unter Druck, die Pflichtmitgliedschaft wurde in Frage gestellt. Die AK nutzte diese Krise, um ihr Service grundlegend auszubauen. Entscheidende Neuerungen: Rechtsschutz für jedes Kammermitglied und weitschichtiges Beratungsangebot. Eine Reform mit Erfolg, denn die Position der ArbeitnehmerInnen war durch die hohe Arbeitslosigkeit mittlerweile geschwächt. Immer mehr arbeitsrechtliche Streitigkeiten mussten nun im Rechtsweg geschlichtet werden. Bis zum Antritt der schwarz-blauen Regierung galt: Die Sozialpartnerschaft funktioniert unabhängig von der Regierungskonstellation. Mit dem Jahr 2000 kam der brutale Einschnitt. Damals kam in der Politik eine "the winner takes it all"-Stimmung auf, die im kooperativen Klima der Zweiten Republik bis dahin unbekannt war. Dazu schickte die Wirtschaftskammer, nun unter der Führung von Christoph Leitl, eine ganze Generation von erfahrenen Experten und Verhandlern in Pension. Sie wurden von jungen Fachkräften ersetzt, die viel eher zu neoliberalen Werten tendierten. Die traditionell gute Basis zwischen den Verhandlungspartnern war nun empfindlich gestört. Werner Muhm, Direktor der AK, schrieb 2002 über das Klima in der Sozialpartnerschaft: "Die verstärkte Hinwendung auf Arbeitgeberseite zu einer überwiegend angebotsseitigen Orientierung in der Wirtschaftspolitik und zu einem sozialpolitischen Minimalismus haben allerdings zur Folge, dass die gemeinsame konzeptionelle Grundlage der Sozialpartnerschaft schmäler geworden ist. Die als Alternativmodell präsentierte 'Sozialpartnerschaft light‘ ist jedoch keine stabile Konstellation, sondern würde sich weiter in Richtung eines bloßen Lobby-Systems entwickeln, in dem die starken Partikularinteressen dominieren."
Werner Teufelsbauer, immerhin bis 2002 Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik der Wirtschaftskammer,  beschrieb 2005 die Änderung der Verhandlungskultur folgendermaßen: "Es bedeutet u. a., dass in der Gesamtdiskussion ein Verlust der makroökonomischen Betrachtung stattgefunden hat. ... Wir haben es zu tun mit einer Hybris der Betriebswirte und der Juristen - sie dominieren nun die Diskussion. ... Aber eigentlich hat sie, die Betriebswirtschaft, kein Gegengewicht mehr, nämlich in Sinne kreislauftheoretischer oder makropolitischer Überlegungen, die vorgebracht werden könnten. Und das ist meinem Gefühl nach eine sehr starke Verarmung der Diskussion."
Nunmehr wurden Einzelinteressen vermehrt in den Vordergrund gestellt, die Regierung versuchte, den Einfluss der ArbeiternehmerInnen zurückzudrängen. Das Recht der Kammern, Gesetze zu begutachten, wurde teilweise sogar umgangen. Dennoch waren - trotz der verschärften Rahmenbedingungen unter Schwarz-Blau - die wesentlichen Kräfte in den Sozialpartnerverbänden um eine grundsätzliche Aufrechterhaltung der Kooperation und der gemeinsamen Gesprächsbasis bemüht, wie etwa die kontinuierliche Arbeit im Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen zeigt.

Stark in schwierigen Zeiten

Eine Verbesserung der Verhandlungsbasis hat die große Koalition 2006 geschaffen. Und mit der tiefen Wirtschaftskrise kamen auch viele andere politische Akteure wieder auf die Idee, dass eine funktionierende Sozialpartnerschaft allen nutzen kann. AK-Experte Delapina: "Ab Herbst 2008 haben die Sozialpartner mit einer Reihe von Maßnahmen, etwa durch die Kurzarbeit, wesentlich dazu beigetragen, dass in Österreich der Einbruch bei Wachstum und Beschäftigung deutlich geringer war als im europäischen Durchschnitt." In schwierigen Zeiten konnten die ÖsterreicherInnen wieder ihre alten Stärken nutzen.

Internet:
Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen:
www.sozialpartner.at/beirat/beirat_start.htm 
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Christian Resei (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571177 Bahnte sich eine Sackgasse an, half eine Kartenpartie über Meinungsverschiedenheiten hinweg. Gemeinsam schnapsen für den Wirtschaftsaufschwung. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301571062 Die vornehmste Aufgabe Nach den ersten Arbeiterkammerwahlen konstituierten sich 1921 - in Kärnten 1922 - erstmals AK-Vollversammlungen. Die Präsidenten  nannten in ihren Antrittsreden die organisatorische und inhaltliche Unterstützung der Gewerkschaftsarbeit als wichtigsten Grundsatz für die jetzt beginnende Tätigkeit. So auch Hans Pregant, Metaller und erster oberösterreichischer AK-Präsident:

Der Aufgabenkreis der Kammer, der in die Dienste der Organisationsbestrebungen der Arbeiterklasse gestellt werden soll, ist kein gesetzgeberischer. Wir werden vielmehr als selbstbewusstes Organ der arbeitenden, werktätigen Klassen zu kontrollieren haben, dass in allen Akten der Gesetzgebung und Verwaltung der Geist der Rechtsgleichheit und der Organisation zur Geltung kommt. … Organisation ist der Hebel unserer fortschreitenden Befreiung, des Aufstieges der Arbeiterklasse und die Bürgschaft ihrer Zukunft. Ein Stück Organisation ist auch diese Kammer, deren Aufgabe es sein wird, das Netz aller anderen Organisationen örtlich zusammenzufassen, zu verteidigen und auszugestalten, und die Organisationen mit dem notwendigen geistigen Rüstzeug zu versehen.

Vor den zweiten Arbeiterkammer-Wahlen, die 1926 stattfanden, zog der Erste Sekretär, also der Direktor der Arbeiterkammer in Wien Edmund Palla Bilanz. Er zeigte, dass die enge und gezielte Zusammenarbeit tatsächlich zustande gekommen war, warnte aber auch vor offenbar doch vorhandenen Tendenzen, die Kammern als eine Art Ersatzgewerkschaft zu betrachten:

Die Gewerkschaften sind heute vielfach durch die Behandlung von Tagesfragen, insbesondere durch die Lohnbewegungen, derart in Anspruch genommen, dass sie sich den großen Aufgaben des Arbeiterbildungswesens, der Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht im vollen Umfange widmen können. In allen diesen, für die Fortbildung der Arbeiterschaft so überaus wichtigen Arbeiten werden die Gewerkschaften nunmehr durch die Arbeiterkammern unterstützt.
Durch die Errichtung der Arbeiterkammern wurde der Gedanke des Mitbestimmungsrechtes an der Arbeitsverfassung aus der engeren Gemeinschaft des Betriebes auf die des ganzen Landes und in weiterer Auswirkung auf die des ganzen Staates übertragen. Dadurch ergibt sich eine ideelle und organisatorische Verbindung zwischen den Kammern und den Betriebsräten, die ebenso wie für die Gewerkschaften nunmehr auch für die Kammern den notwendigen Unterbau bilden. … Die österreichischen Gewerkschaften haben es von vornherein verstanden, sich die Einrichtungen der Betriebsräte für ihre Zwecke dienstbar zu machen, und die Betriebsräte zu Organen der Gewerkschaften auszubilden. Ebenso ist auch das Einvernehmen zwischen den seit mehr als einem halben Jahrhundert bestehenden Fachverbänden und der jungen Institution der Kammern … stets gewahrt worden.
Die Kammern müssen ihre vornehmste Aufgabe darin erblicken, die Tätigkeit der Gewerkschaften mit allen Kräften zu unterstützen und zu fördern, sie müssen es aber unter allen Umständen vermeiden, den Wirkungskreis der Gewerkschaften zu beeinträchtigen oder zu ersetzen.
Unter diesen Umständen wurde der Eintritt der Arbeiterkammern in die Arbeiterbewegung von den bis-her bestandenen Interessenvertretungen nicht als Störung, sondern als naturgemäße Ergänzung und Förderung der einheitlichen Arbeiterbewegung empfunden.

Zusammengestellt und kommentiert von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at 

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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301571040 Hans Pregant (rechts), erster Präsident der Arbeiterkammer in Linz (1921-1934), mit zwei Kollegen und einem Gast aus Afrika. Der südafrikanische Gewerkschafter wurde 1928 ermordet. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570990 Dialog in Tracht und Dirndl Das malerische Bad Ischl im Oberösterreichischen Salzkammergut bildet die Kulisse für das jährliche herbstliche Treffen der heimischen Sozialpartnerspitzen.
Der "Bad Ischler Dialog" sieht sich als Plattform der österreichischen Sozialpartner, Jahr für Jahr werden künftige Herausforderungen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik mit VertreterInnen aus Politik und Wissenschaft vor dem Hintergrund der Entwicklung eines europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells diskutiert. Für die vier großen Interessenverbände Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Bundesarbeitskammer (BAK) und Landwirtschaftskammer Österreich (LK) ist diese Konferenz längst zum unentbehrlichen Pflichttermin geworden. Chance Bildung, Soziales Europa, Wachstum - Beschäftigung - Integration, Wege aus der Krise, Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf Arbeitsmarkt und soziale Systeme - das waren bzw. sind die Themen, die die Sozialpartner in den vergangenen Jahren im Rahmen des Bad Ischler Dialogs diskutierten.

Demografie und Sozialsysteme

Am 10. und 11. Oktober 2011 wird darüber diskutiert, wo in den nächsten zwei Jahrzehnten die künftigen demografischen Herausforderungen in Österreich und in Europa liegen, und mit welchen Konsequenzen für Arbeitsmarkt und soziale Systeme zu rechnen ist. Ausgehend von der aktuellen demografischen Entwicklung soll geklärt werden, wie sich das Arbeitskräftepotenzial verändert, welche Maßnahmen zur Aktivierung dieses Potenzials ergriffen werden können, und wie die sozialen Systeme (Gesundheit, Pflege, Pensionen) zukunftssicher gemacht werden können. Es geht dabei um alternsgerechtes Arbeiten ebenso wie um Migration und Integration. Neben dem ÖGB-Präsidenten Erich Foglar, BAK-Präsidenten Herbert Tumpel, WKÖ-Präsidenten Wolfgang Leitl  und LKÖ-Präsidenten Gerhard Wlodkowski diskutieren heuer Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindelegger, die Minister Rudolf Hundstorfer und Reinhold Mitterlehner mit VertreterInnen aus der universitären Welt.

Offener Diskurs

Basis für die jährlichen Veranstaltungen sind gemeinsame Positionierungen, die der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen erarbeitet. Im Dialog mit der heimischen, immer wieder auch europäischen Politik und mit WissenschafterInnen österreichischer und internationaler Universitäten und Institute werden die Themen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet und durchaus auch kontroversiell diskutiert.
Die Vorarbeiten zu den Themen des Bad Ischler Dialogs leistet der österreichische "Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen". Der Beirat wurde im Jahr 1963 auf Basis einer informellen Vereinbarung der Sozialpartnerverbände ins Leben gerufen. Der Vorsitz rotiert halbjährlich innerhalb der Sozialpartnerorganisationen.
Der Beirat bereitet nicht nur den Bad Ischler Dialog vor, er erarbeitet außerdem Studien und Gutachten zu wirtschafts- und sozialpolitischen Fragestellungen, die gemeinsame, also einvernehmliche Empfehlungen der vier Sozialpartnerverbände an die Bundesregierung oder andere Entscheidungsträger der Wirtschafts- und Sozialpolitik enthalten. Im Lauf seiner Tätigkeit wurde der Auftrag des Beirats ausgeweitet, er umfasst heute auch generell Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, also über makroökonomische Themenbereiche hinausgehend auch Fragen der Strukturentwicklung und mikroökonomische Themen.

Internet:
Informationen über den Bad Ischler Dialog und den Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen:
www.sozialpartner.at 
Die Sozialpartner:
www.arbeiterkammer.at 
www.oegb.at 
www.wirtschaftskammer.at 
www.lk-oe.at 

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Nani Kauer (Leiterin der Presseabteilung im ÖGB) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570943 ÖGB: #sbsmCamp In Form einer zweitägigen partizipativen Veranstaltung werden die Inhalte des Buchs "Soziale Bewegungen und Social Media" aufgegriffen und entsprechendes Wissen vermittelt. Die Veranstaltung - zwischen Camp, Messe, Festival und Kongress - ist offen und gratis.
Eingeladen sind also alle Interessierten. Gemeinsam wird diskutiert, ausprobiert, trainiert und entworfen werden, was die TeilnehmerInnen auf das Programm heben. Ein Vernetzen, Diskutieren und Begegnen mit Menschen und Organisationen soll dazu dienen, ihr Wissen miteinander zu teilen, um die täglichen Anforderungen im Alltag von interessen- und sozialpolitischen Organisationen zu lösen und zu lernen, wie Soziale Medien dafür eingesetzt werden können.
Die Workshops bearbeiten Themen rund um Fragen und Problemstellungen bei der spezifischen Nutzung von Social Media:
Wissensmanagement und Vernetzung in Organisationen; internationale Vernetzung und Solidarität; Öffentlichkeits-, Bildungs- und Kampagnenarbeit; Datensicherheit und Datenschutz; Betriebsrats-Realitäten; Selbstorganisation der Prekarisierten; WatchBlogs, Twitter-Netzwerke und die Arbeitsteilung für Foto- und Videodokumentation; taktische Medien; Politikverdrossenheit versus Partizipation und Basisdemokratie; Basisinformationen zu Facebook, Twitter, YouTube & Co. u. v. m.
Das #sbsmCamp ist ein BarCamp - eine offene Tagung mit offenem Workshop -, das so einen Ort bieten kann, an dem interessierte Menschen einander begegnen, sich austauschen, miteinander diskutieren und ihr Wissen miteinander teilen.
Mit ExpertInnen aus ÖGB, AK, DGB, österreichischen und deutschen Gewerkschaften sowie AutorInnen und mitwirkenden Organisationen des Buchs "Soziale Bewegungen und Social Media", weiters u. a.: Ani Degirmencioglu (AK, Europeans for financial reform, Brüssel), Werner Drizhal (GPA-djp-Geschäftsbereichsleiter Bildung, Gewerk-schafts- & Personalentwicklung, Wien), Dani Fels (Institut für Sozialen Raum, St. Gallen), Barbara Hackenjos (ver.di-Bundesverwaltung - Mitgliedernetz, Berlin), Wolfgang Lieb (NachDenkSeiten, Köln), Willi Mernyi (ÖGB - Leiter Referat für Organisation, Koordination, Service, Wien), Robert Misik (Publizist, Wien), Richard Ondraschek (ÖGB-Referat für Organisation, Koordination, Service, Wien), Andrea Schober (santa precaria,  work@flex, GPA-djp, Wien), Philipp Sonderegger (AntiRa- & NGO-Kampagnenarbeit, Wien), Jens Wernicke (GEW - Die Bildungsgewerkschaft, Mainz), Dieter Wesp (IG Metall, Vorstand, Frankfurt am Main), Mag Wompel (Industriesoziologin, Labournet, ver.di, Bochum), TeilnehmerInnen der Sozialakademie und der Gewerkschaftsschulen u. v. m.
Das Camp wurde vom ÖGB-Verlag initiiert. In Kooperation mit ÖGB, VÖGB, Gewerkschaften, Sozialakademie, EDVS und FH St. Pölten.

Mittwoch 19. Oktober, 8.30-19 Uhr und Donnerstag, 20. Oktober 2011, von 9-17 Uhr, Veranstaltungszentrum Catamaran, Johann-Böhm-Platz 1, 1020 Wien - U2 Donaumarina.

Anmeldung:
camp@sozialebewegungen.org 

Weitere Infos:
www.oegbverlag.at/sbsmcamp 
camp.sozialebewegungen.org 

Info&News
ÖGB und AK Wien suchen die besten Kommunikationsideen und -lösungen in kleinen, mittleren und großen Betrieben bzw. Organisationen in Wien.
Eine Möglichkeit, ein Konzept zu erarbeiten, bietet das #sbsmCamp.
Einreichfrist ist der 30. November 2011. Die Abschlussveranstaltung mit Preisverleihung findet Ende Jänner 2012 statt. Alle TeilnehmerInnen erhalten eine schriftliche Einladung.
Alle Informationen unter www.bestkom.at 

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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570936 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570905 vida - GPA-djp: Soziale Arbeit ist mehr wert! Es ist schön, dass die Menschen in Österreich immer länger leben. Gleichzeitig steigt dadurch der Bedarf an Pflege und Betreuung. Der Pflegefonds, den die Regierung beschlossen hat, stellt bis 2014 die Finanzierung der Pflege sicher. Was danach kommt, ist ungewiss.
Helfen Sie mit! GPA-djp und vida haben ein Modell für eine langfristige und solidarische Absicherung von Pflege und Betreuung ausgearbeitet. Helfen Sie mit, dieses Modell durchzusetzen. Schicken Sie unseren gemeinsamen Aufruf an die verantwortlichen PolitikerInnen.
Jetzt das Mail mit unserem gemeinsamen Aufruf verschicken! 
tinyurl.com/69htntm

Sie sind noch nicht bei der Gewerkschaft? Nützen Sie die Gelegenheit und werden Sie jetzt Mitglied. Denn je mehr wir sind, umso besser können wir uns gemeinsam für die langfristige Finanzierung der Pflege und für gute Arbeitsbedingungen der Beschäftigten einsetzen.
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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570880 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570860 GPA-djp: Petition - SOS Ungarn Unterschreiben Sie jetzt! Seit April 2010 regiert in unserem Nachbarland die neu angetretene Fidesz-Regierung unter Viktor Orban mit einer verfassungsgebenden 2/3-Mehrheit im ungarischen Parlament. Ungarn steht im Zeichen der Wende. In atemberaubender Geschwindigkeit wurde begonnen, die satte parlamentarische 2/3-Mehrheit dafür zu nutzen, die politischen Spielregeln im Land im Sinne der Regierungspartei zu ändern. Die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp wendet sich daher mit einer Petition an die österreichische Bundesregierung, um zu verdeutlichen, dass die ungarische Regierung die verfassungsgebende Mehrheit in keiner Weise mit der notwendigen Verantwortung gegenüber Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ausübt.
Angesichts der bedrohlichen Entwicklung in unserem Nachbarland fordern wir die Verantwortungsträger in Österreich auf,  bei jeder gebotenen Gelegenheit, im Namen der Republik Österreich in deutlicher Art und Weise zu den bedenklichen und Demokratie und Meinungsfreiheit gefährdenden Entwicklungen in Ungarn Stellung zu beziehen.
Unterstützen Sie bitte die Petition der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, in der die österreichische Bundesregierung aufgefordert wird, zu den bedrohlichen Entwicklungen in unserem Nachbarland Stellung zu beziehen.
Link zur Online-Unterschrift:
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Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570813 1. #sbsmTaalk Eine Buchpräsentation der anderen Art fand unter der Moderation von Sonja Fercher am 21. September 2011 in der ÖGB-Fachbuchhandlung statt.  Mit "Soziale Bewegungen und Social Media" wurde das erste Handbuch zum Einsatz von Web 2.0 vorgelegt, das für ArbeitnehmerInnen und BetriebsrätInnen, Bürgerinitiativen, NGOs und Gewerkschaften geschrieben ist. Im Fokus stehen kooperatives gesellschaftliches Engagement, Informations- und Kampagnenarbeit im Sinne autonomer Gegenöffentlichkeit sowie (transnationale) Vernetzung und Zusammenarbeit. Die Buchpräsentation und Diskussion mit den Herausgebern und AutorInnen lockte viele Interessierte in die ÖGB-Fachbuchhandlung. Thema war das umfassende #sbsm-Cross-Media-Projekt aus Handbuch, Web-Plattform und #sbsmCamp, die Themen des Buchs und das #sbsmCamp im Oktober. Die Buchpräsentation wurde per Live-Stream übertragen und im Netz auf den Plattformen Twitter und Facebook moderiert. Fragen zu Buch, Website, #sbsmCamp und Thesen zu "Sozialen Bewegungen und Social Media", die via WWW an die AutorInnen, die Herausgeber und die Verantwortlichen des Verlags gingen, wurden in den 1. #sbsmTaalk miteinbezogen.

Alle Infos dazu unter:
www.oegbverlag.at/sbsm 
www.oegbverlag.at/sbsmcamp 
tv.sozialebewegungen.org 
www.sozialebewegungen.org
camp.sozialebewegungen.org 

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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570758 Die vielen Interessierten waren begeistert von der außergewöhnlichen Präsentation. Links vorne Moderatorin Sonja Fercher, rechts Herausgeber Thomas Kreiml, GPA-djp. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570767 "Soziale Bewegungen und Social Media" - das Handbuch für den Einsatz von Web 2.0, ist ab sofort nicht nur in der ÖGB-Fachbuchhandlung in der Wiener Rathausstraße erhältlich. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570644 Standpunkt | Kein bisschen leise ... Die Themen waren interessant, Konsumentenschutz und spannende Studien, und das Buffet war gut. Was Aufgaben und Funktion der AK waren, war mir nicht ganz klar, aber eine Ahnung sollte ich schon bald bekommen. Spätestens als ich wie so viele ArbeitnehmerInnen in Österreich erstmals die Rechtsberatung dort in Anspruch nehmen musste.
Hier riet man mir auch, der Gewerkschaft beizutreten. Seither hat mir die AK viel Geld erspart, ganz egal, ob ich an den Lohnsteuerausgleich erinnert und dabei unterstützt wurde, oder ob ich mir via Handytarifrechner den günstigsten Anbieter ausgesucht habe.

Die richtigen Fragen und Antworten

In all den Jahren meiner Arbeit für Gewerkschafts- und AK-Medien habe ich die Arbeiterkammer immer besser kennengelernt - hinter dem umfassenden Service und der Unterstützung von ArbeitnehmerInnen, beruflich und privat, steckt nämlich noch viel mehr: Jede Menge engagierte Menschen, die die richtigen Fragen aus Arbeit und Wirtschaft stellen, die unsere Zeit und ihre Entwicklungen beobachten und mit wissenschaftlich fundierten Studien die anderen PartnerInnen in der ArbeitnehmerInnenvertretung - nämlich Gewerkschaften und BetriebsrätInnen - in ihrer Arbeit unterstützen.
Als die "Arbeit & Wirtschaft" zwei Jahre nach Gründung der Arbeiterkammer am 1. Jänner 1923 zum ersten Mal erschienen ist, fungierten der Gewerkschafter Anton Hueber und der 1. AK-Präsident Franz Domes als Herausgeber. In ihrem Geleitwort schrieben sie: "Die Kammern für Arbeiter und Angestellte haben schon durch ihre bisherige Tätigkeit bewiesen, dass sie, das Sprachrohr der Gesamtheit der arbeitenden Menschen, mehr als sonst eine Körperschaft in unserem wirtschaftlichen Leben berufen und befähigt sind, Wegweiser der Zukunft zu sein. Welch Fehler, welches Vergehn wäre es, auf diese an Menge wie an Güte gleich wertvollen Möglichkeiten zu verzichten!" Und unsere Arbeitswelt wäre eine andere, hätten wir darauf verzichtet. Denn rasch machten die ExpertInnen die Arbeiterkammern zu einem unentbehrlichen Lobbyinstrument für die Interessen der ArbeitnehmerInnen. Und wenn ich hier ExpertInnen schreibe, dann ist das nicht übertriebener Hang zum "gendern", sondern entspricht den Tatsachen. Käthe Leichter etwa, damals regelmäßig Autorin dieser Zeitung, war Leiterin der ersten Frauenabteilung, die 1925 in Wien geschaffen wurde. Oder die große Marie Jahoda, bekannt geworden durch die berühmte sozialwissenschaftliche Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal" war vorher Mitarbeiterin bei einer AK-Hilfsaktion für Arbeitslose.

Alles Gute zum Geburtstag

Viele dieser Frauen und Männer, PionierInnen der Arbeiterkammern, zahlten nach 1938 teuer für ihr Engagement, wie Käthe Leichter, die vom NS-Regime 1942 im KZ-Ravensburg ermordet wurde. Die Arbeiterkammer wurde abgeschafft. Nach 1945 wurde sie aber wiedererrichtet - und zwar mit mehr gesellschaftlichem Einfluss und politischem Gewicht als je zuvor, unter anderem der Pflichtmitgliedschaft und dem Begutachtungsrecht für Gesetzesentwürfe. Das war - und ist - nicht allen recht.
Für mich ist es eine große Ehre, Chefredakteurin der "Arbeit&Wirtschaft" zu sein und damit im Dienst der "großen Drei" der ArbeitnehmerInnenvertretung - Arbeiterkammern, Gewerkschaften und vor allem BetriebsrätInnen - zu stehen.  Der AK wünsche ich alles Gute, und möge sie auch in Zukunft kein bisschen leise sein.

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Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1308069483109 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570544 Immer mehr werden immer älter In den kommenden Jahrzehnten wird es EU-weit zu einem deutlichen Anstieg der Zahl älterer Menschen sowie zu einem Rückgang der Personen im Erwerbsalter kommen. Dies wird oft allzu schnell mit einem entsprechenden Anstieg der Belastung der Sozialsysteme gleichgesetzt. Die bestehenden Rentensysteme - so gängige Schlussfolgerungen - sollen nicht mehr zukunftsfähig sein. Stimmt so nicht - so der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) in einer aktuellen Stellungnahme zu den Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf die Arbeitsmärkte in Europa.

Botschaften des EWSA

Die wichtigsten deutlichen Botschaften des EWSA, in dem u. a. Arbeitgeber- und ArbeitnehmervertreterInnen aller EU-Mitgliedsstaaten in beratender Funktion für die EU-Institutionen tätig sind:

Für die Meisterung der demografischen Herausforderung ist letztlich weniger das Alter als vielmehr der tatsächliche Erwerbsstatus der Personen im Erwerbsalter von Bedeutung. Davon hängt auch die nachhaltige Sicherstellung der Renten ab.

Die bei weitem effektivste Strategie im Hinblick auf die Alterung in Europa liegt in der größtmöglichen Nutzung vorhandener Beschäftigungspotenziale. Vollbeschäftigung und gute Einkommen sind somit die beste Sicherung des Pensionssystems.

Die zentrale Antwort auf eine steigende Altenquote kann daher nur lauten: Wachstumspolitik und Erhöhung der Beschäftigung. Das erforderliche Arbeitskräftepotenzial ist vorhanden. Es geht in erster Linie darum, den Integrationsprozess am Arbeitsmarkt in adäquater Weise anzustoßen und zu begleiten.

Rentenalter nicht anheben

Wohltuend, in einem offiziellen EU-Dokument zu lesen, dass allen Vorschlägen eine deutliche Absage erteilt wird, die für Anhebung des gesetzlichen Rentenantrittsalters sind: "Der vielfach propagierte Umstieg auf kapitalgedeckte Pensionssysteme als Antwort auf die Alterung der Gesellschaft geht ins Leere. Dadurch werden weder Kosten gespart noch Risiken vermindert. Ein derartiger Umstieg bringt keine Kosteneinsparung, sondern im Regelfall Mehrkosten, bestenfalls Kostenverlagerungen, und schafft auch kein Mehr an Sicherheit, sondern eine Abhängigkeit von den Kapitalmärkten und damit beträchtlich erhöhte Risiken in der Alterssicherung." Nicht demografische Relationen zwischen Älteren und Menschen im Erwerbsalter bestimmen den künftigen Finanzierungsbedarf der Rentensicherung. Vielmehr ist die Entwicklung der ökonomischen Abhängigkeitsquote, also die Relation von LeistungsbezieherInnen zu aktiv Beschäftigten, von entscheidender Bedeutung. Dies untermauert auch der von der AK Wien entwickelte und bereits in Brüssel erfolgreich präsentierte Abhängigkeitsquotenrechner, der es ermöglicht, eine anschauliche Darstellung der Unterschiede zwischen demografischen und ökonomischen Abhängigkeitsquoten grafisch darzustellen, und die Wirkung unterschiedlicher Arbeitsmarktszenarien auf die Entwicklung der ökonomischen Abhängigkeitsquote darzulegen. Die Nutzung bestehender Beschäftigungspotenziale beschränkt sich nicht auf Ältere, sondern betrifft sämtliche Altersgruppen. Dazu braucht es intensive Anstrengungen zur Verbesserung der Erwerbschancen aller benachteiligten Personengruppen am Arbeitsmarkt. Gelingt es in den kommenden Jahrzehnten, EU-weit zu einer deutlich verbesserten Arbeitsmarktintegration der Menschen im Erwerbsalter zu kommen, dann wird sich der Anstieg der ökonomischen Abhängigkeit durch eine älter werdende Gesellschaft in bewältigbaren Grenzen halten.

Verbesserte Arbeitsmarktintegration

Das erfordert freilich eine konsequente Verfolgung einer Politik und Unternehmenspraxis, die Teilhabechancen am Arbeitsmarkt eröffnet, nicht schmälert:

  • Prävention von Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung gerade auch Älterer;
  • Eröffnung verbesserter Einstiegschancen und Jobperspektiven für jüngere Benachteiligte;
  • Sicherstellung einer flächendeckenden, auch berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung;
  • Senkung der Invalidisierungsrate durch hochwertigen betrieblichen und überbetrieblichen Gesundheits- und ArbeitnehmerInnenschutz sowie umfassende Maßnahmen der Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation;
  • vermehrte Anstrengungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie Verbesserung der partnerschaftlichen Aufteilung von Familienpflichten.

Längere Beschäftigung

Wer will, dass Menschen später in Pension gehen, muss dafür sorgen, dass sie länger arbeiten können, meint der EWSA: "Es geht nicht nur darum, Arbeitsplätze für Ältere zu schaffen und gezielt auf diese abzustimmen, sondern auch da-rum, die Arbeit während der gesamten Berufskarriere so zu organisieren, dass sie dem Prozess des Alterns in allen Phasen der Berufskarriere gerecht wird, insbesondere dass Risiken und schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit früh vermieden werden. Davon profitieren Beschäftigte in jeder Phase ihres Lebensalters."
Diskriminierungen und negative Klischees insbesondere gegenüber Älteren müssen bekämpft werden. Gefordert ist eine umfassende Adaptierung der Arbeitswelt. Obgleich auch die Eigenverantwortung zählt, die wesentlichen Ursachen des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben sind gesundheitlicher Verschleiß durch physisch und psychisch belastende Arbeitsbedingungen, hohe Arbeitsintensität, frühzeitige Entlassungen Älterer, aber auch mangelnde Fortbildung.
Dazu kommt, dass neue Formen der Arbeitsorganisation Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung Älterer im Unternehmen in weniger belastenden Bereichen zunehmend einschränken. Überall hier gilt es anzusetzen. In diesem Sinn unterbreitet der EWSA ein umfassendes Paket konkreter Vorschläge auf dem Weg zu einer alternsgerechten Arbeitswelt:

  • Anreize für Unternehmen zur Schaffung alternsgerechter Arbeitsplätze und Stabilisierung bestehender Beschäftigung;
  • offensive Arbeitsmarktpolitik zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser ins Erwerbsleben sowie Reduzierung des Risikos der Langzeitarbeitslosigkeit;
  • umfassende Beratung und Begleitung Arbeitsuchender sowie maßgeschneiderte Vermittlungsunterstützung sowie Prävention und Rehabilitation zur Wiedereingliederung;
  • Maßnahmen um länger im Erwerbsleben verbleiben zu können, v. a. Leistungsdruck verringern und altersgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen;
  • Entwicklung und sozialpartnerschaftliche Aushandlung gesundheitsfördernder Arbeitszeitmodelle über die gesamte Berufslaufbahn hinweg;
  • Maßnahmen zur stärkeren Beteiligung Älterer an Weiterbildung;
  • breite gesellschaftliche Sensibilisierung, um Vorurteile gegenüber älteren Beschäftigten abzubauen;
    Beratung und Unterstützung von Unternehmen insbesondere KMU bei vorausschauender Personalplanung und Entwicklung einer alternsgerechten Arbeitsorganisation;
  • Ausbau innovativer und attraktiver Modelle zum gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersversorgung.

Verantwortung wahrnehmen

Die Förderung eines längeren Arbeitslebens erfordert Anstrengungen des Staates, der ArbeitgeberInnen und der Beschäftigten selbst. Diese Verantwortung muss von allen Seiten wahrgenommen werden. Den Sozialpartnern kommt bei allen Anstrengungen eine besondere Bedeutung zu. Das Potenzial, wie auf kollektivvertraglicher und betrieblicher Ebene unter Einbindung der Sozialpartner auf sozialverträglichem Weg ein funktionierender Arbeitsmarkt für Ältere mit hoher Stabilität der Beschäftigung und auch ein hohes Maß an Erwerbsfähigkeit und Erwerbstätigkeit Älterer geschaffen werden kann, zeigen jedenfalls erfolgreiche Modelle vor allem in nordischen Mitgliedsstaaten der EU.

Internet:
Der EWSA in Internet:
www.eesc.europa.eu 
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
wolfgang.greif@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Wolfgang Greif (Leiter der Abt. Europa, Konzerne & Internationale Beziehungen in der GPA-djp) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570520 Nicht demografische Relationen zwischen Älteren und Menschen im Erwerbsalter bestimmen den künftigen Finanzierungsbedarf der Rentensicherung. Vielmehr ist die Entwicklung der ökonomischen Abhängigkeitsquote von entscheidender Bedeutung. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570417 Wer versetzt hier wen? In Zeiten, in denen Schlagworte wie Reengineering und sonstige (vorwiegend anglistische) Bezeichnungen für Umstrukturierungsmaßnahmen von Unternehmen einerseits, und solche wie "Privatisierung" oder "Flexibilisierung" andererseits nicht nur in aller Munde, sondern vielmehr schon Paradigmen des Weltwirtschaftssystems sind, kommen im Gefolge diesbezüglicher Maßnahmen, wie überhaupt der zunehmenden Mobilität des Kapitals (Stichwort "Globalisierung"), natürlich auch erhöhte Mobilitäts- und sonstige Flexibilitätsanforderungen auf einzelne ArbeitnehmerInnen, ja sogar ganze Belegschaften zu. Daraus resultieren nun natürlich vielfältigste rechtliche Problematiken und soziologische Fragestellungen, die ihre Wurzeln grundsätzlich im "kapitalismusspezifischen Transformationsprozess" haben, d. h. der innerbetrieblichen Transformierung der auf dem Arbeitsmarkt von Unternehmen gekauften Arbeitskraft in tatsächlich verausgabte Arbeit.

Versetzungsproblematiken

Da es beim Abschluss des Arbeitsvertrages schlichtweg unmöglich ist, alle zukünftig notwendigen Arbeitsleistungen detailliert festzulegen, werden ArbeitgeberInnen deshalb bestrebt sein, durch unbestimmte Regelungen im Arbeitsvertrag prinzipiell eine flexible Einsatzbereitschaft der ArbeitnehmerInnen sicherzustellen; daraus resultieren vor allem Versetzungsproblematiken (hinsichtlich Arbeitsort - Arbeitszeit - Tätigkeitsinhalt). Für das Bundesland Salzburg untersuchten AK/ÖGB Salzburg diesbezüglich in einer Studie (mittels standardisiertem Fragebogen an die einzelnen Betriebsratskörperschaften, Gruppendiskussion und Interviews mit Betriebsratsvorsitzenden) für den Zeitraum 2007 bis 2010, ob der betriebsverfassungsrechtliche Versetzungsschutz des § 101 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) auch in der betrieblichen Realität zu befriedigenden Lösungen für derartige Versetzungsproblematiken führt. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die spannende Frage gelegt, wessen Interessen die Betriebsratskörperschaft im Rahmen ihrer diesbezüglichen Befugnisse wahrnimmt, nämlich die des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers, der betroffenen ArbeitnehmerIn oder die der Belegschaft, zumal selbst die juristische Dogmatik diese Frage nicht eindeutig zu beantworten weiß.
Die Zielbestimmung der betrieblichen Interessenvertretung des § 39 Abs. 1 ArbVG ist bei der Ausübung der konkreten Mitwirkungsbefugnisse und damit auch des Versetzungsschutzes gemäß § 101 ArbVG zu beachten. Der dort normierte Interessenausgleich zum Wohle der ArbeitnehmerInnen und des Betriebes hat dabei einerseits den Betrieb als wirtschaftliche Grundlage für die Beschäftigten, und andererseits die Belegschaft als Kollektiv im Auge; bei manchen Entscheidungen kann eine Vorgehensweise zum Wohle aller ArbeitnehmerInnen des Betriebes damit auch gegenüber einzelnen ArbeitnehmerInnen eine gegen ihre Interessen gerichtete Handlung der Betriebsratskörperschaft als dem Vertretungsorgan der Belegschaft erfordern. Mit anderen Worten ist die dem Betriebsverfassungsrecht zugrunde liegende Konzeption der Interessenvertretung nach hier vertretener Ansicht eine kollektive und kann lediglich subsidiär Individualinteressen in den Fällen berücksichtigen, in denen die Interessen anderer Belegschaftsangehöriger nicht nachteilig berührt werden können oder die Individualinteressen mit den Interessen der Gesamtheit der Beschäftigten konform gehen.

Soll-Vorgabe und Wirklichkeit

Diese hier so verstandene Soll-Vorgabe des Gesetzgebers sollte nun mit der gegenständlichen empirischen Untersuchung in Bezug auf die tatsächliche Wahrnehmung des Mitwirkungsrechtes der Betriebsratskörperschaft gemäß § 101 ArbVG kritisch hinterfragt werden. Gesamt wurden 803 Versetzungsfälle für die untersuchten drei Jahre rückgemeldet, wobei sich die meisten absoluten Versetzungsfälle auf die Branchen "Handel", "Herstellung von Waren/Reparatur", "Sozialversicherung" und "Finanz- und Versicherungsdienstleistungen" verteilten. Die relative "Versetzungsquote" (d. h. Verhältnis durchschnittliche Versetzungsfälle pro Jahr : ArbeitnehmerInnenzahl) war in den Branchen "Callcenter" (betroffen: Angestellte), "Handel" und "Herstellung von Waren/Reparatur" (betroffen: ArbeiterInnen) am größten (eine entsprechende Rücknennung ergab z. B. eine Quote in einem Callcenter von über 0,5: "übersetzt" bedeutet dies, dass statistisch gesehen gut jede/r zweite Angestellte mit einer Versetzung pro Jahr rechnen musste!).
Die Fragestellung: "Wenn an die konkreten Versetzungen gedacht wird, welche Interessen hat die Betriebsratskörperschaft bei ihrer Interessenvertretungstätigkeit vertreten?" erbrachte folgendes Bild: siehe Grafik. Die Grup-pendiskussion ergab dazu als übereinstimmenden Tenor, dass es für die Betriebsratskörperschaft eine sehr schwierig zu handhabende Problemlage darstellt, wenn sich Individualinteressen und Gruppeninteressen sowie (objektiv verstandene) Belegschaftsinteressen gegenüberstehen oder sogar widersprechen.
In diesen Fällen sprach sich die Betriebsratskörperschaft konkret dann nicht gegen Versetzungen (weg vom innegehabten Arbeitsplatz) der einzelnen ArbeitnehmerInnen aus, wenn diese "keine Teamplayer" waren und sich die betroffenen Belegschaftsangehörigen gegen diese Personen wandten und (auch) die Betriebsratskörperschaft um Abhilfe ersuchten; war die Betriebsratskörperschaft hingegen der Ansicht, dass ein einzelner Arbeitnehmer, eine Arbeitnehmerin zu Unrecht beschuldigt wurde und Mobbingtendenzen seitens einer ArbeitnehmerInnen-Gruppe auftraten, setzte die Betriebsratskörperschaft dieses Gruppeninteresse dann nicht mit einem (objektiv verstandenen) Belegschaftsinteresse gleich und vertrat den einzelnen Beschäftigten.
Resümierend sprechen die Studienergebnisse zur Wahrnehmung des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutzes sohin einerseits für eine primäre Orientierung an individuellen Belangen der zu versetzenden ArbeitnehmerInnen (was natürlich die Abgrenzung zum individualrechtlichen bzw. dienstrechtlichen Versetzungsschutz - auch seitens der Judikatur - erschwert), und andererseits für seitens der Betriebsratskörperschaft schwierig zu handhabende Interessenkonflikte, wenn die Interessenlagen auf der ArbeitnehmerInnenseite divergieren.

Warten auf Antwort aus dem BMASK

Konkreter Ausfluss der Studie war übrigens der anhand der Rückmeldungen hinsichtlich der Fragestellung nach einem "Handlungsbedarf des Gesetzgebers aus Sicht der Betriebsratskörperschaft" seitens der Kammervollversammlung im Mai 2011 einstimmig verabschiedete Antrag einer "Verbesserung des betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsschutzes" an das BMASK dergestalt, dass

  • auch reine Entgeltkürzungen dem Versetzungsschutz unterliegen;
  • "Kettenversetzungen", d. h. die Aneinanderreihung kurzfristiger Versetzungen, geregelt werden;
  • die Nicht-Einhaltung der entsprechenden Informationspflicht verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert wird.

Auf die Antwort des Ministeriums darf man gespannt sein, wiewohl klar ist, dass eine gesetzliche Ausweitung und Befestigung dieses starken Mitbestimmungsrechtes nicht über Nacht erreichbar sein wird.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
wolfgang.goricnik@ak-salzburg.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Wolfgang Goricnik (Akademischer Wirtschaftsjurist der AK Salzburg) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570377 Da es beim Abschluss des Arbeitsvertrages schlichtweg unmöglich ist, alle zukünftig notwendigen Arbeitsleistungen detailliert festzulegen, werden ArbeitgeberInnen bestrebt sein, eine flexible Einsatzbereitschaft der ArbeitnehmerInnen sicherzustellen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570390 Zum Vergrößern bitte auf die Grafik klicken! http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570341 Weil Bildung weiterbringt Seit mehr als 60 Jahren bietet die Sozialakademie der Arbeiterkammer (SOZAK) engagierten BetriebsrätInnen das nötige Know-how, um in allen Bereichen der modernen Gesellschaft die Interessen der Beschäftigten noch besser vertreten zu können. Am 14. April 1949 kündigte Karl Mantler, Präsident der AK Wien, in der Arbeiterzeitung die Gründung einer Arbeiterhochschule an, um das durch Naziherrschaft und Krieg "entstandene Vakuum an Funktionären möglichst rasch wieder aufzufüllen und der Interessenvertretung der Arbeiterschaft und dem Gewerkschaftsbund neue, geschulte Kräfte zur Bewältigung ihres Aufgabenkreises zuzuführen." Nur sieben Monate später, im November 1949 startete der erste Lehrgang der neuen Sozialakademie.

Ab 1950 Karl-Weigl-Bildungsheim

Anfangs waren die 30 männlichen und vier weiblichen TeilnehmerInnen aus ganz Österreich interimistisch im ÖGB-Bildungsheim Neuwaldegg untergebracht. Das für die SOZAK vorgesehene Karl-Weigl-Bildungsheim Mödling/Hinterbrühl war dann rechtzeitig zu Beginn des zweiten Jahrgangs im September 1950 bezugsfertig. Es war im Übrigen nicht nur mit einem Lehrsaal, Bibliothek und Studierzimmern ausgestattet, sondern auch mit Wohnräumen für die LehrgangsteilnehmerInnen und das Personal. Der Frauenanteil blieb mit durchschnittlich acht Prozent während der ersten 50 Jahre sehr niedrig, was vermutlich unter anderem auch damit zusammenhing, dass das Höchstalter der TeilnehmerInnen anfangs mit 35 Jahren beschränkt war, und zehn Monate Abwesenheit von zu Hause für Frauen mit Kindern nur schwer machbar war. Seit einigen Jahren gibt es durchaus auch AbsolventInnen jenseits der 40. Ab etwa 1990 stieg der Frauenanteil kontinuierlich bis auf den aktuellen Stand von rund einem Drittel.
Heute werden die Lehrgänge im Bildungszentrum der AK Wien abgehalten, und wie vor 60 Jahren erhalten die TeilnehmerInnen eine umfassende fachliche Ausbildung in Volkswirtschaft, Betriebswirtschaft, politischer Ökonomie, Sozialpolitik/Sozialversicherung, Politik, Arbeitsrecht und Arbeitsverfassung. Die zehnmonatigen Lehrgänge werden ganztägig geführt, die gesamten Kosten werden von den Arbeiterkammern übernommen. Gewerkschaften und der ÖGB nominieren in den einzelnen Bundesländern KandidatInnen aus ganz Österreich. Die Arbeiterkammern übernehmen auch den Verdienstentgang der nominierten TeilnehmerInnen (bis zur Grenze der Höchstbeitragsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung). BewerberInnen sollten Erfahrungen in der betrieblichen und/oder überbetrieblichen Interessenvertretung sowie gewerkschaftliche Vorbildung (Grundkurse der Gewerkschaften, Gewerkschaftsschule etc.) vorweisen können. Ebenfalls erforderlich: hohe Lernmotivation und große Leistungsbereitschaft.
Neue Managementstrategien sowie gesellschaftliche und politische Veränderungen stellen die ArbeitnehmerInnenorganisationen vor besondere Herausforderungen. Die SOZAK will mit ihrem Ausbildungsprogramm den aktuellen Veränderungen begegnen. Dementsprechend breit gestreut sind Themen und Ziele der Lehrgänge. Die TeilnehmerInnen lernen dort, komplexe politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse, deren Ursachen und Auswirkungen auf die Arbeitswelt zu analysieren. Sie lernen, Instrumente der Interessendurchsetzung effizient einzusetzen, politische Interessen, Werte und Ideologien zu reflektieren sowie in kritischer Identifikation mit den ArbeitnehmerInnenorganisationen die eigene Rolle als ArbeitnehmervertreterIn zu gestalten. SOZAK-AbsolventInnen sollen strategisch denken und handeln, Interessen organisieren und mobilisieren können, kurz gesagt, mit den immer differenzierteren Interessenlagen von ArbeitnehmerInnen umgehen können. Schon bei der Gründung der Sozialakademie stand fest, dass kein reiner Vorlesungsbetrieb gewünscht wird, sondern die Teilnehmenden vieles selbst erarbeiten sollen. Diese Idee wurde im Laufe der Zeit ausgebaut. Bei Diskus-sionen, Projektarbeiten oder dem kritischen Frühstücksdiskurs mit JournalistInnen und ExpertInnen können die TeilnehmerInnen selbst aktiv werden. In jedem Lehrgang gibt es außerdem spezielle Schwerpunktthemen (Bildungsbausteine) wie Migration, Gender, Medien etc., die besonders intensiv behandelt werden.

Erfahrungen im Ausland

Um auf internationaler und vor allem europäischer Ebene kompetent gewerkschaftlich agieren zu können, wird seit einigen Jahren verstärkt auf internationale Umstände eingegangen. Allerdings sollen dabei nicht nur Englischkenntnisse und theoretisches Wissen vermittelt, sondern auch praktische Erfahrungen gesammelt werden. Bestandteil dieses Schwerpunkts war im vorigen Lehrgang etwa eine EU-Intensivwoche inklusive Studienreise nach Brüssel. Die Studienreise war auch eine Vorbereitung auf eine wichtige Neuerung, denn die 24 TeilnehmerInnen des 60. Jahrgangs 2010/11 waren die ersten, die im Rahmen ihrer Ausbildung unter dem Titel "Hinterm Horizont geht’s weiter" auch ein einmonatiges Auslandspraktikum absolvierten. Georg Sever, Abteilung Weiterbildung für ArbeiternehmervertreterInnen AK Wien: "Dieses Praktikum ist keineswegs nur ein Anhängsel an neun Monate Unterricht, sondern integraler Bestandteil des SOZAK-Gesamtkonzepts. Die TeilnehmerInnen wurden intensiv vorbereitet und jede/r erhielt für den Auslandsaufenthalt einen speziellen Arbeitsauftrag." Allen PraktikantInnen wurden während des Auslandsmonats von der Lehrgangsleitung und der Gewerkschaft ausgewählte BetriebsrätInnen oder GewerkschaftssekretärInnen der jeweiligen ausländischen Organisation zur Seite gestellt. Diese fachkundige Betreuung und gegebenenfalls auch Unterstützung in organisatorischen Angelegenheiten sind wichtige Bestandteile, denn nur so kann gewährleistet werden, dass das SOZAK-Auslandspraktikum den größtmöglichen Mehrwert für die TeilnehmerInnen und die entsendenden Organisationen mit sich bringt.
In insgesamt zehn europäischen Ländern (Schweden, Finnland, England, Türkei, Irland, Deutschland, Polen, Belgien, Niederlande, Schweiz) konnten die PraktikantInnen vor Ort erfahren, unter welchen Bedingungen KollegInnen dort arbeiten, wie die ArbeitnehmerInnenvertretungen organisiert sind etc. Christian Biegler, Landesjugendsekretär von PRO-GE Niederösterreich, war in Brüssel bei der AK Europa: "Ohne dieses gut ausgestattete Büro in Brüssel wäre es sehr viel neoliberaler in der EU. Ich bin davon überzeugt, dass in einer globalisierten liberalen Welt die internationale Gewerkschaftsbewegung wichtiger ist als am Anfang des vorigen Jahrhunderts."
Auf dem Programm standen neben dem Austausch mit ausländischen KollegInnen unter anderem auch Betriebsbesichtigungen, Gespräche mit PolitikerInnen, GewerkschaftsfunktionärInnen etc. Sabine Schwarzendorfer, Regionalsekretärin in der oberösterreichischen GPA-djp, konnte beispielsweise bei ver.di in München sogar einen Streik- und Aktionstag live miterleben: "Bei strömendem Regen haben rund 500 ArbeitnehmerInnen bzw. BetriebsrätInnen von H&M, REWE, Dehner, Karstadt etc. an der Kundgebung teilgenommen. Es hat mich sehr gefreut, dass ich als Vertreterin der österreichischen Gewerkschaft begrüßt wurde, das machte natürlich Eindruck bei den Beschäftigten, dass auch jemand aus Österreich am Streik beteiligt ist." Profitiert haben alle von ihrem Praktikum, sie haben nicht nur viel gelernt, sondern auch Ideen gesammelt (etwa punkto Mitgliedergewinnung), neue Kontakte geknüpft und Impulse für die zukünftige länderübergreifende Zusammenarbeit bekommen. Die Erfahrungen der 24 AuslandspraktikantInnen sollen bald in einem Buch veröffentlicht werden.

Internet:
Die AbsolventInnenplattform:
www.ichwardabei.at/sozak 
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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570297 Christian Biegler, Landesjugendsekretär von PRO-GE Niederösterreich, war in Brüssel bei der AK Europa. "Ohne dieses gut ausgestattete Büro in Brüssel wäre es sehr viel neoliberaler in der EU." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301570315 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Oct 2011 00:00:00 +0200 1317301570001 90 Jahre Arbeiterkammer Dieses Interview wurde gemeinsam mit Elfriede Schober und Helmut Sauer konzipiert, beide nehmen am 61. Lehrgang der Sozialakademie (SOZAK) teil. Das Interview konnte aufgrund des dichtgedrängten Terminkalenders von BAK-Präsident Herbert Tumpel nur schriftlich geführt werden.

Arbeit &Wirtschaft: Kollege Herbert Tumpel, die Arbeiterkammer feiert ihren 90. Geburtstag - sie ist unentbehrlicher Teil der Sozialpartnerschaft - wie siehst du aktuell die Rolle der Sozialpartnerschaft?

Herbert Tumpel: Der Grundgedanke der Sozialpartnerschaft besteht darin, dass die grundlegenden Ziele der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik, wie Erhöhung von Realeinkommen, Wohlstand, soziale Sicherheit und gleichmäßige Teilhabe an Vollbeschäftigung und Bildung besser erreicht werden können.
Durch Zusammenarbeit, koordiniertes Handeln und bei Übereinstimmung wird das bei Zukunftsfragen auch möglich sein. Das ist Basis für den Erfolg der Sozialpartnerschaft, auch in der Zukunft.
Die Leistungsfähigkeit des österreichischen politischen Systems mit der starken Einbindung der Interessenvertretungen hat sich in der Wirtschaftskrise des Jahres 2009 neuerlich gezeigt. Die Krise hat aber ebenfalls gezeigt, dass sich auch die Sozialpartnerschaft nicht mehr nur mit nationalen Anliegen auseinandersetzen muss. Das ist die aktuelle Herausforderung.

SOZAK: Steuergerechtigkeit, das forderst du immer wieder vehement. Gerade die ArbeitnehmerInnen stöhnen unter der hohen Steuerlast. Welche Maßnahmen sind notwendig, damit auch ArbeitnehmerInnen eine Entlastung spüren?

Der Vizekanzler und die Finanzministerin sagen immer, wegen der höheren Staatsschulden durch die Krise wäre kein Geld für eine Steuerentlastung der ArbeitnehmerInnen da. Das stimmt so nicht. Alle wissen, die Steuerlast ist ungerecht verteilt. Arbeit ist in Österreich hoch besteuert, Reiche zahlen im internationalen Vergleich wenig Steuer. In einem gerechteren Beitrag der Reichen sehe ich eine Möglichkeit, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entlasten.
Und um das Defizit abzubauen, darf nicht nur bei den Ausgaben gekürzt werden. Es gibt auch die Möglichkeit für zusätzliche Einnahmen, zum Beispiel durch eine rigorose Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Das ist kein Kavaliersdelikt. Da entgehen dem Staat Mittel in Milliardenhöhe.

Arbeit &Wirtschaft: Die EU-Kommission hat die Einführung einer Finanztransaktionssteuer angekündigt. Zufrieden?

Grundsätzlich ja, aber mit Vorsicht. Jahrelang hat die AK gemeinsam mit den Gewerkschaften in ganz Europa eine Finanztransaktionssteuer gefordert. Dass sie jetzt kommen wird, ist ein Erfolg von uns und ein gutes Beispiel für das richtige und wichtige Engagement der ArbeitnehmerInneninteressenvertretungen auf europäischer Ebene. Aber diese Steuer darf keine Beruhigungspille sein. Sie muss mehr sein. Sie muss die Finanzmärkte spürbar regulieren und darf keine Schlupflöcher für die Spekulanten lassen, die die Krise maßgeblich verursacht haben. Die Finanztransaktionssteuer muss auch die preistreibende Spekulationslust an den Börsen bremsen.

SOZAK: Die Lohnverhandlungen der Metallindustrie haben bereits begonnen. Wie stehst du zur heurigen Forderung nach einer Erhö-hung der Löhne, die deutlich spürbar sein soll?

Ich unterstütze die Gewerkschaften in ihrem Bemühen, damit die ArbeitnehmerInnen ihren gerechten Anteil am wirtschaftlichen Erfolg und mehr Lohn erhalten. Das ist nur gerecht. Für die Ausschüttung von enormen Dividenden ist immer Geld da. Das war vor der Krise so, während der Krise so und das ist auch heuer so.

SOZAK: Am 4. Oktober 2011 war  Equal Pay Day. Heuer arbeiten Frauen statistisch gesehen 89 Tage unbe-zahlt. Warum ist es aus deiner Sicht so schwierig, dass Frauen für die gleiche Leistung gleich bezahlt werden?

Die Ursachen für die Lohnunterschiede setzen sich aus vielen Faktoren zusammen. Es beginnt bei der Bildungs- und Berufswahl, reicht von der ungleichen Verteilung von Betreuungspflichten über die geringere Bewertung der Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, die schlechteren Chancen bei Teilzeitarbeit bis hin zu Nachteilen bei den beruflichen Karrieremöglichkeiten.
Es passiert einiges, aber es geht zu langsam. So wird etwa viel getan, um Mädchen entsprechende Angebote abseits traditioneller Berufs- und Bildungswahl zu machen. Damit das wirklich erfolgreich ist, muss sich aber auch das Einstellungsverhalten der Betriebe ändern.
Es gibt jetzt die gesetzliche Verpflichtung zu betrieblichen Einkommensberichten. Die müssen kommen, und es müssen die richtigen Schlüsse daraus gezogen werden. Aber eines ist offenkundig: Es wird nicht ausreichen, nur auf Freiwilligkeit zu setzen. Das zeigt sich etwa bei der Zahl der Frauen in Führungspositionen. Unsere jährlichen Untersuchungen zeigen, dass es auf freiwilliger Basis kaum zu Veränderungen kommt. Auch die Verpflichtung, bereits im Stelleninserat das zu erwartende Einkommen anzugeben, wird ignoriert. Derzeit können das die Unternehmen noch ungestraft tun. Erst ab dem kommenden Jahr wird es Sanktionen geben. Dann werden wir genau darauf achten und bei Nichteinhaltung unsere Unterstützung anbieten, dass dies auch zur Anzeige kommt.

Arbeit &Wirtschaft:  Kollege Tumpel, 90 Jahre AK, was wünscht du dir für die AK zum runden Geburtstag?

Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der ArbeitnehmerInnen ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Arbeiterkammern seit ihrer Gründung durch das Arbeiterkammergesetz.
Dieses Ziel haben wir seither gemeinsam mit den BetriebsrätInnen, mit den Gewerkschaften und dem ÖGB konsequent verfolgt. Aber der Kampf um soziale Gerechtigkeit muss immer wieder aufs Neue geführt werden. Verteilungsgerechtigkeit war in der Vergangenheit ein zentraler Punkt für politische Auseinandersetzungen, ist das auch heute und wird es auch in Zukunft sein. Den Kampf um Verteilungsgerechtigkeit müssen wir aber nicht nur bei uns in Österreich und in Europa führen. Verteilungsgerechtigkeit ist ein globales Thema. Dabei geht es nicht nur um Gerechtigkeit bei Einkommen und Vermögen, da geht es auch um Werte wie Bildung oder Umwelt. Ich wünsche mir, dass wir diese gewaltigen Herausforderungen erfolgreich bewältigen.

Wir danken für das Gespräch.

Internet:
Homepage der Bundesarbeitskammer:
www.arbeiterkammer.at 
Biografie von BAK-Präsident Herbert Tumpel auf Wikipedia:
de.wikipedia.org/wiki/Herbert_Tumpel
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Arbeit&Wirtschaft 10/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301569964 Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der ArbeitnehmerInnen ist eine der zentralen politischen Aufgaben der Arbeiterkammern seit ihrer Gründung durch das Arbeiterkammergesetz. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1317301569974 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993775658 Kommunale Grundversorgung sichern Ich habe schlaflose Nächte. Sehr oft", sagt Bürgermeisterin Sonja Pilgram, wenn man sie auf die Finanzsituation in ihrer Gemeinde St. Peter am Kammersberg (Stmk.) anspricht. Auf dem Blatt Papier stehen 500.000 Euro Minus. Ganz so hoch wird die Summe zwar nicht werden, aber, so die Ortsvorsteherin, "katastrophal wird sie jedenfalls."

Sparflamme bei Investitionen

Was die Bürgermeisterin am meisten ärgert ist die Tatsache, dass das Gemeindebudget von 4,6 Mio. Euro kaum Zukunftsinvestitionen enthält und nur den laufenden Betrieb abdeckt. Und selbst dabei wird schon auf Sparflamme gekocht. Pilgram: "Wir haben zum Beispiel 120 Kilometer Straßennetz zu erhalten. Ich weiß, dass viele Straßen komplett erneuert werden müssten, aber dafür fehlt einfach das Geld. So versuchen wir nur, die Schlaglöcher so schnell wie möglich zu reparieren." Oder das Gebäude der Volks- und Hauptschule. Die Sanierung wäre schon längst überfällig, denn in den vergangenen Jahrzehnten wurde praktisch nichts in das Gebäude investiert. Die Bürgermeisterin: "Dort heizen wir das Geld praktisch zum Fenster hinaus, ganz zu schweigen von den Bedingungen für die Lehrer und Schüler."
Eine stetig wachsende Zahl der 2.357 österreichischen Gemeinden teilt die Sorgen der Bürgermeisterin von St. Peter. Vielerorts schaut es noch weitaus schlimmer aus. "Fast jede dritte Kommune von Pleite bedroht", titelte das Magazin "NEWS". "250 nö. Gemeinden sind von der Pleite bedroht!", mahnte auch die Gratiszeitung "Heute". Das ist keine Panikmache. Immer mehr Gemeinden geht das Geld aus. Hauptproblem: Den Kommunen wurden in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben übertragen, gleichzeitig stehen ihnen aber immer weniger Mittel zur Verfügung.

Klare Worte, harte Zahlen

Was explodiert, sind vor allem die Ausgaben für Sozialleistungen. Hier sind es die Ausgaben für Pflege und Spitäler, die die Gemeindekassen immer stärker belasten. Exakte Zahlen nennt die Prognose des Zentrums für Verwaltungsforschung (KdZ): Allein die Budgetposten in diesen Bereichen werden in den kommenden drei Jahren um fast eine Mrd. Euro zunehmen.
Die Schulden der Gemeinden steigen dementsprechend an. Mehr als elf Mrd. Euro haben sie im Jahr 2009 bereits betragen, das sind um 20 Prozent mehr als zur Jahrtausendwende. Sieben von zehn Gemeinden sind bereits verschuldet, freie Mittel für Investitionen gibt es seit 2009 in Summe keine mehr.
Dabei sind öffentliche Dienstleistungen ein wesentlicher Bestandteil des österreichischen Wirtschafts- und Sozialsystems. Die Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände spielen bei der Erbringung von Dienstleistungen zur Abdeckung kollektiver Bedürfnisse und Interessen eine bedeutende Rolle. Darüber hinaus hat sich die öffentliche Hand, hier vor allem die Kommunen, bei der Abfederung der Finanz- und Wirtschaftskrise hervorgetan. Schon bisher hat die kommunale Ebene versucht, ihrer verschärften finanziellen Lage durch Verwaltungs- und Personaleinsparungen zu begegnen. Da weitere Effizienzsteigerungen über Einsparungen kaum mehr realisierbar sind, stehen Leistungseinsparungen für die Bevölkerung im Raum. Notwendig ist daher eine verteilungsgerechtere und breitere Finanzierung der Staatsausgaben durch den Ausbau vermögensbezogener Steuern.

Neue Initiative Gemeinderesolution

Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) hat gemeinsam mit der Allianz "Wege aus der Krise" die Initiative ergriffen: Eine Gemeinderesolution fordert ausreichende Finanzierung der Gemeinden und Maßnahmen zur Absicherung der kommunalen Dienstleistungen für die BürgerInnen. BürgermeisterInnen in ganz Österreich sind dazu aufgerufen, diese Petition mit ihrer Unterschrift zu unterstützen oder ihren Gemeinderäten/-innen zum Beschluss vorzulegen.
"Wege aus der Krise" fordert gemeinsam mit bereits mehr als 150 unterstützenden Städten, Gemeinden und BürgermeisterInnen:
Eine faire Mittelaufteilung durch einen aufgabenorientierten Finanzausgleich und eine klare Kompetenzaufteilung zwischen den Gebietskörperschaften. Klare Aufgaben und eindeutige Zuständigkeiten zwischen den Gebietskörperschaften, damit verbunden aber auch eine klare Finanzierungsverantwortung sind notwendig. Aufgaben- und Ausgabenverantwortung gehören zusammengeführt. Nur ein aufgabenorientierter Finanzausgleich unter Berücksichtigung von Einwohnerzahl, demografischen Kriterien (z. B. Bevölkerungs-
entwicklung, Altersstruktur), sozio-ökonomischen Kriterien (z. B. Beschäftigungsquote, Personen ohne Ausbildung), geografisch-topografischen Kriterien (z. B. Siedlungsdichte, Berggebiete) und zentralörtlicher Funktion garantiert auch eine faire Mittelverteilung - es ist unzeitgemäß, Geld ausschließlich nach Köpfen zu verteilen, es müssen die tatsächlichen Aufgaben und Leistungen finanziert werden.
Zusätzliches Geld aus dem Bundesbudget, um öffentliche Dienstleistungen (Altenpflege, Gesundheitsdienste, Bildung etc.) und kommunale Investitionen (öffentlicher Verkehr, Infrastruktur etc.) in die öffentliche Daseinsvorsorge sicherzustellen und auszubauen. Aufgrund der finanziellen Situation ist ein "Investitionspaket" des Bundes von rund 1,5 Mrd. Euro notwendig, um das aktuelle Investitionsniveau halten zu können.
Eine Modernisierung der gemeindeeigenen Abgaben (z. B. Bemessungsgrundlage der Grundsteuer). Gerechte Steuern: Die gemeindeeigenen Steuern müssen modernisiert und verfassungsmäßig abgesichert werden. Es darf nicht sein, dass die Steuern der Kommunen von Bund und Ländern durch Ausnahmebestimmungen und Nicht-Aktualisierung ausgehöhlt und zunehmend sogar von Verfassungswidrigkeit bedroht werden.
Ausreichende Besteuerung von Vermögen, Vermögenseinkommen bzw. Vermögenszuwächsen, wie Zinsen, Dividenden, Kursgewinnen oder Fondserträgen, im Vergleich zu Arbeitseinkommen. Die aktuelle Diskussion zeigt, dass die vom ÖGB und weiteren Organisationen forcierte Besteuerung von Vermögen ab 700.000 Euro breite Zustimmung genießt.
Damit wären die so oft strapazierten "kleinen Häuslbauer" und die "Erbschaft von der Oma" klar ausgenommen. Ein Prozent der Haushalte besitzen 33 Prozent des Vermögens in Österreich. Auch die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer soll hier einen Beitrag leisten. Die rund 150 Mio. Euro, die der Staat aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer in der Vergangenheit eingenommen hatte, kamen ausschließlich von großen Vermögen. Wenn man die Vermögenssteuern auf den europäischen Durchschnitt von mehr als fünf Prozent des gesamten Steueraufkommens anhebt, hätte man vier Mrd. Euro mehr fürs Budget. Derzeit ist dieser Anteil mit 1,4 Prozent beschämend gering.

Für eine Finanztransaktionssteuer

Eine EU-weite Finanztransaktionssteuer: Die EU-weite Einführung einer Finanztransaktionssteuer macht dringend notwendige Investitionen in essenzielle öffentliche Dienstleistungen wie
z. B. Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, Bildung und Armutsbekämpfung möglich. 83 Prozent der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung sind an der Börse aktiv. Große Finanzinstitutionen verdienen Unsummen mit Wetten auf den Finanzmärkten. Nach den Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts wäre bei einem Steuersatz von nur 0,1 Prozent das Aufkommen in Österreich 1,7 Mrd. Euro, EU-weit etwa 260 Mrd. Euro pro Jahr.

Besseres gesellschaftliches Klima

Mit den aus diesen Maßnahmen resultierenden Einnahmen bzw. den dadurch frei werdenden Mitteln sollen und können zahlreiche gesellschaftlich wertvolle Arbeitsplätze in den Bereichen Bildung, Gesundheitsversorgung, Altenpflege, Kinderbetreuung, öffentlicher Verkehr, erneuerbare Energien, thermische Gebäudesanierung und Gemeindedienstleistungen finanziert werden. Die Kommunen sind dadurch finanziell in der Lage ihren Beitrag zu leisten, um zahllose Menschen in Österreich aus der Armut und Armutsgefährdung zu holen, die wirtschaftliche Nachfrage zu stärken, die Situation am Arbeitsmarkt spürbar zu entspannen und damit das gesellschaftliche Klima in Österreich - ohne große VerliererInnen - wesentlich zu verbessern.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.kommunale-grundversorgung-sichern.at 
www.gdg-kmsfb.at

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Thomas Kattnig (Internationaler Referent GdG-KMSfB) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775601 "Wir haben zum Beispiel 120 Kilometer Straßennetz zu erhalten. Ich weiß, dass viele Straßen komplett erneuert werden müssten, aber dafür fehlt einfach das Geld. So versuchen wir nur, die Schlaglöcher so schnell wie möglich zu reparieren." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993775527 Das muss es uns wert sein Die Finanzierung der Pflege und Betreuung ist in aller Munde. Fast allen ist mittlerweile klar, dass der Bedarf an und die Kosten für Pflegeleistungen jährlich ansteigen und daher rasch adäquate Finanzierungsoptionen auf den Tisch gelegt werden müssten. Leider sind viele der bisher diskutierten Vorschläge unterdotiert, weswegen die Gewerkschaften vida und GPA-djp einen eigenen Vorschlag zur Diskussion gestellt haben. Auf Basis von Preisen 2006 steigen die Gesamtkosten für Pflege und Betreuung laut einer Kostenschätzung des WIFO von derzeit etwa vier Mrd. Euro auf 5,6 Mrd. 2020 und 8,4 Mrd. 2030. In Relation zum BIP ist das ein Anstieg von 1,3 Prozent auf 1,96 Prozent in einem Zeitraum von 20 Jahren.

Fast 450.000 Pflegebedürftige

In Österreich sind beinahe 450.000 Menschen pflegebedürftig. 88 Prozent davon sind über 60 Jahre alt und 16 Prozent sind in Pflegeheimen untergebracht. Wichtig ist die Frage, welchen Betroffenen mit welchen Leistungen mehr geholfen ist. vida und GPA-djp bekennen sich zu einem Mischmodell aus Geld- und Sachleistungen. Der neu zu schaffende Pflegefonds soll nicht nur den Status quo finanzieren, sondern insgesamt eine Ausweitung der Leistungen für alle Pflegebedürftigen ermöglichen, sei es durch mehr Geldleistungen in den unteren Stufen, sei es durch ein bedarfsgerechtes Angebot an Sachleistungen als teilweisen Ersatz der Geldleistungen oder durch zusätzliche Dienstleistungen (zum Beispiel Ausbau der Tageszentren oder Forcierung alternativer Wohnmodelle).

Harter Job für wenig Geld

Im Jahr 2009 lagen die mittleren Einkommen im Bereich Gesundheit und Soziales bei 1.564 Euro. Das liegt um 17 Prozent unter dem Durchschnitt der Angestelltengehälter. Viele der betroffenen ArbeitnehmerInnen haben eine Teilzeitbeschäftigung und erhalten ein Einkommen und in der Folge Pensionen unter der Armutsgrenze. Viele Pflege- und Betreuungskräfte werfen ihren Job deswegen hin. So macht eine Kollegin jetzt etwa eine Lehre als Tischlerin, weil sie den anspruchsvollen harten Job in der Pflege nicht mehr für 1.100 Euro, die sie im Monat als Gehalt bekam, machen wollte. Als Tischlerin verdiene sie auch nicht weniger, meinte sie, und es gebe geregelte Arbeitszeiten statt unzureichend bezahlte Acht-Stunden-Nachtbereitschaftsdienste.
Bei der Finanzierung der Pflege ist daher unbedingt darauf zu achten, auch die Situation der Beschäftigten zu verbessern, zum Beispiel durch Anhebung der Gehälter, geregeltere Arbeitszeiten, Umsetzung der 35-Stunden-Woche und Abschaffung der Selbstständigkeit bei der 24-Stunden-Betreuung und bei der persönlichen
Assistenz. Die Pflege wird in Österreich zu 80 Prozent von Angehörigen und insbesondere von Frauen geleistet, was den Rückzug von Frauen vom Arbeitsmarkt negativ begünstigt. Es bedarf einer sozialen Absicherung von Menschen, die Angehörige pflegen, die ohne die Leistung eigener Beiträge - wie bei der Anrechnung von Kindererziehungszeiten - funktioniert. Während einer Pflegekarenz sollte außerdem Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen.

Das schwedische Modell

Hier sei auf das schwedische Modell hingewiesen, bei dem zur Pflege von Familienangehörigen vom Arbeitgeber bis zu 60 (120 bei Kindern) Tage Lohn fortgezahlt wird. Sinnvoll wäre auch der Ausbau der Kurzzeitpflege und des geförderten Urlaubes. Für die Kosten der Pflege wird derzeit auch auf das Einkommen der Angehörigen zurückgegriffen. Der Regress für (Ehe-)PartnerInnen ist in allen Bundesländern Realität, hinzu kommt aufgrund der immer knapper werdenden Mittel eine Diskussion über die Wiedereinführung des Regresses für Kinder. Die Steiermark nimmt die Kinder bereits wieder in die Pflicht. Die Einhebung eines Regresses ist unsolidarisch und daher prinzipiell in Frage zu stellen.

Das vida/GPA-djp-Modell

Am 29. Juni 2011 hatten die beiden Vorsitzenden der Gewerkschaften vida und GPA-djp, Rudolf Kaske und Wolfgang Katzian, ein gemeinsam ausgearbeitetes rein steuerfinanziertes Finanzierungskonzept präsentiert. Die für Pflege- und Betreuungspersonal zuständigen Gewerkschaften gehen von einem höheren Kostenbedarf als die WIFO-Schätzungen aus, weil nicht nur die Sach- und Dienstleistungen finanziert, sondern auch Arbeitsbedingungen und Entlohnung der Pflege- und Betreuungskräfte merklich verbessert werden müssen. Konkret wurde folgende Finanzierungsaufteilung vorgeschlagen:

  • 1 Mrd. aus einer Vermögenssteuer
  • 450 Mio. aus einer Erbschaftssteuer
  • 150 Mio. aus einer Erbersatzsteuer (Stiftungen)
  • 250 Mio. von besonderen Verbrauchssteuern
  • 200 Mio. aus einem Einkommensteuerzuschlag für hohe und besonders hohe Einkommen
    _________________________________________________________________________________

     = 2,05 Mrd. Euro

Vermögens- und Erbschaftssteuer

Bei einer Finanzierung durch Vermögens- und Erbschaftssteuer soll der Regress von Angehörigen abgeschafft werden, weil diese ja Steuern auf ihr Erbe zahlen und Vermögende Steuern auf ihr Vermögen. Somit besteht kein Grund mehr, bei Pflegebedürftigkeit das ganze Vermögen bzw. Erbe zu verwerten. Das erhöht sogar die Gerechtigkeit, weil nicht nur jene erben, die das Glück haben, keine langjährig pflegebedürftigen Angehörigen zu haben, denen ihr gesamtes Vermögen (die Erbmasse) für ihren Pflegeheimplatz abgenommen wurde. Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer nach dem ÖGB-Modell1 bringt rund drei Mrd. Euro. Der überwiegende Teil dieser Steuer soll als erstes für die Budgetkonsolidierung und in weitere Folge für die Entlastung des Faktors Arbeit verwendet werden. Ein Drittel der Einnahmen, also eine Mrd. Euro, sollen für die Pflege fixiert werden. Bei der Erbschaftssteuer Neu können bei einer Steuerfreigrenze von 150.000 (ferne Verwandte) bzw. 300.000 (nahe Verwandte) mit Steuersätzen von zwei Prozent bis 20 Prozent bis zu 450 Mio. Euro lukriert werden.
Nachdem auch bei der abgeschafften Erbschaftssteuer ein Prozent der Erben/Erbinnen für 50 Prozent des Steueraufkommens sorgten, ist diese Steuer alles andere als eine Belastung des sogenannten Mittelstandes. Im Gegenteil: Es ist eine Steuer für Privilegierte auf leistungsfreies Einkommen. Die Erbersatzsteuer stellt eine Art fiktive Erbschaftssteuer für Stiftungsvermögen dar. Da das Vermögen durch die Einbringung in die Stiftung dem Familienvermögen entzogen wird, unterliegt es bei nachfolgenden Erbfällen ja nicht mehr der Erbschaftssteuer. Die Erbersatzsteuer simuliert eine Vermögensübertragung durch Erbfolge im regelmäßigen Turnus von 30 Jahren, versteuert also jedes Jahr ein Dreißigstel des fiktiven Erbes. Im Sinne einer solidarischen Finanzierung macht es durchaus Sinn, auch Lenkungssteuern auf gesundheitsschädliche Produkte wie Tabak oder Alkohol zweckzubinden. Nachdem die Steuereinnahmen daraus von 2006 bis 2010 bereits um EUR 110 Mio. gestiegen sind, sind für 2011 sogar bereits annähernd zwei Mrd. an Einnahmen zu erwarten. Einen Teil dieser Mehreinnahmen (250 Mio. Euro) sollte man für die Pflege reservieren.

Einkommensteuer

Bei einem Zuschlag zur Einkommensteuer von 1,5 Prozentpunkten für Einkommen ab 60.000 Euro brutto bzw. fünf Prozent ab 150.000 brutto würden jährlich etwa 200 Mio. Euro mehr ins Budget fließen. Bei Einführung einer Vermögenssteuer nach dem ÖGB-Modell könnten als Ausgleich bis zu einer Mrd. Euro zweckgewidmet für die Senkung des Eingangssteuersatzes verwendet werden, davon würden auch die Besserverdienenden profitieren, vor allem aber die Mittelschicht.
Durch das vida/GPA-djp-Modell ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einerseits würde die Steuergerechtigkeit erhöht, und andererseits ein finanzierbares Pflegemodell geschaffen, das uns allen nutzt.

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1 Bei einem Freibetrag von EUR 700.000 betragen die Steuersätze bis zu zwei Mrd. 0,5 Prozent, bis zu drei Mrd. ein Prozent und über drei Mrd. 1,5 Prozent. Erfasst wird land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Wertpapiere, Derivate, Spareinlagen.

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Martin Bolkovac (Grundlagenabteilung der GPA-djp) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775485 In Österreich sind beinahe 450.000 Menschen pflegebedürftig. 88 Prozent davon sind über 60 Jahre alt und 16 Prozent sind in Pflegeheimen untergebracht. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775503 Zum Vergrößern klicken http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993775471 Mit gutem Grund In Österreich stammen 1,3 Prozent der Staatseinnahmen aus Vermögenssteuern, im Durchschnitt der Industriestaaten (OECD-Länder) immerhin 5,6 Prozent und in den USA sogar 12,1 Prozent. Dennoch ertönt sofort, wenn die Erhöhung oder gar die Neueinführung von Steuern auf Vermögen verlangt wird, ein fürchterliches Geheul möglicherweise Betroffener. Es würde dann nicht nur ihnen großes Unrecht geschehen, Wirtschaft und Wohlstand wären gefährdet. Es geht in dieser Debatte um drei große Gruppen von Steuern: Steuern auf das Kapital selbst, also Substanzsteuern, Steuern auf die Übertragung (d. h. Kauf, Verkauf, Schenkung usw.) von Kapital, also Kapitalverkehrssteuern, und Steuern auf den Ertrag des Kapitals.

Viele Schlupflöcher

Zu den Substanzsteuern zählen die Vermögenssteuern, deren Basis das Vermögen der von der Steuer erfassten Personen und Firmen ist, die Grundsteuern, deren Basis der Wert der Grundstücke und Gebäude ist oder die Kraftfahrzeugssteuer auf Autos.
Kapitalverkehrssteuern sind z. B.Grundverkehrssteuern - eingehoben, wenn ein Grundstück den Eigentümer wechselt - und Finanztransaktionssteuern, die bei allen Finanzgeschäften anfallen würden, darunter auch die Börsenumsatzsteuern, sowie Erbschafts- und Schenkungssteuern.
Steuern auf den Kapitalertrag sind in Wirklichkeit eine Form der Besteuerung von Einkommen. Dazu zählen z. B. Kapitalertragssteuern auf Zinsen und Dividenden, aber in vielen Ländern auch Steuern auf die Wertsteigerung, die beim Verkauf von Vermögenswerten wie Grundstücken und Wertpapieren aus dem Unterschied zwischen Einkaufs- und Verkaufswert erzielt wird.
Einzelne dieser Steuern gibt es in Österreich, wenn auch meist mit viel zu vielen Schlupflöchern. Dabei zeigt sich, dass die Bewertung des Grundbesitzes zu Einheitswerten ein Haupthindernis für jede vernünftige Vermögensbesteuerung darstellt. Eine generelle Finanztransaktionssteuer hat es bis jetzt noch nie gegeben und andere Steuern auf Vermögen wurden im Laufe der Jahre abgeschafft, wie etwa Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer, wobei Letztere vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) für verfassungswidrig erklärt wurde.

Die üblichen Argumente

Argumente, die gegen Steuern auf Vermögen vorgebracht werden:
"Vermögenssteuern bringen ohnehin nichts und die Einhebungskosten rentieren sich daher nicht." - Die meisten Länder erzielen durchaus ansehnliche Einnahmen aus Grundsteuern und anderen Steuern auf die Vermögenssubstanz. Wenn diese Steuern nichts brächten, so könnten sie auch die Betroffenen nichts kosten, also warum die Aufregung?
"Vermögenssteuern treffen ohnedies nur die Kleinen, die Großen wissen, wie man sie vermeiden kann." Das ist eine Frage des Gesetzestextes. Könnte man z. B. Grundverkehrssteuern dadurch umgehen, dass man das Grundstück in eine Gesellschaft einbringt und diese steuerfrei verkauft, wird die Steuer von den Reichen umgangen und die Kleinen zahlen. Aber das muss nicht so gestaltet sein.
"Vermögenssteuern sind ungerecht, weil bei ihnen etwas besteuert wird, was ohnedies schon im Rahmen der Besteuerung von Einkommen besteuert wurde." Bei großen Vermögen ist es zweifelhaft, ob die Einkünfte wirklich versteuert wurden - denken wir an die lächerlichen Körperschaftssteuer-Leistungen der heimischen Großunternehmen. Bereits jetzt werden viele Steuern auf bereits besteuerte Gelder erhoben, z. B die Mehrwertsteuer bei Einkäufen mit bereits als Einkommen versteuertem Geld oder bei der Kapitalertragssteuer.
"Vermögenssteuern sind leistungsfeindlich, weil die besteuerten großen Vermögen auf für die ganze Wirtschaft nützlichen Leistungen beruhen. Diese würden nicht erbracht werden, wenn man sie besteuert." Ein zweifelhaftes Argument. Bundespräsident Heinz Fischer hat schon darauf hingewiesen, dass die Leistung von Erben durchaus überschaubar ist.
"Wenn man die Vermögen besteuert, flüchten ihre Besitzer damit ins Ausland: Kapital ist mobil." Mit Grundstücken kann man nicht ins Ausland flüchten; wieder kommt es darauf an, die Gesetze möglichst "wasserdicht" zu gestalten.

Sinnvoller gestaltet

Die Vermögensbesteuerung in Österreich könnte und sollte angesichts ihres im internationalen Vergleich geringen Umfanges ausgeweitet und wirkungsvoller gestaltet werden. Dabei muss man konkret sagen, um welche Steuern es geht und wie man sie gestalten soll.
Fangen wir bei der Finanztransaktionssteuer an. Mit dieser Steuer würde man Käufe und Verkäufe von Wertpapieren wie Aktien und Anleihen, aber auch jede sonstige Übertragung von Geld von einem Land in ein anderes besteuern. Dabei brächten selbst minimalste Steuersätze von weit unter einem Prozent riesige Erträge. Gegner (vor allem Spekulanten und Banken) erklärten, das Ganze könne nur funktionieren, wenn es weltweit eingeführt würde, das sei praktisch unmöglich. Gerade in Österreich wurde die Forderung nach einer solchen Steuer aber recht konsequent forciert und nun hat die EU-Kommission eine EU-weite Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen.

Zentrale Frage der Einheitswerte

Bei allen anderen Steuern, ist das Thema Einheitswerte die zentrale Frage. Man muss Vermögen als Grundlage für die Steuer vorerst bewerten. Bei Bargeld und Sparbüchern ist das einfach: Ein 500-Euro-Schein ist 500 Euro wert, ein Sparbuch so viel, wie darauf eingezahlt ist. Bei Wertpapieren kann man Börsenkurse zur Bewertung heranziehen.
Grundbesitz muss man bewerten. Nach dem System in Österreich sollte diese Bewertung in regelmäßigen Zeitabständen erfolgen. Das Finanzamt bestimmt den als Steuergrundlage dienenden Wert jedes Grundstückes, den Einheitswert. Da der Wert der Grundstücke steigt, führen Neufeststellungen der Einheitswerte zu höheren Steuerzahlungen. Unsere PolitikerInnen haben aber Angst vor diesem Schritt. Daher wurden die Einheitswerte seit Jahrzehnten nicht mehr neu festgesetzt. Sie bewegen sich heute meist in Größenordnungen von etwa einem Zehntel (!) der echten Verkehrswerte.
Das Finanzamt legt also bei Grundstückskauf oder Bautätigkeit den Einheitswert neu fest; aus Angst, die Festlegung könnte wegen Verfassungs-
widrigkeiten vor dem Gesetz angefochten werden, wird der Wert gleich mit einem Bruchteil des Kaufpreises oder der Baukosten festgelegt. Deswegen hat der VfGH die Erbschaftssteuer für verfassungswidrig erklärt. Die extrem unterschiedliche Bewertung von Bargeld und Grundbesitz bei der Berechnung der Erbschaftssteuer hat dem Gleichheitsgrundsatz widersprochen. Statt nun endlich die Einheitswerte der Realität anzupassen, haben unsere PolitikerInnen es vorgezogen, die Erbschaftssteuer abzuschaffen.

Gefahr Verfassungswidrigkeit

Ohne Lösung der Einheitswert-Problematik ist aber weder eine Vermögenssteuer noch eine Erbschaftssteuer möglich - sie wären verfassungswidrig. Es besteht sogar Gefahr, dass die aktuelle Grundsteuer und möglicherweise auch die Grundverkehrssteuer aufgehoben werden. Bei der Grundsteuer, die ausschließlich den Gemeinden zugute kommt, wäre das für diese in der angespannten aktuellen finanziellen Situation eine Tragödie. Natürlich würde jede realistische Einheitswertfestsetzung zu höheren finanziellen Belastungen für alle GrundbesitzerInnen führen, auch weil man schon so lange säumig ist.
Aber man kann sicher die kleinen HausbesitzerInnen durch entsprechend hohe Freibeträge weitgehend absichern und darüber hinaus die Anpassung in mehreren Schritten vornehmen, um niemanden auf einmal allzu stark zu belasten. Es ist nicht einzusehen, warum man die BesitzerInnen großer Grundflächen und großer Gebäude auf Dauer von der weltweit üblichen Grundsteuer weitestgehend befreit. Und dafür noch in Kauf nimmt, keine Vermögens- und Erbschaftsteuern einheben zu können.

Lösung dringend notwendig

Es ist gut und richtig, eine höhere Steuer auf Vermögen von ihren BesitzerInnen zu verlangen. Doch diese Forderung wird so lange nicht glaubwürdig sein, wie man nicht bereit ist, das Problem der Bewertung des Grundbesitzes anzugehen. Ohne Lösung der Frage der Einheitswerte wird jedes Verlangen nach wirkungsvollerer Besteuerung von Vermögen leeres Gerede bleiben.

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Thomas Lachs (Nationalbankdirektor i. R.) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775463 Bei großen Vermögen ist es zweifelhaft, ob die Einkünfte wirklich versteuert wurden - denken wir an die lächerlichen Körperschaftssteuer-Leistungen der heimischen Großunternehmen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1315993775365 Zahlen, Daten, Fakten Unter Downloads gibt es

Zahlen, Daten, Fakten

  • Frauen in Paarhaushalten mit/ohne Kinder
  • Männer in Paarhaushalten mit/ohne Kinder
  • Personen (15 bis 34 Jahre) mit erstem Job nach Methode, wie der erste Job gefunden wurde, soziodemografischen Merkmalen und Geschlecht

Soziale Netzwerke sind die wichtigste Brücke in den Arbeitsmarkt

Soziale Netzwerke im Familien- und Bekanntenkreis erweisen sich für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger als die wichtigste Zugangsmöglichkeit in den ersten stabilen Job. Knapp ein Drittel (30 %) der jungen Erwachsenen findet über Unterstützung von Familie, Freunden oder Bekannten den ersten Job. Mit 23 % an zweiter Stelle steht - bedeutend vor allem für Personen, die eine Lehre abgeschlossen haben - die frühere Tätigkeit in derselben Firma. In etwas geringerem Umfang erfolgt der Arbeitsmarkteintritt über Inserate in Zeitung oder Internet (18 %) sowie über Direkt- oder Blindbewerbungen (17 %).
Über das Arbeitsmarktservice finden fünf von hundert jungen Erwachsenen ihre erste stabile - länger als drei Monate dauernde - Tätigkeit. Unter Personen mit höchstens Pflichtschulabschluss sind Familie, Freunde oder Bekannte als Zugangsweg in den Arbeitsmarkt besonders bedeutsam (54 %), und unter Lehrabsolventinnen und -absolventen die frühere Tätigkeit in derselben Firma (39 %).
Für Personen mit Studienabschluss bilden Stellenausschreibungen in Zeitung und Internet (36 %) die wichtigste Einstiegsvariante in den ersten stabilen Job. Netzwerke über Familie und Bekannte (23 %) sind aber auch hier der zweitwichtigste Brückenschlag in den Arbeitsmarkt.

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Arbeit&Wirtschaft 07/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993775277 Kontaktquelle Hilda hatte immer Neues zu berichten. Nicht immer Gutes, doch frisch von der Quelle. Dafür reichten zwei Schritte aus der Kuchl-Kabinett-Wohnung in Gersthof. Noch heute ist die historische Bassena im Erdgeschoß in Betrieb, doch die schwergewichtige Amper, eine emaillierte Wasserkanne, befüllt heute niemand mehr. Hilda, Jahrgang 1906, war die letzte Mieterin, die kein fließend Wasser in der Wohnung hatte und es hartnäckig verweigerte. Der aufkommende Wohlstand ihrer Nachbarn besiegelte den Niedergang des geliebten Bassenatratsches - wer sich ein Badezimmer leisten konnte, verzichtete gerne auf Lavoir und Besuche im nahen Tröpferlbad in der Klostergasse. Doch die Bassena dient auch heute noch dem verbalen Austausch. Die Bassena im Stuwerviertel, Wien-Leopoldstadt, ist ein Kommunikationszentrum, das für alle Menschen offen ist und besonders Jugendliche unterstützt. Miteinander sprechen, einander helfen, Zukunft schaffen: www.bassena2.at 

Kontaktbörse Parkbank

Beinahe allein an der Bassena, bald darauf die Einzige beim Kohlenschleppen aus dem Keller. Was Hilda blieb, war zum einen der praktische Arzt im Haus, wo sich ohnehin das halbe Gersthofer Grätzel wiederfand. Zum anderen wohnte vis- à-vis die Hausbesorgerin, in deren Souterrain-Wohnung noch weniger Licht als in die Hildas drang. Zumindest Jelena bediente sich der Bassena noch für ihren Putzeimer und wusste als sprudelnder Quell zu berichten, womit andere HausbewohnerInnen ihren Tag und ihre Nacht verbracht hatten. Als ergiebige Kontaktbörse erwies sich immer wieder aufs Neue die Parkbank. Türkenschanz-, noch lieber Joseph-Kainz-Beserl-Park. Hilda hat immer Leute kennengelernt: Menschen, die ihr nach dem Krieg halfen, Grätzel-Nachbarn, die ihre harte Fließbandarbeit in der Radiofabrik zu schätzen wussten und sie politisch motivierten.

Netzwerker Fred Duval

Freunde wie Fred Duval, Jahrgang 1928, der ab 1952 bei der Gewerkschaftspresse werkte - z. B. im "Gemeindebediensteten" - und von 1967 bis zu seiner Pensionierung 1989 als Chefredakteur der "Arbeit&Wirtschaft" wirkte. Der Gewerkschafter aus Leib und Seele hat zeitlebens der groß angelegten Vernetzung gehuldigt. "Mein Vater war ein offener Mensch, der auf jeden zugegangen ist und auch Leute einfach auf der Straße angesprochen hat", erzählt seine Tochter Evelyn Duval. "Er war voller Empathie. Das ist das erste Netzwerk, da beginnt es", weiß die Hebamme. Fred (korrekt Gottfried) Duval setzte gekonnt auf die Vermischung der Generationen und das "Aufbrechen der Herkunftsfamilie". Jahrzehnte sozial im Grätzel unterwegs: "Für ihn zählten Freunde genau so viel wie die Familie. Nicht bloß die Geschäfte in Gersthof dienten der Vernetzung, mein Vater hat seine Zeitungen auch stets beim gleichen Zeitungskolporteur gekauft und viel mit ihm geredet." Ein Erbe, das Duvals Enkel Theodor immer noch pflegt. Die Leute zusammenzubringen, war oberste Maxime des Menschenfreundes. Gelungen ist das Fred Duval (2001 verstorben) auch bei zahlreichen Betriebsausflügen. Ein kleiner Kosmos, den die Duvals zu genießen wussten, ist das Gänsehäufel - wie viele Wiener Bäder ein Ort der seichten Geschwätzigkeit, die schnell in langjährige Bekanntschaften münden kann. Zumal Kabanen-BesitzerInnen wie SchrebergärtnerInnen sich auch gerne in Gestaltungsfragen austauschen.

Die kleinen Strukturen

Rund 70 Jahre ihres Lebens stellte sich Nachbarin und Familienfreundin Hilda regelmäßig für einen Stehplatz in der Wiener Staatsoper an, Fred und Ruth Duval dagegen liebten das Theater - gemeinsam teilten sie die Liebe zur Kultur, die günstig war und die Menschen zueinander brachte. "Nach dem Tod meiner Eltern habe ich die Abos für das Volkstheater in den Außenbezirken übernommen. Wenn du jahrelang am gleichen Platz sitzt, kennst du alle Leute", sagt Evelyn Duval. "Die kleinen Strukturen sind das Wichtigste, im Großen gehen die Menschen oft unter."

Kommunikationsquelle Greißlerei

Nicht anders als Gersthof funktionierte das Nachbardorf jenseits vom Schafberg. Noch bis Anfang der 1980er-Jahre kannte jeder die Milchfrau, eine winzige Greißlerei in Dornbach-Neuwaldegg. Mutter und Tochter, die erstere winzig, knochig und immer schon alt, die andere dickleibig, rotwangig und gemütlich, verkauften in weißen Schürzen, vor hohen weißen Vollholzregalen vom Klopapier bis zur Wurstsemmel einfach alles. Kostenlose Beigabe waren Neuigkeiten aus dem Dorf, das keines war und doch so funktionierte. Die beiden Milchfrauen sind schon 30 Jahre Geschichte, das Greißlersterben wird etwa ebenso lange beweint. Mit der Diskonter-Kassiererin ist nicht gut tratschen, nicht anders ist es bei schweißtreibender Akkordarbeit zu erwarten. Wider sterbender Nahversorger und versiegender Kommunikationsquellen: Die BewohnerInnen des Orts Kaltenberg im Mühlviertel (Oberösterreich) haben 2011 "Unser G’schäft" gegründet (Verein "Liebenswertes Kaltenberg"), viel investiert und Vernetzung, wie sie nicht besser sein kann, vorgelebt. Großes gelingt auch in Wien-Rudolfsheim: Hier wird der Schwendermarkt mit www.samstaginderstadt.at neu belebt, bespielt und als Vernetzungsplattform für jeden Menschen angeboten. Dornbach-Neuwaldegg hinkt ein wenig nach, zwar gibt es neue Restaurants und ein kleines Café statt Tankstelle und Installateur, doch der Quell der Vernetzung scheint verdorrt. Die Trafikantin ging an einem Stock, tief gekrümmt von Morbus Bechterew fütterte sie die Dornbacher in der Andergasse mit Tabak, Zeitungen und gutem Rat. Außerdem nährte sie den Dachs, was nicht jeder Nachbar guthieß. Geliebt wurde die Trafikantin trotzdem. "… Die Gelbe Straße ist die Straße der Lederhändler in der Wiener Leopoldstadt, Anfang der 1930er-Jahre. Da ist die Trafik, wo es Tabak und Zeitungen gibt und Tratsch ausgetauscht wird - neidisch, missgünstig, lüstern … Das Tabakgeschäft ist jeden Morgen der Treffpunkt aller Bewohner der Gelben Straße ..." (aus "Die Gelbe Straße", Veza Canetti). Oder: "Die Trafik besitzt nach wie vor gesellschaftliche Funktionen und ist der Ort, an dem sich die Menschen trafen, ein Zentrum der Kommunikation. 'Beim Tabakkrama kommen d’Leut z’samma‘ besingt das Pfeifenkramerlied. Beim Tabakkramer erfuhr man stets das Neueste …" (aus Diplomarbeit "Rauchen in Österreich nach 1945 - Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur", Melanie Baumgartner, Wien, 2009; zu lesen unter  Der Dornbacher Tabakkramer ist längst geschliffen und einem Neubau gewichen, das Papiergeschäft hat vergangenes Jahr für immer seine Türen geschlossen.
Händlerin "Nossy", die zuletzt sogar Wäsche übernahm, ist tot. Generationen haben zum Ausklang der Volksschule erst Schillinge, dann Euro in Gummischlangen, Brausepulver und Wundertüten verpulvert, Erwachsene kopierten, ließen putzen und ersparten sich den Papierdiskonter, weil "Nossy" so vieles zu berichten wusste, ohne eine Tratschen zu sein und die Dornbacher zusammenhielt

Vernetzung beim Sportklub

Doch eine Institution, die vereint und glücklicherweise selten bis zur Gewalt trennt, bleibt Dornbach erhalten. Der Wiener Sportklub gleich beim Friedhof und nächst dem Spital. Er gehört zu den ältesten Sportvereinen Österreichs, bringt Junge und Alte, Männer und Frauen zusammen. Und jene Nachbarn, die sich bloß aus den Fenstern und Balkonen lehnen müssen, um die Fußballspiele hautnah zu verfolgen. Dafür braucht es kein Worldwideweb.
Gewerkschafter Fred Duval hat die hautnahe, direkte Kommunikation stets vorwärtsgetrieben, doch altmodisch und der Zukunft verschlossen war der Gewerkschafter nie. Zu seiner Pensionierung bekam er einen Computer geschenkt. "Mein Vater war ein Computer-Freak und hätte Facebook geliebt", ergänzt Evelyn Duval, die ihm in diesem Punkt nicht folgen will. Sie lebt "fast ohne Strom", sagt Duval, ist trotzdem perfekt vernetzt. Freilich auch dank eines Mobiltelefons, denn schließlich muss eine Hebamme gut erreichbar sein.

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Sophia-Therese Fielhauer-Resei (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775198 Dornbach-Neuwaldegg hinkt ein wenig nach, zwar gibt es neue Restaurants und ein kleines Café statt Tankstelle und Installateur, doch der Quell der Vernetzung scheint verdorrt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993775214 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772983 Netzwerke des Bösen? Seit 1994 hat das Böse einen Namen: Bielefeld. Die Stadt in Nordrhein-Westfalen existiert nämlich in Wahrheit gar nicht. Vielmehr ist ihre Erfindung Teil einer großangelegten Weltverschwörung. Hinter dieser stecken wahlweise der CIA, der Mossad oder Außerirdische. Im Gegensatz zu vielen anderen Verschwörungsmythen ist der Urheber der "Bielefeldverschwörung"  bekannt. Achim Held hat selbige 1994 als Partyscherz kreiert und erlangte damit, auch über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus, Bekanntheit.

Ernstgemeinte Verschwörungsbilder

Bereits ein schneller Blick ins Internet zeigt demgegenüber, dass die Satire einmal mehr von der Realität geschlagen wird. So behauptet etwa ein gewisser David Icke seit vielen Jahren, dass eine intelligente Reptilienrasse die Welt beherrschen würde. Dass Leute wie Icke nicht einfach als Verrückte abgetan werden können, unterstreicht nicht nur dessen Behauptung, dass diese Wesen und Juden etwas miteinander zu tun haben.
Insbesondere am rechten Rand blühen verschiedene Verschwörungsthesen. Aktuell beliebt ist etwa die Behauptung, dass eine kleine mächtige Gruppe mittels Migration die Gesellschaft bewusst unterwandern wolle. Solche und ähnliche Erklärungsmuster füllen die rechten Internetforen, zu deren KonsumentInnen nicht zuletzt auch der Terrorist Anders Behring Breivik gehörte. Doch nicht nur Breiviks Bekennerschreiben war gespickt von verschiedenen Verschwörungsmythen. Nach den Anschlägen von Norwegen beantworteten einige von Breiviks Lieblingsbloggern die Frage nach dem "Warum" ebenfalls mit wüsten Spekulationen. Der Terrorist sei von Islamisten zu seinen Taten aufgestachelt worden, heißt es etwa auf  Jihaddwatch.org. Andere betonen seine Mitgliedschaft bei einer Gesellschaft Namens Johannisloge. Zu Recht stellt die deutsche Zeitschrift "Der Spiegel" für dieses geistige Umfeld insgesamt ein "Weltbild der Verschwörung" fest.

Phänomen Verschwörungsmythen

Hunderte Foren und einschlägige Publikationen mit Millionenauflagen zeigen, dass es sich bei sogenannten "Verschwörungstheorien" um ein echtes  Massenphänomen handelt. Studien des US-Soziologen Ted Goertzel haben bereits vor mehreren Jahren ergeben, dass mehr als die Hälfte der jeweils befragten Personen zumindest eine "Verschwörungstheorie" für glaubwürdig hielt. Doch nicht nur solche Umfragen, ob Lady Di ermordet oder die Mondlandung von der NASA inszeniert wurde, ergeben regelmäßig erstaunlich hohe Zustimmungswerte. Wohl jeder der als Erwachsenenbildner historische und aktuelle Themen behandelt, oder sich als aktiver Gewerkschafter am berühmten Stammtisch umhört, wird feststellen, welche Macht den Illuminaten, Freimaurern oder schlicht der "Ostküste"  zugeschrieben wird. Was in diesem Sinne umgangssprachlich als "Verschwörungstheorien" zusammengefasst wird, bezeichnet man wissenschaftlich als Verschwörungshypothesen bzw. Verschwörungsideologien. Erstere beziehen sich auf einzelne, meist umstrittene oder ungeklärte Ereignisse wie den Mord an John F. Kennedy.
Letztere erklären den Verlauf der gesamten Weltgeschichte über die zentrale Steuerung einer relativ kleinen Gruppe, die meist im Geheimen wirkt. In beiden Fällen gilt, dass nicht die Wirklichkeit Ausgangspunkt der jeweiligen Erklärung ist, sondern bloße Annahmen und Dogmen.  Diese werden in der Praxis so dargestellt, dass sie weder überprüfbar noch korrigierbar sind. Genau aus diesem Grund ist wissenschaftlich betrachtet der Begriff "Theorie" unangebracht.

Sündenböcke gesucht und gefunden

Bereits im Mittelalter wurden mit den angeblichen Werken von "Ketzern" und (religiösen) Randgruppen Seuchen und Naturkatastrophen erklärt. Kirche und Adel fungierten hierbei als ideologischer Motor. Während der französischen Revolution standen demgegenüber zwar plötzlich auch die (ehemals) Herrschenden im Zentrum von Verschwörungsthesen. Seit dem 19. Jahrhundert ist dieses Themenfeld allerdings wieder fest in der Hand rechter Strömungen.
Konservative Ideologen überhöhten im Kontext mit der Politik der Restauration nach dem Wiener Kongress, konspirativ wirkende demokratische Kleingruppen zu "Alleinschuldigen" für revolutionäre Gefahren. Neben den Freimauern galt diese Zuschreibung insbesondere für den Bund der Illuminaten, dem man praktisch die Verantwortung für die gesamte französische Revolution überstülpte. Von Frankreich ausgehend wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich nicht nur die Rassentheorie entwickelt, sondern auch die Freimauerei zur jüdischen Organisation erklärt. Mit den "Protokollen der Weisen von Zion" schuf Anfang des 20. Jahrhunderts wahrscheinlich der Geheimdienst im zaristischen Russland einen der wirkungsmächtigsten Verschwörungsmythen. Im Kontext mit der russischen Revolution 1917 konstruierten rechtsextreme Kreise in der Folge die jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung - und damit u. a. die ideologische Basis für den Nationalsozialismus.

Krisenzeiten - Verschwörungszeiten

Der Berliner Geschichtsprofessor Wolfgang Wippermann hat die gängigsten Behauptungen und Muster erst unlängst wieder beschrieben und gegenübergestellt. So kursieren etwa die "Protokolle der Weisen von Zion" bis heute in der Gedankenwelt der Verschwörungsideologen; etwa um die Anschläge vom 11. September zu erklären. Wippermann holt bei der Analyse solcher Kontinuitäten sehr weit aus, wenn er diese letztlich auf ein zwischen "Gut" und "Böse" vereinfachendes Weltbild zurückführt.
Insbesondere hebt er hier nämlich die Existenz des Teufels in den großen Religionen hervor bzw. die Verfolgung ("Verteufelung") seiner vermeintlichen AnhängerInnen als Hexen oder Ketzer. Zuzustimmen ist Wolfgang Wippermann freilich in jedem Fall, wenn er die gesellschaftliche Funktion von Verschwörungsideologien anspricht: "Krisenzeiten sind Verschwörungszeiten." Gemeint sind damit sowohl Kriege, Naturkatastrophen und ökonomische Krisen als auch (daraus oft resultierende) geistige Orientierungslosigkeit. Es verwundert somit nicht, dass gerade in einer komplexen, globalisierten Welt, mit ihren zahlreichen Krisenherden, Verschwörungsthesen gerne angenommen werden.

Bildungsarbeit gegen Mythen

Verschwörungsideologen haben zweifellos auch die neuen medialen Möglichkeiten der Darstellung  ihrer Thesen gut genutzt.  Schnelle Verbreitung, seriöse Form und niedrige Eintrittsschwellen in die Welt der "Eingeweihten" durch das Web 2.0 bedeuten hier neue Spielfelder für alle AkteurInnen. Die inhaltlichen Herausforderungen im Umgang mit derartigen Erklärungsmustern sind demgegenüber keineswegs neu.
Erstens stellt sich die Frage, ob Verschwörungsmythen in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit genügend Raum finden bzw. ihnen eben auch mit der notwendigen, medialen Technik begegnet wird. Zweitens erscheint es selbst für an sich rational bzw. fortschrittlich denkende Menschen zuweilen bequem, sich im Umgang mit komplexen Fragen auf bestimmte Mythen zurückzuziehen. Das gilt beispielsweise wenn die Globalisierung als reines Machwerk einer gut vernetzten, kleinen Gruppe dargestellt wird. Doch Unternehmerverbände, Lobbyisten und gekaufte PolitikerInnen sind - wie auch die Geschichte der Gewerkschaften beweist - nicht allmächtig. Sozioökonomische Prozesse unterliegen vielmehr Wechselwirkungen und Widersprüchen bzw. eben auch erfolgreichen Widerständen.

Unzufriedenheit aufgreifen

Darüber hinaus ist noch ein weiterer Punkt festzuhalten: Die bereits erwähnten US-Studien Goertzels haben auch ergeben, dass unzufriedene Menschen eher an Verschwörungen glauben als zufriedene.
Aktive Gewerkschaften, die bestehenden Unmut aufgreifen und z. B. in Richtung des gewerkschaftlichen Protests kanalisieren, können somit einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Nährboden für Verschwörungsideolog(i)en auszutrocknen.

Internet:
Breiviks Lieblings-Blogs.
Weltbild der Verschwörung
tinyurl.com/44mrfq3
Satire Bielefeldverschwörung
www.diebielefeldverschwörung.de 
Ted Goertzel, Conspiracy theories in science
tinyurl.com/2b7ndd7

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John Evers (Historiker und Erwachsenenbildner) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772977 So behauptet etwa David Icke seit vielen Jahren, dass eine intelligente Reptilienrasse die Welt beherrsche. Dass er nicht als Verrückter abgetan werden kann, unterstreicht dessen Behauptung, dass diese Wesen und Juden etwas miteinander zu tun haben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772939 Nazis online Ein aktueller Clip auf Youtube: Fackelträger beim nächtlichen Marsch durch leere Straßen, die Gesichter mit weißen Masken verhüllt. Die Szenerie wird untermalt von dramatischer Musik. Dahinter stecken Neonazis, die vor dem "drohenden Volkstod" warnen und dabei rassistisches und antidemokratisches Gedankengut verbreiten. Das Video erzielte binnen weniger Wochen mehr als 20.000 Zugriffe.

Hasspropaganda in Sozialen Medien

Sie sind überall. Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs um Jugendliche. Es kann nicht geduldet werden, dass Rechtsextreme diese Dienste für ihre Hasspropaganda missbrauchen. Betreiber wie YouTube und Facebook müssen ihrer Verantwortung nachkommen und mehr tun, um das zu verhindern.
Willi Mernyi, Gewerkschafter und Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ) schildert seine Erfahrungen: "Facebook ist da recht schnell, genau wie ebay. Ein anderes Thema ist YouTube, die verstecken sich hinter Sprüchen, dass sie ja nur eine Plattform seien. Aber wenn beispielsweise Plattenfirmen Videos ihrer Künstler löschen wollen, stehen sie Habtacht und folgen der Aufforderung sofort. Allerdings ist YouTube schwer öffentlich angreifbar, weil man ja nicht Werbung für den von ihnen verbreiteten Dreck machen will." Vor allem bei stark emotionalen Themen sind die Zugriffszahlen sehr hoch: Ein rechtsextremes Musikvideo zum Thema Kindesmissbrauch brachte es bislang auf knapp 900.000 Klicks.
Ein Bericht der deutschen Infoseite jugendschutz.net zeigt: Je stärker sich die Aktivitäten der Rechtsextremen ins Web-2.0 verlagern, desto wichtiger ist es, dass große internationale Plattformen wie Facebook und YouTube Regeln aufstellen und effektiv durchsetzen. jugendschutz.net erreicht zwar in vielen Fällen eine schnelle Entfernung von strafbaren Inhalten aus dem Netz, es gibt jedoch zu wenige Vorkehrungen, damit diese oder ähnliche Beiträge nicht erneut hochgeladen werden.
Laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) sind das Verbotsgesetz und ähnliche Gesetze in anderen Ländern zwar auch im Netz anwendbar, aber der Zugriff ist schwierig bis unmöglich, da die Server einfach in Länder ohne solche Gesetze ausweichen. Juristisch ist das national nicht zu lösen, es ist zumindest eine EU-weite, besser noch eine globale Regelung anzustreben. Die UserInnen lehnen allerdings Einmischung und die Kontrolle des Internets unter der Parole "Free Speech" vehement ab. "Was für Zeitungen und elektronische Medien gilt, müsste auch für das Internet gelten. Das Internet soll keinen Sonderstatus haben!", sagt ein Mitarbeiter des DÖW.
Viele Macher solcher Seiten knüpften an der Lebenswelt sowie den Ängsten und Nöten der jungen Generation an. Sie instrumentalisierten Themen wie sexuellen Missbrauch, Finanzkrise oder Arbeitslosigkeit, um emotionalisierte Zukunftsdebatten anzufachen und fremdenfeindliche, antisemitische und antidemokratische Einstellungen zu schüren.

Rechtliches und politisches Thema

"Bei der Thematik gibt es mehrere Ebenen", erläutert Willi Mernyi. "Offen rassistische Seiten, wie Alpe-Donau-Info, die aus den USA ins Netz gestellt wurden, wurden lange nicht bekämpft, diese Seite ist jetzt aber endlich erledigt.
Dann gibt es Social Media, diese werden viel zu wenig bekämpft. Es gab zum Beispiel eine Seite auf Facebook 'Sperrt Mauthausen für Kinderschänder auf‘, die darauf baute, dass es gesamtgesellschaftlich keine Solidarität mit Kinderschändern gibt. Daraufhin hatte die Seite bald Tausende 'likes‘ zu verzeichnen, aber Facebook hat sie dann auf unser Betreiben gelöscht." Rechtsextremismus ist nicht nur ein rechtliches Thema, sondern auch ein politisches. Man kann eine Position der Betreiber erwarten, ist Mernyi überzeugt, "denn, es stimmt eines: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen."

Niemand soll das cool finden

Das MKÖ, das vom ÖGB zusammen mit der katholischen Bischofskonferenz und der israelitischen Kultusgemeinde gegründet wurde, macht viele Veranstaltungen, in denen vor allem Zivilcourage vermittelt werden soll. "Es soll niemand diese Schweinereien cool finden", erklärt Mernyi den didaktischen Ansatz: "Es ist nicht naiv zu glauben, dass es Veränderung zum Positiven geben kann, denn wenn heute Kids zum Beispiel Schwule ärgern nicht schlimm finden, aber Behinderte ärgern ablehnen, dann ist das eine signifikante Verbesserung zu früheren Zeiten, die natürlich nicht das Ende dieses Prozesses sein kann."
Der neoliberale Zeitgeist tue so Mernyi sein Übriges, denn "wenn ständig gepredigt wird, dass nur der Einzelne wichtig ist und die Gesellschaft unwichtig, dann hat man einerseits Leute, wie kürzlich bei den Ausschreitungen in London, die sagen: egal, dass das nicht mein Fernseher ist, ich will ihn, also stehle ich ihn, und andererseits Menschen, die einfache Antworten auf die Frage wollen, warum sie ihr Leben nicht auf die Reihe kriegen."
Daher sollte auch immer die gesellschaftspolitische Arbeit im Vordergrund stehen, die der ÖGB auch mit Nachdruck macht. In Deutschland machen die Gewerkschaften auch sehr viel, vor allem die IG Metall. Aber dort sitzen Nazis auch im Parlament, da gibt es auch tätliche Gewalt gegen GewerkschafterInnen. "Andererseits sitzen bei uns so Leute wie der Königshofer im Parlament, das ist auch nicht grade mustergültig. Aber wenigstens gibt es keine uniformierten Schlägertrupps, wie zum Beispiel in Ungarn", versucht Mernyi der österreichischen Situation Positives abzugewinnen.

Wer ist ein Neonazi?

Laut DÖW wird die FPÖ auf einschlägigen Seiten und auch auf Facebook und Twitter häufig genannt, überwiegend zustimmend. Sie verwehrt sich zwar vehement gegen die Vereinnahmung durch die Rechtsextremen, aber Fälle, wie Königshofer zeigen doch eine Affinität zu rechtsextremem Gedankengut. "Mit verbalen Abgrenzungen ist es nicht getan, was tut die FPÖ aktiv gegen diese Dinge, die sich in ihren Reihen abspielen? Der Ausschluss Königshofers hat das Problem sicherlich nicht gelöst", meint ein Mitarbeiter des DÖW.
Früher konnte man als BetriebsrätIn einen Neonazi leicht identifizieren, Bomberjacke, kurze Haare, Springerstiefel. Heute sind die Rechtsextremen nicht so leicht zu erkennen. In der starken oberösterreichischen Nazi-Szene sind die meisten gut angezogen, gehen einer geregelten Arbeit nach, sehen eher unauffällig aus, stehen also mitten in der Gesellschaft. Die Verknüpfung von Web-2.0-Bausteinen mit den "klassischen" rechtsextremen Angeboten sorgt für eine optimale Szenevernetzung. "Die Vernetzung funktioniert auch international gut, zum sogenannten 'Tag der Ehre‘ in Budapest, wo der gegen die Rote Armee gefallenen Schergen des Naziregimes gedacht wird, sind auch die Recken aus Österreich und Deutschland angereist", so das DÖW. Vielfach wird auf massive Hassparolen verzichtet. Stattdessen locken Neonazis mit Elementen einer modernen Erlebniswelt. Symbolik, sprachliche Codes und multimediale Ästhetik orientieren sich an jugendgemäßen Ausdrucksformen. Gepaart mit Themen, die junge Menschen bewegen, dockt die Agitation nicht nur an heutige Medienwelten an, sondern trifft auch inhaltlich auf Zustimmung außerhalb rechtsextremer Kreise.
Über 90 Prozent der Kids kommen über Nazimusik in die Szene. "Nicht jeder, der solche Musik konsumiert, wird auch ein Neonazi, aber die Musik ist so etwas wie die Einstiegsdroge für die Szene", weiß Willi Mernyi. "Da solche Musik verboten ist, ist sie eine Provokation, was gut ankommen kann, außerdem spielt die Kameradschaft eine große Rolle. Mittlerweile klappt auch das Verbieten der Konzerte in Österreich ganz gut, weniger weil die Polizei plötzlich überzeugter gegen die Neonaziszene vorgeht, sondern weil sie keine Scherereien will. Denn die gibt es bei solchen Veranstaltungen hundertprozentig."

Internet:
www.mkoe.at 
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Thomas Varkonyi (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772839 Sie sind überall. Neonazis werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und Blogs um Jugendliche. Es kann nicht geduldet werden, dass Rechtsextreme diese Dienste für ihre Hasspropaganda missbrauchen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772852 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772795 Die digitale Kluft Das muss ich schnell mal googeln" ist in unseren Kreisen ein weit verbreiteter Ausspruch, sobald eine Frage nach einer konkreten Information auftaucht. Das Internet als schier unerschöpfliche Quelle von Information und Wissen ist als Nährboden der Wissensgesellschaft nicht mehr wegzudenken. Mussten früher unhandliche und vor allem sehr teure Enzyklopädien und Atlanten konsultiert werden, bieten Wikipedia und Google Maps heute Wissen auf Mausklick.
Willkommen in der Wissensgesellschaft - Information, der Zugang zu ihr und die Kompetenz, sie zu verstehen, zu verarbeiten und auch kritisch zu hinterfragen sind die wichtigsten Grundlagen, um in ihr zu bestehen. Der Umkehrschluss liegt nahe: Wer über Zugang zu und Kompetenz zum Umgang mit Information nicht verfügt, bleibt außen vor.

Digitale Klassengesellschaft

Der Zugang zu Information kann im digitalen Zeitalter mit dem Zugang zum Internet gleichgesetzt werden - umso mehr, als auch immer weitere Bereiche des Alltags in die virtuelle Welt verlagert werden: Wer nicht in der Lage ist e-banking zu nutzen, bezahlt teure Gebühren; ein Studium ohne e-learning zu absolvieren ist nicht mehr vorstellbar, und auch Amtswege werden über e-government zunehmend online erledigt. Die Schere zwischen den Bevölkerungsgruppen, die über Internetzugang verfügen und jenen, die davon ausgeschlossen sind, wird als "digitale Kluft" oder englisch "digital divide" bezeichnet. Diese Spaltung kann sowohl innerhalb einer Gesellschaft als auch auf globaler Ebene zwischen entwickelten und sogenannten Entwicklungsländern beobachtet werden. Verallgemeinernd kann aber festgestellt werden: Junge, Reiche und Gebildete nutzen Informationstechnologien im Allgemeinen sehr intensiv, Arme, Alte und Ungebildete hingegen tendenziell weniger.

"Onliner" und "Offliner"

Die Grundvoraussetzung dafür, das Internet nutzen zu können, ist natürlich eine entsprechende Infrastruktur. Eine kürzlich vom österreichischen Meinungsforschungsinstitut IFES durchgeführte Studie bringt innerhalb Österreichs ein deutliches Stadt-Land-Gefälle zutage: Demnach verfügen 78 Prozent der städtischen, aber nur 69 Prozent der ländlichen Befragten über Zugang zum Internet. Die niedrigste Durchdringung mit Internetanschlüssen weist das großflächige Niederösterreich auf, das wesentlich schwieriger zu erschließen ist als dicht besiedelte Städte.
Sofern ein Internetanschluss prinzipiell technisch möglich wäre, muss man sich einen Internetanschluss auch noch leisten können. Beinahe alle Haushalte, die mehr als 3.500 Euro monatlich zur Verfügung haben, besitzen einen Internetanschluss, allerdings nur 62 Prozent derer, die ein Haushaltseinkommen unter 1.500 Euro aufweisen. Breitbandanschlüsse sind in der gut verdienenden Gruppe mehr als doppelt so häufig vorhanden als in der mit geringem Einkommen.
Auch das Bildungsniveau und die damit einhergehende "IT literacy", also das Wissen darüber, welche Möglichkeiten das Internet bietet, wie es sinnvoll eingesetzt werden kann, und welche Aufgaben man damit bewältigen kann,  sind wesentliche Faktoren für oder gegen den Zugang. 92 Prozent der österreichischen Akademikerinnen und Akademiker sind online, allerdings nicht einmal 42 Prozent der Menschen mit Pflichtschulabschluss.
Gut ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher über 60 Jahren verfügt über einen Internetanschluss. Bei den unter 30-Jährigen liegt dieser Anteil freilich bei 90 Prozent. Diese "Digital Natives" sind mit Informationstechnologien schon aufgewachsen oder zumindest früh in Berührung gekommen, sodass der Umgang mit Computer und Internet für sie völlig alltäglich ist. Die älteren "Digital Immigrants" hingegen haben hier häufig Berührungsängste. Dass aber auch bei der älteren Generation durchaus Interesse am neuen Medium Internet vorhanden ist, beweisen die zahlreichen Kursangebote, die sich direkt an diese Zielgruppe richten und an deren Bedürfnissen und Interessen orientieren. Ein Kurs mit dem Titel "Social Internet (50plus)" verspricht neben der Einführung in spezielle Webportale für Menschen dieser Altersgruppe auch eine Einführung in elektronische Behördengänge und Gesundheitsangebote. Georg Serentschy, Chef der Regulierungsbehörde RTR, zieht aus der Studie die Schlussfolgerung, dass politisches Handeln nötig ist, um allen einen Zugang zum Internet zu ermöglichen. Neben Infrastrukturpolitik sei es notwendig, die Vorteile des Internets bekannt zu machen - rund die Hälfte der Personen ohne Internetanschluss geben mangelndes Grundwissen über Computer und Internet als Begründung ihrer Internetabstinenz an. Serentschy weiter: "Es geht hier um Themen wie Meinungsfreiheit und den Zugang zu Informationen. Die Fähigkeit, das Internet zu nutzen, ist demokratiepolitisch enorm wichtig."

Die ganze Welt im WorldWideWeb?

Die demokratiepolitische Bedeutung des Internet lässt sich anhand des "Arabischen Frühlings", bei denen Twitter, Facebook und Co. wichtige Instrumente zur Organisierung der Aufstände waren, verfolgen. In Tunesien und Ägypten, den beiden Ländern die in diesem Zusammenhang am häufigsten genannt werden, ist die Verbreitung von Internet und Social Media aber auch entsprechend hoch - knapp ein Viertel der Ägypterinnen und Ägypter ist online, ein Drittel der Userinnen und User sind auch auf Facebook vertreten. In Tunesien, wo die Internet-Affinität sogar noch höher ist, verfügt mehr als ein Drittel der Bevölkerung über einen Internetzugang und ganze 72 Prozent davon über ein Facebook-Profil. Zum Vergleich: Drei Viertel der österreichischen Bevölkerung ist online, fast 42 Prozent davon auf Facebook. Weder Ägypten noch Tunesien sind aber repräsentativ für Afrika: Nur etwas mehr als elf Prozent der Menschen haben im Durchschnitt Zugang zum Internet. In einer Welt, deren Wirtschaft immer stärker auf virtueller Vernetzung beruht, ist es gerade für Entwicklungsländer unerlässlich, in die globale Kommunikation via Internet eingebunden zu sein. Um die digitale Kluft zwischen entwickelten und sogenannten Entwicklungsländern zu schließen, beriefen die Vereinten Nationen 2003 den ersten Weltgipfel über die Informationsgesellschaft ein. Das Ziel des Gipfels war es, eine "Vision einer allumfassenden, globalen Informationsgesellschaft zu entwickeln, in der alle Menschen gleichermaßen ermächtigt werden, die Information und das Wissen für ihre wirtschaftliche, soziale, kulturelle und politische Entwicklung zu gestalten, frei zu teilen und zu benutzen". Auf den beiden bisher abgehaltenen Gipfeln wurden zehn Ziele formuliert, die bis spätestens 2015 erreicht werden sollen. Unter anderem soll bis dahin mindestens die Hälfte der Weltbevölkerung Zugang zum Internet haben.

Infrastruktur fehlt

Ob die ehrgeizigen Zielsetzungen des Weltgipfels tatsächlich erreicht werden ist fraglich. Nach Schätzungen der International Telecommunication Union war Ende 2009 lediglich rund ein Viertel der gesamten Weltbevölkerung online, in den Entwicklungsländern sogar nur knapp 18 Prozent. In weiten Teilen der Welt ist die für eine flächendeckende Verbreitung des Internet notwendige Infrastruktur kaum vorhanden, teilweise mangelt es sogar an der Versorgung mit elektrischem Strom. Die Anschaffung eines Computers ist für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich, sodass öffentliche Internet-Zugänge, beispielsweise in Bibliotheken oder Schulen, die einzige Möglichkeit sind. Mangelnde Sprachkenntnisse oder Analphabetismus sind weitere Hindernisse, das Internet nutzen zu können.

One Laptop per Child

Eine der bekanntesten Initiativen, die zur Erreichung dieses Zieles beitragen sollen, ist "One Laptop per Child". Ziel des Projekts ist es, Kindern in Entwicklungsländern einen günstigen, robusten und energiesparsamen Laptop zur Verfügung zu stellen.
Den Kindern wird der Zugang zum Internet ermöglicht und gleichzeitig die Kompetenz, es sinnvoll zu nutzen, vermittelt. Mittlerweile lernen über zwei Millionen Kinder in mehr als 42 Ländern mit dem quietschgrünen 100-Dollar-Laptop. Ein Schritt, um die digitale Kluft zumindest für die nächste Generation ein Stück weit zu schließen, der allerdings in umfassende nationale und internationale Strategien eingebettet sein muss.

Internet:
Initiative One Laptop per Child:
www.laptop.org 

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Pia Lichtblau (weltumspannend arbeiten ÖGB) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772777 Gut ein Drittel der ÖsterreicherInnen über 60 Jahren verfügt über einen Internetanschluss. Bei den unter 30-Jährigen liegt dieser Anteil freilich bei 90 Prozent. Diese "Digital Natives" sind mit Informationstechnologien schon aufgewachsen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772751 Endlich offline Vor mir liegen drei Wochen Kur  wegen berufsbedingter Nacken-, Schulter- und Handgelenksproblemen. Am Abend des ersten Tages bin ich erleichtert, auch PatientInnen diesseits des Pensionsantrittsalters zu sehen. Am zweiten Tag erfahre ich, dass "Internetnutzung für Kurgäste nicht vorgesehen ist", kein W-LAN, kein PC in der Lobby, nichts. Glücklich jene, die in weiser Voraussicht einen USB-Stick eingepackt haben. Wir anderen schmieden alternative Einstiegspläne für die kommenden Wochen. Überraschenderweise habe ich das Internet dann kaum vermisst. Zurück in meinem Home-Office dauerte es eine Weile, bis ich meine alten Online-Gewohnheiten wieder aufnahm.
Einen freiwilligen Selbstversuch dieser Art schildert der Journalist Christoph Koch in seinem 2010 erschienenen Buch "Ich bin dann mal offline", in dem er witzig und selbstkritisch von seinem Monat ohne Internet und Handy erzählt. Zusätzlich bietet das Buch jede Menge Infos zum Thema Internet und Social Media. Koch - normalerweise rund um die Uhr online - hatte anfangs Probleme durch seine Abstinenz, hat aber seinen Selbstversuch freiwillig auf 40 Tage verlängert.

Multitasking als Pflicht

Die Geschwindigkeit, mit der technische Neuerungen uns allen zugänglich sind, nimmt ständig zu, Veränderungen erfolgen immer rascher: Das Radio hat fast vierzig Jahre gebraucht, bis es 50 Mio. genutzt haben, Facebook verzeichnete nach nur neun Monaten 100 Mio. UserInnen (derzeit in Österreich: 2,6 Mio., davon 2,3 Mio. zwischen 14 und 49). Multitasking lautet das Gebot der Stunde - beim Telefonieren werden Mails gelesen oder geschrieben, beim Warten an der Supermarkt-Kasse zwei Twitter-Meldungen abgeschickt. Eine Studie der Universität Stanford ergab, dass Menschen, die ständig mehrere Dinge gleichzeitig tun, bald nur noch schwer Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Die Fähigkeit, sich auf eine Sache konzentrieren zu können, sinkt. Auch Christoph Koch stellte fest, dass er sich nach einiger Zeit der Internet-Abstinenz wesentlich besser konzentrieren konnte, dass er ein größeres Arbeitspensum bewältigte, obwohl er das Gefühl hatte, mehr Freizeit zu haben als davor.

Filtern im Informationsfluss

Wer täglich mehrere Stunden im Internet surft, riskiert, dass Informationen lediglich durch ihn hindurchfließen. Denn Wissen entsteht erst, wenn Informationen verarbeitet und verankert werden können. Andererseits: Heute muss sich kaum jemand Informationen mühsam erarbeiten, meist geht es eher darum, aus einer Flut von Informationen das wirkliche Relevante herauszufiltern.
Social-Media-Plattformen wie Xing, Facebook & Co. sorgen für Veränderungen. Wer eine Veranstaltung besuchen will, kann erst im Netz nachschauen, wer schon zugesagt hat - und sich dann dafür oder dagegen entscheiden. Durch den laufenden virtuellen Kontakt in Form von Blogs, Twitter- und Statusmeldungen hat man ein Gefühl von Vertrautheit auch gegenüber Menschen, die man schon lange nicht mehr gesehen hat: A. war kürzlich auf einem Tenniscamp, B. ist soeben übersiedelt und Freizeit-Fotografin C. lädt zur Ausstellungseröffnung. Oft bleibt es aber beim Virtuellen, Unverbindlichen: Wer etwa einen Lokaltipp sucht, der wird vielleicht rasch Antwort bekommen. Braucht man konkrete, persönliche Hilfs- oder Dienstleistungen, muss man deutlich länger warten oder doch zum Telefon greifen. Im Allgemeinen bestehen Online-Beziehungen nur dann langfristig, wenn auch persönlicher Kontakt in irgendeiner Form dazukommt - und sei es nur per Telefon.
Schon beim einfachen Googlen schüttet unser Körper Glückshormone aus, angesichts der Erwartung von Neuem und dem Erfolg des Suchens. Bei Online-Netzwerken bringen "Gefällt mir"-Buttons, Lol-Lacher, Weiterempfehlungen etc. rasche Bestätigung, denn irgendwer aus dem virtuellen Freundeskreis ist immer online. Es entsteht ein Gefühl der Beliebtheit, oft wird mehr an Freundschaft und Verständnis hineininterpretiert als tatsächlich vorhanden.
Waren vor einigen Jahren noch hauptsächlich männliche Jugendliche durch Online-Rollenspiele betroffen, so haben heute die (älteren, auch weiblichen) Social-Media-UserInnen ebenfalls Probleme: "Soziale Kontakte finden mehr und mehr online statt und immer weniger in der Realität", so der Psychiater Dr. Hubert Poppe. Internet-Abhängigkeit äußert sich ganz ähnlich wie andere Süchte: Kontrollverlust (man vergisst auf die Zeit und auf Verabredungen), negative Konsequenzen in Beruf, Schule oder Partnerschaft, Entzugserscheinungen (Unruhe, Schlafstörungen etc.), Lügen und Heimlichkeiten in Zusammenhang mit dem Suchtmittel. Bestehen diese Symptome mehrere Monate, ist fachkundige Hilfe erforderlich.
Christoph Koch hatte anfangs auch Probleme mit der Internet-Abstinenz, sie reichten von Phantomvibrieren in der Hosentasche über Kopfschmerzen bis zur permanenten Angst etwas zu verpassen: "Zu behaupten ich würde mich nackt fühlen, wäre eine charmante Untertreibung. Während ich da sitze und auf meine Pizza warte, wird mir klar, was ein ganz entscheidender Faktor zumindest meiner Sucht nach Erreichbarkeit und Verbundensein mit den Netzwerken dieser Welt ist: die Angst etwas zu verpassen. Das Gefühl, die Welt könne sich nicht ohne das eigene Zutun weiter drehen - und die noch viel größere Angst, sie könne es eben doch!"

Tipps für Online-Junkies

Koch hat nach seiner 40-tägigen-Online-Fastenzeit einiges an seinen Internet-Gewohnheiten verändert, seine Empfehlung:
Definieren Sie fixe Offline-Zeiten, idealerweise auch einmal 24 Stunden hindurch. Das inkludiert, dass Sie Ihre Erlebnisse erst am darauffolgenden Tag posten.
Erledigen Sie wichtige Dinge möglichst noch bevor Sie den Computer einschalten.
Es spart Zeit, E-Mails nicht sofort zu lesen, sondern nur zu bestimmten Zeiten abzurufen. Lassen Sie sich von roten Rufzeichen u. Ä. nicht übermäßig stressen, diese sind Zeichen von mangelhaftem Zeitmanagements der AbsenderInnen und keine zwingenden Handlungsanweisungen für Sie.
Sie müssen nicht ständig erreichbar sein, definieren Sie fixe Kernarbeitszeiten, auch wenn Sie zu hause arbeiten. Psychologen der Portland State University haben in Interviews mit mehr als 400 Berufstätigen festgestellt, dass all jene, die Blackberry, Laptop & Co. auch zu hause verwenden, viel schlechter abschalten können als jene, die Beruf und Freizeit streng trennen.
Fast alle finden es nervig, wenn sie mitbekommen, dass ihr Gesprächspartner während eines Telefonates Mails checkt oder ähnliches - und trotzdem tun die meisten genau das. Wenn es nicht um Dinge geht, die den Inhalt des Telefonats betreffen, ist es meist zeitsparender und nervenschonender, sich auf das Gespräch zu konzentrieren.

Vom Rückenschmerz bis Thrombose

Wer täglich stundenlang am Computer sitzt, könnte seine Gesundheit gefährden: Ähnlich wie bei Langstreckenflügen kann stundenlanges Sitzen fatale Konsequenzen haben. So meldeten vor einiger Zeit die Medien, dass ein 32-jähriger Mann nach 18 Stunden am Computer an einer Thrombose gestorben war. Aber auch Haltungsschäden und Probleme durch die tausendfach wiederholten kleinen Bewegungen beim Scrollen oder Klicken mit der Maus sowie beim SMS-Tippen können entstehen. Symptome wie Verspannungen im Rücken-, Schulter- und Nackenbereich, Schmerzen im Arm, den Fingern etc. werden anfangs oft ignoriert und können so chronisch werden. Aber vielleicht sorgen hier in Zukunft  die Touchscreens von iPhone & Co. für Erleichterung.

Internet:
Mehr Infos unter:
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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772675 Bei Online-Netzwerken bringen "Gefällt mir"-Buttons, Lol-Lacher, Weiterempfehlungen etc. rasche Bestätigung, denn irgendwer aus dem virtuellen Freundeskreis ist immer online. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772703 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772624 Korrekter Auftritt im Karriere-Netz Stellen Sie sich vor, Sie googlen den Namen eines früheren Schulfreundes - und finden: Nichts. Facebook? Fehlanzeige. Xing? Twitter? Keine Person dieses Namens. Lebt der Gesuchte überhaupt noch? Ist er ein Phantom? Dasselbe passiert Personalverantwortlichen bisweilen, wenn sie den Namen von BewerberInnen im Internet aufzuspüren versuchen.
Social Media hat sich in der letzten Zeit massiv verbreitet - zumindest hat es für die, die sie nutzen, den Anschein. Trotzdem gibt es Menschen, die in sozialen Netzwerken nicht anzutreffen sind. Haben sie am Ende was zu verbergen? Ist man unsozial, wenn man sich im Web 2.0 nicht über den Gartenzaun blicken lässt? In einer Welt, in der eine Nachricht via Facebook zum Alltag gehört, wirkt eine virtuelle Abwesenheit schnell verdächtig - oder?

Unsozial ohne Social Media?

Nein, sagt die Lehrlingsexpertin Petra Pinker: "Unsozial wäre eher einzustufen, wenn man Menschen verurteilt, weil sie nicht auf Facebook etc. zu finden sind. Das muss jeder für sich entscheiden, ob und wie viel Internet man verträgt." Jein, sagt Headhunter Paul Binder von Binder & Partners Executive Search, der die Niederlassung Budapest des WU-Alumni-Clubs leitet: "Nicht auf einem sozialen Netzwerk vertreten zu sein, ist grundsätzlich kein Entscheidungskriterium für eine Anstellung. Das ist wesentlich besser, als ein unprofessionelles Profil oder negative Fußabdrücke im www zu hinterlassen."
Allerdings kann jemand, der sich nicht im Web 2.0 präsentiert, von Personalberatungsunternehmen schwerer gefunden werden. Laut Binders Erfahrung kommen soziale Netzwerke durchaus zum Einsatz, um KandidatInnen zu finden - allerdings seien sie ein Tool von vielen und könnten nicht die Direktsuche ersetzen. Für gehobene Managementpositionen bedeute die Präsenz kein Kriterium, eher im Gegenteil - einem Bewerber als Generaldirektor könnte eine solche Aktivität negativ ausgelegt werden, im Sinne einer übertriebenen Selbstdarstellung, oder es stellt sich die böse Frage, "ob er nichts Wichtigeres zu tun hat". Für solche Positionen eigne sich eine Selbstdarstellung in Form von Vorträgen oder Fachartikeln besser - eine Möglichkeit, die auch für das mittlere Management nicht zu verachten sei.

Zurückhaltung empfohlen

Paul Binder: "Im mittleren Management kann man sich mit einem ausführlichen Profil auf einem sozialen Netzwerk positiv gegen eine größere Zahl von MitbewerberInnen abheben." Ein professionelles Profil auf einem seriösen Netzwerk wie Xing erhöht die Chancen, von den richtigen Leuten gesehen zu werden. Das gilt nicht allein für die Jobsuche, sondern auch im Bezug auf sonstige berufliche Kontakte. Entscheidend bei der Nutzung von Social Media: Man sollte sich eine Strategie überlegen, wie man sich darstellen möchte. Binder geht davon aus, dass etwa 80 Prozent der Recruitment-Verantwortlichen in größeren Unternehmen die Social Networks nach Informationen über KandidatInnen prüfen, bevor sie ihnen ein Angebot machen. Deswegen empfiehlt Binder "Zurückhaltung im www. Wie heißt es analog so schön bei Verhaftungen in amerikanischen Kriminalfilmen: Alles, was Sie sagen, kann später für oder gegen Sie verwendet werden." So lehnen Firmen durchaus KandidatInnen ab, die sie bereits einstellen wollten, wenn ihre Profile im Social Web unprofessionell wirken.

Richtig bewerben im Social Web

AMS-MitarbeiterInnen empfehlen durchaus, Xing, Facebook & Co. für die Bewerbung zu nützen, ebenso wie klassische Stellenbörsen oder Unternehmenswebseiten, die offene Jobs bekanntgeben. Eigene Kurse für das Bewerben im Social Web gibt es nicht. Fündig wird man jedoch im Internet: Gibt man "Facebook" und "Jobsuche" ein, finden sich jede Menge hilfreicher Artikel. Das Paradoxe: Im Vorstellungsgespräch sind private Fragen an die KandidatInnen verboten - doch im Internet sind genau solche Informationen oft uneingeschränkt sichtbar. Auch das Lästern über ChefIn oder ArbeitgeberIn zieht im World Wide Web schnell weite Kreise. Waren in den "guten alten Offline-Zeiten" die größten Gefahren die, dass ein paar KollegInnen die bösen Schmähungen mitbekamen und weiter erzählten, so schießt man sich mit ähnlichen Worten via Facebook & Co. einen viel größeren "Nagel ins Knie".

Coole Lehrlinge finden via Facebook?

Für Lehrlinge, die mit den Möglichkeiten des Internets aufgewachsen sind, kann Social Media als Türöffner dienen, etwa wenn sie bereits auf der Fan-Page eines Unternehmens ein Like gedrückt haben, schildert Lehrlingsexpertin Petra Pinker. Auch Aktivitäten des Unternehmens kann man so erfahren und im Bewerbungsgespräch erwähnen. Aber da ist Vorsicht geboten: "Man sollte nicht den Eindruck erwecken, man wäre ein Facebook-Junkie!"
Petra Pinker hat zum Beispiel für Baumeister Dinhobl aus Wiener Neustadt im Zuge eines Lehrlingscastings eine eigene Fan-Seite freigeschalten. Nach der heißen Bewerbungsphase wurde die Siegerin, Superlehrling Marion Kogelbauer, weiter präsentiert - so konnten auch andere Lehrlinge oder InteressentInnen an einer Lehrstelle das Lehrlingsleben verfolgen. Bei Auswahlverfahren checkt Pinker gerne mal die Facebook-Profile der BewerberInnen, um zu sehen, wie sie sich dort präsentieren. Viele junge Leute hätten dort allerdings Pseudonyme - auch ein Weg, um Nachforschungen zu entgehen.
Tolle Lehrlinge finden mit Social Media? Prinzipiell ja, denn die Zielgruppe steht diesen Netzwerken aufgeschlossen gegenüber. Dabei gilt für Unternehmen: Kaum etwas sieht so alt aus wie ein Facebook-Beitrag von voriger Woche. Eine Fan-Seite muss aktuell gehalten werden, und das bedeutet Zeitaufwand für das Unternehmen. Anna Schütz, Bauunternehmerin aus Weißenkirchen in der Wachau, erzählt dazu: "Obwohl viele unserer Lehrlinge für eine eigene Fan-Seite waren, haben wir in der Unternehmensleitung beschlossen, wieder aus dem Netz zu gehen. Die Fan-Seite muss immer auf dem letzten Stand sein, und das können wir neben den täglichen Aufgaben im Moment nicht gewährleisten."

Branchenunterschiede 

Social Media ist also in internet-affinen Branchen wie der Werbung stärker vertreten als in eher traditionellen Unternehmen. In gewissen Positionen kann es Sinn machen, sich beziehungsweise die eigenen Aktivitäten über Social Media zu präsentieren. Möglicher Nebeneffekt: Ergibt sich später der Wunsch nach einem neuen Job, hat man bereits Kontakte.
Einer der sich lange gegen einen Beitritt zu Facebook wehrte, ist ÖGB-Kampagnenspezialist Willi Mernyi. Skeptisch war er vor allem in Bezug auf die Datensicherheit. Doch: "Schließlich wurde ich durch sanften Druck meiner Umgebung überredet. Es ist schwer, wenn du für Kampagnenarbeit zuständig bist und Menschen zu Aktionen begeistern willst, von Netzwerken zu sprechen, und dann selbst nicht in Facebook präsent zu sein. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wahrscheinlich gilt man wirklich als unsozial oder uninteressiert an Kommunikation, wenn man nicht in Social Media gefunden wird."
Nach einem halben Jahr Facebook fällt Mernyis Resümee positiv aus. Er nützt das Medium vor allem, um auf diesem Weg Aktivitäten und Veranstaltungen bekannt zu machen: "Am meisten begeistert mich, wie spontan Facebookfreunde auf politische Ereignisse reagieren, und wie schnell sich eine gute Idee oder ein witziger Slogan verbreiten. Schon wenige Stunden nach der erstinstanzlichen Verurteilung des FPÖ-Politikers Scheuch kursierten die ersten Vorschläge für einen neuen FPÖ-Slogan: Aus "Unser Geld für unsre Leut" wurde "Unser Häfen für unser Leut". So macht Facebook Spaß!"

Internet:
Slavoj Žižek - Aussagen gezeichnet (Englisch):
tinyurl.com/3pt8et7
Jobsuche bei Facebook - Wie finde ich den Job, der zu mir passt?
tinyurl.com/3dfkh87
Tipps zur Bewerbung via Social Networks
tinyurl.com/3u5bsv7

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Anni Bürkl (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772602 Ist man unsozial, wenn man sich im Web 2.0 nicht über den Gartenzaun blicken lässt? In einer Welt, in der eine Nachricht via Facebook zum Alltag gehört, wirkt eine virtuelle Abwesenheit schnell verdächtig - oder? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772587 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772549 Netzbürgerschaft Die Zeit des Staunens über die Potenziale an Freiheit und Möglichkeiten des Internet ist allmählich auch bei jenen, die nicht schon als Kleinkind mit Onkel Fritz in Australien skypten, neuen Einsichten gewichen. Etwa jener, dass auch der Cyberspace per se kein freier Raum ist, in den man beliebig Botschaften verschiedenster Art entsenden kann und umgekehrt.

Kraken fressen Raum und Zeit

"Die anhaltende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Internet, der Trend zu 'professionellem‘ Bloggen, das sich durch Werbung oder Spenden finanziert, und Datenkraken wie Facebook, Google und Amazon räumen mit dem Konzept des Internet als großer, freier öffentlicher Raum auf", so Laura Kepplinger und Josef Zehetner in ihrem Beitrag "Öffentlicher Raum im Netz: Blogs, Wikis & Co."1
Fragen um Netzneutralität, Zugang zu freier und offener Software und die Herausforderung, den öffentlichen Raum ins Netz zu bringen, beschäftigen immer mehr Menschen. Was das Internet eigentlich ist, scheint eine Frage des Blickwinkels zu sein. Während es BenutzerInnen eher als Raum wahrnehmen, der allen gehört, sehen AnbieterInnen großer Internet-Dienste vor allem zwei Facetten: erstens die riesige Werbefläche und zweitens eine Struktur, die der Kontrolle unterliegt. Und zwar ausschließlich ihrer. Ähnlich ist der Fall beim Marktführer "Microsoft", wie es der Betriebssystemexperte Richard M. Stallmann, auf der Konferenz Wizards OS 1999 illustrierte. Mit einem Notebook als Bibel und der PC-Magnetplatte als Heiligenschein sagte er: "Ich verkündige euch die Freiheit! Ihr sollt kein anderes Betriebssystem auf eurem Laptop haben neben meinem!"

Eigentumsfrage 

Gerne kehrten die VerfechterInnen freier Netze zurück zu den Anfängen, um den öffentlichen Internetraum auch in Zukunft zu sichern. Protokolle und andere Grundlagentechnologien des Internet-Vorläufers wurden dazumals von der WissenschafterInnengemeinschaft veröffentlicht. Tim Berners-Lee, der das WWW-Protokoll und die Auszeichnungssprache HTML am europäischen Forschungszentrum CERN entwickelt hatte, erklärte sie ausdrücklich für gemeinfrei. Er setzt sich seither gegen alle Versuche einer Privatisierung im Rahmen des World-Wide-Web-Consortiums ein.  Als eines der großen politischen Manifeste des 20. Jahrhunderts wird von Fachleuten die von Richard Stallmann geschriebene urheberrechtliche Lizenz (GPL) bezeichnet. Als das deutsche Telekom-Unternehmen AT&T 1984 den Monopolstatus verlor, vermarktete es das Betriebssystem Unix, dessen Bestandteile weltweit von den WissenschafterInnen beigesteuert worden waren. Stallmann baute Unix nach, um es zur freien Entwicklung zu erhalten. Um dies auch rechtlich abzusichern, schrieb er die "General Public Licence", deren letzte von vier Freiheiten aus einer Bedingung besteht: "Die Freiheit, deiner Gemeinschaft zu helfen, i.e. die Freiheit, veränderte Versionen zu veröffentlichen und zu verbreiten (...) vorausgesetzt, dass du deine Veränderung unter denselben Bedingungen freigibst."

Shared Space

ProgrammiererInnen, die sich der freien Software-Gemeinschaft anschließen, verzichten weitgehend auf Urheberrechte. "Das unscheinbare Instrument einer Lizenzvereinbarung, die auf rechtssichere Weise das Copyright in ein Copyleft verkehrt", schreibt der Medienforscher Volker Grassmuck in seinem Aufsatz "Die Welt als Shared Space"2, "erzeugt eine Wissensallmende, und das mitten im Kernbereich der weiterhin kapitalistisch verfassten Informationsgesellschaft, der Software-Industrie." Mittlerweile wurden die Software-spezifischen Bedingungen über "Creative Commons"-Projekte auf Inhalte jeder Art übertragen (creativecommons.org). Freilizenzen schaffen einen Wissensraum, der kooperativ weiterentwickelt werden kann. Heute sei das Netz Infrastruktur und ökonomisch-organisatorische Grundlage für das Funktionieren einer Volkswirtschaft, meint der Finanzwirt Uwe Hochmuth im Aufsatz "Demokratisches und Ökonomisches Potenzial des Web 2.0". Das werfe die Frage nach gesellschaftlicher Aufsicht und Bereitstellung als öffentliches Gut auf.

Public Space Server

Der öffentliche Raum im Cyberspace ist bis dato ziemlich rar, meinen die BetreiberInnen des Projekts "Public Space Server", das 2009 in Linz gestartet wurde. Alle LinzerInnen haben dadurch Anspruch auf ein Gigabyte Webspace zur freien Verwendung und ohne Volumensbeschränkung beim Datenverkehr. Ziele sind die Schaffung digital-öffentlicher Räume für alle EinwohnerInnen, die Förderung von Online-Journalismus und anderer Nutzungsformen des Internet (pssinfo.public1.linz.at). Unter dem Titel "Open-Commons-Region Linz", (erstellt von der Johannes-Kepler-Universität Linz in Kooperation mit dem städtischen IT-Dienstleister), wurde im Juli 2010 eine Studie mit Vorschlägen für den freien Zugang zu Daten und Wissen im Netz präsentiert. Das offene Archiv "Lentiana", eine Open-Commons-Messe und ein geplanter Lehrstuhl für Open-Commons-Forschung im Rahmen eines Studiums der Webwissenschaften sind nur drei der zahlreichen Projekte, die aus der Studie abgeleitet und - wie der Open Public Server - zum Teil bereits umgesetzt sind. Ein Problem spricht Mitinitiator Gregor Kratochwill an, nämlich dass sich physischer "öffentlicher Raum" eben nicht 1:1 in die virtuelle Welt übersetzen lässt. Elegant hat die Stadt Linz das Problem gelöst, Datenmissbrauch vorzubeugen. Die Daten liegen auf einem eigenen Server, den die Stadt Linz bei einem externen Provider angemietet hat. "Das ist gerade im Fall Wikileaks eine politische Lösung", meint Kratochwill. "Wir können mit den gesamten Daten jederzeit problemlos migrieren und haben als 'Stadt‘ ein anderes Gewicht als individuelle Privatkunden/-innen." 2006 hatte das US-Magazin Times "die Gemeinschaft der Internetnutzer" zur Person des Jahres erklärt. Begründung: "Dafür, dass Sie die Zügel der globalen Medien übernommen, die neue digitale Demokratie begründet haben, für umsonst arbeiten und die Profis in ihrem eigenen Spiel schlagen." Unter der Spiegelfolie am Titelblatt war zu lesen: "You. Yes, you: You control the Information Age".
"Ich? Du? Und was ist mit den anderen?", fragt der Soziologe und Medienforscher Oliver Grassmuck. Mit der Web-2.0-Floskel "User Generated Content" skandalisiere die Industrie, dass Menschen ohne besonderen Ausweis ihrer Befähigung etwas "generieren" und in ein Territorium einbrechen, das die Medienkonzerne für sich reklamieren. "Durch das Netz versucht eine bislang vollkommen unterdrückte Klasse, die Masse selbst, die Nutzer oder Konsumenten nennen, am politischen Leben teilzuhaben, indem sie über das hinausgehen, was wir repräsentative Demokratie nennen", meint der Medienexperte Peter Weibel über die enormen Veränderungen durch digitale Medien. Tatsächlich bringt das Netz Öffentlichkeit hin, wo sonst keine ist. Schon 2006 schätzte Julian Paine, Mitarbeiter der Organisation "Reporter ohne Grenzen", die Blogs als "die neuen Vorboten freier Meinungsäußerung ein. In Mexiko etwa, wo seit 2006 über 30 JournalistInnen getötet wurden und ebenso viele vermisst werden, berichtet "el blog del narco" anonym über den Drogenkrieg. Er ist einer der unzähligen "Gegenöffentlichkeiten" weltweit, mit der sich "Media-Blackouts", Regionen über die nicht berichtet wird, Gehör verschaffen können. Das Internet ist durch Blogs, Wikis und soziale Netzwerke zu einer Plattform für Öffentlichkeit abseits medialer Konzentration geworden. Würden wir das Netz als öffentlichen Raum betrachten, meinen das junge Autorenduo Kepplinger und Zehetner, wären wir alle NetzbürgerInnen mit Rechten und Pflichten. Das bedeute aber auch, dass moderne Demokratien ihren Anspruch zur Gestaltung öffentlicher Räume auch auf das Internet auszudehnen hätten.

Internet:
Handbuch kommunale Netzpolitik download:
tinyurl.com/4yqhgkv

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1 Freiheit vor Ort: Handbuch kommunale Netzpolitik" Open Source  Press, 2011, 266 Seiten, EUR 25,60, ISBN 3-941841-35-1; Download: www.freienetze.at/pdfs/Freiheit-vor-Ort-E-BOOK.pdf 
2 Vanessa Diemand, Uwe Hochmuth, Christina Lindner "Ich, Wir und die Anderen: Neue Medien zwischen demokratischen und ökonomischen Potenzialen II"

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Gabriele Müller (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772482 Ziele sind die Schaffung digital-öffentlicher Räume für alle EinwohnerInnen, die Förderung von Online-Journalismus und anderer Nutzungsformen des Internet. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772496 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772398 Eine kurze Bedienungsanleitung für ein Buch Exklusiver Vorabdruck aus #sbsm - Soziale Bewegungen und Social Media

Eine "Bedienungsanleitung" für ein Buch ist selbstverständlich übertrieben. Aber wir wollen doch kurz auf einige Elemente dieses «Cross Media»-Projekts eingehen. Auf der ersten Seite dieses Vorworts waren bereits einige Begriffe in schwarzen Balken der Überschrift vorangestellt. Es handelt sich dabei um Kategorien, also eine grundlegende Beschlagwortung, die besonders online gut genutzt werden kann. In den Absätzen bisher waren dann auch schon gelb markierte Begriffe zu finden, denen eine Raute und eine Seitenzahl beigestellt ist. Diese gelb markierten Wörter kennzeichnen Glossareinträge, die es zu diesen Begriffen gibt. Die Seitenzahl daneben verweist als analoge Verknüpfung (Link) auf die Stelle, wo der Glossar-Eintrag zu finden ist. Es sind zwanzig im ganzen Buch und sie stehen nicht als Anhang stiefmütterlich am Ende, sondern sind zwischen den fast 400 Seiten verteilt, wo sie uns gerade besonders angebracht erschienen sind. Zusätzlich zu den gelb markierten Begriffen gibt es im Text immer wieder auch solche, die weiß vor schwarzer Markierung sind. Diese Verknüpfungen verweisen, wenn du irgendwo im Text auf so etwas stößt, von der jeweiligen Stelle auch auf andere Buchbeiträge, also zum Beispiel verweisen wir hier auf den ersten Buchbeitrag zum  Annalist   Blog #335 . Gelb heißt also Glossar-Eintrag, schwarze Balken im Text heißen: da gibt es noch einen eigenen Beitrag dazu. Die weiteren Textpassagen, die unterstrichen sind, heißen ganz naheliegend, dass es hier einen Hyperlink zu einer Website gibt.
Im Buchbeitrag bedeutet das freilich vorerst nur, dass dieser Hyperlink in der Version des Buchbeitrags online an dieser Stelle abrufbar wäre. Willst du das Buch lesend dann dem einen oder anderen Link folgen, musst du Links nicht aus den Endnoten zusammensuchen und eintippen, sondern nur einmal den Beitrag online aufrufen. Dort sind alle verlinkten Seiten nur noch einen Klick weit entfernt. Online sind zudem die Thumbnails, die kleinen schwarz-weißen Vorschaubilder, die immer wieder in Dreierpacks die Buchbeiträge bevölkern, erstens bunt und zweitens anklickbar. Um von einem Buchbeitrag einfach und verlässlich zum Beitrag online zu kommen, gibt es am Beginn jedes Buchbeitrags einen QR-Code, und auf jeder zweiten Seite ist über dem Beitrag die Webadresse angegeben.

Anders als übliche Bücher

Dieses Handbuch unterscheidet sich also ein wenig von üblichen Büchern. Elemente, die im Web und in den Social Media logisch sind, haben wir versucht in das Buch zu übersetzen; und dabei ihre Logik so weit als möglich beizubehalten, ohne krampfhaft Elemente in die gedruckten Seiten des Buchs zu kopieren. Statt der am Beginn eines Beitrags üblichen Namen von Autor_innen gibt es bei uns die Avatare, die diese Autor_innen im Web üblicherweise verwenden. Die für Bücher klassische Form des Verzeichnisses aller Autor_innen ist deswegen nicht abgeschafft, sondern auch bei uns vorhanden.

Ein Buch mit Kommentaren

Besonders freuen wir uns über die Kommentare, die in diesem Buch abgedruckt sind, nämlich so, wie sie online stehen und zum großen Teil auch online eingegangen sind.
Es ist zu hoffen, dass sie das dialogische Element, das im Web seit dem  Web 2.0  und vor allen in den  Social Media  so wichtig ist, spürbar in das Buch zu transponieren helfen. Wir hoffen es vor allem auch deshalb, weil es verdammt viel Arbeit und Aufwand war, diese Kommentare einzuholen, den angefragten Personen zu vermitteln, wovon wir eigentlich reden, «Wie bitte? Einen Kommentar für eine Buchbeitrag online schreiben, der im üblichen Social Media-Plauderton gehalten sein soll und dann in einem Buch abgedruckt wird?», Profilbilder auch noch der kommentierenden Personen einzuholen, die Natalia schließlich alle in das Buchlayout bringen musste; Pixel- und Vektorgrafik inklusive. So hat dieses Buch also Kommentare zu und unter den meisten Beiträgen. Online sind es jetzt bereits mehr und es können noch einige mehr werden. Wir freuen uns über Anmerkungen, Feedback, Ergänzungen und Kritik.
Wir freuen uns über  Dialog , ganz im Sinne der großen weltweiten Diskursplattform "World Wide Web".

Draw a distinction, create a universe

Wir haben eine Unterscheidung getroffen, nicht übermäßig kalkuliert, aber doch klar und bewusst. Dieses Buch möchte ein praktisches Handbuch für jene sein, die sich als Aktivist_innen engagieren. Ja, es geht auch um Web 2.0 und Social Media, aber ganz eindeutig nicht darum, «Wie sie Web 2.0 und Social Media für ihre Marke nutzen» (respektive für ihr Unternehmen, mehr Kunden und mehr Verkäufe, ein besseres Markenimage etc.). Diese Ratgeber und Ratgeberinnen gibt es wie Freundschaftsanfragen auf Facebook. Sorry, dass das dazugesagt werden muss, aber im Vorfeld und während der Produktion sind wir laufend auf dieses Missverständnis gestoßen. Die Entscheidung für ein Handbuch von Aktivist_innen für Aktivist_innen bedeutet aber auch, und das kommt vielleicht überraschender, dass dieses Buch weniger auf Nichtregierungsorganisationen (NGO) und die Zivilgesellschaft abzielt als vielleicht ursprünglich gedacht. Zumindest geht es weniger um das O in NGO, weniger um die etablierte Organisation und auch weniger um die etablierte Zivilgesellschaft. Im Zuge der Arbeit am Buch hat sich wieder einmal bestätigt, dass es erhebliche Unterschiede in dem gibt, was wir alles unter Zivilgesellschaft verstehen können. Dieser Unterschied hat mit den Möglichkeiten für zivilgesellschaftliches Engagement und politische Arbeit zu tun. In einem zivilgesellschaftlichen Bereich, der oft das Feld der Non-Profit-Organisationen (NPO) genannt wird, gibt es eine Ausstattung und Handlungsspielräume, die ein anderer Bereich der Zivilgesellschaft kaum im Ansatz kennt.

Unterstützung für Zivilgesellschaft

Es herrschen unterschiedliche Strukturlogiken, die dort stabile Organisationsformen mit gut ausgebildeten bezahlten Funktionär_innen ermöglichen, die sich um Fundraising und Öffentlichkeitsarbeit Richtung Spender_innen bemühen, und die vom sogenannten Establishment unterstützt werden, weil die Aktivitäten dieser zivilgesellschaftlichen Organisationen jedenfalls auf breite Unterstützung zählen können. Auf der anderen Seite gibt es ausgesetzte Bereiche des Engagements, die immer unter prekären Bedingungen agieren müssen und nicht von der Breite der Gesellschaft goutiert werden. Das ist keine Wertung der Arbeit in diesen beiden strukturell so unterschiedlichen Bereichen, sondern eine Beobachtung, die von allen Beteiligten bestätigt werden kann. Sehr plakativ könnten wir die eine Welt die «bürgerliche Zivilgesellschaft» nennen, die andere «systemkritischer Aktivismus».
Unser Buch bezieht nun nicht Stellung für das eine und gegen das andere. Es bietet - hoffentlich - für alle etwas, es gibt Beiträge zu  Online-Kampagnen , wie sie nur von Organisationen mit einem professionellen Stab angegangen werden können, und zur Frage, wie sich  Zivilgesellschaft  und soziale Bewegungen produktiv zusammenbringen lassen. Das Hauptaugenmerk liegt aber klar bei den ehrenamtlichen Aktivist_innen und weniger bei den hauptamtlichen Funktionär_innen, mehr beim Engagement, das sich unter prekären Bedingungen selbst organisieren muss, als bei den Organisationsaufgaben etablierter Vereine. Das sollte sogar dort sichtbar werden, wo von alten und etablierten Apparaten wie der  Kirche ,  Parteien  und Gewerkschaften  berichtet wird. Dort geht es um selbstorganisierte, systemkritische Auseinandersetzungen innerhalb dieser Apparate.

Internet:
Mehr Infos:
www.oegbverlag.at 
fallbeispiele.sozialebewegungen.org/betriebsratsblogs 

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Thomas Kreiml (Mitarbeiter der Bildungsabteilung der GPA-djp), Hans Christian Voigt (Soziologe und Aktivist) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772376 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772309 Lohnt sich der Aufwand denn? Rund 85 Prozent aller ÖsterreicherInnen verfügen über einen Internet-Zugang, Facebook hat 2,6 Mio. Mitglieder in Österreich, 2,3 Mio. davon sind zwischen 14 und 49. So betrachtet wäre es unökonomisch, in der Betriebsratsarbeit auf diese Kommunikationskanäle zu verzichten, vor allem wenn man auch die sogenannten Digital-Natives ansprechen will, also die nach 1980 Geborenen.
Für all jene, die PC, Handys etc. erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben: Das schwarze Brett von früher findet man jetzt online - schon längere Zeit in Form von Newsletters, seit das interaktive Web 2.0 entwickelt wurde auch als Blogs, Twittermeldungen etc. Diese haben den Vorteil, dass ad-hoc-Kommentare und Ergänzungen möglich sind - und diese Postings sind allgemein zugänglich (bzw. für alle aus einer definierten Gruppe). Auf diese Weise ist die Kommunikation mit KollegInnen im Ausland oder im Schichtbetrieb in Echtzeit möglich.

Betriebsrätliche Kommunikation

Im April 2009 wurde erstmals die von AK und ÖGB ins Leben gerufene Auszeichnung für beste betriebsrätliche Kommunikation (bbK09) verliehen. Die Preise wurden in drei Kategorien vergeben: beste gedruckte Kommunikation, beste digitale Kommunikation und Gesamtkommunikation. Dabei ging es nicht darum, wer die schönsten Hochglanzhefte produziert, sondern um die für den jeweiligen Betrieb und dessen MitarbeiterInnen am besten passende Kommunikationsmethode. Mit dieser Auszeichnung sollen nicht nur engagierte BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen vor den Vorhang geholt werden, der Preis sollte auch zum Austausch und zum Nachahmen anregen. 2010 konzentrierte man sich unter dem Titel "Betriebsratskommunikation X.0" ganz auf die digitalen Kommunikationsmittel.
Es gab insgesamt vier Kategorien: Unternehmen bis 150 Beschäftigte, Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten sowie Bundesländer-Preise in diesen beiden Kategorien. Den dritten Platz in der Kategorie über 150 MitarbeiterInnen erhielt der Betriebsrat des Vereins Wiener Kinder- und Jugendbetreuung, der schon 2009 in der Kategorie "Gesamtheitlich" an erster Stelle rangierte. BRV Selma Schacht kümmert sich gemeinsam mit zwei KollegInnen neben dem Newsletter um die Betriebsrats-Website (netzwerke.oegb.at/br_wiener_kinderbetreuung) und um eine Facebook-Seite. "Auf Facebook sind wir seit rund eineinhalb Jahren vertreten. Als Freunde werden nur Beschäftigte unseres Vereins akzeptiert. Die Fangemeinde wächst langsam, aber stetig. Bisher sind wir noch nicht dazu gekommen zu prüfen, welche MitarbeiterInnen überhaupt ein Facebook-Profil haben und diese dann gezielt anzuschreiben."

Netzwerke nützen

Bei Facebook können die KollegInnen neueste Infos nachlesen sowie rasch und direkt ihr Feedback zu Seminaren, neuen Unterlagen etc. geben. Auf der Website finden sie zahlreiche Informationen zu allen möglichen Themen. "Natürlich ist das Aktualisieren ein Zeitaufwand, aber letztendlich ist es sowohl für die BetriebsrätInnen als auch für die MitarbeiterInnen eine Entlastung", so Selma Schacht "denn alle MitarbeiterInnen können sich Infos dann holen, wann sie es möchten und müssen dafür nicht anrufen oder in unser Büro kommen."
Schon fast ein Internet-Profi ist BRV Peter Schöffmann von Metro Cash & Carry Österreich, der seit 2008 zahlreiche
Kanäle nützt: zwei Blogs, eine Website (netzwerke.oegb.at/metrobetriebsrat) sowie zwei Portale, die den Internet-Auftritt vervollständigen und eher allgemeine Informationen liefern. Über Twitter werden kurze Hinweise auf neue Artikel platziert. Peter Schöffmann: "Bei Facebook haben wir keine Metrobetriebsrats-Adresse, sondern personifizierte Profile und eine Gruppe, zu der eingeladen wird. Derzeit arbeiten wir daran zu dritt, der Zeitaufwand inklusive Newsletter beträgt etwa zwei bis drei Stunden pro Woche." Beim bbK09 erreichte Metro den dritten Platz in der Kategorie Digital, 2010 den ersten Platz in der Kategorie über 150 MitarbeiterInnen.

Täglich topaktuell

Auch für die Belegschaft von Austroport sind Facebook oder YouTube mehr als nur Privatvergnügen, sie werden über das Mitmach-Web mit arbeitsbezogenen Informationen und Infotainment versorgt. Die Facebook-Page benachrichtigt ihre rund 170 registrierten Fans stets über die neuesten Einträge im meist mehrmals täglich aktualisierten BR-Blog. Abgerundet wird das Web-2.0-Angebot durch eine Wiki-Online-Enzyklopädie. Der verantwortliche Betriebsrat Christian Pischlöger hat unter anderem in einem e-learning-Seminar des ÖGB seine Kenntnisse erworben: "Ich habe früher schon Homepages gemacht, aber einen Blog zu erstellen war etwas Neues für mich." Mittels RSS-Feeds - etwa zum Thema Arbeitsrecht - kann der Blog meist relativ rasch mit den neuesten Infos befüllt werden. Pischlöger: "Web 2.0 bietet schon einige interessante Möglichkeiten, so habe ich etwa ein Online-Tool eingestellt, bei dem die Arbeitszeiten eingegeben werden konnten, um die gesundheitlichen und sozialen Risiken zu bewerten. Das ist natürlich bei der Geschäftsleitung nicht so gut angekommen."
Der größte Zeitaufwand ist naturgemäß das Einrichten von Webseiten, Blogs und Verknüpfungen am Anfang. Hier sollte man schon bedenken, dass die laufenden Aktualisierungen möglichst einfach und rasch durchführbar sein sollten. Viele BetriebsrätInnen stellen Filme von Betriebsfeiern und sportlichen Ereignissen auf YouTube. Aber auch nicht selbst produzierte YouTube-Videos, die relativ unkompliziert fast überall eingebettet werden können, machen Blogs und Webseiten lebendiger. Pischlöger: "Ich bin bezüglich Fotos und Filmen allerdings etwas vorsichtig, es hat sich zwar noch niemand beschwert, aber bei intensiver Nutzung könnte es durchaus sein, dass dann irgendwo einmal jemand zu sehen ist, der damit nicht einverstanden ist." Apropos Fotos: Bei www.flickr.com kann man auch ohne Registrierung gezielt nach Fotomotiven suchen, bei vielen ist der Download gratis und nur eine Quellenangabe nötig, Ähnliches gilt für Wikimedia (commons.wikimedia.org).

Erfahrungsaustausch am Camp

Zuerst gab es die Idee zu einem Buch über "Soziale Bewegungen und Social Media", dann wurde daraus ein Cross-Media-Projekt mit einer Website (www.sozialebewegungen.org) und dem #sbsmCamp, das vom 19. bis 20. Oktober im ÖGB-Veranstaltungszentrum in Wien stattfindet. BetriebsrätInnen haben dort die Möglichkeit zum Netzwerken mit ExpertInnen aus ÖGB, DGB und AK, österreichischen und deutschen Gewerkschaften sowie AutorInnen und mitwirkenden Organisationen des Buchs "Soziale Bewegungen und Social Media" u. v. m. 

Schreiben Sie Ihre Meinung
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Info&News
Der bbK11 trägt den Titel "Soziale Netzwerke in Web und Praxis" und findet zum Teil im Rahmen des #sbsmCamps statt. Die Kategorien heuer sind:
1.) Lösung - So war‘s: für bestehende Aktionen und Konzepte. Welches Problem gab es? Welche Kommunikationsmittel wurden eingesetzt? Was hat sich dadurch verändert?
2.) Ideen - So wird‘s: Welche Probleme gibt es? Mit welchen Mitteln (digital, Printmedien etc.) kann ich darauf aufmerksam machen? Falls gewünscht, können Konzepte im Rahmen des #sbsmCamps erarbeitet werden.
Einreichungen für den bbK11 noch bis 31. November möglich unter www.bestkom.at 

Info&News
1. #sbsmTaalk: Buchpräsentation und Diskussion
Mit den Herausgebern und AutorInnen von "Soziale Bewegungen und Social Media. Handbuch für den Einsatz von Web 2.0".
Datum: Mittwoch, 21. September 2011
Uhrzeit: 18.30 Uhr
Ort: Fachbuchhandlung des ÖGB-Verlags, Rathausstraße 21, 1010 Wien
Alle Infos unter:
www.sozialebewegungen.org 
oder
www.oegbverlag.at
 

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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772264 Im April 2009 wurde erstmals die von AK und ÖGB ins Leben gerufene Auszeichnung für beste betriebsrätliche Kommunikation verliehen. Die Preise wurden in drei Kategorien vergeben: gedruckte Kommunikation, digitale Kommunikation und Gesamtkommunikation. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993772058 Sozial - medial - bewegt! Digitaler Aufstand. Der Iran twittert plötzlich Morgenluft." (Welt Online, 2009.) "Virtueller Uni-Aufstand 2.0: Wie die Studenten ihre Revolte im Web organisieren." (news.at, 2009.) "Stuttgart 21. Der Kampf ums Netz." (Frankfurter Rundschau, 2010.) "Ägypten: Protest der Facebook-Generation." (Focus, 2011.) "ÖGB und Facebook zwangen SPÖ und ÖVP in die Knie." (derstandard.at, 2011.) Die Welt ist in Bewegung. Schlagzeilen wie diese, über größere und kleinere soziale Bewegungen, schwirren in den vergangenen Jahren vermehrt durch die Medien. Dabei stehen zunächst die sozialen Probleme und die politischen Konsequenzen, die bis hin zu Umwälzungen und Revolutionen gehen, im Mittelpunkt.
Zunehmend zum Thema ist aber auch die Diskussion der Rolle der neuen Medien, des Internets und der Social Media im Zusammenhang mit Protestbewegungen und Aufständen geworden. Ungeachtet der Detailanalysen, ob Twitter oder Facebook wirklich eine bestimmende Größe für Erfolg oder Ausbruch von Protesten waren oder nicht, eines steht fest: Internet und Social Media sind aus der heutigen Welt kaum wegzudenken und werden auch für soziales Engagement und politischen Aktivismus genutzt. Es darf spekuliert werden, dass es zu einigen Schlagzeilen nie gekommen wäre, hätten die an den Protesten Beteiligten nicht in den sozialen Netzwerken kommuniziert und berichtet.

Alles ist online! Manche sichtbarer!

Ganz abgesehen von solchen Medienberichten und dem Social-Media-Einsatz im politischen Kontext sind Facebook, Twitter, Blogs & Co. für viele von uns bereits zum fixen Bestandteil des Alltags geworden. Wir sind online, haben Accounts und Profile, geben Daten preis, suchen und verbreiten Informationen. Neben den Risiken und Unbekannten, die wir mit Fragen rund um Privatsphäre und Datenschutz verbinden, sehen und nutzen wir auch die Potenziale des Medienwandels, die Dynamiken schneller, einfacher Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten des WWW.
Das hat längst auch Unternehmen auf den Plan gerufen. Das "Unternehmen 2.0" poliert mit "Marketing 2.0" sein Image auf und spricht Kunden/-innen in sozialen Netzwerken direkt an. Innerbetrieblich organisiert es sich neu, nutzt "Social Software" für das Wissensmanagement und setzt auf "Management 2.0". Gegen MitarbeiterInnen, die in den sozialen Netzwerken und in Blogkommentaren Ungefälliges oder Geheimes über das Unternehmen oder die Vorgesetzten von sich geben könnten, versucht es sich mit "Social- Media-Policies" zu schützen. Zu Hilfe kommen dabei "Social-Media-Consultants". Die Branche boomt und die Ratgeber sind zahlreich. Die Anzahl der Seiten zu den Suchbegriffen "Web 2.0" und "Social Media" in den Onlineshops der Buchhändler hat in letzter Zeit beträchtlich zugenommen.

Chiffre #sbsm

Bücher, die sich den Phänomenen und Entwicklungen rund um den politischen Einsatz von Social Media widmen, sind in dieser Masse von Veröffentlichungen kaum zu finden. Angesichts der Situation sozialer Bewegungen überrascht das kaum. Sie leben von engagierten Personen, die für soziale und politische Anliegen eintreten und stehen dabei in der Regel einer etablierten politischen und/oder wirtschaftlichen Übermacht gegenüber. Die Hegemonie im Online-Bookstore spiegelt hier gewissermaßen die Strukturen der Gesellschaft, in der Arbeitswelt und der Politik wider. Das wissen AktivistInnen in Bürgerinitiativen, NGO, Gewerkschaften etc. nur zu gut. Erfolgschancen haben sie nur, wenn sie über den Aufbau von Gegenöffentlichkeit und die Vernetzung mit zusätzlichen UnterstützerInnen Druck in Form von Gegenmacht erzeugen. Dafür ist das Internet wie berufen und Social Media treibt die vorhandenen Möglichkeiten zunehmend auf die Spitze.
"Soziale Bewegungen und Social Media" ist der Titel unseres Buchs basierend auf der Entscheidung, sich dieser Seite der Macht, der Zivilgesellschaft, der demokratischen Basis politischer Entscheidungen zu widmen. Die konsequente Umsetzung des Themas sprengt den Rahmen einer Buchveröffentlichung. Entwickelt hat sich so ein Projekt, in dem der ursprüngliche Hashtag #sbsm zur Chiffre für die Dokumentation sozialer Bewegungen, des Engagements von AktivistInnen und der Rolle vernetzten, kollaborativen Arbeitens mit den neuen Mitteln des Web 2.0 geworden ist.

Cross Media: Buch und Website

Die Idee war dem Spektrum von Veröffentlichungen zum Thema Social Media, die eingehende Beschäftigung mit den vielfältigen, aufsehenerregenden und vielfach erfolgreichen Initiativen und Kampagnen im vernachlässigten sozialen und politischen Einsatzbereich hinzuzufügen. Anhand von Fallbeispielen und Visionen werden die Arbeit in den und die Prozesse um die neuen sozialen Bewegungen dokumentiert und in Manuals Erfahrungen aufgeschrieben und weitergegeben. Ziel war ein Handbuch zum Einsatz von Social Media von AktivistInnen für AktivistInnen, das auf einem reichen Erlebnisfundus aufbaut und unter Verwendung der Werkzeuge des Web 2.0 erstellt wurde. Geschrieben wurde größtenteils in einem Wiki, abgestimmt wurde über E-Mails und Twitter, Dokumente wurden über Google-Docs "geshared", Artikel über den Entstehungsprozess und fertige Buchbeiträge wurden über die neu eingerichtete Blogplattform www.sozialebewegungen.org veröffentlicht, über Facebook, Twitter etc. weiter verbreitet - und kommentiert! Mit dieser virtuellen Homebase ist das Buch zum Cross-Media-Projekt geworden. Der ÖGB-Verlag experimentiert nicht nur mit neuen Arbeitsweisen, sondern auch mit der Buchveröffentlichung unter Creative-Commons-Lizenz und leistet damit einen wertvollen Beitrag, den selbstorganisierten, vielfach ehrenamtlichen Initiativen eine Plattform zu bieten. In erster Linie geht es aber auch darum, Austausch, Kollaboration und Vernetzung nicht nur in Artikeln abzuhandeln. Es handelt sich um wesentliche Aspekte dessen, was wir unter Internet und Social Media verstanden haben wollen, und als solche sollen sie auch zur Geltung kommen und die Werkzeuge, die sie ermöglichen, genutzt werden.

Das #sbsmCamp

Die Entwicklung dieses Cross-Media-Projekts und die mit #sbsm verbundenen Anliegen weiter denkend, liegt es nahe, die Inhalte weiterzutragen. Die enthaltenen Themen verlangen dabei eine Behandlung, die sich nicht in Präsentationen erschöpft. Diskussion und Zusammenarbeit sind gefragt, um Initiativen, Kampagnen und die Arbeit in den Organisationen voranzubringen und zu vernetzen. Dafür soll mit dem #sbsmCamp - der "Messe für den Einsatz von Web 2.0" am 19. und 20. Oktober 2011 im Catamaran der Rahmen geboten werden. Workshops, Arbeitsgruppen, Diskussionen etc., die teils vorab geplant, teils auch - in Anlehnung an Barcamps - direkt vor Ort ins Leben gerufen werden, laden zu Austausch, Information, Kooperation und Vernetzung ein.
Thematisch ist das Spektrum so breit wie die in #sbsm behandelten sozialen Bewegungen vielfältig. Eine erste Orientierung können sich AktivistInnen, BetriebsrätInnen, Studierende, JournalistInnen, GewerkschafterInnen etc. am besten anhand folgender Hashtags verschaffen: #kampagnenarbeit #vernetzung #öffentlichkeitsarbeit #partizipation #postdemokratie #socialmedia #bildungsarbeit #wissensmanagement #überwachung #datenschutz #netzpolitik #betriebsrat #NGO #gegenöffentlichkeit #mitgliedernetze. Und wichtig: Das Camp ist offen! Jede/r ist zur Beteiligung und Workshopgestaltung herzlich willkommen! Mehr dazu im Blog zum Camp: camp.sozialebewegungen.org, "YES WE #SBSMCAMP!"

Internet:
Mehr Infos unter:
sozialebewegungen.org 
camp.sozialebewegungen.org
twitter.com/sozbewegungen

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thomas.kreiml@gpa-djp.at 
oder die Redaktion
aw@oegb.at 

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Thomas Kreiml (Mitarbeiter der Bildungsabteilung der GPA-djp), Hans Christian Voigt (Soziologe und Aktivist) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771957 "Soziale Bewegungen und Social Media" ist der Titel unseres Buchs basierend auf der Entscheidung, sich dieser Seite der Macht, der Zivilgesellschaft, der demokratischen Basis politischer Entscheidungen zu widmen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993772014 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771841 Netzwerke gegen "die da oben" Vor etwa 500 Jahren wurde es für Handwerksgesellen Pflicht, einige (zumeist drei) Jahre auf Wanderschaft zu gehen. Es war die Zeit des Frühkapitalismus, der beginnenden modernen Wirtschaft, und man war an qualifizierten Fachkräften mit neuen Erfahrungen interessiert. Gleichzeitig sollte damit ein Problem gelöst werden: Obwohl die Ausbildung im zünftischen Gewerbe noch immer "Meisterlehre" hieß, hatten immer weniger Gesellen die Chance, als selbstständige Meister einen Betrieb zu führen. Die meisten blieben unselbstständig und waren oft von Arbeitslosigkeit betroffen. Im 18. Jahrhundert bezeichnete man sie - als Ausdruck ihres niedrigen Standes und ihrer Rechtlosigkeit  - als "Knechte". Aber das Konzept, durch die Wanderpflicht die Arbeitslosigkeit über Europa zu verteilen und damit "Unruheherde" zu verhindern, ging nicht auf.
Mit Hilfe der wandernden Kollegen bauten die Gesellen ihre Bruderschaften - zunächst in erster Linie Arbeitsvermittlungs- und Sozialeinrichtungen - zu Kampforganisationen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen aus, die über Landesgrenzen hinweg in einem Solidaritätsnetzwerk verbunden waren. Als wirkungsvollstes Kampfmittel erwies es sich, jene Meister, die die Forderungen ablehnten, unter Arbeitsboykott zu stellen. Eine Versammlung in der Gesellenherberge "schimpfte" feierlich diese Meister. Der Streikbeschluss galt nicht nur für Ortsansässige, sondern für alle Mitglieder der Bruderschaft, wo immer sie herkamen. Er wurde den Kollegen in Form von "Schimpfbriefen", die die Herbergen der Bruderschaft zuverlässig in ganz Europa erreichten, bekannt gemacht. So gut wie niemand wagte es, bei "geschimpften" Meistern als Streikbrecher zu arbeiten. Er wäre ja mit Schande aus der Bruderschaft gejagt worden und hätte seinen sozialen Rückhalt vollständig verloren.
Obwohl die Regierungen fast immer auf der Seite der Meister standen, kam es im Deutschen Reich noch bis etwa zur Zeit der französischen Revolution zu großen - zum Teil erfolgreichen - Streikbewegungen. Im heutigen Österreich, dem direkten Herrschaftsgebiet der Habsburger-Kaiser, hatten die Bruderschaften damals schon durch den absoluten Staat die meisten ihrer Rechte verloren, sie konnten kaum an Widerstand denken. Im 19. Jahrhundert, nach den Kriegen mit dem revolutionären Frankreich und Napoleon, folgten die anderen Staaten im "Deutschen Bund" diesem Beispiel. 1835 sprach der "Deutsche Bund" zunächst ein Wanderverbot für die Schweiz und Frankreich aus, um der Infiltration mit revolutionären demokratischen Ideen einen Riegel vorzuschieben, 1840 folgte dann das vollständige Verbot der Bruderschaften.
Aber im Untergrund bestanden die Netzwerke noch weiter und transportierten die Ideen der ersten sozialistischen Denker. So kamen auch die Ideen des "Bundes der Gerechten", der Keimzelle der sozialdemokratischen ArbeiterInnenbewegung, zuerst von Paris und dann von London erstmals in den deutschsprachigen Raum. Die verbotene Agitationsschrift des Schneidergesellen Wilhelm Weitling vom "Bund der Gerechten" fand so zu ihren Lesern. Sie hatte den Titel "Die Menschheit. Wie Sie ist und wie sie sein sollte".
Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at   ]]>
Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771811 Historisches Schild der Tuchmacher-Gesellenherberge im deutschen Neumünster. Die Wandergesellen entwickelten Geheimcodes, um über Gefahren oder gute Aussichten zu informieren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771770 Arbeiterkammer: AK-Internet-Servicedienste auch für unterwegs Die AK-Applikationen bieten schnellen und nahezu überall greifbaren Service mit dem Bankenrechner bei Bankgeschäften, mit dem Brutto-Netto-Rechner bei der Lohnabrechnung, mit der Metis-Arbeitsrechtsberatung, mit dem Zeitspeicher beim Aufzeichnen der Arbeitszeit, mit dem Urlaubsrechner beim Planen der Freizeit und sogar beim gesunden Essen mit dem AK-Ampelrechner.
Die AK-Apps gibt es für die am häufigsten genutzten Smartphones: iPhone und Android. Wenn Sie einen Blackberry, ein Windowsgerät, ein Symbian-Betriebssystem oder auch nur einen ganz normalen Internetzugang haben oder keine Apps herunterladen wollen, dann können Sie ganz einfach über m.arbeiterkammer.at auf die AK-Internetseite gelangen.
Die AK-App ist kostenlos erhältlich, sowohl im AppStore wie auch im Android Market.

Für iPhones/iPads/iPods:

  1. Schließen Sie Ihr Gerät an den PC/Laptop an und öffnen Sie Itunes und den App-Store
  2. Geben Sie als Suchbegriff "Arbeiterkammer" ein - Sie erhalten eine Vorschau der AK-App, die Infos zum Download und einige Screenshots
  3. "Installieren" Sie die AK-App
  4. Wenn die App fertig installiert ist, können Sie problemlos alle mobilen Services der AK nutzen. Gibt es ein Update zur AK-App oder zum Beispiel eine Erweiterung wird dieses Update auf Ihrem Smartphone angezeigt, und Sie können es einfach downloaden

Für Android-Handys:

  1. Am einfachsten installieren Sie die AK-App direkt über Ihr Smartphone. Öffnen Sie "Market" (das Symbol mit der weißen Tasche und dem grünen Android-Symbol)
  2. Durchsuchen Sie den Market nach dem Suchbegriff "Arbeiterkammer" - Sie erhalten einen Treffer: die "Frag uns"-Applikation der AK
  3. Drücken Sie auf "Gratis" installieren und ok, die Applikation wird auf Ihrem Android installiert
  4. Vor dem ersten Öffnen erhalten Sie noch die Möglichkeit, Updates zuzulassen. Bitte haken Sie diese Checkbox jedenfalls an, um laufend Erweiterungen oder Aktualisierungen unserer App zu erhalten.

Die neue AK-App nutzt außerdem die Möglichkeit der Geolokation. Das bedeutet: Wenn Sie auf Ihrem Smartphone oder auf Ihrem  iPhone, Ihrem iPad, Ihrem iPod die Möglichkeit nutzen, GPS-Daten zu erheben, dann werden diese Basisdaten Ihres Handys auch für die AK-Applikation benutzt und Sie erhalten jene Dienste und Produkte der Arbeiterkammer angezeigt, in deren Bundesland Sie sich gerade befinden.
Wenn Sie auf Ihrem Handy diese Möglichkeit nicht erlauben, erhalten Sie auf der AK-Applikation die allgemeine, nicht regional spezifizierte Anwendung angezeigt. Die AK-Applikation hat eine Größe von 750 Kilobytes. Das ist sehr wenig und entspricht ungefähr der Größe eines mittleren Textdokumentes (oder weniger als einem Drittel der Größe eines Fotos).
Weitere Informationen:
www.arbeiterkammer.at/apps.htm 

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Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771690 ÖGB: Am 4. Oktober 2011 ist Equal Pay Day Den "Equal Pay Day" nehmen die ÖGB-Frauen auch heuer zum Anlass für bundesweite Aktionen. Unter dem Motto "Scharf auf 100 % Einkommen" soll geprüft werden, welche Unternehmen die gesetzlich verpflichtende Einkommenstransparenz befolgen und welche nicht.
Denn in Österreich verdienen Frauen nach wie vor für die gleiche Arbeit im Schnitt 24,3 Prozent weniger als Männer. Das bedeutet in Tagen gerechnet, dass Männer bereits am 4. Oktober, dem Equal Pay Day, jenes Einkommen erreicht haben, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Statistisch gesehen sind Frauen damit für 89 Tage "unbezahlt". Dass der Equal Pay Day damit heuer fünf Tage später stattfindet als im vergangenen Jahr, ist aber lediglich kosmetische Schönfärberei.
Die Daten für den heurigen Equal Pay Day beziehen sich auf das Jahr 2009 (durchschnittliche Jahreseinkommen bei Vollzeit). In dem Jahr erreichte die Wirtschaftskrise den Höhepunkt - viele Arbeitsplätze gingen verloren oder konnten nur durch Kurzarbeit gesichert werden. Da das vor allem Männer traf, sind deren Einkommen nicht im gleichen Ausmaß gestiegen wie die der Frauen.
Bereits im nächsten Jahr dürfte der Effekt wieder verpufft sein. Denn 2010 gingen auch im Dienstleistungsbereich viele Vollzeitjobs verloren - und das traf fast ausschließlich Frauen.
Nähere Infos:
www.oegb.at/frauen  ]]>
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Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771674 GPA-djp-Jugend: Deine Meinung zählt Die GPA-djp-SchülerInnen interessiert, was DU als SchülerIn denkst: zu Schule, Bildung, Ausbildung, Ferienjob usw. Nimm an der Umfrage teil und nutze die Gelegenheit zu sagen, was du am System Schule toll findest, aber auch was dich total nervt. Gewinne einen iPod touch (32 GB), einen von  zwei iPod shuffle oder eine von fünf iTunes Gift Cards!
Umfrage und Gewinnspiel auf: tiny.cc/y6hds

Wie gewinnen? Einfach die Fragen bis zum Schluss beantworten und am Ende am Gewinnspiel teilnehmen. 

Du kannst mehr tun! Setz dich aktiv für deine Rechte und vor allem für deine Interessen als SchülerIn ein und organisiere deinen Protest. Am besten kannst du das gemeinsam mit uns - der SchülerInnengewerkschaft - machen.  Wir sind deine starke Interessenvertretung, die immer an deiner Seite steht und dir nicht nur in der Schule hilft. Bei uns bekommst du Hilfe wenn’s beim Ferien- oder Nebenjob Probleme gibt oder du Fragen zum Schulrecht hast. Wir bieten dir aber auch ein tolles Service. Von der kostenlosen Führerschein-CD, dem Druckservice für SchülerInnenzeitungen, dem gratis Jugendpresseausweis bis hin zum kostenlosen Jugendherbergsausweis und Ermäßigungen bei Ö-Ticket ist alles dabei. 

Worauf wartest du noch? Werde jetzt gleich  Mitglied  der SchülerInnengewerkschaft und nutze alle Vorteile bis Jahresende kostenlos. Danach kostet sie gerade mal 70 Cent im Monat. Alle weiteren  Infos zur Mitgliedschaft  und die online-Anmeldung  findest du auf: www.jugend.gpa-djp.at

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Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771663 ÖGB-Frauen: Bewerben - aber richtig Das Bewerbungsgespräch für einen neuen Job sollte gut vorbereitet sein. Das Wissen um den eigenen "Marktwert" und die branchenübliche Entlohnung helfen beispielsweise dabei, mit dem Unternehmen über ein faires Einkommen verhandeln zu können. Fehlende Informationen und bescheidene Entgeltforderungen tragen dazu bei, dass Frauen oftmals nicht entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden. Manchmal liegt es auch daran, dass Frauen anders als Männer - bewusst oder unbewusst - behandelt werden.
Frauen müssen daher selbstbewusst einfordern, was Ihnen zusteht. Darüber hinaus gilt es, einige Regeln und Fallen beim Bewerbungsgespräch zu kennen. Die Gewerkschafterinnen haben daher wichtige Tipps und Tricks zusammengestellt. Download unter: tiny.cc/c3pqu ]]>
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Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771585 Dr. Hugo Pepper Auch diese Zeitschrift hat er wohl Korrektur gelesen, denn der Arbeiter- und Volksbildner Hugo Pepper war auch Cheflektor im ÖGB-Verlag und ein Mann des Wortes wie der Tat. Als solcher war er Redakteur, Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher. 
Auch Hugo Pepper wurde bereits als 19-jähriger Maturant von den Nazis verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Ursprünglich deswegen "wehrunfähig" musste er dann doch an die Front. In den letzten beiden Kriegsjahren war er aktiver Widerstandskämpfer und nahm an bewaffneten Aktionen gegen die SS teil. Auch er engagierte sich nach dem Krieg neben seinem Studium bald gewerkschaftlich, außerdem leitete er das Studentenkabarett "Der rote Hund". 1951 bis 1962 arbeitete er im ÖGB-Bildungsreferat mit, dann übernahm er die Funktion des Lektors und Cheflektors im ÖGB-Verlag. Auch nach seiner Pensionierung begeisterte er als Vortragender  und Kursleiter zahlreiche Menschen.  Er war auch Mitinitiator und Moderator des ÖGB-Kultur- und Bildungscocktails zwischen 1988 und 2003. Sein Geist und Engagement, die Werte, für die er eingetreten ist, leben weiter.]]>
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Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771548 Alfred Ströer Vor gar nicht allzu langer Zeit haben wir hier auf dieser Seite von den Feierlichkeiten zu Alfred Ströers 90. Geburtstag berichtet. So aktiv und lebensbejahend, wie wir ihn bei diesem kleinen Festakt erleben durften, werden wir ihn in Erinnerung behalten.
Alfred Ströer wurde 1920 in Simmering geboren. Das rote Wien prägte seine Kindheit und Jugend. Er lernte Werkzeugmacher in der Simmeringer Waggonfabrik und engagierte sich schon als Lehrling gewerkschaftlich. So sehr, dass der junge Mann nach der Machtübernahme durch die Nazis rasch in die Fänge der Gestapo geriet: wegen Vorbereitung zum Hochverrat. 1942 wurde er zur berüchtigten Strafdivision 999 eingezogen.
Seit1947 engagierte er sich im ÖGB, wobei ihm die Gewerkschaftsjugend - nicht nur als langjähriger Jugendsekretär - stets ein wichtiges Anliegen war und blieb. Von 1959 bis 1987 war er Leitender Sekretär. Aus Altersgründen legte er diese Funktion nieder, ein leidenschaftlicher Kämpfer für den Antifaschismus blieb er bis zuletzt. Alfred Ströer bekam für seine Verdienste zahlreiche Medaillen und Ehrenzeichen. Er wird uns immer Vorbild bleiben.]]>
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Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771393 Der vernetzte Mann Männliches Denken bestimmt die Arbeitswelt. Die aktuellen Daten des Österreichischen Arbeitsklima Index zeigen, dass die Zufriedenheit von weiblichen Beschäftigten zurückgegangen ist. Besonders Frauen in Industrie, Gewerbe und Handel schätzen ihre Aufstiegs- und Entwicklungschancen pessimistisch ein. Sind die erhobenen Werte bei den Männern stabil geblieben, wirkt sich die Wirtschaftskrise vor allem auf die Perspektiven der Frauen aus. Nach wie vor befinden sich deutlich mehr Männer in Führungspositionen: 68 Prozent der Führungskräfte sind männlich, bloß 32 Prozent weiblich. Möge es bleiben, wie es ist und immer schon war. Auf spartanischen Holzbänken wird auf der Bude bierselig von echten Männerfreundschaften und wahren deutschen Werten geschwärmt, wird das Bekenntnis zur deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft ewig erneuert. Allen voran stehen die "Alten Herren" ihren Mann, bilden zumeist auch die finanzielle Kraft hinter dem Studentenspuk.

Gezeichnet fürs Leben

Beliebt es den Alten, dürfen sie den Jüngeren dafür das Wort verbieten oder sie zum Haareschneiden auffordern. Es herrscht eine klare Hierarchie. Freilich: Migranten oder gar Wehrdienstverweigerer werden erst gar nicht in Burschenschaften aufgenommen. Der schönste Schnitt im Leben eines schlagenden Studenten ist der Schmiss im Gesicht. In der Mensur wird ein scharfer Degen geschwungen, der eine Narbe zeitigt, auf die Mann stolz sein darf. Schmisse werden wie Trophäen getragen, eine deutliche Tätowierung fürs Leben, die mancherorts gar Türen öffnet. "Die Mensur bietet eine hohe charakterliche Schulung, stärkt den Zusammenhalt innerhalb unserer Gemeinschaft und setzt voraus, dass der Paukant gewillt ist, sich lebenslang für seine sowie die Ideale seiner Verbindung einzusetzen und einzutreten. Es ist schwierig zu erklären, wie erhebend das Gefühl nach einer erfolgreich bestandenen Mensur ist, das muss man wohl selbst erlebt haben, um zu wissen, welche Bedeutung dies für einen Einzelnen und für das Corps haben kann", glorifiziert der Corps Montania in Leoben das Kreuzen der Klingen auf seiner Internetseite.

Seilschaften ÖCV und MKV

Gemeinsam Erlebtes schweißt derart auch zu lebenslangen Seilschaften zusammen. Martin Graf, Dritter
Nationalratspräsident, hat in seiner kurzen Zeit als Geschäftsführer des Austrian Research Centers in Seibersdorf gleich drei Spitzenpositionen mit Mitgliedern seiner Burschenschaft Olympia besetzt. Freilich ist es selten, dass Männerseilschaften so unverblümt zum Tragen kommen wie im Umfeld von
Martin Graf.
Noch mehr Einfluss als die Burschenschaften hat der Österreichische Cartellverband (ÖCV) und Mittelschulkartellverband (MKV) im öffentlichen Leben.
Einst fanden sich viele Mitglieder des CV in der Verwaltung und politischen Ämtern des Ständestaats, auch Kanzler Engelbert Dollfuß war ein CVler. Bei der ÖVP spielt der Cartellverband eine Hauptrolle. Vier Bundeskanzler - Leopold Figl, Julius Raab, Alfons Gorbach und Josef Klaus - waren Mitglieder. Die aktuelle Regierung reiht sich nahtlos ein: Vizekanzler Michael Spindelegger und Staatssekretär Wolfgang Waldner sind "Alte Herren" in der Norica, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist "Django" bei der Austro-Danubia Linz und Nikolaus Berlakovich "Bärli" bei der Austro-Peisonia.

Frauen nicht erwünscht

Die zentralen Punkte der Vereinigungen: Gestaltung des eigenen Lebens aus dem katholischen Glauben, aktive Mitgestaltung auf allen Ebenen des Gemeinwesens, Pflege der Wissenschaft und die persönliche Freundschaft. Wie der MKV ist der CV rein männlich orientiert. Doch anders als bei den deutschnationalen Burschenschaften wurde die Aufnahme von Frauen zumindest diskutiert. Allerdings: Jene Verbindungen des
MKV, die sich vor einigen Jahren entschlossen haben, Frauen aufzunehmen, schieden aus dem Verband aus. Mittlerweile wurden Freundschaftsabkommen geschlossen. Allein die klare Ablehnung der Fristenlösung, die beide Verbände vertreten, lässt auf ein konservatives Rollenbild schließen. Im Frühjahr 2004 veröffentlichte der CV eine Stellungnahme zur Verfassungsreform, demzufolge die Straflosigkeit von Abtreibungen ohne medizinische Indikation in Österreich ausgesetzt werden sollte.
Freilich, es wird im Arbeitsleben selten jemand direkt so argumentieren wie auf den Buden der Männerverbindungen. Und auch in Kreisen, die nicht konservativ sind, wird Frauen oft wenig zugetraut. Der Heidelberger Soziologe Carsten Wippermann hat 2009 untersucht, wie Frauen beim Aufstieg in Top-Positionen diskriminiert werden.

Drei Managertypen

Er stieß dabei auf drei Managertypen. Erstens, der sehr konservative Manager, der die "kulturelle und funktionale Ablehnung der Frauen qua Geschlecht ausmacht". Dagegen der zweite Typ, der zwar eine emanzipierte Grundhaltung hat, aber davon ausgeht, dass Frauen chancenlos gegen die Machtrituale seien. Härte steht im Widerspruch zu seinem Frauenbild. Tritt dann einmal eine Frau, entsprechend hart auf, dann wirkt sie in seinen Augen nicht mehr authentisch. Der dritte Typ sagt, dass das Geschlecht eigentlich keine Rolle dabei spielt, wenn es um die Besetzung einer Führungsposition geht. Aber es gebe nicht genügend Frauen, die authentisch und flexibel genug dafür seien.
Trotz all des Wandels scheint die Welt in vielen Teilen festgefahren, Traditionen und Handlungsweisen werden von beiden Geschlechtern oft auch unbewusst übernommen. Im Arbeitsleben existiert weiterhin ein "typisch" männliches Gehabe. "Das heißt, selbstbewusst, stimmlich und körperlich raumgreifend auftreten. Wenig Reflexionsvermögen und Bereitschaft zur Reflexion - zumindest im öffentlichen Raum - zeigen", beschreibt Universitätsprofessorin Birgit Sauer den Mann in der Arbeitswelt. Da bleibt
wenig Raum für Frauen. Höchst selten können sie auf eine Seilschaft vertrauen, treten Frauen aber raumgreifend auf,
wird es ihnen als Dominanzstreben zur Last gelegt. "Auch das private Umfeld hemmt Frauen", weiß Barbara Marx, Frauensekretärin bei der GPA-djp, zu berichten: "Vom Kopf her gibt es bei vielen Paaren ein modernes Bild. Aber wenn Kinder auf die Welt kommen, greifen wieder die alten Frauenbilder. Frauen müssen dann mehr Zeit mit der Familie verbringen, müssen den Großteil der Hausarbeit machen und haben schlicht und einfach keine Zeit, sich um ihr Netzwerk zu kümmern."
Häufig begraben auch Babypausen und Teilzeit nach dem Wiedereinstieg die Chancen auf eine Karriere. "Von einer Teilzeitstelle aus ist es nicht möglich, Führungskraft zu werden. Lange Karenzzeiten machen einen beruflichen Aufstieg meist ohnehin unmöglich. Nach dem Wiedereinstieg landen Mütter gerne auf sogenannten Bore-out-Jobs, darben bei Routinearbeiten, quälen sich in Stellen, für die sie überqualifiziert sind!"

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Info&News
Die Studie "Brücken und Barrieren für Frauen zu Führungspositionen" von Carsten Wippermann kann im Netz auf der Seite des deutschen Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als pdf downgeloadet werden.
(www.bmfsfj.de)
tinyurl.com/5wpwhp9
Interessante Texte über die Geschlechtertheorie, in mehreren Lebensbereichen, gibt es auf der Internetseite von Eva Kreisky unter www.evakreisky.at unter dem Punkt Online Texte.

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Christian Resei (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771357 Der zweite Managertyp hat zwar eine emanzipierte Grundhaltung, geht aber davon aus, dass Frauen chancenlos gegen Machtrituale seien. Tritt dann einmal eine Frau entsprechend hart auf, dann wirkt sie in seinen Augen nicht mehr authentisch. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771367 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771332 Meine WWWelt Die Demokratisierung des Internets hat einen neuen Namen: soziale Netzwerke. Erstmals haben alle BürgerInnen die Möglichkeit, sich in der (virtuellen) Öffentlichkeit ein individuelles Image zu basteln und es gekonnt zu präsentieren. Längst veraltet: Homepages, die noch vor 15 Jahren von Enthusiasten ins Netz gestellt wurden, werden seit Jahren nicht mehr aktualisiert. Denn kein Mensch liest mehr diese Datenleichen. Doch Interesse nutzt dem Ego. Soziale Netzwerke haben das Problem der ewigen Anonymität gelöst, dem "Dutzendgesicht" eine gigantische Bühne geschaffen. Die politischen Folgen sind bemerkenswert, wie der arabische Frühling beweist. Der BürgerInnenbewegung haben Facebook und Twitter einen gehörigen Auftrieb verschafft. Facebook ist das Netzwerk der breiten Masse, mauserte sich vom Geheimtipp zum Werkzeug für jede Altersgruppe und ist auch die Firma, die weltweit am schnellsten wächst.

16 Stunden/Monat auf Facebook

Wer eifrig netzwerkt sieht, was sich im nahen, fernen und virtuellen Freundeskreis zuträgt. Noch sind die meisten UserInnen motiviert, Meldungen bei Facebook einzustellen oder zu kommentieren - etwa 750 Mio. Menschen haben derzeit ein Profil. Mit geringem Aufwand können zusätzlich Fotos, Filme und Musik mit Freunden geteilt werden. Der/die durchschnittliche UserIn verbringt ganze 16 Stunden im Monat mit Facebook-Aktivitäten - ein unbezahlter Nebenjob. "Facebook ist leicht bedienbar und hat auch schon frühzeitig eine App für Handys auf den Markt gebracht", erklärt Systemadministrator Franz Schäfer. Er sitzt im Bundesausschuss der GPA-djp work@IT (die Interessengemeinschaft für Menschen in IT-Berufen), nutzt Facebook neben Google+ und Twitter.

Mit Daten lässt sich Geld verdienen

Mit den von BenützerInnen hinterlassenen Daten wird viel Geld verdient, Facebook geht auch hier an neue Grenzen. Manch Datenschützern graust: Die Gesichtserkennung punktet vordergründig mit dem Vorteil, Fotos nicht beschriften zu müssen. Doch die Erkennung basiert auf der Auswertung heikler biometrischer Daten. Zusätzlich werden E-Mail-Adressen und Telefonnummern gesammelt. Wer "Freunde sucht", das Passwort seiner E-Mail-Adresse angibt, stellt damit auch ungefragt Adressen von Menschen zur Verfügung, die überhaupt nicht bei Facebook sind. Immerhin hat der Konzern zumindest auf den Widerstand seiner NutzerInnen reagiert und mögliche Einstellungen überarbeitet. Nach wie vor lässt Facebook Profile von WerbepartnerInnen durchforsten, außer, es wird in der komplizierten Datenschutzerklärung verweigert. Schlau: Der Umgang mit den Benutzerdaten wird im Kleingedruckten oftmals verändert.
Wer sich das Ausspionieren nicht länger gefallen lassen will, kann das Netzwerk bald wechseln. Mit Diaspora soll ein dezentrales Netzwerk etabliert werden. Das von vier New Yorker IT-Studenten initiierte Projekt wird von den NutzerInnen selbst kontrolliert. "Diaspora soll mit gegenseitigem Austausch funktionieren. Weder hat es eine Zentrale, noch wird das System groß verwaltet, und es steckt auch keine Firma dahinter, die Zugriff auf die gesamten Daten hat", erklärt Franz Schäfer.
Ein sympathisches Projekt. Selbst Facebook-Gründer Mark Zuckerberg rühmt sich, Geld für Diaspora gespendet zu haben. Ursprünglich wollte er mit dem Projekt Wirehog ein ähnliches Netzwerk schaffen, doch der lukrative Weg siegte.
Der erste Eindruck von Diaspora, das sich noch in der Entwicklungsphase befindet, ist eher ernüchternd. Die Menüführung ist grober als bei Facebook, die Seite nicht besonders übersichtlich. FreundInnen suchen gestaltet sich derzeit mühsam und verlangt Geduld. Zumeist sind die BenutzerInnen mit Pseudonymen unterwegs. Fazit: "Verschollene" Kontakte über Diaspora aufzufrischen, wird schwierig werden.

Seit Juli auch noch Google+

Offenkundig um Benutzungsfreundlichkeit ist derzeit Google+ bemüht. Interessant ist, dass Google mit Orkut schon seit Jahren ein soziales Netzwerk im Firmenportfolio hält. Orkut ist vor allem in Brasilien (2004 über 20 Mio. NutzerInnen) und Indien beliebt. Bisher hatte Google die sozialen Netzwerke aber unterschätzt und wenig Wert auf eine weltweite Vermarktung gelegt. Seit Juli ist Google+ im Netz, rund zehn Mio. NutzerInnen haben sich in der Erprobungsphase angemeldet. Offenheit wird demonstriert, denn der Konzern wurde allzu häufig wegen seiner Datenpolitik kritisiert. Täglich diskutieren Entwickler mit UserInnen über die neuen Funktionen von Google+. Frei nach dem Motto: "Sagt uns, was wir besser machen können, wir hören auch zu." Den Unterschied zu Facebook macht das Circle-Konzept. Muss die Freundschaft bei Facebook erst bestätigt werden, kann den Personen in den Circles - wie bei Twitter - gefolgt werden. "Bei Politikern, die ich nicht persönlich kenne, die mich aber trotzdem interessieren, will ich keine Freundschaftsanfrage schicken. Wenn ich ihn in den Circle aufnehme oder per Twitter folge, bleibe ich über die wichtigsten Sachen trotzdem auf dem Laufenden", erklärt Schäfer.

Die virtuelle Bühne verführt

Ein weiterer Unterschied ist der Gruppenvideo-Chat. "Wenn sich Google+ durchsetzt, könnte es für Skype eng werden", weiß Schäfer. Skype wurde vor kurzem von Microsoft übernommen. Für Google, Apple oder Facebook ist es nun "Feindestechnologie". Noch steht für die meisten BenutzerInnen einfache Handhabung im Vordergrund. Die Auswertung der Datenspuren ist vielen Menschen bislang egal, das zeigt sich etwa auch an der Flut diverser Kundenkarten. So lange keine unmittelbaren, persönlichen Erfahrungen mit Datenspionage spürbar sind, erscheint der Datenklau als notwendiges Übel. Selbst Menschen, die aus ihrer Profession heraus sehr vorsichtig sein müssten, unterschätzen die Möglichkeiten der Datenüberwachung und -Verknüpfung. Mit Pasquale Manfredi und Salvatore D‘Avino schnappte die Polizei zwei flüchtige Mafia-Bosse. Manfredi konnte geortet werden, weil er über einen mobilen Internetstick sein Facebook-Profil bearbeitete. Auf Facebook geladene Badefotos brachten D‘Avino zu Fall - sein Versteck war keins mehr. Die virtuelle Bühne für No-Names und Mafiosi verführt zu gefährlicher Eitelkeit.

Viel Info auf 140 Zeichen

Auch nach den Unruhen in England kooperierten Firmen mit der Polizei. Viele der erbosten - oder auch berechnenden - Jugendlichen kommunizierten über den Blackberry-Messenger. Ähnlich der SMS- Übertragung sind die Botschaften aber verschlüsselt und ausschließlich mit Blackberry-Geräten zu empfangen. Ursprünglich als Manager-Spielzeug gedacht, sind die Messenger heute für fast jeden in Großbritannien leistbar. War die Decodierung für die Polizei anfangs schwierig, hat Blackberry die Verschlüsselung und andere Daten bald zur Verfügung gestellt.
Politisch interessanter sind Funktionen wie die Twitter Hashtags (#). Dabei wird die gesamte Kommunikation zu einem Thema angezeigt. Bei diesen Meldungen, höchstens 140 Zeichen lang, sind sich NutzerInnen bewusst, dass ihre Botschaften öffentlich und nicht privat sind. Besonders häufig hat Experte Franz Schäfer die Hashtags während des Aufstands in Ägypten und im Zuge der Wikileaks US-Depechen-Veröffentlichungen benutzt. "Ich habe wesentlich schneller als in den anderen Medien mitbekommen, was sich gerade tut." Obwohl nur in Kurzform, ist der Informationsgehalt bei wichtigen Themen sehr hoch, da extrem viele Leute Neuigkeiten beisteuern. "Außerdem kann freilich auf längere Artikel verlinkt werden", ergänzt Systemadministrator Franz Schäfer.

Umgang mit eigenen Daten lernen

Die Menschheit, insbesondere die Jugend, wird den sorgsamen Umgang mit persönlichen Daten lernen müssen. Als Schulfach ist Facebook oder ein absehbarer Nachfolger längst keine reine Utopie mehr. Langfristig könnten sich parallel zwei neue Netzwerke ausbilden. Ein rein privates, das nur die allerbesten FreundInnen und die Familie umfasst. Und ein Netzwerk, das eigenen Interessen entspricht (etwa politischen), weitläufiger ist und kaum noch Intimes enthält.
Vorhersagen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen, ein Zitat, das unter anderem Mark Twain zugeordnet wird und dem sich Franz Schäfer gerne anschließt.

Internet:
Nähere Infos:
www.netzwertig.com 
Die Radiosendung: Der Facebook-Mensch von Deutschlandradio Kultur: Bis 31.12.2011
downloadbar auf
www.dradio.de 
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Christian Resei (Freier Journalist) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771272 Mit Pasquale Manfredi und Salvatore D‘Avino schnappte die Polizei zwei flüchtige Mafia-Bosse. Manfredi konnte geortet werden, weil er über einen mobilen Internetstick sein Facebook-Profil bearbeitete. Badefotos brachten D‘Avino zu Fall. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993771249 Gesichter lieber dreidimensional erleben Ich möchte die Details meines Privatlebens nicht einer Firma übergeben, die der Meinung ist, Privatsphäre sei ein überholtes Konzept." Meint der 39-jährige Robert spontan auf die Frage, warum er Facebook nicht nutzt. Und Robert hat damit nicht unrecht: Die Meinung von Mark Zuckerberg, Gründer von Facebook zum Thema Privatsphäre spiegelt sich im Facebook-Konzept wider. Übrigens: Auch einer der wichtigsten Menschen von Google, Aufsichtsratchef Eric Schmidt hat zur digitalen Reputation eine interessante Meinung, die er in einem Interview einmal so formulierte: "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."

Technik affin? Ja. Facebook? Nein.

Abgesehen von der Problematik mit der Privatsphäre trifft Robert Menschen, die ihm wichtig sind, lieber persönlich als virtuell. Eine ganz ähnliche Meinung dazu hat auch der 35-jährige Arzt Peter. Die beiden Männer sind aber keinesfalls als Technik-Verweigerer zu bezeichnen: Robert ist IT-Spezialist, nutzt Xing und LinkedIn für berufliche Kontakte und ist etwa drei Stunden täglich im Web unterwegs. Peter hat mit 26 Jahren beschlossen, dass er lieber mit Menschen als mit Maschinen arbeiten möchte und seinen hoch dotierten Software-Entwickler-Job an den Nagel gehängt, um ein Medizinstudium zu absolvieren. Heute nutzt er nur noch etwa 20 Minuten täglich das World Wide Web - hauptsächlich für medizinische Recherchen und
E-Mails.
Auch die logistische Sachbearbeiterin Katharina kann den beliebten Sozialen-Netzwerk-Seiten wenig abgewinnen: "Ich finde Facebook zu oberflächlich und möchte nicht zu viel Zeit im Internet verbringen, um Pseudo-Freundschaften zu pflegen. Außerdem stelle ich ungern persönliche Daten ins Netz." Nur etwa eine Stunde pro Woche nutzt die 34-Jährige das Internet. Damit liegt sie weit unter der Norm: Über 14 Stunden sind Herr und Frau DurchschnittsösterreicherIn monatlich online, wobei das im europäischen Schnitt (über 26 Stunden) noch recht wenig ist.

Abgeschnitten von Informationen

Die beiden jungen Männer räumen ein, dass sich auch Nachteile daraus ergeben, kein Facebook-Profil zu besitzen: Manche Informationen werden nur via Facebook ausgetauscht und sind daher nicht mehr (direkt) zugänglich. Katharina ergänzt, dass manche Informationen dadurch schneller und effizienter verbreitet werden können.
Kein Wunder: In Österreich sind 2,57 Mio. Menschen Faceboo-NutzerInnen, weltweit hat jeder zehnte Mensch ein Facebook-Profil. Bei einer solchen Durchdringung kann einem durch die Verweigerung dieses Kommunikationsportals - was Facebook im Wesentlichen darstellt - schon einmal die eine oder andere relevante Information aus dem Freundes- und Bekanntenkreis durch die Lappen gehen: Viele Einladungen zu Partys und sonstigen Events werden nur via Facebook administriert, die Geburt vom eigenen Baby wird für Freunde in Form von Statusmeldungen und dem ersten Foto bekannt gegeben und das Feierabendbier ausgemacht.

Zwischen Wirklichkeit und Fiktion

Die drei sind sich einig dabei, dass sie durch ihre Webnutzung ihren digitalen "Fingerprint" besser unter Kontrolle haben, und damit haben sie natürlich nicht unrecht: Das Web ist wie das ewige Eis: Was hier einmal an Informationen abgeladen wurde, ist nicht mehr so leicht zu eliminieren. Katharina sieht als weitere Gefahr, sich in einer Scheinwelt zu verlieren, persönliche Kontakte und Suchtgefahr nennt sie ebenfalls als Problempunkte. Tatsächlich spiegelt der virtuelle Auftritt in Facebook meist das coolere Alter Ego der tatsächlichen Lebensrealität wider. Zeugnis davon geben Statusmeldungen und Fotos von aufgeblasenen Onlinepräsenzen ab, die mit der realen Person etwa so viel zu tun haben, wie ein Elefant mit einer Maus.
Eskapismus - also die Flucht vor der Realität und Internetsucht müssen in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnt werden. Mittlerweile gibt es eigene spezialisierte Kliniken, um Internetsüchtige zu therapieren, meist sind es sogenannte jugendliche "Gamer" - Onlinespielsüchtige, die besorgte Eltern dort behandeln lassen. Von Facebook-Süchtigen und einer Therapie hört man zwar (noch) nichts, aber das permanente Abrufen von Statusmeldungen, Kommentieren und Hochladen von Fotos nimmt doch häufig zwanghafte Dimensionen an: "Dank Smartphones ist dies ja auch immer und überall möglich - und eigentlich ist es doch recht erstaunlich, wenn man im Cafe um die Ecke Freunde beobachtet, die anstatt in ein reales Gespräch vertieft zu sein, in ihre mobilen Endgeräte grinsen, weil sie gerade einen lustigen Kommentar von Susi gelesen haben und noch schnell ihrer virtuellen Fangemeinde mitteilen müssen, dass sie mit Tom und Helga gerade im Cafe um die Ecke sitzen und soeben den zweiten Cafe Latte bestellt haben. Freilich wird auch noch real Konversation betrieben - allerdings muss diese alle zehn Minuten unterbrochen werden, um mal eben die letzten Statusmeldungen im Facebook zu checken, um etwas zu "liken"." Das findet Peter doch etwas "absurd". Etwa 75 Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung nutzen das Internet - 42 Prozent davon auch über mobile Endgeräte, und wie man beobachten kann, ist das Abrufen von Nachrichten während realer Gespräche durchaus üblich.

Zeit für reale Treffen

Das pessimistische Bild, das durch die Interviewten gezeichnet wird, ist - trotz des individuell erlebten Nutzens von aktiven Facebook-NutzerInnen - nicht von der Hand zu weisen. Im Wesentlichen geht es um Ablenkung - oder wie es Peter zusammenfasst: "Ich will mich dem Zwang, permanent auf irgendwelche Statusmeldungen, Nachrichten und Freundschaftsanfragen reagieren zu müssen, nicht aussetzen. Wichtiger ist mir, dass ich Zeit für reale Treffen und auch mal Muße zum Nachdenken habe, denn das setzt bei mir viel eher kreative, neue Gedanken frei." So wählen ganz bewusst - nicht aus Angst vor der Technik oder mangels Zugang - manche Menschen einen Weg abseits von Facebook, trotz hoher Durchdringung: In der Altersgruppe der 18- bis 63-Jährigen, gehören rund 80 Prozent der ÖsterreicherInnen mittlerweile der Facebookpopulation an, über alle Altersgruppen gerechnet, liegt die Durchdringung immer noch bei über 30 Prozent. Zudem ist Facebook ein recht gleichberechtigtes Portal: Bemerkbare Nutzungsunterschiede von Mann und Frau gibt es nur bei den SeniorInnen, wo der Frauenanteil etwas geringer ist. Probleme haben die Interviewten ohne Facebook-Präsenz nicht: Laut eigenen Aussagen stört das ihr Sozialleben nicht - im Gegenteil sagen sie.
Katharina verortet sogar einen neuen Trend: Es ist durchaus hip, nicht in Facebook zu sein, denn selbst eingeschworene NutzerInnen der ersten Stunde äußern ihren Ärger über diverse Änderungen in der Nutzeroberfläche und bei den Privatsphären-Einstellungen. Zudem kommt noch dazu, dass es so etwas wie einen "Freundschaftszwang" gibt: "KollegInnen und entfernte Bekannte schicken Freundschaftsanfragen und bohren nach, wenn diese nicht innerhalb von Stunden bestätigt werden.

Einfacher ohne Facebook-Profil

Da ist es doch viel einfacher, gar kein Profil zu haben - dann muss man sich nicht entscheiden, ob man aufwendig erklären soll, warum man einen unsympathischen Kollegen nicht adden will oder mühsam Einstellungen vornimmt, um zu gewährleisten, dass genau dieser Kollege nur bestimmte Teile des Facebook-Profils sehen kann." Außerdem sagt Katharina, dass sie virtuelle Kommunikation ohnehin schwierig einschätzt: "Beim Chatten gibt es so leicht Missverständnisse."

:-) ersetzt kein Lächeln

Tatsächlich kann diese Form von Kommunikation ein wahrer Konfliktbeschleuniger sein: Im Vergleich zu einer realen Unterhaltung fehlen einige wichtige Komponenten: Mimik, Gestik und Tonfall können schwer über das Web vermittelt werden.
Auch wenn versucht wird, dies mit Akronymen - z. B. *lol* -> Laughing out Loud, oder Smilies - etwa  :-) - auszugleichen, geht viel an Ausdruck und Qualität verloren und eine unterschiedliche Vorstellung von Netiquette (Etikette im Netz) tut sein Übriges dazu. Facebook ist zwar eine Real-Name-Community, aber die Hemmschwelle, etwas Unhöfliches zu sagen, ist auch hier geringer, als in der Realität.

Internet:
VÖGB-Einführungsskriptum zu Web 2.0:
SK 07 als Download unter Kapitel
"Soziale Kompetenz":
www.voegb.at/skripten 
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aw@oegb.at 

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Elke Radhuber (Mitarbeiterin im Büro des ÖGB-Präsidenten) Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993771238 Freilich wird auch noch real Konversation betrieben - allerdings muss diese alle zehn Minuten unterbrochen werden, um mal eben die letzten Statusmeldungen im Facebook zu checken, um etwas zu "liken". http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993769939 Standpunkt | Im Netz zappeln … Natürlich ist das sehr banal, aber es hat immerhin sechs Leuten gefallen und drei weitere haben Ergänzungsvorschläge gepostet. "Web-2.0-Tamagotchi" nannte Harald Katzmair im Interview für dieses Heft die sozialen Medien. Und so unrecht hat er mit diesem Vergleich nicht. Ich hatte ja auch so ein kleines elektronisches Spielzeug, das man regelmäßig füttern und streicheln musste, damit es nicht fiepsend zugrunde ging und mit Reset wiederbelebt werden musste.

Ego füttern

Ja, es stimmt: Heute füttere ich mein Ego übers Web 2.0: Da ein Foto online gestellt vom netten Abend, dort ein "Youtube"-Video geteilt mit einem fast vergessenen Lieblingssong, einen klugen Satz zum Twittern gefunden und einen Blogeintrag geschrieben. Das gefällt meinen "Freunden", "Followern", "Abonnenten", "Kommentatoren", sie zeigen mir Daumen hoch, antworten mit ihrem Lieblingssong, verbreiten meine Klugheit weiter oder kommentieren tröstend, anregend, ergänzend. Virtuelles Kuscheln. Ich bin nicht allein. Das kostet viel Zeit und bringt wenig. Denn schon ist meine Statusmeldung wieder in der Flut der anderen untergegangen, mein Tweet im allgemeinen Gezwitscher verklungen, mein Blogeintrag kaum mehr gelesen.

Geben und Nehmen

Im Web 2.0 wird sehr viel heiße Luft umgeschlagen und es ist nur begrenzt ein Netzwerkinstrument, da hat der Experte Katzmair schon recht. Die richtigen, wichtigen Netze, die uns Sicherheit geben und auffangen, die gibt es nur im wirklichen Leben, die müssen durch reale Begegnungen, durch Geben und Nehmen geknüpft werden. Aber heiße Luft sorgt für Auftrieb.Die meisten von uns verfügen über mehr als ein Netzwerk: Bei mir z. B. ist eines, das in der alten Heimat, das ich auch im Netz wiederbeleben konnte; so geht sich nun oft ein Kaffee im richtigen Leben aus, wenn ich meine Mutter besuche - angerufen hätte ich die alten SchulfreundInnen und Jugendlieben wohl kaum, so werden Wiedersehen unkompliziert eingefädelt und ich bleib am Laufenden. Das Web 2.0 gibt mir die Möglichkeit, mit den verschiedenen Freundeskreisen und Ex-KollegInnen Kontakt zu halten, und zwischen all den Wald-und-Wiesen-Postings gibt es immer wieder die mit Inhalt: eine echte Bitte, ein Schicksal, ein Fest, eine politische Aktion, eine wichtige Veranstaltung, eine unterdrückte Information, ein Appell, ein Lachen, eine Frage, die ich mir so noch nicht gestellt habe … Und Menschen wie Karim El-Gawhary, in dessen "Tagebuch der arabischen Revolution" nachzulesen ist, wie Web 2.0 zur politischen Mobilisierung und journalistischen Information genutzt werden kann. Andere Beispiele dafür finden sich in dem eben fertiggestellten Handbuch "Soziale Bewegungen und Social Media" - und am 19. und 20. Oktober gibt es Gelegenheit, das beim #sbsm-Camp im wirklichen
Leben mit wirklichen Menschen auszuprobieren.
Im Grunde ist es mit dem Web 2.0 wie mit dem Fisolengulasch - auf die richtigen Zutaten kommt es an und die sind individuell verschieden, wenn man Gehaltvolles will, muss man sich Zeit dafür nehmen, wirklich schmecken tut es nur, wer auch im wirklichen Leben mit mir zu Tische sitzt, eine Anregung kann es trotzdem auch für andere sein; alle Tage Fisolengulasch will kein Mensch, man kann sich dran überfressen und ein paar Fasttage von Zeit zu Zeit haben noch niemandem geschadet!

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Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1308069483109 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Thu, 15 Sep 2011 00:00:00 +0200 1315993769842 Das Web-2.0-Tamagotchi füttern Zur Person
Dr. Harald Katzmair
Geb. 1969, Sozialwissenschafter und Philosoph, ist Gründer und Geschäftsführer der
FAS.research - Understanding Networks GmbH, einem internationalen Analyse- und Beratungsunternehmen im Bereich Executive Networking, Public Affairs, Campaigning, Key-Account-Management und Virales Marketing mit Standorten in Wien und New York.

Seit über 14 Jahren entwickeln Harald Katzmair und sein internationales Team Tools und Strategien für Entscheidungsträger in einer zunehmend komplexen und unter Wettbewerbsdruck stehenden Welt. FAS.research identifiziert mit ihren Mapping-Technologien spielentscheidende Erfolgsfaktoren.

Arbeit&Wirtschaft: "Die Formel der Macht" lautet Ressource x Netzwerke, schreiben Sie in Ihrem gleichnamigen Buch - Netzwerke sind auch Thema der aktuellen A&W. Sie sind Netzwerkspezialist, haben Soziologie und Philosophie studiert, wie sind Sie auf das Thema gestoßen?

Harald Katzmair: Das hat in meiner Kindheit begonnen. Irgendwann bin ich als Neunjähriger im Bachbett auf einen Eisvogel gestoßen und war dermaßen fasziniert von diesem Vogel, dass ich mir von meinen Eltern ein Vogelbuch schenken ließ, um diesen Vogel zu bestimmen. Das hat dazu geführt, dass ich mich als Kind extrem damit zu beschäftigen begonnen habe. Das war eine andere, eine Nicht-Erwachsenen-Welt. Über die Vögel habe ich mich sehr bald mit ökologischen Fragen beschäftigt; da ist es sehr offenkundig, dass alles mit allem verbunden ist. Dass unsere Welt nur als System beschreibbar, verstehbar, lebbar und veränderbar ist, und dass die Dinge zusammenhängen und auch diese Wertschätzung, was Diversität anbelangt und eine gewisse Sensitivität, dass es da Mitlebewesen gibt und zwar in den unterschiedlichsten Formen, das hat mich schon früh fasziniert. Die Netzwerkanalyse war quasi dann die Entdeckung, dass es eine Möglichkeit gibt, diese Komplexität, die unsere Welt und Systeme im Allgemeinen kennzeichnet, darzustellen, zu verstehen, zu modellieren, kommunizierbar zu machen über Visualisierung. Das war  fast eine logische Entwicklung. Ich bin aber relativ spät darauf gestoßen. Systemtheorie kennt jeder, Kybernetik auch irgendwie, aber die Netzwerkanalyse hat aus vielen, vielen Gründen im deutschsprachigen Raum erst sehr spät Fuß gefasst. Als ich 1997 damit begonnen habe, hat es niemanden in Österreich gegeben, der sich damit beschäftigt hat. Man kann es auch heute noch nicht studieren. Das ändert sich jetzt.

Unser Gehirn ist für viele von uns durch Computer verständlicher geworden. Werden durch Computernetzwerke im Web 2.0 wie Facebook, Xing & Co. auch unsere sozialen Netzwerke für uns interessanter, verstehbarer?

Statt dass wir die sozialen Beziehungen, die uns in den letzten 20 Jahren aufgrund von Veränderungen in unserer Welt  - Stichwort: Neoliberalismus, Ver-Ich-AG-isierung - abhanden gekommen sind, revitalisieren, technisieren wir sie. Es gibt Social Networks und Social Media, das soll es geben und das ist auch gut so, solange das uns ermöglicht, unsere Offlinewelt, unsere Lebenswelt besser zu organisieren, zu gestalten und lebbarer zu machen. Und nicht umgekehrt, dass wir, weil wir auf dieser Welt keinen Ort haben, keine Lebenswelt, die uns erträglich erscheint, zum Avatar werden, zum User, zum "Profil". Ich kann ja nicht mein Heil als "Profil" entdecken und mir davon die Revolution oder sonst was erwarten. Nicht nur, dass das nicht passieren wird, es ist eine extreme Bindung von Energie - das sind die Web-2.0-Tamagotchis, sag ich immer. Jetzt gibt es auch noch Google+, jetzt füttern die Leute so vier, fünf Tamagotchis, damit ihr "Profil" up to date bleibt. Das ist rein energetisch ein Irrsinn.

Und die Wirkung bleibt aus …

Notwendigerweise aus vielen, vielen Gründen. Das ist auch in unserem Buch beschrieben. Weil das Web 2.0 uns nach Ähnlichkeit anordnet und nicht nach Komplementarität, weil das Web 2.0 extreme Transaktionsvolumina produziert, ohne dass eigentlich transagiert wird. Das heißt, es gibt in diesem Netzwerk keine Ressourcen. Und die Menschen vergessen eine einfache Regel: Wenn es etwas gratis gibt, bist meist du selbst das Produkt. In einer nie da gewesenen Form wirst du, wird dein Leben, werden deine Daten zum Produkt. Und man muss jetzt nicht groß moralisieren und das dramatisieren, aber wir verlieren unsere reale Lebenswelt immer mehr, wir dünnen aus, wir ziehen uns zurück, weil die Welt in der wir leben uns extrem verletzt und extrem viele Kränkungen verursacht. Die vielen, die sich zurückziehen, um sich vor Verletzungen zu schützen, gehen dann über diese sozialen Medien in Beziehungen, die "safer" sind, sicherer. Das ist verständlich.

Immerhin hat auch Harald Katzmaier ein Facebook-Profil. Wie die meisten meiner Bekannten und KollegInnen …

In einer Welt, in der sich die Ich-AG permanent zu Markte trägt und einen Wert darstellen muss, ist das ein geniales Medium, natürlich. Aber das hängt auch damit zusammen, dass wir alle glauben, wenn wir da nicht dabei sind, ist es überhaupt vorbei. Das ist ja zum Teil die nackte Angst. Es geht nicht darum, das zu skandalisieren, sondern darum, dass es in die Netzwerkökonomie passt. Mit den Ich-AGs ist das rational handelnde ökonomische Subjekt, von dem jetzt 60, 70 Jahre geschrieben und geredet wurde, endlich hergestellt und technisch realisiert, als Knoten mit einem Profil, in dem es sich darstellt, verkauft und präsentiert, seinen Wert, Selbstwert, seinen Status festlegt - es ist ein Marktmedium. Das ist postfordistische Netzwerkökonomie.

Macht das Web 2.0 Netzwerke wieder bewusster? Früher gab es ja auch Beziehungen über Netzwerke, Vitamin B, da wurde weniger darüber gesprochen.

Früher war es aber auch für 90 Prozent der Menschen nicht notwendig, sich über Märkte und Suchprozesse Arbeit zu suchen. Selbst die Angestellten-Jobs sind heute marktähnlich, die agieren mittlerweile alle wie Selbstständige, weil sie sich nnerhalb der Firma positionieren müssen. Das ist klar, wenn eine Gesellschaft aufbricht und die Menschen mobilisiert werden und Beziehungen in Marktbeziehungen aufgelöst werden, also weg vom Job im Betrieb hin zur Suche nach diesen berühmten Win-win-Konstellationen gibt es immer mehr Leute, für die Beziehungen plötzlich Teil des Suchprozesses am Markt sind. Früher hat keiner suchen müssen, da hat er ja ein Leben lang einen Job gehabt. Beziehungen  hat es immer gegeben und die hat man auch immer gebraucht - nur wir sprechen vom Phänomen des "Networkens".

Was ist überhaupt ein Netzwerk?

Ein Netzwerk ist nichts anderes als all die Interaktionen und Beziehungen, die ich in meinem Leben mit wem auch immer unterhalte. Ein Verein ist genauso ein Netzwerk, wie ein Geheimbund ein Netzwerk ist oder eine ehemalige Schulklasse. Nur haben die Netzwerke unterschiedliche Qualitäten - je nachdem wie viele Ressourcen tatsächlich in dem Netzwerk vorhanden sind, seien es diese ideelen Ressourcen von Werten und Haltungen oder seien es die ökonomischen. Es sind einfach Beziehungen, da gibt es kurzfristige und längerfristige. Man teilt ja gerne in Institutionen, Märkte und Netzwerke - das ist ein Blödsinn: Institutionen und Märkte sind genauso Netzwerke nur mit anderen Eigenschaften.

Der ÖGB war und ist ein Netzwerk?

Die gesamte Gewerkschaftsbewegung ging aus kleinen Netzwerken hervor. Da haben vier, fünf Leute gesagt, so geht das nicht mehr, wir müssen was tun. Ein Netzwerk ist keine Maschine, sondern ein Prozess, viel mehr Verb, mehr Tätigkeit als Substantiv. Netzwerke sind immer ein Drama, da passieren ja Dinge. Weil Netzwerke aus Beziehungen bestehen, sind sie genauso belebt oder unbelebt wie menschliche Beziehungen sind, und manchmal schlafen Beziehungen ein.
Und die Frage ist, wie können die Beziehungen die es gibt und die vielfältigen Beziehungen innerhalb des ÖGB revitalisiert werden. Wie kann dieses Netzwerk sich neu beleben? Absolut jedes Netzwerk hat Zyklen. Es gibt diese Euphorie des Beginns, das Wachstum, Honeymoon. Dann wird das Ganze zur Routine. Irgendwann einmal müssen wir uns fragen, wie stellen wir uns neu auf? Wir müssen uns neu erfinden, sonst gehen wir auseinander. Das ist da genauso.

Da hilft manchmal noch ein gemeinsamer Feind von außen …

Aber nicht auf Dauer. Und wir sind immer wieder auch in unserem Leben aufgerufen, uns zu orientieren, uns zu fragen, was wollen wir wirklich, bedeutet das, was wir vor zehn Jahren gemacht haben für uns heute noch das Gleiche, haben sich unsere Bedürfnisse verändert, hat sich die Welt verändert? Die Welt ist ein Prozess, kein Zustand, die Dinge sind in permanentem Wandel. Und die Beziehungsgefüge sind denselben Zyklen unterworfen. Wir haben ja diese massive Verkürzung von Produktzyklen, Lebenszyklen. Humankapital entwertet sich immer schneller. Es hat sich der Kapitalismus in den vergangenen 20 Jahren massiv verändert. Und man muss einfach sagen, dass die Gewerkschaftsbewegung extreme Schwierigkeiten hat, sich von diesem Paradigma der fordistischen Organisation der Arbeit zu lösen. Bisher hat es einen Betrieb gegeben, die Menschen haben an einem Ort gearbeitet, waren ähnlichen Lebensbedingungen unterworfen - da konnte die Gewerkschaft mit den anderen Sozialpartnern relativ stabil Makroökonomie betreiben.
Diese berühmte Steigerung der Konsumnachfrage, diese berühmte produktivitätsorientierte Entlohnungspolitik - das ist ja alles aufgebrochen. Vor allem der gemeinsame Ort, der Betrieb ist der Gewerkschaft abhanden gekommen. Und selbst, wo es den noch gibt, rotieren die Beschäftigten, es gibt Mutterkonzerne, verschiedene Standorte. Und selbst wenn sie in einem Betrieb arbeiten und nicht als Neue Selbstständige oder als Freiberufler, denken und agieren sie aber mittlerweile so als ob. Die Gewerkschaft -  auch die Sozialdemokratie im Kern - trauert über den Verlust  einer Gesellschaft, in der die Menschen durch die Erfahrung der Arbeit vorgeformt waren. Sie sind auf jemanden getroffen, der aufgrund gleicher Lebenslagen sehr ähnliche Erfahrungen gemacht hat. Darauf aufzusetzen war viel einfacher.
Die Disparität der Erfahrungen, die zentrifugalen Kräfte, die damit verbunden sind, dieses Fortschreiten der Spezialisierung, dass niemand mehr jemandem erklären kann, was er eigentlich macht; das ist so verschwurbelt und so spezifisch. Und diese Verallgemeinerung von Konkurrenzbeziehungen - und Konkurrenz heißt immer, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Das heißt auch immer, dass es extrem viele Kränkungen und Verletzungen gibt, Verwundungen, die dann sehr spezifische gesellschaftliche Psychopathologien zur Folge haben, unter anderem aber auch, dass sich die Menschen zurückziehen. Ich möchte jetzt nicht den Neoliberalismus dämonisieren. Mit Neoliberalismus meine ich, dass es so viele Oligopole gibt wie noch nie.
Ich denke an die Auflösung bestimmter Regulierungsformen und die damit einhergehende Herausbildung von Oligopolen, an deren Peripherie eine Zulieferökonomie entstanden ist: die ganze Dienstleistungsgesellschaft, die da rein liefert, den vier, fünf großen Firmen, die sich das leisten können und diese Leute, die unter extremen Wettbewerbsbedingungen stehen. In Wahrheit hat die Gewerkschaftsbewegung - und die Sozialdemokratie - auf diese Form von Oligopolbildung und der damit einhergehenden krassen Machtdifferenz zwischen diesen zentralen ökonomischen Playern und der Peripherie  nie eine Antwort gefunden.
Man muss da wirklich vorsichtig sein. Man hat es da mit gesellschaftlichen kulturellen Kräften zu tun, die eine Eigendynamik entwickeln. Wenn man aber in der Defensive ist und versucht, etwas zu schützen und nicht mehr es zu gestalten, verliert man scheibchenweise.

Wie könnte die Zukunft aussehen?

Wenn die Modelle Markt, Staat und Community nicht wirklich taugen, um das Leben für möglichst viele Menschen gut lebbar zu machen, muss man sich fragen, was nun? Wir müssen an diesen Modellen dran bleiben, aber wir können nicht ausschließlich auf den Markt, den Staat oder die Community setzen, sondern wir versuchen, die Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, durch diese drei unterschiedlichen Formen zu lösen - und das undogmatisch. Es haben sowohl auf den Markt bezogene als auch kommunitaristische oder staatliche Modelle ihre Berechtigung - aber nicht als Monopol. Und dazu würde für mich auch gehören, dass die Zivilgesellschaft als Sozialpartner an den Tisch geholt wird. Das würde auch die Erstarrung lösen. Wir müssen die Probleme, die wir lösen wollen und müssen, diversifizieren. Wir müssen uns hybride Politikformen überlegen. Dabei muss im Zentrum die Gesundheit, die Lebendigkeit, die Entwicklungs- und Lebensfähigkeit einer Gesellschaft - also unser aller Leben - stehen.

Eher optimistisch oder pessimistisch was die Zukunft anlangt?

Realistisch: Ich bin pessimistisch - mit gutem Grund - was dieses System, in dem wir jetzt leben, betrifft. Wir sind in einer Sackgasse. Optimistisch bin ich, weil der Mensch einen extremen Überlebenswillen hat, extrem kreativ ist. Es hat noch nie so viele kluge und gebildete und gescheite Leute gegeben wie jetzt. Es wäre vollkommen absurd zu glauben, dass wir die Potenziale, die wir haben, nicht anders organisieren können. Und realistisch in Hinblick auf die Zeitspanne, die das alles betrifft. Unsere Gesellschaft ist wie ein Patient, bei dem das Fieber noch nicht ausgebrochen ist, obwohl er sich elend krank fühlt. Das wird wohl noch einige Jahre dauern. In denen wird der finanzmarktorientierte Kapitalismus scheitern, es wird auf der Energieseite nicht mehr so weitergehen, die Ressourcen gehen zu Ende, vieles wird verdrängt, irgendwann steht die Wirklichkeit vor der Tür.

Was kann der/die Einzelne tun?

Wir dürfen nie vergessen, dass es neben der Erwerbsarbeit auch die Arbeit am anderen und die Arbeit an sich selbst geben soll. Und wenn die Erwerbsarbeit noch so schrecklich ist, müssen wir sehen, dass wir, was auch immer zu bewältigen ist, das nicht als Ich-AG schaffen werden. Wir müssen den eigenen Narzissmus zähmen. We can’t win the game, we have to change the rules - wir können nicht gewinnen, wir müssen die Regeln ändern.

Wir danken für das Gespräch.

Internet:
Harald Katzmairs Firma F.A.S.
www.fas.at 
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at 

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Arbeit&Wirtschaft 09/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993769804 Es gibt Social Networks und Social Media, das soll es geben und das ist auch gut so, solange das uns ermöglicht, unsere Offlinewelt, unsere Lebenswelt besser zu organisieren, zu gestalten und lebbarer zu machen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1315993769821 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405589 Zahlen, Daten, Fakten Unter Downloads gibt es

Zahlen, Daten, Fakten

  • Gesamtverbrauch mancher Hauptnahrungsmittel pro Kopf 2009
  • Preisniveausindizes von Nahrungsmitteln und alkoholfreien Getränken, 2010
  • Relative Preisniveauindizes von Nahrungsmitteln (Index, EU27=100)
  • Relative Preisniveauindizes von alkoholfreien Getränken (Index, EU27=100)
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Arbeit&Wirtschaft 07/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405556 Mäuse machen mit Futter Mit seinem zweibeinigen Dosenöffner Gustav ist Francis, der schlaue Kater, in ein Haus gezogen, dessen merkwürdige Geschichten und atmosphärische Absonderlichkeiten ihn bald ahnen lassen, dass hier etwas nicht stimmen kann. In "Felidae", dem 1989 erschienenen Tierkrimi von Akif Pirinçci, geht es nicht um des Katers Futter, sondern um die kriminellen Machenschaften im neuen Revier des Vierbeiners. Dank Gustavs Dosenfutter jeglicher Nahrungssorgen ledig, löst Francis komplizierte Fälle spielend. Normale Katzen und Kater würden Whiskas kaufen, oder, sofern sie in eine schlechter gestellte Schicht geraten sind, Brekkis bzw. No-Name-Dosen vom Diskonter. Die besseren und ganz hohen Tiere bekämen Sheba und anderes Nasszeug, mit Liebe und Petersilie serviert, weshalb gerade die Luxustiere frühzeitig ständige PatientInnen der immer zahlreicher werdenden TierpsychologInnen zu werden gezwungen sind.

Schwerindustrie 

Etwa 60 Mrd. US-Dollar schwer ist der weltweite Haustiermarkt. Das ist etwas mehr als nötig wäre, um die extreme Armut weltweit zu halbieren, meint Erik Assadourian vom Worldwatch Institute in Washington. Auch der ökologische Fußabdruck von Haustieren bzw. vom Aufwand, den ihre BesitzerInnen um sie treiben, passt nicht mehr in den Abdruck herkömmlicher Samtpfoten. Die zehn größten Haustierhalternationen bräuchten etwa die Landmasse von Neuseeland, um ihre Tiere in gewohnter Fertigfuttermanier zu verköstigen, wurde in dem Buch "Time to eat the dog" errechnet. Früher hatten einem Hund Tischabfälle, Wasser und ein bisschen Pansen genügt. Heute kostet Premium-Tierfutter der Luxusklasse doppelt so viel wie ein gutes Stück vom Truthahn. Pro Kopf gibt jeder/jede ÖsterreicherIn 50 Euro pro Jahr für das Haustier aus, etwas weniger die Deutschen (45 EUR), jedoch deutlich weniger als Briten/-innen (65 EUR) und US-AmerikanerInnen (110 EUR).
"Es lässt tief blicken", sagt der Ernährungskritiker und Journalist Hans-Ulrich Grimm, "wenn man sich bei mit Reis, Maismehl und Erbsenkleie vermengtem Schlachtabfall nicht zurückhalten kann, für den eigenen Putenbraten aber nur vier Euro investiert."

Aromatisiertes Tiermehl

Mit seinem Buch "Katzen würden Mäuse kaufen: Schwarzbuch Tierfutter", erstmals veröffentlicht im März 2007, verursachte der ehemalige Spiegel-Redakteur einigen Aufruhr in den Zentralen der Futtermittelproduzenten. Aus Schlachtabfällen und Kadavern, so einige von Grimms Ausführungen, werde in Tierkörperbeseitigungsanlagen Tiermehl gewonnen, als Rohstoff für die großen Hersteller von Heimtiernahrung. Erst Aromen, Geschmacksverstärker, Konservierungs-, Farb- und andere Zusatzstoffe ergäben daraus ein leckeres Menü für Schnurrli, Akira und Napoleon.
Tief blicken ließ auch die Reaktion des US-Konzerns Masterfoods, Deutschlands größtem Tierfutter-Hersteller, der nicht nur Whiskas, sondern auch Marken wie Pedigree, Chappi, Sheba oder Frolic vertreibt. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung, die der Konzern erwirkt hatte, verzögerte sich der ursprüngliche Auslieferungstermin des Buches. Erst nach einer Erklärung des Verlages, die Herstellung eines Zusammenhanges zwischen Konzern und Tierfuttermafia wäre nicht beabsichtigt, konnte es unter einem neuen Schutzumschlag erscheinen.
Trotz aller Versicherungen der Branche, es gebe keine bessere und gesündere Nahrung für unsere Haustiere als industrielles Fertigfutter, wird zunehmend Kritik an den Fütterungsgewohnheiten von Haustieren laut. Die Industrie ist schließlich keine Tierschutzorganisation: Großkonzerne wie Masterfoods sind an sich Produzenten von Menschennahrung, wie Mars oder Uncle Ben’s Reis. Dabei fällt viel Abfall an. Somit sei die Tierfutterherstellung eine elegante und vor allem einträgliche Lösung zur Abfallverwertung, meint Buchautor Grimm.
Kritische TiermedizinerInnen empfehlen den Umstieg auf Rohfutter. "Nach unserer Ansicht gibt es zurzeit kein Fertig futter, das hochwertig genug ist, um  nach dem Vorbild der Natur die Nahrungsbedürfnisse der Katze voll zu be friedigen", heißt es auf der Website www.kritische-tiermedizin.de. Hier werden Ratschläge zur artgerechten Fütterung von Hund und Katze gegeben.

Knochen und Rindsmagen

Die BARF-Bewegung (Biologisch Artgerechtes Rohes Futter) ist nicht neu. 1993 veröffentlichte der australische BARF-Pionier und Tierarzt Ian Billinghurst das "Leitmedium der Knochenfresserbewegung" unter dem Titel "Give your dog a bone". Heute kommen Klassiker wie Knochen oder roher Rindermagen bei vielen Tierhaltern zu neuen Ehren. "Eine wertvollere Nahrung für den Hund als unbehandeltes 'Stinkezeug‘ gibt es nicht", meint etwa das Autorenduo Heiko Gebhardt und Gert Haucke in ihrem Buch "Die Sache mit dem Hund".
Auch das angebliche, in goldene Schälchen portionierte, Gourmetfilet stinkt ursprünglich sehr, meinen kritische BeobachterInnen der Branche. "Dass am Anfang der Produktionskette tierische Kadaver stehen, wird verschwiegen", sagt Buchautor Hans-Ulrich Grimm in einem Interview mit der deutschen Tageszeitung taz. Dass im Tierfutter Abfälle stecken sei weder neu noch schlimm. Erst die industrielle Verwertung, ein extrem profitables Geschäft, erfordere die Verwendung der zahlreichen Zusatzstoffe. "Die Futterindustrie hat das Tier zum Objekt menschlicher Bedürfnisse gemacht", so der Autor. "Die Wahrheit ist: Der Mensch ist einsam und die Katze hat Diabetes." Die Spätfolgen jahrelanger Fütterung ausschließlich mit Fertigfutter sind in den Praxen der Tierärzte zu sehen, meinen die kritischen TiermedizinerInnen. Probleme wie Übergewicht, Zahnausfall und Nierenerkrankungen wären bei der Gabe von Rohfutter zu vermeiden. "Die Hersteller versuchen, mit neuen Produkten die Probleme, die sie selbst verursacht haben, zu kompensieren und verdienen noch mehr Geld damit."
Abhängig von der Qualität müssten etwa Katzen verhältnismäßig viel Dosenfutter fressen, um ihren Nährstoffbedarf zu decken. Nassfutter fördere die Zahnerkrankungen, da das Tier normalerweise sein Gebiss durch Kauen rei nigt. Auch die Behauptung, Trockenfutter reinige die Zähne, sei falsch. Im Gegenteil: Die Stärkereste verursachen Zahnbelag. Die neuen "Oral care"-Produkte für Hund und Katz sind teuer und machen vorrangig den Tierhaltenden Spaß. Trockenfutter sei speziell für die Bequemlichkeit von TierbesitzerInnen entworfen, nicht für das Haustier. In jedem sechsten österreichischen Haushalt lebt ein Hund, (insgesamt über 640.000), rund 1,5 Mio. Katzen sind ÖsterreicherInnen. Ein Kundensegment, dessen Ausbau sicher lohnt, wie ein Blick in die Supermärkte zeigt. Hier nimmt es die Länge der Regale mit Haustierfutter leicht mit jener für Kosmetika auf. Die Rendite für Heimtierbedarf liege etwa doppelt so hoch wie im Lebensmittelhandel, ließ Torsten Toel ler, Firmengründer des Haustierbedarfsanbieters "Fressnapf", bei einer Pressekonferenz in Wien durchblicken. Zuletzt gab es landesweit 102 Filialen, bis zum Jahr 2015 sollen es 125 sein. Fressnapf will aber nicht nur expandieren, sondern in den kommenden Jahren auch bis zu 3,5 Mio. Euro in seine Modernisierung investieren. In eine Modernisierung der Werbung versteht sich, nicht in die der Futterqualität. Auch will sich Fressnapf künftig "femininer aufstellen". 80 Prozent der Kunden/-innen seien schließlich weiblich.

Katzen würden Mäuse kaufen

Würden Katzen bei der Produktion ihres Futters mitwirken, gäbe es vielleicht neben der Geschmacksrichtung "Maus" auch "Taube" oder "Fliege".
Wir sind gespannt, als nächstes zu erfahren, was Hersteller glauben, dass Frauen meinen, was ihre Katze gerne frisst. Kann man Katzen eigentlich auch das Fell färben, wenn es stumpf wird?

Internet:
Mehr Infos unter:
www.kritische-tiermedizin.de 
www.transanimal-editor.de 
www.food-detektiv.de 
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Gabriele Müller (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405536 Normale Katzen und Kater würden Whiskas kaufen, oder, sofern sie in eine schlechter gestellte Schicht geraten sind, Brekkis bzw. No-Name-Dosen vom Diskonter. Die besseren und ganz hohen Tiere bekämen Sheba und anderes Nasszeug. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405544 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405509 Feucht-fröhliche Geschäfte Neben dem Gastgewerbe machen auch andere Branchen gute Geschäfte mit Alkohol: Man trinkt mit Kunden/-innen und GeschäftspartnerInnen ein Gläschen oder mehr; auf Firmenevents, Messen und bei Weinproben werden Kontakte geknüpft. Alkohol entspannt, lässt Probleme vorübergehend vergessen und erleichtert die Kontaktaufnahme. Für die nötige gute Stimmung brauchen manche allerdings eine immer höhere Dosis - so kann regelmäßiger Alkoholkonsum langsam und relativ unauffällig zur Abhängigkeit führen.
Die Statistiken darüber, in welchen Berufsgruppen am meisten Alkohol konsumiert wird und wo es die meisten Probleme gibt, unterscheiden sich je nach Land und Erhebungszeitraum. Neben Stress und Überforderung (u. a. aus Angst vor Arbeitslosigkeit bzw. dem Druck, sich Probleme nicht anmerken zu lassen) kann auch Unterforderung (Alkohol als Kick im Kontrast zum eintönigen Arbeitsplatz) eine der Ursachen sein. Arbeitslose sind im Übrigen ebenfalls gefährdet. Zu den typischen Risikogruppen zählen Baugewerbe, Gastronomie, Ärzte/-innen und ManagerInnen. Im Falle von Alkoholverboten am Arbeitsplatz werden G’spritzter, Krügerl & Co. eben nach Feierabend konsumiert.

Hochs und Tiefs

Nicht selten bleibt die Krankheit lange unentdeckt, Betroffene schaffen es, ihren Job, FreundInnen und PartnerInnen zu behalten. Oder auch umgekehrt: Das soziale Netz hilft dabei, den Alkoholmissbrauch und die beruflichen Nebenwirkungen in Grenzen zu halten. Die Vorstellung von der Alkoholabhängigkeit als einheitlich verlaufende Erkrankung mit entsprechenden Konsequenzen stimmt nicht ganz. In Langzeit-Studien hat sich herausgestellt, dass es häufig zu einem Pendeln zwischen Trinkphasen und kontrolliertem Alkoholkonsum kommt.

Nebenwirkung Alk-Entzug

Gar nicht so wenige Alkoholkranke machen auf einer chirurgischen oder internen Abteilung eine Entwöhnung durch - in Zusammenhang mit Operationen oder anderen Erkrankungen. Das hat den Vorteil, dass es "diskreter" ist, als in einer allgemein bekannten Einrichtung für Suchtkranke. Allerdings sind die langfristigen Erfolgschancen in speziellen Einrichtungen (auch mit entsprechender Nachbetreuung) vermutlich größer. Ein Alkoholentzug bedeutet nicht zwangsläufig, dass man auch längere Zeit stationär behandelt wird und entsprechend lange im Krankenstand ist. Es gibt außerdem die Möglichkeit ambulanter Behandlung im Spital - und manche schaffen es auch nur mit Unterstützung der Anonymen Alkoholiker. "Die regelmäßige Teilnahme an unseren Meetings hat kaum negative Auswirkungen auf das Berufsleben", erklärt Erwin P. von den Anonymen Alkoholikern Österreich. "Und ob jemand seine AA-Zugehörigkeit im Betrieb outen möchte, bleibt ihm selbst überlassen."
Alkoholkrankheit ist auch in großen Betrieben meist ein riesiges Tabuthema. "Und wenn es doch jemand anspricht, dann passiert es leider häufig, dass die Betroffenen ihr Problem hartnäckig leugnen", erzählt Peter Traschkowitsch, Leiter des vida-Projekts Gewalt am Arbeitsplatz. "So wird manchmal einfach eine Zeit lang abgewartet und dann die Kündigung ausgesprochen, ohne auf das Problem einzugehen."

Störfaktor Alkohol

Rund die Hälfte der AlkoholikerInnen greifen nach erfolgreichem Entzug innerhalb von zwei Jahren wieder zur Flasche. Das Risiko eines Rückfalls hängt allerdings weitaus weniger vom beruflichen Umfeld ab, als man annehmen würde. "Wir alle leben in einem Riesenwirtshaus", so Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, Leiter des Anton-Proksch-Instituts (API) in Wien. "Wer nicht trinkt, gilt als Spaßverderber. Dass trockene AlkoholikerInnen mit Alkohol in Kontakt kommen, lässt sich daher so gut wie gar nicht vermeiden. Therapie kann also nicht in die Richtung gehen, dass man in Zukunft mit Alkohol überhaupt nichts mehr zu tun hat. Ziel ist vielmehr, Alkohol als Störfaktor zu empfinden. Dann kann durchaus auch ein Weinbauer abstinent bleiben. Für PatientInnen, die beruflich mit Alkohol zu tun haben und bei denen im Laufe der Therapie klar wird, dass das Verlangen danach sehr stark ist (Craving), sollte man einen Berufswechsel andenken."
In Zusammenarbeit mit dem AMS werden dann Alternativen erarbeitet. Mag. Sebastian Paulick, Pressesprecher AMS-Wien: "Für trockene AlkoholikerInnen, die beruflich mit Alkohol zu tun haben, gibt es keine einheitliche Regelung. Jeder Einzelfall wird geprüft, Umschulungen - für die im Übrigen kein Rechtsanspruch besteht - sind denkbar."

Tägliche Herausforderung

Individuelle Lösungsansätze sind wichtig. Erwin P.: "Köche/-innen beispielsweise müssen sich entscheiden, wie sie mit dem Thema Abschmecken mit Alkohol umgehen. Vielleicht wenden sie sich vertrauensvoll an Kollegen oder wechseln lieber in eine Krankenhausküche, wo ohne  Alkohol gekocht wird." In einschlägigen Internet-Foren ist der tägliche Kampf  gegen die Droge ständiges Thema. Wer anfangs noch überzeugt war, sein Leben wieder voll im Griff zu haben, gerät  nach einiger Zeit im alten Umfeld mit trinkfreudigen FreundInnen, KollegInnen und Kunden/-innen, Familienfesten u. Ä. unter Umständen doch ins Wanken. Spezielle Rückfallpräventionsprogramme und/oder Selbsthilfegruppen können hier Unterstützung bieten. Wichtig ist außerdem, dass eventuelle andere Erkrankungen auch nach der Therapie (weiter) beachtet werden. So leiden etwa bis zu 75 Prozent der Alkoholkranken unter  depressiven Symptomen.

Beruflicher Wiedereinstieg

Viele sind nach dem Alkoholentzug jenseits der Vierzig. Mit dem Projekt BRISANT (Berufliche ReIntegration Stationärer Alkoholabhängiger PatientInnen Nach Therapie) möchte das API die Lücke zwischen stationärer Entwöhnungsbehandlung und beruflichem Wiedereinstieg schließen helfen. In Zusammenarbeit mit AMS und WAFF werden spezielle Kurse für in Wien arbeitslos gemeldete alkoholkranke Frauen und Männer über 40 angeboten.

Internet:
AK - Alkohol am Arbeitsplatz
tinyurl.com/6zk9f32 
Broschüre vom Institut Suchtprävention/ pro mente OÖ mit rechtlichen Aspekten und Handlungsanleitungen: Alkohol und illegale  Drogen am Arbeitsplatz
tinyurl.com/43y67q2
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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405484 Rund die Hälfte der AlkoholikerInnen greifen nach erfolgreichem Entzug innerhalb von zwei Jahren wieder zur Flasche. Das Risiko eines Rückfalls hängt allerdings weitaus weniger vom beruflichen Umfeld ab, als man annehmen würde. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405489 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405500 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405460 Mehr Meer - weniger Fisch? Das Meer. Sinnbild von allen möglichen Klischees oder tatsächlichen Wünschen: Erholung, Ruhe, Freiheit, Ursprung des Lebens usw. Aber auch: Gefahr, Unheimlichkeit, Ebbe, Flut, Tsunami oder Seenot usw. Der Begriff und das wirkliche Meer bringen Ängste und Sehnsüchte zugleich hervor. Meere bedecken drei Viertel der Erdoberfläche und enthalten rund 90 Prozent des gesamten Wassers unseres Planeten. Mehr als die Hälfte des weltweit verfügbaren Sauerstoffs werden von einzelligen Meeresalgen produziert. Schätzungsweise 250.000 Arten leben im Meer.
Doch das Meer ist in Seenot. Umweltverschmutzung wie etwa Plastik- und Ölverschmutzung, radioaktive Verseuchung oder unzählige Handelsschiffe und Tanker machen den Ozeanen schwer zu schaffen.  Und die Flüsse tragen neben unserem Müll auch Düngemittel aus der Landwirtschaft und ungeklärte Abwässer in die Ozeane.
Etwa 10.000 Millionen Tonnen langlebiges Plastik gelangen jährlich in die Meere. Laut einer UNO-Studie treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer Weltozean. Jede PET-Flasche und jede Einwegwindel braucht 450 Jahre, bevor sie im Meer "verschwunden" ist. Im Nordostpazifik treibt ein gigantischer Müllteppich von der Größe Mitteleuropas bestehend aus drei Millionen Tonnen Wegwerfgegenständen (www.plastic-planet.at).
Die jüngste Studie des Internationalen Ozeanprogramms (IPSO) warnt vor einem beispiellosen Artensterben. Grund dafür sei die Wechselwirkung von Überfischung, Umweltverschmutzung und Klimawandel, die bisher in diesem Ausmaß nicht wahrgenommen worden sei. Es bestehe nun ein hohes Risiko, dass für das Leben in den Ozeanen nun eine Phase des Massensterbens beginne, wird der IPSO-Leiter, Alex Rogers, von der BBC zitiert. Allein die CO2-Konzentration in den Ozeanen sei derzeit bereits höher als beim letzten großen Artensterben vor 55 Millionen Jahren, als fast die Hälfte der Tiefseetiere verschwand. Dazu kämen weitere Auswirkungen, etwa der Umstand, dass sich chemische Stoffe sogar schon im Polarmeer finden (www.stateoftheocean.org).

Problem Überfischung

Hochgerüstete Fangflotten rotten die Fischbestände aus, sodass viele Fische gar nicht mehr alt genug werden, um sich vermehren zu können. Die kommerziell genutzten Fischbestände der Meere sind in einem bedrohlichen Zustand. Laut der UNO-Welternährungsorganisation FAO sind 52 Prozent bis an die Grenze genutzt, 19 Prozent überfischt und acht Prozent bereits erschöpft. Auch für die Fischbestände der EU sieht es nicht besser aus: 88 Prozent dieser Bestände sind überfischt. 90 Prozent der beliebtesten Fischarten wie Dorsch, Schwertfisch, Heilbutt und Thunfisch sind bereits aus den Meeren verschwunden.
Damit ist auch eine weltweit wich tige Erwerbs- und Ernährungsquelle der Menschen in Gefahr: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Küstennähe und hat damit Fisch zur wichtigsten Lebensgrundlage.
Wer ist vor allem Schuld an der Überfischung? Laut FAO sind 60 Prozent aller Fischerboote weltweit so klein, dass sie nicht einmal eine Kajüte besitzen. Umgekehrt machte ein Prozent der Fangflotten 50 Prozent der Beute! Das sind schwimmende Fischfabriken. Sie gehören den Industrienationen und sind perfekt ausgerüstet und orten jeden Fischschwarm. Das größte dieser Superschiffe ist die "Atlantic Dawn" mit 144 Meter Länge und 7.000 Tonnen Ladekapazität. In australischen oder EU-Hoheitsgewässern sind solche monströsen Fischfabriken bereits verboten. Um Einnahmen zu haben, verkaufen die armen Länder aber ihre Fischereirechte an reiche Länder, was die maßlose Ausbeutung der Meere zu Geschäftszwecken verschärft. Ca. ein Drittel des weltweiten Fischfangs wird illegal an Land gebracht. Jeder vierte Fisch auf den Tellern stammt aus dieser sogenannten Piratenfischerei, wobei diese in Zukunft noch zunehmen dürfte. Um die Überfischung zu beenden, müssten die Fischfangflotten insgesamt um die Hälfte reduziert werden.

Ungenutzter Beifang

40 Prozent des weltweiten Fischfangs gehen als unerwünschter "Beifang" ungenutzt, meist tot wieder über Bord - darunter Jungfische, Schildkröten oder Seevögel, weiß Antje Helms von Greenpeace. Jedes Jahr kommen dabei 300.000 Wale und Delfine ums Leben. Rekordhalter der massenhaften Verschwendung sind Schollen- und Shrimpsfischerei: Hier sterben fünf bis zehn Kilogramm andere Meerestiere pro Kilogramm Fang. In der Tiefsee zerstören tonnenschwere Grundschleppnetze Kaltwasser-Korallenriffe, die über Tausende von Jahren entstanden sind und nach der menschlichen Zeitskala unwiederbringlich verloren sind. Die Fische, die dabei in Tiefen bis 1.800 Meter gefangen werden, finden wir in unseren Supermärkten wieder: Hoki, Rotbarsch usw.
Obwohl es weniger natürlichen Wildfisch gibt, landet immer mehr Fisch in den Regalen der Supermärkte und am Tisch. Des Rätsels Lösung: Aquakulturen. Das ist Massen-Fischzucht in Käfigen und Becken unter Wasser. Das hat auch entsprechende negative Umweltauswirkungen: Futterreste und Medikamente vergiften Gewässer, Krankheitserreger aus den engen Käfigen gefährden Wildbestände.

Fischmehl als Tierfutter

Aber auch Gen-Fische sollen schnellen Gewinn verschaffen. Z. B. ein Gen-Lachs aus den USA, der durch ein Wachstumshormon schon in der Hälfte der Zeit eines natürlichen Lachses ausgewachsen wäre. "Kleiner" Nachteil: Gelangen nur 60 gentechnisch veränderte Lachse in die freie Wildbahn, könnte dies eine natürliche Population von 60.000 Lachsen in weniger als 40 Fischgenerationen auslöschen", warnte Eric Hoffman von "Friends of the Earth". Zuletzt hatten die USA die Zulassung (noch) verweigert. Doch es ginge auch anders: Um die Menschen mit dem Lebensmittel Fisch zu versorgen, wäre nur ein Bruchteil dessen nötig, was aus dem Meer geholt wird. Der Fischfang ist aber auch für andere Industrien ein profitables Geschäft. Ein großer Teil des weltweiten Fischfangs landet etwa als Fischmehl im Schweine- oder Hühnerfutter oder als Fischfutter in Fischfarmen.

Nachhaltige Fischerei

Um Vielfalt und Fischfang zu retten, schlagen Meeres-ExpertInnen vor, entsprechende Meeres-Schutzgebiete einzurichten, die frei von jeglicher Nutzung sind. Was an Land schon zum Teil möglich ist - 18 Prozent der Flächen sind geschützt - sollte auch auf die Ozeane angewendet werden, wo erst ein Prozent als geschützt gilt. Laut Greenpeace sollten mindestens 40 Prozent der Meere unter Schutz gestellt werden. Die Meere könnten sich so erholen und in den erlaubten Fanggebieten würde sich bei ökologischem Fischfang der Nutzfischbestand sogar vermehren.
Der "Marin Stewardship Council" (MSC) bietet Umweltstandards für nachhaltige Fischerei. Seine Prinzipien: Schutz der Bestände, minimale Auswirkungen auf das Ökosystem, effektives Management (www.msc.org)
Von der Welternährungsorganisation FAO wurde ein Leitfaden für eine verantwortungsbewusste Fischerei formuliert. Er wurde 2002 von den Regierungen weltweit mit dem Ziel verabschiedet, ihn bis 2015 umzusetzen.
Für den individuellen Einkauf hat Greenpeace einen "Fischratgeber" erarbeitet, der online abrufbar ist. Zudem veröffentlicht Greenpeace Deutschland alljährlich den Fischeinkaufsführer "Fisch & Facts". Der jüngste, "Supermärkte im Vergleich IV", kommt zu folgenden Ergebnissen: sieben von elf Supermarkt-Ketten haben einen schlechten Standard erreicht, keine einzige einen guten.
Im Detail: Aldi (Hofer) Nord und Kaiser‘s Tengelmann (Zielpunkt) landeten in der Kategorie, die dringenden Handlungsbedarf erfordert. Die Metro Group erhielt mit 31 Prozent das schlechteste Ergebnis. Metro ist zudem das einzige Unternehmen, das nur für eine seiner Vertriebslinien - Real - eine Einkaufsrichtlinie erstellt hat, während für die Metro Group und Metro Cash&Carry derzeit keine solche vorhanden ist. Deutlich zeigt der Überblick auch, dass sieben der elf Unternehmen die Inhalte ihrer Einkaufsrichtlinien dringend verbessern müssen. In der Umsetzung gilt für Netto (Stavenhagen), Aldi Süd, Aldi Nord und Kaiser‘s Tengelmann dringender Handlungsbedarf.

Internet:
Mehr Infos unter:
www.greenpeace.at 
www.greenpeace.de
www.fao.org 
www.stateoftheocean.org 
www.msc.org 
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Wilfried Leisch (Freier Journalist und Publizist in Wien) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405448 Etwa 10.000 Mio. Tonnen Plastik gelangen jährlich in die Meere. Laut einer UNO-Studie treiben bis zu 18.000 Plastikteile in jedem Quadratkilometer Weltozean. Jede PET-Flasche und jede Einwegwindel braucht 450 Jahre, bevor sie im Meer "verschwunden" ist. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405400 Bittersüß Als im Februar dieses Jahres die Internationale Süßwarenmesse in Köln stattfand - die größte Fachmesse für Süßwaren der Welt - herrschte hinter den Kulissen große Aufregung. Der Grund: Im westafrikanischen Land Elfenbeinküste, wo rund ein Drittel der weltweit geernteten Kakaobohnen wächst, herrschte Bürgerkrieg und wenige Tage vor der Messe war ein Kakao-Exportstopp ausgesprochen worden. Doch dies war mitnichten Thema bei der Pressekonferenz eines der größten "Player" der Schokoladenbranche, des Schweizer Konzerns Barry Callebaut. (Jahresumsatz 2009/10: 3,6 Milliarden, nach eigenen Angaben der weltgrößte Lieferant von hochqualitativem Kakao und Schokolade). Thema war die Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes in der sog. westlichen Welt und wie die Branche darauf mit immer kalorienärmeren Produkten reagiert. Auf konkrete Fragen, wie viel von dem, was wir für eine Tafel Schokolade zahlen dem Bauern bleibt, wurden die Antworten vage. Eine Aufschlüsselung sei nicht möglich, denn die Zahlen wären je nach Produktionsland total unterschiedlich. Nur eines war klar: Der Preis von Kakaobohnen hatte ein fast historisches Hoch erreicht. Multis wie Barry Callebaut tangieren jedoch sowohl hohe Preise als auch politische Unwägbarkeiten wie in den vergangenen Monaten in der Elfenbeinküste nur peripher. Denn die meisten Verträge werden lange im Voraus abgeschlossen und gegen den höheren Ka kao preis reagiert man schon eine ganze Weile kreativ mit neuen Kreationen, also Schokolade mit Zutaten, Füllungen. Und eine Firma dieser Größenordnung tut das praktischerweise durch den Ankauf von Firmen, die köstliche Füllungen, sei es Nougat oder Marzipan usw., herstellen. (Diese Art und Weise auf Kakaopreise zu reagieren hat übrigens Geschichte, indem man Nussschokolade erfand, umging man den teueren Kakaopreis.) Angesichts der aktuellen Unruhen in der Elfenbeinküste wurde jedoch ganz klar, wie sehr sogar ein Produkt wie Schokolade in Politik verstrickt werden kann.

Blutschokolade 

Seit 1978 ist das seit 1960 unabhängige Cote d’Ivoire, wie die Elfenbeinküste offiziell heißt, der weltweit wichtigste Produzent von Kakaobohnen. Der Handel mit Kakaobohnen war für den neuen Staat ein stabilisierendes Element, bis zur Krise Mitte der 1980er-Jahre. Der Preis sank dramatisch und 1989 erhielten die Bauern nur noch halb so viel für ihre Ernte wie einige Jahre zuvor. Der Anteil am Weltmarkt ging auf 20 Prozent zurück. Präsident Henri Konan Bedié, der 1993 Félix Houphonet-Boigny, der seit der Unabhängigkeit regiert hatte, nachfolgte, liberalisierte den Kakaomarkt. 1999 wurde Bedié in einem Putsch entmachtet, im Jahr 2000 gewann Laurent Gbagbo die Wahlen und gründete kurz darauf neben der bereits existierenden ARCC, Autorité de Regulation du Café et Cacao (Regulierungsbehörde für Kaffee und Kakao) vier neue Kakao-Institutionen, eine Kaffee- und Kakaobörse, eine Regulierungs- und Kontrollbehörde, eine Behörde für Investitionen und Entwicklung im Sektor sowie eine Garantiebehörde für Darlehen an Kooperativen. 2002 kam es zum Bürgerkrieg, ein Teil der Armee, die sog. "Forces Nouvelles" erhob sich gegen Präsident Gbagbo und brachte den nördlichen Teil des Landes unter ihre Kontrolle. Die UN setzte Friedenstruppen ein und der Konflikt wurde bis 2004 durch eine prekäre Machtaufteilung vorerst beendet. Nach einem weiteren Aufflammen des Bürgerkrieges einigte man sich auf Neuwahlen Ende 2005, die schlußendlich erst Ende 2010 stattfanden. Alassane Outtara gewann und bis er im April dieses Jahres sein Amt antrat, kam es erneut zu einem blutigen Bürgerkrieg. Dies war der Grund des eingangs erwähnten Exportstopps von Kakao - Outtara versuchte so, seinem Widersacher Gbagbo die Geldquellen zu entziehen.

Hot Chocolate für den Krieg

Bereits 2007 zeigte die britische Nichtregierungsorganisation "Global Witness" (die sich dem Zusammenhang von kriegerischen Aktivitäten und Rohstoffen widmet) in ihrem Bericht "Hot Chocolate", wie in der Elfenbeinküste Einnahmen aus dem Kakaohandel konkret zur Finanzierung kriegerischer Handlungen verwendet wurden. So erwirtschaftete Präsident Gbagbo mit Hilfe der von ihm geschaffenen neuen Kakao-Institutionen durch Korruption und obskure, intransparente Geldtransfers 58 Mio. Dollar für seine kriegerischen Ambitionen. Auch seine Gegner, die Forces Nouvelles, nutzten den wichtigsten Rohstoff des Landes für ihre blutigen Zwecke, indem sie einerseits verhinderten, dass Kakao, der im von ihnen kontrollierten Norden geerntet wurde, den Süden erreichte bzw. Zollgebühren auf Kakao erhoben. Dazu kam ein extrem repressives Klima - 2004 wurde der franco-kanadische Journalist Guy-André Kieffer im Zuge seiner Recherchen rund um den Kakaohandel ermordet. Sein Tod wurde nie vollständig aufgeklärt, der Schwager von Präsident Gbagbo, Michel Legré, war jedoch nachweislich darin verwickelt.

Noch immer Kinderarbeit

Kein Wunder also, dass genaueres Hinsehen bei vermuteten Machenschaften nicht so leicht fällt. Ein wesentliches Problem ist laut Mike Davis, Kakao-Experte von "Global Witness", dass die multinationalen Konzerne auf konkrete Nachfragen zu ihrem Geschäftsgebaren nicht offen Auskunft erteilen. Davis fordert, dass die multinationalen Konzerne viel transparenter sein müssen was ihre Zahlungen anbelangt, um sicher zu gehen, dass sie keine Kriegshandlungen finanzieren - im Vergleich zur Haltung von Konzernen in anderen von Rohstoffen befeuerten Konflikten seien, so Davis im Interview, die Süßwarenkonzerne "Dinosaurier", es mangelt massiv an Problembewusstsein.
Dies betrifft auch den Bereich Kinderarbeit. Schon Anfang der Nuller-Jahre verpflichteten sich die größten Konzerne im sog. "Harkin-Engel-Protokoll" bis 2008 für die Abschaffung von Kinderarbeit bei der Kakaoernte zu sorgen. Doch Reportagen wie "Bittere Schokolade" des dänischen Filmemachers Miki Mistrati zeigen, dass dieses Ziel gerade in der Elfenbeinküste keinesfalls erreicht ist. Das Problem besteht vor allem in mangelnden Kontrollen.
So war es nicht überraschend, dass Raphael Wermuth, ein Sprecher des Schweizer Konzerns Barry Callebaut auf die konkrete Frage, wie kontrolliert wird, dass es bei der Ernte keine Kinderarbeit gibt, lediglich antwortete, dass seine Firma Kinderarbeit gemäß der Definition der International Labour Organisation verurteile und schlußendlich nur die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Kleinbauern dies verhindern könne. Zudem meinte er, Barry Callebaut würde durch gezielte Projekte versuchen, nicht nur die Qualität der Kakaobohnen, sondern auch die wirtschaftliche Situation von Bauern zu verbessern.

Fairtrade - tu felix austria ...

Auf der Süßwarenmesse in Köln war Fairtrade ein wichtiges Thema. Kaum eine Firma, die nicht damit warb, bei genauerem Hinsehen wurde jedoch klar, dass es kaum Firmen gibt, die ausschließlich mit "fairen" Rohstoffen arbeiten.
Im Vergleich zu Ländern wie Belgien und der Schweiz waren zwar deutlich weniger österreichische Firmen auf der Messe vertreten, diese hatten jedoch erfreulich hochwertige Produkte vorzuweisen. Das Beispiel Zotter scheint Schule zu machen. Ein diesjähriger Neuzugang bei den österreichischen Fairtrade-Firmen ist die Firma "Frucht und Sinne" aus dem kleinen Ort Frankenmarkt in Ober österreich. Nachdem Christina und Thomas Kibler den heimischen Bauernhof mit rund 25 Kühen übernahmen, betraten sie außerdem berufliches Neuland. Sie fanden ihre Nische im Schoko-Markt, indem sie frische heimische Früchte gefriertrocknen und mit hochwertiger Schokolade umhüllen.

Fairtrade aus Österreich

Insgesamt arbeiten vier Leute in ihrem Betrieb und nahezu 30 Prozent ihres Umsatzes machen sie durch Reisegruppen - vor allem Tagesausflügler. Sie beliefern keine Supermärkte, sondern Confiserien und sogar Apotheken. Großen Anklang bei der Messe fand auch die Firma Pichler aus Sillian in Osttirol (nicht zuletzt deshalb, weil man Speck anbot). Hans Gerhard Pichler betreibt mit seiner Frau Petra und 22 MitarbeiterInnen eine Bäckerei, Konditorei, ein Café, eine Pension und stellt Schokolade her, mit der er mittlerweile rund 40 Prozent seines Gesamtumsatzes verdient. Die Umstellung auf Fairtrade ist im Gange. Hans Gerhard Pichler macht, wie er sagt, Schokolade aus Überzeugung und versucht stets neue Rezepte wie Apfelstrudel und Osttiroler Holunder-Schokolade.

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Angela Huemer (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405391 Im Vergleich zu Ländern wie Belgien und der Schweiz waren zwar deutlich weniger öster reichische Firmen auf der Messe vertreten, diese hatten jedoch erfreulich hochwertige Produkte vorzuweisen. Das Beispiel Zotter scheint Schule zu machen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405372 Der Kaffee macht’s Er bringt ganze Länder in Schwung und ist die letzte noch erlaubte Droge in vielen Büros: Kein Wunder, dass Kaffee der zweitwichtigste Rohstoff nach dem Erdöl ist. Die skandinavischen Länder und dort besonders die Finnen leisten dazu einen nicht unerheblichen Beitrag: Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von fast zwölf Kilogramm Kaffee jährlich ist Finnland Weltmeister. Das belebende Heißgetränk ist dort - obwohl es erst seit 1822 dauerhaft legal ist - fast allgegenwärtig. So findet man etwa in vielen Supermärkten auf kleinen Tischen zwischen den Regalen fertig aufgebrühten (Gratis-)Kaffee für den Koffein-Kick zwischendurch. Manche Firmen genehmigen ihren Angestellten zusätzlich zur Mittagspause 15 Minuten für den Kaffeegenuss.

Kaffeetrinken mit Clooney

Die Wirtschaftskrise hat der Beliebtheit von Espresso, Capuccino & Co. nicht geschadet, lediglich ein leichter Trend zu den billigeren Eigenmarken war zu beobachten. Kaffee zählt längst nicht mehr zu den Luxusgütern, und die Weltmarktpreise sind nach wie vor verhältnismäßig niedrig. So haben in den vergangenen Jahren auch Herr und Frau Österreicher (Jahresverbrauch durchschnittlich 9,6 kg Kaffee) ihre Filtermaschinen durch moderne Vollautomaten, Kapseln oder Pads ersetzt. Nestlé verzeichnet mit seinen bunten Kapseln nach wie vor zweistellige Wachstumsraten. Der 1866 gegründete Schweizer Nahrungsmittelkonzern hat mit dieser Erfindung nicht nur den Markt gründlich aufgemischt, sondern auch einen erstaunlichen Imagewandel geschafft. Schließlich haftete dem 1938 entwickelten löslichen Kaffee Jahrzehnte hindurch eher der Geruch des billigen Ersatzes an. Mit großem Marketing- und Werbeaufwand hat der größte Nahrungsmittelkonzern der Welt seine neue Erfindung zu wahren Kultobjekten hochstilisiert - inklusive edel gestylter Nespresso-Boutiquen, fantasievollen Kapsel-Namen, die an teure Weine erinnern und last but not least mit George Clooney als Testimonial. Da es immer wieder Kritik an der Umweltbelastung durch die Alukapseln gab - derzeit rund fünf Mrd. jährlich - wurde vor rund zwei Jahren (in Österreich gemeinsam mit der ARA) ein Recyclingprogramm eingeführt.

Quoten gegen Preisverfall

1962 wurde auf Anregung der UNO die International Coffee Organization (ICO) gegründet, die im Rahmen von internationalen Abkommen (ICA) den Kaffee-Weltmarkt zwischen Produzenten- und Konsumentenländern regulieren sollte. Das letzte derartige Abkommen (ICA 2007), wo unter anderem Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist, trat im Februar 2011 in Kraft. Im ersten ICA 1962 wurden für jedes kaffeeproduzierende Land Quoten festgelegt, um Überproduktion und Preisverfall zu vermeiden. Während des Kalten Krieges hatten die USA die Abkommen unterstützt, um zu verhindern, dass sich verarmte und unzufriedene Kaffeebauern kommunistischen Bewegungen anschließen. Nach dem Ende des Kalten Krieges verlor das Abkommen jedoch diesen Nebeneffekt, die USA verließen (vorübergehend) die ICO. Bereits zuvor war das Abkommen durch heftiges Feilschen um die Quotenverteilung geschwächt. 1989 wurde es suspendiert, jedes Land durfte nun beliebig viel Kaffee produzieren und exportieren.
Bis in die 1990er-Jahre waren Brasilien, Kolumbien und Indonesien die größten der insgesamt mehr als 70 Produktionsländer. Dann begann die Weltbank, den Kaffeeanbau vor allem in Vietnam zu fördern. Mit den Erlösen aus dem Kaffeeexport sollte das Land seine Auslandsschulden begleichen. Regenwälder wurden gerodet und zum Teil Ureinwohner vertrieben, um Kaffeeplantagen anzulegen. So avancierte Vietnam bis 1999 zum zweitgrößten Kaffeeproduzenten hinter Brasilien. Dollarbäume nannten die Vietnamesen eine Zeit lang die Kaffeesträucher. Gleichzeitig begann man auch in Brasilien den Kaffee, der traditionell auf eher schwer zugänglichen, höher gelegenen und schattigen Anbauflächen von Kleinbauern kultiviert wurde, in riesigen Plantagen im Flachland anzubauen, wo Maschinen die Ernte deutlich erleichterten. So wurde bald mehr Kaffee produziert als verbraucht, während der Kaffeekrise Ende der 1990er-Jahre sanken die Weltmarktpreise mehrere Jahre hindurch drastisch. Durch den Preisverfall um bis zu 70 Prozent verloren zahllose Kleinbauern ihre Existenzgrundlage - und mitunter sogar ihr Leben.
Auch Nestlé wurde unter anderem vorgeworfen, nicht genug für die in ihrer Existenz bedrohten, hungernden Kaffeebauern getan zu haben. Nicht zuletzt deshalb arbeitet der Konzern seit einigen Jahren mit der Rainforest Alliance zusammen und plant, den Anteil an zertifiziertem Kaffee zu erhöhen. Die Umweltschutzorganisation mit dem Frosch-Gütezeichen gilt allerdings als eher indus trie nah und Gehilfe beim plötzlichen "Ergrünen" von Großkonzernen.

Kaffee & Kinderarbeit

125 Mio. Menschen verdienen mit Kaffee ihren Lebensunterhalt, darunter sind nach wie vor Hunderttausende Kinder. Für viele arme Familien ist dies der einzige Weg, um zu überleben. Bei fair gehandeltem Kaffee wird den Kooperativen der Kaffeebauern ein fixer Mindestpreis garantiert, der in der Regel über dem Weltmarktpreis liegt, Zwangs- und illegale Kinderarbeit sind verboten. Obwohl heute FAIRTRADE-Kaffee in immer mehr Supermärkten, Cafés und Restaurants, ja sogar in zahlreichen Kaffeeautomaten in Spitälern, Behörden und Büros erhältlich ist, hat der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee die Drei-Prozent-Hürde noch nicht überschritten. Immerhin steigen die Verkaufszahlen seit der Gründung von TransFair Österreich 1993 (seit 2002 FAIRTRADE) kontinuierlich: 2010 wurden 1.392 Tonnen Kaffee verkauft, das bedeutet ein Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Bioanteil betrug 80 Prozent.

Der Inhalt zählt

Wie sehr eine Tasse Kaffee die Umwelt belastet, hängt im Übrigen mehr von der gewählten Kaffeesorte/-marke als von der Zubereitungsform ab. Zu diesem Schluss kamen kürzlich die Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Sie verglichen die verschiedenen Zubereitungsarten von Kaffee sowie die Verpackungsmethoden, erstellten eine vereinfachte Ökobilanz gängiger Kaffeesorten etc. Entscheidend für die Ökobilanz ist die Umweltbelastung durch die Landwirtschaft bei Kaffeeanbau und -veredelung. Und diese fällt umso negativer aus, je mehr Pestizide, Düngemittel und Maschinen (elektrische Trocknung statt durch die Sonne, Traktoren etc.) verwendet werden.
Stoff für Kritik liefert die Kaffeeindustrie auch in anderer Hinsicht, Starbucks etwa wurde unter anderem von Naomi Klein und Günter Wallraff wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen angeprangert. Auch Verurteilungen wegen Preisabsprachen sind in der Branche keine Seltenheit. Zuletzt brummte das deutsche Bundeskartellamt acht Kaffeeproduzenten rund 30 Mio. Euro Bußgeld für Preisabsprachen auf. Nach Angaben des Kartellamts stimmten die Kaffeeröster mehrere Jahre hindurch in einem eigenen Arbeitskreis des Deutschen Kaffeeverbands Preiserhöhungen und teils auch -senkungen für Röstkaffee ab.
Da Kaffee zu den Genussmitteln zählt, noch einige Details dazu: Der (kos tengünstigere) Anbau auf Großplantagen in sonnigen Lagen hat die Qualität der Kaffeebohnen keineswegs verbessert. Nur im Schatten können diese ausreichend lang reifen. Für die Pflanzung im sonnigen Flachland sind nur die widerstandsfähigeren, ertragreicheren und schnellwüchsigeren Robusta-Bohnen geeignet. Diese Sorten sind für Kapseln und Pads gut geeignet und sorgen in Espressomischungen auch für die Crema. Die hochwertigen und teureren Arabica-Bohnen (Hochlandkaffees) stammen ursprünglich aus Äthiopien, enthalten mehr Kaffeeöle, aber weniger Koffein und Säure als die Sorte Robusta. Kaffee enthält mehr als 700 verschiedene flüchtige Aromastoffe, manche sind bis heute noch nicht genau identifiziert.

Internet:
PRO-GE - Kaffeemittelindustrie
tinyurl.com/6gon7w5
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Astrid Fadler (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405355 So haben in den vergangenen Jahren auch Herr und Frau Österreicher ihre Filter maschinen durch moderne Vollautomaten, Kapseln oder Pads ersetzt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405363 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405337 Schon überzuckert? Seit Zucker billig, in schier unbegrenzter Menge verfügbar ist, zeigt er auch den KonsumentInnen seine bittere Seite. So gerne wir uns das Leben ab und zu versüßen: Zucker hat auch bittere Seiten. Historisch und ernährungsphysiologisch.
Zucker war eines der ersten globalen Produkte. Der Name kommt aus dem Sanskrit und die Inder waren es auch, die der Überlieferung nach das erste Zuckerrohr anbauten. Der erste Zucker, wie wir ihn kennen, wurde etwa um das Jahr 1000 nach Europa gebracht und diente da nicht etwa zum Süßen der Speisen, sondern als exklusive Medizin und als kostbares Gewürz. Wie wertvoll Zucker war, zeigt ein Preisvergleich: Im Spätmittelalter hatte ein Kilogramm Zucker den Wert von 100 kg Weizen.

Zuckerrohr aus Übersee

Der Anbau des Zuckerrohrs verlagerte sich allmählich vom Osten in den Westen und die Mengen steigerten sich nach und nach. Dank der massenhaften Herstellung in Übersee konnte der Zucker im 16. Jahrhundert das traditionelle Süßungsmittel Honig verdrängen. Etwa gleichzeitig kamen süße Desserts wie kandierte Früchte, Konfekt und Marzipan in Mode und die neuen Modegetränke Tee, Kaffee und Kakao wurden vornehmlich süß getrunken. Das hatte zur Folge, dass schlechte Zähne zu einem weitverbreiteten Phänomen der Oberschicht wurden. Doch neben den schwarzen Zähnen der europäischen Oberschicht schadete der Zuckerboom vor allem jenen, die ihn herstellten. Die Produktion des Zuckers ruhte auf zwei Säulen: auf Großgrundbesitz und Sklavenarbeit auf den Plantagen Amerikas. Von den zwölf Mio. AfrikanerInnen, die zwischen dem 16. und dem 19. Jahr hundert in die Neue Welt verschleppt wurden, kamen fast zehn Mio. auf die Zuckerrohrfelder Mittel- und Südamerikas. 1747 entdeckte der Deutsche Chemiker Andreas Sigismund Marggraf das Potenzial der heimischen Runkelrübe, doch erst die Kontinentalsperre Napoleons machte die Produktion heimischen Zuckers profitabel. Damit stieg auch auf dem Kontinent der Zuckerkonsum langsam aber stetig an. Darüber hinaus hob die Züchtung der heute bekannten Zuckerrübe aus der Runkelrübe durch Franz Carl Achard, einem Schüler von Andreas Sigismund Marggraf, die Ausbeute an Zucker und somit auch die Profite jener, die ihn produzierten. Bereits 1801 entstand Europas erste Zuckerfabrik. Zucker war somit auch eines der ersten Lebensmittel, das industriell hergestellt wurde. Bis heute ist die Produktion von Zucker in der Europäischen Union hoch subventioniert und schafft zahllose Probleme vor allem in Entwicklungsländern.
819 Mio. Euro an Steuergeldern fließen jährlich an sechs große Zuckerproduzenten innerhalb der EU, damit diese nicht benötigten Zucker exportieren. Dies geht aus einer neuen Untersuchung des internationalen Hilfswerks Oxfam hervor. Zu den im neuen Oxfam-Bericht "Überzuckert!" namentlich genannten Firmen gehören Südzucker aus Deutschland (der weltweit größte Zuckerhersteller), Beghin Say aus Frankreich und Tate and Lyle aus Großbritannien. Nach Oxfams Schätzungen erhalten diese Firmen 201, 236 beziehungsweise 158 Mio. Euro an Exportsubventionen von der EU. Die EU sei nicht, wie selbst behauptet, ein "subventionsfreier Exporteur", kritisiert Oxfam.

Fünf Mio. Tonnen Zucker aus EU

Die neue Studie weise nach, dass die EU in Wirklichkeit der größte Subventionszahler der Welt sei und jedes Jahr etwa fünf Mio. Tonnen Zucker auf den Weltmarkt werfe. Brasilien und Thailand verlören durch dieses Preisdumping jährlich schätzungsweise 494 beziehungsweise 151 Mio. Dollar, so Oxfam. Die Forderung von Oxfam ist klar: Europa müsse seine Zuckerproduktion verringern und die Entwicklungsländer zu fairen Konditionen am Markt teilhaben lassen.
So treibt der Zucker und die riesigen Geschäfte die mit seiner Hilfe möglich sind auch heute noch das Rad an, das  in Richtung Verelendung der Dritten-Welt-Länder rollt. Doch die europäische Zuckermarktordnung schadet nicht nur den Entwicklungsländern, sie schadet auch den europäischen SteuerzahlerInnen: Der Europäische Rechnungshof hat zum Beispiel ermittelt, dass die Zuckermarktordnung zu einer zusätzlichen Belastung der EU-VerbraucherInnen von mehr als sechs Mrd. Euro pro Jahr geführt hat. Dabei werden durch die 1968 eingeführte Zuckermarktordung nicht nur Europas Rübenbauern mit Steuergeldern unterstützt; Profiteur der Zuckerordnung ist vor allem die Zuckerindustrie.
Die Kritik an diesem System war bisher so zahlreich wie vergeblich. Für Franz Mühlbauer, Professor für Landwirtschaft an der Fachhochschule Weihenstephan, ist der Zuckermarkt "ein amtlich abgesegnetes Kartell, eine Lizenz zum Gelddrucken". Die OECD und Deutschlands Wirtschaftsweise haben die Zuckermarktordnung getadelt.

Zuckermarktordnung bis 2020

Doch die Profiteure der Zuckermarktordnung verteidigen sie mit Zähnen und Klauen: "Die Zuckermarktordnung der EU wird auch bei angespanntem Weltmarkt ihrer Verantwortung in vollem Umfang gerecht", erklärte der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker in Deutschland, Dr. Hans-Jörg Gebhard, im Rahmen der Zuckertagung 2011. "Wir begrüßen daher auch das klare Votum des Europäischen Parlaments für eine Fortsetzung der gegenwärtigen Regelung bis 2020", so Gebhard. Er unterstrich, dass für eine langfristige Versorgungssicherheit der Erhalt der Rahmenbedingungen der Zuckermarktordnung über 2015 hinaus unerlässlich sei.
Von einer Öffnung des Marktes und einer Aufhebung der Subventionen ist die EU also noch weit entfernt.
Doch Zucker hat neben der wirtschaftlichen auch eine ernährungsphysiologische Seite und auch die ist nicht nur positiv. Seit Zucker leicht zu haben und billig zu kaufen ist, wird er schon Kleinkindern als schnell verfügbarer Energieschub von Werbung und Marketing angedient. Und während viele Eltern auf die Werbetricks reinfallen und glauben, sie täten ihren Kindern etwas Gutes, werden die nächsten kleinen Zuckerjunkies herangezüchtet. Milchschnitte, übrigens von Foodwatch zur Werbelüge des Jahres gekürt, und Fruchtzwerge etc. bedienen sich eines einfachen Tricks, um bei den KonsumentInnen anzukommen: Sie geben vor mit Milch - sehr gesund für Kinder! - und im Falle der Fruchtzwerge (und mancher anderer Süßwaren) auch Obst - wer möchte nicht, dass die Kinder mehr davon essen? - besonders wertvolle Nahrungsmittel anzubieten.
Da sich bei den meisten Eltern herumgesprochen hat, dass man die Kleinen nicht mit Zucker vollstopfen soll, wird auch hier getrickst. "Mit der Süße aus Früchten" wird nochmals Obst suggeriert, wo einfach Fruchtzucker drin ist. Der findet sich, weil erstens billig und zweitens werbetechnisch gut zu verbraten, auch sonst in einer Menge industriell hergestellter Nahrung. Das ist nicht nur schlecht für die Figur der KonsumentInnen, sondern auch für deren Gesundheit: Rund ein Drittel der Bevölkerung kann Fructose nur schlecht aufnehmen und reagiert mit zahlreichen Beschwerden auf den steigenden Einsatz des Zuckers aus Früchten.
Doch das Problem mit dem Zucker entsteht schon früher: Bereits Kleinstkinder bekommen oftmals zahllose süße Kleinigkeiten als Belohnung und Trost und verlernen so schon im jüngsten Alter, dem normalen Sättigungsimpulsen zu folgen, sie gewöhnen sich an Süßes und lernen Lust dabei zu empfinden. So werden sie mit jedem Löffelchen süßer Beikost dazu erzogen, das ungesunde Zeug heiß zu lieben. Und viele Eltern glauben auch heute noch, dass sie ihren Kindern etwas Gutes tun, wenn sie ihnen was "zum Naschen" geben. Die Werbung schiebt da tüchtig an: So enthalten laut Foodwatch von 32 getesteten Kindernahrungsmittel (Frühstückscerealien, Snacks und Getränke) nur zwei nicht zu viel Zucker (eines davon war mit künstlichem Süßstoff gesüßt).

Internet:
Foodwatch - die Essensretter:
tinyurl.com/6br6ry3
Ideen für einen gerechteren Zuckermarkt:
tinyurl.com/6cxxz6v
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Info&News
Leider vergriffen, aber antiquarisch leicht zu bekommen: Al Imfeld: Zucker, Unions Verlag, Zürich, 1983.

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Dagmar Gordon (Freie Journalistin) Arbeit&Wirtschaft 07-08/2011 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1309863405325 Milchschnitte, übrigens von Foodwatch zur Werbelüge des Jahres gekürt, und Frucht zwerge etc. bedienen sich eines einfachen Tricks, um bei den KonsumentInnen anzu kommen: Sie geben vor, sehr gesund für Kinder zu sein! http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Fri, 15 Jul 2011 00:00:00 +0200 1309863405308 Die Tafel ist gedeckt Die Tafel ist gedeckt, doch bei weitem nicht alle dürfen an ihr Platz nehmen. Österreich gehört zu den reichsten Ländern der Welt. Dieser Reichtum nimmt ständig zu. Doch auch die Armut wächst: Derzeit sind bei uns 993.000 Menschen arm  oder armutsgefährdet - ein Viertel davon sind Kinder. Im Jahresschnitt sind rund 300.000 Menschen arbeitslos, auf Sozialhilfe angewiesen sind schon weit über 100.000 Personen, davon fast 44.000 Kinder und Jugendliche.
Als Armutsgrenze definiert die EU 60 Prozent des mittleren Pro-Kopf-Haushaltseinkommens, das sind in Österreich 994 Euro für einen Einpersonenhaushalt pro Monat, 12-mal im Jahr (EU-SILC 2009); (www.armutskonferenz.at). Doch die Mindestsicherung pro alleinstehender Person macht in Österreich für 2011 nur 753 Euro aus. Mit 17 Prozent der Bevölkerung weist Wien das größte Armutsrisiko auf. Neben den geschätzten 800 permanent Obdachlosen nehmen über 7.100 Menschen zeitweise Obdachloseneinrichtungen in Anspruch. In Wien stehen 4.500 Wohn- und Schlafplätze für Menschen ohne Wohnung zur Verfügung. In ganz Österreich sind schätzungsweise 12.000 Menschen wohnungslos (www.wienertafel.at).

Tischlein deck dich

Damit auch die Ärmsten der Armen täglich etwas Warmes zu essen haben, hat sich - ausgehend von den USA und Deutschland - auch in Österreich ab 1999 die "Tafel"-Bewegung gebildet. Die "Wiener Tafel" versteht sich selbst als Brücke zwischen Überfluss und Mangel. Sie sammelt Lebensmittel und Hygieneartikel aus Überproduktionen oder Lagerhaltung vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums aus Industrie und Handel und gibt sie an anerkannte Sozialeinrichtungen weiter. Essen gelangt dorthin, wo es hingehört. Das erspare der Wirtschaft Kosten, schone die Umwelt, unterstütze karitative Einrichtungen und bekämpfe die Armut. Kurzum: Umverteilung zum Vorteil aller. Doch ist das Armuts- und Verteilungsproblem durch partielle Nahrungsmittelumverteilung zu lösen?

Zum Vorteil aller?

Darüber wogt z. B. in Deutschland eine heftige Debatte. Dort fällt dank Hartz IV jede vierte Familie unter die Armutsgrenze. Immer mehr Betroffene kaufen in Sozialkaufhäusern (bei uns "Sozialmärkte" - SOMA) und holen sich kostenlos ihr Essen bei einer der zahlreichen Tafeln. Manche verdienen als Ein-Euro-Jobber ein wenig hinzu, andere bessern ihr Einkommen mit Pfandflaschensammeln auf, so eine VOX-Reportage im Frühjahr 2011. 1994 gab es in Deutschland vier Tafeln, heute sind es bereits über 650. Und der "Bedarf", das heißt die Armut, steigt. Die Tafeln können oder wollen daran nichts ändern, so die harsche Kritik des deutschen Soziologen und Buchautors ("Fast ganz unten" und "Tafeln in Deutschland") Stefan Selke. Tafeln können die Armut nicht lindern, weil Armut gesellschaftlich "konstruiert" sei. Indem aber der Eindruck entstehe, dass durch die Tafeln die Armen in der Gesellschaft "gut aufgehoben" seien, lasse der Impuls zu einer nachhaltigen und strukturellen Armutsbekämpfung durch den Staat nach. So wird verständlich, dass Indus trie, Politik und Interessenvertretungen Tafeln - auch bei uns - so hoch loben und sponsern: Die Tafeln entledigen sie ihrer Verantwortung.

Geschäft mit der Armut

Aber noch mehr: Bei den deutschen Tafeln arbeiten nicht nur Ehrenamtliche mit, sondern zunehmend von Armut selbst betroffene sogenannte Ein-Euro-Jobber, also Billigstarbeiter. Politische Befürworter der Tafeln gehen zum Teil so weit, in den Menschen, die noch nicht zur Tafel gehen, und das sind immerhin in Deutschland 89 Prozent der Armen, potenzielle Kunden zu sehen, anstatt ihnen durch politische, d. h. wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen des Staates aus der Armut zu helfen. Aber Hartz IV, oder bei uns die "bedarfsorientierte Mindestsicherung", geht strukturell in die falsche Richtung. "Rechtsansprüche", so Selke, "seien kein Ornament, sondern der Kern des Sozialstaates. Wo aber Almosen eine Selbstverständlichkeit sind, können Rechte immer weniger stringent durchgesetzt werden." Was bleibe ist, dass das zunehmende Elend mit und zum Teil im Geschäftsinteresse der Tafeln (bei uns auch der diversen SOMAs), der Politik und der Sponsoren aus der Wirtschaft gemanagt und diszipliniert wird.
Eine der weltgrößten Unternehmensberatungsgruppen, McKinsey, engagiert sich für die Tafeln, unterstützt sie seit langem mit einem "Leitfaden" für professionelles Management; seit vielen Jahren in den USA und Kanada, seit 1994 auch in Deutschland, aber auch in Österreich. Wohl nicht umsonst. McKinsey ist für die Entlassung Hunderttausender verantwortlich und tritt bei jeder "Beratung" dafür ein, dass Sozialleistungen und Unternehmenssteuern gestrichen werden müssen (www.tafelforum.de).

Armutsfallen 

Der Aufschwung der Reichen ist erkauft durch die Präkarisierung der Masse der arbeitenden Menschen: immer mehr Jugendliche ohne Jobs und Perspektive, Arbeitslose bzw. MindestsicherungsbezieherInnen, AlleinerzieherInnen, verarmende PensionistInnen, Arbeitende wie geringfügig Beschäftige, Teilzeitkräfte, PraktikantInnen, Einpersonenunternehmen (EPUs) usw., die mit ihrem Einkommen nicht auskommen (working poor). Das Motto der Tafeln, "Essen, wo es hingehört", müsste durch "Wohlstand, wo er hingehört" zumindest ergänzt, eigentlich ersetzt werden. Wie? Etwa durch eine entsprechende Wertschöpfungs- und Finanzspekulationsbesteuerung, durch Arbeitszeitverkürzung und eine Demokratisierung von Wirtschaft und Arbeit und letztendlich durch Abschaffung von Ausbeutung und Spekulation.
Denn das Erste hat das Zweite zur Folge. Wer diese Kräfte weiter walten lässt, ohne sie politisch in die Verantwortung zu nehmen oder in die Schranken zu weisen, wer diese Spirale nicht stoppt, ist mitverantwortlich am steigenden Elend, an der steigenden seelischen, körperlichen und materiellen Verarmung und Verrohung der Gesellschaft, macht sich mitschuldig am Aufkommen von "starken Männern" und "neuen Führern". Diese versprechen dann der zuvor durch das verfilzte Zusammenspiel von etablierter Wirtschaft und Politik entmündigten, entrechteten und entmutigten Bevölkerung das Blaue (im wahrsten Sinne des Wortes) vom Himmel und schützen erst recht wieder nur die Reichen. Vielleicht vordergründig weniger mit der Propaganda von der Notwendigkeit des freien Marktes als Voraussetzung unser a