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Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658015045 "Nicht zuletzt" ... Kampf gegen den Steuerbetrug Allein in diesem Zusammenhang entgehen den Staatshaushalten weltweit mindestens 130 Milliarden Euro an Einnahmen aus Einkommen-, Erbschafts- und Vermögenssteuern. Dazu kommen die Kosten der illegitimen Aktivitäten zur „Steueroptimierung“ der Konzerne. Eine grobe Schätzung ergibt, dass es mithilfe des auf die EU-Länder entfallenden Teils dieser Mittel leicht möglich wäre, die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen in Europa von derzeit 5,5 Millionen in kurzer Zeit zu halbieren.

Langsamer wachsender Kuchen
Dieser Vergleich zeigt, wo heute die elementare verteilungspolitische Auseinandersetzung stattfindet: zwischen den Millionären und den Multis auf der einen Seite und den auf die Erträge ihrer Arbeitskraft angewiesenen Menschen auf der anderen Seite. Die inakzeptable Ausgangssituation kommt im starken Zuwachs der leistungslosen Vermögenseinkommen und der enormen Konzentration des Vermögensbesitzes bei gleichzeitiger Stagnation der Leistungseinkommen aus Arbeit und Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse besonders krass zum Ausdruck. Die sozialen Auseinandersetzungen um die Verteilung des Wohlstandes werden ohne Zweifel an Intensität gewinnen. Denn wenn der Kuchen langsamer wächst, wird der Streit um seine Verteilung heftiger.
Österreich tut bedeutend mehr als andere Staaten, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, die soziale Absicherung für alle Menschen zu gewährleisten und den Ertrag des Wirtschaftens nicht völlig unfair zu verteilen. Aber Österreich ist auch ein nicht unbedeutender Spieler bei der Verschleppung der Bekämpfung des Steuerbetruges:

  • Es ist beschämend, wenn die Bundesregierung „technische Gründe“ anführt, um den automatischen Informationsaustausch zwischen den europäischen Steuerbehörden um ein weiteres Jahr aufzuschieben.
  • Österreich hat zig Doppelbesteuerungsabkommen mit anderen Ländern abgeschlossen, die, wie Gabriel Zucman es treffend formuliert, „in der Praxis zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen“.
  • Für BezieherInnen von Lohneinkommen ist es normal, wenn der Arbeitgeber direkt Einkommen und die darauf entfallende Lohnsteuer an das zuständige Finanzamt meldet; wegen des unzeitgemäßen Bankgeheimnisses ist dies bei Zins- und Dividendeneinkommen nicht der Fall.
  • Noch unglaublicher ist, wenn so manche Unternehmen, etwa im Gastgewerbe, die Mehrwertsteuer, die sie den KonsumentInnen verrechnen, einfach nicht an das Finanzamt abführen.

Finanz über den Verhältnissen
Jahrzehntelang haben Finanzsystem und Vermögende auch in Österreich über unsere Verhältnisse gelebt. Mit dem Zurückdrängen ihrer Ansprüche auf das Sozialprodukt kann großflächig Raum für sozialen Fortschritt geschaffen werden. Deshalb muss die Bekämpfung der vielfältigen Formen des Steuerbetruges zu einer zentralen Aufgabe der wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit in Europa werden. Zu Recht wurden Luxemburg und sein ehemaliger Premierminister Jean-Claude Juncker an den Pranger gestellt. Nun sind die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen: automatischer Informationsaustausch, Aufbau eines internationalen Finanzkatasters, Finanzsteuern. Die Bekämpfung von Steuerbetrug in Österreich bildet zusammen mit der steuerlichen Belastung großer Vermögen und Erbschaften das zentrale Element des Steuerreformkonzepts von AK und ÖGB. Die Vermögensbesteuerung und die Entlastung der Arbeitseinkommen sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

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Markus Marterbauer, Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658015032 Frisch gebloggt Neu: Webtipps der Woche
Seit Ende September gibt es jeden Mittwoch Webtipps der Woche: Zum Weiterlesen und -denken werden die Blog-LeserInnen wöchentlich mit interessenpolitisch und wissenschaftlich spannenden Links versorgt.

Wir legen Ihnen drei ganz besonders spannende Beiträge ans Herz:

  • Der Fiskalpakt – Hauptkomponente einer Systemkrise (Stephan Schulmeister)
  • Austeritätspolitik als folgenschwerer Fehler (Philipp Heimberger)
  • Wer nützt direkte Demokratie? (Eva Maltschnig und Katharina Hammer)

Der Fiskalpakt – Hauptkomponente einer Systemkrise
„Mit dem Fiskalpakt hat die EU wesentliche Forderungen der ideologischen Hauptgegner des Europäischen Sozialmodells, der ‚Schule von Chicago‘, übernommen.“ Stephan Schulmeister beschreibt in seinem Beitrag das Konzept hinter den Regeln des Fiskalpakts. Es geht davon aus, dass sich die Sparpolitik nicht negativ auf Produktion und Beschäftigung auswirkt. Im Mittelpunkt steht dabei das „strukturelle Defizit“. Um dieses zu berechnen, werden abstruse Annahmen getroffen. So wird unterstellt, dass der überwiegende Teil der Arbeitslosen „natürlich“, also strukturell bedingt ist.
Oder anders und vereinfacht ausgedrückt: Nur Lohnsenkungen oder ein Abbau von ArbeitnehmerInnenrechten könne ohne Inflationsdruck Beschäftigung schaffen, nicht aber eine Ausweitung der öffentlichen Beschäftigung bzw. der Nachfrage.
In der Realität aber zeigt sich ein gänzlich anderes Bild: Der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit durch die Finanz- und Wirtschaftskrise lässt sich nicht durch plötzliche strukturelle Probleme erklären, sondern durch den krisenbedingten Nachfrageausfall. Gleichzeitig zeigen die Zahlen, dass die Staatsschuldenquote genau in jenen Ländern am stärksten stieg, welche nach Ausbruch der Finanzkrise dem radikalsten Sparkurs folgten.
Lesen Sie mehr:

blog.arbeit-wirtschaft.at/fiskalpakt-als-systemkrise/

Austeritätspolitik als folgenschwerer Fehler
Während die EU weiter an ihrem Austeritätskurs festhält, ist der Internationale Währungsfonds schon einen entscheidenden Schritt weiter. In einem umfangreichen Evaluierungsbericht übt der IWF harte Kritik an seinen eigenen wirtschaftspolitischen Empfehlungen in den Krisenjahren.
Wie Philipp Heimberger beschreibt, wird die vom IWF ab 2010 vorgeschlagene Politik der Staatsausgabenkürzungen und Steuererhöhungen nun als folgenschwerer Fehler beurteilt. Angesichts „hoher wirtschaftlicher Unterauslastung, eingeschränkter Effektivität geldpolitischer Maßnahmen und der fortgesetzten Entschuldungsbemühungen von privaten Haushalten und Unternehmen hätte der IWF, insbesondere in Ländern mit größerem fiskalpolitischem Handlungsspielraum, auf ausgeweitete Konjunkturprogramme drängen müssen, statt Austeritätspolitik zu fordern“.
Lesen Sie mehr:

blog.arbeit-wirtschaft.at/iwf-austeritaetsfehler-eingestaendnis/

Wer nützt direkte Demokratie?
Besonders viele Reaktionen hervorgerufen hat zuletzt der Beitrag von Eva Maltschnig und Katharina Hammer. Sie setzten sich mit der Frage auseinander, ob mit direktdemokratischer Beteiligung der Unzufriedenheit mit dem demokratischen System entgegengewirkt werden kann und ob so der Wille der Bevölkerung direkt und deutlich sichtbar wird.
Die beiden AutorInnen argumentieren dabei, dass partizipatorische Innovationen erstens nicht automatisch den Mehrheitswillen der Bevölkerung widergeben. Zweitens bestehe die Gefahr von sozialer Verzerrung von Entscheidungen, da sozial Schwächere in höherem Ausmaß nicht an direktdemokratischen Beteiligungsformen teilnehmen und somit im politischen Prozess unberücksichtigt bleiben. „Gerechte und ausgewogene Beteiligungen sollten (daher) einen zentralen Stellenwert bei der Einführung neuer Beteiligungsinstrumente haben.“
Lesen Sie mehr:
blog.arbeit-wirtschaft.at/wer-nuetzt-direkte-demokratie/

Neuer Schwerpunkt Bildung und Demokratie
Neben diesen Beiträgen rückten im Blog zuletzt immer stärker Bildungsthemen und demokratiepolitische Themen in den Mittelpunkt, die Spannbreite reichte dabei von „Deutsch lernen in der Erwachsenenbildung“ über das Stipendiensystem an den Universitäten bis hin zur Frage „Wer nützt direkte Demokratie?“

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Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014976 Im Wunderland der Gewerkschaften Als Gewerkschaftssekretärin für private Kinderbetreuungseinrichtungen in OÖ und ehemalige Kindergartenpädagogin stand für mich von Beginn an fest, dass ich mein vierwöchiges Praktikum in keinem anderen Land als dem Wunderland der Kinderbetreuung verbringen kann. Schweden ist aber nicht nur für die hohe pädagogische Qualität der Kinderbetreuung und des Schulsystems bekannt, sondern vor allem auch für den außergewöhnlich hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad. Ich habe mein Praktikum bei der Gewerkschaft Kommunalarbetareförbundet (Kommunal), einer Teilorganisation der Landsorganisationen (LO), in Stockholm verbracht. Kommunal vertritt rund 500.000 Mitglieder aus den verschiedensten Berufssparten von Beschäftigten im Gemeindedienst bis hin zu GärtnerInnen. In den vier Wochen konnte ich sowohl den Arbeitsalltag von GewerkschafterInnen kennenlernen als auch vieles über Land und Leute, das Bildungs- und Sozialsystem und Partnerorganisationen von Kommunal erfahren.

Das Wunderland der Kinderbetreuung?
Gewerkschaftlich gesehen sind Kinderbetreuungseinrichtungen in Schweden tatsächlich ein Wunderland. Mehr als 70 Prozent der Krabbelstuben und Kindergärten sind gewerkschaftlich organisiert und durch BetriebsrätInnen und Sicherheitsvertrauenspersonen vertreten. Zwischen den verschiedenen Anbietern von Kinderbetreuung lassen sich jedoch sowohl in der pädagogischen Qualität als auch bei den dienstrechtlichen Regelungen Unterschiede feststellen. Obwohl aktuell in jeder Gruppe nur 16‒18 Kinder von mindestens drei pädagogischen Fachkräften betreut werden, sehen die Zukunftsprognosen eher weniger rosig aus. Bei meinem Gespräch mit der Leiterin des Vereins Skolverket, der für die Ausbildung von PädagogInnen zuständig ist, wurde der Negativtrend spürbar: Schon bald sollen mehr Kinder von weniger Fachkräften pro Gruppe betreut werden.

Kommunal goes international
Internationale Kontakte spielen in der Gewerkschaftsarbeit eine auffallend wichtige Rolle. Während meines Praktikums war jede/r meiner KollegInnen mindestens einmal für ein paar Tage im Ausland bei anderen Gewerkschaftsorganisationen und nahm dort an Meetings, Besprechungen oder Abstimmungen teil. Dass schwedische GewerkschafterInnen viel reisen, wurde mir versichert, sei nichts Außergewöhnliches. Mona, die beispielsweise für Beschäftigte bei der Feuerwehr zuständig ist, besuchte während meines Praktikums gleich zwei internationale Treffen – eines in China und eines in Brüssel. Auch ich konnte an mehreren internationalen Meetings in der Nähe von Stockholm teilnehmen. Sowohl bei dem Treffen der Rauchfangkehrer als auch bei der länderübergreifenden Aktion „Domestic work is work“ wurde klar, dass Kommunikation und Austausch über die Ländergrenzen hinaus ein zentraler Teil schwedischer Gewerkschaftsarbeit ist und daher so intensiv verfolgt wird. Darum, über den Tellerrand hinauszusehen, ging es auch beim „Global Forum on Migration“ an dem ich teilgenommen habe.

Kommunikation als Schlüssel
In allen Bereichen der Arbeitswelt sieht Kommunal Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg. Der Großteil der Mitglieder wird im persönlichen Gespräch geworben. Nur wenige melden sich mittlerweile online an. Doch nicht nur in der Mitgliederwerbung, sondern vor allem auch im Büroalltag spielt Kommunikation eine Schlüsselrolle. So kommt es, dass auch das Raumkonzept des Gewerkschaftshauses Kommunikation geradezu herausfordert. So treffen sich die GewerkschafterInnen jeden Vormittag für eine Stunde in der Kaffeeküche zur traditionellen „Fika“ (= Kaffeepause) – während der Arbeitszeit. Für die AbteilungsleiterInnen, die an den Fikas ebenfalls teilnehmen, ist dies die wertvollste Zeit des Tages. Es werden Projekte besprochen, Probleme diskutiert und kreative Lösungen für Fragestellungen erarbeitet. Kommunikation zieht durch alle Bereiche des Arbeitsalltags und ist das schwedische Rezept zum Erfolg.

INTERVIEW
Zur Person - Anita Lundberg

Alter: 58
Beruf: „Ombudsman“ bei der Gewerkschaft Kommunal
Firmenstandort: Stockholm
Gewerkschaft: Kommunal

Was bedeutet für Sie Arbeit?
Bei der Gewerkschaft arbeiten zu dürfen bedeutet mir sehr viel. Für mich bedeutet die Arbeit, bei Kommunal etwas verändern zu können. 
 
Welche Bedeutung hat die EU für Sie?
Vernetzung und gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Seit unserem EU-Beitritt hat sich die Vernetzung zwischen den europäischen Gewerkschaften intensiviert. Das sehe ich als großes Potenzial.

Welches europäische Land mögen Sie am liebsten?
In Europa ist Schweden das Land, das ich am meisten mag. Ich habe aufgrund des Berufes meines Mannes bereits in vielen Ländern gewohnt. Er ist Inbetriebnehmer von Kraftwerken, aktuell arbeitet er in Norwegen. Wir haben gemeinsam zwei Jahre lang in Brasilien gelebt, wo auch meine zweite Tochter geboren wurde. Aber zu Hause ist es doch am schönsten.

Wie und wie oft machen Sie Urlaub?
Der Urlaubsanspruch in Schweden beträgt, genauso wie in Österreich, 25 Arbeitstage pro Jahr. Deshalb nutze ich jede freie Minute, um Zeit mit meiner Familie und besonders mit meinem Mann zu verbringen. Dazu reise ich auch gerne an die Orte, an denen mein Mann gerade arbeitet. So sind wir schon viel herumgekommen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Faire Arbeitsbedingungen und ein Einkommen für alle arbeitenden Menschen, von dem man leben kann. Für mich und meine Familie wünsche ich mir Gesundheit.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin astrid.mayrhofer@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Astrid Mayrhofer, SOZAK-Teilnehmerin des 63. Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658014959 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014943 Steuer-ABC Absetzbetrag und Freibetrag
Absetzbeträge reduzieren die Steuerschuld um einen bestimmten Betrag und stehen unter gewissen Voraussetzungen zu, z. B. wenn man Kinder hat, alleinerziehend ist, Unterhaltszahlungen leisten muss etc. Anders wirken Freibeträge (darunter fallen außergewöhnliche Belastungen, Sonderausgaben, Werbungskosten, Pendlerpauschale). Die Auswirkung eines Freibetrages ist von der Höhe des Einkommens abhängig, er reduziert die Steuerbemessungsgrundlage um einen bestimmten Betrag – also das Einkommen, für das man Steuern zahlen muss. Je höher das Einkommen ist und je höher der Steuersatz ist, den man zahlen müsste, desto höher ist die Steuerersparnis durch einen Freibetrag. ÖGB und AK fordern die Umwandlung des Pendlerpauschales in einen Absetzbetrag.

ArbeitnehmerInnenveranlagung
Die Lohnsteuer, die ArbeitnehmerInnen von ihrem Einkommen zahlen müssen, wird direkt vom Arbeitgeber einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. Wenn man bestimmte Ausgaben geltend machen und steuerlich absetzen will, muss man eine ArbeitnehmerInnenveranlagung durchführen. Für den Antrag hat man fünf Jahre Zeit.

Außergewöhnliche Belastungen
Außergewöhnliche Belastungen sind Aufwendungen für die Lebensführung, die steuerlich absetzbar sind. Das können Krankheitskosten, Mehraufwendungen aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung oder Kosten der Heilbehandlung sein. Allerdings wirken diese erst, wenn ein Selbstbehalt überschritten wird, dessen Höhe nach den Einkommens- und den Familienverhältnissen abgestuft ist.

Direkte und indirekte Steuern
Die direkten Steuern werden unmittelbar bei dem Steuerschuldner festgesetzt und erhoben. Zu den direkten Steuern zählen die Steuern auf Einkommen und Löhne. Bei direkten Steuern kann man je nach Einkommen unterschiedliche Steuersätze anwenden. Zu den indirekten Steuern zählen die Umsatzsteuer sowie die Verbrauchsteuern (z. B. Biersteuer, Mineralölsteuer). Die Steuer wird vom Händler geschuldet und von den KundInnen bezahlt. Bei indirekten Steuern wird für alle Personen unabhängig von deren Einkommen derselbe Steuersatz angewandt. Die Belastung durch indirekte Steuern ist bei BezieherInnen niedriger Einkommen höher als bei Besserverdienenden.

Durchschnittssteuersatz
Der Durchschnittssteuersatz misst den Anteil der Steuer am Bruttoeinkommen. Bei progressiven Steuern steigt der Durchschnittssteuersatz mit dem Einkommen. Bei 2.000 Euro Bruttomonatseinkommen liegt der Durchschnittssteuersatz bezogen auf das Jahreseinkommen bei 10,4 Prozent, bei 4.000 Euro bei 20 Prozent, bei 6.000 Euro bei 25 Prozent.

Eingangssteuersatz
Das ist der Steuersatz, mit dem nach dem steuerfreien Einkommen von 11.000 Euro pro Jahr der Einkommensteuertarif beginnt. Der Eingangssteuersatz beträgt 36,5 Prozent und ist im internationalen Vergleich sehr hoch. Daher fordern ÖGB und AK eine Senkung des Eingangssteuersatzes auf 25 Prozent.

Erbschaftssteuer
Die Erbschaftssteuer besteuert den Übergang von Vermögenswerten des Verstorbenen an den Erben. In Österreich wird die Erbschaftssteuer seit 2008 nicht mehr erhoben. Das entlastet v. a. Großerben, denn bei der Erbschaftssteuer kamen 56 Prozent des Aufkommens von den drei Prozent der größten Erbschaftsfälle. ÖGB und AK fordern daher die Wiedereinführung einer reformierten Erbschaftssteuer.

Familienbesteuerung
Bei der Familienbesteuerung hängt die Höhe der Steuer vom Familieneinkommen ab. Im Gegensatz dazu wird bei der Individualbesteuerung das Einkommen jeder Person getrennt besteuert. Die Steuerersparnis steigt mit der Einkommensdifferenz im Haushalt an.

Finanztransaktionssteuer
Eine Finanztransaktionssteuer ist eine Steuer auf Finanztransaktionen. Eine minimale Besteuerung von Finanztransaktionen, etwa im Ausmaß von 0,01 Prozent, würde nur kurzfristig-spekulative Transaktionen verteuern und so einen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte leisten. ÖGB und AK fordern seit Jahren die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU (siehe auch „Immer einen Schritt voraus“).

Flat Tax – proportionale Steuer
Im Gegensatz zu einem progressiven Steuersystem wird bei einer Flat Tax ein konstanter Steuersatz unabhängig von der Höhe des Einkommens verrechnet. Das wirkt zugunsten Besserverdienender. Die Kapitalertragsteuer ist eine proportionale Steuer und beträgt unabhängig von der Höhe der Kapitalerträge immer 25 Prozent.

Grenzsteuersatz und Grenzabgabensatz
Der Grenzsteuersatz misst den Anteil der Steuern an einer Einkommenserhöhung. Ab einem Monatseinkommen von etwa 1.190 Euro brutto wird bei einer Einkommenserhöhung der Grenzsteuersatz von 36,5 Prozent fällig. Ab einem Bruttomonatseinkommen von ca. 2.500 Euro fällt der Grenzsteuersatz von 43,2 Prozent an und ab ca. 5.850 Euro der Grenzsteuersatz von 50 Prozent. Der höhere Grenzsteuersatz wird nie auf das gesamte Einkommen angewandt, sondern nur auf den Teil des Einkommens, der in die höhere Steuerstufe fällt.
Der Grenzabgabensatz misst den Anteil von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen an einer Einkommenserhöhung und ist daher höher als der Grenzsteuersatz.

Individualbesteuerung
In Österreich gilt seit 1973 das Modell der Individualbesteuerung. Demnach werden Einkommen direkt bei dem/der LohnempfängerIn besteuert – unabhängig davon, ob er/sie verheiratet ist und/oder Kinder hat. Die Individualbesteuerung fördert die Erwerbsbeteiligung der Frauen. Familienförderung findet in Österreich weniger durch Steuern als durch Leistungen wie die Familienbeihilfe statt, die sich am Grundsatz „Jedes Kind ist gleich viel wert“ orientiert (zur aktuellen Debatte über Familiensteuern siehe auch „Splitting Family?“).

Kalte Progression
Damit wird die Steuermehrbelastung bezeichnet, die dann eintritt, wenn bei einem progressiven Steuertarif dessen Eckwerte nicht der Inflation angepasst werden. Einkommenserhöhungen in Höhe der Inflationsrate erhöhen zwar nicht die Kaufkraft, führen aber zu einer Erhöhung der Steuerlast bzw. des durchschnittlichen Steuersatzes.

Körperschaftsteuer
Während die Einkommensteuer alle natürlichen Personen betrifft, stellt die Körperschaftsteuer die Einkommensteuer der juristischen Personen wie Aktiengesellschaften und GmbHs dar. Die Körperschaftsteuer beträgt 25 Prozent.

Jahressechstel
Sonstige Bezüge (das sind zum Beispiel 13. und 14. Monatsgehalt, Belohnungen, Prämien, Jubiläumsgelder) werden im Ausmaß eines Sechstels der laufenden (in der Regel monatlichen) Bezüge begünstigt besteuert. Das Jahressechstel wird nach Abzug eines Freibetrags von 620 Euro mit sechs Prozent Lohnsteuer begünstigt besteuert.

Negativsteuer
Wenn man ein geringes Einkommen bezieht, kann es in folgenden Fällen zu einer Steuergutschrift (Negativsteuer) kommen: Besteht Anspruch auf den Arbeitnehmerabsetzbetrag, werden grundsätzlich zehn Prozent der Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung (höchstens jedoch 110 Euro) gutgeschrieben. ÖGB und AK fordern eine Erhöhung der Negativsteuer, damit auch GeringverdienerInnen eine Entlastung bekommen (siehe auch „Die gerechtere Negativsteuer“).

Sonderausgaben
Das Einkommensteuergesetz definiert bestimmte private Ausgaben, die steuerlich begünstigt werden, z. B. Nachkauf von Versicherungszeiten, bestimmte Versicherungsprämien für Wohnraumsanierung, Kirchenbeiträge, bestimmte Spenden. Sonderausgaben stellen einen Freibetrag dar (siehe auch „Pfade durch den Steuer-Dschungel“).

Steuerpflichtiges Einkommen
Bildet die Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung. Vom Bruttoeinkommen werden die Sozialversicherungsbeiträge abgezogen, bevor das Einkommen der Besteuerung unterworfen wird.

Steuerprogression
Darunter versteht man das Ansteigen des Steuersatzes in Abhängigkeit vom zu versteuernden Einkommen. Das heißt, jemand mit einem höheren Einkommen zahlt einen höheren Steuersatz.

Steuertarif  
In Österreich gelten je nach Einkommenshöhe unterschiedliche Tarifstufen. Die ersten 11.000 Euro steuerpflichtigen Einkommens pro Jahr sind steuerfrei. Für 11.000 bis 25.000 Euro ist ein Steuersatz von 36,5 Prozent fällig, für 25.000 bis 60.000 Euro 43,2 Prozent, bei über 60.000 dann 50 Prozent. Dazu muss aber berücksichtigt werden, dass das sogenannte Jahressechstel begünstigt mit sechs Prozent besteuert wird.

Vermögenssteuer
Private Vermögen sind in Österreich höchst ungleich verteilt. Die reichsten fünf Prozent der Haushalte besitzen 57 Prozent des Privatvermögens. Vermögen sind derzeit in Österreich nicht besteuert. Der ÖGB fordert eine Vermögenssteuer für Privatpersonen auf die Nettovermögen (Vermögen abzgl. Schulden) bei einem Freibetrag von 700.000 Euro (siehe auch „Was vermögen Vermögende?“).

Werbungskosten
Werbungskosten sind beruflich veranlasste Ausgaben, die in Beziehung mit einer nichtselbstständigen Tätigkeit stehen. Werbungskosten wirken als Freibetrag, d. h. sie reduzieren die Einkommensteuer in Höhe des jeweiligen Grenzsteuersatzes. Zu den Werbungskosten zählen u. a. das Pendlerpauschale, Arbeitskleidung, Arbeitsmittel und Werkzeuge, Aus- und Fortbildung, die Betriebsratsumlage, ein Computer, Fachliteratur, Gewerkschaftsbeiträge (siehe auch „Pfade durch den Steuer-Dschungel“).

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor david.mum@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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David Mum, GPA-djp Grundlagenabteilung Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014936 Pfade durch den Steuer-Dschungel Niemand zahlt gerne Steuern. Das liegt auch daran, dass wir uns oft nicht bewusst sind, was mit unseren Beiträgen für den Steuertopf passiert. Klarheit verschafft ein Blick hinter den Finanzausgleich, er regelt die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden und wird etwa alle vier bis sechs Jahre neu von den Gebietskörperschaften verhandelt (das nächste Mal im März 2015). Hauptsächlich wird die Aufteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben geregelt. Hierbei handelt es sich um alle „großen“ Steuern wie Lohn-, Umsatz-, Einkommen- und Körperschaftssteuer, deren Erträge nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt werden. So erhält der Bund aktuell 67 Prozent, die Länder 20 und die Gemeinden rund 12 Prozent der Steuereinnahmen aus den gesamten Einnahmen der genannten Steuern.

Wird Luft besteuert?
So weit, so klar. Aber was sind eigentlich Kuriositäten wie „Luft- oder U-Bahn-Steuer“? Martin Saringer, Steuerexperte der AK Wien, erklärt: „Die ,U-Bahn-Steuer‘ gibt es wirklich. Der offizielle Name ist allerdings: Dienstgeberabgabe. Es handelt sich, wie der Name schon sagt, um eine Abgabe, die nicht auf die Beschäftigten überwälzt werden darf. Bezahlen muss sie der Arbeitgeber direkt an das Magistrat. Die Höhe beträgt zwei Euro pro Beschäftigten für jede angefangene Kalenderwoche und ist monatlich zu bezahlen.“ Die Einnahmen von rund 60 Millionen Euro jährlich sind für Investitionen in das U-Bahn-Netz zweckgebunden. Bei der „Luftsteuer“ handelt es sich um eine sogenannte Gebrauchsabgabe. Sie entrichten wir nicht für die Luft zum Atmen, sondern für die Benützung von öffentlichem Gemeindegrund oder dazugehörigen Anlagen wie Grünstreifen oder eben dem Luftraum. Unter diese Abgabe fallen somit Werbetafeln, Hinweisschilder, Markisen, aber auch die beliebten Schanigärten. Die Sinnhaftigkeit von Gebühren wie der „Luftsteuer“ ziehen ExpertInnen wie Casandra Hermann, Geschäftsführerin der taxservices Steuerberatungs- & Unternehmensberatung, etwas in Zweifel: „Die Abwicklung ist hier extrem aufwendig, die Einnahmen sind hingegen gering.“ Anders betrachtet könnte es zu einem Wildwuchs führen, würden GastronomInnen ihren Schanigarten dort aufstellen, wo sie wollen. Die Luftsteuer erzielt somit einen regulierenden Effekt.
Wechseln wir zu einem anderen Aspekt des Steueralltags: Stichwort freiwillige ArbeitnehmerInnenveranlagung, umgangssprachlich auch Lohnsteuerausgleich genannt. Diese kann, muss aber nicht eingereicht werden. Besonders für alle, die wenig verdienen oder nicht das gesamte Jahr über gearbeitet haben, lohnt sich der Antrag beim Finanzamt aber in den meisten Fällen. Hier muss man selbst aktiv werden – aber warum eigentlich, wo doch alle Daten ohnedies beim Fiskus zusammenlaufen? Ganz so einfach ist die Sache nicht. Dazu AK-Experte Saringer: „Bei ArbeitnehmerInnen zieht der Arbeitgeber monatlich die Lohnsteuer ab und führt diese ans Finanzamt ab. Bei PensionistInnen macht dies die Pensionsversicherungsanstalt. Wird zu viel Lohnsteuer abgebucht, weil man nicht das ganze Jahr gearbeitet hat oder weil die Bezüge unterschiedlich hoch waren, dann wird die gegebenenfalls zu viel einbehaltene Lohnsteuer vom Finanzamt im Wege der ArbeitnehmerInnenveranlagung an die ArbeitnehmerInnen bzw. PensionistInnen zurückbezahlt.“ Das passiert nicht automatisch, weil das Finanzamt grundsätzlich nicht weiß, ob man auch noch Abschreibungen geltend machen kann, ob bestimmte Absetzbeträge zustehen oder ob ein Gehalt nur in einem Monat nur deshalb höher ist, weil Überstunden ausbezahlt wurden, oder ob der/die ArbeitnehmerIn eine dauerhafte Gehaltserhöhung erhalten hat.

Dem Finanzamt nachlaufen
Veranschaulicht an einem Beispiel: Verdiente eine Arbeitnehmerin im Jahr 2013 in Summe nur 10.000 Euro, musste sie keine Lohnsteuer zahlen. Denn bis zu einem Jahresbruttoeinkommen von 11.000 Euro fällt keine Lohn- bzw. Einkommensteuer an, erst darüber hinaus greift der „Grenzsteuersatz“ von 36,5 Prozent. Sehr wohl musste die Arbeitnehmerin aber Sozialversicherungsbeiträge „berappen“. Diese kann sie sich nun teilweise über den Weg der ArbeitnehmerInnenveranlagung in Form der Negativsteuer zurückholen (siehe auch „Die gerechtere Negativsteuer“). Die Negativsteuer beträgt zehn Prozent der bezahlten Sozialversicherungsbeiträge beziehungsweise maximal 110 Euro jährlich. Jetzt drängt sich natürlich die Frage auf, warum man dem Finanzamt für Geld, das einem zusteht, „nachlaufen“ muss. Nun ist für die Lohn- und Einkommensteuer das Finanzamt zuständig, für Sozialabgaben wiederum die Sozialversicherung – es handelt sich also um getrennte Institution, die den Ausgleich nicht automatisch durchführen. Deshalb muss die Arbeitnehmerin dies mittels ArbeitnehmerInnenveranlagung selbst urgieren.

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Ein anderes Beispiel: Eine Arbeitnehmerin war von Jänner bis Juli 2013 in Elternkarenz. Ab August 2013 hat sie wieder gearbeitet und monatlich 2.000 Euro brutto verdient. Ihr Jahreseinkommen liegt somit unter der Steuergrenze von 12.000 Euro. Allerdings wurden ihr bereits während ihrer Beschäftigung monatlich knapp 230 Euro an Lohnsteuer abgezogen, weil sie dem „Eingangssteuersatz“ unterlag. Sie hat also eindeutig zu viel Steuer gelöhnt. Weil auch hier das Finanzamt nicht automatisch sein Füllhorn ausschüttet, muss die Arbeitnehmerin wiederum die ArbeitnehmerInnenveranlagung machen: Die Einkünfte werden dann auf das ganze Jahr verteilt und die zu viel bezahlte Lohnsteuer zurückbezahlt. „Für Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge, FerialpraktikantInnen oder auch für Personen, die während des Jahres in Karenz gegangen sind, ist es daher fast immer empfehlenswert, die ArbeitnehmerInnenveranlagung zu machen“, empfiehlt die AK. „Auf jeden Fall sollten Sie eine ArbeitnehmerInnenveranlagung durchführen, wenn Sie im betreffenden Kalenderjahr so wenig verdient haben, dass Sie keine Lohnsteuer – aber Sozialversicherungsbeiträge – bezahlt haben“, heißt es weiter in der Broschüre „Hol dir dein Geld zurück“ der AK Wien. Das Schöne daran ist, dass man keine Belege für Sonderausgaben (zu diesem Punkt kommen wir gleich) und auch keine Lohnabrechnungen oder Jahreslohnzettel sammeln muss. Es reicht, die Anzahl der Arbeitgeber bzw. der pensionsauszahlenden Stellen im betreffenden Kalenderjahr anzugeben. Da kann sich der/die BürgerIn schon ärgern, weil diese Daten ja dem Finanzamt bekannt sind. Aber dieses wird hier eben wiederum nicht von selbst aktiv, also: unbedingt das Formular zur ArbeitnehmerInnenveranlagung ausfüllen. Dieses (Bezeichnung L1) ist bei jedem Finanzamt erhältlich oder auf finanzonline.at abrufbar.

Was sind Sonderausgaben?
„Das sind Ausgaben für Wohnraumschaffung und Wohnraumsanierung bzw. Rückzahlungen für Darlehen im Zusammenhang damit. Weiters fallen Ausgaben für bestimmte Personenversicherungen, Spenden, Kirchenbeitrag u. a. darunter“, erklärt Saringer. Werbungskosten können ebenfalls abgesetzt werden, sie haben aber nichts mit Werbung zu tun: „Das sind Kosten, die beruflich veranlasst sind. Hier gibt es ein weites Spektrum, das von Ausgaben für Aus- und Fortbildung sowie Umschulung über Arbeitsmittel und Pendlerpauschale samt Pendlereuro bis hin zu Gewerkschaftsbeiträgen und der Betriebsratsumlage reicht“, so Saringer. Und das sind noch nicht alle Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Es gibt z. B. außergewöhnliche Belastungen (u. a. Krankheitskosten) oder den Kinderfreibetrag. Viele Fachbegriffe, die ArbeitnehmerInnen schnell verunsichern.
Doch niemand sollte vor der ArbeitnehmerInnenveranlagung zurückschrecken. Schließlich wird man im Regelfall mit einer Rückzahlung belohnt – Geld, das sonst dem Fiskus geschenkt würde. Auf finanzonline kann man die freiwillige ArbeitnehmerInnenveranlagung auch in Ruhe vorab durchkalkulieren. Finanzielle Nachteile können dabei nicht entstehen, weil der Antrag auch wieder zurückgezogen werden kann, sollte die Berechnung ergeben, dass man zu wenig Steuern bezahlt hat und also Beiträge nachzahlen müsste. In der AK steht man den ArbeitnehmerInnen in Sachen Steuer außerdem tatkräftig zur Seite: Es gibt Informationen im Netz und in den Publikationen der AK-Länderkammern sowie Broschüren zum Thema. Über die alltägliche Beratung in Steuerfragen hinaus veranstalten die AK-Länderkammern traditionell im März die Steuerspartage, in manchen Länderkammern dauern sie bis April. Die Fragen, die den ArbeitnehmerInnen unter den Fingern brennen, sind völlig unterschiedlich, erzählt AK-Experte Saringer. „Die Bandbreite reicht von den Kosten für Kinderbetreuung bis hin zu Möglichkeiten, Fortbildungen steuerlich gelten machen zu können.“
So wird also niemand im Steuer-Dschungel allein stehen gelassen.

Webtipp:
Homepages der AK-Länderkammern:
holdirdeingeldzurueck.at

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Harald Kolerus, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015817 Die Luftsteuer fällt nicht für die Luft zum Atmen an, sondern für die Nutzung von öffentlichem Grund oder dazugehörigen Anlagen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014925 Splitting Family? Alle Jahre kommt sie wieder von selbst ernannten VerteidigerInnen der Familien: die Forderung nach einem Steuersplitting. Splitten, das heißt „spalten, teilen“ – also eigentlich nicht gerade das, was man von den FamilienretterInnen erwarten würde. Aber natürlich wollen sie nicht die Familien spalten, sondern deren Einkommen für die Berechnung der Lohn- und Einkommensteuer. Anders gesagt: Je nach Variante sollen EhegattInnen oder auch Kinder steuerlich abgesetzt werden können.
In Österreich gilt seit 1971 das Prinzip der Individualbesteuerung. Dabei wird jedes Einkommen für sich betrachtet und versteuert – unabhängig davon, wie viel ein etwaiger Partner oder eine Partnerin verdient. In Deutschland wird jedoch gesplittet. Konservative Stimmen fordern dieses System auch für Österreich. Da aber selbst in traditionellen Kreisen die klassische Hausfrauen-Ehe nicht mehr als einzig seligmachendes Modell gilt, wurde mittlerweile davon abgegangen, die EhegattInnen zum Kern der Forderung zu machen. Stattdessen werden die Kinder unter dem Titel „Kinderfreibetrag“ in das Zentrum der Diskussion gestellt. Doch welche Logik steckt eigentlich hinter der Splitterei – und welche Wirkung hat sie?

Was heißt Splitting?
Am leichtesten ist das Prinzip anhand des klassischen Ehegattensplittings erklärt: Die Einkommen der beiden Eheleute werden zusammengerechnet, durch zwei dividiert und dann erst versteuert. Kurz gesagt, es wird so getan, als würden beide das Gleiche verdienen – und zwar auch dann, wenn eine/einer der beiden gar kein Einkommen hat. Andere Systeme rechnen auch die Kinder ein, wieder andere nur die Kinder und nicht die EhepartnerInnen.
Grundsätzlich wird die Einkommen- und Lohnsteuer umso höher, je mehr jemand verdient – und zwar nicht nur in absoluten Beträgen, sondern auch in Prozent. Das ist der Grundsatz der sogenannten Steuerprogression. Die Idee dahinter ist, dass jemand mit einem niedrigen Einkommen das meiste davon braucht, um die notwendigsten Bedürfnisse abzudecken. Von diesem Teil des Einkommens soll er oder sie nicht auch noch Steuern zahlen müssen. Deswegen wird auch in Österreich bis zu einem Brutto von rund 1.200 Euro keine Steuer eingehoben (wohl aber Sozialversicherungsbeiträge). Je höher das Einkommen wird, desto eher ist es zumutbar, etwas davon für das Gemeinwohl in Form von Steuern abzugeben, lautet die Idee dahinter. Das ist fürs Erste einmal unerfreulich, aber das Geld kommt in anderer Gestalt wieder zurück: in Form von Schulen, Straßen, Krankenhäusern, Kindergärten – oder auch als Familienleistung, etwa in Form der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.
Beim Splitting passiert dann Folgendes: Jemand mit einem hohen Einkommen, der deswegen auch eine hohe Steuerstufe erreicht, kann dieses fiktiv auf die Familienmitglieder aufteilen. Damit haben alle – natürlich nur rein rechnerisch – ein viel niedrigeres Einkommen und somit auch eine niedrigere Steuerstufe. So wird beispielsweise aus einem stark besteuerten Spitzenverdienst dank Familiensplitting ein nur mehr moderat besteuertes Durchschnittsgehalt.

Umverteilung nach oben
Die Frage ist natürlich, wer von einem solchen System profitieren würde. Der Vorteil des Splittings ist umso offensichtlicher, je größer der Einkommensunterschied im Haushalt ist. Am deutlichsten ist er dort, wo jemand mit Spitzenverdienst einen/eine EhepartnerIn ohne Einkommen hat – oder umgekehrt. Damit sparen in Splitting-Systemen vor allem gut verdienende Männer mit gering oder gar nicht verdienenden Ehefrauen beträchtlich Steuern. Keinen Vorteil haben hingegen Paare, die beide in etwa gleich viel verdienen. Auch Alleinerziehende schauen durch die Finger.
Splitting-Systeme sind eine massive Umverteilung hin zu den höheren Einkommen. Zudem verschlingen sie viel Geld: Rund vier Milliarden würde die Einführung in Österreich kosten. Zum Vergleich: Die Familienbeihilfe schlägt mit etwa 3,5 Mrd. pro Jahr zu Buche. Es lässt sich leicht ausrechnen, dass in Zeiten des Sparzwangs die Kosten eines Splittings zu Kürzungen bei anderen Familienleistungen führen könnten.
Ein weiteres Problem ist, dass das Splitting innerhalb der Familie in beide Richtungen wirkt: Der Besserverdienende zahlt zwar weniger Steuern, aber die Person mit dem geringeren Einkommen dafür mehr. Damit sind vor allem Frauen, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ausweiten wollen, VerliererInnen dieses Systems. Ihnen wird ein viel größerer Brocken „wegversteuert“, als das bei einer individuellen Besteuerung der Fall wäre. Kein Wunder also, dass laut Berechnung des Instituts für Höhere Studien bei Einführung des deutschen Systems in Österreich die Erwerbstätigkeit von Müttern deutlich sinken würde.

Kinder statt Ehefrau
Das klassische Splitting fordert allerdings heute kaum noch jemand. Stattdessen wird jetzt die drastische Erhöhung des Kinderfreibetrages gefordert. Dieser wurde mit der Steuerreform 2009 eingeführt. Derzeit beträgt er „nur“ 220 Euro jährlich pro Kind, bei Teilung zwischen den Eltern 264 Euro. Je nach Forderung soll er auf bis zu 7.000 Euro pro Kind und Jahr vervielfacht werden. Die Kosten dafür würden je nach Modell zwischen mehreren Hundert Millionen und vier Milliarden Euro betragen.
Dabei ist der Kinderfreibetrag aus verteilungs- und genderpolitischer Perspektive ähnlich problematisch wie das Familiensplitting. Freibeträge entlasten nämlich ebenso höhere Einkommen viel stärker als niedrige. Geringe Einkommen mit weniger als ca. 1.200 Euro Monatsbrutto gehen überhaupt leer aus – 60 Prozent davon sind Frauen. Den Familien ist mit dem Kinderfreibetrag nicht wirklich geholfen, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen. Eigentlich sollten sie im Ausmaß von 165 Millionen entlastet werden, tatsächlich wurden im Jahr 2012 aber nur 68 Millionen ausgeschöpft. Damit konnte der Freibetrag nicht einmal für die Hälfte aller potenziell anspruchsberechtigten Kinder in Anspruch genommen werden.

Negativsteuer: der bessere Weg
Derzeit läuft die Steuerreformdebatte auf Hochtouren, dabei wird natürlich auch über eine Entlastung der Familien diskutiert. 500 Millionen Euro wurden dafür in den Raum gestellt. Genauso viel würde die Erhöhung der Negativsteuer, wie sie ÖGB und AK fordern, kosten – das wird aber vom Finanzminister abgelehnt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass aber gerade die Negativsteuer eine Maßnahme wäre, die Familien helfen würde. Die Negativsteuer ist ein Bonus für jene, die unter der Steuergrenze liegen und somit von anderen Entlastungen nicht profitieren. Seit der Einführung in den 1990er-Jahren beträgt sie unverändert 110 Euro im Jahr – während Mieten, Lebensmittel und Fahrtkosten viel teurer geworden sind. Besonders für Frauen, die häufig nur wenig verdienen, wäre die Anhebung wichtig. Einer der wichtigsten Gründe für ihre niedrigen Verdienste ist die Arbeit in Teilzeit. 70 Prozent der beschäftigten Frauen mit Kindern unter 15 Jahren gehen einer solchen Erwerbstätigkeit nach. Sie haben kaum einen Vorteil aus dem Kinderfreibetrag, sehr wohl aber von der Negativsteuer.
Besonders entscheidend ist diese Frage für die Gruppe der Alleinerziehenden: Sie haben mit 27 Prozent eine fast doppelt so hohe Armutsgefährdung wie der Durchschnitt. Gerade diese von Armut Betroffenen würden von der Negativsteuer, nicht aber vom Kinderfreibetrag profitieren. Das gilt auch für die Haushalte mit weiblichen Hauptverdienerinnen, die zu 23 Prozent armutsgefährdet sind. Diese Zahlen bedeuten, dass Kinder, die in solchen Haushalten leben, in Armut aufwachsen. Die Negativsteuer wäre eine Beitrag, ihre Lage zu verbessern – der Kinderfreibetrag wäre das nicht.
 
Webtipp:
Web-Skriptum WI-12 – Steuerpolitik:
www.voegb.at

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Sybille Pirklbauer, Abteilung Frauen und Familie der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015794 Inzwischen gilt selbst in taditionellen Kreisen die Hausfrauen-Ehe nicht mehr als seligmachendes Modell. Der von diesen Kreisen vorgeschlagene Kinderfreibetrag fördert aber genau diese. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015783 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014918 Warum das Geld nicht stinkt Der italienische Philosoph und Theologe Thomas von Aquin nannte sie einen „erlaubten Fall von Raub“: die Steuern. Sie sind nahezu universelle Phänomene menschlicher Gesellschaften und Zivilisationen. Bereits im Alten Testament wurde über Opfergaben berichtet, die neben Gott auch Königen und Institutionen wie z. B. Tempeln dargebracht wurden. Bereits um das Jahr null war die Steuer eine bekannte Methode für die Herrscher oder den Staat, Geld einzutreiben, meist unter dem Deckmantel der Religion. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit mussten Steuern bezahlt werden, aus verwaltungstechnischen Gründen – zudem konnten die Einnahmen der BürgerInnen nicht aufgezeichnet werden – wurden jedoch keine Geldsteuern eingetrieben, die Abgaben wurden in Form von Dienstleistungen („Frondienst“) und Naturalien (aufgrund der eingehobenen zehn Prozent auch „Zehent“ genannt) geleistet. Mit Beginn der Geldwirtschaft in der späten Neuzeit wurde der Frondienst bzw. der Zehent in Naturalien zunehmend von der Geldsteuer abgelöst.

Demokratie hat ihren Preis
„Steuern erheben ist die Kunst, die Gans so zu rupfen, dass man möglichst viele Federn mit möglichst wenig Gezische bekommt“, meinte einmal Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister unter dem französischen absolutistischen König Ludwig XIV., der sein Volk schröpfte, um die leeren Staatskassen zu füllen. Indirekt bat er aber auch Adel und Klerus zur Kasse. Die Hauptsteuerlast trugen damals die Bauern, die zusätzlich auch Kirchensteuern und Abgaben an den Grundherrn leisten mussten. Das alte Steuersystem aus dem Feudalismus nährte unter anderem die Wut des französischen Volkes und gipfelte 1789 in der Französischen Revolution.
Auch in der Geschichte der USA spielten Steuern eine wesentliche Rolle bei der Geburt der Nation. Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) wurde von der Parole „No taxation without representation“ – keine Besteuerung ohne politische Vertretung – geprägt: Befürworter der Unabhängigkeit kritisierten, dass die dreizehn amerikanischen Kolonien zwar zu Steuerzahlungen an die britische Krone verpflichtet waren, ohne jedoch im britischen Parlament mit eigenen gewählten Abgeordneten vertreten zu sein.

Grundanforderungen
Um die Besteuerung gerechter zu gestalten, nannte 1776 der schottische Ökonom Adam Smith vier Grundanforderungen, nach denen Steuern erhoben werden sollten: Gerechtigkeit, Ergiebigkeit, Unmerklichkeit und Praktikabilität. Smith forderte, dass der Steuersatz proportional zu den Fähigkeiten und Einkommen der Bürger bestimmt werden sollte, zudem sollte klar ein Zahlungs-betrag und -termin definiert werden, die Bürger hätten das Recht, ihre Steuern auf jene Weise zu zahlen, die ihnen am praktischsten erscheint, und die Kosten für die Steuererhebung sollten so gering wie möglich gehalten werden. Bis heute haben Smiths Steuermaximen in modernen Steuersystemen, wenn auch leicht modifiziert, ihre Gültigkeit behalten. Die Kulturgeschichte der Steuer bietet jedoch auch eine Fundgrube an Kuriositäten, angefangen von skurrilen Steuerkreationen bis hin zu außergewöhnlichen Steuermodellen, die in der heutigen Gesellschaft unvorstellbar sind. Hervorzuheben ist etwa das Steuermodell der alten Griechen, im antiken Athen rund 500 bis 400 Jahre vor Christi.
Das Finanzwesen der Griechen unterschied sich bereits darin, dass sie keine zentrale Staatskasse hatten und auch keine regelmäßige Einkommensteuer entrichten mussten, sondern bestimmte Einnahmen für bestimmte Zwecke in unterschiedliche Kassen flossen. Diese waren zudem auch nicht öffentlich, sondern wurden von einzelnen Bürgern oder Gemeinschaften unterhalten. Denn für die Griechen war mehr von Priorität, wie sehr die Bürger auf das Gemeinwesen angewiesen waren, wie sehr sie sich als Teil eines Ganzen fühlten. Die Bürger von Athen waren grundsätzlich von direkten Steuern befreit. Der Großteil der Einnahmen stammte aus indirekten Steuern wie Zoll-, Markt- und Fremdensteuern. Fremde, auch Griechen, die zwar in Athen ansässig, aber keine Bürger Athens waren, mussten eine Kopfsteuer entrichten. Die sogenannten „Metöken“ standen zwar unter einem speziellen Schutz der Polis Athen, hatten dafür aber keinerlei politisches Mitbestimmungsrecht, konnten aber bei Bedarf zum Kriegsdienst einberufen werden. Auch die Prostitution, „das älteste Gewerbe der Welt“, wurde besteuert, genauso wie Güter, die den Bosporus passierten.
Der eklatanteste Unterschied gegenüber späteren Steuersystemen war jener, dass die Gelder nicht dem Staat zugute kamen, der in einem Gesamtbudget darüber verfügte. So konnten Überschüsse einer Kasse zwar in eine andere wechseln, aber generell wurden die Einnahmen direkt nach den notwendigen Ausgaben bemessen. Reiche und adelige Familien trugen ihren Reichtum gerne zur Schau, indem sie sich finanziell fast schon auf verschwenderische Weise mit Abgaben beteiligten. Zudem wurden sie auch deutlich mehr zur Kasse gebeten, da sie im Gegensatz zur breiten Masse der Bürger mehr politisches Mitspracherecht hatten.

Kein Griff ins Klo
In 5.000 Jahren der Steuergeschichte machten viele Politiker und Herrscher frei nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ mit fiskalischer Kreativität von sich reden. Spatzensteuer, Jungfernsteuer, Leuchtmittelsteuer, Zuckersteuer, Fahrradsteuer – nicht einmal Spielkarten und Essigsäure blieben von einer Versteuerung verschont.
„Pecunia non olet“ – Geld stinkt nicht. Der Ausspruch stammt vom römischen Kaiser Vespasian, der in seiner Regierungszeit (69–79 n. Chr.) die Benutzung öffentlicher Toiletten im alten Rom versteuerte, um damit die leeren Staatskassen zu füllen. Titus, ein Sohn des Kaisers, warf seinem Vater Ungerechtigkeit vor. Um sich vor seinem Sohn zu rechtfertigen, dass es egal ist, woher das Geld kommt, und man in der Öffentlichkeit nicht unbedingt darüber reden muss, hielt ihm Vespasian Geld aus den ersten Einnahmen unter die Nase und fragte ihn, ob das Geld stinke. Titus verneinte und der Kaiser antwortete darauf mit „Atqui e lotio est“ – und doch ist es vom Urin. Daraus entwickelte sich das geflügelte Wort „Geld stinkt nicht“.
Noch älter als die Latrinensteuer ist das Nilometer im alten Ägypten. Mit diesem wurden jährlich die Überschwemmungen des Nils gemessen. Denn je höher der Stand des Nils war, desto besser fiel die Ernte aus, und dementsprechend wurde auch die Erntesteuer eingehoben.
15 Jahrhunderte später erwies sich auch der russische Zar „Iwan der Schreckliche“ als äußerst erfinderisch in Bezug auf Steuern: Gelder auf Flinten, Festungen und Salpeter, Steuern auf die Beförderung von Beamten und auf Schützen sind nur einige der skurrilen Abgaben, die während seiner Herrschaft etabliert wurden.
1699 führte Zar „Peter der Große“ die Bartsteuer ein – ob die Steuer hauptsächlich als Einnahmequelle diente oder auf unsanfte Art und Weise Russland dem modernen Westen näherbringen sollte, ist nicht klar. Die Steuer war nach Ständen gestaffelt und horrend hoch. Die Bürger waren gezwungen ihre Bärte abzuschneiden oder mussten Buße zahlen, wenn sie diesen behalten wollten. Da eine Bartrasur jedoch als Verhöhnung des Gottesbildes im Menschen galt, mussten tiefgläubige Russen eine Steuer entrichten, um ihren Bart zu behalten.
Obwohl inzwischen ein Großteil dieser kuriosen Steuern abgeschafft wurde, gibt es nach wie vor Länder, deren Politiker sich sehr erfindungsreich geben, wenn es um neue Einnahmequellen geht.

Nobelpreis-Spenden
Im mormonischen US-Bundesstaat Utah muss jeder, der aus geschäftlichen Gründen leicht bekleidet oder gar nackt auftritt, eine zusätzliche Steuer von zehn Prozent zahlen – eine Maßnahme, die also vor allem SchauspielerInnen und StripteasetänzerInnen betrifft. Und der amerikanische Fiskus macht nicht einmal vor einem Nobelpreisträger halt: Wenn ein US-Bürger diesen renommierten Preis und somit das Preisgeld von rund einer Million Euro erhält, muss er dieses versteuern. Kein Wunder also, dass das Preisgeld so oft gespendet wird.

Webtipp:
Bundeszentrale für politische Bildung:
tinyurl.com/omcky3k

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Maja Nizamov, Freie Autorin Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015753 Bart abschneiden oder Buße zahlen: Vor diese Wahl stellte Zar "Peter der Große" seine Untertanen. Er wollte sie so dem Westen näherbringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015745 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014912 Risikokapital vom Staat Entgegen populären Narrativen über risikofreudige Wagniskapitalgeber, smarte Querdenker und Garagenbastler kamen „bei den meisten radikalen, revolutionären Innovationen, die den Kapitalismus vorangetrieben haben – von Eisenbahnen über das Internet bis aktuell zur Nanotechnologie und Pharmaforschung –, die frühesten, mutigsten und kapitalintensivsten ‚unternehmerischen‘ Investitionen vom Staat“, so die Ökonomin Mariana Mazzucato in „Das Kapital des Staates“. Apple zum Beispiel habe von seinen Anfängen in der Computerindustrie bis heute mit Technologien gearbeitet, die ursprünglich vom Staat und vom Militär entwickelt und finanziert worden waren. Die Talente von Steve Jobs lagen vor allem darin, das Potenzial neuer Technologien rasch zu erkennen, diese dann möglichst benutzerfreundlich einzusetzen und entsprechend zu vermarkten. Exakt listet die Ökonomin auf, wer für die zwölf wichtigen Technologien der populärsten Apple-Produkte tatsächlich verantwortlich ist.

Breitband für alle
Die massenhafte Anwendung von Smartphones & Co. wäre ohne die breite Unterstützung des Staates beim Ausbau von Daten-Highways und WLAN nicht möglich. Fast ein Drittel der österreichischen Bevölkerung in ländlichen Gebieten würde ohne Förderung nicht mit High-Speed-Internet versorgt werden. Mit der Breitband-Fördermilliarde des BMVIT soll bis 2020 High-Speed-Internet auch dort errichtet werden, wo es für Privatunternehmen nicht rentabel ist.
2013 lag Österreich mit einer Forschungsquote von 2,81 Prozent des BIP auf Platz fünf in der EU hinter Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland, wobei der Anteil öffentlicher Gelder (inklusive EU-Förderungen) mit 41 Prozent im internationalen Vergleich außergewöhnlich hoch ist.

Global Innovation Index
Doch hohe Forschungsinvestitionen bedeuten nicht zwangsläufig viele Innovationen, denn es gibt keine lineare Beziehung zwischen F&E, Innovationen und Wirtschaftswachstum. Entscheidend sind etwa gute Verbindungen zwischen Forschung und Wirtschaft sowie die breite Streuung auf verschiedene Gebiete. Innovationen abseits von Technik und Forschung können, wie etwa in Großbritannien auf dem Gebiet der Musik, durchschnittliche F&E-Ausgaben durchaus ausgleichen. Laut aktuellem Global Innovation Index liegt Großbritannien in puncto Innovationsleistung deutlich vor Österreich, das hinter einigen Staaten mit niedrigeren F&E-Quoten auf Platz 20 rangiert.
Die EU hat drei Prozent F&E-Quote als Ziel bis 2020 definiert. „Wir wollen bis dahin 3,76 Prozent erreichen, wobei zwei Drittel der Forschungsgelder von privaten Unternehmen und ein Drittel vom Staat kommen sollen“, erklärt Mariana Karepova, FTI-Expertin im Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie. Das Ministerium ist für den Großteil der Förderungen in der angewandten und wirtschaftsnahen Forschung zuständig.
Eine wesentliche Basis für radikale Innovationen bildet die Grundlagenforschung, die praktisch zur Gänze von öffentlichen Institutionen abgedeckt wird und in den Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft fällt. Mit einem BIP-Anteil von 0,52 Prozent (2011) liegt Österreich bei der Grundlagenforschung hinter vergleichbaren OECD-Ländern.

Kooperation mit der Wirtschaft
Seit 2002 sind die heimischen Universitäten autonom und können daher beispielsweise auch Patente anmelden, aus wissenschaftlichen Projekten Erträge erzielen und Kooperationen mit Unternehmen eingehen. Das erleichtert den Wissenstransfer, birgt aber theoretisch auch die Gefahr, dass mit Steuergeldern finanzierte Forschungsergebnisse von (kooperierenden) Unternehmen billig oder gratis genutzt werden. Dem sollen unter anderem eigene IP-Strategien zum Schutz des geistigen Eigentums (Intellectual Property) der Forschungsinstitutionen vorbeugen. Der internationale Trend jedenfalls ist klar: Unternehmen reduzieren ihre Forschungskosten. Mazzucato liefert dafür jede Menge Beispiele: „Unbestritten ist (jedoch), dass die privaten Pharmafirmen, als sie ihre Forschungsausgaben zurückfuhren, immer mehr Geld für den Rückkauf eigener Aktien aufwendeten. Damit trieben sie die Kurse ihrer Unternehmen in die Höhe, was sich wiederum auf den Wert von Aktienoptionen und damit auf die Bezahlung hochrangiger Manager auswirkte, bei denen Aktienoptionen oft ein Gehaltsbestandteil sind.“ Aus den Finanzberichten von Apple etwa ginge hervor, „dass das Unternehmen mit wachsendem Erfolg ein neues Produkt nach dem anderen auf den Markt brachte, aber das Verhältnis von F&E-Ausgaben zum Umsatz gleichzeitig kontinuierlich zurückging“.
 
Ist Österreich anders?
In Österreich war das erklärte Ziel, trotz Krise mithilfe einer antizyklischen Investitionspolitik die Forschungsabteilungen der Unternehmen im Land zu halten. „Das ist uns auch gelungen“, so Karepova. Von 2002 bis 2011 ist die Zahl der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung von rund 39.000 auf über 61.000 gestiegen. „Wir haben errechnet, dass in diesem Bereich jeder Fördereuro der heimischen Wirtschaft Umsätze im Wert von zehn Euro bringt. Mit 36.000 Fördereuros kann ein Arbeitsplatz neu geschaffen oder ein bestehender nachhaltig gesichert werden.“ Jedes vom BMVIT geförderte Projekt wird drei Jahre nach dem Ende evaluiert.
In Zusammenhang mit dem EU-Forschungs- und Innovationsprogramm 2020 wurden auch in Österreich zahlreiche Ideen, Empfehlungen und Maßnahmen ausgearbeitet, um Österreich bezüglich F&E weiter voranzubringen. 2011 etwa hat die Bundesregierung die FTI-Strategie „Auf dem Weg zum Innovation Leader“ präsentiert. 2013 hat der Rat für Forschung und Technologieentwicklung dazu im „Weißbuch zur Steuerung von Forschung, Technologie und Innovation in Österreich“ konkrete Reformschritte präzisiert, unter anderem für eine schnellere und transparentere Bereitstellung von Fördermitteln für Forschung und Innovation. Einige Vorschläge wurden bereits umgesetzt, zum Beispiel gibt es heute insgesamt vier Wissenstransferzentren an Universitäten, die dazu beitragen sollen, das von Hochschulen erzeugte neue Wissen gesellschaftlich nutzbar zu machen.

Verbesserungsbedarf
Doch bis 2020 gibt es noch einiges zu tun, selbst wenn der föderalistische Förderdschungel schon etwas gelichtet wurde. Die schon länger geforderte Transparenz will sich auch noch nicht so recht einstellen. Es gibt zwar Online-Portale, die etwa Unternehmen einen Überblick über Fördermöglichkeiten bieten. Doch wer von wem und wie gefördert wurde, ist dort nicht nachvollziehbar. Auf transparenzportal.gv.at gibt es ebenfalls einen allgemeinen Überblick und man kann überprüfen, welche Förderungen und staatlichen Leistungen man selbst in Anspruch genommen hat. Die Suche nach dem Stichwort „Bundesforschungsdatenbank“ etwa ergab sogar bei den Ministerien keine Treffer. Der Link zur Förderungsliste als Ausschnitt aus der Bundesforschungsdatenbank war erst auf Anfrage zu bekommen. Vor einigen Monaten kritisierte der Präsident des Österreichischen Patentamts, Friedrich Rödler, im „Format-Extra“ zum Forum Alpbach 2014 die heimische „Fragmentierung der Zuständigkeiten“ und forderte das One-Stop-Shop-Prinzip für den Innovationsbereich. Derzeit würde aus 30 bis 40 Prozent aller Anmeldungen beim Patentamt gar kein Patent, weil die eingereichten Innovationen schon längst erfunden sind. Auch Förderinstitutionen würden nur selten prüfen lassen, ob eine „Innovation“ nicht bereits zum Patent angemeldet ist.
Der Weg zum Innovation Leader ist manchmal steinig und letztendlich darf man sich wie Mariana Mazzucato fragen, ob die Innovations- und Risikofreude des Staates findigen UnternehmerInnen und internationalen Konzernen vielleicht mehr nützt als der Allgemeinheit.

Webtipp:
Link zur Liste der Forschungsförderungen und Forschungsaufträge des Bundes 2013:
tinyurl.com/n6syf6n

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Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015708 Die frühesten, mutigsten und kapitalintensivsten "unternehmerischen" Investitionen - von Eisenbahnen bis zur Nanotechnologie und Pharmaforschung - kamen vom Staat. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015716 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014878 Mythos der hohen Abgabenquote Im Zuge der aktuellen Steuerdebatte fordern AK und Gewerkschaften vehement eine Senkung der Lohnsteuer. Allerdings soll es sich nicht um eine generelle Senkung der Steuereinnahmen handeln. Mit öffentlichen Abgaben werden schließlich wichtige sozialpolitische Errungenschaften wie freie Bildung und Krankenversorgung für alle sowie die öffentliche Infrastruktur (z. B. Straßen, öffentliche Sicherheit) finanziert. Institutionen und Personen, die sich für eine Senkung der Gesamtabgabenbelastung einsetzen, halten dem entgegen, dass andere wirtschaftlich hoch entwickelte Staaten derartige Aufgaben mit geringeren Abgabenquoten (Summe der Steuern und Abgaben im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) erfüllen.

Quote ist nicht gleich Abgabenquote
Tatsächlich wies Österreich für das Kalenderjahr 2012 eine Abgabenquote von 43,2 Prozent aus, wohingegen der Durchschnitt für alle Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) lediglich 34,5 Prozent betrug. Diese Diskrepanz scheint auf den ersten Blick das Argument der BefürworterInnen einer Steuersenkung zu untermauern. Allerdings wird hierbei übersehen, dass ein länderübergreifender Vergleich von Abgabenquoten nur bedingt zulässig ist, da Staaten ihre Sozialsysteme unterschiedlich organisieren. Um dies zu verstehen, muss man wissen, wie die Abgabenquote errechnet wird.
Laut Definition der OECD umfasst die Abgabenquote sämtliche Steuern und Abgaben, die an den Staat oder an eine seiner Körperschaften geleistet werden. Zahlungen für einen konkreten Leistungsaustausch (z. B. Abwassergebühr) sind nicht darin enthalten. Dies scheint zunächst klar zu sein, doch treten in vielen Fällen auch Abgrenzungsschwierigkeiten auf. Besonders im Bereich der Transfers und der Sozialversicherungsbeiträge tritt dieses Problem ganz offenkundig zutage.

Verzerrtes Bild
Werden die staatlichen Förderungen in Form von direkten Zahlungen, d. h. Transfers, gewährt, wie etwa die Familienbeihilfe in Österreich, dann sind zunächst Steuern und Abgaben vom Staat zu erheben, um diese dann wieder an die Haushalte weiterzugeben. Andererseits können solche Unterstützungen auch in Form von Steuerermäßigungen gewährt werden, wie es beispielsweise Frankreich mit seinem Familiensplitting oder Deutschland mit dem Ehegattensplitting und dem Kinderfreibetrag in der Einkommensteuer macht. Im ersten Fall steigen zunächst die Steuereinnahmen und folglich auch die Abgabenquote, wohingegen Steuerermäßigungen die Abgabenquote niedrig halten.
In beiden Fällen kommt den Personen aber eine staatliche Förderung zugute, weshalb der Unterschied der Abgabenquote bei differenzierter Ausgestaltung von Förderungen keine Aussage über die effektive Belastung der Haushalte zulässt.
Auch im Bereich der sozialen Absicherung gibt es gravierende Unterschiede. Viele Staaten setzen hierbei auf die Einhebung von Sozialversicherungsbeiträgen, welche grundsätzlich in der Abgabenquote enthalten sind. Allerdings werden nur solche Beiträge erfasst, welche sowohl verpflichtend als auch direkt an den Staat oder eine seiner Körperschaften bezahlt werden müssen. Nicht umfasst sind daher alle freiwilligen Zahlungen, unabhängig davon, ob sie an öffentliche oder private Institutionen gezahlt werden. Aber es sind auch verpflichtende Beiträge ausgeschlossen, wenn diese an privatrechtliche Organisationen zu leisten sind. Besonders im Bereich der Pensionsvorsorge haben solche Beiträge aber teils ein beträchtliches Ausmaß, da viele Länder die Beitragseinhebung und -verwaltung an private Versicherungen oder Pensionskassen ausgegliedert haben (beispielsweise Dänemark, Finnland, die Niederlande, die Schweiz oder Schweden). Das Außerachtlassen der freiwilligen oder verpflichtenden Zahlungen an private Institutionen bringt folglich große Verwerfungen in der Aussagekraft der offiziellen Abgabenquote. Auch die nicht berücksichtigten Zahlungen stellen Belastungen für die Personen dar und werden aus denselben sozialpolitischen Überlegungen heraus geleistet.

Teilweise bereinigt
Um die Tragweite der Problematik sichtbar zu machen, wurde versucht, die Abgabenquote zumindest hinsichtlich nicht erfasster Beiträge zur sozialen Sicherung zu adaptieren. Hierfür wurden die öffentlichen Abgaben laut Definition der OECD um freiwillige Sozialversicherungsbeiträge und von privaten Haushalten geleistete Beiträge an Pensionskassen und -versicherungen sowie private Gesundheitsausgaben ergänzt.
Somit wird weitgehend der Tatsache Rechnung getragen, dass unterschiedliche Staaten die soziale Absicherung anders organisieren.
Schweiz: Überdurchschnittlich hoch
Insgesamt weist Österreich zwar weiterhin eine überdurchschnittlich hohe adaptierte Abgabenquote auf, doch der Abstand zum Durchschnitt ist deutlich geringer als bei Betrachtung der offiziellen Quote. Aber viel bedeutender ist die Erkenntnis, dass vermeintliche Niedrigsteuerländer ihre BürgerInnen nicht minder belasten als andere. Besonders eklatant ist dies in der Schweiz sichtbar. Die offizielle Abgabenquote betrug hier im Jahr 2012 zwar nur 28,2 Prozent, weshalb die Schweiz im internationalen Vergleich im unteren Drittel lag. Allerdings müssen Schweizer ArbeitnehmerInnen keine Pensionsversicherungsbeiträge im Sinne der OECD-Definition bezahlen, sondern sind gesetzlich dazu verpflichtet, Beiträge an private Pensionskassen zu leisten. Rechnet man dies und private Gesundheitsausgaben ebenfalls in die Abgabenquote ein, so steigt diese plötzlich auf 40,8 Prozent. Somit liegt auch die Schweiz über dem Durchschnitt und sogar im oberen Mittelfeld.
Für die USA liegen zwar keine Daten hinsichtlich des Ausmaßes der privaten Beiträge zu Pensionskassen und -versicherungen vor, doch laut OECD sorgt nahezu die Hälfte der Erwerbsbevölkerung privat für die Pension vor. Dies legt den Schluss nahe, dass auch hier die Beiträge ein beträchtliches Ausmaß annehmen, weshalb die effektive adaptierte Abgabenquote der USA zumindest den OECD-Durchschnitt erreichen wird.
Weiters ist zu bedenken, dass die Bereinigung der Abgabenquote nur hinsichtlich der Finanzierungsquellen für soziale Sicherungssysteme vorgenommen wurde. Unterschiedliche Gestaltungen von Sozialleistungen, d. h. ob diese in Form von Transfers oder Steuererleichterungen gewährt werden, wurden nicht berücksichtigt. Würde auch hier eine Bereinigung vorgenommen werden, dann würden sich die Abstände noch weiter verkleinern. So ist ein Teil der verbleibenden Diskrepanz zwischen der österreichischen und deutschen Abgabenquote dadurch zu erklären, dass Deutschland z. B. bei Familienleistungen einen stärkeren Fokus auf steuerliche Begünstigungen legt. Würde der Anteil der steuerlichen Förderung in beiden Ländern gleich sein, dann hätte Deutschland eine um einen Prozentpunkt höhere Abgabenquote.

Kein Widerspruch zu Prosperität
Abschließend ist festzuhalten, dass die Forderung nach einer allgemeinen Steuersenkung mit Verweis auf die vergleichsweise hohe Abgabenquote zu kurz greift. Ein Blick auf die adaptierte Abgabenquote zeigt, dass sieben von zehn der wirtschaftlich erfolgreichsten OECD-Staaten (gemessen in BIP pro Kopf) eine überdurchschnittliche Abgabenquote aufweisen. Eine höhere Abgabenquote ist also kein Widerspruch zu wirtschaftlicher Prosperität. Vielmehr ist zur Kenntnis zu nehmen, dass Steuern und Abgaben zur Finanzierung des Sozialstaates in einem bestimmten Ausmaß notwendig sind. Diese Prämisse wird wohl für alle Staaten mit einem vergleichbar ausgebauten Wohlfahrtsstaat gelten, was die Betrachtung der adaptierten Abgabenquote untermauert. Somit kann man nur zur Schlussfolgerung kommen, dass die Forderung nach der Senkung der Abgabenquote eigentlich eine Forderung nach dem Abbau des Wohlfahrtsstaates ist.

Webtipps:
Aspekte der Steuerbelastung und Steuergerechtigkeit in Österreich:
tinyurl.com/kkeklkj
Umverteilung durch den Staat Österreich:
tinyurl.com/kuoulnu

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin vanessa.muehlboeck@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Vanessa Mühlböck, Abteilung Steuerrecht der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015684 Abgabenquote ist nicht gleich Abgabenquote: In der Schweiz etwa sind die Pensionsbeiträge sowie private Gesundheitsausgaben nicht darin enthalten. Rechnet man sie dazu, steigt die Abgabenquote plötzlich auf 40,8 Prozent. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014870 Zahlen, Daten, Fakten In den letzten Jahren ist die Lohnsteuerbelastung deutlich stärker gestiegen als die Löhne und Gehälter. Das Aufkommen aus Gewinnsteuern hingegen stieg weniger als die Unternehmensgewinne.
Besonders auffällig: Für Frauen stieg die durchschnittliche Steuerbelastung wesentlich stärker als für Männer.
Seit 1970 hat sich die Steuerstruktur zulasten des Faktors Arbeit verschoben: Der Anteil der Lohnsteuern, SV-Beiträge und lohnabhängiger Abgaben am Steueraufkommen ist von 33 auf 50 Prozent gestiegen, der Anteil der vermögensbezogenen Steuern hingegen um zwei Drittel gesunken.

Zahlen, Daten, Fakten zum Thema anbei zum Downloaden!

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Ausgewählt und zusammengestellt von Vanessa Mühlböck, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015233 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014853 Was vermögen Vermögende? Seit den 1980er-Jahren verlagert sich die Bedeutung von öffentlichem Vermögen hin zu privatem Vermögen. Durch Privatisierungen, Deregulierung und Finanzglobalisierung stieg privates Vermögen bei einigen wenigen an, während das öffentliche Vermögen zurückging. In Folge sank der Spielraum des Wohlfahrtsstaates – und der Möglichkeitsraum der Reichen erhöhte sich. Oxfam, eine NGO, die regelmäßig zu Ungleichheit schreibt (tinyurl.com/n9c4rpm), hat jüngst belegt, dass die 85 reichsten Menschen so viel an Vermögen haben wie die gesamte untere Hälfte der Weltbevölkerung. Die private Vermögensungleichheit ist extrem und steigt in vielen Ländern sogar weiter an. Dies ist ein weitgehend unumstrittenes Faktum, umstritten bleibt aber, warum dies so ist und wie viel an Ungleichheit einer Demokratie guttut.

Die Frage nach dem Warum
Zur Beantwortung der Frage nach dem Warum der Vermögenskonzentration sind mehr und bessere Daten zur Vermögensentstehung notwendig. Wurde das Vermögen erarbeitet und erspart, geerbt, geschenkt, oder kam es durch Kursgewinne zustande? Der prominenteste Vermögensforscher, Thomas Piketty, der jüngst einen viel beachteten Auftritt in der Arbeiterkammer Wien hatte, fordert hierzu vehement Datentransparenz. Dies wäre ein unumgänglicher erster Schritt zur Aufklärung über die ungleichen sozialen Verhältnisse. Wenig weiß man schließlich zu den Privatstiftungen im In- und Ausland, zu den in Steueroasen gebunkerten Vermögen, aber auch zum Unternehmensvermögen und zu Teilen des Finanzvermögens. Bankgeheimnis und der steuerliche Regelrahmen, mit seiner Schieflage und seinen Ausnahmen, nutzen den Vermögenden.

Vermögende und Politik
Thomas Piketty achtet in seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ besonders auf die Top-1-Prozent, am wichtigsten erachtet er aber einen noch kleineren Kreis von Vermögenden, die Top-0,1-Prozent. In Österreich wären dies nur etwa 4.000 Haushalte. Eine so massive Vermögenskonzentration impliziert auch eine Konzentration von Macht und damit einher geht die Gefahr, dass demokratische Institutionen inhaltlich ausgehöhlt werden. Am Markt entsteht Vermögensungleichheit, in vermögenden Familien wird sie dynastisch ausgebaut, doch erst von der Politik wurde sie über billige Privatisierungen, Deregulierung und Steuersenkungen befördert. Die Vermögenden können leichter selbst politische Ämter übernehmen oder sie können jene Parteien unterstützen, die ihre Interessen verfolgen. An Gleichheit orientierte Politik hingegen hat kaum noch ein Instrumentarium zum Gegensteuern zur Verfügung. Dieses Dilemma ist seit Langem bekannt und war bereits ein Thema in der Großen Depression der 1930er-Jahre. US-Präsident Franklin D. Roosevelt mahnte damals, dass politische Gleichheit bedeutungslos werde, angesichts der Ungleichheit in der Wirtschaft. Die Problematik ist folgende: Würden Reiche dasselbe von der Politik wollen wie Arme, dann könnte dies das Gemeinwohl stärken, da die Vermögenden ja auf jeden Fall in der Gesellschaft durchsetzungsfähiger sind. Die Vermögenden haben – wie wir aus Studien wissen – jedoch andere Vorstellungen zu Sozialausgaben und Budgetkonsolidierung als der Rest der Bevölkerung. Soziale Themen sind ihnen weniger wichtig. Reagiert die Politik nun stärker auf die Vorstellungen der Vermögenden, so werden die Interessen des Rests beeinträchtigt.
Doch können wir in allen gesellschaftlichen Fragen von einer einheitlichen Orientierung der Vermögenden ausgehen? Aus den USA wissen wir, dass Milliardäre wie die Koch-Brüder massiv die republikanische Tea Party unterstützen. Andererseits gibt es auch Vermögende, die den Demokraten finanziell zur Seite stehen. Daher mag es sein, dass sich konservative und liberale Milliardäre in ihrer Wirkung auf die Politik ausgleichen. Doch dies kann von der Mitte abwärts niemanden beruhigen, denn es sind jedenfalls die Vermögenden, die gegenüber dem Rest viel mehr an Einflussmöglichkeiten haben, und dies ist schlecht für eine Demokratie. Dabei geht es nicht um eine direkte Kontrolle der Politik durch die Vermögenden, sondern es geht um immense Möglichkeiten der Beeinflussung.
Die Vermögenden vermögen, und dies ist hinreichend für eine Schieflage, weil die Politik dann beginnt, von Sachzwängen zu sprechen. Wenn Vermögende ihre Interessen dann auch in Einzelfällen konkret verfolgen, dann reichen ihre Möglichkeiten von Lobbying, Parteispenden, einer stärkeren Regelausnutzung und -missachtung bis zum Agenda Setting. Durch ein geschicktes Platzieren von Themen können öffentliche Debatten beeinflusst werden. Gäbe es eine funktionierende Kontrolle durch die Medien, so wäre diese Schieflage weniger schlimm. Doch die vierte Gewalt bleibt von der Vermögenskonzentration nicht unberührt.

Öffentliche Debatten zum Vermögen
Die Bevölkerung bleibt zum Reichtum und speziell zu den Beziehungen der Vermögenden mit der Politik auch aufgrund der Datenschwächen auf Vermutungen angewiesen. Politische Macht ist leicht an Ämtern zu erkennen, doch wirtschaftliche Macht wird auch ohne politische Ämter ausgeübt. Wie können die Interessen der Top-0,1-Prozent vom Rest der Gesellschaft erkannt werden? Die Diskussion von Verteilungsfragen wird auf verschiedenen Wegen erschwert: So wird der eigene Reichtum von Vermögenden gerne relativiert. Diese reihen sich dann in der Selbstwahrnehmung irgendwo in der Mitte einer Gesellschaft ein. Wer aber in der Mitte steht, muss seinen Reichtum nicht begründen.

Vorgetäuschtes Allgemeininteresse
In den USA wird auch viel diskutiert, dass es zu einer großen Verkehrung kommt, die Reichen sehen sich selbst als Opfer von Kampagnen. Und aktiv können Vermögende sogar mit Graswurzelbewegungen reagieren. Diese sind erfindungsreiche volksnahe Initiativen der Vermögenden, die in ihrer Form Basisbewegungen durchaus ähneln und sehr hilfreich sind, wenn es um die ureigenen Interessen der Vermögenden geht, etwa um die Vermeidung von Vermögensbesteuerung. Je eher es Vermögenden gelingt, symbolische Macht zu erlangen, desto eher können sie ihre eigenen Interessen fälschlich als Allgemeininteressen ausweisen.
Abwertend sprechen manche von Armutskultur und argumentieren, dass manche Arme ohnedies selbst verschuldet in Not seien, da ihr geringes Einkommen durch Fehlverhalten und Charakterschwächen erklärbar sei. Diesen Armen mangle es an Entschlossenheit, Bereitschaft zum Verzicht, Fleiß und Risikoorientierung. Die Reichtumskultur wäre dann eine von Sparsamkeit, Mut, Innovation und Wohltätigkeit. Doch psychologische Studien zeigen, dass Reiche bei Verhaltensvergleichen in Experimenten schlechter abschneiden als Arme. Forscher platzierten sich etwa auf Straßen bei Fußgängerübergängen. Die Fahrer von Luxuswagen hielten weit seltener. Die experimentelle Forschung zeigt zudem, dass es an Empathie und Rücksichtnahme bei Reichen mangelt und dass Betrügen und Täuschen eher akzeptiert werden. Eine wohltätige Verwendung von Teilen des erworbenen Reichtums wird daher die Akzeptanz der Vermögenskonzentration stärken.
Besonders ärmere Menschen glauben an das sinnvolle Wirken von vermögenden Wohltätern. Dass die Demokratie aber auch über ein für die Gemeinschaft eingesetztes Vermögen geschwächt werden kann, ist schwer einzusehen. Insbesondere wenn der Sozialstaat seit Jahrzehnten als Bürokratie attackiert wird.

Mehrheitsbefund
Die Beschreibungen in diesem Artikel basieren auf den Ergebnissen wissenschaftlicher Studien. Der Befund von den verhängnisvollen Folgen von Vermögenskonzentration für das Gemeinwesen wird von vielen geteilt. Der Aussage „Zu großer Reichtum einiger weniger führt zu gesellschaftlichen Problemen“ stimmt in Österreich eine deutliche Mehrheit zu.

Linktipp:
Beitrag und Video der A&W-Diskussion „Lektionen aus Pikettys Thesen“ zum Nachlesen und -sehen.

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Martin Schürz, Ökonom in Wien Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015618 Die experimentelle Forschung zeigt, dass es Reichen an Empathie mangelt und dass Betrügen und Täuschen eher akzeptiert werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015626 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014786 Immer einen Schritt voraus EU und Steuerharmonisierung: zwei Begriffe, die einfach nicht zusammenzupassen scheinen. Trotz jahrelanger Diskussionen gibt es nach wie vor keine EU-weiten Mindeststeuersätze zur Verhinderung von Steuerdumping.
Auch die Vereinbarung zur Finanztransaktionssteuer, die eine Zeit lang durch alle Medien geisterte, wurde so oft aufgeschnürt und abgeändert, bis schließlich nur mehr eine Ultra-Light-Variante übrig geblieben ist (siehe Blog-Tipp). Und selbst diese Steuer, die hochspekulative Derivatgeschäfte ohnehin nicht erfasst, wird in über 60 Prozent der EU-Staaten nicht eingeführt werden.

Nationale Zuständigkeit
Die fehlende Steuerharmonisierung ist auch für Heinz Zourek, den Generaldirektor Steuern und Zollunion der Europäischen Kommission, ein nicht zu unterschätzendes Problem: „Weil Steuerangelegenheiten in der EU hauptsächlich noch als ausschließlich nationale Zuständigkeit angesehen werden und jede Gemeinschaftsvorschrift eine einstimmige Beschlussfassung erfordert, dauert es immer sehr lange, bis man zu einer abgestimmten Vorgangsweise kommt.“ Dabei hätten alle etwas von einer stärkeren Europäisierung der Steueragenden, „weil wir damit nicht nur den Betrug erheblich schwerer machen, sondern auch zu einer faireren Verteilung der Lasten kommen könnten“.
In den EU-27 ist es zwischen 1995 und 2013 zu einer deutlichen Abnahme des durchschnittlichen Körperschaftssteuersatzes von 35 Prozent auf 23 Prozent gekommen. Bereits zwischen 1980 und 1995 war der Durchschnitt in ähnlichem Ausmaß gesunken. Das heißt, wir sprechen hier von einem Steuerwettlauf nach unten, der mittlerweile bereits dreieinhalb Jahrzehnte lang anhält.

Legale Steuervermeidung
Derzeit scheinen Großunternehmen, Wirtschaftskanzleien, SteuerberaterInnen und Banken der EU immer einen Schritt voraus zu sein, wenn es um das Vertreten privater Gewinninteressen und die Vermeidung von Steuern geht. Vom Steuerwettlauf profitieren vor allem internationale Unternehmen mit Standorten in mehreren Ländern. Sie verschieben ihre Gewinne durch „aggressive Steuerplanung“ in jene Länder, wo die geringsten Steuern anfallen. Dazu bedarf es gar keiner komplexen Konstrukte, es reicht die Verrechnung von Rohstoffen oder Fertigprodukten von einem Standort zum nächsten. So erfolgt die Preisgestaltung nicht am freien Markt, sondern bloß innerhalb des Unternehmens, also von der Unternehmenszentrale geplant und von der EU geduldet.
Je größer und internationaler ein Unternehmen ist, desto einfacher funktioniert diese völlig legale „Verrechnungspreismanipulation“. So zahlte die Kaffeekette Starbucks in Deutschland zehn Jahre lang und in Großbritannien 15 Jahre lang keinen einzigen Cent an Steuern. Dazu locken viele EU-Länder Unternehmen mit immer niedrigeren Steuersätzen. Zypern verlangt beispielsweise bloß 12,5 Prozent, Bulgarien zehn Prozent und in Irland kann man die Steuersätze überhaupt gleich neu verhandeln. Der Konzern Apple und die irische Regierung einigten sich auf einen Satz von zwei Prozent.

Hohe Verluste
Die Verluste durch die Nichtbesteuerung von Unternehmensgewinnen betragen ein Vielfaches von den Verlusten durch die viel zitierten Steuerhinterziehungen in ferne Steueroasen. Und dabei sind Erstere völlig legal! Der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Algirdas Šemeta geht von einem Verlust von einer Billion Euro pro Jahr aus.
Kein Wunder also, dass GewerkschafterInnen schon seit Langem einen EU-weiten Mindestkörperschaftssteuersatz fordern, der nicht unterboten werden soll. Heinz Zourek hält diese Forderung zwar grundsätzlich für richtig, stuft die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung in nächster Zeit aber offenbar als eher gering ein: „Auf dem Weg dahin haben wir als ersten Vorschlag einmal darauf abgezielt, eine einheitliche gemeinsame Berechnungsgrundlage für die nationalen Körperschaftssteuern einzuführen.“ Bei der Steuerbelastung geht es nämlich nicht nur um die Höhe der Steuersätze, sondern auch um die Definition der Steuerbemessungsgrundlage, von der die Gewinnsteuern berechnet werden.
Während die alten Probleme noch nicht einmal ansatzweise gelöst sind, stehen im Übrigen schon die nächsten Herausforderungen vor der Tür. Der immer weiter zunehmende Internethandel erfordert besondere Aufmerksamkeit. Schließlich werden oft überhaupt keine Waren mehr gehandelt, sondern nur mehr Film-, Musik- oder Softwaredateien heruntergeladen. Die Festlegung, woher die „Lieferung“ kommt und wo die fälligen Steuern theoretisch zu bezahlen wären, erweist sich dabei als große Herausforderung. Diese wird noch größer, wenn Firmen wie Google oder Facebook ihre Leistungen den KundInnen bzw. UserInnen gratis zur Verfügung stellen.

Illegale Steuervermeidung
Wo die – wenn auch sehr weitreichenden und umfassenden – legalen Möglichkeiten nicht ausreichen, verlassen manche Unternehmen schon einmal den Boden der Legalität. Am naheliegendsten ist dabei das Verheimlichen von relevanten Tatbeständen bzw. die absichtliche unvollständige Informierung der Finanzbehörden. Aber es gibt auch viel raffiniertere Methoden, wie Zourek berichtet: „Zum Beispiel kann man ein Unternehmen dazu verwenden, Güter an andere Unternehmen zu verkaufen, die dabei anfallende Mehrwertsteuer zu kassieren, aber noch vor dem Termin der Abrechnung mit dem Finanzamt einfach verschwinden. Der Fiskus muss dann wohl dem Käufer die sogenannte Vorsteuer vergüten, wenn dieser die Ware weiterverkauft hat, bekommt aber selbst nie die ihm zustehende erste Zahlung.“ Wenn man diese Praxis über mehrere Mitgliedsstaaten hinweg ausdehnt, sprechen die SteuerexpertInnen von einem Karussellbetrug.

Gegensteuern seitens der EU?
Die Europäische Kommission hat bereits 2012 festgestellt, dass „die Steuereinnahmen der Mitgliedsstaaten insgesamt womöglich nur so gut geschützt sind, wie es der am schwächsten reagierende Mitgliedsstaat zulässt“.
Die Kommission hat also offenbar die Probleme richtig erkannt, beschränkt sich aber im Wesentlichen auf Empfehlungen an die nationalen Regierungen. So sollen zum Beispiel bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen so umgeschrieben werden, dass keine zweifache Steuerbefreiung mehr möglich ist. Die nationalen Finanzbehörden sollen außerdem künstliche Gebilde, deren offenbar einziger Zweck die Steuervermeidung ist, nicht mehr berücksichtigen.
Dass solche Vorschläge relativ zahnlos sind, liegt auf der Hand. Einerseits würden wohl nicht alle Länder bereit sein, ihre Abkommen in diesem Sinne zu novellieren – und selbst wenn, kann eine solche Erneuerung Jahre dauern. Das Europäische Parlament schlägt dagegen vor, dass die Kommission einfach im Namen aller Mitgliedsstaaten Steuerabkommen mit Drittländern aushandeln soll, die ihrerseits wiederum eine Grundbedingung für den positiven Abschluss von Handelsvereinbarungen sein sollen.

Mangelnder Wille
Dieser interessante Ansatz ist derzeit wegen des mangelnden Willens zur Steuerharmonisierung allerdings genauso schwer umsetzbar wie der Körperschaftssteuer-Mindestsatz oder die nachhaltige Trockenlegung von Steueroasen. Dazu Heinz Zourek: „Es bedarf des politischen Willens aller Mitgliedsstaaten!“ Ohne größeren und vor allem gemeinsamen Druck der Interessenvertretungen der Mitgliedsstaaten wird sich dieser Wille aber nicht formieren.
Laut Zourek ist es aber nicht hoffnungslos: „In letzter Zeit hat sich immer stärker die Erkenntnis durchgesetzt, dass man den Betrug oder Missbrauch nur dann wirklich erfolgreich bekämpfen kann, wenn man auch grenzüberschreitend zusammenarbeitet.“

Blog-Tipp:
blog.arbeit-wirtschaft.at/killing-financial-transaction-tax/

Mehr zum Thema gibt es in der GPA-djp-Broschüre „Steuerpolitik. Analysen und Vorschläge für mehr Steuergerechtigkeit“. Die Beiträge stammen unter anderem von Heinz Zourek, Kurt Bayer und Martin Saringer.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.bolkovac@gpa-djp.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Martin Bolkovac, GPA-djp Grundlagenabteilung Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015579 Derzeit scheinen Großunternehmen, Wirtschaftskanzleien, SteuerberaterInnen und Banken der EU immer einen Schritt voraus zu sein, wenn es um das Vertreten privater Gewinninteressen und die Vermeidung von Steuern geht. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014704 Brauchen S’ eine Rechnung? In der Diskussion über die Gegenfinanzierung einer unverzichtbaren Steuersenkung auf Arbeitseinkommen werden konsequente Maßnahmen gegen den Steuerbetrug als unverzichtbares Element einer finanzierbaren Steuerreform eingefordert. Über Möglichkeiten, Auswirkungen, aber auch Grenzen rechtsstaatlichen Handelns bei drei unterschiedlichen und doch häufig gemeinsam genannten Forderungen: Registrierkassenpflicht, Umsatzsteuerbetrug und Gewinnverschiebung in Steueroasen.

Registrierkassenpflicht
Mit einer umfassenden Registrierkassenpflicht wäre nach Meinung vieler bereits ein wichtiger und lukrativer Schritt zur Betrugsbekämpfung gesetzt. Die heftige Abwehrreaktion diverser Wirtschaftskammerfunktionäre insbesondere aus dem Gastronomiebereich verwundert, wenn man bedenkt, dass die Registrierkassenpflicht bereits jetzt für Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 150.000 Euro besteht.
KollegInnen aus der Steuerfahndung und Betriebsprüfung der Finanzämter sehen allerdings die Erwartungen, die an die Ausweitung des Kreises der Verpflichteten geknüpft werden, als weit überzogen an. Im Zusammenhang mit Registrierkassen und Kassensystemen sehen sie sich nämlich der viel tiefer gehenden Problematik gegenüber, dass Kassensysteme relativ einfach manipuliert werden können.
Das ARD-Fernsehmagazin „Plusminus“ deckte kürzlich auf, wie das Schwarzgeschäft trotz Registrierkasse funktioniert: Ein kurzer Dreh am Schlüssel der Kasse genügt, um die Umsätze erheblich schrumpfen zu lassen. Eine andere beliebte Methode ist der Trainingsmodus, in welchem Umsätze zwar per Bon ausgewiesen, nicht aber gespeichert werden. So bekommen selbst Angestellte nicht mit, wenn der Chef in die eigene Tasche wirtschaftet. Bei Recherchen mit versteckter Kamera boten Händler sogar an, beim Kauf der Kasse die entsprechende Software oder Tools zur Manipulation als zusätzliches Leistungsmerkmal gleich mit zu verkaufen.
Der OECD-Bericht „Umsatzverkürzung mittels elektronischer Kassensysteme – eine Bedrohung für die Steuereinnahmen“ aus dem Jahr 2013 verweist neben den erwähnten Manipulationsmethoden noch auf etliche andere Hard- und Software-basierte Möglichkeiten1.
ExpertInnen schätzen den jährlichen Schaden für die Steuerkasse in Deutschland laut ARD auf fünf bis zehn Milliarden Euro. Umgelegt auf österreichische Verhältnisse bedeutet dies ein Schadensvolumen von rund einer Milliarde Euro.
 
Nur ein erster Schritt
Eine umfassende Registrierkassenpflicht kann also nur ein erster Schritt sein, ohne eine gesetzliche Pflicht zum Einbau von Sicherheits-Software in elektronische Kassen ist wohl eher von einem Placebo auszugehen. Dabei ist eine Lösung technisch machbar – mit einem Chip. Bei diesem Verfahren bekommt jede Buchung an der Kasse einen Schlüsselcode. Ein Prüfer könnte selbst Jahre später die Manipulation feststellen. Entsprechende Systeme gibt es bereits, allerdings werden sie bislang kaum genutzt. Zusätzlich müssen die Herstellung und der Vertrieb von Manipulations-Software verboten und die Manipulation selbst unter massive Strafdrohung gestellt werden, denn nur wenn sichergestellt wird, dass Registrierkassen nicht mehr einfach manipuliert werden können, ist die Beantwortung der klassischen Frage „Brauchen S’ eine Rechnung?“ mit „Ja, natürlich!“ auch tatsächlich ein Beitrag zur Vermeidung von Steuerhinterziehung.

Umsatzsteuer(Karussell)betrug
Immer wieder wird im Zusammenhang mit der Steuerreform auch die Bekämpfung von Betrugsmustern im Bereich der Umsatzsteuer eingefordert, die gemeinhin als Umsatzsteuerkarusselle bezeichnet werden. Nahezu sämtliche Umsatzsteuerbetrugsmodelle großen Stils bewegen sich zum Zwecke ausgeklügelter Verschleierungs- und Abschirmungsmaßnahmen über mehrere Staaten (Drittländer und Binnenmarkt). Die Finanz wird dabei nicht nur um die Umsatzsteuer geprellt, sondern muss auch die geltend gemachten Vorsteuern auszahlen. Österreich hat hier in den letzten Jahren erfolgreich zahlreiche Maßnahmen zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs gesetzt. Engagierte und hochqualifizierte PrüferInnen der Finanzämter, der Großbetriebsprüfung und der Steuerfahndung haben in multilateralen Prüfungen wesentlich an der Aufdeckung und Zerschlagung von Betrugskartellen mitgewirkt. Als besonders hilfreich erweist sich dabei die Ausweitung des Reverse Charge System in der Unternehmerkette, womit die Auszahlung von Vorsteuerbeträgen an betrügerische Unternehmen verhindert wird. Die Lieferung von besonders betrugsanfälligen, meist hochpreisigen Gütern und Zertifikaten fällt nun unter diese Regelung. Damit ist es gelungen, den direkten Schaden durch Steuerausfälle in Österreich zu minimieren.
Der Fokus muss aber weiter darauf gelegt werden, Teilnehmer vom Markt zu nehmen, die als Zwischenhändler in solchen, als Karussell bezeichneten betrügerischen Unternehmensketten mitwirken. Wenn damit auch keine unmittelbaren Fiskalerträge zu erzielen sind, wird doch künftigen Steuerausfällen vorgebeugt und wesentlich dazu beigetragen, dass nicht andere, vor allem junge Mitgliedsstaaten in der EU regelrecht ausgeplündert werden. Laut EU-Rechnungshof schätzt man den Schaden durch Karussellbetrug europaweit immerhin auf mehr als 100 Milliarden Euro.

Gewinnverschiebung in Steueroasen
Die aktuelle Debatte um Luxemburgs Steuergeschenke an multinationale Konzerne richtet den Fokus wieder auf das Problem mit Steueroasen. Um die globale Steuerschuld zu verringern, verschieben multinationale Unternehmen ihre Profite gern in Steueroasen (siehe auch„Globales Geldverstecken“).
Dabei bieten sich vor allem zwei Wege an: Transferpreisgestaltung und interne Kredite. Liefert ein Konzern von einer Tochterfirma in Österreich an eine Tochter in Irland, wo das Produkt weiterverarbeitet oder auf dem Markt verkauft wird, und liegt der Transferpreis unter den eigenen Kosten samt Gewinnaufschlag, führt das zu einer Minderung der Gewinne der österreichischen Firma – und treibt die Gewinne der irischen Tochter in die Höhe.

Beträchtliche Ersparnisse
Ein niedriger Transferpreis bringt damit beträchtliche Steuerersparnisse, da die Steuersätze in Irland viel niedriger sind als in Österreich. Nur der Ansatz „korrekter“ Transferpreise, wie z. B. die Marktpreise im Handel zwischen unabhängigen Unternehmen (Fremdvergleichspreise), sind eine objektive Benchmark für die Ermittlung von steuerpflichtigen Gewinnen in jedem Land.
Die gleiche Logik gilt für interne Kapitalmärkte von großen Konzernen. Die Finanzierung inländischer Konzernaktivitäten durch ausländische Konzerngesellschaften führt zu einem Zinsaufwand in Österreich und damit zu einer Gewinnminderung, während die Zinseinkünfte im Ausland nicht oder nur gering besteuert sein können. Der interne Kredit verringert eindeutig die globale steuerliche Belastung des Konzerns zulasten Österreichs. Finden solche Gewinnverschiebungen aus Gründen der Steuerumgehung statt, ist es in der Regel Aufgabe der Spezialistinnen und Spezialisten der Großbetriebsprüfung, diesen einen Riegel vorzuschieben.

Akuter Personalmangel
Diese drei Beispiele stellen nur einen Ausschnitt der Tätigkeiten der KollegInnen der Finanzverwaltung dar. Wer will, dass die Einhaltung der Steuergesetze weiter in gewohnt hoher Qualität erfolgt, darf vor dem akuten Personalmangel nicht die Augen verschließen.
Der jüngst veröffentlichte Bericht des Rechnungshofes zum Risikomanagement und Personaleinsatz der Finanzverwaltung unterstreicht voll und ganz die langjährige Forderung der Finanzgewerkschaft nach mehr Personal.
Allein die vom Rechnungshof aufgezeigte Streichung von 190 Vollzeitkräften von 2008 bis 2012 bedeutet einen Nettoverlust für den Staat und die Steuerzahler von rund 80 Millionen Euro pro Jahr.

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor otto.aiglsperger@goed.at oder die Redaktion aw@oegb.at

1 tinyurl.com/l25y27w

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Otto Aiglsperger, Abteilung Presse/Öffentlichkeitsarbeit und Wirtschaft der GÖD Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015557 Wie das Schwarzgeschäft trotz Registrierkasse funktioniert: Ein kurzer Dreh am Schlüssel der Kasse genügt, um die Umsätze erheblich schrumpfen zu lassen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658014670 Steueroasen am Ende? Im November 2014 veröffentlichte die OECD einen Bericht an die G20 über Fortschritte bei der Einführung von Transparenz und der Bekämpfung von Steuerflucht. Dem Bericht nach haben verschiedene Steueroasen noch keine Gesetzgebung eingeführt, die den Austausch von Informationen ermöglicht, und zwar Brunei, die Marshallinseln, Mikronesien, Guatemala, der Libanon, Liberia, Nauru, Panama, die Schweiz, Trinidad und Tobago sowie Vanuatu. Weitere Staaten haben zwar Gesetze zum Informationsaustausch beschlossen, diese jedoch noch nicht umgesetzt: die Britischen Jungferninseln, Zypern, Luxemburg und die Seychellen. Zu den Staaten, die Absprachen nur teilweise umgesetzt haben, gehört Österreich – neben Andorra, Anguilla, Antigua und Barbuda, Barbados, Indonesien, Israel, Saint Lucia und der Türkei. Eine Übersicht über die Verfügbarkeit, den Zugang und den Austausch von Informationen aufgeschlüsselt nach Ländern zeigt, dass es nach wie vor eine Vielzahl von Steuerlücken im internationalen System gibt.

Informationsaustausch
Die jüngste Regulierung zielt schwerpunktmäßig auf automatischen Informationsaustausch und die Abschaffung des Bankgeheimnisses ab. Weniger im Fokus stehen Briefkastenfirmen – Unternehmen, Stiftungen, Treuhandschaften und Trusts –, die offiziell von VerwalterInnen geführt werden und deren Begünstigte anonym bleiben. Die Konstruktionen benutzten das ursprünglich im angelsächsischen Kulturraum verankerte Berufsgeheimnis für AnwältInnen. Die zunächst von Jersey und der Schweiz genutzte Rechtsform wurde seit den 1960er-Jahren in anderen Jurisdiktionen eingeführt und wird heute besonders auf Jersey, den Cayman Islands und den Britischen Jungferninseln genutzt. Anders als häufig angenommen, beschränken sich anonyme Unternehmenskonstruktionen keinesfalls auf den angelsächsischen Rechtsraum. In Österreich können Geldflüsse über Treuhandschaften, Privatstiftungen und Aktiengesellschaften anonym bleiben. Zur Regulierung sollen öffentlich einsehbare Register eingeführt werden, in denen u. a. Daten über die Ausübung von Kontrolle und Besitz und Begünstigte online abzurufen sind. Öffentlich einsehbare Register werden bislang von verschiedenen Staaten der EU blockiert.
Eine weitere wichtige Baustelle ist die Steuerflucht und -vermeidung von Konzernen. Eine Arbeitsgruppe der OECD analysiert im Rahmen der 2013 begonnenen BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting, deutsch: Aushöhlung der Besteuerungsgrundlage und Gewinnverschiebung) zunächst Probleme und arbeitet Regulierungsvorschläge aus. Die Initiative ist ein Fortschritt, weil bislang wenig Material zum Thema vorliegt. Ob Maßnahmen folgen, ist allerdings unklar. Versuche, die Konzernbesteuerung in der EU über die Einführung einer „gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage“ zu reformieren, sind bislang gescheitert, weil RegierungsvertreterInnen Nachteile für nationale Unternehmen befürchteten. Steueroasen spielen auf Zeit und versuchen, Regulierungen hinauszuzögern: Der Zeitplan zur Implementierung des automatischen Informationsaustausches sieht Übergangsfristen vor, für Österreich beispielsweise bis 2018. Bis dahin können Steueroasen weiter genutzt werden. Die Steuerflucht-Dienstleistungsbranche gewinnt Zeit, um nach neuen Geschäftsmodellen und etwaigen Lücken in der Gesetzgebung zu suchen oder die Umsetzung der Maßnahmen über Lobbyarbeit zu behindern.

Hinter den Möglichkeiten
Häufig werden fehlende Maßnahmen mit technischen Schwierigkeiten erklärt. Wenngleich die Regulierung aufgrund der Komplexität internationaler Steuer- und Finanzsysteme kein Pappenstiel ist, bleibt die Politik hinter ihren Möglichkeiten zurück. Die Einführung des automatischen Informationsaustausches und öffentlich einsehbarer Register für Unternehmen und Stiftungen sollte schneller erfolgen. Unternehmen sollten nach Ländern getrennt bilanzieren, womit Tricksereien eher auffallen würden. Der Informationsaustausch sollte auf Drittstaaten, insbesondere Steueroasen, ausgeweitet werden. Transaktionen mit nichtkooperativen Steueroasen sollten über Quellensteuern oder Nachbesteuerung erfasst werden. Finanz- und Wirtschaftspolitik im Rahmen der EU sollten nicht auf Austerität basieren, sondern auf der Einführung von Mindeststandards und umfassender Regulierung von Finanzakteuren. Dazu gehören Mindeststeuersätze für Unternehmen. Bezogen auf Österreich steht neben Transparenz im Sektor der Treuhandschaften und Unternehmen die geplante Aufhebung des Bankgeheimnisses auch für InländerInnen an. Bis 2018 soll es nur für AusländerInnen fallen. Dabei nutzt es nur Eliten und schadet ArbeitnehmerInnen und VerbraucherInnen, die höher belastet werden. Im Übrigen greift eine Vermögens- und/oder Erbschaftssteuer effektiv nur, wenn das Bankgeheimnis für Steuerbehörden eingeschränkt wird, wie es in den meisten Staaten und bei Arbeitseinkommen sowieso schon üblich ist.

Kavaliersdelikt
Die Wirksamkeit jüngster Initiativen zur Abschaffung von Steueroasen kann nicht ausschließlich unter technischen Aspekten beurteilt werden. Aus gesellschaftlicher Perspektive muss gefragt werden, warum Steueroasen überhaupt lange akzeptiert wurden. Ulrike Herrmann erklärt dies mit dem Verhalten der Mittelschicht, sich nach oben hin zu identifizieren und nach unten hin abzugrenzen. Nach dem Motto „Wenn ich reich werde, tue ich das auch“ wurde Steuerflucht als Kavaliersdelikt wahrgenommen. Ein weiterer Grund ist das negative, über neoliberale Ideologie transportierte Image von Staat und Steuern. Nach Friedrich Hayek infantilisieren steuerfinanzierte Sozialausgaben die Bevölkerung. Milton Friedman behauptet, der Staat gebe generell so viel Geld wie möglich aus, vor allem zur Aufrechterhaltung von Parteien und eines Heeres von LobbyistInnen – Aussagen, die in dieser Einseitigkeit empirisch falsch sind. Große Anteile der Steuereinnahmen kommen unteren Bevölkerungsschichten zugute. In verschiedenen Fällen wurde nachgewiesen, dass Interessengruppen gezielt Fehlinformationen in den Diskurs einführen, beispielsweise unzutreffende Aussagen über Omas Sparbuch oder den „gläsernen Bürger“. Besonders suggestiv wirken bildliche Begriffe. Der Begriff „Steueroase“ verweist auf einen fruchtbaren Ort in der Wüste, nicht aber auf intransparente Konten und Briefkastenfirmen. „Steuerflucht“ unterstellt, dass eine verfolgte Person flieht, nicht aber, dass Geschäftsleute das System unfair ausnutzen.
Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass Steueroasen ein Zweiklassenrechtssystem sind; die Politik steht unter Erwartungsdruck. Die Beharrungskräfte der Steuerflucht sind jedoch stark. Berufsgruppen wie JuristInnen und BankerInnen verdienen an Dienstleistungen für die Steuerflucht oder -vermeidung, ebenso Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die ein doppeltes Geschäft machen, wenn sie klamme Regierungen bei Privatisierungen beraten. Mit dem Argument des Standortwettbewerbs werden neue, für Konzerne vorteilhafte Regulierungen geschaffen, beispielsweise Patentboxen für Konzerne. Vorschnell wird behauptet, dass, was den Unternehmen nützt, auch der Bevölkerung dient. De facto bringen steuerminimierende Unternehmen der Bevölkerung genauso wenig wie Banken mit Anlagen von Steuersäumigen. Die Bevölkerung muss die Steuern für die von Unternehmen genutzte Infrastruktur aufbringen und finanziert außerdem die Bildung von qualifiziertem Personal, Gesundheitssysteme und weitere Leistungen, die für ein funktionierendes System notwendig sind. Steuerfluchtgelder werden nicht zwangsläufig vor Ort angelegt, sondern an internationalen Finanzmärkten. Verglichen mit dem produzierenden Sektor schafft die Finanzbranche im Verhältnis zu ihren Gewinnen wenige Arbeitsplätze. Es ist kein Zufall, dass europäische Steueroasen wie Zypern oder Irland mit laxen Regulierungen oder Griechenland mit maroden Steuersystemen besonders stark von der Finanzkrise betroffen waren und sind. Kurz: Wachsamkeit anstatt vorschneller Euphorie ist geboten.
 
Webtipp:
Momentum Quarterly – Zeitschrift für sozialen Fortschritt:
tinyurl.com/nvjodbd

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin silke.oetsch@uibk.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Silke Ötsch, Universitätsassistentin, Institut für Soziologie, Universität Innsbruck Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015539 Der Begriff "Steuerflucht" unterstellt, dass eine verfolgte Person flieht, nicht aber, dass Geschäftsleute das System unfair ausnutzen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015596 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658013791 Wo das Kapital parkt und wächst Da „das Kapital ein scheues Reh“ sei, wie schon Karl Marx sagte, suchen Reiche gerne abgeschiedene Orte, die ihnen Ruhe vor den Finanzämtern dieser Welt bieten. Gern angepeilte Steueroasen für Privatvermögen sind etwa die Schweiz, Hongkong oder Singapur. Beliebte Ziele sind auch die Bermuda-Inseln (britisches Überseegebiet), die Bahamas (formal ist die Queen Oberhaupt) oder die Cayman Islands: Sie verlangen keine Steuern, weder auf Unternehmensgewinne noch auf Kapitalerträge, und in der Regel fällt nur eine geringe Einkommensteuer in Höhe von 20 Prozent an. Andere Staaten sind auch auf bestimmte Konstruktionen spezialisiert. Auf Hedgefonds etwa konzentrieren sich die karibischen Cayman Islands, die meisten Briefkastenfirmen finden sich in der Karibik auf den Britischen Jungferninseln (wie die Cayman Islands britisches Überseegebiet).
Mehr als eine Million Firmen sind im US-Bundesstaat Delaware registriert – für Holdings, die nicht vor Ort produzieren, werden außer einer jährlichen Registrierungsgebühr keine weiteren Unternehmenssteuern eingehoben. Die britische Kanalinsel Jersey hat sich mit Trusts hervorgetan. Liechtenstein ist für seine Stiftungen, Luxemburg für Investmentfonds bekannt und Österreich für sein Bankgeheimnis und seine Gruppenbesteuerung (siehe auch „Globales Geldverstecken“). Nun soll das alles anders werden, denn Staaten wollen den internationalen Austausch von Steuerdaten regeln.

Ein wichtiger Schritt für den globalen, automatischen Steuer-Informationsaustausch wurde Ende Oktober in Berlin gesetzt. Über fünfzig Staaten unterzeichneten ein multilaterales Rahmenabkommen zum „OECD Common Reporting Standard“ und tauschen ab Herbst 2017 Daten aus. Von den EU-Staaten, die dem bereits beigetreten sind, wird einzig Österreich seine Steuerdaten erst ab 2018 mit anderen teilen. Weitere Staaten müssen noch unterzeichnen. Erstmals werden Daten wie Zinsen, Dividenden und andere Einkünfte samt Steueridentifikationsnummer an ausländische Finanzbehörden übertragen. „Doch es wäre sinnvoller, nicht bilaterale Abkommen abzuschließen, sondern Abkommen mit mehreren Ländern. Und es müssten immer Sanktionsmöglichkeiten enthalten sein, sonst ist das Ganze zahnlos“, erklärt Gertraud Lunzer, Referentin für Steuerpolitik der AK Wien.

Albert und die Millionäre
Steueroasen bieten oft ein gutes Leben, aber meistens nur für die Reichen, sonst sind sie eher ein Hort konservativer Werte. In der konstitutionellen Monarchie Monaco regiert Fürst Albert das Kabinett, ernennt Minister und den Regierungspräsidenten. Sein Bild hängt allerorts, nie würde jemand ein schlechtes Wort über den Regenten verlieren – schließlich ist der Lebensstandard hoch, das Netzwerk überlebenswichtig. Im Fürstentum gedeihen die Günstlinge – wer in Ungnade fällt, hat es in Monaco nicht leicht. Der Fürstenpalast entscheidet, wer Geschäfte eröffnet und wer schließen muss, wer die Projekterlaubnis als Handwerker erhält oder nicht. Jährlich beantragen mehr als 500 Personen die monegassische Staatsbürgerschaft, doch nur rund fünf Menschen erhalten sie. Millionäre und Milliardäre sitzen in 30-stöckigen Betonburgen, um die Einkommensteuer zu sparen. Sie teilen sich den nach dem Vatikan zweitkleinsten Staat der Erde (36.000 Einwohner) mit gebürtigen Monegassen, les enfants du pays (Landeskinder, die seit Generationen – ohne Staatsbürgerschaft – in Monaco leben) und reichen Ausländern, die an der Côte d’Azur einem lukrativen Job nachgehen.
Außerdem pendeln täglich 40.000 Menschen zur Arbeit nach Monaco, die sich hier niemals eine Wohnung leisten könnten. Blitzsaubere, kaugummifreie Straßen, reichlich Polizisten mit schnee-weißen Handschuhen – und eine überaus schmutzige Gentrifizierung: In einem älteren Mehrparteienhaus bewohnt eine dreiköpfige Familie eine 60-m²-Wohnung für monatlich 1.100 Euro – das Haus wurde verkauft, um einer Luxuswohnanlage zu weichen. Erwarteter Quadratmeterpreis: bis zu 80.000 Euro. Für rund acht Millionen Euro wäre dann eine 100 m² große Bleibe zu erwerben – normal für Monaco. Die restlichen HausbewohnerInnen wurden herausgekauft und vertrieben, der Abbruch schreitet voran, obwohl die Familie noch im Haus wohnt. Drei gleichwertige Wohnungen wurden ihnen vom neuen Besitzer – wie es das Recht verlangt – nicht angeboten. Macht, Geld, Gesetzesbruch. Wer seine günstige Wohnung als NormalverdienerIn verliert, dem/der bleibt nur der Weg hinaus aus dem Steuerparadies. Die gesellschaftliche Lage entspricht nicht unbedingt einem mitteleuropäischen Land. Ein Recht auf Abtreibung gibt es bis heute nicht: Selbst nach einem „liberalisierten Gesetz“ (beschlossen 2009) können Frauen nur nach einer Vergewaltigung oder bei einem stark behinderten Fötus ihre Schwangerschaft beenden.

Brot, Spiele, Verschleierungstaktik
Auf den ersten Blick paradox: Weil Zug seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs die Steuern stetig senkte, wurde der Kanton zum reichsten Schweizer Gliedstaat. Noch in den 1960er-Jahren hatte Zug die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in der Schweiz, 1975 wurde der Liberale Georg Stucky Finanzdirektor: „Ich hätte wohl einen Eintrag im ‚Guinness Buch der Rekorde‘ gut, denn ich habe innerhalb von 16 Jahren neunmal die Steuern gesenkt.“ Im interkantonalen Finanzausgleich ist Zug der größte Geldgeber, obwohl die Steuerbelastung nur rund die Hälfte des Schweizer Durchschnitts beträgt. Holdinggesellschaften zahlen eine Steuer von gerade einmal 25 Franken pro Million ihres Kapitals, Gewinnsteuern werden in Zug überhaupt nicht eingehoben. Das durchschnittliche Einkommen liegt hier fast 80 Prozent über dem Schweizer Mittel. Zu den Superreichen im Kanton gehören auch die Familie Brenninkmeijer (C&A), Johann Rupert (südafrikanischer Mehrheitseigner des Genfer Luxusgüterkonzerns Richemont mit Cartier, Dunhill, Montblanc) und Kjeld Kirk Kristiansen (Lego).
Geld hat die Macht: 2001 wurde der öffentliche Einblick ins Steuerregister abgeschafft, Großverdiener hatten sich politisch erfolgreich für mehr Diskretion eingesetzt. Auch DurchschnittsverdienerInnen zahlen wenig Steuern. Die Kehrseite sind die teilweise exorbitanten Mieten und Immobilienpreise. Viele Familien können sich das Wohnen nicht mehr leisten. So lebt etwa ein Viertel der Polizisten, die in Zug Dienst tun, außerhalb des Kantons. Dafür ist der Eintritt ins Strandbad am Zuger See gratis, der DVD- und Bücherverleih in den Bibliotheken meist auch. Auch baute fast jede Gemeinde eine Mehrzweck- und eine Dreifachturnhalle.

Durstige Staaten und saftige Oasen
Die Finanzplätze, die sich auf vielerlei Tricks der Steuervermeidung spezialisiert haben, schaden den anderen Staaten gleich mehrfach: Sie bieten reichen Privatleuten eine Möglichkeit, ihr Geld zu verstecken. Dadurch sind sie hauptverantwortlich, dass auch in den „normalen“ Staaten Kapitalerträge meist deutlich geringer besteuert werden als andere Einkommensarten und Erbschaftssteuern reduziert oder ganz abgeschafft wurden. „Die Länder konkurrieren mit einem Steuersenkungswettlauf der Körperschaftssteuersätze. Dadurch versuchen sie Anreize zu schaffen, das Kapital im Land zu behalten. Das Absenken der Steuersätze führt jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis – und letztlich schaden sich die Länder zusätzlich durch den Einnahmenausfall aufgrund der niedrigeren Steuersätze“, weiß die AK-Steuerexpertin Gertraud Lunzer.
Daneben bieten sie multinationalen Unternehmen die Möglichkeit, durch kreative Buchführung nur Ministeuern zu zahlen. Und sie zwingen die anderen Länder, einen Steuerwettlauf nach unten anzutreten. Lunzer: „Die AK fordert, dass die Finanzverwaltung verstärkt werden muss, in Österreich passiert aber genau das Gegenteil – es wird abgebaut, vor allem, was Betriebsprüfungen betrifft. Es heißt immer, die Verwaltung ist so aufgeblasen und Personal kostet so viel Geld, doch Betriebsprüfer bringen viel mehr ein, als sie kosten.“ Auch will die AK, dass die Steuerprüfungen bei multinationalen Konzernen international vernetzt werden können und dass es eine gemeinsame Bemessungsgrundlage für die EU-Länder und einen Mindeststeuersatz auf europäischer Ebene gibt.

Blog-Tipp:
blog.arbeit-wirtschaft.at/steueroasen-wo-der-wohlstand-der-nationen-versteckt-wird/

Film-Tipp:
Komödie, Louise Hires a Contract Killer (F 2008)
Die Fabriksarbeiterinnen sind perplex: Sie haben auf Urlaub verzichtet, um ihre Arbeitsplätze zu sichern, doch plötzlich ist die Fabrik leer geräumt und der Chef verschwunden – ins Steuerpara-dies Jersey. Die Arbeiterinnen engagieren einen Killer.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen sophia.fielhauer@chello.at und resei@gmx.de oder die Redaktion aw@oegb.at

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Sophia T. Fielhauer-Resei und Christian Resei, Freie JournalistInnen Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015473 Für die Reichen sind die weltweiten Steueroasen exklusive Spielplätze, auf denen sie ihr Vermögen wachsen und gedeihen lassen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658013779 Wahl-Steuer „Die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ hieß 1867 bis 1915 der Teil der Habsburgermonarchie, zu dem die heutige Republik Österreich gehörte. Die Menschen in diesem Staat, der in der Umgangssprache oft „Österreich“ genannt wurde, hätten, so wurde damit signalisiert, ein gemeinsames Parlament zur politischen Mitbestimmung. Aber sehr lange war dieser „Reichsrat“ alles andere als eine demokratische Einrichtung.

Bis 1872 bestand – außer für Akademiker, hohe Beamte, Pfarrer und Lehrer – ein reines „Zensuswahlrecht“. Im ersten Wahlkörper wählten diejenigen, die jährlich mehr als 80 Gulden Steuer zahlten, im zweiten Wahlkörper Staatsbürger mit einer Steuerleistung von 20 bis 79 Gulden, im dritten Wahlkörper betrug der Zensus – in Städten und Landgemeinden unterschiedlich geregelt – 10 bis 20 Gulden. Das galt für das Abgeordnetenhaus, die Mitglieder des Herrenhauses, der zweiten Kammer des „Reichsrats“, ernannte ohnehin allein der Kaiser.

Nach diesem System bestimmten Besitz und Bildung die Teilnahme am politischen Leben, die große Mehrheit des Volkes war ausgeschlossen.
Daran änderte sich auch mit der Einführung der Wählerkurien 1873 nichts. Die Kurie der Großgrundbesitzer mit nicht einmal 5.000 Wählern hatte von den insgesamt 353 Mandaten 84, die Kurie der Handels- und Gewerbekammern mit ganzen 499 Wählern 21. Die über eine Million Wahlberechtigten aus den Landgemeinden mussten sich dagegen mit mageren 129 Mandaten zufriedengeben, denn die Bindung des Wahlrechts an die Steuerleistung blieb aufrecht. Für die Landgemeinden hieß das: Von etwa 18 Millionen Erwachsenen durften nur rund eine Million überhaupt ihre Stimme abgeben.

Ab 1882 betrug der Steuersatz nur mehr fünf Gulden und 1896 folgte die Einführung einer neuen „allgemeinen Kurie“ mit gleichem Wahlrecht für Männer unabhängig von der Steuerleistung. Für sie waren aber nur 72 der jetzt 425 Mandate reserviert, ein Kandidat benötigte für seine Wahl mehr Stimmen als die anderen Abgeordneten und die Wähler der anderen Kurien durften doppelt abstimmen. Von demokratischer Mitbestimmung konnte also schon allein aus diesen Gründen keine Rede sein. Die „Sesshaftigkeitsklausel“, die einen sechsmonatigen Aufenthalt im Wahlkreis voraussetzte, benachteiligte außerdem die Arbeiterschaft in den Industriezentren und hier wiederum Zuwanderer massiv, da man bei Arbeitslosigkeit häufig in die Herkunftsgemeinden abgeschoben wurde. Nur ein einziger Gewerkschafter, der Bergarbeiter Petr Cingr, überwand 1897 diese Barrieren.

Trotzdem bedeutete die Reform einen ersten Erfolg der Kampagne der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung für ein demokratisches Wahlrecht, in der die Gewerkschaften eine große Rolle spielten. 1907 war das Ziel wenigstens für Männer fast erreicht – eine verschärfte „Sesshaftigkeitsklausel“ blieb. Trotzdem hatten jetzt die führenden Gewerkschafter erstmals Gelegenheit, ihre Anliegen selbst im Parlament zu vertreten.

Ausgewählt und kommentiert  von Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015387 1897: Sozialdemokratische Wählerversammlung in Steyr mit Kandidatennominierung. Ausdrücklich wird informiert, dass neuerdings JEDER Staatsbürger ab 24 Jahren, egal, wie viel Steuern er zahlt, das Recht zu wählen und zu kandidieren hat. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1418658013774 ÖGB/PRO-GE: Klare Absage an Pensionsautomatik Eine klare Absage erteilen die Gewerkschaften an die Forderung nach einer automatischen Anpassung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung. Diese würde vor allem junge Menschen treffen und zu einer enormen Altersarmut führen. „Schauen wir uns heute die Realität an: Junge Menschen – egal mit welcher Ausbildung – haben enorme Hürden beim Berufseinstieg zu meistern. Nach unzähligen Praktika oder Volontariaten – also Zeiten mit schlechter oder gar keiner Entlohnung – ergattern sie nach Jahren endlich ein ordentlich entlohntes Beschäftigungsverhältnis“, sagt ÖGB-Präsident Erich Foglar mit Verweis auf die Erfahrungen mit der Aktion „Watchlist Praktikum“.
Das Risiko, heute arbeitslos zu werden, steige schon ab 45 Jahren an. „Wenn sich daran nichts ändert, bleiben jungen Menschen im schlechtesten Fall nur mehr 20 gute Jahre im Berufsleben, auf denen sie ihr ganzes Leben aufbauen müssen“, erklärte Foglar. Und zu den alltäglichen Lebensrisiken wie zum Beispiel Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung etc. würde dann auch noch die Unsicherheit der Pensionsautomatik kommen. „Damit würde eine vernünftige Lebens- oder Familienplanung für all jene verunmöglicht, die nicht aus reichem Elternhaus kommen“, so Foglar. Dazu komme, dass es bereits heute zu wenige Arbeitsplätze für ältere ArbeitnehmerInnen gibt. „Unser umlagefinanziertes Pensionssystem steht für Pensionen, die den Lebensstandard sichern und die Altersarmut verhindern“, sagte Foglar. „Hinter dem Krankjammern des umlagefinanzierten Pensionssystems steckt Absicht“, warnte Foglar. Im Übrigen solle man alle Zahlen und Fakten in Betracht ziehen. Durch die Pensionsharmonisierung und das Auslaufen der Beamtenpensionsregelungen würden die gesamten öffentlichen Pensionsausgaben wesentlich geringer steigen. Der ÖGB-Präsident fordert daher eine Gesamtbetrachtung der öffentlichen Pensionsausgaben.

Auch die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) stellt sich klar gegen die Pensionsautomatik. „Es gibt viele Argumente, die gegen einen solchen Automatismus sprechen: Pensionseinbußen als Folge höherer Abschläge. Mehr Arbeitslosigkeit, da ein höheres Pensionsantrittsalter nicht automatisch mehr Arbeitsplätze bringt. Vor allem würde es jene treffen, die aufgrund sehr belastender Tätigkeiten mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen und eine geringere Lebenserwartung haben. Sie wäre unsozial und ungerecht“, sagt Rainer Wimmer, Bundesvorsitzender der PRO-GE.
Für die langfristige Absicherung des umlagefinanzierten Pensionssystems ist die Sicherung und Schaffung von Beschäftigung ausschlaggebend. Daher fordert die PRO-GE vehement die Umsetzung des vorgesehenen Bonus-Malus-Systems, damit Betriebe mehr ältere Menschen beschäftigen. „Wir brauchen deutlich mehr alternsgerechte Arbeitsplätze. Statt Angst zu verbreiten sollten Anreize und Voraussetzungen geschaffen werden, damit Betriebe ältere ArbeitnehmerInnen einstellen und in Beschäftigung halten“, sagt Wimmer.

Service: Pensionskonto
www.oegb.at/cms/S06/S06_1.5/themen/das-pensionskonto

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Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494360127 vida: Inklusion am Arbeitsmarkt! Die Situation am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung hat sich im Vergleich zum Vorjahr noch zugespitzt. „Immer mehr Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung sind arbeitslos, während sich die Arbeitgeber mittels Ausgleichstaxe freikaufen“, kritisiert der Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, Gottfried Winkler. Er hält fest: „An einer deutlichen Erhöhung der Taxe führt kein Weg vorbei.“
Die Arbeitslosenstatistik belegt, dass es Menschen mit Behinderung am Arbeitsmarkt zunehmend schwerer haben. Schon 2013 hat es im Vergleich zu 2012 eine Steigerung von fast 18 Prozent gegeben, im Jahresdurchschnitt waren ca. 47.000 Menschen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen arbeitslos gemeldet. Dieser Trend habe sich auch heuer fortgesetzt, so Winkler: „Die Aussetzung des Kündigungsschutzes hat nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Die Arbeitgeber müssen endlich dazu gebracht werden, die Einstellungsverpflichtung zu erfüllen, anstatt sich mittels einer billigen Ausgleichstaxe freizukaufen.“
Auch die WKÖ müsse sich endlich der Realität stellen, statt ständig Schönfärberei zu betreiben, was die Arbeitswelt von Menschen mit Behinderungen betreffe.
„Unsere Aufgabe ist es, eine inklusive Gesellschaft zu fördern.“ Winkler gibt zu bedenken: „Jede und jeder von uns kann durch eine chronische Erkrankung oder einen Freizeit- oder Arbeitsunfall in diese missliche Lage kommen.“

Mehr Infos unter:
www.vida.at

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Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494360121 AK/ÖGB: Entlasten statt belasten Zu den Gerüchten über einen angeblichen Vorstoß der Gewerkschaft zur Erhöhung der Mehrwertsteuer hält ÖGB-Präsident Erich Foglar fest: „An der Position des ÖGB hat sich nichts geändert. Wir werden einer allgemeinen Erhöhung der Mehrwertsteuer sicher nicht zustimmen – die ArbeitnehmerInnen werden sich die Entlastung nicht selbst finanzieren“, so Foglar.
Derzeit gilt der ermäßigte Steuersatz von zehn Prozent unter anderem für Nahrungsmittel, Medikamente, Mieten sowie Gas und Strom. „Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für diese Güter und Leistungen, die man für das tägliche Leben braucht, ist für uns nie infrage gekommen! Für uns steht die Entlastung der ArbeitnehmerInnen weiterhin im Vordergrund. Jetzt geht es darum, eine Entlastung der arbeitenden Bevölkerung auf Schiene zu bringen“, fordert Foglar.

Eine klare Absage kommt auch von der AK, auch sie spricht sich gegen eine Erhöhung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze für Lebensmittel, Medikamente und Wohnen aus. Diese Grundbedürfnisse dürfen nicht angetastet werden. Grundsätzlich bezeichnet die AK die Diskussion als kontraproduktiv: Sie dient nur dazu, in der Bevölkerung unbegründete Ängste zu schüren. Jetzt ist die Regierung gefordert, die Steuerreform rasch umzusetzen und den ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen endlich die gebührende Entlastung zu bringen. Denn in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten muss der private Konsum als wichtige Stütze der Konjunktur belebt werden.

Mehr Infos unter:
www.lohnsteuer-runter.at

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Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494360111 800.000er-Marke geknackt Das „große Finale“ in der Unterschriftenaktion des ÖGB brachte ein spektakuläres Ergebnis: Hunderte Freiwillige in allen Bundesländern sorgten am 22. Oktober dafür, dass die Traum-Marke von 800.000 Unterschriften geknackt wurde. Ein mehr als starkes Signal für eine rasche und spürbare Lohnsteuersenkung. „Dieser 22. Oktober ist eine deutliche Botschaft an die Regierung, die ArbeitnehmerInnen rasch zu entlasten“, erklärte ÖGB-Präsident Erich Foglar beim Auftakt des Wiener Aktionstags am Westbahnhof.

Auch abseits der Bundeshauptstadt gab es in allen Regionen Österreichs eine Vielzahl von Initiativen. „Als wir im Juli mit der Lohnsteuer-Kampagne gestartet sind, haben wir uns eine halbe Million Unterschriften als Ziel gesetzt“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar am Wiener Westbahnhof. „Dass es jetzt mehr als 800.000 geworden sind, übertrifft alle Erwartungen.“ Das Ergebnis unterstreiche, wie berechtigt die Forderung nach einem gerechteren Lohnsteuersystem und endlich netto mehr Geld sei. „Wie es geht, zeigt das von unseren Expertinnen und Experten gemeinsam mit der Arbeiterkammer fertig ausgearbeitete Lohnsteuermodell. Jetzt liegt’s an der Regierung.“

Eben dieser überreichten ÖGB-Präsident Erich Foglar und AK-Präsident Erich Kaske am 18. November die 882.184 gesammelten Unterschriften und erneuerten damit die Forderung nach der Lohnsteuersenkung. Beide Präsidenten betonten, dass angesichts der schlechten Wirtschaftslage eine spürbare Lohnsteuersenkung kommen muss, und sie forderten die Bundesregierung zum raschen Handeln auf.

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Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015425 Acht riesige Säcke als Symbol für die Steuerlast der BurgenländerInnen wurden an Landeshauptmann Hans Niessl übergeben, damit dieser in der ExpertInnengruppe der Regierung Druck macht. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015415 Auch in den Betrieben wurde fleißig gesammelt. Allein in Niederösterreich kamen 165.000 Unterschriften für die Senkung der Lohnsteuer zusammen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1418658015420 Mehr als 130.000 Unterschriften kamen allein in Tirol und Vorarlberg zusammen. In den Tiroler Bezirken hat der ÖGB bei Straßen- und Betriebsaktionen noch einmal mehr als 1.000 bekommen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494360094 Standpunkt | Unsolidarisches Geldverstecken Vermögensschutz gegen Gläubiger und Ex-Frauen“: Damit wirbt ein Anbieter für Offshore-Firmengründungen, auf den Reporter der Zeitung „Capital“ und des WDR bei einem Selbstversuch gestoßen sind. Sie wollten herausfinden, wie man eine Firma in einem sogenannten Steuerparadies gründet. Etwas weiter unten auf der Liste steht jener Grund, der wohl bei den meisten hinter einer solchen Firmengründung steckt: steuerliche Erwägungen. „Unglaubliche 400 Mrd. Euro verstecken die Bundesbürger vor dem Fiskus“, wird der Chef der deutschen Steuer-Gewerkschaft Thomas Eigenthaler in dem Artikel zitiert und diese Summe sogleich eingeordnet: „Das entspricht der Summe, mit der Deutschland für die europäischen Rettungsschirme EFSF und ESM haftet. Krisenstaaten könnten damit vor dem Niedergang gerettet werden. Die Summe ist um ein Drittel größer als der gesamte Bundeshaushalt 2013.“

Entsolidarisierung
Viel ist von Entsolidarisierung der Gesellschaft die Rede. Das globale Geldverstecken von Einzelpersonen oder Firmen spielt dabei eine wichtige Rolle. Dazu muss man sich nur die eben genannte Summe vor Augen halten und diese in Verbindung mit den Debatten über Sozialabbau oder Berichte über die Situation vieler Hartz-IV-EmpfängerInnen bringen. Denn das Geld, das dem Staat dadurch entgeht, wird an vielen Stellen dringend gebraucht. Nicht nur das: Es sind vor allem jene, die tagtäglich an ihren Arbeitsplätzen ihre Leistungen erbringen, die mit ihren Lohn- und Einkommensteuern die Last der öffentlichen Finanzen tragen müssen.
Diese Ungleichverteilung der Lasten muss sich ändern, und dazu bedarf es nicht nur Anstrengungen im Kampf gegen Steueroasen – bei dem, wie unser Interviewpartner Gabriel Zucman anmerkt, Österreich eine etwas eigentümliche Rolle spielt. Es reicht auch nicht, österreichische SteuersünderInnen effektiver zu bekämpfen, so nötig auch dies ist – einige Vorschläge dazu finden Sie in diesem Heft. Dazu muss ebenfalls darüber gesprochen werden, wie Vermögende einen fairen Beitrag zu den öffentlichen Finanzen leisten können. Dies ist letztlich auch im Interesse der Wirtschaft, denn die öffentlichen Finanzen tragen nicht nur die arbeitenden Menschen, sondern auch die Firmen über die Lohnnebenkosten.
Wenn Wirtschaftstreibende nach einer Entlastung des Faktors Arbeit rufen, müssen also auch sie sich Gedanken darüber machen, woher denn nun die Mittel für die öffentlichen Dienstleistungen kommen sollen. Schließlich kommen diese genauso ihnen zugute, wie man allein daran sieht, dass Österreich immer wieder bescheinigt wird, vor allem wegen des verhältnismäßig gut gestrickten sozialen Netzes gut durch die Krise gekommen zu sein. Es ist ebenfalls viel von Entpolitisierung die Rede. Mich persönlich erstaunt das wenig, denn auch ich stelle bei mir selbst immer wieder einen großen Frust fest. Frust darüber, dass wir zwar in Österreich in einem der reichsten Länder der Welt leben, sich die politischen Debatten aber allzu sehr auf Kürzungen und Einschränkungen beschränken – statt davon, wie eine bessere Zukunft für die Menschen in unserer Gesellschaft geschaffen werden könnte. Möglich wird das aber nur, wenn die öffentliche Hand dazu die Mittel zur Verfügung hat.

Solidarität
Ist dies ein blindes Vertrauen in „Vater Staat“? Nein, ist es nicht. Es ist vielmehr die Erkenntnis, dass eine gerechtere Gesellschaft nicht über Almosen erreicht werden kann. Es ist die Erkenntnis, dass etwa über Bildung die besten Voraussetzungen für Chancengleichheit für die hier lebenden Menschen geschaffen werden können. Es ist die Erkenntnis, dass eben diese Chancengleichheit der beste Garant dafür ist, dass alle Menschen sich ihren Fähigkeiten und Möglichkeiten entsprechend entfalten können. Und es ist der Wunsch, dass all diese verschiedenen Facetten wieder mehr in den Vordergrund der politischen Debatten rücken. Ihnen wiederum wünsche ich viel Vergnügen bei der Lektüre!

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Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494359975 Die gerechtere Negativsteuer Derzeit wird in Österreich über eine Steuerreform diskutiert. Die jüngsten Daten der Lohnsteuerstatistik 2013, wonach die Bruttoeinkommen um 2,9 Prozent, die Lohnsteuereinahmen jedoch im gleichen Zeitraum um 4,8 Prozent gestiegen sind, zeigen, wie wichtig eine steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen ist. Das von ÖGB und AK vorgelegte Konzept sieht ganz bewusst eine Senkung der Lohnsteuer und eine Erhöhung der Negativsteuer vor – und keine Reduzierung der Sozialversicherungsbeiträge. Deren Senkung würde nämlich unweigerlich die finanzielle Situation der Sozialversicherung verschlechtern und in weiterer Folge zu Leistungskürzungen führen.

Erhöhung der Negativsteuer
BefürworterInnen argumentieren häufig, dass dadurch NiedrigverdienerInnen entlastet werden. Diese Personengruppe habe von einer Steuerreform nichts, da sie ja nicht lohnsteuerpflichtig ist. Das Ziel, dass auch diesen Menschen netto mehr bleibt, ist zu unterstützen. Dieses kann man jedoch auch auf einem anderen Weg erreichen: nämlich durch eine Erhöhung der Negativsteuer. Die Negativsteuer ist eine Gutschrift, die ArbeitnehmerInnen erhalten, wenn sie so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, und eine ArbeitnehmerInnenveranlagung machen. Die Gutschrift beträgt nach der derzeitigen Rechtslage zehn Prozent der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung, höchstens jedoch 110 Euro im Jahr. In der Praxis ist die Negativsteuer besonders relevant für Teilzeitbeschäftigte, Lehrlinge und FerialpraktikantInnen. Im Steuerkonzept von ÖGB und AK ist vorgesehen, dass die Negativsteuer von derzeit 110 Euro auf 450 Euro im Jahr erhöht wird. Auf diese Weise würde es gelingen, Menschen mit niedrigem Einkommen im Zuge der Steuerreform zu entlasten, ohne dass man die ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung senkt.

Rote Zahlen drohen
Die ArbeitnehmerInnen zahlen Sozialversicherungsbeiträge für die Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung (sowie die Arbeiterkammerumlage und den Wohnbauförderungsbeitrag). In der Arbeitslosenversicherung gibt es eine Ausnahmeregelung, nach der schon derzeit ArbeitnehmerInnen mit einem monatlichen Bruttoeinkommen bis zu 1.246 Euro keinen ArbeitnehmerInnenbeitrag zahlen, obwohl sie Ansprüche erwerben. Eine Reduzierung des Beitrages zur Kranken- und Pensionsversicherung würde zwangsläufig die finanzielle Situation der jeweiligen Sozialversicherungsträger verschlechtern. Konkret würde dies für den Bereich der Pensionsversicherung bedeuten, dass automatisch mehr Steuermittel zur Finanzierung der laufenden Pensionen beigesteuert werden müssten – und die Krankenversicherung, die erst seit relativ kurzer Zeit keine Verluste mehr hat, würde wieder rote Zahlen schreiben. Würde man den ArbeitnehmerInnenbeitrag zur Arbeitslosenversicherung auch für monatliche Bruttoeinkommen über 1.246 Euro senken, würde dies automatisch zu einer Reduzierung der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen führen, was jedoch gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit absolut kontraproduktiv ist.

Ansprüche
Die Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge wird derzeit im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte über eine Steuerreform diskutiert. Die Sozialversicherung unterscheidet sich aber in einem ganz grundsätzlichen Punkt von der Steuer: Aufgrund der Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen erwirbt man Ansprüche wie z. B. den Rechtsanspruch auf eine Pensionsleistung, Krankengeld, Wochengeld, die Kosten der Arztbesuche und der Medikamente (außer der Rezeptgebühr) werden von der Krankenkasse übernommen. Der Zahlung von Lohn- oder Einkommensteuer hingegen stehen keine derartigen Ansprüche gegenüber.
Bis zu einer Steuerbemessungsgrundlage von 11.000 Euro im Jahr zahlt man als ArbeitnehmerIn keine Lohnsteuer, sondern nur Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von circa 15 Prozent. Diese Belastung mag subjektiv als hoch empfunden werden, insbesondere weil man ein niedriges Einkommen hat. Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass man im Gegenzug zu den Beiträgen auch gesetzliche Ansprüche erwirbt.
Von der Forderung nach einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge geht eine indirekte Gefahr für den Sozialstaat aus. Schon jetzt fordern manche z. B. Selbstbehalte bei Arztbesuchen und/oder eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. Andere wiederum machen sich für eine sogenannte Pensionsautomatik stark, also die Koppelung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters an die steigende Lebenserwartung. Der ÖGB lehnt eine solche Automatik ab, da für die Menschen ganz wesentliche Entscheidungen, wie es das Pensionsantrittsalter oder das Leistungsniveau der gesetzlichen Pensionsversicherung sind, von der Politik und nicht von einem Computer entschieden werden sollten. In der Praxis hätte ein späteres gesetzliches Pensionsantrittsalter für viele Menschen höhere Abschläge und somit eine wesentlich geringere Pension zur Folge. Besonders jüngere Menschen wären von einer Pensionsautomatik stark betroffen, und es ist daher auch nicht erstaunlich, dass laut einer OGM-Umfrage 77 Prozent der unter 30-Jährigen diese ablehnen.

Rechtfertigung für Sozialabbau
Wenn aufgrund einer Senkung der Sozialversicherungsbeiträge weniger Geld zur Verfügung stünde, ist klar, dass die Rufe nach Selbstbehalten für Arztbesuche oder/und nach einer Pensionsautomatik lauter werden und sich der politische Druck, Leistungen der Sozialversicherung zu reduzieren, massiv erhöhen würde. Natürlich sagt niemand, der für eine Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung eintritt, dass gleichzeitig auch das österreichische System der sozialen Sicherheit reduziert werden soll. Manche mögen wirklich das Ziel verfolgen, niedrige Einkommen zu entlasten. Bei anderen, etwa der Wirtschaftskammer oder der Industriellenvereinigung, die immer für eine Reduzierung der Sozialleistungen eingetreten sind und nun auch die Senkung der ArbeitnehmerInnenbeiträge zur Sozialversicherung zum Thema machen, ist jedoch Vorsicht geboten. Es ist eher davon auszugehen, dass es diesen Menschen weniger um die Entlastung der NiedrigverdienerInnen geht, sondern vielmehr darum, mit einem neuen Thema von der aktuellen Diskussion um eine Steuerreform und eine Vermögensbesteuerung abzulenken.
Würden sie eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge erreichen, hätten sie sich mit zwei Anliegen durchgesetzt: Die finanzielle Situation der Sozialversicherungssysteme würde sich erstens verschlechtern und zweitens könnten sie viel leichter argumentieren, dass man die Sozialversicherungsleistungen kürzen oder privatisieren muss. Weiters könnten sie behaupten, dass eine Steuerreform in einem weitaus geringeren Ausmaß notwendig ist, da die ArbeitnehmerInnen durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge bereits netto entlastet wurden. Der Effekt wäre, dass eine Vermögensbesteuerung aus budgetären Gründen weniger dringend erscheinen würde. Damit hätten sie ihre Ziele erreicht: keine Diskussion über eine Vermögensbesteuerung, sehr wohl aber über die Reduktion von Sozialleistungen.

Anstieg des Konsums
Natürlich muss man bei einer Steuerreform, die eine Tarifsenkung vorsieht, auch über eine Gegenfinanzierung nachdenken. Teilweise finanziert sich eine Steuerreform von selbst, wenn man kleinere und mittlere Einkommen entlastet, da dies zu einem Anstieg des Konsums führt und dadurch wiederum Impulse für Produktion und Beschäftigung ausgelöst werden. Im ÖGB/AK-Modell ist unter anderem vorgesehen, dass durch die Besteuerung großer Vermögen, Erbschaften, Schenkungen und Stiftungen zwei Milliarden Euro gegenfinanziert werden. Dies ist vor allem deshalb gerecht, weil Österreich im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Staaten beim Anteil der vermögensbezogenen Steuern am gesamten Steueraufkommen fast Schlusslicht ist ( EU-15-Durchschnitt 5,3 Prozent, Österreich 1,3 Prozent), dafür bei arbeitsbezogenen Steuern und Abgaben jedoch im obersten Spitzenfeld der EU. 
 
Webtipp:
Weitere Infos finden Sie unter
www.lohnsteuer-runter.at/modell.php

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin dinah.djalinous-glatz@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at 

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Dinah Djalinous-Glatz, Referatsleiterin im ÖGB für Sozialversicherungspolitik Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359966 Die Senkung der Sozialabgaben ist eine Gefahr für den Sozialstaat. Deshalb fordern ÖGB und AK eine Erhöhung der Negativsteuer. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494359900 Vermögen für Sozialstaat Von ungewohnter Seite bekommt die „Lohnsteuer runter!“-Kampagne von ÖGB und AK derzeit Unterstützung: Zahlreiche konservative Wirtschaftsprofessoren, wie der Direktor des Instituts für Höhere Studien Christian Keuschnigg, sprechen sich öffentlich für eine deutliche Senkung des Steuertarifs aus. Bei Wortmeldungen von dieser Seite ist stets Skepsis angebracht, so auch in diesem Fall. Denn die Unterstützung bezieht sich lediglich auf Teil eins der gewerkschaftlichen Forderungen, jene nach einer Steuerentlastung.

Soziales, Bildung und Gesundheit
Bei Teil zwei, der Finanzierung der Steuersenkung, ist es mit den Gemeinsamkeiten schon wieder vorbei. Das konservative Konzept sieht eine massive Senkung des Steuerniveaus vor. Das soll durch umfangreiche Einsparungen bei den Staatsausgaben finanziert werden. Genau das wurde bereits in den 1980er-Jahren von der konservativen Premierministerin Großbritanniens Margaret Thatcher praktiziert: Sie senkte zunächst die Steuern und wurde dabei von einer breiten Mehrheit politisch unterstützt. Ein untragbar hohes Budgetdefizit war die Folge. Das bildete die ideale Basis für das eigentliche ideologische Anliegen Thatchers: die Zerstörung des einst vorbildlichen britischen Sozialstaates. Meist wird die Forderung nach Senkung der Staatsausgaben zur Finanzierung von steuerlichen Entlastungen mit dem hohen Volumen möglicher Einsparungen „in der Verwaltung“ verkauft. Das klingt zunächst gut.

Verwaltung ist Personal
Doch worin bestehen Verwaltungsausgaben? Primär aus Personalkosten. Diese betragen im österreichischen Staatshaushalt insgesamt 29 Milliarden Euro. Bei einer Gegenfinanzierung des 5,9 Milliarden Euro schweren „Lohnsteuer runter!“-Pakets müsste somit ein Fünftel aller Personalausgaben gekürzt werden. Bestimmt findet sich die eine oder andere Verwaltungstätigkeit, die besser organisiert werden kann. Zum Beispiel, wenn jene vier Verwaltungsebenen reformiert werden, die heute für landwirtschaftliche Förderungen zuständig sind: Europäische Union, Bund, Bundesländer und Gemeinden. Doch Einsparungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro sind damit nicht erzielbar. In der Realität bedeutet die Senkung der Personalkosten deshalb weniger LehrerInnen und KindergärtnerInnen, weniger Krankenhauspersonal und Pflegekräfte.
70 Prozent aller Staatsausgaben entfallen in Österreich auf drei Bereiche: Soziales, Gesundheit und Bildung. Sie bilden das Herz des Sozialstaates. Sie eröffnen allen Menschen den Zugang zu einer guten sozialen Versorgung und den für das Leben essenziellen Bildungsmöglichkeiten, unabhängig von sozialer Herkunft und Einkommen. Genau darauf zielt die konservative Kampagne ab: Wird die Lohnsteuersenkung durch Ausgabenkürzungen finanziert, dann bedeutet das in der Realität massive Leistungskürzungen bei Pensionen, Gesundheitsversorgung und Bildung. Die konservativen Ökonomen sprechen das auch ganz offen aus. Professor Keuschnigg forderte am 19.11.2014 in der Tageszeitung „Der Standard“ eine „Begrenzung der Sozialleistungen auf die Bedürftigen“. Das würde das Ende des österreichischen Sozialstaates und den Übergang zu einer reinen Armenfürsorge bedeuten.

Weltweit an der Spitze
Viele andere Länder finden mit einem niedrigeren Niveau des Sozialstaates das Auslangen. Doch wollen wir das Pensionsniveau Deutschlands mit seiner absehbaren Altersarmut vor allem bei Frauen? Wollen wir das Bildungssystem Großbritanniens mit seiner Klassengesellschaft von reichen Zöglingen der Eliteschulen auf der einen und einer schlecht ausgebildeten Masse an Arbeitskräften auf der anderen Seite? Wollen wir das Gesundheitssystem der USA, das Millionen Menschen von einer elementaren Versorgung ausschließt? Nein. Österreichs Sozialstaat steht weltweit an der Spitze. Er hat den Anspruch, Menschen aus allen sozialen Schichten eine gute soziale Absicherung zu garantieren. Er ist vor allem auf die Bedürfnisse jener Menschen ausgerichtet, die ihr Leben aus Arbeitseinkommen finanzieren. Damit ist er der Sozialstaat der breiten Masse der Bevölkerung. Das ist sozial und wirtschaftlich sinnvoll. Der Sozialstaat verteilt von den Gesunden zu den Kranken um, von den Kinderlosen zu den Familien, von den Erwerbstätigen zu den PensionistInnen und Arbeitslosen. Im Laufe ihres Lebens profitieren somit alle Bevölkerungsgruppen. In manchen Lebensphasen, wenn man noch jung, gesund, ohne Kinder ist und gerade zu arbeiten begonnen hat, wird man NettozahlerIn sein, die Einzahlungen ins System überwiegen die Auszahlungen. Wird man älter, bekommt Kinder, wird manchmal krank oder arbeitslos oder geht dann in Pension, so ist man NettoempfängerIn. Die gleichen sozialen Leistungen kommen gemessen am Einkommen in besonderem Ausmaß der breiten Mittelschicht und der von Armut bedrohten Bevölkerung zugute. Sie könnten sich viele Leistungen privat finanziert nicht leisten, während dies für die SpitzenverdienerInnen und Vermögende kein Problem wäre.

Wirtschaftlich an der Spitze
Die jüngste Finanzkrise hat einmal mehr bewiesen, dass jene Länder auch wirtschaftlich an der Spitze stehen, die das höchste soziale Niveau aufweisen: Die skandinavischen Länder und Österreich bilden nicht nur die Ländergruppe mit gutem Sozialstaat und relativ gerechter Verteilung des Einkommens, sondern auch mit dem höchsten wirtschaftlichen Wohlstand, hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit und niedrigerer Arbeitslosigkeit als in den Krisenländern. Sozialstaat und wirtschaftlicher Erfolg bedingen einander. Das Vertrauen in eine gute soziale Absicherung ist die Basis für Weltoffenheit und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem. Die daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolge ermöglichen wiederum die Finanzierung der sozialstaatlichen Leistungen.
In vielen Bereichen muss der Sozialstaat weiter verbessert werden. Ein besseres System von Heimhilfen und Pflegeplätzen ist notwendig, um allen Menschen eine gute Pflegeversorgung im Alter zu ermöglichen. Der Zugang zu Gesundheitsleistungen hoher Qualität muss für alle Menschen gesichert werden. Im Bildungssystem darf kein Kind zurückgelassen werden. Diese und viele andere Herausforderungen erfordern einen sparsamen Umgang mit den öffentlichen Mitteln: Der Ankauf teurer Großgeräte in Krankenhäusern muss besser koordiniert werden, die Medikamentenkosten müssen im Zaum gehalten werden, der Verwaltungsaufwand in Relation zu den Leistungen muss so klein wie möglich sein. Eine hohe Qualität des Sozialstaates und ein ausreichendes Angebot an sozialen Dienstleistungen haben eine grundlegende Voraussetzung: eine sichere finanzielle Basis. Diese ist nur mit einem hohen Niveau an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen möglich. Mit dem Steuerniveau der USA, Lettlands oder Großbritanniens ist das Niveau der sozialstaatlichen Versorgung Österreichs nicht leistbar. Wer einen guten Sozialstaat will, muss auch bereit sein, dafür zu bezahlen. Deshalb sind AK und ÖGB gegen allgemeine Steuersenkungen. Wir wollen ein insgesamt hohes Abgabenniveau, weil wir gute öffentliche Leistungen wollen.

Entlastung von Leistung
Wir fordern aber auch eine Reform des Steuersystems. Die Entlastung der Leistungseinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit soll durch eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern finanziert werden. Eine Vermögenssteuer für Millionäre, die Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und die konsequente Bekämpfung des Steuerbetruges sind untrennbarer Teil des „Lohnsteuer runter!“-Konzepts.
Sie sind notwendig, weil die Reichen und vom Schicksal Begünstigten heute zu wenig zur Finanzierung des Sozialstaates beitragen, weil große Ungleichheit zwischen der Spitze und dem Rest der Verteilung wirtschaftlichen Schaden mit sich bringt, weil die Konzentration des Reichtums bei einigen wenigen die demokratische Gesellschaft gefährdet. Niedrigere Steuern auf Arbeit und höhere auf Vermögen bilden zwei Seiten der gleichen Medaille unseres Konzepts. Auch wenn es den konservativen Professoren nicht passt.

Webtipp:
Das Konzept von AK und ÖGB für „Lohnsteuer runter!“
www.lohnsteuer-runter.at/modell.php

Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor markus.marterbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Markus Marterbauer, Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359798 Wer Einsparungen in der Verwaltung fordert, fordert in der Realität weniger Personal in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung. Diese bilden aber das Herz des Sozialstaates. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359769 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494359572 Globales Geldverstecken Mit Luxemburg-Leaks gelangten die steuerschonenden Deals der Konzerne wieder einmal in die Schlagzeilen. Neu sind vielleicht einige Details, doch das Vorgehen an sich ist schon länger bekannt. Der US-Kaffeeröster Starbucks, der sich gern mit „Global Responsibility“ schmückt, hatte – so meldete das „Handelsblatt“ im November 2012 – in Deutschland seit 2002 keine Ertragssteuern bezahlt. Auch die französischen Filialen schrieben offiziell seit Jahren Verluste. Und das, obwohl die zweitgrößte Kaffee- und Restaurantkette hinter McDonald’s insgesamt durchaus Gewinne machte und die Aktien gestiegen sind. Wie das geht? Unter anderem über Lizenzgebühren: Die Starbucks-Töchter in Deutschland und Frankreich zahlen an die Europa-Zentrale in den Niederlanden eine Lizenzgebühr (sechs Prozent des Umsatzes). Nach niederländischem Recht können Lizenzgebühren ohne Besteuerung in Drittländer überwiesen werden, wo sie nicht oder nur gering belastet werden. So weit nur eine der zahlreichen Möglichkeiten zur Steueroptimierung in großem Stil. Die meisten dieser Modelle sind komplizierter und können nur von Fachleuten nachvollzogen werden.

Double Irish with a Dutch Sandwich
2012 verzeichnete die Bilanz von Pfizer, des größten Pharmakonzerns der Welt, einen Umsatz von 45 Milliarden Euro und einen Gewinn von neun Milliarden. Die österreichische Tochter erzielte 2011 einen Gewinn von vier Millionen Euro (Umsatz 226 Millionen).
Der Gewinnanteil weltweit war also mehr als zehnmal höher als in Österreich. Für diesen (bescheidenen) Gewinn zahlte Pfizer Österreich 121.000 Euro Steuer, das sind drei Prozent! Der offizielle Steuersatz: 25 Prozent. „Wie kommt Pfizer zu einem derart niedrigen Steuersatz? Bei der konkreten Antwort müssen wir wieder passen“, schreiben Klaus Werner-Lobo und Hans Weiss im neuen „Schwarzbuch Markenfirmen“. Dort finden sich zahlreiche Beispiele, wie Konzerne Steuern sparen und Bilanzen verschönern – in der Regel tatsächlich ganz legal. So gibt es etwa die Methode „Double Irish With a Dutch Sandwich“. Dabei werden Umsätze und damit Gewinne zwischen zwei irischen und einer niederländischen Tochterfirma auf ganz legale Art und Weise so verschoben, dass das Finanzamt am Ende durch die Finger schaut.

Tricks des „Grünen Riesen“
Auch das vom Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen Mitte des 19. Jahrhunderts als Genossenschaft gegründete Traditionsunternehmen Raiffeisen liegt diesbezüglich voll im Trend. Der „grüne Riese“ ist als typischer Mischkonzern in unzähligen Geschäftsbereichen aktiv. Die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien beispielsweise ist indirekter Haupteigentümer der NÖM. Zum Raiffeisen-Reich gehören außerdem die größte österreichische Versicherung UNIQA, mehrere Reisebüroketten, die Salinen AG, Immobilienfirmen, Wellnesshotels etc. Dazu kommen noch zahlreiche Unternehmensbeteiligungen, auch im Medienbereich. „Die Auflistung aller Besitztümer und Beteiligungen würde ein ganzes Buch füllen“, so Hans Weiss im „Schwarzbuch Landwirtschaft“.
Allein die konsolidierte Bilanzsumme der Raiffeisen-Bankengruppe Österreich beträgt 292 Milliarden Euro (2012). Damit ist sie die größte Bankengruppe Österreichs. Weiss kritisiert nicht nur, dass die Raiffeisen-Zentralbank entgegen allen Beteuerungen 2009 eine staatliche Unterstützung von 1,75 Milliarden Euro in Anspruch nahm – mehr als jede andere Bank –, sondern sogar Negativsteuern kassierte. „Unangefochtener österreichischer Meister in dieser Disziplin ist die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die es zusammengerechnet in den Jahren 2006 bis 2008 schaffte, bei einem Gewinn von 739 Millionen Euro nicht nur keinen einzigen Euro Steuer zu zahlen, sondern vom Staat auch noch eine Gutschrift in der Höhe von 21,6 Mio. Euro einzuheimsen. Aber auch die Raiffeisenlandesbanken Steiermark, Oberösterreich, Tirol sowie die Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien verbuchten in manchen Jahren – bei satten Gewinnen – derartige Zuschüsse vom Finanzamt.“
2005 wurde mit der zweiten Etappe der Steuerreform unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser die Konzernbesteuerung modernisiert: Die so entstandene Gruppenbesteuerung ermöglicht den (grenzüberschreitenden) Ausgleich von Gewinnen und Verlusten innerhalb einer Unternehmensgruppe und wurde in Wirtschaftskreisen als europaweit vorbildlich gelobt. Sie gilt bis heute als wichtige standortpolitische Maßnahme, die Konzernen unter anderem die Expansion nach Zentral- und Osteuropa ermöglichte und Österreich als Headquarter attraktiv machte. Ursprünglich geplant war, dass die Verluste ausländischer Töchter nur so lange in Österreich geltend gemacht werden können, bis die Osttöchter profitabel sind. Später müssten die Gewinne nachversteuert werden. Tatsächlich wird es von internationalen Konzernen so gehandhabt, dass die Gewinne von Tochterfirmen in Ländern mit hohen Steuern möglichst klein geschrieben werden, während die Gewinne in Ländern mit niedrigen Steuern aufgebläht werden.

Problematische Gruppenbesteuerung
Im Sommer 2013 kritisierte der Rechnungshof, dass dem Staat durch die Gruppenbesteuerung jährlich 450 Millionen Euro an Einnahmen aus der Körperschaftssteuer entgingen und eine Evaluierung der Effekte der Gruppenbesteuerung erforderlich wäre. Etwa eine Billion Euro gehen in der EU Jahr für Jahr durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung verloren.
Ende 2012 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung. Darin wurde unter anderem ein europäisches TIN-Portal (TIN: Taxpayer Identification Number) für Steueridentifikationsnummern vorgestellt, das mehr Transparenz ermöglichen soll. Die Kommission setzt auf internationale Zusammenarbeit und richtete entsprechende Empfehlungen für den Kampf gegen aggressive Steuerplanung (Ausnützen von Steuerschlupflöchern oder von Unstimmigkeiten zwischen mehreren Steuersystemen) an die Mitgliedsstaaten.

Steuersenkungswettbewerb
Würden die im „Schwarzbuch Markenfirmen“ aufgelisteten 50 Konzerne den in Deutschland er-wirtschafteten Gewinn auch entsprechend versteuern, dann müssten sie das Sechsfache des Bisherigen bezahlen – mehr als sieben Milliarden Euro! Angesichts von Wirtschaftskrise und (drohenden) Absiedlungen in Billiglohnländer waren viele Staaten bemüht, für Unternehmen möglichst angenehme Bedingungen zu schaffen.
Auf diese Weise entstand ein intensiver Steuersenkungswettlauf, der im Prinzip nicht viel geändert hat. Denn trotzdem gilt nach wie vor: „Die Konzerne wissen genau, dass sie am längeren Ast sitzen und Regierungen sich nicht trauen, die Steuerschraube anzuziehen. Es genügt die Drohung, Betriebe und damit Arbeitsplätze aus Deutschland oder jedem beliebigen Land abzusiedeln“, bringen es Werner-Lobo und Weiss auf den Punkt.

Regulierung
Hier kann nur internationale Koordination zur Regulierung der Finanzmärkte und Steueroasen, die über den EU-Raum hinausgeht, wirklich Abhilfe schaffen.
In „Wo der Wohlstand der Nationen versteckt wird“ plädiert der französische Ökonom Gabriel Zucman etwa für eine globale Besteuerung mit Sanktionsmöglichkeiten und einem weltweiten Finanzkataster unter Leitung des IWF. Angesichts der Tatsache, dass etwa die OECD schon 1998 Maßnahmen gegen den schädlichen und verzerrenden Effekt des internationalen Steuerwettbewerbs erarbeitet hat, sollte man sich diesbezüglich allerdings mit Geduld wappnen.

Webtipp:
Weitere Infos finden Sie unter: markenfirmen.com

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin a.fadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359564 Nur mit internationaler Koordination, die über den EU-Raum hinausgeht, kann man gegen die Steuertricks großer Konzerne wirklich angehen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359539 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Mon, 15 Dec 2014 00:00:00 +0100 1414494359448 Kern der europäischen Krise Zur Person: Gabriel Zucman
Er ist 1986 in Paris geboren und studierte Wirtschaftswissenschaften an der École normale supérieure de Cachan. 2012 promovierte er an der École d’Économie de Paris bei Thomas Piketty. Schon in seiner Dissertation beschäftigte er sich mit der Verteilung des Reichtums in der Welt. 2013 erschien Zucmans Buch über Steueroasen auf Französisch. Darin liefert er erstmals nachvollziehbare Schätzungen darüber, wie viel Geld sich in Steueroasen befindet. Die deutsche Übersetzung kam im Sommer 2014 bei Suhrkamp heraus. Zucman ist Assistenzprofessor an der London School of Economics.


 

Arbeit&Wirtschaft: Was glauben Sie – wie ist es um das Wissen über Steueroasen in der Bevölkerung bestellt?

Gabriel Zucman: Wir wissen heute viel mehr als noch vor 15 Jahren. Es wurde sehr wichtige Arbeit von Journalisten und NGOs geleistet, die unser Verständnis von Steueroasen deutlich verbessert hat.

Wieso forschen Sie seit fünf Jahren zum Thema Steueroasen? 

Dafür gibt es zwei Gründe. Ein Ausgangspunkt war die Finanzkrise. Ich wollte wissen, was da vor sich geht, und habe begonnen, internationale makroökonomische Daten zu untersuchen, zum Beispiel über grenzüberschreitende Kredite, Depots etc. Diese Daten zeigen, dass Milliarden von Dollars in Offshore-Finanzzentren wie die Cayman Islands oder die Schweiz transferiert werden. Ich wollte verstehen, was dabei legal, was illegal ist und welche Konsequenzen diese Cashflows haben. Der zweite Ausgangspunkt ist mein Interesse an der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen und dessen Messung. In der Regel messen wir Einkommen und Vermögen anhand von Steuerdaten. Doch es muss uns bewusst sein, dass diese Daten unvollständig sind, weil die Summen fehlen, die in den Steuererklärungen nicht deklariert werden. Mir ging es also darum, unsere Messmethoden von Einkommen und Vermögen zu verbessern und zu vervollständigen und zu untersuchen, wie diese Erkenntnisse unseren Blick auf Ungleichheit verändern.

Welche Ergebnisse Ihrer Untersuchungen haben Sie am meisten überrascht?

Dass die Offshore-Vermögen immer noch sehr dynamisch ansteigen. Obwohl es bereits Fortschritte im Hinblick auf die Lockerung des Bankgeheimnisses gegeben hat, fällt auf, dass das Geschäft der Vermögensverwaltung bei den Schweizer Banken extrem gut läuft und andere Steueroasen sogar noch mehr florieren. Ich war außerdem überrascht, dass es dasselbe Phänomen bei internationalen Unternehmen gibt, die immer größere Teile ihrer Profite in Länder mit niedrigen Steuern verlagern wie nach Bermuda, Irland oder auf die Cayman Islands – und die Zeichen deuten darauf hin, dass es so weitergeht.

Die ungleiche Verteilung von Vermögen ist das Thema unserer Zeit. Zugleich gibt es eine globale Steuerflucht. Wie eng sind die beiden Themen miteinander verknüpft?

Ich weiß es nicht. Es liegen uns kaum Daten darüber vor, wer Steuern hinterzieht und warum. Ich versuche derzeit, mehr darüber herauszufinden. Was klar ist: Steuerflucht ist ein wichtiger Bestandteil der steigenden Ungleichheit. Die Steuern, die multinationale Konzerne zahlen, sind – auf einem globalen Level – stark zurückgegangen, was vor allem den Aktionären zugute kommt. Der Rückgang der Kapitalsteuern und besonders der Einkommensteuern, die Firmen bezahlen, fördert die Ungleichheit auf kraftvolle Art. Wenn es keine Kapitalsteuern mehr gibt, weil die Regierungen Angst davor haben, dass die Unternehmen ihr Geld auf die Bermudas überweisen, könnte das einen dramatischen Effekt auf die Ungleichverteilung von Vermögen haben.

Ihre Arbeit zeigt starke Anknüpfungspunkte an die Thesen, die Thomas Piketty vertritt. Wie stehen Sie zu seiner Arbeit?

Thomas Piketty hat in Paris meine Doktorarbeit betreut und wir arbeiten sehr viel zusammen. Ich war durch seine Arbeit inspiriert und fühle mich als Teil der Bewegung, die über die Ursachen der Ungleichheit nachdenkt – und darüber, welche Art von Institutionen und demokratischen Mitteln wir brauchen, um darauf zu reagieren. Ich frage mich, wie Steuersysteme des 21. Jahrhunderts gestaltet sein sollten oder wie wir multinationale Unternehmen besteuern können.

Sie geben in Ihrem Buch konkrete Empfehlungen, um die Verluste, die weltweit durch Steuerhinterziehung entstehen, in den Griff zu bekommen. Wie sind Sie zu Ihren drei Vorschlägen gekommen?

Eine der Hauptideen in meinem Buch ist, Steueroasen durch Sanktionen zu bekämpfen. Diese Idee war zuvor in der Debatte nicht wirklich präsent, denn die Politiker waren bisher eher der Ansicht, dass es reicht, die Steueroasen freundlich um Kooperation zu bitten. Doch das ist aus meiner Sicht ein naiver Ansatz. Die wirtschaftliche Perspektive auf dieses Problem zeigt, dass Länder nicht auf solche Aufforderungen und Anreize reagieren, solange es sehr profitabel ist, Menschen und Unternehmen zur Steuerhinterziehung zu ermutigen. Nur wenn dieses Verhalten für die Steueroasen sehr unprofitabel wird, werden sie damit aufhören. Das heißt, die Strafen müssen den Kosten, welche Steuerhinterziehung verursacht, proportional entsprechen. Diese ökonomische Sichtweise hat bisher gefehlt. Es gab zwar zum Thema Steuerhinterziehung viele sehr gute Untersuchungen, aber sie kamen vor allem von Journalisten, NGOs und Politikwissenschaftern.

Welche Reaktionen hat Ihr Buch bisher ausgelöst?

Einen großen Fortschritt hat es bereits beim automatischen Informationsaustausch zwischen den Staaten gegeben – hier passieren derzeit substanzielle Veränderungen. Vor fünf oder sechs Jahren hielten die Politiker den automatischen Datenaustausch auf globaler Ebene noch für völlig utopisch – heute entwickelt er sich zum Standard. Weit weniger hat sich bei der Entwicklung eines weltweiten Wertpapierregisters getan. Die Idee ist, dass dort namentlich verzeichnet wird, wer welche Aktien und Anleihen besitzt. Das braucht noch ein bisschen Zeit, aber das Bewusstsein wächst, dass ein solches Register für Transparenz sorgt. Und der dritte Punkt, die Idee der Sanktionen, gewinnt gerade an Popularität. Die USA etwa haben konkrete Strafen für Banken eingeführt, die den automatischen Informationstransfer mit dem Finanzamt verweigern.

Sie haben erstmals Zahlen publiziert, die eine Idee davon geben, wie viel Geld den Staaten durch Steueroasen entgeht. Wie reagierte die Öffentlichkeit darauf?

Die Öffentlichkeit zeigt weltweit Interesse, denn es gab bisher wenig zuverlässiges Zahlenmaterial. Aber es gibt nach wie vor sehr viele Unsicherheiten, denn die Wirtschaftswissenschafter haben sich bisher nicht viel mit diesem Thema befasst. Insofern ist mit meiner Forschung jetzt einmal ein erster und vorbereitender Schritt passiert. Ich hoffe, dass diese Basis zu mehr Forschung in diesem Gebiet führen wird.

Glauben Sie, dass große soziale Probleme aufkommen könnten, wenn wir die Reichen nicht davon abhalten, noch reicher zu werden, unter anderem indem sie Steuerflucht betreiben?

Ungleichheit in einem gewissen Ausmaß ist sicher gut, denn sie motiviert zum Beispiel dazu, hart zu arbeiten oder zu sparen. Aber es kann zu viel Ungleichheit geben, wobei niemand weiß, an welchem Punkt es zu viel wird. Wenn aber der weltweite Trend in Richtung ungleiche Verteilung von Vermögen weitergeht, insbesondere in den USA und den angelsächsischen Ländern, werden wir diesen Punkt in naher Zukunft erreichen. Für den Fall, dass die Ungleichheit zu extrem wird, müssen wir schon jetzt überlegen, mit welchen Maßnahmen wir wieder die Kontrolle darüber gewinnen können.

An Ihren Handlungsempfehlungen fällt auf, dass Sie vor allem an Maßnahmen auf globaler Ebene denken. Glauben Sie nicht, dass individuelle Strafen für Steuerhinterzieher wichtig wären?

Ich halte alle Ebenen für wichtig: Es muss Strafen sowohl für einzelne Steuerhinterzieher geben als auch für Firmen, die Steuerhinterziehung unterstützen, sowie für Länder, die dasselbe tun. Besonders wichtig finde ich es, dass niemand eine Sonderbehandlung bekommt. Das Recht muss bei allen angewandt werden, ohne Ausnahmen.

Die Beispiele von Prominenten, die des Steuerbetrugs verdächtigt werden, zeigen, wie viel Zeit, Geld und Manpower nötig ist, um die komplexen Konstrukte von Briefkastenfirmen, Stiftungen und Co. zu entwirren.

Das Schlüsselproblem dahinter ist die fehlende Transparenz bei Finanzvermögen. Für Grundstücke und Immobilien gibt es Register, wenn sie auch nicht lückenlos sein mögen. Bei Finanzvermögen gibt es hier ein Informationsdefizit: Es fehlt ein weltweites Finanzkataster, auch weil es in vielen Ländern keine Vermögenssteuern gibt. Vermögenssteuern zwingen dazu, Informationen über Finanzvermögen zu sammeln.

Ihr Buch ist auffallend einfach zu lesen. War es Ihre Intention, dass das Thema von möglichst vielen Menschen verstanden wird?

Ja, das war mir sehr wichtig. Das Buch richtet sich an ein breites Publikum, und ich habe mich wahnsinnig bemüht, sehr klar und verständlich zu schreiben. Es freut mich, dass mir das offenbar gelungen ist. Die Informationen und Daten sollen den Bürgern dazu dienen, einen demokratischen Prozess in Gang zu setzen. Sie haben damit Argumente in der Hand, um die Politik zu Veränderungen auf diesem Gebiet zu bewegen.

Sie schreiben, die bisherigen Maßnahmen gegen Steuerbetrug hätten kaum Wirkung gezeigt. Warum ist das so? Müssen wir den Regierungen unterstellen, dass sie eigentlich gar nichts dagegen unternehmen wollen?

Über einen langen Zeitraum war der politische Wille tatsächlich zu gering. Es herrschte die Einstellung, gegen Steuerbetrug könne man ohnehin nichts unternehmen. Doch jetzt gibt es Fortschritte seitens vieler Regierungen. Natürlich braucht es noch mehr davon. Es geht jetzt vor allem darum, das Problem genau zu erklären, und es braucht Druck seitens der Zivilbevölkerung.

Brauchen wir mehr politische Bekenntnisse gegen Steuerbetrug?

Was wir brauchen, sind Politiker mit dem Willen, Sanktionen und Strafen gegen Länder zu verhängen, die nicht kooperieren. Wir brauchen starke politische Führer, die bereit sind, dem Anreizsystem der Steueroasen etwas entgegenzusetzen.

Warum existiert ein weltweites Wertpapierregister, wie Sie es vorschlagen, nicht längst?

Es muss intensiv darüber diskutiert werden, wie ein solches Register konkret funktioniert. Natürlich kostet das auch etwas, nur dürfen die Kosten nicht übertrieben hoch sein. Es geht auch um Fragen der Datensicherheit, damit es hier keinen Missbrauch gibt. Da ist noch sehr viel zu tun. Aber schlussendlich muss es ein solches Register geben.

Selbst wenn all Ihre Vorschläge realisiert werden würden: Würden einige es sich nicht wieder richten und neue Wege finden, um ihrer Steuerschuld zu entkommen?

Nein, das glaube ich nicht. Wir sind dem Steuerbetrug nicht schicksalhaft ausgeliefert. Es gibt Wege, damit fertig zu werden. Natürlich müssen die Instrumente und Steuerinstitutionen laufend neu erfunden und dann konstant immer wieder angepasst werden – wenn zum Beispiel neue Anlageformen wie etwa Bitcoins entstehen.

Die Maßnahmen und Sanktionen, die Sie vorschlagen, sind ziemlich hart. Geht es wirklich nur auf diese Tour? Oder haben Sie auch andere Möglichkeiten in Betracht gezogen und überprüft?

Natürlich gibt es verschiedene andere Möglichkeiten, zum Beispiel Strafzahlungen für Banken. Ich versuche in meinem Buch, sehr konkrete Vorschläge zu machen. Was wichtig ist, ist ein Prinzip: Die Strafen müssen den Steueroasen teurer kommen, als sie durch die Steuerhinterziehung gewinnen.

Wie wichtig ist es, ständig an diesem Thema dranzubleiben und die Daten aktuell zu halten?

Das ist sehr wichtig. Ich versuche laufend, meine Schätzungen zu aktualisieren, denn, wie gesagt, das Offshore-Vermögen steigt nach wie vor sehr rasch an. Ich stelle regelmäßig neue Daten auf meine Website (gabriel-zucman.eu) und schreibe immer wieder neue Aufsätze. Im September 2015 wird mein Buch in aktualisierter und erweiterter Auflage auf Englisch erscheinen. Die Welt ändert sich ständig, und es ist sehr wichtig, am Ball zu bleiben, aktuelle Entwicklungen zu verfolgen und immer die neuesten Daten einzubeziehen.

Würden Sie Österreich als Steuerparadies bezeichnen?

Bis vor Kurzem wehrte sich Österreich gegen den automatischen Informationsaustausch innerhalb der EU. Von diesem Standpunkt aus gesehen, hat Österreich die Steuerflucht bis dahin ermöglicht und wurde zu Recht auf der Liste der Steuerparadiese geführt. Nun hat es seinen Widerstand aufgegeben.

Sind Sie in dieser Einschätzung nicht sehr milde, immerhin ist Österreich das einzige EU-Land, das seine Teilnahme am automatischen Informationsaustausch auf OECD-Ebene auf 2018 verschoben hat?

Es gibt dennoch positive Entwicklungen. Vor allem aber waren in Österreich nie große Summen an ausländischem Vermögen geparkt. Die Beträge sind vergleichsweise bescheiden, laut Oesterreichischer Nationalbank sind es 30 Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Luxemburg sind es zehnmal so viel, in der Schweiz 60-mal so viel. Österreich war also nie ein bedeutender Finanzplatz. Von daher ist es eigentlich nicht nachvollziehbar, warum man so lange weiterhin am Bankgeheimnis festgehalten hat und sich über Jahre hinweg aufseiten Luxemburgs so engagiert hat, um das Bankgeheimnis aufrechtzuerhalten oder den automatischen Informationsaustausch und die EU-Sparrichtlinie zu verzögern.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at

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Das Interview führte Alexandra Rotter für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 10/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359407 Die Beispiele von Prominenten, die des Steuerbetrugs verdächtigt werden oder deshalb bereits verurteilt wurden, zeigen, wie viel Zeit, Geld und Manpower nötig ist, um die komplexen Konstrukte von Briefkastenfirmen, Stiftungen und Co. zu entwirren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359418 Gabriel Zucman ist Assistenzprofessor an der London School of Economics. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494359426 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494326763 Norbert Kutalek (1933-2014) Norbert Kutalek war Leiter der Sozialakademie von 1986 bis 1993. In diesen Jahren legte er den Grundstein für einige pädagogische Neuerungen in der Sozialakademie, die heute noch nachwirken.

Als Kutalek die Leitung der Akademie übernahm, verfügte er über viele Erfahrungen in der politischen Erwachsenenbildung. Nach seinem Studium arbeitete er zunächst beim Verband Wiener Volksbildung. Er promovierte 1961 und war von 1966 bis 1986 Professor für Pädagogische Soziologie und Politische Bildung an der Pädagogischen Akademie. 1985 erhielt Kutalek von der AK den Auftrag, ein neues pädagogisches Konzept für die Sozialakademie zu entwickeln. Dabei sollten die Themen Mitbestimmung, Humanisierung der Arbeit und soziale Kompetenz besondere Berücksichtigung finden.

Norbert Kutalek gilt als Mitbegründer und Vertreter einer neomarxistisch orientierten, kritischen Erziehungs- und Bildungswissenschaft in Österreich. Für ihn war Bildungspolitik immer der Hebel, um die Veränderung wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse voranzutreiben. Sein Motto dabei lautete immer „Fördern statt Auslesen“. Integratives Lernen war eine Antwort auf neue gesellschaftliche Herausforderungen. In der Sozialakademie reformierte er die bestehende Prüfungssystematik und führte eine fächerübergreifende Projektarbeit, die in Teamarbeit durchgeführt wird, ein.
Die Analysen Kutaleks im Bereich der emanzipatorischen Bildung haben großteils heute noch ihre Richtigkeit und Aktualität, auch in der gewerkschaftlichen Bildung.

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Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494326735 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494326309 Die schwarze Katze  „Guten Morgen, Frau Mathes!“ Sabrina Lahodinski blieb auf dem Weg zum Büro am Fenster der Hausmeisterin stehen.
„Morgen.“ Frau Mathes seufzte schwer. „Frau Lahodinski, Sie sind doch Detektivin, könnten Sie meine Katze wiederfinden? Die Molly geht abends immer durch die Höfe, aber vor drei Tagen ist sie nicht zurückgekehrt.“
„Ich halte meine Augen offen, Frau Mathes“, versprach Sabrina. „Und jetzt muss ich zu meinem neuen Klienten.“
„Viel Erfolg!“ Frau Mathes winkte grüßend. Vor Sabrinas Bürotür trat ein junger Mann in Jeans nervös von einem Bein aufs andere. „Frau Lahodinski?“
„Die bin ich, ja. Sie sind Norman Steirer?“
Der junge Mann nickte. „Glauben Sie, dass Sie mir – dass Sie uns helfen können?“
„Ich werde mein Bestes geben, Herr Steirer. Kommen Sie.“
Sie schloss die Tür auf und bot Herrn Steirer einen Platz und etwas zu trinken an.

„Erzählen Sie, bitte, um was es geht“, bat Sabrina, stellte eine Teekanne und zwei Tassen bereit und rückte die Schale mit Keksen zurecht.
„Es geht um meinen Freund – Kollegen Julian. Er ist weg.“
So wie Frau Mathes’ Katze. Was war da heute los?!
„Seit wann?“ Sabrina goss den nach Zimt duftenden Tee ein.
„Er kam gestern nicht nach Hause. Es gab in der letzten Zeit Veränderungen an seinem – an unserem Arbeitsplatz. Eine neue Geschäftsführung, Mitspracherechte wurden beschnitten, die Entscheidungsprozesse zentralisiert. Wir waren das anders gewohnt.“
Sabrina machte sich Notizen, ließ sich die Namen geben.
„Julian hat darunter sehr gelitten, er wurde als Einziger häufig kritisiert. Dazu kommt …“ Norman Steirer griff nach seiner Tasse. Seine Hand zitterte, als er sie zum Mund führte. „Julian und ich haben ein Verhältnis. Wir wollten es an der Arbeit geheim halten. Aber ein Kollege hat kürzlich mitgehört, wie wir uns unterhalten haben. Über – egal, es war klar, dass wir zusammen sind und zusammen wohnen. Darüber wurde hinter seinem Rücken getuschelt. Dann wurde Julian über Sitzungen nicht informiert, Informationen, die er brauchte, wurden ihm vorenthalten.“

„Mobbing?“, fragte Sabrina.
„Vermutlich. Ich habe nicht solche Anwürfe zu hören bekommen. Wenn jemand dumme Scherze macht, verbitte ich mir das ausdrücklich. Julian hat gehofft, wenn er es ignoriert, wird es besser. Es wurde aber nur schlimmer. Er könnte sich etwas angetan haben.“
„Ist er irgendwo hin gefahren? Um sich zu erholen?“
„Julian? Nein, er kennt kaum Leute.“
„Was ist mit Familie?“
„Zu seinem Vater in Amerika hat er fast keinen Kontakt, auch die Mutter sieht er selten. Bei den beiden habe ich als Erstes gefragt.“

„Ich werde alles tun, um Ihren Freund zu finden. Haben Sie ein Bild von ihm?“
„Natürlich.“ Norman Steirer gab ihr eine abgegriffene Farb-Fotografie.
„Haben Sie eine Vermisstenanzeige gemacht?“
„Nach weniger als einem Tag? Die haben mich nicht ernst genommen. Es heißt, wenn es keinen Hinweis auf ein Verbrechen gibt, wird nach Volljährigen nicht gesucht.“ Gedrückt saß Norman Steirer in der Sofaecke, als ein Scharren hörbar wurde. Etwas Schwarzes schoss unter dem Sofa hervor. Frau Mathes’ schwarze Katze!

„Molly, was machst du hier?“, fragte Sabrina.
„Molly? Du heißt Molly?“ Norman Steirers Gesichtsausdruck wurde weich.
„Was für eine schöne Katze, wirklich rein schwarz.“
Die Katze sah von unten her zu ihm auf, sprang auf das Sofa, legte ihm den Kopf aufs Knie und schnurrte ihn an. Norman Steirer lächelte. Kurz darauf sprang Molly auf und schoss zur Tür –  Sabrina ging hin, um zu öffnen. Das schwarze Fellknäuel zischte hinaus. Ein Fall gelöst, zumindest einer!

Auch Norman Steirer verabschiedete sich nun, deutlich entspannter, wenngleich immer noch besorgt. Sabrina schloss fröstelnd die Tür. Sie telefonierte die Polizeistationen ab, ob etwas über Selbstmorde bekannt war – nichts. Dann die Spitäler – kein Julian Miller. Bei Julians Arbeitgeber gab sie sich als mögliche Kundin aus und bekam zu hören, er sei nicht im Büro.

Sabrina sah auf die Uhr. Zeit für eine kurze Pause bei Leon. Ihr schwuler Cousin stand in der Tür seiner Café-Bar auf dem Markt.
„Sabrina, wie schön, dich wiederzusehen!“
„Servus, Leon! Ich hab viel zu tun.“
„Ist doch gut, wenn das Geschäft läuft. Komm rein, du erfrierst mir noch.“ Leon hielt ihr die Tür auf. Drinnen saßen ein paar wenige Gäste über einem späten Frühstück. Sabrina setzte sich an die Bar. Leon hantierte an der Espresso-Maschine und stellte einen Cappuccino vor sie hin.
„Ich brauche deine Unterstützung.“ Sie nahm einen Schluck Kaffee und spürte, wie ihre Gehirnzellen auf Trab kamen. Dann erzählte sie ihm von ihrem Auftrag, ohne Namen zu nennen. Leon behandelte alles vertraulich, das wusste sie. „Ich weiß, du hast dich nie versteckt“, sagte sie , „aber wie würde jemand deiner Erfahrung nach reagieren, wenn er wegen seines Schwulseins gemobbt wird?“
„Hat er sich an eine Beratungseinrichtung gewandt?“ Leon griff zu einem Telefonbuch unter dem Tresen und zeigte ihr drei Namen. „Viel Glück. Übrigens, kannst du meinen Ex-Freund wiederfinden, Sabrina?“
„Was habt ihr alle? So viele Mittel zur Kommunikation, und ihr schafft es trotzdem nicht, Kontakt zu halten!“
„Och …“
„Aber Ex-Freund ist ein gutes Stichwort.“

Sie warf Leon ein paar Münzen auf die Theke und verabschiedete sich schnell.
Im Büro wählte sie Norman Steirers Nummer und fragte nach Ex-Freunden. „Wissen Sie Namen?“
„Natürlich.“ Pause. „Es gibt eigentlich nur einen. Paul Schmidtschläger war mit ihm in einer Theatergruppe. Er war mir nie sympathisch, auch ohne dass er mein Vorgänger war.“
„Wo finde ich ihn?“
„Er ging früher gern ins Café Rose. Das ist ein, ähm, Schwulen-Treffpunkt.“ Ein Seufzen drang durch die Leitung. „Halten Sie die Lage für dermaßen aussichtslos?“
„Nein, im Gegenteil. Je mehr Spuren wir nachgehen, umso erfolgversprechender.“
„Das hoffe ich.“ Sabrina ließ sich den Ex-Freund beschreiben, dann legten sie auf. Noch ein Gespräch mit Leon, ein paar Infos über das Café Rose – und Sabrina machte sich auf den Weg. Noch ein Kaffee. Warten. Ein Glas Wein. Da, das konnte er der Beschreibung nach sein. Ein schlanker junger Mann, kinnlange blonde Haare. Sabrina ging zu ihm hinüber.                                                                                                                                       

„Herr Schmidtschläger?“
„Ja.“ Irritiert sah der Blonde sie an. „Wer lässt fragen?“
„Sabrina Lahodinski, ich bin Detektivin und in einem Auftrag hier. Hätten Sie kurz Zeit?“
Schmidtschläger schob sich zögernd eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Worum geht es?“
„Kennen Sie Julian Miller?“
„Ich …“ Wieder die Haare. „… kannte ihn.“
„Er wird vermisst.“
Schmidtschläger wirkte nicht sehr überrascht.
„Haben Sie ihn gesehen? Bitte sprechen Sie.“
„Wenn Norman das erfährt, dann …“
„Norman hat mich beauftragt, weil er sich Sorgen macht. Ich behandle jede Information vertraulich. Es geht um das Wohl von Julian Miller.“

Schmidtschläger gab sich einen Ruck. „Julian war außer sich, als er gestern zu mir kam. Gestern ist das Mobbing eskaliert. Ein paar Idioten haben ihn in der Toilette überfallen. Sein direkter Vorgesetzter kam dazu und hat Julian fristlos entlassen, weil er ihn für den Schuldigen hielt. Es sagten alle anderen Zeugen genau dies aus.“ Schmidtschläger stockte, als die Kellnerin sich näherte und einen kleinen Mokka vor ihm abstellte. „Julian war unsicher, wie sein Freund zu ihm steht, da er in derselben Firma arbeitet. Er hatte sogar Angst, dass Norman mit der Attacke zu tun hat. Deshalb ist er zu mir gekommen. Er wusste nicht, wem er trauen konnte. Norman ist zudem eifersüchtig.“

„Na, dann kann ich ja Entwarnung geben. Schöne Grüße an Herrn Miller, vielleicht kann er sich jetzt bei seinem Freund melden.“
„Mache ich. Wenn Norman wirklich unschuldig ist …“
„Andernfalls hätte er sich wohl kaum an mich gewandt.“
Schmidtschläger nickte nachdenklich.
„Das Mobbing gehört weiterverfolgt und möglicherweise vors Arbeitsgericht.“
Sie verabschiedeten sich, vom Büro informierte Sabrina ihren Klienten.

Als sie sich fertig machte zum Heimgehen, schaute Florian überraschend in ihrem Büro vorbei.
„Wie geht’s dir und deinem Filmprojekt? Weißt du schon, wie du meinen Großvater darstellen wirst?“ Neugierig sah sie ihn an.
„Nicht sag, du vermisst auch jemanden.“
„Jemanden nicht, aber etwas.“ Er grinste Sabrina an. „Und zwar das Essen mit einer bestimmten Person, die mir das noch schuldig ist.“
„Na gut, dann löse ich das heute ein. Gehen wir.“

Anni Bürkl ist Journalistin, (Krimi-)Autorin und Lektorin. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Göttinnensturz“ und ist Teil einer Krimireihe rund um Teelady Berenike Roither, die Fortsetzung erscheint 2015 wieder im Gmeiner Verlag.

www.annibuerkl.at

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Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324662 "Nicht zuletzt" ... Jeden Tag neu erkämpfen Verglichen mit den Bedingungen der ungarischen Gewerkschaften unter der Orban-Regierung scheint unsere Situation paradiesisch. Doch wie gut sind unsere Mitbestimmungsrechte tatsächlich abgesichert? Haben sie mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt gehalten? Sind sie gegen massiven Widerstand durchsetzbar? Bei genauer Betrachtung ist einiges verbesserungsbedürftig, anderes muss von den Gewerkschaften immer wieder verteidigt werden. Selbstverständlich ist im heutigen neoliberalen Umfeld fast nichts.

Einschränkungen

Schauen wir nur einige Jahre zurück. „Speed kills“ war ab 2000 das Motto einer Politik, die das Begutachtungsrecht von ÖGB und AK schlicht ignorierte. Gesetzesänderungen mit Kürzungen im Sozialbereich wurden nicht sozialpartnerschaftlich verhandelt, sondern als Initiativanträge im Parlament eingebracht, und schon waren die Möglichkeiten der Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen erheblich eingeschränkt. GewerkschafterInnen, die gegen diese Politik auftraten, wurden durch Gesetzesänderungen aus einflussreichen Positionen entfernt. Die Zusammensetzung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wurde geändert, um den damaligen Hauptverbandspräsidenten und Regierungskritiker Hans Sallmutter aus dieser Position zu entfernen. Der AK wurde mit der Halbierung des Beitrags gedroht und die gesetzliche Mitgliedschaft immer wieder zum Thema gemacht. Erst durch massiven gewerkschaftlichen Widerstand, Streiks und Demonstrationen kam die Regierung zurück an den Verhandlungstisch. Ohne dieses entschlossene Auftreten wären die gewerkschaftlichen Möglichkeiten, Einfluss auf für ArbeitnehmerInnen wesentliche Gesetze zu nehmen, wohl für lange Zeit verloren gewesen.

Unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der Regierung wird auch der Ton zwischen den Kollektivvertrags-Verhandlern rauer. Sozialpolitische Fortschritte durch Verbesserung des Rahmenrechts sind immer schwieriger zu erreichen. Die Arbeitgeberseite hat sich in die Forderung nach Arbeitszeitflexibilisierung verrannt. Und das, obwohl die ArbeitnehmerInnen in Österreich noch immer alle Aufträge in der Zeit erledigt haben. Zeichen eines härter werdenden Verteilungskampfs. Der früher selbstverständliche Konsens, den ArbeitnehmerInnen einen fairen Anteil am Unternehmenserfolg zuzugestehen, ist vielfach nicht mehr gegeben. Dividenden sind wichtiger als Investitionen oder das Wohl der Beschäftigten, die die Gewinne erarbeiten. Immer öfter müssen zur Durchsetzung von Lohnerhöhungen Kampfmaßnahmen ergriffen werden. Wenn es bei der Gewinnmaximierung hilft, wird auch einmal eine andere Gewerbeberechtigung angenommen, um einen „billigeren“ Kollektivvertrag anwenden zu können. Die rechtlichen Mittel, dagegen vorzugehen, sind inzwischen unzureichend und müssen verbessert werden.

In die Trickkiste greifen

Auch das Leben der BetriebsrätInnen wird härter. Mit den Instrumenten der 1970er-Jahre im heutigen Umfeld die Belegschaft bestmöglich zu vertreten ist eine Herausforderung. Die VerfasserInnen des Arbeitsverfassungsgesetzes konnten sich Umstrukturierungen und Ausgliederungen im heutigen Ausmaß nicht vorstellen. BertriebsrätInnen müssen, unterstützt von Gewerkschaften und Arbeiterkammern, schon hart arbeiten und manchmal auch tief in die Trickkiste greifen, um die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Unternehmen durchzusetzen. Auch hier ist eine Verbesserung des rechtlichen Handwerkszeugs nötig.
„Jammern auf hohem Niveau“, sagt Karoly, unser ungarischer Kollege. Eine Herausforderung und der Auftrag, sich nicht mit Erreichtem zufriedenzugeben, sage ich. Mitbestimmung ist durch starke und aktive Gewerkschaften und Betriebsräte jeden Tag neu zu erkämpfen.

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Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324388 Frisch gebloggt
  • Arbeiten ohne Ende? Arbeiten bis zum Ende?! (Johanna Klösch)
  • Arbeitszeitverkürzung (Michael Schwendinger)
  • Fünf Thesen zur Debatte von TTIP (Pia Eberhardt)
  • Arbeiten ohne Ende? Arbeiten bis zum Ende?!

    Johanna Klösch, Arbeits- und Organisationspsychologin der Arbeiterkammer Wien, greift ein Thema auf, das viele von uns kennen: das Gefühl, aufgrund der ständigen Erreichbarkeit nicht mehr genug Zeit für Erholung zu haben.
    Umfragen zeigen, dass bereits ein Drittel der Beschäftigten auch in der Freizeit arbeitet, 14 Prozent sogar im Krankenstand. In vielen Unternehmen ist es üblich, dass man am Wochenende erreichbar sein muss oder in der Freizeit wichtige Abendveranstaltungen besucht.
    Klösch weist darauf hin, dass Menschen Erholungszeiten jedoch dringend benötigen und die individuellen gesundheitlichen Folgen, aber auch die betriebs- und volkswirtschaftlichen Kosten nicht zu unterschätzen sind. Einige Unternehmen haben die negativen Auswirkungen des „Hamsterrads“ bereits erkannt und entsprechende Maßnahmen gesetzt. Wichtig wäre jedoch eine neue Arbeitszeitkultur in allen Unternehmen.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/arbeiten-ohne-ende/

    Arbeitszeitverkürzung

    Der Ökonom Michael Schwendinger beschäftigt sich mit dem „quasi-religiös“ diskutierten Thema der Arbeitszeitverkürzung (AZV). Dabei greift er Argumente auf, die üblicherweise gegen eine AZV ins Treffen gebracht werden.
    „AZV funktioniert nicht“ – KritikerInnen argumentieren, dass die Arbeitszeitverkürzung in der Komplexität der realen Arbeitsmärkte nicht funktionieren kann, ein fixes Arbeitsvolumen könne nicht einfach problemlos umverteilt werden. Schwendinger plädiert dafür, Arbeitszeitverkürzung differenziert und unter Berücksichtigung wichtiger kritischer Fragen (bspw. des Lohnausgleichs) zu diskutieren.
    „AZV kann man sich nicht leisten“ – Erfahrungen aus Österreich bzw. Deutschland (Bsp.: Kurzarbeit) oder auch Frankreich zeigen, dass Arbeitszeitverkürzung nicht per se zu höheren Kosten führt. Zudem erkennen bereits jetzt manche Unternehmen, dass eine Arbeitszeitverkürzung Krankenstände reduzieren und die Produktivität steigern kann.
    „AZV dämpft die Nachfrage“ – hier herrscht große Uneinigkeit unter ÖkonomInnen. Schwendinger verweist in diesem Zusammenhang auf Keynes, der die Verkürzung der Arbeitszeit als wichtiges Instrument zur Erreichung von Vollbeschäftigung herausgestrichen hat.
    Schwendinger kommt zum Schluss, dass die Arbeitszeitverkürzung kein nebenwirkungsfreies Allheilmittel sei, aber unter bestimmten Voraussetzungen Beschäftigung schafft.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/arbeitszeitverkuerzung-als-instrument-der-wirtschaftspolitik/

    Fünf Thesen zur Debatte von TTIP

    Pia Eberhardt, Expertin für Konzernlobbyismus in der EU-Außenhandels- und Investitionspolitik, greift das „heiße Eisen“ des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA (TTIP) auf. Sie präsentiert fünf Thesen zur Deutung des doch überraschenden Schritts der EU-Kommission, Konsultationen zum TTIP zuzulassen. 
    Eberhardt streicht hervor, dass der gemeinsame Widerstand von zivilgesellschaftlichen Organisationen und BürgerInnen Früchte getragen hätte. Diesen konnte die Kommission – trotz ihrer „Abschottung“ – nicht länger ignorieren. Die Kritik am TTIP bezieht sich vor allem auf die geplanten Investor-Staat-Klagerechte. Konzerne könnten die Klagerechte nutzen, um vor privaten internationalen Schiedsgerichten, im Namen des Eigentumsschutzes im Investitionsrecht, Politik im Sinne des Gemeinwohls zu bekämpfen, und Entschädigungen in Milliardenhöhe kassieren.
    Laut Eberhardt besteht die Gefahr, dass die EU-Kommission die Reform von TTIP heranziehen könnte, um neue „reformierte“ Investoren-Rechte in der EU zu verankern und damit das Regime der Investitionsrechte weiterhin abzusichern.
    Der momentane Streit um das Konzern-Klagerecht könne durchaus ein „Window of Opportunity“ sein, das es in Anbetracht der Reichweite des Abkommens zu nutzen gelte. Es brauche dazu aber einen langen Atem und eine Verbreitung des Widerstandes auf beiden Seiten des Atlantiks.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/kampf-gegen-die-transnationale-verfassung-der-konzerne-fuenf-thesen-zur-debatte-um-die-investorenrechte-im-eu-usa-freihandelsabkommen

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    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324360 Voneinander lernen Dass sich ein Europapraktikum lohnt, wird niemand bestreiten. Man erhält Einblicke in neue Bereiche und sammelt Erfahrungen, die einem keiner mehr nehmen kann. Reicher an Erfahrungen und ausgestattet mit neuen Erkenntnissen kehrt man auch nach dem Europapraktikum der Sozialakademie zurück. Einen Monat lang der Gewerkschaft Unia – Sektion Zürich/Schaffhausen über die Schultern blicken zu dürfen ist für einen österreichischen Gewerkschaftssekretär daher ein ganz besonderes Erlebnis.

    Einzelbetreuung

    Die Sektion Zürich/Schaffhausen ist eine sogenannte Pilotregion, in der die Gewerkschaftsarbeit in eine kollektive Mitgliederbetreuung und eine individuelle Mitgliederbetreuung geteilt wurde. Konkret bedeutet das, dass die Beratung und Betreuung des oder der Einzelnen von der restlichen gewerkschaftlichen Arbeit getrennt wird. Die Umstellung auf dieses Modell hatte zur Folge, dass mehr Potenzial für die kollektive Mitgliederbetreuung freigesetzt und die Beratung zielgerichteter und qualitativ hochwertiger geworden ist.

    Schon die ersten Wochen führten zu interessanten Erkenntnissen. So verlaufen Mitgliederwerbegespräche in der Schweiz ähnlich wie in Österreich. Thema Nummer eins: der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) – also das Schweizer Äquivalent zum Kollektivvertrag. Lauscht man den Gesprächen, stößt man aber auch auf andere Themen wie die „Vollzugskosten“, die Mitglieder über ihre Gewerkschaft zurückfordern können, oder die Paritätische Kommission, die in der Schweiz auch bei Lohnproblemen tätig wird. Der wohl auffälligste Unterschied scheint aber zu sein, dass es für die Schweizer GewerkschafterInnen im Außendienst zu ihrem Alltag gehört, mehr- und vielsprachige Gespräche mit den Menschen zu führen.

    Organizing bedeutet harte Arbeit. Die Zürcher „OrganizerInnen“ teilen sich ihre Arbeit weitgehend selbst ein, wobei abends und an Wochenenden auffällig viel gearbeitet wird. Sogenannte House Visits stellen ein effektives Mittel in der Schweizer Gewerkschaftsarbeit dar. Wie der Name schon sagt, werden ArbeitnehmerInnen in ihren eigenen vier Wänden besucht, was – wie es scheint – eine Reihe an Vorteilen mit sich bringt.

    „Die Menschen fühlen sich zu Hause wohl und es fällt ihnen leichter, offene Gespräche zu führen. Zu Hause fühlen sie sich sicher, wenn sie uns über Probleme in ihrem Betrieb berichten oder wenn sie sich rechtlich beraten lassen wollen“, erklärt ein Zürcher Gewerkschaftssekretär.

    Aufbauteam

    Mit gezielter Kampagnenarbeit für ArbeitnehmerInnen der verschiedenen Branchen beschäftigt sich in der Unia das Aufbauteam. Als sich vor den Gesamtarbeitsvertragsverhandlungen Schwierigkeiten in der Baubranche abzuzeichnen begannen, trafen sich die Mitglieder des Aufbauteams mit den BauarbeiterInnen – zum Teil in Baracken – und nutzten deren Vormittagspausen und Mittagspausen für Präsentationen und Informationsveranstaltungen. Neben der Betreuung der Vertrauensleute und der verschiedenen Branchen kümmert sich das Aufbauteam auch um die Sprachgruppen, die eine ganz besondere Gruppe innerhalb der Schweizer Gewerkschaftsbewegung darstellen. Sprachgruppen arbeiten aktiv an Weiterbildungsveranstaltungen, zu denen unter anderem Sprachkurse zählen. Portugiesisch, Albanisch und Serbokroatisch stehen dabei im Vordergrund.     

    Teil des eigenen Erlebens

    Nur wenige Wochen in einem „fremden“ Land führen zu vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen. Eindrücke und Erfahrungen enden nicht in dem Moment, in dem sie passieren. Hat man sie einmal gesammelt, ist es unmöglich, an jenen Punkt zurückzukehren, an dem sie noch nicht Teil des eigenen Erlebens waren. Man nimmt sie mit und sie verändern die eigene Sichtweise, das eigene Arbeiten und das eigene Wesen. Und das ist das Wertvolle daran, weil wir schließlich alle voneinander lernen können.

    INTERVIEW
    Zur Person - Matthias Hartwich
    Alter: 47
    Beruf: Director, Mechanical Engineering and Materials Industries
    Erlernter Beruf: Diplom-Politikwissenschafter
    Firmenstandort (Mitarbeiter): Genf (GE), knapp 50 MitarbeiterInnen
    Gewerkschaft: Unia (Unia ist eine branchenübergreifende Schweizer Gewerkschaft. Sie organisiert die Arbeitnehmenden in Industrie, Gewerbe, Bau und privatem Dienstleistungsbereich), IG BAU

    Was bedeutet Ihnen Arbeit?

    Selbstverwirklichung, mit Menschen umgehen, soziale Kontakte. Ich habe, im wahrsten Sinne des Wortes, „einen Bock auf Leute“.

    Wie sehen Sie die Wirtschaft?

    Gesellschaftliche Basis, auf der wir uns bewegen, Spielfeld für die sozialen Konflikte. „Sein bestimmt das Bewusstsein.“ (Marx) Die Wirtschaft ist die Basis für alles, gleich dem Feld, auf dem wir alles erwirtschaften, verteilen und gestalten.

    Was bedeutet Ihnen Gewerkschaft?

    Die Gewerkschaft ist nicht nur mein Arbeitgeber, die Gewerkschaft ist meine Heimat (vor allem die IG BAU) – mit einer Fülle an Kontakten und einem weltumspannenden Netzwerk. Aus meiner Sicht ist die Gewerkschaft in der Schweiz eher Ordnungsfaktor als Gegenmacht!

    Was bedeutet Ihnen die EU?

    Die EU ist der Raum, in dem wir ökonomisch und auch politisch die Regeln setzen müssen! In der Schweiz ist die EU wichtiger Partner, aber ein EU-Beitritt kein Thema.

    Ihr Lieblingsland in Europa? Warum?

    Mein Lieblingstier ist der Otter – ist schlau und fleißig. Ich halte nicht viel von „Lieblingsländern“ und dergleichen.

    Was bringt der Euro-Betriebsrat?

    Aus Gewerkschaftssicht ist der EBR eines der zentralen Themen und der Beginn einer grenzüberschreitenden ArbeitnehmerInnenmitwirkung (ich war früher als Trainer für Euro-Betriebsräte tätig). Der EBR muss sich noch entwickeln, stellt die Basis dar (siehe auch die Frage über die Wirtschaft) und soll sich über die Grenzen hinweg organisieren. Der EBR ist die einzige grenzüberschreitende ArbeitnehmerInnenvertretung mit gesetzlicher Basis!  Mein Wunsch wäre: „Enger an Gewerkschaften.“ Das Problem auch der Schweizer Firmen ist: Sie wollen Marktzugang, Personenfreizügigkeit etc. Die ArbeitnehmerInnenmitwirkung ist jedoch eher gering ausgeprägt!

    Wie und wie oft machen Sie Urlaub?

    Eher individuell, zweimal im Jahr.

    Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

    Wir müssen es schaffen, dass es keine Rolle spielt, welche Augenfarbe, Haarfarbe bzw. welches Geschlecht jemand hat. Alle ArbeitnehmerInnen sind Mitglieder einer Gewerkschaft (Stichwort: „freie“ Gewerkschaft) – weltweit (global sind circa sieben Prozent organisiert).

    Das Steuersystem in der Schweiz ist anders als in Österreich, was zeichnet es aus?

    Der Schweizer Staatsbürger bekommt sein Gehalt/seinen Lohn brutto und führt Steuern selbst ab. Das erfolgt monatlich in Form einer „Steuerrechnung“, man zahlt durchschnittlich circa 25 Prozent, das ist je nach Kanton unterschiedlich. Es gibt eine gemeinsame Veranlagung der Ehepartner. Das Steuersystem ist dreiteilig aufgebaut: Es gibt bundesweite Abgaben (überall in der Schweiz ident), Abgaben im Kanton (unterschiedlich) und Abgaben im Wohnort (unterschiedlich). Das ergibt einen maximalen Durchschnittssteuersatz von circa 30 Prozent. Der „Ausländer“ bzw. der im Ausland wie Frankreich wohnt: Abgaben werden von der Payroll komplett abgezogen und abgeführt. Man bekommt sein Gehalt bzw. seinen Lohn netto.

    Wie funktioniert die Sozialversicherung?

    Es gibt eine Versicherungspflicht bei privaten Versicherern, die personenbezogene und -abhängige Sätze verrechnen, plus unterschiedliche Selbstbehalte im Versicherungsfall.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.bramato@proge.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Martin Bramato, SOZAK-Teilnehmer des 60. Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494326325 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324334 Sozialpartner auf immer und ewig Man muss sich die Sozialpartnerschaft wie eine Ehe vorstellen: Hin und wieder wird gestritten, aber deswegen lässt man sich nicht gleich scheiden. Nur manchmal muss einer auf der Couch schlafen.“ Das traute Zusammenleben, das ÖGB-Jugendsekretär Michael Trinko hier beschreibt, dauert nunmehr über ein halbes Jahrhundert an.
    Eine gute Gelegenheit, den Bad Ischler Dialog heuer in leicht veränderter Form aufzuziehen. Wo in den vergangenen Jahren die Zukunft der EU diskutiert, die Bildungslandschaft besprochen und vor allem die Reform des Pensionssystems in die Wege geleitet wurde, sollte heuer – neben Energie- und Industriepolitik – die Sozialpartnerschaft selbst im Mittelpunkt stehen.

    Jedenfalls positiv

    Die Sozialpartnerschaft hat Zukunft und soll noch lange weiterbestehen: Die Meinung der Präsidenten von ÖGB, AK, WKÖ und LK sowie von deren JugendvertreterInnen kam wenig überraschend, wurde aber von WissenschafterInnen aus verschiedenen Sparten untermauert. „Staaten mit hoher sozialpartnerschaftlicher Intensität weisen eine überdurchschnittliche makroökonomische Performance auf“, lautet das Ergebnis einer Studie von Silvia Rocha-Akis vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO). „Unterm Strich ist die Sozialpartnerschaft auf jeden Fall positiv für das Land“, meint auch Ökonom Friedrich Schneider, Professor an der Johannes Kepler Universität Linz.

    Mehr Wachstum

    Schneider betont allerdings auch Nachteile der Sozialpartnerschaft, etwa den Rent-Seeking-Effekt: Die Interessenvertretungen würden ihren politischen Einfluss dafür verwenden, eigene Vorteile auf Kosten anderer herauszuschlagen (Schneider: „Zum Beispiel die Landwirte für sich“), was für die Allgemeinheit wiederum negative Folgen haben könne. „Rent Seeking muss aber nicht immer per se negativ sein“, gesteht Schneider zu. Insgesamt würden jedenfalls die positiven Effekte überwiegen: „Die Sozialpartnerschaft hat einen positiven Koordinierungseffekt, sie führt zu mehr Wachstum.“ Zwischen 2001 und 2011 sei die österreichische Wirtschaft um 1,25 Prozent gewachsen, davon seien 0,47 Prozent auf die Sozialpartnerschaft zurückzuführen. Schneider: „Ein Ergebnis, auf das die Sozialpartner stolz sein können.“

    Das WIFO hat die österreichische Sozialpartnerschaft im internationalen Vergleich betrachtet. Daten aus 16 westeuropäischen Ländern wurden darauf untersucht, welche Wirkung sozialpartnerschaftliche Strukturen auf Wachstum, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit und Einkommensverteilung haben. Die Länder wurden dafür in Gruppen eingeteilt: Zu den Ländern mit intensiver Sozialpartnerschaft zählen neben Österreich Belgien, Dänemark, Schweden, Norwegen und die Niederlande. Kriterien dafür: hoher Organisationsgrad bzw. Pflichtmitgliedschaft bei den Arbeitgeberverbänden, hohes Maß an Koordination der Gewerkschaften. Schwach ausgeprägt sei sie hingegen in der Schweiz, in Großbritannien, Griechenland und Italien. Nach der Krise standen die Sozialpartner-Länder deutlich besser da, vor allem auf dem Gebiet der Arbeitslosigkeit, insbesondere bei den Jugendlichen. Und: „Die Reallöhne sind in den Ländern mit ausgeprägter Sozialpartnerschaft am deutlichsten gestiegen“, sagte Rocha-Akis beim Sozialpartner-Dialog.

    Die auf politischer Ebene regelmäßig heftig kritisierte Pflichtmitgliedschaft bewertet die WIFO-Studie positiv: Da alle Bevölkerungsgruppen erfasst sind, verhandeln die beteiligten Verbände im Interesse der Allgemeinheit und nicht nur für die eigenen Mitglieder. Das sieht auch ÖGB-Präsident Erich Foglar so: „Auch wenn ich hier die einzige Organisation repräsentiere, die von freiwilligen Mitgliedsbeiträgen abhängig ist, versichere ich, dass der ÖGB ein starker Partner für die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft ist.“ Die hohe Kollektivvertragsabdeckung würde eine klare Sprache sprechen: 95 Prozent der heimischen Arbeitsverhältnisse seien über Kollektivverträge geregelt.

    Gemeinwohlorientierung

    Politikwissenschafter Emmerich Tálos von der Universität Wien betonte, dass die Sozialpartnerschaft mehr sei als nur die Summe von ArbeitnehmerInnen- und Arbeitgeber-Verbänden: Sie sei ein „tripartistisches System, ohne Regierung läuft keine Sozialpartnerschaft“. Auch wenn sich die Sozialpartnerschaft laufend verändert habe und zuletzt unter der schwarz-blau-orangen Regierung unter Druck geraten sei, müsse man der Sozialpartnerschaft den Vorzug gegenüber anderen Formen der Einflussnahme auf die Politik geben: „Sozialpartnerschaft basiert auf Konsens über verbandsübergreifende Ziele wie Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze usw. und auf Gemeinwohlorientierung – im Gegensatz zu Lobbyingverbänden.“

    Abgeschlankte Version

    Die Sozialpartnerschaft werde es weiter geben, ist Tálos überzeugt, wenn auch möglicherweise in einer „abgeschlankten Version“: Es sei davon auszugehen, dass eine Koalition von Parteien, die ein enges Naheverhältnis zu den großen Interessenvertretungen haben, in Zukunft keineswegs wie bisher die dominante Regierungsform sein würde. „Eine Regierung aus Neos, FPÖ und Grünen wäre keine förderliche Konstellation für die Sozialpartnerschaft.“
    „Nur weil eine Regierung sie nicht will, heißt das noch nicht, dass es keine Sozialpartnerschaft mehr gibt“, merkte ÖGB-Präsident Erich Foglar an. Auch zwischen 2000 und 2006 wurden sämtliche Kollektivverträge verhandelt und abgeschlossen. Sozialpartnerschaft funktioniere auf verschiedenen Ebenen. Die betriebliche Ebene sei „besonders wichtig für den sozialen Frieden im täglichen Arbeitsleben“.
    Laut Tálos seien künftig folgende Szenarien möglich: „Erstens die Reduktion der Interessenvermittlung auf punktuelle Absprachen wie Sozialpakte oder zweitens die Reduktion auf bipartite Beziehungen der traditionellen Interessenorganisationen“, also vor allem auf Kollektivvertragsverhandlungen. Die Auflösung der Sozialpartnerschaft hält Tálos für unwahrscheinlich. Ihr werde auch von der Öffentlichkeit großes Vertrauen entgegengebracht, „daran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert“. AK-Präsident Rudi Kaske sieht „eine abgeschlankte Sozialpartnerschaft nicht als das Modell der Zukunft. Ich glaube ganz fest an eine starke Sozialpartnerschaft, egal ob das 2014, 2020 oder 2040 ist.“
    „Was die Politiker und Sozialpartner im Hier und Jetzt entscheiden, muss von der heutigen Jugend umgesetzt und bezahlt werden“, meinte Herbert Rohrmair-Lewis, Vorsitzender der Jungen Wirtschaft (JW). Entsprechend müsse die Jugend in alle Entscheidungen der Sozialpartner eingebunden werden. Konkreter Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ): „Wir Jungen wollen unsere Ideen und Visionen einbringen. Deshalb fordern wir einen fixen Platz im Wirtschafts- und Sozialbeirat.“ Er sprach damit jenen Thinktank der Sozialpartner an, der auch den Bad Ischler Dialog organisiert.

    Keine Vertiefung auf EU-Ebene

    Obwohl Länder mit intensiver Sozialpartnerschaft in der Krise besser abgeschnitten hätten, sieht Tálos bisher keine Vertiefung der Sozialpartnerschaft auf EU-Ebene. Die Wahrscheinlichkeit für den Ausbau dieser Einrichtung auf europäischer Ebene sei umso geringer, je schwächer nationale Sozialpartnerschaften ausgebildet seien. „Es fehlt der Grundkonsens über gemeinsame Ziele; es fehlt an einer Balance zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen.“

    Wettbewerbsfähigkeit

    Laut WKÖ-Präsident Christoph Leitl werden die Sozialpartner in Zukunft auch auf europäischer Ebene eine maßgebliche Rolle spielen, wenn es um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Europa geht: „Das Match wird lauten: USA gegen China – und gegen Europa. Dabei können wir nur durch Qualifikation, Innovation und Geschwindigkeit punkten. Wir müssen die Sozialpartnerschaft in Europa auf eine breite Basis stellen, um hier punkten zu können.“ Und auch Erich Foglar sieht Handlungsbedarf in Brüssel: „Auf EU-Ebene fehlen noch viele Voraussetzungen gesetzlicher Art, die nötig wären, damit Sozialpartnerschaft funktionieren kann.“

    Linktipp:
    Bad Ischler Dialog 2014 der österreichischen Sozialpartner:
    www.sozialpartner.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Florian Kräftner, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324763 "Man muss sich die Sozialpartnerschaft wie eine Ehe vorstellen", beschreibt ÖGB-Jugendsekretär Trinko das österreichische Spezifikum. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324292 Ziel: Emanzipation "Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Diese zentrale Aussage des Philosophen Immanuel Kant ist nicht nur der Leitspruch der Aufklärung, sondern auch jener der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit in Österreich.

    Gewerkschaftliche Bildung fördert selbstständig denkende und eigenständig agierende BetriebsrätInnen (BR) und GewerkschafterInnen und gibt ihnen das Handwerkszeug, um die Interessen der ArbeitnehmerInnen erfolgreich vertreten zu können. Es geht dabei – anders als in manch anderen Bildungseinrichtungen – nicht darum, den TeilnehmerInnen eine bestimmte Meinung als die einzig richtige und wahre zu vermitteln. Ganz im Gegenteil, sie sollen Aussagen hinterfragen, Dingen auf den Grund gehen und sich selbst aufgrund der Faktenlage und vor dem Hintergrund des interessenpolitischen Standorts eine Meinung bilden können.

    Emanzipatorischer Ansatz

    Der emanzipatorische Ansatz gewerkschaftlicher Bildung ist geprägt durch selbst organisierte Lernphasen, die durch den Austausch mit FachexpertInnen ergänzt werden. Lebens- und Arbeitsbedingungen sind keine Naturgesetze, sondern durch Entwicklungen und Ideologien entstanden und deshalb auch jederzeit veränderbar. „Das ist so und kann nicht verändert werden“, ist einer jener Sätze, denen in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit massiv entgegengetreten wird. Sinnvolle Veränderungen sind jedoch möglich, wenn die aktuellen Verhältnisse verstanden und aufgrund von Faktenkenntnissen Schlüsse für die Zukunft gezogen werden können. Wer Dinge verändern möchte, muss Realitäten kennen/anerkennen und klare Visionen für die Zukunft entwickeln. Genau dies versucht die gewerkschaftliche Bildungsarbeit in ihren verschiedenen Angeboten mitzugeben – indem klare Fakten vermittelt werden, jedoch auch immer darauf hingewiesen wird, welche Auswirkungen diese für die Arbeits- und Lebensbedingungen von ArbeitnehmerInnen sowie andere Gruppierungen haben. Darauf aufbauend werden die TeilnehmerInnen angeregt und begleitet, sich Gedanken über die zukünftige Gestaltung einzelner Bereiche sowie der Gesellschaft insgesamt zu machen.

    Die Konfrontation mit immer mehr und immer schneller wechselnden Informationen ist eine große Herausforderung für ArbeitnehmervertreterInnen in der heutigen Zeit. Gewerkschaftliche Bildungsarbeit schult die Auszubildenden dahingehend, solche Informationen handlungsmotivierend zu verarbeiten und interessenpolitisch einordnen zu können. Damit einher geht die Politisierung von Interessen und Bedürfnissen.

    Gewerkschaftliche Bildung gibt genügend Zeit für die Vermittlung von konkreten Sachinformationen sowie für Diskussionsphasen, eigenes Ausprobieren und Experimentieren. Die aktive Mitarbeit der TeilnehmerInnen wird angeregt, Methoden, die Selbstständigkeit fördern, sind für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit somit zentral. Außerdem wird sehr stark auf den Ansatz des exemplarischen Lernens gesetzt. Das heißt, man lernt anhand eines Beispiels, von dem aus auf allgemeine Zusammenhänge geschlossen werden kann.

    Blick über den Tellerrand

    Denkverbote haben keinen Platz in gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen, vielmehr wird kreatives und alternatives Denken sowie das „Über-den-Tellerrand-Schauen“ speziell gefördert. Daher hat gewerkschaftliche Bildung den Anspruch, immer Allgemeinbildung und Zweckbildung für die soziale Auseinandersetzung zu sein. Somit ist gewerkschaftliche Bildung auch immer politische Bildung.

    Vermittelt werden gewerkschaftliche Grundwerte wie demokratische Mitbestimmung, solidarisches Handeln, Chancengleichheit, Toleranz sowie gerechte Verteilung des Wohlstands. Diese Werte sollten in allen Kursen berücksichtig werden. Das zugegebenermaßen etwas utopische Ziel ist, dass man nach einer gewerkschaftlichen Ausbildung im Idealfall ein „homo politicus“ ist, also eine Person, die nach Gerechtigkeit strebt und politisch handelt. Dadurch soll sie sich massiv vom eigennutzmaximierenden „homo oeconomicus“ unterscheiden, der das Ergebnis vieler anderer Ausbildungen darstellt.

    Werkzeug

    Bei all diesen theoretischen Bildungsidealvorstellungen, die bei der Konzeption und Durchführung gewerkschaftlicher Bildungsangebote einfließen sollten, ist es aber entscheidend, BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen ein Handwerkszeug für ihre konkreten Tätigkeiten in den Betrieben, bei Kollektivvertragsverhandlungen oder bei der Interessendurchsetzung mitzugeben. Erreicht werden soll die Stärkung der gewerkschaftlichen Handlungsfähigkeit.

    Diese spezielle Art von Bildung wird in unterschiedlichen Kursen und Lehrgängen des Verbands Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) und der Arbeiterkammern je nach Zielgruppe angeboten. Österreichweite Bildungsangebote sind die „Sozialakademie der Arbeiterkammer“ (SOZAK) und die „Gewerkschaftsschule“. Die Gewerkschaftsschule ist ein zweijähriger Abendlehrgang, der berufsbegleitend eine gewerkschaftspolitische Basisausbildung für interessierte Gewerkschaftsmitglieder und ArbeitnehmervertreterInnen bietet. Die Gewerkschaftsschule wird in ganz Österreich angeboten und hat zum Ziel, die gewerkschaftspolitische Arbeit und die praktische Betriebsarbeit zu unterstützen. Die Gewerkschaftsschule bietet eine Grundlagenausbildung in wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen sowie in Gesellschaftspolitik, Gewerkschaftskunde und sozialen Kompetenzen wie Rhetorik oder Präsentationstechnik.

    Die Sozialakademie wiederum ist seit 1949 die Spitzenausbildung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung. Aus ganz Österreich werden jedes Jahr von den Gewerkschaften und Arbeiterkammern zwischen 20 und 30 BetriebsrätInnen aus großen Unternehmen sowie GewerkschaftssekretärInnen vorgeschlagen, die diesen zehnmonatigen Vollzeitlehrgang in Wien absolvieren. Dabei erhalten die SOZAK-TeilnehmerInnen eine umfassende Bildung und Ausbildung in unterschiedlichen gewerkschafts- und gesellschaftspolitischen Bereichen. Neben arbeitsrechtlichen, volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen sowie (sozial-)politischen Kenntnissen werden an der SOZAK u. a. auch Verhandlungs- und Medienschulungen sowie Führungskräfte- und Rhetoriktrainings durchgeführt.

    Bei den SOZAK-Projektarbeiten lernen die TeilnehmerInnen nicht nur selbstständiges Recherchieren und Arbeiten zu gewerkschaftspolitisch relevanten Themen, sondern auch, zukünftige Entwicklungen abzuschätzen und betriebsrätliche und gewerkschaftliche Antworten darauf zu geben.

    Um handlungsfähig zu sein, müssen BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen in der heutigen Zeit auch länderübergreifend agieren können. Dazu nötige Fähigkeiten versucht die SOZAK den TeilnehmerInnen durch viele europäische Aktivitäten zu vermitteln. Das bietet neben der Beschäftigung mit europäischen Themen, der Erarbeitung von länderübergreifenden Projektarbeiten vor allem das SOZAK-Europapraktikum. Gegen Ende des Lehrgangs arbeiten die TeilnehmerInnen vier Wochen bei einer Gewerkschaft oder einer BR-Körperschaft anderer europäischer Staaten mit. Sie bekommen dort Einblicke in unterschiedliche gewerkschaftliche Strukturen, können sich gute europäische Netzwerke aufbauen und so ihre europäische Handlungsfähigkeit stärken (siehe auch „Wir sind Europa“ - Voneinander lernen).

    Bindung

    Was an den gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen wie etwa der Sozialakademie oder der Gewerkschaftsschule aktiv vermittelt wird und aufgrund der ReferentInnenauswahl sowie der Zusammensetzung der Gruppe aus BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen automatisch passiert, ist eine starke Bindung an den ÖGB, die Gewerkschaften sowie die Arbeiterkammer. Das kann keine Universität, keine Fachhochschule und kein College je leisten.

    Linktipp:
    Plattform der SOZAK-AbsolventInnen: www.ichwardabei.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen brigitte.daumen@akwien.at und georg.sever@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Brigitte Daumen und Georg Sever, Sozialakademie AK Wien Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324774 Denkverbote haben keinen Platz in der gewerkschaftlichen Bildung, vielmehr wird kreatives und alternatives Denken sowie das "Über-den-Tellerrand-Schauen" speziell gefördert. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324782 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324274 Umstrukturierungen: Möglichkeiten des Betriebsrats Es ist eine Situation, die vielen BetriebsrätInnen bekannt ist: Auf der Suche nach Einsparungspotenzialen kündigt das Management die Auslagerung oder Ausgliederung von Unternehmensleistungen an. Vor zwei Jahrzehnten ging es dabei vor allem um Bereiche wie Facility-Management, Fuhrpark oder Reinigung, in den letzten Jahren kam es zunehmend auch zu Auslagerungen im Angestelltenbereich. Besonders beliebt ist Outsourcing von IT, Buchhaltung und Controlling, Callcentern und Serviceleistungen. Auch die Auslagerung von Managementaufgaben an Unternehmensberater ist mittlerweile weit verbreitet. Für BetriebsrätInnen gehört die Beschäftigung mit Auslagerungen mittlerweile zur alltäglichen „Routine“.

    Jedes vierte Unternehmen

    Dem AK-Strukturwandelbarometer zufolge ist bei jedem vierten Unternehmen einmal jährlich mit Umstrukturierungsaktivitäten zu rechnen. Jede/r zehnte Betriebsrätin/Betriebsrat war im letzten Jahr mit Verlagerungen von Tätigkeiten über die Grenze konfrontiert. Fast die Hälfte der befragten ArbeitnehmerInnenvertreter steht dieser Entwicklung negativ gegenüber und sieht darin Nachteile für die Belegschaft. Denn die Folgen sind meist Einsparungen bei Löhnen und Gehältern oder die Zuordnung zu einem nachteiligeren Kollektivvertrag.

    Neben diversen Formen der Auslagerung haben auch Eigentümerwechsel, Verschmelzungen oder Akquisitionen meist gravierende Folgen für die Beschäftigten, da sie oftmals mit einem Strategiewechsel verbunden sind. Umstrukturierungen stellen somit immer große Herausforderungen für die BetriebsrätInnen dar, verbunden mit dementsprechend hoher Verantwortung. Ein Blick auf das rechtliche Instrumen-tarium zeigt, dass die gesetzlichen Mitbestimmungsmöglichkeiten relativ schwach ausgeprägt sind. Die „Mitwirkung in wirtschaftlichen Angelegenheiten“ ist im Arbeitsverfassungsgesetz auf einige wenige Paragrafen beschränkt. Eine wirkliche Parität der Mitbestimmung, also eine gleichberechtigte Teilnahme am Entscheidungsprozess in wirtschaftlichen Angelegenheiten, fehlt jedoch. Das wird von der „herrschenden Lehre“ zumeist mit Grundrechtsschranken zum Schutz der Eigentümer und Unternehmer – v. a. Eigentumsfreiheit und Erwerbsfreiheit – argumentiert. Eine Verfassungsklausel in Richtung „Sozialbindung“ des unternehmerischen Eigentums, wie sie in Deutschland besteht, fehlt in Österreich.

    Information statt Mitbestimmung

    Mehrere einschlägige Richtlinien der EU enthalten in ihren Präambeln Absichtserklärungen und „Erwägungsgründe“. Diese offenbaren recht unverblümt den primär wirtschaftlich ausgerichteten Geist der Europäischen Union, deren notwendiger Antagonist „Sozialunion“ noch in den Kinderschuhen steckt. Da heißt es zum Thema Umstrukturierungen etwa: „Die Stärkung des Dialogs und die Schaffung eines Klimas des Vertrauens sind notwendig, um … die Arbeitsorganisation flexibler zu gestalten … Durch Unterrichtung und Anhörung (sollte der Europäische BR) die Möglichkeit haben, dem Unternehmen rechtzeitig eine Stellungnahme vorzulegen, wobei dessen Anpassungsfähigkeit nicht beeinträchtigt werden darf.“(!) Fazit: Für die Europäische Union dient Mitbestimmung scheinbar nur als Feigenblatt vor einer ungehinderten „Entfesselung“ der Wirtschaft.

    Handlungsmöglichkeiten

    Die Informations- und Beratungsansprüche der BetriebsrätInnen wurden im Rahmen der ArbVG-Novelle 2010 sowie durch gemeinschaftsrechtliche Entwicklungen mittlerweile deutlich verstärkt. Seit 2011 gilt, dass die „Information zu einem Zeitpunkt, in einer Weise und in einer inhaltlichen Ausgestaltung zu erfolgen (hat), die dem Zweck angemessen sind und es dem Betriebsrat ermöglichen, die möglichen Auswirkungen der geplanten Maßnahme eingehend zu bewerten und eine Stellungnahme dazu abzugeben“. Die Gesetzgebungsmaterialien der Novelle 2010 begründen das damit, dass dadurch Klarstellungen betreffend die Rechtzeitigkeit der Information des Betriebsrates getroffen werden. Demnach soll die Novellierung die Rechte effektiver gestalten, „da nur die rechtzeitige und vollständige Information des Betriebsrats die Einbindung der Arbeitnehmer und damit sachgerechte Lösungen ermöglicht“.

    Chance für BetriebsrätInnen

    Umstrukturierungsmaßnahmen gehorchen in der Regel rein ökonomischen Aspekten und bieten für die Manager ein gut geeignetes Instrumentarium, um schnelles und entschlossenes Handeln zu zeigen. In der Bilanz ausgewiesene Kosten können rasch reduziert dargestellt und der Beschäftigtenstand optisch nach unten gedrückt werden. Nicht selten stellen sich Umstrukturierungsmaßnahmen im Nachhinein als „kurzsichtig“ und ineffizient heraus – und es wird häufig wieder „ingesourct“. Genau darin liegt nun die Chance für BetriebsrätInnen. Im Rahmen einer Stellungnahme können sie langfristige Wirkungen herausarbeiten und der in der Regel primär ökonomischen Sichtweise des Managements soziale Aspekte gegenüberstellen. Meist kennen BetriebsrätInnen die Stärken und Schwächen des Betriebes aus dem tagtäglichen Ablauf heraus sehr genau – ein Wissensvorsprung gegenüber Kapitalvertretern im Aufsichtsrat und anderen Eigentümervertretern, der bei Stellungnahmen von besonderem Wert sein kann.

    Zusätzlich benötigte Informationen sollten aufgelistet und eingefordert werden. Auf Prozessebene ist zu klären, wie die Entscheidungen getroffen und die BetriebsrätInnen dabei eingebunden wurden. Die Stellungnahme ermöglicht der Belegschaftsvertretung, ihre Vorstellungen bezüglich einer Einbeziehung in den Umstrukturierungsprozess zu artikulieren. Auf inhaltlicher Ebene sollten die Stärken und Schwächen des vorgelegten Konzepts aus der Sicht der Belegschaftsvertretung dargestellt werden. Auch wenn es nicht primäre Aufgabe der BetriebsrätInnen ist, wirtschaftliche Strategien zu entwerfen, können im Rahmen einer Stellungnahme die seitens des Managements vorgeschlagenen Strategien wirtschaftlich evaluiert werden – und es können unter Umständen sozialverträgliche Alternativen aufgezeigt werden.

    Rechtsansprüche

    Spätestens seit dieser ArbVG-Novelle ist klar, dass das Management oder die Eigentümer die BetriebsrätInnen nicht „vor vollendete Tatsachen“ stellen dürfen. Weigert sich der Betriebsinhaber, seinen Informations- und Beratungspflichten (einschließlich Diskussion der Stellungnahme des BR) nachzukommen, kann der Betriebsrat seinen Anspruch mittels Leistungsklage bei Gericht durchsetzen. Auch die Möglichkeit einer „einstweiligen Verfügung“ wird diskutiert, um Veränderungen stoppen zu können, die vor der gesetzlich gebotenen vollständigen und rechtzeitigen Information des BR erfolgen. Von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurden bestimmte Anforderungen an die Rechtzeitigkeit,  Tiefe und Genauigkeit der Informationen betont. Denn die Informations- und Beratungsrechte sind Grundlage und Ausgangspunkt fast aller anderen Mitwirkungsrechte, so der OGH in einer Grundsatzentscheidung vom 22. November 2010 („Mystery-Flyer“), in der das Höchstgericht folgende Prinzipien vertrat:

    • Der Betriebsinhaber muss den BR über alle Angelegenheiten informieren, welche die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der Arbeitnehmer im Sinne möglicher Auswirkungen berühren.
    • Die Konkretheit der Anfrage beeinflusst die Informationspflicht des Betriebsinhabers: Je mehr die Anfrage spezifiziert ist, desto genauer muss die Information sein.
    • Zweck der Informationsrechte ist es ganz allgemein, der Belegschaft zu ermöglichen, auf betriebliche Entwicklungen zu reagieren, diesbezügliche Auswirkungen abzuklären und Vorschläge zu erstatten. Insbesondere soll der Betriebsinhaber nicht aus Überraschungseffekten, Zeitnot, Desorientierung der Arbeitnehmer oder auch „vollendeten Tatsachen“ Vorteile ziehen können.

    INFO & NEWS
    Im Frühjahr 2015 wird eine Neuauflage des Kommentars zum ArbVG im ÖGB-Verlag erscheinen. Der neuesten Rechtslage rund um Reorganisationspläne wird darin besonderes Augenmerk geschenkt. Nicht zuletzt, um BetriebsrätInnen auch bei Umstrukturierungen zu ermöglichen, mit dem Management „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren!

    Linktipp:
    AK-Strukturwandelbarometer 2013: tinyurl.com/olmtxzz

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren hannes.schneller@akwien.at heinz.leitsmüller@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Heinz Leitsmüller und Hannes Schneller, Abteilung Betriebswirtschaft, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324808 Nicht selten stellen sich Umstrukturierungen später als "kurzsichtig" heraus. BetriebsrätInnen müssen oftmals die Scherben zusammenkehren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324082 Zwischen Mitbestimmung und Ausbeutung Die Produktion am Standort Deutschland wird zahlreichen Maßnahmen zur Kostensenkung unterworfen. Die klassische Prozessoptimierung, in Anlehnung an die Optimierungsmaßnahmen in der Produktion, wird zunehmend um die scheinbar positiven Effekte einer digitalen Vernetzung beziehungsweise des Crowdworkings der Belegschaft oder zumindest von Belegschaftsgruppen ergänzt. Die virtuelle Welt hat damit in den vergangenen Jahren einen enormen Stellenwert, auch innerhalb der täglichen Arbeit, im Betrieb eingenommen. Bereits mit der Einführung des Intranets zur Jahrtausendwende wurde in der Daimler AG der Grundstein für eine breite Vernetzung der Belegschaft gelegt.

    Vernetzung im In- und Ausland

    Ein weiterer Baustein war die breitflächige Einführung des Datenbanksystems Lotus Notes. Dieses ermöglichte zum ersten Mal eine Vernetzung von Projektarbeitsgruppen auch zwischen den verschiedenen Firmenstandorten im In- und Ausland. Spezifisches Know-how sowie Arbeits- und Projektstände waren damit zum ersten Mal vergleichsweise einfach in der virtuellen Welt austauschbar und jederzeit verfügbar. Die Einführung von Internet, Intranet und Lotus Notes wurde eng vom Gesamtbetriebsrat begleitet und mündete im Abschluss einer Gesamtbetriebsvereinbarung. Zum Beispiel wurde eine eingeschränkte Privatnutzung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz erlaubt. Die örtlichen Betriebsratsgremien erhielten das Recht, sich mit eigenen Seiten und Themen im Intranet zu präsentieren.

    Erste Stufe des Crowd-Gedankens

    Bis 2008 war von einer Community oder gar einem Social-Media-Ansatz nicht die Rede. Die Vernetzung war zwar flächendeckend gegeben, ein Beteiligungsmodell im Sinn eines interaktiven vernetzten Arbeitens existierte aber nicht und war auch kein Thema in den Betriebsratsgremien. Dies sollte sich mit der Einführung der „Business Innovation“-Plattform ändern. Sicher auch angefeuert durch die aufkeimende Finanzkrise, wurde die Idee geboren, das breit gefächerte Wissen aller MitarbeiterInnen anzuzapfen, um innovative und gewinnbringende Ideen rund um den Betrieb aufzugreifen und zu vermarkten.

    Der Crowd-Ansatz lag aber nicht nur darin, die einzelnen Ideen aufzunehmen, sondern wurde weitergeführt, indem allen anderen interessierten Mitarbeitern diese Idee zur Diskussion gestellt wurde, sodass in verschiedenen Stufen weiterentwickelt werden konnte. Damit wurde ein Instrument geboren, das völlig im Gegensatz zum bisherigen betrieblichen Verbesserungsmanagement stand. In der Business Innovation nämlich werden die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausgehebelt. Ein weiteres Problemfeld aus Sicht des Betriebsrats ist die Frage, wie eine gute Idee zusätzlich vergütet wird. Schließlich haben die Ideen-EinreicherInnen eine positive Arbeitsleistung im Sinn der Unternehmensentwicklung erbracht. Die vom Arbeitgeber entwickelten Spielregeln zu Business Innovation sehen aber keinerlei Vergütungsansprüche vor. Die Nutzung der kollektiven Intelligenz soll also dem Arbeitgeber kostenfrei zur eigenen Strategie und Gewinnoptimierung zur Verfügung gestellt werden.

    Trotz aller Nachteile aus Betriebsratsperspektive hat die Plattform beziehungsweise Community den Nerv einer Gruppe innovativer Mitarbeiter getroffen. Über die Community sind natürlich auch Selbstdarstellungen möglich, was durchaus als der Karriere förderlich beurteilt wird. Mittlerweile werden Themenfelder vorgegeben, die aus Unternehmenssicht von besonderem Interesse sind. Ergänzend wird seit Kurzem versucht, den Entwicklungsprozess mithilfe von entsprechenden Kurzmitteilungen über Twitter noch zu beschleunigen, wodurch letztendlich auch die Grenzen des Beruflichen und Privaten verschwimmen. Dies ist schon deshalb problematisch, weil Business Innovation nur begrenzt im Rahmen der Arbeitszeit betrieben werden kann. Es ist also nicht gänzlich auszuschließen, dass während der Privatzeit erbrachte Denkleistungen dem Arbeitgeber in doppelter Hinsicht kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

    Rückkoppelung

    Im Intranet wurden die wesentlichen Entwicklungen des Internets in den vergangenen Jahren Stück für Stück nachgeholt. Eingeführt wurde ein Artikelrating nach Punktevergabe in Form von Sternen, dazu kam eine Kommentarfunktion. Mit diesem einfachen Instrument konnte erstmals eine betriebsöffentliche Themenbewertung stattfinden ‒ und somit auch eine inhaltliche Rückkoppelung an das Unternehmen. Als Betriebsräte sehen wir diese Entwicklung positiv, da diese ein Teil im Mosaik der MitarbeiterInnen-Beteiligung darstellt.

    Für uns ist es immer wieder erstaunlich festzustellen, wie offen sich MitarbeiterInnen unter Angabe ihrer persönlichen Daten durchaus auch sehr kritisch zu Wort melden. Hier hat die Vernetzung aus Sicht der Interessenvertretung vielen eine öffentliche Stimme verliehen, die sich bisher nicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen ließ. Mit Einführung der Kommentarfunktion war der Schritt nicht mehr weit zu den ersten internen Blogs. Auch hier findet ein Austausch mit den MitarbeiterInnen statt. Die Beteiligung beschränkt sich nicht nur auf den deutschen Standort, sodass man durchaus von einer, wenn auch eingeschränkten, globalen Kommunikation sprechen kann. Auch der Human-Resources-Bereich bedient sich seit geraumer Zeit diverser interner Blogs, um Personal- und Organisationsthemen in die Belegschaft zu tragen. Gerade die Beteiligung und Einbindung von MitarbeiterInnen aus Verwaltung und Entwicklung in die Diskussion um Fragen der betrieblichen Mitbestimmung und Meinungsbildung sind für uns ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Betriebsratsarbeit. Dies stärkt nicht nur die Meinungsvielfalt, sondern führt auch leichter zu von der Belegschaft breitflächig gestützten Maßnahmen und Entscheidungen der Betriebsratsgremien.

    Die stark zunehmende Nutzung von sozialen Medien im privaten Umfeld, allen voran Facebook, hat in den vergangenen zwei bis drei Jahren die innerbetriebliche Kommunikation beeinflusst. Schnell zeichneten sich erste Communities von MitarbeiterInnen ab, die sich stark mit betrieblichen Themen auseinandersetzten. Diese teilweise auch abgeschotteten Communitys entstanden auf Privatinitiative und wurden auf bestehenden öffentlichen Internetplattformen wie Xing oder LinkedIn initiiert. Dieses zunächst gut gemeinte Engagement hatte jedoch unter dem Aspekt des Schutzes von Daten und Informationen seine Schattenseiten. Aus Sicht des Betriebsrats ist hier eine teilweise elitäre Kultur entstanden, mit der sich ein Stück der betrieblichen Kommunikation verselbstständigt und letztendlich dem steuernden Zugriff des Unternehmens entzogen hat. Als Gegenstrategie wurde 2012 vom Unternehmen die Idee einer hausinternen Lösung entwickelt, die mit Facebook oder anderen Plattformen vergleichbar sein sollte. Seit geraumer Zeit läuft diese interne Plattform nun mit gezielt ausgesuchten Nutzerbereichen, um zunächst praktische Erfahrungen zu sammeln.

    Schlüsselfaktor

    Mit der Ausarbeitung einer Neufassung der Internetrichtlinie, die unter anderem auch den Umgang mit Social Media regelt, konnten wir seitens des Betriebsrats unsere Aspekte durchaus mit einbringen. Dazu gehört zum Beispiel die Möglichkeit des Internetzugriffs für alle Beschäftigtengruppen während der Arbeitszeit. Gute Social-Media-Arbeit, egal ob Blog oder auf Austauschplattformen, wird in Zukunft mit Sicherheit ein Schlüsselfaktor erfolgreicher Betriebsratsarbeit werden. Die Generation Digital Native wird in den Betrieben zunehmen. Hier werden Erwartungen nicht nur an die Unternehmen herangetragen, sondern auch an die Belegschaftsvertretung im Sinn eines Beteiligungsmodells.

    Die traditionellen Mechanismen der Gewerkschaftsarbeit funktionieren in der virtuellen Welt nicht mehr. Die Transformation steht noch ganz am Anfang. Sie muss schneller, umfassender und tiefgreifender werden, wollen die Gewerkschaften den Anschluss nicht verlieren.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren  bernd.oehrler@daimler.com und joerg.spies@daimler.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Bernd Öhrler, Mitglied des Betriebsrats und Vorsitzender Ausschuss IT, BR-Zentrale Daimler AG | Jörg Spies, BR-Vorsitzender Zentrale und Mitglied im Aufsichtsrat der Daimler AG, Mitglied der großen Tarifkommission der IG Metall Baden-Württemberg Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324841 Mit Crowdwork soll das breit gefächerte Wissen aller MitarbeiterInnen angezapft werden. Die Nutzung der kollektiven Intelligenz soll dem Arbeitgeber kostenfrei zur eigenen Strategie und Gewinnoptimierung zur Verfügung gestellt werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324861 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324069 Auf Dauer angelegt In der Vergangenheit saßen bei den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller immer alle Fachverbände der Metallindustrie gemeinsam an einem Tisch. Seit 2012 ist das nicht mehr der Fall, denn den Gewerkschaften wurde eine neue Verhandlungskultur aufgezwungen: Sie führen nun Einzelverhandlungen mit jedem Fachverband. „Solche Verhandlungen kosten viel Zeit und Kraft, die wir deutlich sinnvoller hätten investieren können, zum Beispiel in die dringend notwendige Diskussion zum Thema Arbeitszeit“, sagt Rainer Wimmer, Vorsitzender der Produktionsgewerkschaft PRO-GE.

    Einheitlicher Kollektivvertrag

    Als ein Signal in die richtige Richtung deutet der Gewerkschafter die Tatsache, dass alle Fachverbände bei der diesjährigen Forderungsübergabe anwesend waren. Dem Wunsch nach gemeinsamen Verhandlungen wurde zwar auch dieses Jahr nicht entsprochen, dennoch konnten die Gewerkschaften Anfang November ihr Ziel eines einheitlichen Kollektivvertrages (KV) erreichen. Nach insgesamt 14 Verhandlungsrunden einigten sich die Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier) mit den sechs Fachverbänden der Metallindustrie auf einen einheitlichen Kollektivvertrag und einen einheitlichen Lohn- und Gehaltsabschluss für alle 180.000 Beschäftigten der Branche. Die Ist-Löhne und Ist-Gehälter sowie die kollektivvertraglichen Mindestlöhne und Mindestgrundgehälter steigen um 2,1 Prozent. Zudem wurde die Anwendung der Freizeitoption vereinbart. Für die ArbeitnehmerInnen bedeutet das, dass die Ist-Erhöhung in zusätzliche Freizeit umgewandelt werden kann. Soweit eine Betriebsvereinbarung vorhanden ist, können die Beschäftigten selbst bestimmen, ob sie die vereinbarte Option in Anspruch nehmen oder nicht.

    Kollektivverträge sind die wichtigste Form der Mitbestimmung in Unternehmen. Vertreten durch die Gewerkschaften stehen ArbeitnehmerInnen dem Arbeitgeber gleichberechtigt gegenüber. Wie die Verhandlungen der Metallindustrie zeigen, sind Kollektivverträge einerseits Vereinbarungen zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen, die zur Regelung von Entlohnung und Arbeitsbedingungen abgeschlossen werden. Andererseits haben sie viele zusätzliche Funktionen zu erfüllen, wie etwa gleiche Konkurrenzverhältnisse auf der Arbeitgeberseite herbeizuführen. Das wird erreicht, indem ein System von Lohn- und Arbeitsbedingungen im Bereich größerer Wirtschaftsgruppen festgelegt wird, das die Bedingungen der jeweiligen Gruppe vereinheitlicht. Nicht zuletzt haben KVs auch eine wichtige Ordnungsfunktion, da durch sie viele Auseinandersetzungen auf Betriebsebene vermieden werden.

    98 Prozent durch KV geschützt

    In Österreich fallen fast alle unselbstständigen ArbeitnehmerInnen unter einen Kollektivvertrag. Zum ersten umfassenden KV-Abschluss kam es im Jahr 1896. Damals profitierten die Buchdrucker von den Vorteilen eines KVs. Mittlerweile gibt es hierzulande über 800, jährlich werden über 450 von den Gewerkschaften verhandelt.

    Eine Studie der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) zur Tarifbindung von ArbeitnehmerInnen bescheinigt Österreich eine Spitzenposition im internationalen Vergleich. Knapp 98 Prozent aller österreichischen ArbeitnehmerInnen sind durch KVs geschützt. Im Vergleich dazu sind zum Beispiel nur 62 Prozent der deutschen und nur 14 Prozent der Beschäftigten in den USA abgesichert. Kollektivverträge verhelfen ArbeitnehmerInnen zu vielen Rechten und Ansprüchen, die nicht gesetzlich geregelt sind, wie etwa das Urlaubs- und Weihnachtsgeld und die jährlichen Lohnerhöhungen.

    Auch hinsichtlich der Arbeitszeit gibt das Gesetz nur den Rahmen vor, die Gewerkschaften verhandeln hier für jede Branche faire Arbeitsbedingungen aus. KVs regeln außerdem die Zuschläge für Schichtarbeit, Feiertagsarbeit, Überstunden und Mehrstunden – und auch Freizeitansprüche bei Übersiedlung oder Heirat. Außerdem gelten in Österreich Kollektivverträge für alle ArbeitnehmerInnen, auch wenn sie keine Gewerkschaftsmitglieder sind. Im Fachjargon wird das „Außenseiterwirkung“ genannt. Nichtsdestotrotz ist es überaus wichtig, sich gewerkschaftlich zu organisieren.
    Mehr Mitglieder bedeuten, dass mehr Druck ausgeübt werden kann, um bessere Ergebnisse und mehr Mitbestimmung für Beschäftigte bei den Verhandlungen erzielen zu können. 

    Trotz Beendigung wirkt der KV nach

    Anders als in anderen Ländern nimmt der KV hierzulande eine sehr hohe Stellung ein und steht in der Arbeitsrechtsordnung auf Platz zwei, direkt nach dem zwingenden Recht laut Gesetz. Dahinter reihen sich Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, dispositives Gesetzesrecht und Weisungen.
    Welche Vorteile ein Kollektivvertrag und dessen richtige Anwendung haben, zeigt deutlich das aktuelle Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Fall der AUA (Austrian Airlines). Mitte 2012 beschloss die AUA, ihren Flugbetrieb in Form eines Betriebsüberganges in die Tochtergesellschaft Tyrolean einzubringen. Damit sollten auch die Arbeitsbedingungen des Tyrolean-KVs für die Beschäftigten gelten, da der bestehende Kollektivvertrag auch aufgekündigt wurde. Für das Bordpersonal bedeutete das 20 bis 25 Prozent weniger Gehalt.

    Der Betriebsrat und das Bordpersonal wehrten sich und bekamen vor kurzem durch den EuGH Recht. Das Urteil besagt, dass ein alter Kollektivvertrag auch bei einem Betriebsübergang nachwirkt. Mit seinem Urteil legt der Gerichtshof die Vorschrift dahin aus, dass „in einem KV vereinbarte Arbeitsbedingungen im Sinn dieser Bestimmung auch solche mit einem Kollektivvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen sind, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats trotz Kündigung dieses Vertrags weiter auf Arbeitsverhältnisse, die unmittelbar vor seinem Erlöschen durch ihn erfasst waren, nachwirken, solange für diese Arbeitsverhältnisse nicht ein neuer KV wirksam oder mit den betroffenen Arbeitnehmern nicht eine neue Einzelvereinbarung abgeschlossen wird“.

    Ein Kollektivvertrag ist ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis und muss entweder durch einen neuen ersetzt oder gekündigt werden. Für die Beendigung kommen die einvernehmliche Lösung, die vorzeitige Lösung aus einem wichtigen Grund und der Zeitablauf bei Vereinbarung einer Befristungs- oder Bedingungsklausel in Betracht. Befristete und unbefristete Kollektivverträge entfalten nach Beendigung jedoch eine sogenannte „Nachwirkung“. Das bedeutet, dass der erloschene Kollektivvertrag für seinerzeit von ihm erfasste Arbeitsverhältnisse weiterhin anwendbar bleibt, bis ein neuer Kollektivvertrag oder eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird. Für die ArbeitnehmerInnen bedeutet das, dass sie in einem kollektivvertragslosen Zeitraum ihr Gehalt bzw. ihren Lohn erhalten.

    Online informieren

    Jene zwei Prozent, die noch keinen KV haben, sind zumeist Branchen, die nicht der WKÖ angehören. Dazu gehören Freizeit- und Vergnügungsbetriebe, aber auch zum Beispiel Fachhochschulen. Die Arbeiterkammer rät Beschäftigten, die unter keinen Kollektivvertrag oder Mindestlohntarif fallen, die vereinbarte Lohnhöhe mit dem Arbeitgeber schriftlich festzuhalten, zum Beispiel im Arbeitsvertrag oder auf dem Dienstzettel.
    Sollte es keine Vereinbarung geben, steht der Lohn zu, der für den Beruf „angemessen und üblich ist“. Wenn kein Kollektivvertrag oder Mindestlohntarif zur Anwendung kommt, hat man auch nur dann Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsgeld, wenn es vereinbart wurde.

    Rasche Übersicht

    Die Informationsplattform www.kollektivvertrag.at bietet allen Interessierten eine rasche Übersicht und enthält die aktuellsten und wichtigsten Informationen rund um Kollektivverträge, erstmals stehen mehr als 500 Kollektivverträge öffentlich für alle ArbeitnehmerInnen im Internet zur Verfügung. Gewerkschaftsmitglieder und BetriebsrätInnen profitieren nach dem Log-in von zusätzlichen Funktionen, zum Beispiel dem Drucken von Kollektivverträgen.

    Linktipps:
    Die KV-Informationsplattform von ÖGB und Gewerkschaften:
    www.kollektivvertrag.at

    Weitere Infos finden Sie auch unter:
    www.kvsystem.at
    www.arbeiterkammer.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Amela Muratovic, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324882 Zum ersten umfassenden KV-Abschluss kam es im Jahr 1896 für die Buchdrucker. Mittlerweile gibt es in Österreich über 800 Kollektivverträge, jährlich werden über 450 von den Gewerkschaften verhandelt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324061 Zahlen, Daten, Fakten Immer weniger Beschäftigte arbeiten in einem Unternehmen, in dem es einen gewählten Betriebsrat gibt. Eine positive Entwicklung: Der Frauenanteil steigt langsam, aber stetig.
    Die Anwesenheit eines Betriebsrats in einem Unternehmen lässt MitarbeiterInnen zufriedener sein. Ein Tätigkeitsfeld von BetriebsrätInnen ist der Aufsichtsrat, bei der Partizipation von Frauen spielen BetriebsrätInnen sogar eine Vorreiterrolle.
    Euro-BetriebsrätInnen vertreten die Interessen von ArbeitnehmerInnen in grenzüberschreitend tätigen Unternehmen in der EU. Die meisten gibt es in der Metall- und Chemieindustrie.

    Zahlen, Daten, Fakten zum Thema anbei zum Downloaden!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Sonja Fercher, A&W Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494326557 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324058 ArbeiterInnen aller Länder: Geht online! Die Online-Welt dreht sich schnell: 5.700 „Tweets“ – also digitale Kurznachrichten – entstehen weltweit pro Sekunde. Über 1,3 Milliarden NutzerInnen zählt das global größte soziale Netzwerk Facebook heute – gestartet war Gründer Mark Zuckerberg 2004 mit bescheidenen 650 UserInnen. Dabei sollten wir besser von kommerziellen Netzwerken sprechen, immerhin erzielte Facebook 2013 einen Umsatz von 7,8 Milliarden US-Dollar. Auf den weiteren Plätzen folgen Groupon mit 2,5 Milliarden, LinkedIn mit 1,5 Milliarden und Twitter mit 665 Millionen Dollar.

    Fressen und Gefressenwerden

    Das alte Spiel vom „Fressen und Gefressenwerden“ setzt sich also in der neuen Sphäre des Web 2.0 nahtlos fort. Aber nicht immer müssen dabei die „Kleinen“ auf der Verliererseite stehen. Gewerkschaften nutzen zunehmend die Möglichkeiten des Internets und von Social Media im Sinne der ArbeitnehmerInnen-Interessen – obwohl der Start noch etwas holprig verlief, wie etwa im Handbuch „Soziale Bewegungen und Social Media“ (#sbsm) festgehalten wird. #sbsm versteht sich als praktischer Wegweiser durch das Web 2.0 und geht dabei auch auf die Nutzung von Social Media durch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen ein. Das wesentliche Merkmal dieser sozialen Medien besteht darin, dass sie den NutzerInnen die Möglichkeit bieten, sich untereinander auszutauschen und gemeinsam oder individuell Inhalte zu erstellen. Interaktivität soll passiven Medienkonsum ersetzen, RezipientInnen können gleichzeitig zu ProduzentInnen werden, so die Idee des Web 2.0 – die Praxis sieht freilich bisweilen anders aus.

    Auch die heimische Gewerkschaftsbewegung orientiert sich verstärkt in diese Richtung: Zu den großen Homepages gesellen sich flexiblere themen- oder zielgruppenspezifische Webauftritte, die interaktiver, partizipativer und offener werden. „Was Social Media betrifft, sind Gewerkschaften mittlerweile selbstverständlich auf Facebook präsent, es gibt Blogs und YouTube-Kanäle. Die Plattformen werden heute nicht mehr von einzelnen, zentralistischen Auftritten dominiert, sondern auch von mehreren, diversen Unterorganisationen mit eigenen Seiten und Kanälen bevölkert“, heißt es im #sbsm-Handbuch. Das breite Spektrum reicht von regionalen Gruppen über lokale Branchenverbände und thematische Netzwerke bis hin zu eigenen Seiten, die sich beispielsweise der Organisation eines Kongresses widmen.

    Im gewerkschaftlichen Bereich spielen logischerweise die BetriebsrätInnen eine wesentliche Rolle innerhalb dieses bunten Mosaiks. Zu den zentralen Aufgaben des Betriebsrates zählt laut österreichischem Arbeitsverfassungsgesetz neben Friedens-, Verschwiegenheits-, Kooperations- und Interessenwahrnehmungspflicht nicht zuletzt die Informationspflicht gegenüber der Belegschaft. Spätestens beim letztgenannten Punkt kommen moderne soziale Medien ins Spiel. Abgesehen von den zumindest halbjährlich gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsversammlungen erfolgte der Informationstransfer früher vor allem durch klassische Medien wie MitarbeiterInnen-Zeitungen, diverse Info-Blätter und andere Aussendungen sowie Aushänge am „Schwarzen Brett“. Durch die rasanten Umbrüche in der Arbeitswelt (mehr Flexibilität, Teilzeitjobs, zunehmende räumliche Distanzen als Folge der Aufnahme von externen MitarbeiterInnen und Ausbau von Filialnetzen sowie Teleworking) stoßen diese „alten Medien“ allerdings an ihre Grenzen.

    Newsletter statt „Schwarzes Brett“

    Im 21. Jahrhundert ergeben sich zum Glück andere Möglichkeiten, in die Christian Penn, stellvertretender Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der Diözese Linz, Einblick gewährt: „Das klassische Schwarze Brett beispielsweise ist prinzipiell eine gute Einrichtung, macht aber wenig Sinn, wenn die ArbeitnehmerInnen geografisch weit verstreut sind. Unsere rund 320 MitarbeiterInnen sind über die gesamte Diözese, sprich praktisch über das ganze Bundesland Oberösterreich, verteilt.“ Lange Zeit versuchte man die MitarbeiterInnen durch eine Betriebsratszeitung zu erreichen. Die erschien aber nur einmal im Jahr, was bedeutet, dass auf Neuerungen nur sehr begrenzt eingegangen werden konnte. Auch war die Produktion relativ kosten-, aber vor allem zeitintensiv. Deshalb entschied sich die Diözese Linz für einen Newsletter: „Dieser ist einfacher zu produzieren als eine Zeitung, Kosten für den Druck fallen weg und wir können Informationen laufend aktualisieren und rasch an unsere Mitarbeiter transportieren“, führt Penn weiter aus.

    Blog ersetzt Zeitung

    Die gedruckte Zeitung wurde von einem Betriebsrats-Blog abgelöst. Darauf werden Interna, gesellschaftspolitische Themen oder überregionale gewerkschaftliche Aktionen wie etwa die Kampagne „Lohnsteuer runter!“ behandelt. Im Zeitalter der Vernetzung durfte im Newsletter der Link auf den Blog nicht fehlen. Penn verrät, dass zu Beginn der Schritt ins World Wide Web im Betriebsrat durchaus kontroversiell diskutiert worden ist. „Es bestand die Sorge, dass die Zeit für Social-Media-Arbeit an anderer Stelle fehlen könnte. Diese Zweifel haben sich aber schnell als unbegründet erwiesen und das Konzept stößt heute auf breite Zustimmung. Wir erhalten auch von unseren MitarbeiterInnen regelmäßig positive Rückmeldungen“, so Penn. Neben dem Austausch zu internen und betriebsexternen Fragen schätzt Penn aber auch ganz einfach die praktische Seite der intermedialen Welt: „So kann zum Beispiel der Weg zur nächsten Betriebsversammlung via Google-Maps beschrieben werden. In Zukunft hoffe ich nur, mehr KollegInnen für die Mitarbeit am Blog motivieren zu können.“ Facebook nützt Penn privat und steht hier auch im Austausch mit KollegInnen, eine geschlossene, arbeitsspezifische Gruppe wurde aber nicht gegründet.

    Ist somit das Zusammenspiel zwischen sozialen Medien und der ArbeitnehmerInnenvertretung eine Erfolgsstory par excellence? Hier ist Vorsicht geboten. Denn das Netz ist bekanntlich ein offenes Buch. Es besteht die Gefahr, dass Gewerkschaftsmitglieder, BetriebsrätInnen und ArbeitnehmerInnen allzu offen ihr Herz ausschütten. Das könnte wiederum den mitlesenden ArbeitgeberInnen in die falsche Kehle rutschen, mit möglicherweise nicht gerade angenehmen Konsequenzen für die Poster. Einen schmalen Grat betreten hier gerade BetriebsrätInnen, sie unterliegen ja immerhin der Verschwiegenheitspflicht. Deshalb wird in #sbsm den BetriebsrätInnen empfohlen: „Der Betriebsrats-Blog ist kein Ort, sich mit dem Gegenüber im Management zu duellieren oder Rechnungen zu begleichen. Dokumentiere Medienberichte zum Unternehmen und zur Branche, aber erkläre nicht selbst, wie es um das Unternehmen steht. Stelle nichts Vertrauliches online, sondern behandle Themen allgemein. Sprich also beispielsweise keinen konkreten Mobbingfall an, sondern stelle stattdessen Informationen und Links zum Thema online.“ Das dürfe keinesfalls als medialer Maulkorberlass missverstanden werden. Thomas Kreiml von der GPA-djp schreibt dazu: „Im Sinne einer gewerkschaftlichen Politik der Befreiung aus Abhängigkeits- und Machtverhältnissen im Interessenkonflikt zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen müsste individuelles Auftreten in der Netzöffentlichkeit durch kollektiv organisierte Solidarität unter ArbeitnehmerInnen gegen Unternehmensinteressen verteidigt werden ...“ (tinyurl.com/nefna5w)

    Potenzial für Mitbestimmung

    Ein naheliegendes („Minimal-“)Ziel bestünde demnach im Schutz von ArbeitnehmerInnen vor Konsequenzen am Arbeitsplatz aufgrund von Publikationen in sozialen Medien, den es gewerkschaftlich zu formulieren und zu vertreten gelte. Kreiml, der einer der beiden Herausgeber des #sbsm-Handbuchs ist, weist im Gespräch mit „Arbeit&Wirtschaft“ aber explizit auf die positiven Seiten von Social Media hin: „ArbeitnehmerInnen und deren Vertretungen können auch kommerzielle Medien wie Facebook gut nutzen, um ihre Zielgruppe zu erreichen und breite Öffentlichwirksamkeit zu schaffen. Ein Beispiel dafür ist die Lohnsteuerkampagne. Social Media weisen ein erhebliches Potenzial auf, um für mehr gesellschaftliche Mitbestimmung der ArbeitnehmerInnen zu sorgen.“

    Mehr Infos im Internet unter:
    www.betriebsratsblog.at
    www.betriebsraete.at
    www.lohnsteuer-runter.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Harald Kolerus, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324909 #sbsm versteht sich als praktischer Wegweiser durch das Web 2.0 und geht dabei auch auf die Nutzung von Social Media durch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen ein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494324934 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494324008 Mrs. Fit and Meister Proper Die Hundehütte ist für den Hund, der Aufsichtsrat für die Katz“, so wurde früher über die Unternehmensaufsicht gescherzt. Doch spätestens die Finanzkrise hat gezeigt, dass streichelweiche AufsichtsrätInnen, die einen Tagesordnungspunkt nach dem anderen abnicken, passé sind. Die EU-Kommission forciert schon seit Längerem eine zunehmende Professionalisierung der Aufsichtsratsarbeit, unter anderem im Rahmen des „Corporate-Governance-Aktionsplans“. Speziell im Finanzsektor sieht sich das Kontrollorgan mittlerweile mit deutlich erhöhten Anforderungen konfrontiert.

    Nur in der Theorie

    In Österreich wurden die Vorgaben zwar umgesetzt, in der Unternehmenspraxis sind sie offenbar noch nicht angekommen. Wie war das noch gleich bei der ÖIAG, der OMV, dem Burgtheater oder der Telekom Austria? Professionelles Strategie- und Krisenmanagement sieht anders aus. Dafür braucht es zweifellos eine neue Generation von AufsichtsrätInnen, die sich qualifiziert, verantwortungsvoll und mutig der Unternehmenskontrolle stellt. Engagierte Kräfte, die, losgelöst von Netzwerk-(Fall-)Stricken, der Politik und/oder des Vorstands, kritisch überwachen und strategisch beraten. Die BetriebsrätInnen im Gremium spielen dabei schon jetzt eine große Rolle, trägt doch die Drittel-parität maßgeblich zur unabhängigen und kritischen Aufsichtsratsarbeit bei. Mit Ausdauer und Sensibilität in den eigenen Reihen könnte es der ArbeitnehmerInnenvertretung sogar gelingen, die treibende Kraft für einen jünge-ren, weiblicheren und internationaleren Aufsichtsrat zu werden.

    Thank you for being a friend

    „Der Aufsichtsrat ist ein Kollegialorgan. Er braucht Diversität: vom Gesellschaftsrechtler über den Marktexperten bis zu einem Human-Resources-Vertreter“, sagt der Mehrfachaufsichtsrat Wolfgang Ruttenstorfer. Gesagt, getan? Leider nein. Wie eine aktuelle österreichische Aufsichtsratsstudie  zeigt, wird bei der Neubesetzung von Aufsichtsratspositionen nur in etwas mehr als einem Drittel der Unternehmen auf die Fachdisziplin geachtet.
    Zu 91 Prozent erfolgt die Besetzung aus dem Eigentümernetzwerk. Unabhängigkeit, Expertise oder Nachwuchsplanung spielen bei der Auswahl der KandidatInnen eine untergeordnete Rolle. Was zählt, ist ein bekanntes Gesicht und Freude am Networking.
    Das fröhliche Netzwerk-Recruiting kann zu einseitiger Interessenwahrnehmung sowie mangelnder Kontrolle im Aufsichtsrat führen. Dabei sind Unterschiede im Selbstverständnis zwischen Vertretern der EigentümerInnen und der Belegschaft zu beachten: „Letztere haben eine tiefere Kenntnis des Unternehmens und erkennen bei einer Entscheidung die Vor- und Nachteile für das Unternehmen besser“, stellt Roswita Königswieser in ihrer Untersuchung „Blick in den erlauchten Kreis“  fest. BetriebsrätInnen sind zudem in hohem Maße unabhängig vom Wohlwollen der Unternehmensleitung und durch ihre faktische Unkündbarkeit vor entsprechendem Druck gefeit. Die Unabhängigkeit der VertreterInnen der ArbeitnehmerInnen im Aufsichtsrat wird von der EU-Kommission ausdrücklich anerkannt. Zudem zeigen deutsche Studien, dass die Mitbestimmung im Aufsichtsrat einen positiven Einfluss auf die Produktivität hat.

    This is a man’s world

    In der Frage der Vielfalt hat die ArbeitnehmerInnenseite gleichermaßen Aufholbedarf wie die Kapitalvertreter. Aktuelle Daten vom September 2014 zeigen, dass in den 20 im ATX gelisteten Unternehmen von insgesamt 225 AufsichtsrätInnen lediglich 33 Frauen in der Unternehmenskontrolle tätig sind.
    Zehn der insgesamt 63 BetriebsrätInnen sind weiblich (15,9 Prozent), unter den KapitalvertreterInnen sind es mit 14,2 Prozent nur knapp weniger Frauen. Mehr als drei Viertel der AufsichtsrätInnen sind 50 Jahre und älter, nur 16 MandatsträgerInnen sind 40 Jahre und jünger.

    Ein typischer Aufsichtsrat in den Topbörsenunternehmen ist also männlich und im Schnitt Ende 50. Dabei sieht der Gesetzgeber immerhin seit 2012 vor, dass bei der Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern auf die Aspekte der Diversität hinsichtlich der Vertretung beider Geschlechter und der Altersstruktur sowie bei börsennotierten Gesellschaften auf die Internationalität der Mitglieder zu achten ist. Der Haken dabei: Es gibt keine Sanktionen bei Nichteinhaltung dieses Gesetzes. Was wiederum zur Folge hat, dass sich weder Arbeitgeber- noch ArbeitnehmerInnenseite daran halten. So bleibt vieles beim Alten: Einheitsbrei statt Vielfalt. Einziger Lichtblick sind die staatsnahen Unternehmen, die dank Quotenregelung spürbare Fortschritte machen. Es geht also doch: Von den insgesamt 285 vom Bund entsandten Aufsichtsratsmitgliedern (in jenen 55 Unternehmen, an denen der Staat mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist) sind 94 Frauen (33 Prozent).

    Fit&Proper

    Neben Unabhängigkeit und Vielfalt zeichnet einen professionell zusammengesetzten Aufsichtsrat Qualifikation aus. Mit zunehmender Komplexität der Geschäftsmodelle braucht es mehr Spezialwissen wie beispielsweise bei der Überwachung von Kreditinstituten. Nach der Finanzkrise hat die EU-Kommission als eine von vielen Maßnahmen die unternehmensinterne Bankenaufsicht stärker in die Pflicht genommen. Um laufend die Qualifikation der Organe sicherzustellen, wurde der „Fit&Proper“-Test ins Leben gerufen: So hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) seit Mai 2013 die Möglichkeit, alle AufsichtsrätInnen (BetriebsrätInnen ausgenommen!) österreichischer Banken auf ihre Fachkenntnisse zu prüfen.

    Eine oftmals langjährige Zugehörigkeit zum Unternehmen sowie der intensive Austausch mit MitarbeiterInnen, dem Vorstand oder der Geschäftsführung bescheren den BetriebsrätInnen umfangreiches Organisationswissen, das sie bei der Überwachung des Unternehmens gut nützen können. Laut FMA sind BetriebsräInnen dazu angehalten, sich laufend weiterzubilden. Das tut die ArbeitnehmerInnenvertretung bereits jetzt, und zwar unter anderem im Rahmen des Instituts für Aufsichtsrat-Mitbestimmung (IFAM), das Gewerkschaften und Arbeiterkammern bereits 1977 ins Leben gerufen haben. Das IFAM bietet ein umfassendes Ausbildungspaket mit Praxisbezug. Übrigens: Neu auf dem IFAM-Programm stehen ab November 2014 „Fit&Proper“-Seminare, die auf die Festigung von bankenspezifischem Wissen abzielen. 

    Driving force

    BetriebsrätInnen bringen sich also schon jetzt dank ihres umfassenden Unternehmenswissens und ihrer Unabhängigkeit von Eigentümerinteressen wertvoll und konstruktiv in die Aufsichtsratsarbeit ein. Was jedoch die neuen Anforderungen betrifft, besteht in den eigenen Reihen wie auf der Kapitalvertreterseite Aufholbedarf. Denn an der Spitze, nämlich im Aufsichtsrat, liegt der Frauenanteil in der ArbeitnehmerInnenvertretung nach wie vor unter 20 Prozent, der angestrebte Zielwert von 40 Prozent bleibt damit unerreicht.

    BetriebsrätInnen mit Migrationshintergrund sind weiterhin die Ausnahme und werden viel zu selten in den Aufsichtsrat entsandt. Und zur Frage der Altersstruktur der Belegschaftsvertretung liegen überhaupt nur spärliche Informationen vor, Jüngere dürften allerdings deutlich unterrepräsentiert sein.

    Arbeiten wir jetzt gemeinsam als BetriebsrätInnen, Gewerkschaften und Kammern daran, der ArbeitnehmerInnenvertretung ein neues Gesicht zu geben. Halten wir uns an selbst gesteckte Ziele und lösen wir Unterrepräsentanzen mit verbindlichen Regelungen. Die Beschäftigungsvielfalt – gemessen an Arbeitszeit, Geschlecht, Herkunft oder Alter – muss sich endlich an der Unternehmensspitze und damit im Aufsichtsrat widerspiegeln.

    Linktipp:
    Infos für BetriebsrätInnen im Aufsichtsrat:
    tinyurl.com/pnvg59d

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin christina.wieser@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christina Wieser, Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494323991 Das Institut für Aufsichtsrat-Mitbestimmung (IFAM) bietet ein umfassendes Ausbildungspaket mit Praxisbezug. Neu auf dem IFAM-Programm stehen "Fit&Proper"-Seminare, die auf die Festigung von bankenspezifischem Wissen bei BetriebsrätInnen abzielen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494322664 Das Kamel und das Nadelöhr Noch immer ist es für Frauen wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, als eine Führungsposition einzunehmen“, schrieb Antje Mohr 2011 in ihrer Dissertation über Hemmnisse von deutschen Frauen auf dem Weg in den Betriebsrat. Dieses pessimistische Szenario kann so nicht auf Österreich übertragen werden. Zwischen 2003 und 2013 hat sich der Anteil weiblicher Betriebsratsvorsitzender laut ÖGB um 4,3 Prozent auf 23,16 Prozent erhöht, jener der aktiven Betriebsrätinnen auf 31,86 Prozent – ein Plus von über fünf Prozent. Dennoch: In vielen Betriebsratsgremien sind Frauen nicht entsprechend ihres Anteils innerhalb der Belegschaft vertreten. Auch nicht, wenn sie die Mehrheit der Gesamtbelegschaft stellen.

    Yes, I can

    Frauen für gewerkschaftspolitische Funktionen zu motivieren ist ungleich schwieriger als bei Männern. Warum sind Frauen zögerlich, wenn es um die Mitbestimmung im Betrieb und in der Gewerkschaft geht? 2011 haben die ÖGB-Frauen in Oberösterreich eine Befragung unter weiblichen Mitgliedern durchgeführt, um herauszufinden, unter welchen Umständen sich Frauen verstärkt in Gewerkschaften engagieren oder eine Funktion übernehmen würden. „90 Prozent der Frauen haben geantwortet, dass sie zunächst zahlreiche Schulung absolvieren müssten, bevor sie sich eine Funktion zutrauen“, erinnert sich Bettina Stadlbauer, Frauensekretärin des ÖGB Oberösterreich. „Diesen Blödsinn wollten wir ihnen schleunigst ausreden und etwas entgegensetzen.“ So ist das Projekt „Yes, I can“ entstanden, in dem Betriebsrätinnen drei Tage lang mit Selbstbewusstsein geimpft werden. „Frauen schreien nicht ‚hier‘, sondern wägen zunächst ihre Lebensumstände ab. Sie fragen sich: Kann ich das? Passt mir das? Während sie das überlegen, haben Männer längst Ja gesagt.“ Empowerment für Betriebsrätinnen ist die Devise dieses Projekts, das nun auch auf andere Bundesländer ausgeweitet werden soll. Die Doppelbelastung durch Beruf und private Betreuungsverpflichtungen behindern nach wie vor das Engagement von Frauen, wie die Ergebnisse der deutschen Studie hervorbringen. Viele Organisationskulturen im Betriebsrat und in den Gewerkschaften sind trotz des Rufes nach mehr Frauenbeteiligung traditionell männlich. Besonders deutlich wird das bei der Lohnpolitik – dem „core business“ von Gewerkschaften.

    Seit Jahrzehnten versuchen Gewerkschaften, die Lohnschere zwischen Frauen und Männern zu schließen. Auch wenn die Hauptverantwortung dafür in den Betrieben liegt, haben Sozialpartner mit den Kollektivverträgen ein wichtiges Instrument für mehr Einkommensgerechtigkeit in der Hand.

    Lohnpolitik ohne Frauen

    Frauen haben in der Gestaltung der Lohnpolitik verhältnismäßig wenig mitzureden. „Je größer die Branche und je kleiner die Komitees, desto geringer ist der Frauenanteil bei den Lohnverhandlungen“, so Peter Schleinbach, Bundessekretär für Kollektivvertragspolitik in der PRO-GE. Die spezifischen Interessen von Frauen werden zwar über die Frauenabteilungen im Forderungsprogramm berücksichtigt, oft ist bei Verhandlungen aber zu wenig Spielraum, um diese Forderungen tatsächlich umzusetzen. Braucht es also eine höhere Beteiligung von Frauen in den Verhandlungsteams? „Mit einem höheren Frauenanteil bei Lohn- und Gehaltsverhandlungen wären die Themen bestimmt andere“, sind Bettina Stadlbauer und die ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende Renate Anderl überzeugt. Etwa hätte die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einen höheren Stellenwert, ebenso die Umsetzung der Einkommensberichte in den Betrieben oder die Anrechnung von Karenzzeiten. Frauen würden verstärkt auf die Anhebung niedrigerer Lohngruppen setzen und nicht bis drei Uhr morgens verhandeln. Eine Umsetzung dieses Gedankenexperiments ist derzeit äußerst unrealistisch. Für einen höheren Frauenanteil in den Verhandlungskomitees fehlen weibliche Betriebsratsvorsitzende. „Die können wir nicht einfach herzaubern“, so Schleinbach. „Wir brauchen uns aber auch nichts vormachen. Engagierte und qualifizierte Frauen sind auch in Unternehmen und der Politik heiß begehrt. Sie laufen uns daher nicht gerade die Türen ein. Wir müssten schon früh Frauen anwerben und sie für leitende Funktionen im Betriebsrat und in der Gewerkschaft aufbauen.“ Maßnahmen in diese Richtung gibt es nur vereinzelt. Zielgruppen der Gewerkschaften sind meist Betriebsrätinnen, kaum Mitglieder oder andere Aktivistinnen. Das greift eindeutig zu kurz. Ein spannender Pool an potenziellen Frauen wären laut Stadlbauer ehemalige Jugendvertrauensrätinnen, die den Sprung in den Betriebsrat nicht geschafft haben und dann oft auch als Mitglieder wegbrechen.

    Frauenquote für den Betriebsrat?

    Das Problem der geringen Mitbestimmung von Frauen im Betriebsrat kennt auch unser Nachbarland Deutschland nur zu gut. Der Gesetzgeber hat daher festgelegt, dass jenes Geschlecht, das in der Belegschaft in der Minderheit ist, zumindest entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss, wenn dieser aus mindestens drei Mitgliedern besteht (§ 15 Abs. 2 BetrVG). In Österreich wurde eine solche Quotenregelung noch nicht andiskutiert, zumindest nicht offiziell. In Oberösterreich hat Bettina Stadlbauer den Antrag auf Quotenregelung im Betriebsrat im Frauengremium beschlossen. Der Antrag wurde an den ÖGB Oberösterreich weitergeleitet und verweilt nun unter dem Siegel der Verschwiegenheit in einer Schublade. Das Quoten-Thema lässt die Wogen hochgehen, es ist unbequem und wer sich dafür einsetzt, macht sich schnell unbeliebt. Eine Organisation, die öffentlich laut nach Transparenz und nach dem Schließen der Lohnschere ruft, darf sich vor so einem unbequemen Vorstoß nicht verschließen, denn das Thema der Lohnschere und der mangelnden Mitbestimmung von Frauen ist langfristig weitaus ungemütlicher.

    Auch innerhalb gewerkschaftlicher Gremien war die geringe Präsenz von Frauen immer wieder Anlass zu Diskussionen. Die GPA (heute GPA-djp) hat 1998 als erste Gewerkschaft die Einführung einer Quotenregelung bei der Besetzung von Gremien entsprechend dem Mitgliederanteil beschlossen. 2007 wurde beim ÖGB-Bundeskongress eine Quote festgelegt, nach welcher der Frauenanteil mindestens der weiblichen Mitgliederzahl entsprechen muss. Im Vorstand ist die Umsetzung der Quote gelungen. „Ich bin nun seit 35 Jahren im ÖGB. In diesem Zeitraum hat sich sehr viel zum Besseren verändert“, mahnt Anderl, die positiven Entwicklungen bei der Mitbestimmung von Frauen im Auge zu behalten. Im Schulungsbereich wird mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse von Frauen genommen und der Frauenanteil unter Mitgliedern, in Betriebsräten und in Gewerkschaftsfunktionen steigt. Abgesehen davon sei die notwendige Mitbestimmung von Frauen in Gewerkschaften nun auch vom Papier in den Köpfen angelangt.

    Der Wurm muss schmecken

    ÖGB und Gewerkschaften brauchen Frauen dringender denn je. Abgesehen davon, dass Frauen 48 Prozent der unselbstständigen Erwerbstätigen ausmachen und schon deswegen für eine ausgewogene Mitbestimmung in der Arbeitswelt entsprechend vertreten sein sollten, ist die Zukunft der Arbeitswelt weiblich. Das traditionell männliche Erwerbsmodell bricht auf, der Anteil männlicher Mitglieder sinkt und die Arbeitswelt wird informeller, somit „weiblicher“. Es ist nicht nur eine Frage der Ideologie, die Mitbestimmung von Frauen im Betrieb zu fördern, sondern auch eine Überlebensstrategie für ÖGB und Gewerkschaften. Damit sich Frauen gewerkschaftspolitisch engagieren, braucht es machbare Bedingungen abseits traditionell männlicher Organisationskulturen. Gewerkschaften und ÖGB haben allerhand zu tun, das enge Nadelöhr zu vergrößern und den Wurm schmackhaft zu machen.

    Linktipp:
    Arbeitnehmerinnen im Betriebsrat – eine Ausnahme?
    Dissertation über Hemmnisse von Frauen auf dem Weg ins Betriebsratsgremium: tinyurl.com/nub3xmy

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322620 Noch immer ist es für Frauen wahrscheinlicher, vom Blitz getroffen zu werden, als eine Führungsposition einzunehmen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322637 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494322602 Im Machtungleichgewicht Wenn man auf die ersten 40 Jahre des Gesetzes zurückblickt, tut man es wohl zwangsläufig in tiefer Demut vor dem Weitblick und der Gestaltungskraft der Väter und Mütter jenes Gesetzes – und wohl auch mit etwas Wehmut, wenn man an heutige Verhältnisse denkt. Blicken wir dennoch zurück und auch voraus: Wie haben sich die Rahmenbedingungen seither geändert? Was muss an dem Gesetz geändert werden, um den Geist von 1974, das damals hergestellte Machtgleichgewicht wiederzuerlangen?

    Trend zur Prekarisierung

    Eine wesentliche Änderung ist der Trend zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse. Leiharbeit, „freie“ Dienstverhältnisse und Scheinselbstständigkeit hat es seinerzeit nicht oder jedenfalls nicht in fühlbarem Ausmaß gegeben. Das Gesetz ist an diese neuen Formen von Ausbeutung nicht wirklich angepasst worden. Das merkt man zum Beispiel bei der Betriebsratsgründung bei einem Arbeitskräfte-Überlasser. Der Betriebsinhaber muss niemandem mitteilen, in welchem Einsatzbetrieb überlassene ArbeitnehmerInnen tätig sind. Das Gesetz sieht bis heute vor, dass mit einem Anschlag an einer Tafel am Sitz des Unternehmens zur Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes einzuladen ist. Dies ist allerdings sinnlos, denn dort sind überlassene ArbeitnehmerInnen praktisch nie.

    Eine weitere Herausforderung ist die Frage der Vertretung der LeiharbeiterInnen „über Kreuz“: Darf wirklich der Betriebsrat, der im Überlasserbetrieb gewählt wurde, nicht vor Ort im Einsatzbetrieb kontrollieren, ob wenigstens die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzes eingehalten werden – auch wenn dort kein Betriebsrat besteht? Dürfen BetriebsrätInnen im Einsatzbetrieb wirklich keine Einsicht in die Lohnunterlagen der überlassenen Arbeitskräfte nehmen? Wie sollen sie dann feststellen, ob zum Beispiel deren Bezahlung dem Gesetz und Kollektivvertrag (KV) entspricht, was sie ja auch zum Schutz der Stammbelegschaft überprüfen sollen? Beides wird in der Literatur behauptet und beides sollte der Gesetzgeber schnell richtigstellen.

    Ein anderes Ungleichgewicht besteht bei den „freien“ DienstnehmerInnen. Denn warum soll ein Kollektivvertrag nicht die wesentlichen Beschäftigungsbedingungen für sie regeln können? Oder deren Vertretung auf Betriebsebene? Warum nicht wenigstens eine Regelung wie jene für HeimarbeiterInnen auch für „freie“ DienstnehmerInnen und für Werkvertragsbeschäftigte ohne eigenen Betrieb schaffen? Für sie gilt: aktives, aber kein passives Wahlrecht; Betriebsvereinbarungen gelten nur, wenn dies ausdrücklich vorgesehen ist.

    Machtungleichgewicht

    Ein Machtungleichgewicht herrscht allerdings auch bei den regulären Arbeitsverhältnissen. Hätte es zu jener Zeit schon die Praxis benachteiligender Vertragsklauseln gegeben, wer bezweifelt, dass ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung solcher Vertragsschablonen vorgesehen worden wäre? Statt den Gerichten eine Vielzahl heikler Abwägungsentscheidungen zu überlassen, wäre die Gestaltung von Vertragsformularen in den Händen der betrieblichen Sozialpartner bei Nichteinigung der Schlichtungsstelle doch weit besser aufgehoben.

    Veränderte Strukturen

    Vergleicht man die Betriebsgrößen damals und heute, fällt auf, dass es einen massiven Trend zu kleineren Betrieben gibt: Die Zahl der Arbeitsstätten mit weniger als 100 Beschäftigten ist zwischen 1973 und 2012 von rund 280.000 auf fast 700.000 angewachsen! Die Zahl der größeren Betriebsstätten ist fast unverändert geblieben. Kein Wunder, dass allein in den vergangenen fünf Jahren die Zahl jener ArbeitnehmerInnen, die von einem Betriebsrat vertreten werden, von 47 Prozent auf 39 Prozent gefallen ist.1 Was hätte das ArbVG vorgesehen, wenn diese Situation 1974 bereits bestanden hätte? Jedenfalls wären Teilfreistellungen auch in Betrieben mit weniger als 150 Beschäftigten vorgesehen gewesen. Es ist schließlich nicht einzusehen, dass ein Betriebsrat, der zum Beispiel 80 ArbeitnehmerInnen zu vertreten hat, nicht Anspruch auf eine Halbtagsfreistellung hat. Das wäre übrigens auch vorteilhaft für die Arbeitgeber, denn dann ist der Zeitpunkt der Verrichtung von Betriebsratsarbeit viel besser planbar als heute. In einer solchen Situation hätte das Gesetz auch deutlich bessere Rechte der Gewerkschaften betreffend den Zugang zum Betrieb vorgesehen. Diese Rechte sind, was die Betriebsebene betrifft, fast völlig vom Bestehen eines Betriebsrates abhängig. Das führt in Betrieben ohne Betriebsrat zu einem gänzlichen Schutzdefizit! Es braucht zumindest Zugangsrechte, das Recht, Versammlungen durchzuführen, und eine Verhandlungspflicht des Betriebsinhabers.

    Auch die Gründung von Betriebsräten muss erleichtert werden. Bei jeder zweiten Betriebsratsgründung muss derzeit ein Gericht eingreifen! Ein Wahlvorstand aus Funktionären der AK (oder aus Richtern) könnte die heikelste Gründungsphase (Wahl des Wahlvorstandes) ersparen. Die Behinderung einer Betriebsratswahl darf nicht länger als Kavaliersdelikt betrachtet werden. Sie sollte, ebenso wie die Behinderung von Wahlen zur Wirtschaftskammer, nach den §§ 266 ff Strafgesetzbuch mit Gefängnis bestraft werden!

    Wertungswiderspruch

    Aber denken wir auch an die Änderung von Unternehmens- und Konzernstrukturen, die heute alltäglich sind: Ist es nicht erstaunlich, dass ein Eigentümerwechsel oder sogar bloß ein Kontrollwechsel (Wechsel des beherrschenden Eigentümers) zwar für Minderheitsaktionäre Rechte und Handlungsoptionen auslöst, mitnichten aber für ArbeitnehmerInnen? Ist das nicht ein unverständlicher Wertungswiderspruch? Viele Manager berufen sich auf Vorgaben ferner Konzernzentralen, die leider unverhandelbar seien. Rechtswidrigerweise werden BetriebsrätInnen einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Bis ein Urteil ergeht, ist es meist auch längst zu spät! Faktische Entscheidungen sind umgesetzt und irreversibel, der Schaden für die Beschäftigten nicht mehr gutzumachen. Dagegen hilft wohl nur ein abschreckendes Schadenersatzrecht, das den vollen wirtschaftlichen Vorteil solchen Rechtsbruchs zugunsten der ArbeitnehmerInnen abschöpft.

    Funktionsverluste

    Standortkonkurrenz, Verlagerungen, „entfesselte“ Finanzmärkte, sinkende Realeinkommen, gerade bei den am schlechtesten Verdienenden, und „Deregulierung“ inklusive Abbau sozialer Rechte weltweit: So muss man wohl für die letzten 15 bis 20 Jahre bilanzieren. Und das ist bei Weitem nicht nur ein soziales und wirtschaftliches Problem! Schon 1996 hat der damalige Präsident der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, am Weltwirtschaftsforum Davos vor den versammelten Regierungschefs gemeint, sie stünden nun unter der Kontrolle der Finanzmärkte. Ähnliche Äußerungen machte auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Waren sich diese bewusst, was sie da sagen? Wenn die Finanzmärkte die Regierungen kontrollieren, leben wir nicht mehr in einer Demokratie, sondern in einer Plutokratie – der Herrschaft der Reichen. An den Börsen hat bekanntlich nicht ein Bürger eine Stimme, sondern ein Dollar: Wer mehr Geld hat, hat dort mehr zu sagen. Ob die „Vorherrschaft der Politik über die Wirtschaft“ wiederhergestellt wird, entscheidet schlicht darüber, ob wir weiterhin in einer Demokratie leben. In Österreich gibt es eine Entwicklung von der Sozialpartnerschaft zur „Konfliktpartnerschaft“. In den vergangenen fünf Jahren war zum Beispiel kein Abschluss in der Herbstlohnrunde möglich, ohne dass arbeitskampfnahe Mittel ergriffen werden mussten. Auch die Debatte um eine Steuersenkung für ArbeitnehmerInnen und die Einführung von Millionärssteuern kam jahrelang nicht voran, bis der ÖGB heuer massiv in der Öffentlichkeit mobilisiert, 800.000 Unterstützungsunterschriften gesammelt und damit die Politik und auch die Wirtschaftskammer unter Druck gebracht hat.

    Also weg von jener Sozialpartnerschaft, deren massive Vorteile internationale ExpertInnen auf der Tagung in Bad Ischl jüngst in höchsten Tönen gelobt haben? Vielleicht kann ja eine einfache Frage als Entscheidungshilfe dienen: Besteht Einigkeit darüber, dass das Machtgleichgewicht von 1974 wiederhergestellt werden soll? Wenn ja, muss das Arbeitsverfassungsgesetz rasch und in vielen Punkten geändert werden, damit alles wieder beim Alten ist! Wenn nein, …

    1 Eichmann/Saupe: Überblick über Arbeitsbedingungen in Österreich, 2014.

    Linktipp:
    Weitere Infos finden Sie unter www.drda.at/cms/X06/X06_0.e

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor rene.schindler@proge.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    René Schindler, Bundessekretär für Soziales und Recht der Produktionsgewerkschaft PRO-GE Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322596 Die Prekarisierung der Arbeitswelt hat ein Machtungleichgewicht entstehen lassen, dieses herrscht allerdings auch bei den regulären Arbeitsverhältnissen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494322550 Gelebte Vielfalt Gute Verhandlungen: Günter Klammer ist Betriebsratsvorsitzender bei Rappold-Winterthur Technologie GmbH in Villach. Die Firma stellt Schleifscheiben in sämtlichen Variationen her, etwa für die Flex. Allerdings auch Scheiben mit bis zu 2,20 Meter Durchmesser.

    Mehr als verdoppelt

    Klammer vertritt etwa 300 Arbeiter, 65 davon sind Zeitarbeiter. „Wir sind heuer in einer Abteilung von einem Zweischicht- in einen Dreischicht-Betrieb übergegangen“, erklärt Klammer. Stolz ist er, dass die interne Nachtschichtzulage zweieinhalbmal so hoch ist, wie es der Kollektivvertrag vorsieht. Auch die Leiharbeiter kommen in den Genuss dieser Zulage. Der Betriebsratsvorsitzende handelte geschickt und in der richtigen Minute: „Wenn die Firma schnell von zwei auf drei Schichten wechseln will, dann muss man den Zeitpunkt nutzen, um diese Anliegen durchzubringen.“ Bei den Zeitarbeitern konnte er argumentieren, dass sie für die gleiche Arbeit auch das gleiche Geld verdienen sollten. Mitunter wechseln Zeitarbeiter auch zur Stammbelegschaft über. „Mit 1. November ist wieder jemand übernommen worden, ich habe ihn gleich für die Gewerkschaft angeworben“, zeigt sich der Betriebsratsvorsitzende froh.

    Seit 25 Jahren ist Günter Klammer bereits im Betrieb tätig, seit 2011 gehört das Unternehmen zum amerikanischen 3M-Konzern.
    Das Betriebsratsgremium funktioniert reibungslos. Die Hauptagenden erledigt Klammer, seit 2012 freigestellt, mit seinem Stellvertreter. Um sechs Uhr morgens ist er schon in der Firma, geht selten vor 15 Uhr nach Hause. „Ich kann damit zwei Arbeitsschichten abdecken und kriege mit, was in der Firma passiert.“ Wenn jemand etwas braucht, kann er auch außerhalb der Arbeitszeiten jederzeit anrufen.

    Zu seinen größten Erfolgen zählt der Betriebsratsvorsitzende, dass der Metall-Industrie-Kollektivvertrag in der Firma angewendet wird. Denn die Rappold-Winterthur Technologie GmbH gehört eigentlich dem Fachverband der Steinkeramik an. Klammer: „Bis jetzt haben wir es geschafft, Abstufungen in diesen billigeren Kollektivvertrag zu verhindern.“ Immer wieder wurden besagte Abstufungen von der Geschäftsführung angesprochen, doch vergangenes Jahr hat sich die Chefetage sogar schriftlich zum Metall-Industrie-Kollektivvertrag bekannt.

    Unterstützt wird Klammer von der Fachgewerkschaft PRO-GE – das Verhältnis ist sehr gut. Die PRO-GE stellte etwa einen Experten, der Klammer beraten hat, als das Prämien-System in der Firma umgestellt wurde. „Es ist immer gut, wenn noch jemand von außen draufschauen kann. Der Experte hat auch Erfahrungen mit anderen Betrieben und kann schon mit Lösungsvorschlägen kommen.“ Nun wird ein Großteil des alten Prämien-Systems mit dem Fixlohn abgegolten. „Je länger ich im Geschäft bin, desto größer ist das Netzwerk, auf das ich zugreifen kann“, weiß Klammer. „Mit jeder Aufgabe wächst man und liest sich natürlich auch in die Thematik ein.“ Meist läuft der Kontakt über den betreuenden Gewerkschaftssekretär, doch Klammer kennt mittlerweile bereits viele ExpertInnen in den verschiedensten Bereichen. Ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin sollte Diskussionsfreudigkeit und Verhandlungsgeschick mitbringen. Die Bereitschaft dazuzulernen ist äußert wichtig. Über Kurse lässt sich Wissen aufbauen, viel Input kann man bei Gewerkschaftsseminaren einholen und reger Gedankenaustausch entwickelt sich vor allem bei Konferenzen, wo sich BetriebsrätInnen treffen. „Der Austausch mit Betriebsräten aus anderen Firmen ist extrem wichtig – etwa Ortsgruppe, Landesvorstand. Am Ende dieser Veranstaltungen können wir mit den anderen Betriebsräten diskutieren“, freut sich Klammer.

    Erfolg im Kleinen

    Bis zur Wirtschaftskrise 2008 ist die Firma Flowserve in Brunn am Gebirge – am Standort werden Pumpen, etwa zur Ölförderung, erzeugt und weltweit verkauft – ständig gewachsen. Die Angestellten führen die Entwicklung, aber auch die Auftragsabwicklung und Akquirierung durch. Bei Flowserve sind 200 Angestellte und 80 Arbeiter tätig. Als es während der Krise um Stellenabbau ging, wählte die Belegschaft einen aktiveren Betriebsrat – Angestelltenbetriebsratsvorsitzender wurde Martin Culver. Erfolge gelingen dem gebürtigen Briten und seinem Team durch kleine, gezielte Schritte. Ein Ziel ist, Klarheit zu schaffen, damit einzelne Dinge vergleichbar werden. „Wir versuchen, etwa mit Arbeitsplatzbeschreibungen eine Transparenz zu schaffen.“ Das Betriebsratsgremium teilt sich die Arbeitsbereiche gut auf: „Von jedem werden die besten Fähigkeiten herausgekitzelt“, erklärt Culver. Zum Gremium gehört Peter Kajcsa, er ist der Arbeitsrechtsexperte – „der Paragrafenchef“. Großes Verhandlungsgeschick beweist Jürgen Redl. Freilich sind auch Frauen im Team – Elfriede Diem und  Antonietta Manfredi. „Sie sehen die Konflikte oft objektiver und weniger emotional“, weiß der Betriebsratsvorsitzende der Angestellten.

    Flowserve ist ein Unternehmen mit vielen unterschiedlichen Kulturen – der Konzern hat weltweit rund 17.000 MitarbeiterInnen. Hier wird Rücksicht geübt, Witze und dumme Bemerkungen etwa über Religionen werden nicht toleriert. Vieles, das verhandelt wird, ist langwierig und erst nach Jahren spürbar. Culver: „Die Leute trauen sich erst langsam, über die Jahre hin, ihre Meinung zu äußern, auch wenn die Geschäftsleitung anwesend ist. Es ist einfach wichtig, auch außerhalb der Firma zu reden.“ Viele Themen lassen sich nämlich einfacher am Würstelstand gegenüber oder nach der Arbeit bei einem Bier bereden.

    Betriebsrat initiiert Lehrausbildung

    Die Baufirma Porr Steiermark hat Ende Oktober den Anton-Benya-Preis gewonnen. Derzeit bildet sie 21 Lehrlinge aus – bei einer Belegschaft von knapp 200 ist das eine sehr hohe Ausbildungsquote. Vor rund zehn Jahren wurde das Lehrausbildungsprogramm vom Betriebsratsvorsitzenden Christian Supper ins Leben gerufen: „Zu Beginn meiner Tätigkeit habe ich mir mit dem damaligen Niederlassungsleiter Gedanken gemacht, wie wir dem Fachkräftemangel entgegensteuern können.“ Supper hat selbst bei Porr eine Lehre absolviert. „Damals, 1986, waren wir zwei Porr-Lehrlinge in der gesamten Steiermark.“ Das Ziel: Bedürfnisse von Firma und Region auf einen Punkt zu bringen. Herausgekommen ist eine triale Ausbildungsform: Dabei machen die Lehrlinge Erfahrungen im Betrieb, der Berufsschule und auf Lehrbauhöfen, auf denen sie einige Wochen im Jahr betreut werden. Das Projekt hat sich positiv entwickelt. Die Firma profitiert, weil sie gute Maurer und Schalungsbauer ausbildet, die genau wissen, welche Anforderungen es im Betrieb gibt. Lehrlinge haben einen gesicherten Arbeitsplatz mit Perspektive im Konzern – nicht selbstverständlich, besonders, wenn sie aus der Peripherie der Steiermark stammen. In den letzten Jahren haben bereits sechs Lehrlinge die Polierschule absolviert und sind auch bereits als Poliere im Einsatz.

    Ungewöhnliche Wege

    Niederlassungsleiter, Personalleitung und Betriebsrat bilden eine gelebte Sozialpartnerschaft im Betrieb. Können sich alle auf einen Nenner einigen, kommt auch ein gutes Ergebnis raus. Für Porr wirbt Supper nun auch in den Schulen und Polytechnischen Lehrgängen, um den SchülerInnen die Firma als attraktiven Arbeitgeber vorzustellen. Für die Jungen ist es freilich ab und an hart, gleich mit 15 Jahren Wochenpendler zu werden. Doch binnen einiger Wochen werden sie sehr selbstständig. Bereits seit sieben Jahren gibt es einen Lehrlingstag in der Steiermark, zu dem alle Porr-Lehrlinge und die Eltern aus dem ersten Lehrjahr eingeladen werden. „So können wir uns alle kennenlernen. Es werden auch ungewöhnliche Wege in der Ausbildung gegangen.“

    Vor Kurzem haben Lehrlinge vom ersten bis zum dritten Lehrjahr einen Bauabschnitt selbstständig übernommen, erzählt Supper. Bei einem Grazer Wohnhaus waren sie dabei für das Anlegen, Mauern, Schalen der Decken, Bewehren, Betonieren und Versetzen von Fertigteilen auf der Baustelle verantwortlich. Dabei errichteten sie drei Geschoße und ein Penthaus, bloß ein Vorarbeiter kontrollierte die Lehrlinge. Betriebsratsvorsitzender Supper ganz stolz: „Anfangs arbeiteten sie ein bisschen ungenau, doch dann haben sie die Aufgaben toll erfüllt.“

    Weitere Infos finden Sie unter www.betriebsraete.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor resei@gmx.de oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christian Resei, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322503 Ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin sollte Diskussionsfreudigkeit und Verhandlungsgeschick mitbringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494322455 Mehr als Mitsprache Das Gewerbegerichtsgesetz von 1896 markierte eine Trendwende in der Regierungspolitik der späten Habsburgermonarchie. Es sah vor, dass Gewerkschafts- und Unternehmensvertreter „paritätisch“, also in gleicher Zahl an der Schlichtung von Streitfällen aus dem Arbeitsverhältnis mitwirken sollten. Erstmals wurde damit die Existenz unterschiedlicher Interessen von „Arbeit“ und „Kapital“ anerkannt und die Gewerkschaft als politischer Faktor ernst genommen. Einen Schritt weiter ging Handelsminister Joseph Maria Baernreither 1898, als er zu dem in seinem Ministerium errichteten „arbeitsstatistischen Amt“ einen „ständigen Arbeitsbeirat“ plante:

    Bei dem Versuche, schwierige gesellschaftliche Probleme zu lösen, kann es sich nicht darum handeln, verschwommene Ansichten zu sammeln, sondern ein Resultat ist nur zu erwarten, wenn offen und loyal, sachlich und ernst die entgegenstehenden Interessen ihre Vertretung finden und wenn durch das gegenseitige Sich-Aussprechen nach und nach jener Wall von Misstrauen, von Missverständnissen und einseitigen Parteiansichten abgetragen wird.

    Hier wurde nicht nur das Bestehen von Interessengegensätzen anerkannt, sondern auch das Austragen von Interessenkonflikten zur Voraussetzung für tragfähige Kompromisse erklärt. Das klingt wie das Urkonzept der modernen Sozialpartnerschaft – der Haken liegt im Wörtchen „loyal“. Dort, wo die Machtverhältnisse infrage gestellt werden konnten, hatte die Öffnung ihre Grenzen. Nur hielten es die klügeren Politiker für besser, der gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterbewegung kontrollierten Spielraum zu eröffnen und auf Gewalt zu verzichten. Rudolf Müller, einer der Gründer der freigewerkschaftlichen Eisenbahner-Organisation, brachte Baernreithers Konzept auf den Punkt:

    Er wollte so ein Stück Harmonie zwischen Unternehmern und Arbeitern schaffen. Es sollten dort die harten Kanten des Klassenkampfes abgeschliffen werden.

    Die Gewerkschafter im „Arbeitsbeirat“ beteiligten sich zwar engagiert an dessen Entscheidungsfindungen, wussten aber um die Grenzen einer solchen außerparlamentarischen Mitbestimmung ohne demokratische Bedingungen. Rudolf Müller beim Kongress der Freien Gewerkschaften 1913:

    Solange die Arbeiterschaft kein allgemeines, gleiches und direktes Wahlrecht hatte, hat der Arbeitsbeirat einen bestimmten Zweck … erfüllen können. Das hat auch die Regierung gewusst. Darum hat sie ihm eine sehr engherzige Geschäftsordnung gegeben. … Sie konnte ihn einberufen und entlassen, ganz nach Belieben. … Es ist … im Laufe der Zeit gelungen, die Institution einigermaßen zu modernisieren. … Aber diese geringe Erweiterung hat auf das Wesen der Körperschaft keinen Einfluss gehabt. Wir dürfen zwar Gutachten abgeben, aber die Regierung ist nicht im Mindesten irgendwie daran gebunden. … Was wir … in erster Linie von dieser Institution verlangen, ist, dass ihre … Beschlüsse bindend sind, … dass sie dem Parlament vorgelegt werden.

    Ausgewählt und kommentiert  von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322472 Maulschlösser für das Volk - so kritisierten "Die Glühlichter" 1894 den Mangel an Demokratie im Kaiserstaat. Der Weg von der gebremsten Mitsprache ab 1896 bis zur echten Mitbestimmung in der demokratischen Republik von 1918 war steinig. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494322441 Verleihung der Anton-Benya-Preise „Ohne Facharbeit könnte die österreichische Wirtschaft nicht die Erfolge bringen, die sie erzielt“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar anlässlich der Verleihung der Anton-Benya-Preise. „Danke an all jene Menschen, die das ermöglichen: an die AusbildnerInnen, die BerufsschullehrerInnen und an alle anderen in den Unternehmen, die dafür sorgen, dass es weiterhin eine qualitätsvolle Fachkräfteausbildung gibt. Dieses Fundament müssen wir weiter ausbauen und stärken.“

    Ausgezeichnet wurden am 20. Oktober im Wiener Rathaus unter anderem die Lehrwerkstätte der Firma Verbund in Ybbs an der Donau, ein Gesundheitsprojekt der Lehrlingsstiftung Eggenburg sowie das ÖBB-Lehrlingsprojekt „Verdrängte Jahre – Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938–1945“. Insgesamt wurden 21 Preise vergeben.

    Bundespräsident Heinz Fischer wandte sich per Videobotschaft an die SiegerInnen – und er würdigte den Stifter, den früheren ÖGB-Präsidenten Anton Benya: „Er hatte sein Ohr bei den Menschen, er wusste, wo sie der Schuh drückt.“

    Bundeskanzler Werner Faymann machte auf den Zusammenhang zwischen schlechter Ausbildung und Arbeitslosigkeit aufmerksam: „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass durchschnittlich ein Fünftel der Jugendlichen Europas, in vielen Regionen über 60 Prozent, keine Arbeit findet. Wir dürfen uns nicht an eine Gesellschaft gewöhnen, die unmenschlich ist, wo letztlich die Demokratie infrage gestellt wird.“

    Mehr Infos unter www.oegb.at

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    Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322434 21 Preise wurden heuer vergeben - um die große Bedeutung der Facharbeit, besonders der manuellen Arbeit, bewusst zu machen. Die Gesamtdotierung der heurigen Preise beträgt 22.300 Euro. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322428 Benya hat gesagt, es solle "gewisse Unterschiede nicht mehr geben, so den in der Behandlung von manuell und geistig tätigen Menschen". Beide seien gleich wichtig für die Gesellschaft. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320645 ÖGJ: Erfolgsmodell Lehre attraktiver machen Minister Reinhold Mitterlehner will das Erfolgsmodell Lehre weiterentwickeln und attraktiver machen. Dem stimmt die Gewerkschaftsjugend voll und ganz zu – allerdings soll die Lehre nicht für Ausbeuter und Schmalspurausbildner attraktiver werden, sondern für die Jugendlichen und für die gesamte Wirtschaft“, sagt Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). Dafür brauche es mehr als nur Imagemaßnahmen: „Die Qualitätssicherung muss ausgebaut werden. Derzeit ist die duale Ausbildung der einzige Bereich im gesamten Bildungssystem, wo Qualität so gut wie überhaupt nicht kontrolliert wird.“



    „Wenn die Unternehmen besser ausbilden würden, könnte sich Österreich die eine oder andere Image-Kampagne für die Lehre sparen. Denn viele Jugendliche wollen eine praktische Ausbildung machen, sie entscheiden sich aber oft dagegen, weil die Lehrplätze zu unattraktiv sind.“ Unternehmen, die gut ausbilden und attraktive Angebote für Jugendliche haben, haben hingegen keine Probleme. Sie bekommen viele Bewerbungen und können sich ihre Lehrlinge aussuchen. Ernszt: „Die jammern dann auch nicht darüber, dass ihnen die Jugendlichen alle zu dumm sind.“

    Für mehr Qualität in der Lehrausbildung fordert die ÖGJ:

    • die Einführung einer verpflichtenden Teilprüfung, die auf die Lehrabschlussprüfung angerechnet wird;
    • mehr Kontrollen über die tatsächliche Ausbildungstätigkeit;
    • regelmäßige Weiterbildungen der AusbildnerInnen.

    Bessere Qualität sollte aber mit mehr angebotenen Lehrstellen einhergehen. „Die Wirtschaft muss wieder mehr Lehrlinge ausbilden. Die Zahl der Lehrstellen ist seit 1980 um ein Drittel zurückgegangen, gerade 20 Prozent der Unternehmen, die Lehrlinge ausbilden könnten, tun das auch. Die Zahlen machen klar, dass vor allem auf der Seite der Wirtschaft einiges getan werden muss – sich auf schwache Geburtenjahrgänge auszureden ist zu wenig und verbessert nichts an der Situation“, kritisiert Ernszt. Auch AMS-Chef Johannes Kopf rechne bis 2018 mit einem weiteren Rückgang auf 13,4 Prozent Ausbilderbetriebe. Die ÖGJ fordert daher einen Ausbildungsfonds (Fachkräftemilliarde), in den Firmen einzahlen, die nicht ausbilden, obwohl sie es könnten, und aus dem Betriebe, die qualitativ hochwertig ausbilden, Förderungen erhalten. Der Fonds soll durch ein Prozent der Jahresbruttolohnsumme durch die Unternehmen finanziert werden.

    Mehr Infos unter:
    tinyurl.com/k8b4qsp

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    Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320639 vida: Gottfried Winkler zum Vorsitzenden gewählt Vom 4. bis 6. November fand der 3. Gewerkschaftstag der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida statt. Dabei wurde von den rund 500 Delegierten ein neues Grundsatzprogramm beschlossen. „Wir haben nicht nur die personellen Weichen gestellt, sondern mit unserem neuen vida-Grundsatzprogramm auch inhaltliche Vorgaben beschlossen. Mit diesem Programm wollen wir unser politisches Profil schärfen und wichtige gewerkschaftspolitische Akzente setzen“, betonte der mit 91,39 Prozent gewählte vida-Vorsitzende Gottfried Winkler. „Wir begnügen uns aber nicht mit Forderungen, sondern wollen uns beim nächsten Gewerkschaftstag in fünf Jahren an konkreten Zielen messen lassen“, kündigte der vida-Vorsitzende Winkler an. Als Beispiele nannte er die Senkung der Lohnsteuer, den Rechtsanspruch auf Pflegekarenz oder die verpflichtende Verankerung von Qualitäts- und Sozialkriterien in Ausschreibungen.
Die vida setze sich neben einem fairen Steuer- und Abgabensystem und 1.500 Euro Mindestlohn für alle vida-Branchen auch weiterhin für einen starken Sozialstaat ein, so Winkler.

    Um die Umsetzung schlagkräftig voranzutreiben, wurde auch die interne Struktur der Gewerkschaft verändert. Die vida ist künftig in acht Fachbereiche unterteilt: Dienstleistungen, Eisenbahn, Gebäudemanagement, Gesundheit, Luft- und Schiffverkehr, Soziale Dienste, Straße, Tourismus. „In jedem dieser Fachbereiche arbeiten engagierte FunktionärInnen und Beschäftigte der vida zusammen und gestalten aktiv die Arbeitswelt mit. Dazu gehören KV-Verhandlungen genauso wie die Zusammenarbeit mit Bündnis- und Sozialpartnern oder die Einbringung in Gesetzgebungsprozesse“, erläuterte Winkler. Die neue Struktur wurde von den Delegierten einstimmig beschlossen.
Im Rahmen des vida-Gewerkschaftstages hielt der Soziologe, Politiker und Autor Jean Ziegler ein Impulsreferat zum Thema „Kampf gegen die absurde Weltordnung – Verteilungsgerechtigkeit“. „Wir leben in einer Welt, in der das Kapital wütet. Die 500 größten Konzerne kontrollierten im letzten Jahr 52,8 Prozent des Weltbruttosozialprodukts“, berichtete Ziegler und machte deutlich: „Während die Profitmaximierung voranschreitet, wachsen im Süden die durch Hunger entstandenen Leichenberge weiter an. Dieses kannibalische System aus struktureller Gewalt muss gebrochen werden.“

    Mehr Infos unter:
    gewerkschaftstag.vida.at

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    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320636 Die Arbeit&Wirtschaft-App ist da! Die A&W gibt es nun auch als App, die zahlreiche Vorteile für die Nutzung über Smartphone und Tablet bietet. Optimiert für die mobilen Lesegewohnheiten, kann jeder Artikel zusätzlich zur PDF-Anzeige auch in der Leseansicht als HTML-Volltext geöffnet werden – samt Inhaltsverzeichnis und multimedial eingebetteten Inhalten.

    Navigieren mit einfachen Wisch-Gesten, eine komfortable Suche in einzelnen oder allen gespeicherten Ausgaben sowie eine praktische Merkfunktion von Artikeln oder Ausgaben sind nur einige Features.

    Zusätzlich ermöglicht die App auf Handy und Tablet die Nutzung des Blogs, der sich tagesaktuell mit Hintergründen zu aktuellen Debatten, Argumenten und Analysen abseits des Mainstreams auseinandersetzt. Holen Sie sich die A&W-App jetzt kostenlos für Ihr mobiles Endgerät – sie steht sowohl im iTunes- (tinyurl.com/k3wtopl) als auch im Google-Play-Store (tinyurl.com/n88ze5e) zum Download zur Verfügung.

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    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320628 Standpunkt | Die Macht der Ameisen Es ist ein Video, das immer wieder durch die sozialen Medien geistert: Zu sehen sind Ameisen, die fleißig am Werken sind. Auf einmal wird eine von ihnen von einer unbekannten Kraft angesogen. Es ist ein Ameisenbär, der sich sein Futter holen möchte. Die anderen Ameisen reagieren sofort, bilden gemeinsam eine große Kugel, sodass der Ameisenbär sie letztlich alle gehen lassen muss. Natürlich, die Arbeitgeber wollen ihre Angestellten oder ArbeiterInnen nicht gleich aufessen. Die Aussage dahinter aber bleibt: Gemeinsam ist man stärker als allein.

    Welche Macht?

    Nun ist die Realität natürlich komplizierter. „Mitbestimmung bezeichnet grundsätzlich die Mitwirkung und Mitentscheidung jener, deren Existenz, Arbeits- und Lebensweise durch Entscheidungen anderer beeinflusst werden (können), welche aufgrund formaler Rechts- oder Besitzverhältnisse dazu befugt sind, aber deren Entscheidungsbefugnisse durch die Mitbestimmung der davon Betroffenen ihre Begrenzung finden.“ So lautet die Definition auf Wikipedia. Diese enthält nicht nur zentrale Dimensionen von Mitbestimmung, sie weist auch auf zentrale Herausforderungen hin. Denn wie viel Macht haben ArbeitnehmerInnen in Zeiten von Wirtschaftskrise und ständigem Personalabbau überhaupt noch? „Das bringt nichts.“ „Wir haben ja eh keine Macht.“ „Die sitzen sowieso am längeren Ast.“ Solche und ähnliche defätistische Aussagen drücken ebendiese Sorge aus.

    Keine Frage, die schwierige wirtschaftliche Lage lässt so manchen Betriebsrat mehr zum Abwehrgremium werden, der zudem immer wieder zwischen die Fronten gerät. Gerade in dieser Situation ist die Rolle der Betriebsräte nämlich umso wichtiger: Sie sind wichtige Sprachrohre der Belegschaft, die oftmals aus Sorge um den eigenen Arbeitsplatz lieber stillhält, als ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu geben. Es hilft aber alles nichts: Wer möchte, dass sich etwas tut – sei es, sich nicht verschlechtert oder vielleicht sogar verbessert -, muss den gewählten VertreterInnen ehrliche Rückmeldungen geben und sie über die Probleme informieren. Auch wenn es in vielen Betrieben dafür immer weniger Spielräume dafür gibt, so sollten sich ArbeitnehmerInnen ihre Möglichkeit mitzubestimmen keinesfalls nehmen lassen.

    Freiere Zeiteinteilung, arbeiten von zu Hause, einfacher Austausch via Intranet und soziale Medien, mehr Gestaltungsspielräume: So lauten einige der Verheißungen der neuen Arbeitswelt. In der Tat ist es in vielerlei Hinsicht besser, wenn man bei der Gestaltung der eigenen Arbeitsabläufe stärker mitbestimmen kann. Immerhin wissen die meisten ArbeitnehmerInnen sehr genau, wo Verbesserungen nötig oder möglich wären. Wie so oft ist diese neue Entwicklung ambivalent: Auf der einen Seite werden die MitarbeiterInnen stärker einbezogen. Auf der anderen Seite aber sollen sie quasi selbst bisweilen an der eigenen Optimierung herumfeilen, ohne dass sie selbst finanziell für diese Leistungen entschädigt werden. So manche Führungskraft entledigt sich so der eigenen Verantwortung.

    An einem Strang ziehen!

    Natürlich agieren keineswegs alle Arbeitgeber so. Letztlich ist es auch in ihrem Interesse, dass die MitarbeiterInnen zufrieden sind. Mitbestimmung spielt hier eine wesentliche Rolle, wie eine Umfrage belegt: Gibt es in einem Unternehmen einen Betriebsrat, sind die MitarbeiterInnen zufriedener – und zwar sowohl mit ihren Rechten, mit der sozialen Einstellung des Betriebs gegenüber den MitarbeiterInnen als auch mit dem Einkommen. Keine Frage, Mitbestimmung braucht auch Mut, mal mehr, mal weniger. Doch auch der Ameisenbär kann nur dann um sein Essen gebracht werden, wenn die Kugel groß genug ist. Anders ausgedrückt: Je mehr an einem Strang ziehen, desto stärker können sie auch mitbestimmen. Und das ist allemal besser, als über sich bestimmen zu lassen!

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    Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320611 Mitbestimmungsfaktor Bildung Wissen ist Macht!“ Wie mächtig und wirksam Wissen sein kann, hat sich in verschiedenen Epochen der Geschichte immer wieder gezeigt, wenn scheinbar gefestigte Weltbilder und soziale Verhältnisse infrage gestellt und überwunden wurden. Um „Wissen“ zu „Macht“ zu machen, wurde immer wieder um den Stellenwert von und den Zugang zu Bildung gekämpft. Beispielhaft dafür ist u. a. die Gewerkschaftsbewegung, deren Entstehung in engem Zusammenhang mit Bildungsaktivitäten stand und von der Gründung von „Arbeiterbildungsvereinen“ ausging.

    Selbstermächtigung

    Die ArbeiterInnen lebten ein in hohem Maße fremdbestimmtes Leben unter der Herrschaft der Unternehmer. Ihre Lage war Grundlage für die Formierung emanzipatorischer Interessen, die eine Befreiung aus den herrschaftlichen Zwängen verfolgten. Bei ihren Bildungsaktivitäten und -vereinen ging es daher um die Schaffung selbstbestimmter Räume mit dem Ziel, die wirtschaftliche und politische Mitbestimmung der ArbeiterInnen zu organisieren und so Rechte zu erkämpfen und ihre Lebenssituation zu verbessern. Bildung war hier eine Voraussetzung für wie auch ein Mittel zur Selbstermächtigung und Mitbestimmung.

    In der gegenwärtigen „Epoche des lebenslangen Lernens“ mag Wissen nach wie vor eine Art von Macht sein, allerdings erscheint ihr Machtpotenzial stark heruntergekommen. „Bildung“ wird mehr oder weniger zur Anforderung an die/den Einzelne/n, um ihre/seine Chancen am Arbeitsmarkt bzw. im Beruf noch irgendwie halbwegs zu wahren. Für weite Teile der Bevölkerung, die nicht auf die Vererbungseffekte gebildeter und gut situierter Eltern hoffen können, verkümmert sogar dieser letzte Rest an Selbstbestimmung durch Bildung dort, wo „lebenslanges Lernen“ als einzige oder letzte Chance, als Anpassungsqualifizierung an eine sich immer schneller entwickelnde wirtschaftliche Dynamik formuliert wird – und das sowohl von Human-Resources-Abteilungen als auch von der Arbeitsmarktpolitik. „Bildung wird in dieser Entwicklung zu einer Drohung, zu einer nicht ausdifferenzierten, auf alle Lebensbereiche ausgedehnten, aber ausschließlich auf Anpassung bezogenen Notwendigkeit für alle.“1

    Lippenbekenntnis

    Parallel zu dieser Entwicklung wird zwar die Bedeutung von Bildung und Weiterbildung von Politik und Wirtschaft permanent beschworen. Doch weder im Schulsystem noch in der Weiterbildung sind entscheidende Änderungen hinsichtlich der sozial selektiven Wirkung des Systems festzustellen. Das Schulsystem verteilt Bildungschancen nach sozialer Herkunft, die Erwachsenenbildung erreicht gering Qualifizierte nur sehr schlecht.

    Es gibt zwei „Flaschenhälse“ für die Bildungsbeteiligung, die Bildungsangebote, wie sie heute stark propagiert werden, ganz einfach unattraktiv für potenzielle Zielgruppen machen. Erstens die Individualisierung der Verantwortung für Bildung mit dem mehr als vagen Versprechen, die eigene Lebenssituation verbessern zu können. Diese Strategie geht nicht auf, im Gegenteil: „Wenn man die Sinndeutungen der Subjekte konsequent im Zusammenhang mit ihrem lebensweltlichen Kontext betrachtet, dann kann man Nicht-Handeln, in dem Fall Nicht-Teilnahme oder Desinteresse an Weiterbildung auch als Widerstand gegen eine fremdbestimmte Aufforderung zur Daueranpassung verstehen“, stellt der Soziologe Manfred Krenn fest.2

    Zweitens gibt es ein in mehrfacher Hinsicht problematisches Verständnis von Bildung in den Betrieben – und zwar sowohl die Zielgruppen, das Ausmaß als auch die Art und das Verständnis betrieblicher Bildungsmaßnahmen betreffend. Während überhaupt nur ein Drittel aller Beschäftigten in österreichischen Unternehmen in den „Genuss“ von betrieblichen Weiterbildungsaktivitäten kommt3, konzentrieren sich die Angebote zusätzlich vor allem auf bereits höher qualifizierte („bildungsaffine“) MitarbeiterInnen. Für diese gibt es dann durchaus auch Angebote zur allgemeinen Bildung (Persönlichkeitsentwicklung, Kompetenztrainings), während sich der Rest der Angebote stark auf eher eng zugeschnittene fachliche Qualifizierung beschränkt.

    Experimentierfeld

    Diese beiden Problemfelder machen deutlich, dass die Bildungsinteressen und -bedürfnisse der Lernenden selbst vernachlässigt werden. Es ist fraglich, ob ein derartiges Bildungs(un)verständnis die Selbstbestimmungsansprüche als wesentlichen Motivationsfaktor für Bildung überhaupt in den Blick bekommt.

    Jedenfalls in den Blick zu nehmen ist die allgegenwärtige Krise, in deren Entstehen die oben beschriebenen Entwicklungen eingeflochten waren. Kaum eine Aufgabe stellt sich dringlicher, als die bestehenden Verhältnisse infrage zu stellen und Bildung und Arbeit anders als bisher zu gestalten. Bildung gekoppelt an Mitbestimmungsansprüche wäre somit wieder höchst gefragt. Doch von wo könnte dieser Prozess ausgehen?

    Es liegt nahe, hier insbesondere an den Betrieb zu denken, da hier einerseits viel Zeit verbracht wird und andererseits Gruppen mit ähnlichen Interessenlagen identifiziert werden können. Beide Aspekte begünstigen prinzipiell die Gestaltung von Bildungsangeboten. Betriebe als „mitbestimmte Bildungsräume“ bieten sich auch deshalb an, weil BetriebsrätInnen in Sachen Weiterbildung als wesentliche Instanz, die Mitbestimmungsmöglichkeiten und -ansprüche der ArbeitnehmerInnen bündelt, aktiv werden können. Entsprechend kommt eine aktuelle Studie zu dem Ergebnis, dass sich die Existenz von BetriebsrätInnen in einem Unternehmen tendenziell positiv auf die betriebliche Weiterbildung auswirkt. In mitbestimmten Firmen wird demnach vor allem auch mehr in allgemeine Weiterbildung investiert als in Firmen ohne Betriebsrat.4

    Die Ausgangslage ist allerdings alles andere als einfach. Arbeitsverdichtung, Entgrenzung von Arbeit und Individualisierung unternehmerischer Verantwortung erhöhen den Druck auf ArbeitnehmerInnen. BetriebsrätInnen agieren ihrerseits vielfach aus einer defensiven Position heraus.

    Potenziale

    Doch schwierige Situationen beinhalten gerade ein Momentum, das emanzipatorische Perspektiven begünstigt. Vorstellbar ist, dass über den Einsatz für Bildung Mitbestimmungspotenziale ausgebaut werden. Der Einsatz für Bildungsmöglichkeiten im Sinne der Belegschaft kann den Boden aufbereiten, um auch bei anderen Themen im Betrieb die Handlungsspielräume und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu erweitern. Für die Praxis sind hier noch konkrete Umsetzungsvarianten zu ergründen, von Betriebsversammlungen als Bildungsveranstaltungen bis hin zu selbst organisierten abteilungsübergreifenden Lerngruppen.

    Distanz zum Alltag

    Vielversprechend ist eine Mitbestimmungsstrategie, die auf das Thema Bildung setzt, vor allem auch deshalb, weil Bildungsprozesse prinzipiell auch Zeit und Raum bieten, um sich von den Dynamiken des Arbeitsalltags zu distanzieren und sich seiner Situation bewusst zu werden. Das ist wohl auch ein wesentlicher Grund, warum Unternehmen nur sehr selektiv und in sehr geringem Ausmaß Bildungsmöglichkeiten ihrer MitarbeiterInnen fördern. Vermutlich wissen sie über die Macht von Bildung besser Bescheid, als der Interessenvertretung der ArbeitsnehmerInnen lieb ist.

    Blogtipp:
    blog.arbeit-wirtschaft.at/der-betriebsrat-bringts-zusammen-beschaeftigten-und-bildung/

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor thomas.kreiml@gpa-djp.at
    oder die Redaktion
    aw@oegb.at

    1 Vater, Stefan: Lebenslanges Lernen und Ökonomisierung im Bildungsbereich. Gemeinnützige Erwachsenenbildung, Prekarisierung und Projektarbeit. In: Magazin erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 0, Wien 2007, Seite 05-2,
    online: tinyurl.com/q8by2km

    2 Krenn, Manfred: Gering qualifiziert in der „Wissensgesellschaft“ – Lebenslanges Lernen als Chance oder Zumutung? Wien: FORBA, Seite 17, online: tinyurl.com/p9dvstj
    3 Vgl. Statistik Austria: Betriebliche Weiterbildung 2010, Wien 2013.
    4 Vgl. Cantner, Uwe/Gerstlberger, Wolfgang/Roy, Ipsita: Works Councils, Training Activities and Innovation: A Study of German Firms, Jena Economic Research Papers Nr. 2014–006.

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    Thomas Kreiml, GPA-djp Bildungsabteilung Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322358 Es gibt zwei "Flaschenhälse" für die Bildungsbeteiligung: Erstens die Individualisierung der Verantwortung. Zweitens konzentrieren sich die Angebote auf höher qualifizierte ("bildungsaffine") MitarbeiterInnen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322352 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320603 Der Betriebsrat als Störfaktor Wenn Beschäftigte so motiviert sind, dass sie auf Arbeitszeitregelungen pfeifen und BetriebsrätInnen als lästige Prinzipienreiter betrachten, dann steckt dahinter vielleicht indirekte Steuerung. Dieser Führungsstil, auch als indirekte Personal- oder Unternehmenssteuerung bezeichnet, bedeutet das Ende des hierarchischen „Command and Control“-Systems. Die Beschäftigten gewinnen an Autonomie und haben so mehr Spaß im Job. So viel Spaß, dass Stechuhren überflüssig und (unbezahlte) Überstunden einfach selbstverständlich werden … Ja, Arbeit kann und soll Spaß machen. Sie ist für die meisten Menschen ein wichtiger und sinnstiftender Teil ihres Lebens. Idealerweise bietet der Arbeitsplatz Herausforderungen, Erfolgserlebnisse und Anerkennung. Der gegenseitige Austausch und die Zusammenarbeit in einer Gruppe sind im Prinzip menschliche Grundbedürfnisse. Doch wie weit bzw. lange ist außergewöhnliches berufliches Engagement tatsächlich freiwillig, angesichts von Krisenszenarien, Standortschließungen, Jobabbau, Verdrängungswettbewerb und dem Zwang zur Selbstoptimierung?

    Indirekte Steuerung

    Um möglichst schnell auf veränderte Marktgegebenheiten (technische Innovationen, gesellschaftliche Trends etc.) reagieren zu können, orientieren sich Unternehmen heute vor allem nach außen – an Konkurrenten, den KundInnen, LieferantInnen oder den Aktionären (Vermarktlichung). Der dadurch entstehende Druck wird unmittelbar an die MitarbeiterInnen weitergegeben. Das Management tritt als direkter Befehlsgeber in den Hintergrund und nimmt die ArbeitnehmerInnen mehr in die Verantwortung für die unternehmerischen Ziele. So wird bei ArbeitnehmerInnen die Leistungsdynamik von UnternehmerInnen erzeugt, was anfangs oft als positiv erlebt wird. Doch angestellte „Arbeitskraft-UnternehmerInnen“ können im Gegensatz zu Selbstständigen ihre Kennzahlen und Benchmarks nicht selbst bestimmen, und über die anstrengende Phase als ExistenzgründerInnen kommen sie praktisch nie hinaus. Wer nicht irgendwann selbst die Notbremse zieht, riskiert negative gesundheitliche Konsequenzen.

    Schlechtes Gewissen

    Der Philosoph und Gründer des Instituts für Autonomieforschung Klaus Peters schildert den exemplarischen Fall eines älteren Mitarbeiters von IBM Deutschland, der seine Arbeitszeit wegen jobbedingter gesundheitlicher Probleme auf das vertraglich vereinbarte Maß reduzieren wollte. Das Management war informiert, die KollegInnen reagierten verständnisvoll und waren damit einverstanden, einen Teil seiner Arbeit zu übernehmen. Doch schon nach wenigen Tagen bekam der Mann ein schlechtes Gewissen, weil er seine KollegInnen belastete, und arbeitete schließlich weiter wie bisher. Das Problem war im Team „gelöst“ worden, das Management hatte nicht eingegriffen.

    Das Fallbeispiel zeigt gleich drei charakteristische Merkmale indirekter Steuerung auf: Teams übernehmen Führungsaufgaben (Clan Control). Die Bildung von Teams innerhalb eines Unternehmens kann das Wir-Gefühl und auch die Kommunikation verbessern. Auch gegenseitige „Kontrolle“ ist bis zu einem gewissen Grad ein soziales Phänomen, das in allen Gruppen auftritt. Druck von außen in Form von Zielvorgaben, Bonuszahlungen u. Ä. kann allerdings bewirken, dass die Konkur-renz unter KollegInnen ansteigt. Und wie im Beispiel oben sind bei indirekter Steuerung manche Probleme nicht mehr wie früher Chefsache, sondern es wird erwartet, dass das Team damit fertig wird. Verantwortungsgefühl dem eigenen Team gegenüber ist nur einer der Gründe, wenn Beschäftigte trotz gesundheitlicher Probleme oder Krankheit zur Arbeit kommen (Präsentismus). Dahinter kann auch einfach Angst vor Jobverlust stecken – oder die sogenannte interessierte Selbstgefährdung. So bezeichnen Fachleute das Phänomen, wenn man wider besseres Wissen bewusst seine Gesundheit riskiert, weil eine Sache Spaß macht.

    Wenn Stechuhren abgeschafft werden, dann kann das Freiheit bedeuten oder ein Zeichen dafür sein, dass ohnehin genügend Druck und Kontrolle gegeben sind, um die Beschäftigten ausreichend zu motivieren:

    • Von der Unternehmensleitung werden (zum Teil) nicht beeinflussbare externe Bedrohungsfaktoren wie Preisgestaltung der Konkurrenz, Marktgegebenheiten, Aktienkurse oder (drohende) Standortschließungen gezielt kommuniziert.
    • Druck durch Standardisierung von Prozessen, Kennzahlen und Zielvorgaben: Rund 60 Prozent der österreichischen Betriebe arbeiteten laut ISW-Betriebsrätebefragung 2011 mit Zielen oder Leistungsvorgaben.1 Im ArbeiterInnenbereich finden sich meist Gruppenziele, häufig unter Einbeziehung des Betriebsrates. Hingegen sind im Angestelltenbereich eher Individualziele (ohne Beteiligung des Betriebsrates) üblich. Beim Nichterreichen der Ziele arbeiten 56 Prozent der Beschäftigten intensiver und länger. Rund die Hälfte der Betroffenen muss in diesem Fall mit Einkommensverlusten rechnen. Die gute Nachricht: Stärkere Einbindung des Betriebsrates in Entscheidungen der Geschäftsführung führt zu einer merklichen Verringerung von Arbeitsbelastungen wie unbezahlter Mehrarbeit, Burn-out etc.
    • Output-Control: Das Verhältnis von Erfolg und Misserfolg tritt an die Stelle von Lob und Tadel. Entscheidend ist nicht, ob man sein Bestes gegeben hat, sondern der (messbare) Erfolg. Als besonders belastend und unwürdig wird dabei häufiges, teilweise tägliches oder gar stündliches Aktivitäten- und Ergebnis-Controlling empfunden.
    • Standorte, Filialen, Niederlassungen, aber auch einzelne Abteilungen müssen miteinander konkurrieren. Bei den verschiedenen Geschäftsbereichen wird zwischen „Ertragsbringern“ und „Kostenverursachern“ unterschieden. Der Konkurrenzdruck wird sowohl durch harte Zahlen erzeugt, aber auch durch die Kommunikation, häufig in Form eines regelrechten Zelebrierens von Erfolgsgeschichten.
    • Zusätzlich erzeugen Standortverlegungen und häufige Umstrukturierungen Stress und Unsicherheit bei den einzelnen Beschäftigten. Niemand kann sich mehr darauf verlassen, ob er die Voraussetzungen, nach denen er heute plant, im nächsten Jahr tatsächlich weiter vorfindet, ob etwa die Abteilung A oder der Standort B überhaupt noch vorhanden ist.

    Gegensteuern

    Es liegt in der Natur der indirekten Steuerung, dass sie mit all ihren Risiken nicht einfach zu identifizieren ist. Umso wichtiger ist die Arbeit der BetriebsrätInnen, um zu verhindern, dass aus dem „Commitment“ engagierter Beschäftigter, die sich meist als selbst schuld am steigenden Leistungsdruck erleben, ernsthafte gesundheitliche Probleme entstehen. Keine einfache Aufgabe, wenn Unternehmen etwa Mechanismen der Gruppendynamik gezielt zur Profitmaximierung einsetzen. Arbeitsrechte und Betriebsrat werden oft als nicht hilfreich angesehen. 42 Prozent der BetriebsrätInnen beobachten, dass sich Beschäftigte aus freien Stücken nicht an Schutzbestimmungen halten. Klaus Peters empfiehlt, sich nicht gegen die neue Selbstständigkeit an sich zu wenden, sondern gegen deren Einschränkungen. Die Unternehmen sollten mit den in der menschlichen Natur liegenden Sachzwängen konfrontiert werden. Solidarität und gemeinsames Vorgehen sind heute genauso wenig out wie kritisches Denken und Selbstverantwortung. Jede/r muss für sich selbst herausfinden, was für sie oder ihn gut ist. Aber niemand muss das allein tun.

    1 Gerhartinger, P./Specht, M./Braun, J.: Ergebnisse der ISW-Betriebsrätebefragung 2011, Kapitalmarktorientierte Unternehmensführung, indirekte Steuerung und deren Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, Auszug aus WISO 4/2011, Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. www.isw-linz.at

    Linktipp:
    Institut für Autonomieforschung, Berlin, mit zahlreichen Infos, Links und Literaturtipps: www.cogito-institut.de

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322319 Zumindest theoretisch soll die neue Arbeitswelt den Beschäftigten mehr Autonomie bescheren, wodurch ihnen die Arbeit mehr Spaß bringen soll. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322336 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320587 Vom Wert der BetriebsrätInnen Im politischen Diskurs werden BetriebsrätInnen und die sie tragende Gewerkschaftsbewegung von neoliberalen Meinungsmachern gerne als altmodisch, rückschrittlich, Verhinderer und Betonierer – kurz als unzeitgemäß und überholt dargestellt. Es ist daher wichtig zu überprüfen, ob diese Botschaften bei ArbeitnehmerInnen Gehör finden und BetriebsrätInnen und Gewerkschaften in Misskredit bringen oder ob die betriebsrätliche und gewerkschaftliche Mitbestimmung weiter den Stellenwert im Bewusstsein der Menschen hat, den sie verdient.

    Rahmenbedingungen

    In einer Zeit, in der die Wachstumsschwäche im Gefolge der Finanzkrisen die Realwirtschaft und die in ihr Beschäftigten und damit auch die BetriebsrätInnen stark unter Druck bringt, ist weiters wichtig, nicht nur die Einstellungen gegenüber BetriebsrätInnen zu erheben, sondern auch die Rahmenbedingungen und Schwierigkeiten ihrer Tätigkeit. So erhalten auch die die BetriebsrätInnen betreuenden Gewerkschaften wichtiges empirisches Material, um Umfeldveränderungen zu analysieren und zu diskutieren und auf dieser Basis gegebenenfalls ihre Unterstützung für die BetriebsrätInnen adaptieren oder weiterentwickeln zu können. Mit diesen Zielsetzungen hat daher die AK Wien in Kooperation mit den Gewerkschaften in den Jahren 2012/2013 durch IFES eine repräsentative Befragung unter ArbeitnehmerInnen (mit und ohne Betriebsrat) sowie unter Betriebsratsmitgliedern durchführen lassen.

    1. Hohe Zustimmung zu Betriebsrat und Gewerkschaften

    Die Ergebnisse der Befragung zeigen eine hohe Zustimmung zur kollektiven Vertretung von Interessen der ArbeitnehmerInnen durch gewählte BetriebsrätInnen. Ebenso werden die Gewerkschaften als wichtige gesellschaftspolitische Akteure wahrgenommen. Aus Sicht der Beschäftigten sprechen viele Gründe für die Errichtung eines Betriebsrates, allen voran, dass damit KollegInnen in schwierigen Situationen geholfen werden kann. Insgesamt fällt die Bewertung der Betriebsratsarbeit durch die Beschäftigten sehr positiv aus: Knapp zwei Drittel der Befragten fühlen sich vom Betriebsrat sehr gut bzw. gut vertreten. Dem stehen nur zwölf Prozent der Befragten gegenüber, die sich vom Betriebsrat nicht gut vertreten fühlen. Befragt nach den Eigenschaften „ihrer“ BetriebsrätInnen, attestieren die ArbeitnehmerInnen ihnen am häufigsten Vertrauenswürdigkeit, soziale Gesinnung und eine gute Gesprächsbasis mit der Belegschaft.

    2. Betriebsratsarbeit: vielfältig und verantwortungsvoll

    2.1 Motive für bzw. gegen eine Betriebsratskandidatur
    Die Motive für bzw. gegen eine Betriebsratskandidatur erlauben Rückschlüsse darauf, wie anspruchsvoll betriebsrätliche Arbeit ist, die von den Betriebsratsmitgliedern hohes persönliches Engagement und Know-how erfordert.
    Knapp ein Zehntel der befragten ArbeitnehmerInnen gibt an, schon einmal bei einer Betriebsratswahl kandidiert zu haben. Gegen eine Kandidatur zum Betriebsrat sprechen aus Sicht der befragten ArbeitnehmerInnen am stärksten die zeitliche Überlastung (57 Prozent) sowie die mit der Betriebsratsarbeit verbundene hohe psychische Belastung und Verantwortung (43 Prozent). Schwerwiegend sind mitunter auch die Sorge um mangelnde Unterstützung bzw. fehlendes Interesse seitens der KollegInnen (34 Prozent) und zu erwartende Konflikte mit der Geschäftsführung (30 Prozent).
    Bei den Motiven für eine Kandidatur zum Betriebsrat rangieren bei den befragten Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit, die Situation für die Beschäftigten zu verbessern (96 Prozent), und die generelle Stärkung der Mitbestimmung im Betrieb (86 Prozent) an vorderster Stelle. Viele haben aber auch kandidiert, weil sie von KollegInnen darum ersucht worden sind (83 Prozent) oder weil sie darin die Chance sahen, ein akutes Problem im Betrieb zu lösen (79 Prozent).

    2.2 Rahmenbedingungen der Betriebsratsarbeit
    Die befragten Betriebsratsmitglieder sind in hohem Maße zufrieden mit den ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen. Dies bestätigen mehr als zwei Drittel sowohl im Hinblick auf die Ausstattung mit Infrastruktur (wie Räumlichkeiten, Arbeitsmaterialien etc.) wie auch auf die für die Betriebsratstätigkeit zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. Jedes dritte befragte Betriebsratsmitglied beklagt hingegen mangelnde zeitliche Ressourcen.

    • Dass die zeitlichen Ressourcen ein neuralgischer Punkt für die Mitbestimmung sind, wird von anderen Ergebnissen verstärkt:
    • So etwa kann nur ein Drittel der Betriebsratsmitglieder die Betriebsratsarbeit zur Gänze in der Arbeitszeit erledigen,
    • einer Kandidatur zum Betriebsrat steht am häufigsten die zeitliche Überlastung im Wege, und
    • für ihre künftige Arbeit wünschen sich Betriebsratsmitglieder am häufigsten Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Betriebsratsarbeit, beruflicher Arbeit und Familie/Freizeit.

    Eine weitere wichtige Rahmenbedingung für die Arbeit des Betriebsrates ist dessen Verhältnis zum/zur Arbeitgeber/Arbeitgeberin. Zwei Drittel der befragten Betriebsratsmitglieder schätzen dieses als (sehr) vertrauensvoll und kooperativ ein und 23 Prozent sehen das Verhältnis im Mittelfeld. Als (sehr) konfliktträchtig und angespannt bewertet dieses Verhältnis nur jedes zehnte Betriebsratsmitglied.  Ungeachtet dessen wirkt sich das Verhalten der ArbeitgeberInnen am häufigsten erschwerend auf die Betriebsratsarbeit aus: reichend von fehlenden Informationen über ein mangelndes Vertrauensverhältnis bis hin zur mitunter feindlichen Haltung gegenüber dem Betriebsrat.
    Für je knapp ein Drittel der Betriebsratsmitglieder erschweren auch Umfang und Komplexität der Aufgaben und die aus der Betriebsratsarbeit resultierenden psychischen Belastungen die Betriebsratsarbeit.

    2.3 Veränderungen in der Arbeitswelt beeinflussen die Mitbestimmung
    Die in den vergangenen Dekaden zu beobachtende Heterogenisierung der Belegschaften – Stichworte: stärker differenzierte formale Qualifikationsstrukturen, Individualisierung und Atypisierung der Arbeit – wirkt sich auf die Arbeit der Betriebsräte aus (siehe auch „Der Betriebsrat als Störfaktor“).
    Rund ein Drittel der befragten Betriebsratsmitglieder meint, dass die betriebsrätliche Arbeit von divergierenden Interessen in der Belegschaft und zu wenig Unterstützung seitens der Belegschaft erschwert wird – ungeachtet dessen, dass die befragten ArbeitnehmerInnen ihren BetriebsrätInnen grundsätzlich eine gute Gesprächsbasis mit der Belegschaft attestieren und sich mehrheitlich interessiert an der Betriebsratsarbeit zeigen.
    Vor diesem Hintergrund gewinnt ein von den Betriebsratsmitgliedern häufig geäußerter Wunsch an Bedeutung, nämlich jener nach einer stärkeren Einbindung bisher unterrepräsentierter Gruppen in die Betriebsratsarbeit, wie etwa Frauen, MigrantInnen oder jüngeren ArbeitnehmerInnen.

    2.4 Inhalte der Betriebsratsarbeit
    Dass die Betriebsratsarbeit eine vielfältige und anspruchsvolle Tätigkeit ist, lässt sich auch aus dem breiten Themenfeld, das dabei bearbeitet wird, ableiten. Laut Angaben der befragten Betriebsratsmitglieder stehen folgende Aktivitäten im Vordergrund ihrer Betriebsratsarbeit:

    • Konfliktlösung (67 Prozent)
    • Werbung von Gewerkschaftsmitgliedern (64 Prozent)
    • Fragen im Zusammenhang mit Einstellungen und Kündigungen (63 Prozent)
    • Fragen im Zusammenhang mit Arbeitsbelastungen/Gesundheit (62 Prozent) sowie
    • Lohn- und Gehaltsfragen (60 Prozent)Ähnlich sehen es die ArbeitnehmerInnen: Sie berichten am häufigsten (jeweils 54 Prozent) von Aktivitäten der Betriebsräte in folgenden Bereichen:
    • Arbeitsbelastungen/Gesundheit
    • Lohn- und Gehaltsfragen
    • ArbeitnehmerInnenschutz/Sicherheit
    • betriebliche Sozialleistungen

    In vielen dieser Aktivitätsbereiche können die Betriebsratsmitglieder laut eigener Einschätzung gute Erfolge erzielen. Und die befragten ArbeitnehmerInnen bewerten die Erfolge „ihrer“ BetriebsrätInnen noch positiver als die Betriebsratsmitglieder selbst.

    Linktipp: Böckler-Stiftung zu Mitbestimmung:
    www.boeckler.de/index_mitbestimmung.htm

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen ursula.filipic@akwien.at christoph.klein@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Ursula Filipič, Referentin Abt. Sozialpolitik der AK Wien | Christoph Klein, Abteilungsleiter-Stellvertreter Abt. Sozialpolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494322063 Knapp zwei Drittel der befragten ArbeitnehmerInnen fühlen sich vom Betriebsrat sehr gut bzw. gut vertreten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Nov 2014 00:00:00 +0100 1414494320548 "Nicht über sich bestimmen lassen!" Zur Person: Josef Muchitsch
    Er wurde 1967 bei Leibnitz in der Steiermark geboren.
    Nach der Pflichtschule erlernte er den Beruf des Maurers. Von 1988 bis 1991 besuchte er die höhere technische Bundeslehranstalt Graz und anschließend die Sozialakademie Mödling (1991–1992). Von 1992 bis 2000 war er Sekretär bei der Gewerkschaft Bau-Holz. Seit 1992 ist er Mitglied des Gemeinderates von Leibnitz, von 1998 bis 2013 war er Vizebürgermeister (der jüngste in der Steiermark) von Leibnitz. Seit 2000 ist er Landesgeschäftsführer, seit 2006 FSG-Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. Seit 2006 ist Muchitsch Abgeordneter im Nationalrat und seit 2012 geschäftsführender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz. 

     

    Arbeit&Wirtschaft: Was hat Sie selbst motiviert, in Ihrem Betrieb mitzubestimmen?

    Josef Muchitsch: Ich bin eigentlich bestimmt worden mitzubestimmen. Ich war damals 16 Jahre und Maurerlehrling. Im Zuge einer Gruppenversammlung der Arbeiter wurde ich zum Jugendvertrauensrat bestimmt. Aus dieser Bestimmung wurde dann eine Berufung, nämlich Gewerkschafter zu werden.

    Wie kam’s? 

    Ich habe mich sofort danach dafür interessiert, was für Aufgaben ein Jugendvertrauensrat hat, warum man ihn wählt und welche Möglichkeiten der Mitbestimmung er hat. Daraufhin habe ich meinen damaligen betreuenden Gewerkschaftssekretär in der Gewerkschaft Bau-Holz irrsinnig genervt, indem ich sehr viele Fragen gestellt habe und lästig war. Das war mir aber auch zu wenig. Ich habe mir dann wirklich jedes Bildungsangebot von ÖGB und Gewerkschaften reingezogen, von Wochenendseminaren bis hin zu Stufen- und Gruppenkursen.

    Liegt der Reiz im Mitredenkönnen?

    Genau das ist es. Ich habe als Jugendfunktionär einen Lehrlingsstreik in der Landesberufsschule initiiert, weil man versucht hat, zwei dritte Klassen in einem Lehrgang zusammenzulegen. Das habe ich nicht als fair empfunden, obwohl ich damals erst im zweiten Lehrjahr war. Dann habe ich gesagt: Wir streiken jetzt einmal einen Tag und schauen, was auf uns zukommt. Das hat dann zu sehr vielen Telefonaten geführt, von Graz in Richtung Berufsschule Murau, in denen ich aufgerufen wurde, diesen Streik sofort zu beenden und einzulenken, weil er weder genehmigt noch beschlossen war. Das habe ich damals alles nicht gewusst. Das war Unwissenheit, aber volle Motivation. Und es hat dazu geführt, dass die zwei dritten Klassen nicht zusammengelegt wurden.

    In Zeiten des Sparens ist die Arbeit von BetriebsrätInnen nicht gerade einfach. Wie kann man sich da positionieren?

    Ich bewundere jeden Menschen, der sich bereit erklärt, mitzubestimmen, ob es als Betriebsrat ist oder als Ersatzbetriebsrat. Denn wir sind letztendlich in einer Gesellschaft angekommen, in der wir keine Dankbarkeit erwarten dürfen. Vielmehr wird das, was Betriebsräte ehrenamtlich leisten und wofür sie kämpfen, von den Kolleginnen und Kollegen als Selbstverständlichkeit angesehen.

    Es braucht also auch einen gewissen Mut?

    Das ist der noch vorhandene Idealismus, sich für die Kolleginnen und Kollegen einzusetzen. Und weil Betriebsräte die Einstellung haben, mitgestalten zu wollen und nicht über sich bestimmen zu lassen.

    Apropos KollegInnen: Was können sie tun, damit die BetriebsrätInnen gut arbeiten können?

    Erstens hinter dem Betriebsrat stehen. Zweitens dem Betriebsrat offen die Meinung sagen. Das Schlimmste ist, hinter den Kulissen zu raunzen, zu sudern, alles besser zu wissen, aber es nicht vor dem Vorhang vorzutragen.

    Der gestiegene Druck lässt manche zögern, sich an den Betriebsrat zu wenden. Wie kann man damit umgehen?

    Das ist Aufgabe des Betriebsrates, den Kolleginnen und Kollegen zu verstehen zu geben, dass sie ohne Angst oder auch ohne Probleme zu haben, mit ihren Anliegen zu ihm kommen können.

    Flache Hierarchien sind in. Nur besteht da nicht die Gefahr, dass Interessengegensätze verschwimmen?

    Je größer der Betrieb, umso größer auch die Forderung nach einem Betriebsrat, weil es den Eigentümern oder Chefs nicht möglich ist, sich individuell mit den Beschäftigten auseinanderzusetzen. Je kleiner der Betrieb, desto familiärer, desto fürsorglicher ist auch der Umgang mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, denn es gibt eine persönliche Beziehung und eine gegenseitige Verlässlichkeit. Schwarze Schafe sind davon jetzt ausgenommen.

    Angesichts der Sparzwänge droht der Betriebsrat zum Gremium zu werden, das nur noch Schlimmeres verhindert. Eine Gefahr?

    Der Betriebsrat darf sich vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht vom Arbeitgeber in eine Rolle drängen lassen, wo er schlechte Nachrichten an die Belegschaft überbringt. Leider passiert das in verschiedenen Fällen. Es ist nicht die Aufgabe des Betriebsrates, einen Bericht über die finanzielle Lage der Firma, über diverse Geschäftsfelder-Erweiterungen oder Sonstiges zu präsentieren. Es ist die Aufgabe des Betriebsrates, sich mit der Umverteilung im Betrieb, mit der Einkommenssituation, mit der Fairness und Gesundheit am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen. Hier tappen die einen oder anderen Betriebsräte oft in die Falle, sich als Botschafter oder Briefträger der Geschäftsführung einspannen zu lassen. Und das wirft kein positives Licht auf einen Betriebsrat. Von daher: Mitbestimmen, wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu erhalten – aber nicht, wenn es darum geht, Arbeitsplätze zu reduzieren.

    Oft wird die mangelnde Bereitschaft beklagt, sich zu engagieren. Bei der BetriebsrätInnen-Konferenz im September zeigte sich ein anderes Bild. Eine Ausnahmeerscheinung?

    Hier ging es um ein Thema – „Lohnsteuer runter!“ –, das letztendlich alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrifft, unabhängig von ihrem Status als Arbeiter, Angestellte oder Beamte. Diese Veranstaltung hat eines gezeigt: Dass es sehr wohl möglich ist, an einem Wochen- bzw. Arbeitstag Funktionärinnen und Funktionäre zu mobilisieren. Über 5.000, die sich dort eingefunden haben, waren überwiegend nicht freigestellte Betriebsräte, die ein Zeichen setzen wollten.

    Erst kürzlich forderte Neos-Chef Matthias Strolz, dass mehr Entscheidungen auf Betriebsebene verlagert werden. Was spricht eigentlich dagegen?

    Das hätten sie gerne, diese neuen, klugen Menschen im Parlament. Das Problem ist, dass nach den Freiheitlichen jetzt mit dem Team Stronach und den Neos zwei weitere Parteien den Einzug ins Parlament geschafft haben, welche Gewerkschaften nicht nahestehen. Das sind Träumer von einer gerechten Arbeitswelt, wo der Arbeitgeber den Arbeitnehmer am Gewinn teilhaben lässt, wo man sich selbst um die Pensionsvorsorge zu kümmern hat, auch wer krank wird, muss sich eben selbst darum kümmern. Diese neoliberalen Parteien hätten Österreich nicht dahin gebracht, wo wir jetzt sind, weder im Gesundheits- und Pensionssystem noch im Pflegesystem.

    Sie erwähnten, dass gerade Arbeitgeber in kleineren Betrieben die Fürsorgepflicht, die sie gegenüber ihren MitarbeiterInnen haben, sehr hochhalten. Was spricht dagegen, ihnen mehr Gestaltungsspielraum zu geben?

    Diese Familienbetriebe sind überwiegend im Gewerbebereich in Österreich angesiedelt. Wenn wir hier nicht Kollektivvertragsbestimmungen hätten, die ein Mindesteinkommen sichern – dann gute Nacht!

    Was wären die negativen Konsequenzen konkret?

    Es würde erstens ein Dumping nach unten erzeugen und einen unfairen Wettbewerb unter den Betrieben auslösen. Es würde eine wesentlich höhere Abhängigkeit von Arbeitnehmern bewirken, die nicht die Möglichkeit haben, sich gut zu verkaufen oder auch eine Leistung zu erbringen, etwa aufgrund von Handicaps – jeder Mensch wird einmal älter. Das wäre der Untergang eines fairen Wettbewerbs.

    Die sogenannte neue Arbeitswelt könnte bedeuten, dass Beschäftigte nur noch selten im Betrieb sind. Welche Perspektiven gibt es da für die gewerkschaftliche Arbeit?

    Das ist letztendlich eine Entwicklung der Zeit, wo die DienstnehmerInnen von sich aus bei den Arbeitgebern vorstellig werden, um einen Teleworking-Arbeitsplatz zu haben oder andere Arbeitsverhältnisse anzustreben. Überall dort, wo die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer außerhalb des Betriebes nicht dementsprechend schlechter behandelt wird in der Entlohnung und der sozialen Absicherung, ist es nicht aufzuhalten und soll auch nicht aufgehalten werden. Aber überall dort, wo diese Formen dazu verwendet werden, um über Ausbeutung von Menschen zu Aufträgen zu kommen oder als Arbeitgeber seine Gewinne zu erhöhen, dort sind wir natürlich aufgerufen, Stopp zu sagen.

    Nur wo kann die Gewerkschaft da noch andocken?

    Da sind die Gewerkschaften auch aufgerufen, neue Medien einzusetzen wie Social Media und anderes.

    Zur Einkommensgerechtigkeit zwischen den Geschlechtern: Da in Österreich so viel über die Kollektivverträge passiert, zählen wahrscheinlich die Kollektivvertragspartner zu den wichtigsten AkteurInnen. Welche Maßnahmen sind da geplant?

    Die Gewerkschaften haben in den letzten Jahren ja eine Gleichstellung des Kollektivvertragslohns geschafft. Wo es nicht gelingt, ist auf der Ebene danach. Das heißt, bei der freiwilligen zusätzlichen Entlohnung oder auch bei der Chance, in höher qualifizierte Positionen nachzurücken. Jeder, der etwas anderes behauptet, ist realitätsfern. Fakt ist, dass Frauen hier nach wie vor einen Nachteil haben, das bestätigen die Statistiken. Das ist auch ein Problem, das uns in den nächsten Jahren weiterverfolgen wird.

    Was wäre die wichtigste Baustelle: Sind es die Zuschläge, ist es Anrechnung von Familienarbeit?

    Ich würde sagen, es ist Aufgabe der Gewerkschaften, alles zu lösen, was den Kollektivvertrag und den Mindestlohn betrifft – dort, wo es noch Baustellen gibt. Das Darüberliegende ist auch ein Auftrag an den Betriebsrat – und auch an die Frauen selbst. Ich spreche das bewusst an: mehr Selbstvertrauen, mehr Bewusstsein, sich auf die Beine zu stellen bei unterschiedlicher Entlohnung, freiwilliger Überzahlung bei gleicher Tätigkeit. Dort gilt es stärker aufzutreten.

    Die Gewerkschaft wird immer noch als sehr männlich wahrgenommen. Wie könnte man es für Frauen attraktiver machen, sich für die eigenen Interessen zu engagieren?

    Was meine Fachgewerkschaft betrifft, ist das natürlich eine schwierige Frage, bei einem Männeranteil von 94 Prozent der Mitglieder. In meiner Zeit ist es gelungen, dass Frauen in der Gewerkschaft wesentlich stärker wahrgenommen werden, auch in unserer 94-Prozent-Männergewerkschaft, und sogar leitende Positionen und eigene Verantwortungsbereiche haben. Das wäre vor zehn, 15 Jahren noch undenkbar gewesen. Dass es sich langsam weiterentwickelt: Ja, das ist so, aber es bedarf auch entsprechender Möglichkeiten und Ressourcen. Aber es geht vorwärts.

    Sie selbst sind Nationalrat. Wie lässt sich die Funktion eines Gewerkschafters mit jener eines Parlamentariers vereinbaren?

    Dann müsste man die Frage stellen, was die Vertreter von Banken oder anderen Institutionen wie Wirtschafts- oder Landwirtschaftskammer im Hohen Haus machen. Wenn es im Hohen Haus nicht möglich sein soll, dass Interessenvertreter von der Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerseite vertreten sind, dann brauche ich dieses Haus aber auch nicht mehr unter den Titel Demokratie einordnen.

    Kritisiert wird dabei der Klubzwang.

    Den Klubzwang unter Anführungszeichen gibt es im Landtag, den gibt es im Gemeinderat. Es passiert hier nichts anderes: Im Vorfeld verständigt sich eine Fraktion darauf, wie sie zu gewissen Tagesordnungspunkten steht und wie ihr Stimmverhalten ist. In den Klubvollversammlungen wird entschieden, wie sich eine Mehrheit zu welchem Tagesordnungspunkt, zu welchen gesetzlichen Änderungen bzw. Beschlüssen bildet. Demokratie ist genauso, runtergebrochen. Da läuft eine Mehrheitsbildung in einer Fraktion haargleich wie in einer Gemeinderatssitzung oder bei einem Sportvereinsvorstand.

    Wie viele Möglichkeiten zur Gestaltung gibt es auf EU-Ebene angesichts der viel beklagten Macht der Lobbys von Banken und Wirtschaft?

    Letztendlich gelingt es nur über den direkten Zugang zu europäischen Abgeordneten, das eine oder andere noch im Europäischen Parlament zu Fall zu bringen.

    Wie steht’s um die Euro-Betriebsräte?  

    Das ist eine wichtige Ebene. Nur meine Erfahrung ist, dass wir in unseren Bereichen viel zu kleinkariert denken und sagen: Am wichtigsten ist meine Firma vor Ort und danach befasse ich mich vielleicht mit Themen, die den Europa-Betriebsrat betreffen.

    Wie kann die Gewerkschaft mehr Menschen motivieren, sich als BetriebsrätInnen zu engagieren?  

    Je stärker es uns gelingt, unsere Botschaften an die Beschäftigten zu bringen, umso größer sind die Chancen der Gewerkschaften, stärker zu werden bzw. auch Funktionärinnen und Funktionäre zu erhalten. Diese Erneuerung des ÖGB – gezwungenermaßen 2006 wegen des Bawag-Desasters – hat dazu geführt, dass Gewerkschaften letztendlich unter dem Dach des ÖGB die Eigenständigkeit erlangen mussten. Darüber hinaus ist man auch im Bereich Marketingbotschaften neue Wege gegangen. Früher war es selbstverständlich, nicht zu kampagnisieren, dass das Weihnachts- und Urlaubsgeld nicht vom Himmel fällt, sondern nur durch die Gewerkschaften erreicht und abgesichert wird bzw. dass es Gewerkschaften sind, die Lohnerhöhungen erreichen. Ich glaube, dass uns das jetzt stärker gelungen ist.

    Warum sollte man Betriebsrat oder Betriebsrätin werden?

    Ich durfte bereits in jugendlichen Jahren erkennen: Wenn man nicht selbst Politik macht, dann wird mit einem Politik gemacht. Mein Leitsatz ist: Im Wissen, man kann es nie allen Menschen recht machen, soll man eines nie zulassen, nämlich dass andere mit einem Politik machen. Deshalb: Mitarbeiten, mitkämpfen und versuchen mitzubestimmen!

    Wir danken Ihnen für das Gespräch.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at

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    Das Interview führte Sonja Fercher für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 9/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494320559 "Im Wissen, dass man es nie allen Menschen recht machen kann, soll man eines nie zulassen: nämlich dass andere mit einem Politik machen." Das ist der Leitsatz von Nationalrat und Gewerkschafter Josef Muchitsch. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170976873 Zahlen, Daten, Fakten Die Leistungen der Pensionsversicherung (Abbildung 1) und der Krankenversicherung (Abbildung 2) haben in den letzten Jahren stark zugenommen.
    Die OECD hat im Jahr 2012 geschätzt, wie viele Mittel die Mitgliedsländer für Präventionsmaßnahmen in die Hand genommen haben.
    Die Abbildung 3 zeigt, dass Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegt.
    Niedrige Präventionsausgaben sind eine mögliche Ursache für die vergleichsweise geringe Anzahl „gesunder Lebensjahre ab 65“ in Österreich.

    Zahlen, Daten, Fakten zum Thema anbei zum Downloaden!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Helmut Ivansits, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170976859 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975578 "Nicht zuletzt" ... In der Beschleunigungsfalle Stress und Burn-out sind zum zentralen Problem der Leistungsgesellschaft geworden. Ständig auf Vollgas zu sein, macht auf Dauer krank. Mehr denn je gilt Schopenhauers Satz „Ohne Gesundheit ist alles nichts“ als Basis für gute Arbeits- und Lebensqualität.

    Die beschleunigte Arbeitswelt fordert ständige Erreichbarkeit und ein inhumanes Tempo, mit dem viele Menschen nicht mehr mithalten können oder wollen. Psychischer Druck spielt bei vielen Erkrankungen eine Rolle. Präsentismus, also trotz Krankheit zu arbeiten, ist weit verbreitet. Rund ein Drittel gehen sogar gegen den Rat ihres Arztes arbeiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Stressfolgen zu einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts erklärt. Waren die drei größten Leiden der Menschheit im Jahr 1990 noch Lungenentzündung, Durchfall und Kindstod, so prognostiziert die WHO für 2020 Herzinfarkt, Depressionen und Angststörungen – allesamt häufig Folgen von Stress – als größte Gesundheitsgefahren der Menschheit.

    Drei Dimensionen
    Hartmut Rosa erfasst in seinem Buch “Beschleunigung“ die kulturellen und strukturellen Ursachen der “Beschleunigungswelle”. Er beschreibt drei Dimensionen und stellt deren Auswirkungen auf das Arbeiten und Entscheiden dar:

    • Die technische Beschleunigung führt durch den gezielten Einsatz von Technik zur Beschleunigung von Vorgängen. Sie verringert die erwarteten Durchschnittszeiten für die Bearbeitung von Aufgaben, Anforderungen sowie Reaktions- und Rechenzeiten, woraus wiederum erhöhter Zeitdruck resultiert. Die gesteigerte Informationsmenge führt zu einem Mehraufwand bei der Informationsauswahl und -verarbeitung. Die Anwendung komplexer Technologien erfordert die ständige Erneuerung von Wissen.
    • Die Beschleunigung des sozialen Wandels verändert vormals gültige Ordnungen und Strukturen und verkürzt überschaubare Zeiträume. Dies führt zur ständigen Neudefinition formeller und informeller Normen. In Folge dessen verkürzt sich der Zeitraum, während dem wir mit konstanten und damit gewohnten Arbeits- und Lebensbedingungen rechnen können. Zur Beschaffung aller relevanten Informationen für Entscheidungen, wird die Zeit immer knapper. Daher werden Entscheidungen immer seltener auf rationalen Grundlagen getroffen. Durch die kaum fassbare Komplexität begrenzen und vereinfachen wir unseren Entscheidungsrahmen (Buchtipp: “Bauchentscheidungen” von Gerd Gigerenzer).
    • Die Beschleunigung des Lebenstempos bedeutet die Steigerung der Erlebnisepisoden pro Zeiteinheit. Das wird durch Erhöhung der Handlungsgeschwindigkeit oder durch Verdichtung der Handlungsepisoden erzielt. Es kommt zur Verringerung von Pausen und Leerzeiten oder mehrere Handlungen werden gleichzeitig, jedoch mit Qualitätsverlust, ausgeübt (Multitasking). Ein Effekt ist das Ansteigen von Arbeitsaufgaben mit Dringlichkeit. Dringlichkeit verpflichtet zu unmittelbarer Aktivität, zum schnellen Handeln. Im beschleunigten Umfeld ist die Zeit zum Entscheiden knapp. Mitbestimmung kostet aber Zeit. Führungskräfte mit partizipativem Führungsstil kommen unter hohen Zeitdruck. Verlangt das Unternehmen rasche Entscheidungen, lassen sich zeitintensive Entscheidungsprozesse nicht mehr realisieren. Kommt das immer wieder oder gehäuft vor, untergräbt das die Glaubwürdigkeit partizipativer Führungsstile und gesunde Arbeit bleibt auf Strecke.

    Mit der Zeit leben
    Sich der Ursachen der Beschleunigung bewusst zu werden ist der erste Schritt, um das eigene Empfinden von Zeitzwang und Zeitdruck zu hinterfragen. “Nicht gegen die Uhr sondern mit der Zeit zu leben” wäre ein generelles Motto, den passenden menschengerechten Rhythmus von Zeit und Geschwindigkeit zu finden.
    Organisationsmodelle mit ihren Arbeitsnormen haben darauf zu achten, dass es in optimalem Ausmaß Handlungsspielräume und genügend Ressourcen gibt. Die verpflichtende Arbeitsplatzevaluierung psychischer Belastungen kann Rhythmus und Tempo ein gesundes Maß geben.
    Für gesunde Arbeit lassen sich zentrale Stellgrößen in der Arbeitswissenschaft finden. Gesunde Arbeit, verstanden als Investition statt Kostenfaktor, bringt Produktivität, Arbeitsqualität und Lebensqualität.
    Wenn Sie mehr wissen wollen, finden Sie in der Lösungswelt
    www.gesundearbeit.at Antworten.

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    Alexander Heider, Leiter der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit in der Arbeiterkammer Wien Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975564 Frisch gebloggt
  • Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich
  • Gesund dank Dr. Hartz?
  • From Russia with Love
  • Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich

    Norman Wagner zeigt anhand der neuesten Arbeitsmarktdaten einen Trend: Die Anzahl der Beschäftigten steigt, diese Steigerung war jedoch nicht von einem vergleichbaren Anstieg der Arbeitsstunden begleitet. Gleichzeitig wird die vorhandene Arbeit auf mehr Personen aufgeteilt und in der Folge sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit. Zwar ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten konstant geblieben.

    Aber: Da immer mehr Menschen in Teilzeit arbeiten (aktuell fast 27 Prozent), ist auch die durchschnittliche Arbeitsstundenzahl der Beschäftigten insgesamt entsprechend gesunken, und zwar von 39,8 auf 37,3 Stunden pro Woche. Das bedeutet, dass im letzten Jahrzehnt die Beschäftigung in Österreich gestiegen, das durchschnittliche Beschäftigungsausmaß aber gesunken ist.

    Statistisch ergibt sich daraus zwar die oft geforderte Verkürzung der Arbeits-zeit – jedoch ohne den von der ArbeitnehmerInnenvertretung geforderten Lohnausgleich. Stattdessen wird die vorhandene Arbeit auf immer mehr Köpfe verteilt. Vielfach mit unerwünschten Folgeerscheinungen wie prekären Verhältnissen und einer Zunahme der Working Poor.
    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/pvk4qtj

    Gesund dank Dr. Hartz?

    Die deutschen Arbeitsmarktreformen, die unter dem Namen „Hartz“ bekannt sind, werden oft als gelungenes Beispiel gepriesen.

    Matthias Knuth hält dagegen und zeigt, dass die tatsächlichen Wirkungen der radikalen Reformen wenig rosig sind. So wird in der Debatte oft verschwiegen, dass ein Teil des „deutschen Beschäftigungswunders“ auf demografische Entwicklungen zurückzuführen ist, die von den Reformen völlig unabhängig sind. Außerdem führt der Autor Zweifel daran an, dass sich die im internationalen Vergleich besonders niedrigen Lohnkosten im Dienstleistungsbereich tatsächlich in exporttreibenden Wettbewerbsvorteilen niederschlagen.

    Im Gegenteil: Modellrechnungen zeigen, dass eine expansivere Lohnentwicklung eine Stärkung der Binnennachfrage und damit unterm Strich mehr Beschäftigung bewirkt hätte. Insgesamt sei der Arbeitsmarkt in Deutschland durch die Reformen nicht dynamischer geworden, vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Durch das erhöhte Risiko, das Arbeitslosigkeit in Zeiten von niedrigen Arbeitslosenleistungen mit sich bringt, und die seit 2000 gesunkenen Einstiegslöhne ist die Gesamtfluktuation der Arbeitskräfte nach den Reformen deutlich niedriger als vorher, so Knuth.
    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/laebrw7

    From Russia with love

    Infolge des bewaffneten Konflikts zwischen Russland und der Ukraine hat die EU wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland verhängt. Russland reagierte mit Handelsbeschränkungen. Die WKÖ warnt vor den wirtschaftlichen Folgen und fordert ein Krisenpaket für die Wirtschaft.
    Silvia Angelo argumentiert, dass Wirtschaftssanktionen gegen einen so mächtigen Partner vor dem Hintergrund einer allgemeinen Wachstumsschwäche freilich nicht ohne Auswirkungen bleiben.

    Aber: Die Folgen müssten realistisch bewertet und Prioritäten sinnvoll gesetzt werden. So wären die direkten Handelseffekte zwar spürbar, aber überschaubar. Nicht zu unterschätzen seien dagegen die Effekte im Finanzbereich. Denn österreichische Kreditinstitute haben sich in Osteuropa besonders stark engagiert und halten in Russland und der Ukraine ein hohes Exposure.

    Ein Risiko, aus dem man Lehren ziehen sollte. Und, so Angelo, man müsse das Augenmerk auf die gesamtwirtschaftliche Krise lenken. Denn 80 Prozent der in der EU erzeugten Güter und Dienstleistungen werden im Binnenmarkt der EU verbraucht.

    Die wichtigste Ursache für die lahme Konjunktur liegt also in der Binnennachfrage. Und hier stellen die Folgen der Finanzkrise und die Austeritätspolitik die Hauptprobleme dar. Gegenmaßnahmen zu dieser Wachstumsschwäche müssen Priorität haben, z. B. durch Investitionsprogramme, die späteren Generationen zugutekommen, oder die Stärkung der Kaufkraft.
    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/k48rrco

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    Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998672062 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975506 Hautnah dabei Für mich persönlich hinterließ das Auslandspraktikum in Großbritannien einen gewaltigen Eindruck, aber nicht wegen der Gastfreundschaft, die mir entgegengebracht wurde. Besonders eindrucksvoll war für mich, hautnah miterleben zu können, mit welchem Engagement die gewerkschaftlichen KollegInnen ans Werk gehen – und das oftmals mit viel geringeren Mitteln, als sie Arbeiterkammer und Gewerkschaft heute in Österreich zur Verfügung stehen.
    Das Verhältnis der Gewerkschaften zur Regierung ist nach wie vor mehr als getrübt. Von der schweren Niederlage, welche die Gewerkschaft Mitte der 1980er-Jahre bei den Bergarbeiterstreiks einstecken musste, hat man sich bis heute nicht erholt. Auch wenn die Mitgliederzahlen, zumindest bei den Transportgewerkschaften, langsam wieder steigen, sind die Konsequenzen des damaligen Desasters bis heute deutlich spürbar.

    „Oh my God!“

    Wenn man in London jemanden auf das Thema „Privatisierung“ anspricht, erntet man Kopfschütteln, ein abschätziges Zungenschnalzen und die eine oder der andere presst schon einmal ein frustriertes „Oh my God“ hervor. Die Leute sind müde geworden, müde der Konsequenzen des Privatisierungswahnsinns, den Margaret Thatcher Ende der 1970er-Jahre gestartet hat. Seit damals wurden nahezu alle Bereiche des öffentlichen Dienstes wie Verkehr, Energie, Trinkwasser, Kommunikation und das Gesundheitssystem privatisiert.
    Die in London lebende ORF-Korrespondentin Bettina Madlener sieht die Folgen differenziert. „Während es in manchen Bereichen, wie zum Beispiel in der Wasserversorgung, finanziell durchaus Sinn macht, private Firmen mit dem Service zu betrauen, muss man auch betrachten, dass insgesamt bestimmt weniger Geld hereingekommen ist, als ausgegeben wurde.“ Vor allem die Privatisierung der Eisenbahn habe sich als Desaster herausgestellt: „Die Infrastruktur hinkt anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich gewaltig hinterher, gleichzeitig ist Bahnfahren nirgendwo in Europa teurer als in Großbritannien.“
    Das propagierte Ziel, die Höhe staatlicher Zuschüsse zu verringern, wurde jedenfalls im Eisenbahnbereich aus heutiger Sicht nicht erreicht. Seit Anfang der 1990er-Jahre stagnieren die Gewinne, während die staatlichen Zuschüsse de facto gestiegen sind. Die verschiedenen privaten Betreiber erleiden jedes Jahr erhebliche Verluste, welche der Staat wieder ausgleichen muss. Die Kosten von 4,3 Milliarden britische Pfund (ca. 5,2 Milliarden Euro) sind auch prozentuell gesehen weitaus höher als die Zuschüsse, welche die Bahn vor der Privatisierung erhielt.

    McNulty-Report und die Reaktion

    Der im Mai 2011 von Wirtschaftsexperten erarbeitete und von Sir Roy McNulty unter dem Titel „Rail Value for Money“ veröffentlichte Report löste kontroverse Debatten aus. Zwar sind viele der darin enthaltenen Zahlen und Informationen durchaus korrekt – die darin angeführten Ursachen sowie die Vorschläge zur Beseitigung der Missstände sind es aus gewerkschaftlicher Sicht nicht. McNultys Schuldzuweisung liest sich fast wie ein schlechter Witz. Von einer „zu starken Einmischung der Regierung“ ist darin die Rede sowie von einer daraus resultierenden „unternehmerischen Einengung“, die den Firmen „zu wenig unternehmerische Freiheit lasse“.

    Die richtige Medizin

    Die Antwort der Gewerkschaft kam prompt. Bob Crow, damals amtierender General Secretary der Transportgewerkschaft RMT und inzwischen leider verstorben, konterte in seinem „RMT briefing on the McNulty Report“ mit einem trockenen: „Right diagnosis, wrong medicine.“ Darin heißt es: „Die RMT stimmt zu – unsere Eisenbahnen sind teurer als die Eisenbahnen in Europa – und das genau wegen der Zersplitterung und Privatisierung der British Railways.“ Das verursache jährlich Fremdkapitalkosten in der Höhe von fast einer Milliarde Pfund, die der Staat den Privatgesellschaften zuschießt.

    INTERVIEW
    Zur Person - Bob Crow

    Alter: 53
    Wohnort: London
    Beruf: Nach der Schule mit 16 Jahren zu London Transport
    Firma: Rail Maritime and Transport Union
    Gewerkschaft: Rail Maritime and Transport Union
    Seit wann im (Euro-)BR?: Gewerkschaftsvorsitzender seit 2002

    Wie ist das Verhältnis der Gewerkschaften zur Regierung?

    Das Verhältnis ist immer schlecht, das hat sich auch nach dem Regierungswechsel nicht verbessert.

    Wäre es sehr teuer, wenn die Regierung die Eisenbahnen wieder in die eigene Verantwortung nehmen würde?

    Nein, gar nicht. Die Verwaltung der Infrastruktur liegt zwar in der Hand einer Privatfirma, diese ist aber non-profit-orientiert und wird so oder so vom Staat über Zuschüsse finanziert. Die Verträge mit den verschiedenen privaten Gesellschaften enden unterschiedlich – in etwa zwischen 2014 und 2017. Danach könnten die Eisenbahnen vom Staat wieder übernommen werden.

    Warum eine private Gesellschaft?

    Um die Schulden wegen der Vorgaben der EU aus den Staatsschulden herauszuhalten.

    Worin liegt der Unterschied zwischen den Transportgewerkschaften?

    Die RMT ist für Arbeiter der gesamten Eisenbahnen zuständig, die ASLEF für Zugführer, die TSSA für Ange-stellte und Management und die UNITE für Ingenieure und technisches Personal.

    Wie sieht es mit dem Organisationsgrad im Bereich der Eisenbahnen aus?

    Die Mitgliederzahlen schrumpfen. Zurzeit sind ca. 85 Prozent organisiert. Früher waren es 94 Prozent.

    Werden auch muttersprachliche Beratungen für MigrantInnen angeboten?

    Ja, die gibt es. Zurzeit bieten wir Unterstützung in Rumänisch, Bulgarisch und verschiedenen afrikanischen Sprachen an. Schon allein deswegen, weil wir aus diesen Ländern eine Menge Arbeiterinnen und Arbeiter haben. Und bald unterstützen wir auch Leute, die Polnisch und Ungarisch sprechen.

    Gibt es eigene Betriebsratsschulungen?

    Das ist sehr wichtig. Wir betreiben eine Ausbildungsschule in Doncaster. Dort halten wir unterschiedliche Schulungen für Betriebsräte, Sekretäre und Aktivisten ab. Auch für die Angestellten unserer Bank.

    Die RMT besitzt eine Bank?

    Ja, tatsächlich. Das ist die RMT Credit Union (fast alle Unions besitzen eine Bank).

    Wie viele Branchen haben einen Kollektivvertrag?

    Es gibt Vereinbarungen für rund 230 Branchen, für die Bahn sind es rund 30.

    Ist Gewalt am Arbeitsplatz ein großes Problem?

    Ja, da haben wir viele Fälle. Am meisten allerdings sind es Passagiere, welche die MitarbeiterInnen angreifen. Es kommt auch vor, dass sie sich wehren müssen und sie sogar dafür bestraft werden.

    Wie ist die Altersstruktur bei der British Rail und was folgt daraus für die Personalentwicklung?

    Dafür haben wir eine eigene Sektion. Die Mitglieder werden Ehrenmitglieder, wenn sie in Pension gehen, und haben ihre eigenen Sitzungen.

    Gibt es von Arbeitgeberseite spezielle Arbeitsbedingungen für ältere ArbeitnehmerInnen?

    Nein, das kümmert sie nicht. Jeder hat seine Arbeit zu leisten, egal ob er fit ist oder nicht.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
    sean.stanton@chello.at 
    oder die Redaktion
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    Sean Patrick Stanton, SOZAK-Teilnehmer des 62. Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170976571 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975465 Das Geld ist weg „Guten Morgen. Sabrina Lahodinski.“ Die Privatdetektivin hatte an einer gepflegten Tür in einem Altbau geklingelt. Auf dem Fußabstreifer prangte „Willkommen“, Blumen blühten am Gangfenster.
    „Danke, dass Sie so schnell kommen konnten.“ Die kleine, dunkelhaarige Frau schlug ihre Stirn in besorgte Falten. „Ich bin Zora Zanaidovic, kommen Sie herein. Möchten Sie Tee?“
    „Gern.“ Sabrina warf einen Blick in den Spiegel, strich sich über die windzerzausten blonden Locken und folgte Frau Zanaidovic.
    Im Wohnzimmer saß bereits ein grauhaariger Mann mit nur einem Arm. Zora stellte ihn als ihren Mann Zoran vor. Als sie schließlich aus kleinen Gläsern türkischen Tee tranken, begann Zora zu erzählen. Ihr Mann wollte sie zurückhalten.
    „Ich weiß, du wolltest das nicht“, sagte Zora zu ihm, „die Sache ist dir peinlich. Aber etwas muss geschehen. Die Polizei sagt, man könne nichts machen, aber das glaube ich nicht. Zoran hat immer hart gearbeitet in der Fabrik. Vor drei Jahren ist er mit der Hand in eine Maschine geraten, unschuldig. Der linke Arm musste amputiert werden, der Job war weg. Er bekam nie eine Entschädigung. Es war schwer für ihn, wieder Arbeit zu finden. Vor einer Woche kam er freudestrahlend von seiner Arbeitssuche zurück, er hatte ein Angebot bekommen. Eine Agentur wollte ihm einen Job in Südosteuropa vermitteln. Jemand hat ihn vor dem Arbeitsamt angesprochen, weil er Russisch kann.“
    Sabrina lehnte sich gegen den bunten Teppich an der Wand und machte sich Notizen. Die Agentur hieß Technology Services, ihren Sitz sollte sie hier in Wien haben.
    Zora erzählte weiter. „Man hat ihm versprochen, ihn zu vermitteln, aber die Bearbeitungsgebühr sollte 300 Euro betragen. Nun haben wir nicht viel Geld, doch wir haben alles zusammengekratzt und den Rest bei Verwandten geliehen. Wenn mein Mann einen Job bekäme, könnten wir ja alles wieder zurückzahlen. Ich selbst arbeite als Reinigungskraft, damit verdient man sehr wenig.“
    Sabrina wandte sich an Herrn Zanaidovic: „Sind Sie in der Agentur gewesen? Erzählen Sie bitte.“
    „Ja, ähm.“ Zoran Zanaidovic hustete. „Der Chef der Agentur befragte mich nach meinen Kenntnissen. Angeblich sie suchen überall nach Leuten wie mir. Ich musste Geld zahlen und wurde befragt, etwas wurde in Datenbank eingegeben, aber ich bekam nie einen Job angeboten.“
    „Kennen Sie den Namen des Mannes?“
    „Leider nein. Hab ich nicht gefragt, hat er nicht gesagt.“
    „Verstehe.“ Sabrina verabschiedete sich schließlich, nachdem sie alles erfahren hatte, was Zoran Zanaidovic einfiel.

    Zum Mittagessen traf sie sich mit Florian Huhle. Eigentlich wollte sie mit dem Schauspieler bei Pasta und Salat weiter über den Dokumentationsfilm sprechen, in dem er Sabrinas Großvater, einen Widerstandskämpfer, darstellen sollte. Doch nun war Zorans Geschichte so präsent, dass Sabrina gleich damit herausplatzte.
    „Ich möchte wirklich wissen, was da dahintersteckt“, sagte sie, als sie das Gespräch mit den Zanaidovic zusammengefasst hatte.
    Sie suchten im Internet nach dem Firmennamen, es kam nicht viel. Eine Webseite, auf der der Name und eine Adresse in der Wiener Innenstadt angegeben waren.
    „Soll ich vielleicht einen Arbeitssuchenden spielen?“, schlug Florian vor.
    „Um zu sehen, was die in der Agentur wirklich sagen? Wäre eine Idee.“ Sie grinste.
    „Ich wäre fast selbst einmal auf so was Ähnliches hereingefallen.“
    „Du?“
    „Ich kam frisch von der Schauspielschule. Es ging um eine Datenbank für angebliche lukrative Engagements beim Film. Mit dem Schönheitsfehler, dass ich vorab Geld hätte zahlen sollen, um aufgenommen zu werden – ohne zu erfahren, welche Jobs es dort gab. Ich hatte das Geld nicht, erst später habe ich erfahren, dass das Betrüger waren, es sind ein paar Kollegen drauf reingefallen.“
    „Klingt ganz wie bei Zoran Zanaidovic. Also, dann ist dein neues Engagement gebongt.“ Sie zwinkerte und Florian zwinkerte zurück.
    „Dafür gehst du einmal privat mit mir aus.“
    „Okay, aber dann als echter Florian, ohne Schauspielerei.“

    Florian trug einen falschen dunklen Bart und eine schwarze Perücke, als er das Penthouse der Agentur betrat. Eine klischeehafte, langbeinige Blondine grüßte ihn fragend.
    „Gute Tag“, radebrechte Florian absichtlich, „ist das hier Firma, was sucht Leute für Russland?“
    „Grundsätzlich ja.“
    „Hat meine Freund Zoran mir Tipp gegeben“, wagte sich Florian vor.
    „Ich weiß nicht über alle Bewerbungen Bescheid“, antwortete die Empfangsdame.
    Der Geschäftsführer steckte seinen Kopf aus einer Tür hinter ihr und winkte Florian in ein riesiges Büro. „Wir suchen Leute, die anpacken können. Was können Sie denn?“
    „Na, kann ich anpacken bei Bau, kann ich alles bauen. Ist gute Business, oder?“
    Der Geschäftsführer nickte. „Die Vermittlung kostet 300 Euro, wegen Russland, Papiere und so weiter. Verfügen Sie über diese Summe?“
    Florian nickte. „Kann ich das zusammenkratzen“, sagte er wie vorher abgemacht.
    „Dann bringen Sie das Geld morgen vorbei. In bar, bitte.“ Er tippte klackernd über eine schwarze Tastatur. „Hier habe ich eine Liste interessierter Arbeitgeber, sehen Sie.“ Er drehte den Bildschirm in Florians Richtung, doch die Buchstaben waren zu klein, um sie zu entziffern. „Sie haben gute Chancen, das sehe ich hier. Gutes Verdienst. Das macht die 300 Euro tausendmal wett. Wenn Sie die Vermittlungsgebühr bringen, geben wir Ihre persönlichen Daten und Kenntnisse ein. Wie heißen Sie eigentlich?“
    „Pavel“, sagte Florian.

    Am Abend traf Sabrina ihn wieder. „Da stinkt etwas zum Himmel, er konnte nicht einmal sagen, um welche Arbeiten es gehen soll. Und die angebliche Vermittlung kostet 300 Euro.“
    „Wie bei Zoran“, nickte sie. „Wir machen weiter. Ich gebe dir die 300 Euro.“

    „Hier ist meine Geld.“ Florian war wieder als arbeitssuchender Pavel verkleidet.
    „Sehr schön.“ Mollard griff gierig nach den Scheinen und steckte sie in einen Tresor. „Dann werden wir Ihre Informationen eingeben. Bitte setzen Sie sich.“
    Mollard ließ sich Florians vermeintlichen Namen buchstabieren, und fragte Informationen wie Alter, Staatsbürgerschaft und Fähigkeiten ab.
    Anschließend druckte ihm Mollard eine Liste in ziemlich kleiner Schrift aus. „Hier sind verschiedene Angebote. Wenn Ihnen was gefällt, melden Sie sich bei uns.“
    Florian nickte und steckte die Papiere ein.

    Bei einem Tee in Sabrinas Büro gingen sie und Florian die Liste durch. Es waren äußerst allgemein gehaltene Angaben zu Jobs – kein Einsatzort, kein Firmenname, auch die erforderlichen Kenntnisse nur schwammig umschrieben. Sie entschieden, dass Florian alias „Pavel“ zum Schein auf die Jobangebote eingehen sollte. Und falls er keinen Job bekäme, solle er die 300 Euro zurückfordern.
    Gesagt, getan.
    Drei Wochen später hatte Florian keinen einzigen der Jobs bekommen, ja, er wurde nicht einmal zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Mollard war nicht mehr ans Telefon zu bekommen. Als Sabrina und er gemeinsam das Büro der Agentur erneut aufsuchten, hörten sie schon auf dem Gang Schreie aus der Tür des Penthouse. Sie rannten hinein, die Blondine von neulich war an ihren Stuhl gefesselt, drinnen im Chefbüro stand ein muskulöser Zwei-Meter-Mann über den Schreibtisch gebeugt, Mollards Gestalt lugte seitlich hervor.
    „Nicht, lassen Sie mich leben, bitte!“, keuchte er, „ich gestehe alles.“
    Sabrina hetzte näher, erkannte, dass Mollard gewürgt wurde.
    „Ich habe die Arbeitssuchenden betrogen, ich gebe alles zu.“
    Sabrina tastete nach ihrer Waffe und zog sie langsam. „Lassen Sie den Mann los!“, rief sie dem unbekannten Riesen zu.
    „Er hat mich betrogen. Ich will meine 300 Euro wieder.“
    „Lassen Sie ihn los. Tot kann er Ihnen gar nichts zurückerstatten.“
    Die breiten, rauen Pranken des Riesen rutschten langsam von Mollards Hals.
    „Kommen Sie, lassen Sie ihn. Wie heißen Sie?“
    „Karim.“
    Endlich war Mollard frei.
    „Setzen Sie sich, Karim. So, und jetzt zu Ihnen, Herr Mollard.“ Sabrina steckte ihre Waffe ein. „Sie gestehen, an den Jobsuchenden mit Betrug verdient zu haben? Ohne dass es Jobs gab?“
    „Aber es gab anfangs Jobs.“ Mollard klang weinerlich. „Nur dann blieben sie aus und die Bank saß mir im Nacken, wegen des Porsches und …“
    Der Riese Karim fuhr auf.
    „Ruhig, bitte. Gestehen Sie, Herr Mollard?“
    „Ja.“
    „Gut. Und Sie werden das alles zurückzahlen und danach auch Jobs für alle Betrogenen suchen?“
    „Aber das ist …“
    Ein Blick zu Karim. Der trat gleich wieder näher an Mollard heran.
    „Okay, okay, ich werde mein Bestes geben.“
    „Na also.“
    „Wir haben alles dokumentiert, ich werde auf jeden Fall weiter dranblei-ben. Die Polizei ist schnell informiert. Möchten Sie eine Anzeige machen, Herr Karim?“

    Anni Bürkl ist Journalistin, (Krimi-)Autorin und Lektorin.
    Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Göttinnensturz“ und ist Teil einer Krimireihe rund um Teelady Berenike Roither, die Fortsetzung erscheint 2015 wieder im Gmeiner Verlag.
    www.annibuerkl.at

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    Anni Bürkl Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975456 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975431 Wenn der Geist leidet Schon als Jugendliche war Iris K. Migränepatientin. Während des Studiums bekam die heute 42-Jährige Panikattacken und nahm daraufhin zum ersten Mal Psychotherapie in Anspruch. Mithilfe von Psychopharmaka wurde Iris K. zumindest die Panikattacken los. Sie ging weiterhin in Therapie und es ging ihr besser, bis auf einmal gar nichts mehr ging. Iris K. arbeitete zu diesem Zeitpunkt in einem großen Unternehmen. Der enorme Druck, unter dem sie dort stand, entlud sich schließlich in Verzweiflung: „Ich hatte einen Nervenzusammenbruch.“

    Fehlende Studien

    Psychische Erkrankungen sind inzwischen allgegenwärtiges Thema politischer Diskussionen. Wer sich aber im Bundesministerium für Gesundheit viele Studien und Zahlen dazu erwartet, irrt. So verwunderlich dies erscheinen mag: Es gibt dafür auch einige handfeste Ursachen. So ist allein schon schwer zu fassen, wie viele ÖsterreicherInnen tatsächlich erkrankt sind. Dass Betroffene zu niedergelassenen Ärzten gehen, ist dafür nur eine Ursache. Auch bei den Zahlen aus Spitälern ist Vorsicht angebracht: Dort werden etwa mehrere Konsultationen eines einzigen Patienten mehrfach gezählt.
    Einen kleinen Einblick bietet die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage über psychische Erkrankungen bei ArbeitnehmerInnen vom Jänner 2013. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erhob: Im Jahr 2009 waren 78.028 Versicherte der Gebietskrankenkassen aufgrund einer psychischen Diagnose arbeitsunfähig, darunter 46.539 Frauen. Am meisten betroffen sind Personen zwischen 31 und 50 Jahren, sie stellen etwas mehr als die Hälfte der Betroffenen. Kosten für das Jahr 2011 laut Hauptverband: 250 Millionen Euro für Psychopharmaka, 67 Millionen Euro für Psychotherapie, 31 Millionen Euro für die Behandlung bei niedergelassenen PsychiaterInnen.
    Die meisten psychisch Erkrankten schaffen ohne Tabletten keinen geregelten Tagesablauf. Dass es hilft, über psychische Schmerzen und Hoffnungslosigkeit zu reden, ist bekannt, doch im Job soll es niemand wissen. „Viele Menschen sagen nichts, weil sie Angst haben, die Arbeit zu verlieren. Psychische Erkrankungen sind heute noch immer ein Tabuthema“, erklärt der Klinische Psychologe Peter Hoffmann von der AK Wien. „Es sollte eine Kampagne geben, denn viele Menschen reagieren panisch, erklären Kranke für verrückt. Sie wissen nicht, was sie mit ihren ArbeitnehmerInnen machen sollen, glauben, dass sie ihnen dauerhaft ausfallen, und halten sie für unberechenbar. Die Chefs müssten mehr gecoacht und aufgeklärt werden, dass dieser Zustand vorübergehend sein kann.“

    Verschweigen und Vertuschen

    Was es heißt, die Krankheit im Betrieb zu verschweigen und zu vertuschen, weiß Iris K. nur allzu gut. War sie im Krankenstand, schrieb ihr Hausarzt auf die Krankmeldung natürlich eine andere Diagnose. „Zu Hause zu bleiben ist in einer solchen Situation natürlich keine gute Idee. Zum Glück ließ sich mein Vater nicht beirren und entführte mich zu einem kleinen Ausflug in die Sonne“, erzählt sie. Doch dann kam die Angst: „Was, wenn mich ein Kollege oder eine Kollegin sieht?“ Nach ihrem Zusammenbruch schlug die Personalabteilung Iris K. in einem klärenden Gespräch ein Coaching vor. Das vertrauliche Coaching durch eine externe Expertin hat Iris K. auf ihrem Weg geholfen. Statt sich weiter dem täglichen Druck auszusetzen, hat sie gekündigt und arbeitet heute selbstständig.
    Eine ganz entscheidende Rolle fällt den BetriebsrätInnen zu, denn sie sind zumeist erster/erste AnsprechpartnerIn. „Auch mein Betriebsrat war natürlich überfordert. Er hat sich alles geduldig angehört und auch meine Weinkrämpfe ertragen, aber angenehm war das natürlich für uns beide nicht.“ In Zukunft werden BetriebsrätInnen eine stärkere Funktion in der Beratung betroffener ArbeitnehmerInnen übernehmen müssen. Zum einen sollten sie KooperationspartnerInnen in der Prävention für alle Personen sein, die sich psychisch zu stark belastet fühlen. Bei betrieblichen Veränderungsprozessen müssen sie beteiligt sein. Dabei sind auch Fortbildungen zur Gesprächsführung und sozialen Kompetenz enorm wichtig – das Erlernte sollte regelmäßig aufgefrischt und vertieft werden. Wenn ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin merkt, dass ein/e ArbeitnehmerIn psychische Probleme hat, kann er oder sie allerdings nur sehr dezent Hilfe anbieten – dieses Angebot dürfe auf keinen Fall aufdringlich wirken.

    Sensible Kommunikation

    Peter Hoffmann macht deutlich, dass betroffene ArbeitnehmerInnen bestimmte Aufgaben – über einen gewissen Zeitraum hinweg – nicht mehr übernehmen können. „Das muss in der Abteilung geklärt werden, denn oft wird die Arbeit, die der Kranke nicht mehr machen kann, aufgeteilt. Doch auch mit den Betroffenen muss gesprochen werden, damit sich diese nicht zurückgesetzt fühlen“, weiß Hoffmann. „Das erfordert eine sensible Kommunikation zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen. Wenn die Leute nicht rechtzeitig über ihre Erkrankung sprechen, geraten sie in eine Spirale, aus der sie nur schwer herauskommen. Wenn sie es zeitgerecht sagen und man sie im Betrieb halten kann, dann wirkt das stabilisierend.“ Der falsche Weg: ArbeitnehmerInnen, die nicht mehr können, aber auch nichts sagen, nehmen oft noch mehr Arbeitsaufwand auf sich, um ihren Rückstand aufzuholen – der Zusammenbruch wird damit geradezu unausweichlich. Gesundheitspsychologe Hoffmann: „Dabei sollten sie eine Auszeit zum Selbstschutz fordern.“
    Das hat Martina F. für sich entschieden. Die 34-Jährige ist in der Bildungsarbeit tätig. Vor rund vier Jahren hat es mit starkem Herzklopfen begonnen. Selbst Ruhepausen auf dem Land halfen nichts mehr, das starke Pochen wurde nicht weniger, dazu kamen massive Schlafstörungen. „Auf dem Höhepunkt hat es sich angefühlt, als hätte ich ein paar Wochen gar nicht geschlafen“, erzählt Martina F. Die Nerven lagen blank, keine Spur von Ruhe und Erholung. Dass sie schlecht schläft, haben auch ihre KollegInnen mitbekommen. In ihrem vierwöchigen Urlaub stellte sich keine Besserung ein und die Angestellte entschied sich für eine psychosomatische Klinik: „Mit den Begriffen für die Krankheit wird flexibel umgegangen. Ich würde sagen, dass ich eine Erschöpfungsdepression hatte.“ Erst wollte Martina F. kündigen, weil sie nicht wusste, wann sie wieder arbeiten kann – einen langen Krankenstand schloss sie für sich aus. Die Situation hatte sie vorab mit ihrer Chefin besprochen, allerdings verbindet die beiden ein besonders gutes kollegiales Verhältnis. Entschieden hat sich Martina F. für ein Jahr Bildungskarenz. „Ich würde nicht empfehlen, es allen zu erzählen. Eine Depression ist immer noch eine Stigmatisierung – eine Krankheit von Schwächlingen. Jemand, der es nie hatte, kann es sich auch nicht vorstellen.“ Was Martina F. geholfen hat, waren anfangs Medikamente: „Ich war glücklich, dass ich schlafen konnte.“ Später Psychotherapie, viel Sport und Shiatsu. „Und ich habe mich sehr dahintergeklemmt, dass es mir gut geht. Wenn du wieder ins Arbeitsleben kommst, sind die Medikamente eine Stütze, um deinen Platz zu erkämpfen.“ Heute muss Martina F. keine Psychopharmaka mehr einnehmen und geht in eine Gruppentherapie. Wenn sie heute wieder Herzklopfen, einen Druck auf der Brust und Erschöpfung spürt, nutzt sie ihr Notfallprogramm: „Das kann einfach Ruhe geben und nicht so viel machen sein – oder fortgehen und tanzen, denn das ist eine sehr gute Therapie.“

    So wichtig wie andere Krankheiten

    Doch ArbeitnehmerInnen müssen nicht allein auf sich achten – sie dürfen auch nicht zur Belastung für ihre Kolleginnen  und Kollegen oder die ihnen unterstellten MitarbeiterInnen werden, denn der Faktor Mensch ist eine häufige psychische Fehlbelastung im Betrieb. Peter Hoffmann: „Die Herausforderung ist: Wie kann eine Firma signalisieren, dass psychische Erkrankungen für sie genauso wichtig sind wie andere Krankheiten auch?“

    Internet:
    Hilfe für Menschen in Krisen und bei Suizidgefahr bzw. für Freunde und Helfer:
    www.hilfe-in-der-krise.at
    Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM):
    tinyurl.com/n782ssq

    Schreiben Sie Ihre Meinung
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    Sophia Fielhauer-Resei, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975422 Verschweigen und Vertuschen sind alltägliche Belastungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen. So kann auch der heilende Ausflug in der Sonne von Sorgen überschattet sein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975414 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975332 Nebensache "Gesund in der Lehre" Gesundheit ist nicht Thema Nummer eins unter Lehrlingen. Warum auch? Erstens: Gesundheit ist nicht sonderlich cool. Zweitens: Österreichs Lehrlinge sind mit ihrer Gesundheit großteils sehr zufrieden. Drittens: Lehrlinge sind noch wenig prominent als Zielgruppe für betriebliche Gesundheitsförderung. Dennoch ist Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz von Lehrlingen Thema, ein großes noch dazu. Denn die wahren Krankmacher liegen in der Arbeitssituation, sind ExpertInnen überzeugt. Für das Wohlbefinden und die Gesundheit von Lehrlingen sei wesentlich, ob im Betrieb respektvoll mit ihnen umgegangen wird, ob sich Lehrlinge integriert fühlen und Sinn in ihren Aufgaben sehen, ob die Ausbildung dem Berufsbild entspricht oder Arbeitszeiten eingehalten werden. Schlichtweg: ob die Qualität der Ausbildung passt.

    Wie gesund sind Jugendliche?

    2014 hat die Gesundheit Österreich GmbH die Gesundheit von 17-jährigen Lehrlingen mit gleichaltrigen SchülerInnen verglichen, basierend auf dem Österreichischen Arbeitsklima Index für 2012/2013 und einer lehrlingsspezifischen Auswertung des Österreichischen Arbeitsgesundheitsmonitors durch die Arbeiterkammer Oberösterreich. Die Ergebnisse: Im Großen und Ganzen bewerten Lehrlinge ihre Gesundheit als sehr gut. Dennoch äußern sie bereits vermehrt und häufiger als SchülerInnen körperliche Beschwerden wie Kopf-, Kreuz- oder Rückenschmerzen sowie Erschöpfung und Mattigkeit, die oftmals auf die Arbeit zurückgeführt werden. Im Gesundheitsverhalten unterscheiden sich Lehrlinge stärker von gleichaltrigen SchülerInnen. Mehr als die Hälfte der Lehrlinge raucht täglich, der Alkoholkonsum ist ausgeprägter und die Leberkäsesemmel mit Cola ist schmackhafter als ein Vollkornriegel und ein Glas Wasser. Übergewicht kommt daher bei Lehrlingen häufiger vor.
    „Schwierig ist es, wenn jungen Menschen erst ein Purzelbaum beigebracht werden muss, damit wir Fallübungen durchführen können“, erzählt AUVA-Geschäftsführer Georg Effenberger. Körperlich sind Jugendliche heute nicht so fit wie noch vor zehn, zwanzig Jahren. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) steuert mit spezifischen Kampagnen dem höheren Unfallrisiko von Jugendlichen und Lehrlingen am Arbeitsplatz entgegen. „Lehrlinge haben ein um 50 Prozent höheres Unfallrisiko als ältere ArbeitnehmerInnen. Sie sind im Umgang mit Betriebsmitteln weniger erfahren, körperlich nicht voll entwickelt, risikofreudiger und sie überschätzen sich auch gerne mal“, beschreibt Effenberger das besondere Schutzbedürfnis von Lehrlingen.
    Die Unfallrisiken sind von Branche zu Branche unterschiedlich. Rund 27.000 Verletzungen verzeichnet die AUVA jährlich bei 15- bis 25-jährigen unselbstständig Erwerbstätigen. Die Hälfte davon sind Handverletzungen, zwei Drittel der Verunfallten sind männlich. „Das geht sehr schnell. Ein Lehrling schneidet zum Beispiel Kartons mit einem billigen Stanleymesser auf, rutscht ab, und schon hat er eine Schnittwunde“, berichtet Michael Trinko, Bundessekretär der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ). „Hier sparen etliche Betriebe leider an der falschen Stelle und schneiden sich damit ins eigene Fleisch. Denn der Ausfall eines Lehrlings kostet mehr als gutes Arbeitsmaterial.“

    Erstaunlich selten

    „Gesundheitsprävention beginnt bei den Jungen“ lautet der Ansatz fast aller betrieblichen Gesundheitsprogramme und -kampagnen. Klares Statement, unzureichende Umsetzung. Gerade auf Betriebsebene, wo Gesundheitsschutz am meisten Sinn macht, ist Gesundheitsförderung speziell für junge Menschen erstaunlich selten. Die Lehrwerkstätte der Siemens AG in Graz ist eine von wenigen Ausnahmen. Seit den 1990er-Jahren bietet sie ihren Lehrlingen Outdoor-Teamtrainings, Seminare zu Ernährung, Jugendschutz oder Drogenprävention an. Lehrlinge haben tägliche Bewegungspausen und können aus einem breiten Angebot an Betriebssport auswählen. Für diese Maßnahmen wurde die Lehrwerkstätte der Siemens AG in Graz heuer mit dem Staatspreis für betriebliche Gesundheitsförderung für „Young Professionals“ ausgezeichnet.
    Um auf Gesundheitsförderung und Gesundheitsschutz von Lehrlingen aufmerksam zu machen, veranstaltete die ÖGJ Anfang Oktober eine Konferenz gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium. Die rund 150 JugendvertrauensrätInnen sollten in Workshops zu Suchtprävention, zu Verhütung und Ernährung ihre Erfahrungen austauschen und ihr Wissen in die Betriebe tragen. 2014 hat auch der Fonds Gesundes Österreich einen Schwerpunkt auf die Lehrlingsgesundheitsförderung gelegt, „da Lehrlinge eine Zielgruppe darstellen, die bislang noch kaum mit Gesundheitsförderungsmaßnahmen erreicht wurde“.

    Lehre im Gesundheitscheck

    Würde man die Berufsausbildung einem Gesundheitscheck unterziehen, wären die Ergebnisse zum Teil unerfreulich: übergewichtige Arbeitszeiten und wenig fit im fachgerechten Anlernen und Ausbilden der Lehrlinge. Wiederkehrende Überstunden, berufsfremde Tätigkeiten und eine Ausbildung, die nicht alle Aspekte des Berufsbildes umfasst, sind die häufigsten Beschwerden von Lehrlingen bei der ÖGJ und in der AK. Nach einer Lehrlingsumfrage der AK Wien von 2010 lernt nur die Hälfte der Befragten, was im jeweiligen Berufsbild vorgesehen ist. Die Hälfte bis drei Viertel der Lehrlinge leisten Überstunden – zum Teil auch unter 18-Jährige, die gar keine Überstunden machen dürfen. Jugendliche befinden sich noch im Wachstum und sind weniger belastbar als Erwachsene. Gerade zu Beginn des Berufseinstieges können schon wenige Stunden Arbeit ermüden. Jugendliche sind dadurch weniger leistungsfähig, unkonzentrierter und anfälliger für Fehler.
    Peter Schlögl, Geschäftsführer des Österreichischen Instituts für Bildungsforschung (ÖIBF), sieht die wahren Krankmacher im System: in der Qualität der Ausbildung. Nur gibt es derzeit keine Qualitätssicherung, kein Qualitätslabel. Das einzige Qualitätskriterium in der Lehre ist die Lehrabschlussprüfung, bei der Lehrlinge am Ende ihrer Ausbildung beweisen müssen, dass sie entsprechend dem Berufsbild ausgebildet sind. Die Verantwortung liegt damit bei ihnen – und auch das Risiko, wenn sie die Lehrabschlussprüfung nicht schaffen. Das betrifft immerhin ein Fünftel aller österreichischen Lehrlinge beim ersten Prüfungsantritt. „Für den Erfolg der Ausbildung dürfen nicht nur Jugendliche verantwortlich gemacht werden, sondern auch der Betrieb. Das fehlt in Österreich“, so Schlögl.

    Qualitätslabel für Lehre

    Gesundheitsförderung ist noch viel mehr als „an apple a day“ oder ein paar Stunden pro Woche auf dem Sportplatz. Gesundheitsförderung junger Menschen heißt, eine gesunde Arbeitssituation zu schaffen, ein Umfeld, in dem Lehrlinge sich entwickeln und vor allem lernen können. „Es wird immer unterschätzt, dass die Phase der Sozialisation das ganze Erwerbsleben mitprägt“, so Peter Schlögl. Die Entwicklung von Selbstvertrauen, Selbstständigkeit und Konfliktfähigkeit werde von den Erfahrungen der Lehre geprägt. Zum Teil sind junge Menschen auf die bedeutenden Veränderungen im Übergang von Schule in die Arbeitswelt nicht vorbereitet. Die Produktionsbedingungen üben zunehmenden Druck aus und lassen immer weniger Raum zum Erproben oder um Routinen zu entwickeln. Das kann bei Jugendlichen zu Überforderung führen und den positiven Bezug zur Arbeit beeinträchtigen. Irgendwann schlagen diese Bedingungen auf den Magen und die Gesundheit.     
    In Österreich fehle es laut Schlögl vielerorts am professionellen Umgangston mit Lehrlingen. „Wennst einen Führerschein hast, kannst auch Palatschinken machen“, wie ein Ausbildner zu einem Lehrling sagte, machen das Problem deutlich. Schlögl: „Wenn wir wollen, dass Menschen länger in Beschäftigung bleiben, dann müssen Betriebe umdenken. Der erste Schritt ist ein Qualitätslabel für die Berufsbildung. Das ist die nachhaltigste Gesundheitsförderung.“

    Internet:
    Gesundheit von Lehrlingen in Österreich (Factsheet vom Fonds Gesundes Österreich, 2014)
    tinyurl.com/olzotrb

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    Irene Steindl, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975290 In Österreich fehlt es vielerorts am professionellen Umgangston mit Lehrlingen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975282 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975250 Medizin ohne Barrieren Wenn uns Kopfschmerzen plagen, die Nebenhöhlen pulsieren, der Hals kratzt und die Nase rinnt, dann gehen wir einfach zum Arzt oder zur Ärztin unseres Vertrauens, klagen ihm oder ihr unser Leid und erhalten nach einer Untersuchung und im besten Fall innerhalb von wenigen Minuten eine Diagnose und ein Rezept dazu. Stellen Sie sich dieselbe Situation vor, nur, dass Sie im Rollstuhl sitzen. Oder Ihr Sehvermögen verloren haben. Oder sich nicht verständigen können, Ihrem Arzt nicht begreifbar machen können, wo die Schmerzen liegen, was Ihnen fehlt. Behinderte Menschen benötigen in medizinischen Belangen besonders viel Aufmerksamkeit und spezielle Betreuung. Angefangen vom barrierefreien Weg zur Arztpraxis bis hin zur Kommunikation mit dem Arzt – auch wenn sich die ärztliche Versorgung stetig bessert, Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben immer noch mit Hürden zu kämpfen.

    Erste Anlaufstelle Familie

    Irina Jäger ist 34 Jahre alt und seit ihrer Geburt körperlich und geistig schwerstbehindert. Sie sitzt im Rollstuhl, kann nicht sprechen, man weiß nicht, ob sie sehen kann oder ob sie taub ist. Sie gehört zu den PatientInnen des Allgemeinmediziners Christian Euler. Er betreibt eine Ordination im burgenländischen Rust und zählt viele intellektuell und körperlich behinderte Personen zu seinen PatientInnen. Irina kennt er seit ihrer Geburt, sie begleitet ihn bereits sein ganzes Berufsleben. Wenn Irina Beschwerden hat, ist sie auf ihre Eltern und ihren Hausarzt angewiesen. Menschen mit schweren Behinderungen zeigen teils atypische Schmerzreaktionen und können sich nicht mitteilen. Dadurch wird Ärzten die richtige Diagnose und somit die adäquate medizinische Behandlung erschwert, Krankheiten werden oft spät erkannt. Umso mehr sind ÄrztInnen auf detaillierte Informationen von Familienangehörigen, Betreuungspersonen oder bestehende Befunde angewiesen. In Irinas Fall erkennt Euler meist relativ schnell, was ihr fehlt. „Jemand, der Irina das erste Mal sieht, ist höchstwahrscheinlich erst einmal überfordert. Denn die Beschwerden sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Wenn man den Patienten lange kennt, kann man auf seine Erfahrung zurückgreifen und fühlt sich sicherer – in der Diagnose und in der Behandlung.“ Je genauer und detaillierter die Beschwerden der PatientInnen von den Betreuungspersonen geschildert werden, desto präziser kann die Diagnose gestellt und eine zielführende Behandlung eingeleitet werden. „An betreuenden Personen kommt man nicht vorbei. Die Eltern sind die kompetentesten Behandler“, sagt Euler.
    Ein langjähriges und enges Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Arzt führt oft dazu, dass der Mediziner die ganze Familie mitbetreut und so Einblicke in den Familienverband gewinnt. „Ich konnte zum Beispiel erleben, wie ein junger, schwer behinderter Mann seine ganze Familie zusammenhielt“, erzählt Euler. „Er wurde von allen liebevoll gepflegt und jedes Familienmitglied hatte seinen Alltag rund um ihn organisiert. Wenn es dem Jungen gut ging, ging es allen gut.“

    Barrieren im Kopf

    Während viele ÄrztInnen wie Euler über langjährige Erfahrung mit behinderten PatientInnen verfügen, gibt es andererseits immer noch MedizinerInnen, die von der Behinderung ihrer PatientInnen überfordert sind. „Bedingt durch mangelnde Erfahrung bei den Auswirkungen von Behinderungen, wie zum Beispiel nicht frei stehen zu können, oder wenn der Arzt über keine Kenntnisse der Gebärdensprache verfügt, kommt es manchmal zu Unsicherheiten bei Ärzten und medizinischem Personal“, sagt Annemarie Srb-Rössler vom Behindertenberatungszentrum BIZEPS, Zentrum für Selbstbestimmtes Leben. „Im Medizinstudium und der weiteren Ausbildung der Ärzte wird das Thema ‚Behinderung‘ kaum erwähnt. Daher gibt es oft nur mangelndes Wissen zu dem Gebiet.“ Srb-Rössler ist selbst Rollstuhlfahrerin und war lange Zeit im Vorstand von BIZEPS tätig.
    Der Verein betreibt in Wien eine Beratungsstelle für behinderte Menschen und deren Angehörige, die sich an den Prinzipien der „Selbstbestimmt Leben“-Bewegung orientiert: Selbstbestimmung, Gleichstellung, Nicht-Diskriminierung und Barrierefreiheit. All diese Kriterien sollen auch in der ärztlichen Betreuung gegeben sein. „Das Wichtigste ist, dem Patienten Respekt entgegenzubringen und ihn als vollwertig zu behandeln“, sagt auch der burgenländische Arzt Euler. Wenn es beispielsweise um den Kinderwunsch von behinderten Frauen geht, kommt es durchaus noch vor, dass Patientinnen nicht ernst genommen werden. Ihr Recht, Kinder zu bekommen, wird ihnen von vornherein abgesprochen. Daher ist gerade in diesen Fällen eine gute und ausreichende Beratung unbedingt erforderlich.

    Beschwerliche Routine

    Bei intellektuell und körperlich behinderten PatientInnen spielt vor allem die soziale Komponente eine wesentliche Rolle. Denn der Arzt muss sich für die PatientInnen Zeit nehmen, um individuell auf sie eingehen zu können. Dazu gehört auch die Wahl der richtigen Kommunikation, beispielsweise in kurzen Sätzen zu sprechen und Fremdwörter zu vermeiden. Selbst Routineuntersuchungen bei FrauenärztInnen erweisen sich als beschwerlich, denn bei „einfachen“ Tätigkeiten wie dem An- und Ausziehen oder dem Setzen auf den Untersuchungsstuhl (und dem Verlassen desselben) sind behinderte Patientinnen oft auf die Hilfe des Arztes oder ihrer Betreuungsperson angewiesen und nehmen oft mehr Zeit in Anspruch. Auch zahnärztliche Behandlungen sind bei behinderten Menschen häufig nicht ohne Weiteres möglich. PatientInnen mit geistiger Behinderung verstehen oft nicht, warum sie sich einer schmerzhaften Zahnbehandlung aussetzen müssen, und weigern sich, den Mund zu öffnen. In diesem Fall ist viel Einfühlungsvermögen und Geduld vonseiten des medizinischen Personals gefragt. In Österreich gibt es allerdings kaum ZahnärztInnen, die auf die Behandlung von behinderten oder „schwierigen“ PatientInnen spezialisiert sind.
    Während es für nicht behinderte Menschen selbstverständlich ist, sich seinen Arzt aussuchen zu können, müssen Menschen mit Behinderung danach entscheiden, welche Praxis für sie einigermaßen erreichbar und zugänglich ist. „Die Patienten und Patientinnen haben ein Recht auf einen Arzt, aber sie haben kein Recht auf denselben Arzt“, sagt Euler.
    Genau dagegen kämpft Annemarie Srb-Rössler. Seit 2001 leitet sie das Projekt „Behinderte Menschen in Gesundheitseinrichtungen“. „BIZEPS arbeitet seit vielen Jahren daran, Rahmenbedingungen zu schaffen, um die freie Arztwahl für Menschen mit Behinderungen zu verbessern“, sagt Annemarie Srb-Rössler. „Um die Bedürfnisse unserer Personengruppe zu erfragen und kennenzulernen, wurde Anfang 2001 unser Gesundheitsprojekt gestartet“, so Srb-Rössler. Im Rahmen dieses Projekts wurde eine behinderungsübergreifende Arbeitsgruppe gegründet und ein gemeinsamer Fragebogen erarbeitet. Dabei wurden an Wiener Arztordinationen Fragen über Praxiseinrichtungen gestellt, die für PatientInnen ohne Behinderung selbstverständlich sind. Ist die Ordination stufenlos erreichbar bzw. wie viele Stufen sind zu überwinden? In welcher Höhe befindet sich der Türöffner? Welche Abmessungen hat die Aufzugskabine? Darf ein Blindenführhund zum Arztbesuch mitgebracht werden? Verfügt der Arzt bzw. die Ärztin über Gebärdensprachkenntnisse? Ist in der Ordination ein behindertengerechtes WC vorhanden? Wie hoch ist die Behandlungsliege und wie weit ist sie absenkbar?

    Alltäglich?

    Über 700 Arztpraxen in Wien wurden kontaktiert und die Ordinationsräumlichkeiten vermessen. Die Ergebnisse sind im Internet über den Praxisplan der Ärztekammer für Wien (www.praxisplan.at) abrufbar und werden laufend erweitert und aktualisiert. Wie für Srb-Rössler eine ideale ärztliche Betreuung aussieht? „Von einer ‚idealen ärztlichen Betreuung‘ kann man im besten Fall dann sprechen, wenn es keiner Auflistung barrierefreier Ordinationen mehr bedarf und die Behinderung in der Diagnosefindung Berücksichtigung findet.“

    Internet:
    Mehr Infos unter:
    www.bizeps.or.at/broschueren/krank

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    Maja Nizamov, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975133 Die Stiegen auf dem Weg zur Arztpraxis nicht überwinden zu können ist nur eine von vielen Barrieren, auf die PatientInnen mit Behinderungen stoßen. Im Medizinstudium und in der weiteren Ausbildung wird das Thema kaum erwähnt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170975064 Gesund im Privaten 1 des Gesundheitswesens schreiten voran. Hauptbetroffene dieser Entwicklung sind die Beschäftigten in den Krankenhäusern.]]> Vom wohlfahrtsstaatlichen Element zum Kostenfaktor oder von der Bedarfsdeckung zur Kostendämpfung – so kann die Entwicklung im Gesundheitswesen beschrieben werden, die mit der Wirtschaftskrise der 1970er-Jahre begann und mit der Einführung des Primats der ökonomischen Austerität an Fahrt aufnahm. Die strikte Austeritätspolitik – als Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise – hat diese Entwicklung verschärft. Besonders betroffen sind die Länder, die Leistungen aus dem europäischen Rettungsschirm in Anspruch nehmen.

    Primat Kostensenkung

    Innerhalb der durch die Troika formulierten Konsolidierungsziele wurden und werden wichtige politische Entscheidungen auch hinsichtlich der Gesundheitssysteme getroffen. Wohin das Primat der Kostensenkung führen kann, wird an diesen Ländern deutlich: Schließungen von Krankenhäusern, Privatisierungspläne für (die noch vorhandenen) Krankenhäuser, Ausschluss einzelner Bevölkerungsgruppen aus dem Zugang zur Gesundheitsversorgung, große Erhöhung der privaten Zuzahlungen, ein Drittel Lohnkürzungen für Krankenhausbeschäftigte, Reduzierung von Nachtdiensten per Regierungsdekret etc.
    Zweifellos ist die derzeitige Lage des Gesundheitswesens in den Krisenländern nicht mit der Situation in Österreich oder auch in Deutschland vergleichbar. Doch dies liegt nicht daran, dass nicht auch in Österreich und Deutschland die Kostendämpfung im Gesundheitswesen hoch auf der politischen Prioritätenliste rangiert oder dass sich die Kostensenkungsstrategien inhaltlich beziehungsweise in ihrer Ausrichtung wesentlich unterscheiden, sondern an der Radikalität ihrer Umsetzung.
    Aber auch zwischen Österreich und Deutschland finden sich Differenzen hinsichtlich der Umsetzung von Kostensenkungsstrategien. So ist Deutschland das Land in Europa, in dem der Verkauf von öffentlichen Krankenhäusern systematisch und im groß angelegten Stil erfolgte. Während laut Krankenhausexperten Nils Böhlke noch 2002 lediglich 28,3 Prozent der öffentlichen Krankenhäuser in privater Rechtsform geführt wurden, waren es 2011 56,8 Prozent. In Österreich hingegen haben Voll- oder Teilprivatisierungen nur in sehr geringem Ausmaß stattgefunden: Teilprivatisiert wurden in den vergangenen Jahren beispielsweise vier Rehabilitationszentren (Sonderkrankenanstalten) der Sozialversicherung der Bauern (SVB). Eine zunehmende Ökonomisierung des Gesundheitswesens und Privatisierungstendenzen können jedoch auch hierorts beobachtet werden. Insbesondere der Krankenhaussektor wurde in den vergangenen Jahren durch Reformen wesentlich marktnäher gestaltet. Ökonomische Kalküle haben Einzug in das Handeln im Krankenhaus gehalten und die Vermeidung wirtschaftlicher Verluste wurde zu einer verbindlichen Verhaltenserwartung für alle AkteurInnen im Gesundheitswesen. Wenig überraschend übernehmen Krankenhäuser dabei Strategien der Kostensenkung wie beispielsweise Auslagerungen, die aus der Privatwirtschaft bekannt sind. Auslagerung (Outsourcing) von bestimmten Teilen oder Funktionen an private Unternehmen ist mittlerweile im betrieblichen Alltag von österreichischen Krankenhäusern verankert. Diese Entwicklung verläuft unabhängig von der Eigentümerstruktur der Krankenhäuser. Beliebt ist in Österreich auch eine spezifische Form der Auslagerung, sogenannte Public-Private-Partnerships (PPP). PPPs sind auf Dauer angelegte Kooperationen von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft bei der Planung, der Erstellung, der Finanzierung, dem Betreiben oder der Verwertung von (bislang) öffentlichen Aufgaben. Eine in Österreich häufig angewandte PPP-Variante ist die Übernahme der Betriebsführung von Krankenanstalten durch private Firmen, die sich auf Krankenhausmanagement spezialisiert haben. Innerhalb eines PPPs wurden Private in den vergangenen Jahren auch immer mehr zur Finanzierung von Investitionen geholt. Gleichzeitig finden sich Versuche von Lohnkostensenkungen durch Kürzung von Überzahlungen und sonstigen Zuschlägen, aber auch durch Personalabbau meist in Form von Verzicht auf Nachbesetzungen nach Pensionierungen.

    Arbeitsverdichtung und Intensivierung

    Hauptbetroffene dieser Entwicklung sind die Beschäftigten in den Krankenhäusern.2 Eine Vielzahl von Studien der vergangenen Jahre zeigt denn auch ein kontinuierliches Anwachsen der Belastungen der Beschäftigten im Krankenhaussektor, vor allem durch Arbeitsverdichtung und Intensivierung. Arbeitsorganisatorische Veränderungen und Personalabbau (meist in Form von fehlenden Nachbesetzungen) erweisen sich dabei als wichtigste Ursachen. Für die zunehmenden Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben sind kaum zusätzliche Zeitressourcen vorgesehen, daher nimmt die Zeit für die „eigentlichen“ Aufgaben ab. Dazu kommt ein hohes Ausmaß an Überstunden, Mehrarbeit, die überdurchschnittliche Verbreitung von Wochenend- und Nachtarbeit etc. Die körperlichen, psychischen und sozialen Belastungen des Berufs werden, so ebenfalls das Ergebnis vieler Studien, von den Beschäftigten als „immer unerträglicher“ wahrgenommen. Für Österreich liegen keine repräsentativen Daten über einen Vergleich der Arbeitsbedingungen von im Krankenhaus Beschäftigten nach Trägerstruktur vor. Für Deutschland lässt sich aber zeigen, dass zwar die Arbeitsbelastung in den Kliniken trägerübergreifend zunimmt, aber die Belastung in den privaten Häusern durchschnittlich noch höher ist als in den öffentlichen Häusern. Die in Vollerhebungen ermittelten Daten des Statistischen Bundesamtes machen deutlich, dass sowohl ÄrztInnen als auch Pflegekräfte in privaten und auch in gemeinnützigen Häusern wesentlich mehr Belegstage zu behandeln haben als ihre KollegInnen in öffentlichen Häusern. Neben der stärkeren Arbeitsbelastung ist in Deutschland auch bei den Tarifen der Beschäftigten ein deutlicher Unterschied zwischen den tariflichen Entlohnungen der Beschäftigten bei den unterschiedlichen Trägern zu verzeichnen.
    In Österreich sind die Beschäftigten in privaten gemeinnützigen und privaten gewinnorientierten Krankenanstalten hinsichtlich der kollektivvertraglich festgelegten Einkommenshöhe seit jeher schlechtergestellt. Im vergangenen Jahrzehnt wurden aber Annäherungen erreicht. Gleichzeitig nehmen aber in allen Krankenhäusern – insbesondere aber in den privaten gemeinnützigen und privaten gewinnorientierten – die Bemühungen zu, Personalkosten durch Kürzungen von Zuschlägen und Überzahlungen zu reduzieren. Eine Gruppe von Krankenhausbeschäftigten, die gesondert erwähnt werden muss, sind von Auslagerung Betroffene. Sie erfahren in der Regel Verschlechterungen auf allen Ebenen der Beschäftigungssituation: Einkommensverlust aufgrund eines ungünstigeren (niedrigeren) Kollektivvertrags, Verlust von betrieblichen Sozialleistungen, die den Beschäftigten vor der Auslagerung zustanden, geringerer Kündigungsschutz, eine Zunahme von Arbeitsbelastungen durch Kürzung der Arbeitsstunden etc.

    Kämpfe

    Seit Jahren wird von Krankenhausbeschäftigten wiederholt auf die immer unzumutbarere Situation hingewiesen, bislang ohne Wirkung. Mittlerweile beginnen sich die Beschäftigten zu wehren: Kundgebungen, erste Warnstreiks in oberösterreichischen Ordensspitälern (nach dem Vorbild der Berliner Charité), Aktionen gegen weitere Auslagerungen. Die Kämpfe der Krankenhausbeschäftigten brauchen mehr Unterstützung auch seitens der Zivilgesellschaft. Schließlich geht es ebenso um Interessen von PatientInnen wie von Beschäftigten. Eine gute und qualitätsvolle Gesundheitsversorgung ist schließlich unser aller Anliegen.

    Internet:
    Die Broschüre „Ausgelagert? Umstrukturierung in Krankenhäusern“ können Sie hier downloaden:
    tinyurl.com/ptgnqob
    tinyurl.com/pdcez53

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    1 Unter Privatisierung wird der Transfer von Unternehmensanteilen von einem öffentlichen zu einem privaten Eigentümer verstanden. Ökonomisierung meint die Beteiligung von privatem Kapital, die Einführung von Marktmechanismen und die Adaptierung von privaten Management- und Effizienzprinzipien (Effizienz wird mit Profitabilität gleichgesetzt).
    2 Es ist anzunehmen, dass eine solche zunehmende Arbeitsbelastung auch Auswirkungen auf die Behandlungsqualität hat. Allerdings liegen aber bis dato kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Zusammenhang vor.

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    Ulrike Papouschek, Arbeits- und Geschlechtersoziologin an der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA) in Wien und Universitätslektorin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975031 Mittlerweile beginnen sich die Beschäftigten in Spitälern gegen die immer größer werdenden Belastungen zu wehren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975164 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974835 Der (hohe) Preis des Fortschritts Lang vorbei sind die Zeiten, in denen die Medizin in die Bereiche der Esoterik und Magie hineinreichte. Statt Wunderheilungen stehen heute hochmoderne Apparate wie Computertomografen und Hightech-Medikamente zur Verfügung. Aber der Fortschritt hat natürlich seinen Preis. So ist in der Pharmaindustrie viel Geld zu verdienen – aber auch zu verlieren. Die Kosten für die Entwicklung eines innovativen Medikaments betragen heute laut dem „Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen der Schweiz“ über eine Milliarde Franken (rund 800 Millionen Euro). Es können aber auch schon einmal 1 bis 1,5 Milliarden Euro werden, über die genauen Zahlen geben die einzelnen Unternehmen nicht gerne Auskunft.

    Drastisches Beispiel

    Ein drastisches Beispiel bietet „Sovaldi“, ein Medikament, das gegen Hepatitis C eingesetzt wird – eine einzige Tablette kostet an die 1.000 Euro, die rund zwölfwöchige Therapie kommt somit auf 84.000 Euro. Nicht jede Arznei ist so teuer, dennoch müssen die EndverbraucherInnen dafür aufkommen – oder wie im Falle Österreichs die Krankenkassen. Im Jahr 2012 gab die soziale Krankenversicherung rund drei Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Die Gesamtausgaben lagen bei rund 15,2 Milliarden Euro, Medikamente machen somit ein Fünftel der Gesamtausgaben aus. Zugleich sind sie der drittgrößte Posten. Die erste und zweite Stelle nahmen 2011 Spitalsbehandlungen mit rund 4,5 Milliarden (29 Prozent) und ärztliche Hilfe mit etwa 3,7 Milliarden (24 Prozent) ein. 2008 lagen die Ausgaben für Medikamente noch bei 2,53 Milliarden Euro oder 400 Euro pro VersicherungsnehmerIn, bis 2012 stiegen sie auf 411 Euro pro Kopf an. Ein Mehraufwand von 500 Millionen Euro innerhalb von vier Jahren ist keine Kleinigkeit, wobei Jutta Piessnegger vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger zu bedenken gibt, dass die Kosten durch den vermehrten Einsatz von Generika noch gebremst wurden. Die Abteilungsleiterin für den Bereich „Vetragspartner Medikamente“ bestätigt, dass „signifikant mehr“ teure Medikamente auf den Markt kommen und somit mit einer stärker steigenden Kostenbelastung für die Krankenkassen zu rechnen ist.
    Wie groß der Anteil des medizinisch-technischen Fortschritts nun an der Gesamtbelastung für das heimische Gesundheitssystem ist, kann laut der Health-Care-Expertin Maria M. Hofmarcher-Holzhacker nicht befriedigend beantwortet werden – es fehlen detaillierte Studien zu dem Thema. Unterschiedlichen Schätzungen und Berechnungsweisen für Wohlfahrtsstaaten zufolge trägt die medizinische Weiterentwicklung aber 40 bis sogar über 65 Prozent zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen bei.
    Wie lässt sich nun gegensteuern, ohne die Versorgungsqualität zu gefährden? Experten meinen: Es gilt, schon bei der Diagnose anzusetzen. So gibt es PatientInnen, die unter somatoformen Störungen leiden, das heißt, sie weisen körperliche Beschwerden auf, die sich nicht oder nicht hinreichend mit einer organischen Erkrankung erklären lassen. Das führt dazu, dass sich diese Menschen immer wieder hochtechnisierten (und teuren) Untersuchungen unterziehen, um der scheinbar unerfindlichen Ursache auf den Grund zu kommen. Dabei wird an der falschen Stelle gesucht, nämlich nach organischen und nicht nach psychischen Beeinträchtigungen. Krankenhaus-Ärzte berichten in diesem Zusammenhang, dass es immer wieder vorkommt, dass PatientInnen brandaktuelle Befunde verbergen, um sich erneut der gleichen Untersuchung zu unterziehen, die bereits wenige Tage zuvor in einem anderen Spital vorgenommen worden war. Hier tut eine ausführliche Beratung not, die auch nicht gratis ist, aber solche Mehrfachkosten verhindern kann.

    Eine Frage der Ethik

    Thomas Sycha, Facharzt für Neurologie, hat sich intensiv mit dem Thema Health-Care-Management auseinandergesetzt. Der Experte sieht einen weiteren springenden Punkt: „Die Frage ist, inwiefern der Kostenaufwand zum Nutzen in Relation steht. Das heißt, wie stark profitiert der Patient oder die Patientin wirklich von teuren Behandlungsmethoden? Wird die Lebensspanne deutlich gesteigert und wird dabei auch die Lebensqualität verbessert?“ Nehmen wir zum Beispiel ALS (Amyotrophe Lateralsklerose), eine degenerative Erkrankung des motorischen Nervensystems, die es durch Aktionen zahlreicher Prominenter aktuell zu einiger Popularität gebracht hat. ALS-PatientInnen müssen über viele Monate hinweg das Medikament Rilutek einnehmen, das Kosten und Nebenwirkungen verursacht, um eine Lebensverlängerung von wenigen Wochen zu erreichen – wobei hier die Fragen der Lebensqualität und der PatientInnenwünsche noch gar nicht berücksichtigt sind. Wäre es also nicht sinnvoller, das Geld in andere Bereiche zu transferieren, die in Summe mehr Nutzen bringen können? „Natürlich befinden wir uns hier in einer ethischen Diskussion, die aber erlaubt sein sollte. So fehlt es an Mitteln für präventive Maßnahmen wie die Förderung von Sport und Aufklärungsarbeit im Gesundheitsbereich. Mehr Wissen erleichtert die sogenannte Lifestyle-Modifikation, also Gesundheitsvorsorge durch eine gezielte Abstimmung bzw. Änderung des Lebensstils“, meint Sycha.

    Limitierte Mittel

    Der Mediziner fordert deshalb eine ehrliche Diskussion: „Österreich verfügt über ein hervorragendes, aber teures Gesundheitssystem. Die Politik definiert Gesundheit gerne als ,höchstes Gut‘ – auch aus Angst, Wahlen zu verlieren. Die Wahrheit ist aber: Selbst wenn Gesundheit das höchste Gut ist, sind die Mittel auch in diesem Bereich limitiert.“ Sycha spricht sich deshalb für einen breiten Diskurs aus, in dem eruiert wird, wie viel die Gesellschaft bereit ist, für die Gesundheit auszugeben, welche Mittel vorhanden sind und in welchen Bereichen sie sinnvoll eingesetzt werden sollen. „Diese Diskussion sollte nicht nur zwischen Ärzten und Ökonomen ablaufen, sondern die gesamte Gesellschaft miteinbeziehen. Natürlich vor allem die PatientInnen“, so der Mediziner. Er selbst plädiert dabei klar für den Ausbau der Gesundheitsvorsorge, die seiner Meinung nach derzeit zu wenig gefördert wird: „PolitikerInnen denken kurzfristig und in Legislaturperioden, präventive Maßnahmen zeigen aber erst nach vielen Jahren oder Jahrzehnten Auswirkungen, deshalb wird dieser Bereich vernachlässigt.“
    Wie Sycha gehen viele ExpertInnen davon aus, dass ohne explizite Beteiligung der Betroffenen, also der PatientInnen, eine Eindämmung der Kosten von Apparatemedizin und aufwendiger Medikamentation nicht möglich ist. Außerdem geht die Behandlung nicht selten am Wohl der PatientInnen vorbei. Ein anschauliches Beispiel: MedizinerInnen definieren den Erfolg einer antiepileptischen Therapie über die Anfallsfreiheit der PatientInnen.
    Umfragen der Cochrane Collaboration bei betroffenen PatientInnen und Angehörigen haben aber ergeben, dass sie natürlich die Anzahl der Anfälle reduzieren wollen. Noch wichtiger ist ihnen allerdings, aktiv am Alltag teilnehmen zu können. Das wird aber durch Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel etc., die durch alle Antiepileptika hervorgerufen werden können, massiv erschwert. Schlussfolgerung: Wenn nicht nach den Präferenzen der PatientInnen gefragt wird, führt auch die teuerste Behandlung nicht zum Ziel.
    Das bringt uns zu einem – vielleicht brutal anmutenden – Gedankenexperiment: Die Krebs-Therapie für eine Patientin/einen Patienten im fortgeschrittenen Stadium ohne Heilungsaussicht kostet um die 100.000 Euro – mit dem Effekt, dass die Lebenserwartung um einige Wochen bis Monate steigt. Wie würde sich der/die PatientIn entscheiden, wenn ihm/ihr statt der Behandlung ein Großteil der Summe zur freien Verfügung gestellt würde? Der/die Erkrankte könnte sie zum Beispiel an Angehörige vererben, spenden oder einen letzten Lebenstraum verwirklichen. Der Differenzbetrag auf 100.000 Euro könnte wiederum an anderer Stelle verwendet werden, zum Beispiel für begleitende Maßnahmen wie Physiotherapie, Ergotherapie, soziale Dienste, Pflege. Wie gesagt, es handelt sich hier nur um ein Gedankenspiel und vielleicht sogar um ein „unmoralisches Angebot“. Kann man Geld mit Gesundheit aufwiegen? In der Realität herrscht hier jedenfalls ein direkter Zusammenhang, auch wenn wir diese „bittere Pille“ nicht so gerne schlucken wollen.

    Internet:
    Mehr Info unter:
    www.euro.who.int
    www.bmg.gv.at

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    Harald Kolerus, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974818 Vor allem teure Medikamente treiben die Gesundheitsausgaben in die Höhe. Innerhalb von vier Jahren stiegen die Kosten um ganze 500 Millionen Euro. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974807 Die Vermessung der Gesundheit Was man nicht messen kann, lässt sich nicht managen!“, meinte einst der Management-Guru Peter Drucker. Nicht von ungefähr stellte der Softwarehersteller SAP 2010 die Schwerpunktnummer seines Kundenmagazins zur Nachhaltigkeit unter dieses Motto. Bisher kannte man SAP als den größten europäischen Hersteller von Unternehmenssoftware zur Abbildung und Abwicklung sämtlicher Geschäftsprozesse. Buchführung, Einkauf, Vertrieb, Produktion und so weiter wurden mess- und managebar. Im Laufe der Zeit waren auch Nachhaltigkeitsthemen wie Energieeffizienz und Arbeitssicherheit in die Liste der Steuergrößen aufgenommen worden. Die geläufigste Messung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erfolgt jedoch über die Unternehmensbilanz, die anhand von Finanzkennzahlen Anhaltspunkte für die Unternehmenssteuerung liefert. Nicht vergessen werden darf natürlich auch der Shareholder Value als die Mess- und Steuerungsgröße schlechthin, also der Unternehmenswert, abgebildet über den Aktienkurs. Wahrscheinlich wird heute mehr denn je gemessen und auf der Grundlage dieser Messungen gesteuert. Das Manko: Einziges Kriterium ist der wirtschaftliche Erfolg. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Unternehmenspolitik spielen nach wie vor nur eine untergeordnete Rolle. Das muss nicht so sein.
    Bereits die vierte Richtlinie des Europäischen Rates vom 25. Juli 1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen sieht vor, dass der Lagebericht auch nichtfinanzielle Informationen, einschließlich Informationen in Bezug auf Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, umfassen soll. Analoges wird im Österreichischen Recht über das Unternehmensgesetzbuch § 243 (5) UGB geregelt. Tatsächlich hat diese Regelung kaum etwas zur Transparenz der Sozial- und Umweltbelange der Unternehmen beigetragen. Nur eine begrenzte Zahl großer Gesellschaften publiziert regelmäßig nichtfinanzielle Informationen, und das in mangelhafter Qualität. Eine neue EU-Rechnungslegungs-Richtlinie will zumindest große Gesellschaften dazu bringen, gehaltvollere Daten nach einheitlichen Spielregeln offenzulegen. Der Geltungsbereich umfasst Unternehmen mit mehr als 500 MitarbeiterInnen, einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro oder einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen Euro.
    Die in der Richtlinie definierten Qualitätsstandards für nichtfinanzielle Informationen lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob damit das selbst gewählte Ziel einer Verbesserung der Relevanz, Konsistenz und Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann. Nicht einmal in Kernbereichen werden einheitliche EU-Standards definiert und auch auf internationale Rahmenwerke können sich die Unternehmen in ihrer Berichtspflicht ganz willkürlich beziehen. Beispielsweise können sie ihrer Offenlegung die OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen zugrunde legen. Oder ISO 26000. Oder die Global Reporting Initiative und so weiter. Letztendlich bleibt es jedem Unternehmen selbst überlassen, wie es seine Informationen über Sozial- und Umweltbelange bereitstellt. Genau diese Beliebigkeit wird massiv von ArbeitnehmerInnen-Vertretungen und NGOs kritisiert.

    Best-Practice-Beispiele

    Es gibt aber auch die andere Seite: Unternehmen, die zumindest in Teilbereichen eine valide und konsistente Nachhaltigkeitsbilanz erstellen. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) integriert beispielsweise in ihren Geschäftsbericht 2013 eine Wissensbilanz, die darüber informiert,

    • dass die Fluktuationsrate unter einem Prozent liegt,
    • dass 40 Prozent der Beschäftigten Frauen sind,
    • dass Frauen in Führungspositionen mit 25 Prozent deutlich unterrepräsentiert sind, wenngleich in den vergangenen Jahren eine Verbesserung zu verzeichnen war, und
    • dass ca. 60 Prozent der MitarbeiterInnen von Weiterbildungsmaßnahmen erfasst waren, die durchschnittlich 3,8 Tage dauerten.

    Stellt man diese Daten jenen der Oesterreichische Kontrollbank Group (OeKB) laut integriertem Geschäftsbericht 2013 gegenüber, so zeigt sich,

    • dass die Fluktuationsrate mit 2,5 Prozent höher liegt als bei der OeNB,
    • dass der Frauenanteil 58 Prozent erreicht und damit ebenfalls höher ausfällt als bei der OeNB,
    • dass 34 Prozent der Führungspositionen mit Frauen besetzt sind, mehr als in der OeNB, aber unter Berücksichtigung der Belegschaftsstruktur ungefähr gleich viele, und
    • dass die MitarbeiterInnen im Schnitt 5,5 Tage in Ausbildung waren, also mehr Zeit in die Weiterbildung investiert wurde als bei der OeNB.

    Schon dieser eine Vergleich macht klar, wie wichtig möglichst einheitliche Standards für die verschiedenen Indikatoren sind: Wie wird Fluktuation gemessen? Wie eine Führungsposition abgegrenzt? Nach welchen Kriterien wird Aus- und Weiterbildung erfasst? Valide und vergleichbare Daten sind die Voraussetzung, damit derartige Statistiken für eine zielgerichtete Interessenpolitik genutzt werden können.

    Möglichkeiten

    BetriebsrätInnen können unter Berufung auf § 91 (1) ArbVG das Gesetz des Handelns selbst in die Hand nehmen und Gesundheits- und Sozialstatistiken zu ihrer internen Orientierung erstellen. Das „gesellschaftspolitische Diskussionsforum“ (GEDIFO), eine Plattform von Gewerkschaften und der Wiener Arbeiterkammer, hat gemeinsam mit ArbeitnehmervertreterInnen ein erstes Grundgerüst relevanter Indikatoren entwickelt und an zwei ausgewählten Unternehmen erprobt. Kernindikatoren sind unter anderem

    • Beschäftigte (Anzahl, Geschlecht, Alter, Dienstjahre, begünstigte behinderte ArbeitnehmerInnen, Akademikerquote, Führungsposition),
    • Arbeitsvertragsverhältnisse (Vollzeit, Teilzeit, Leiharbeit etc.),
    • Arbeitszeit (Überstunden, Urlaubsrückstände),
    • Aus- und Weiterbildung (Tage, Budget),
    • Entlohnung (Schema, All-in-Verträge, variable Gehaltsbestandteile höher als 25 Prozent),
    • Gesundheit (Krankenstandstage, Langzeitkrankenstände, betriebliche Gesundheitsförderung, Arbeitsunfälle),
    • Sozialstandards (Aufwendungen für freiwillige Sozialleistungen, Anzahl der Betriebsvereinbarungen).

    Schon erste kleine Praxistests zeigen, was sich aus diesen Daten ableiten lässt. Angewendet auf einen großen Handelsbetrieb fördert die nüchterne Betrachtung der betrieblichen Altersstruktur dessen Rekrutierungsprobleme zutage: Junge MitarbeiterInnen sind im Vergleich zur Gesamtbranche weit unterrepräsentiert, auch weil viele EinsteigerInnen das Unternehmen in den ersten Jahren wieder verlassen. Immerhin 15 Prozent der Beschäftigten haben einen Urlaubsrückstand von mehr als 50 Tagen, was auf einen übermäßigen Workload hindeutet. Demgegenüber hatten in dem zweiten Pilotunternehmen nur acht Prozent der ArbeitnehmerInnen mehr als zwei Jahresurlaube nicht verbraucht. Teilweise kann diese Differenz auf die jüngere Belegschaftsstruktur zurückgeführt werden. Wenig überraschend, aber nichtsdestoweniger erwähnenswert: In beiden Unternehmen sind Frauen gegenüber Männern in der Gehaltseinstufung benachteiligt. Unterstützung für eine einheitliche Nachhaltigkeitsberichterstattung kommt von eher ungewöhnlicher Seite: von BlackRock, dem weltgrößten Vermögensverwalter, der als weltgrößte Schattenbank gilt. Gemeinsam mit anderen institutionellen Investoren ist BlackRock in CERES (Coalition for Environmentally Responsible Economies), einem Interessenverband zur Förderung der Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten, organisiert. „Die Zeit ist reif für eine Norm zum Nachhaltigkeitsausweis auf breiter Basis, die über freiwillige Initiativen hinausgeht“, wie Mindy Lubber, die Präsidentin von CERES, meint. Investoren hätten es nämlich satt, sich mühsam in den Nachhaltigkeitsberichten die Informationen zusammensuchen zu müssen. Als erster Schritt wird eine einfache Methode vorgeschlagen: Nachhaltigkeitsberichte, die sich mittels Hyperlinks des GRI-Rasters bedienen.

    Ein erster Anfang

    Selbst wenn sich die praktischen Auswirkungen der EU- und CERES-Initiativen noch nicht abschätzen lassen – es tut sich zumindest etwas bei den sogenannten „nichtfinanziellen Leistungsindikatoren“. Auch BetriebsrätInnen können etwas beitragen, indem sie zur eigenen Orientierung eine Gesundheits- und Sozialbilanz erstellen lassen. Zwar dürfen sie die Daten nach § 115 ArbVG weder publizieren noch an MitarbeiterInnen weitergeben, liegen diese jedoch einmal vor, dann ist der Schritt zur Publikation in einem Nachhaltigkeitsbericht oder integrierten Geschäftsbericht gar nicht mehr so weit.

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    Gabi Sax, Betriebsratsvorsitzende Gesundheit Österreich, Abt. Gesundheit und Gesellschaft und Ulrich Schönbauer, Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974792 Indikatoren für Qualität sind schnell gefunden, der Teufel steckt in der detaillierten Ausformulierung. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974784 Arbeiten Sie sich gesund! Wer glaubt, Menschen arbeiten primär des Geldes wegen, sind verantwortungslos und neigen zum Schlendrian, führt anders als jemand, der von der Arbeitsfreude und Lösungskompetenz der MitarbeiterInnen überzeugt ist. Ansichten, wie Menschen zu „managen“ seien, verraten vieles über das gesellschaftliche Verständnis von Arbeit und über das Menschenbild der Führungskraft.

    Disziplin

    Noch bis weit ins 20. Jahrhundert verlangte die industrielle Massenfertigung einen maschinentauglichen Arbeitstypus, der mittels Zwang und Überwachung diszipliniert wurde. Der amerikanische Ingenieur Frederick W. Taylor entwickelte die Blaupause der wissenschaftlich basierten Unternehmensführung.
    Die ergonomisch effizienteste Arbeitsweise misst die Stoppuhr, ein Vorarbeiter gibt das Arbeitspensum vor, die Stechuhr kontrolliert die Arbeitszeit, und ein Akkordlohn sorgt für die nötige Motivation, die monotone Arbeit zu ertragen. Gesundheit als Produktivitätsfaktor erkannte bereits Henry Ford. Bei unangekündigten Hausbesuchen überprüfte das Sociology Department das moralische Verhalten der Familie und die Hygiene im Haushalt.
    Die allgemeine Demokratisierungswelle der 1970er-Jahre zeigte sich auch in der Unternehmensführung: Arbeitshierarchien wurden flacher, MitarbeiterInnen als wichtige GestalterInnen des Arbeitsprozesses entdeckt. Beginnend mit der Marktdynamik der 1980er-Jahre wird Flexibilität zur neuen Allzwecktugend.

    SklavInnen des Terminkalenders

    Der flexible Mensch (Richard Sennett) arbeitet in Projekt- und Teamarbeit mit verschiedenen KollegInnen, er wechselt den Wohnort, wenn es der Job verlangt, und wechselt den Job, wenn es die Karriere erfordert. Flexibilitätsmotor ist das als „Lean Management“ bekannt gewordene „Schlankmachen“ von Unternehmen. Outsourcing, Zeitarbeit und befristete Arbeitsverträge geben Unternehmen die Möglichkeit, beweglich auf Auslastungsschwankungen zu reagieren, MitarbeiterInnen erleben dies als Instabilität, Unplanbarkeit und Veränderungsdruck.
    „MitarbeiterInnen als größtes Unternehmenskapital“ zu sehen kann auch eine beklemmende Umarmung sein. So zeigt der Ansatz „Führen durch Zielvereinbarung“ die ambivalente Qualität dieser Arbeitsverhältnisse. Im persönlichen Gespräch zwischen Führungskraft und dem/der einzelnen MitarbeiterIn werden Ziele festgelegt, deren Erfüllung meist an das Einkommen gekoppelt ist.
    Eva Angerler von der GPA-djp benennt die Auswirkungen: „Einerseits wird durch das Vorgeben und Verbindlichmachen von Zielen der Leistungsdruck verstärkt, andererseits kann sich der Einzelne durch die Klarheit der Aufgaben und die Besprechbarkeit des ‚Wie‘ mit seiner Arbeit stärker identifizieren.“
    „ArbeitskraftunternehmerIn“ nennen die Industriesoziologen Voß/Pongratz den neuen Idealtypus: hoch motiviert, erhöhte Selbstkontrolle, sich flexibel an die zeitlichen, räumlichen und inhaltlichen Berufsanforderungen anpassend, wird die gesamte Lebensführung den Unternehmensansprüchen untergeordnet. Umgekehrt rückt das ganze Leben des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin ins Blickfeld betrieblicher Strategien. Dies problematisieren Debatten um Dauererreichbarkeit, als Entgrenzung von Arbeit und Freizeit, und Work-Life-Balance.

    Neue Belastungen

    Die erhöhte Selbstständigkeit in der Arbeitsorganisation bringt neue Belastungen mit sich: starker Zeit-, Termin- und Leistungsdruck, Arbeitsverdichtung und knappe Personalstände. Auch die neu geforderten Arbeitstugenden (Soft Skills), allen voran Kommunikations- und Teamfähigkeit, können Quellen komplexer Arbeitsbelastungen sein.
    Nicht ohne Grund buchstabieren manche TEAM auch als „Toll, ein anderer macht’s“. Teamfähigkeit als Technik indirekter Selbstführung verlagert die Verantwortung des Vorgesetzten auf das Team und damit teilweise auch Konflikte. Auch Kommunikationsfähigkeit bringt nicht jede/r mit. Ungeschult bietet sie im Arbeitsalltag einen guten Nährboden für Konflikte und Mobbing. Versteckt hinter „Masken der Kooperation“ kann ein Betriebsklima entstehen, das mittels aktiver Informationskontrolle und gezielter Desinformation KollegInnen ausschließt.
    Der flexible Mensch bringt sich beruflich als Ganzer ein, zugleich werden Berufswege wie Anerkennung unsicher, ein Einfallstor für psychische Erkrankungen (siehe auch „Wenn der Geist leidet“, S. 36–37).

    Betriebliches Gesundheitsmanagement

    Die Forderung, länger und gesund im Erwerbsleben zu bleiben, rückt eine Randfrage ins Zentrum: Gesundheit. Oft wird mit betriebswirtschaftlichen (Fehlzeiten, Personalfluktuation) oder volkswirtschaftlichen Kosten (chroni-sche Erkrankungen, Invaliditätspension) argumentiert, um zu zeigen, dass sich Investitionen in Gesundheit rechnen.
    Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz kalkulierte die Kosten für ein rechtzeitig erkanntes Burn-out mit 1.000 Euro, das sich bei einer Zeitverzögerung von nur zwei Jahren bereits um das Zehnfache erhöhe.
    Die Luxemburger EU-Deklaration definiert Betriebliche Gesundheitsförderung als „alle Maßnahmen zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ mit Betonung auf der aktiven MitarbeiterInnen-Beteilung und der Stärkung persönlicher Kompetenz. Unterschieden wird zwischen verhaltensbezogenen, individuellen Maßnahmen (z. B. Raucherentwöhnung, Stressprävention) und verhältnisorientierten Kultur- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen, wie Job-Rotation, welche die persönliche Entfaltung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin fördern.
    So vielfältig die Einsatzbereiche betrieblicher Gesundheitsförderung wären, in der Unternehmenspraxis kommen meist nur wenige Einzelmaßnahmen zum Einsatz. Deshalb zählen BetriebsrätInnen zu den ganz wichtigen AkteurInnen, damit Gesundheitsförderung nicht auf symbolische Politik beschränkt bleibt, wie etwa den obligaten Obstkorb.
    Der Medizinsoziologe Aaron Antonovsky entwickelte mit der Salutogenese einen ganzheitlichen Ansatz, der mit dem dualen Denken von Krank-/Gesund-Sein bricht. Gesundheit begreift er als Prozess, für den er folgendes Bild wählt: Manchmal fühlt man sich „richtig gut im Fluss“, gleitet souverän auf den Stromschnellen dahin, ein anderes Mal kämpft man gegen Strömungen, um den „Kopf über Wasser zu halten“, braucht Pausen und Unterstützung. Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit sind zentrale Kategorien des Gesundseins, auch um Widerstandfähigkeit (Resilienz) bei extremen Belastungen zu entwickeln.

    Gesundes Führen

    „Gesundes Führen“ heißt transparente Arbeitszusammenhänge und Entscheidungsprozesse schaffen (die Gerüchte und stille Post unnötig machen), eine bewältigbare Aufgabenzuteilung und jede/r MitarbeiterIn kennt den Wert und Sinn ihrer/seiner Arbeit für die gemeinsame Leistung. Die Broschüre „Gute Arbeit“ der GPA-djp bietet einen praktischen Leitfaden konkreter Forderungen.  
    Wer einer Bäuerin, selbst im hohen Alter, bei der Arbeit zusieht, erkennt, dass auch schwere Arbeit gesund hält. Menschen können starke Arbeitsbelastungen gut ertragen, getragen von dem Gefühl der Sinnhaftigkeit und Bewältigbarkeit. Burn-out ist genau ein Ausbrennen an diesen Dimensionen von Arbeit. „Arbeit trägt gesundheitlichen Doppelcharakter: Sie kann verausgaben und erschöpfen oder bereichern und erfüllen – je nachdem, wie gut die Balance gelingt“, so Rudolf Karazman vom Institut für Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement (IBG). Will das Management das Schlagwort von „Gesunden Menschen in gesunden Organisationen“ ernst nehmen, braucht es die Bereitschaft, alle Unternehmensvorgänge auf ihre gesundheitsförderlichen bzw. -belastenden Wirkungen zu analysieren (z. B. von All-in-Verträgen) und gegebenenfalls zu modifizieren.

    Internet:
    Informationen zu betrieblicher Gesundheitsförderung:
    www.netzwerk-bgf.at
    Praxisangewandtes „BGF Know-how“ bietet die gleichnamige Broschüre des Fonds Gesundes Österreich:
    fgoe.org

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    beatrix@beneder.info
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    Beatrix Beneder, Sozialwissenschafterin, Kooperationspartnerin von Lebensraum Arbeit Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974733 Für die Gesundheitsförderung im Betrieb reicht symbolische Politik wie der berühmte Apfel am Tag nicht aus. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974689 Gesund mit Betriebsrat Der Arbeitsplatz spielt im Leben der Menschen eine sehr große Rolle. Ob im Krankenhaus, auf der Baustelle, im Büro oder in der Fabrik: ArbeitnehmerInnen verbringen viel Zeit in ihrem Job. Seit Jahren warnen ArbeitnehmerInnenschutz-ExpertInnen vor der Zunahme von psychischen Belastungen und einer erhöhten Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz.
    Ebenso bestätigen viele Studien, dass die moderne Arbeitswelt von heute von der Verlagerung der physischen Belastung in den psychischen Bereich geprägt ist.

    Chronischer Stress

    Psychische Krankheiten haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen, bereits jeder 16. Krankenstandstag in Österreich ist darauf zurückzuführen.  Das ist fast dreimal so viel wie vor 20 Jahren. So kommt es denn auch immer wieder vor, dass sich KollegInnen an ihre BelegschaftsvertreterInnen wenden und über Gelenksschmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und erste Anzeichen von Burn-out klagen. Burn-out wird als ein Resultat von chronischem Stress definiert und bezeichnet einen besonderen Fall zumeist berufsbezogener chronischer Erschöpfung. Ein übervoller Terminkalender, schlechte Arbeitsaufteilung, höchster Zeitdruck, monotone Takt-, Fließ- und Bandarbeit sind nur einige Stressauslöser, die zu Unmut und Unzufriedenheit beitragen und die Gesundheit der Beschäftigten beeinträchtigen.

    Offenes Ohr für KollegInnen haben

    Die Arbeitswelt hat sich verändert. Aufgaben müssen mit weniger Mitteln und einer höheren Geschwindigkeit von einer kleineren Anzahl an MitarbeiterInnen erledigt werden. Stress ist nur eine Antwort des Körpers auf den Wandel der Arbeit. Wenn sich ein/e Burn-out-Betroffene/r an den Betriebsrat oder die Betriebsrätin wendet, sollte gut zugehört werden und der/die Betroffene ermutigt werden, offen über seine/ihre Probleme zu sprechen. Das ist ein erster Schritt, um zu einer Verbesserung der belastenden Situation zu kommen. Ein weiterer Schritt kann sein, die dieKollegin/den Kollegen davon zu überzeugen, eine/n ExpertIn aufzusuchen. Denn in vielen Fällen wird auch eine medizinische Behandlung oder auch eine psychosoziale Beratung notwendig sein. Auf jeden Fall sollen die Betroffenen alle Schritte selbst erledigen und nicht die Belegschaftsvertretung stellvertretend für sie. Der ÖGB hat eine Broschüre zum Thema Burn-out herausgebracht. „Burn-out an der Wurzel packen“ soll Betroffe-nen und BetriebsrätInnen, aber auch Arbeitgebern helfen, Symptome frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern, um Burn-out gar nicht erst entstehen zu lassen.
    Menschen, die gesund sind und sich am Arbeitsplatz und im Betrieb wohlfühlen, sind leistungsbereiter und motivierter: Mit diesem Satz eröffnen wohl viele BelegschaftsvertreterInnen Gespräche mit der Geschäftsführung, um erfolgreich die Interessen der KollegInnen zu vertreten. Denn oft sind Maßnahmen die Gesundheit betreffend mit Kosten verbunden, schließlich gibt es keine „genormten ArbeitnehmerInnen“. Sehr wohl aber gibt es große und kleine, junge und alte Beschäftigte. Aus diesem Grund sollten Arbeitsflächen, Tische und Sitze an die individuellen Körpermaße des Menschen und die Art der Arbeit angepasst werden, um gesundheitliche Probleme zu vermeiden. Zu hohe Arbeitsflächen können zu schmerzhaften Verkrampfungen der Nacken- und Schultermuskulatur führen. Im Gegenteil dazu sorgen zu niedrige Arbeitsflächen für Rückenschmerzen. Eine ungünstige Körperhaltung führt zu vorzeitiger Ermüdung. Auch ein falscher Arbeitsstuhl ist ein Risiko für die Gesundheit, unter anderem kann es zu Herz- und Atembeschwerden, Rückenschmerzen, Magenschmerzen und Krampfadernbildung kommen. Der richtige Sessel muss standfest, höhenverstellbar und drehbar sein und er darf nicht aus einem schweißfördernden Material bestehen.

    Gefahren von Licht und Lärm

    Mit zunehmendem Alter verändert sich bei den meisten Menschen die Sehfähigkeit, ebenso erhöht sich der Lichtbedarf, der zur Ausführung bestimmter Tätigkeiten erforderlich ist. Reicht die natürliche Belichtung des Arbeitsraumes nicht aus, muss dafür Sorge getragen werden, dass eine künstliche Beleuchtung installiert wird. Schlechte Beleuchtung beeinträchtigt die Qualität der Arbeit und führt unter anderem zu Augenschmerzen und Augenschäden und erhöht zusätzlich die Unfallgefahr. Ähnlich verhält es sich bei Lärm am Arbeitsplatz. Während manche Geräusche wie Musik von einigen Beschäftigten als angenehm empfunden werden, sind sie für andere lästig und störend, wenn sie eine bestimmte Lautstärke überschreiten. Lärm löst bei Menschen je nach Intensität, Frequenzbereich und Dauer der Einwirkung unterschiedliche Reaktionen aus, von bloßer Belästigung und Störung bis hin zu schweren Beeinträchtigungen körperlicher Funktionen und unheilbaren Schäden.
    Die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier kritisiert immer wieder Handelsunternehmen, die zu laute Musik in ihren Filialen abspielen. Lärm mit einem Schallpegel von 65 bis 80 Dezibel bewirkt Arbeitsunlust und Reizbarkeit. Ein Schallpegel über 80 Dezibel kann sogar zu Gehörschäden führen. Lärm soll grundsätzlich an der Quelle seines Entstehens bekämpft werden. Wenn das nicht möglich ist, dann sollten Lärmschutzmittel, wie Gehörschutzwatte oder Kapselgehörschützer, verwendet werden.

    Klima am Arbeitsplatz

    Wenn darüber nachgedacht wird, was beim Thema Gesundheit und Wohlbefinden in der Arbeit verbessert werden kann, muss dem Klima am Arbeitsplatz besondere Beachtung geschenkt werden. Besonders die Hitzearbeit stellt ein großes Problem dar. Um Hautrötungen, Hitzschlag, Kollapszustände durch Austrocknung und Salzverlust des Körpers zu vermeiden, muss der Körper bei Hitzearbeit mit ausreichend Flüssigkeit versorgt werden und müssen Vorkehrungen vor Verbrennungsschäden, zum Beispiel Sonnencreme, getroffen und Schutzkleidung und wirksamer Augenschutz zur Verfügung gestellt werden. Besonders Bauarbeiter sind der starken Sonneneinstrahlung, aber auch verschiedensten gesundheitsschädlichen Arbeitsstoffen wie Gas, Staub oder Rauch ausgesetzt. Derzeit werden weltweit jährlich ungefähr 60.000 Stoffe produziert. Jährlich kommen neue Stoffe dazu, deren schädigende Wirkung nicht immer in vollem Umfang bekannt ist. Aus medizinischer Sicht wird genau hier empfohlen, die Schutzvorschriften genauestens zu beachten, mit den KollegInnen Gespräche zu führen und auf größte Sorgfalt mit diesen Stoffen zu plädieren.

    Raus aus dem Büro

    Waren es früher meist schwierige Diskussionen und Probleme mit den Vorgesetzten, treten heutzutage vermehrt Debatten zwischen KollegInnen im Unternehmen auf, obwohl sich alle im gleichen Boot befinden. Mit zunehmendem Stress vermindert sich auch das Verständnis für die Arbeit der anderen und man nimmt immer weniger Rücksicht aufeinander. In persönlichen Gesprächen mit den KollegInnen kann ein Betriebsrat oder eine Betriebsrätin herausfinden, wo die Ursachen der Probleme liegen und wie diese gelöst werden können. Gemeinsam mit dem Arbeitgeber können etwa Sportangebote für die Beschäftigten ausgearbeitet werden, die für ein besseres Wohlbefinden, für mehr Bewegung und somit auch für Ausgeglichenheit sorgen.
    Aktivitäten und Angebote, die Firmen anbieten können, sind unter anderem: Massage, Tanzkurse, aber auch Fußball- oder Volleyballturniere. Letzteres würde besonders den jugendlichen ArbeitnehmerInnen viel Spaß bereiten. Der Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung (VÖGB) organisiert regelmäßig kulturelle Events und zeigt Ausstellungen von Berufs- und HobbykünstlerInnen. Das wäre neben Jubiläumsfeiern, Betriebsausflügen und Sportturnieren eine gute Möglichkeit, für Abwechslung zu sorgen, KollegInnen aus ihrem Arbeitsalltag herauszuholen, sich außerhalb des Betriebes zu treffen und über persönliche Gemeinsamkeiten und Hobbys zu sprechen. Ein paar Stunden an der frischen Luft mit den KollegInnen schaden dem Arbeitsklima nicht.

    Internet:
    Weitere Infos finden Sie unter:
    www.gesundearbeit.at
    Die Burn-out-Broschüre können Sie hier downloaden:
    www.mitgliederservice.at

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    amela.muratovic@oegb.at
    oder die Redaktion
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    Amela Muratovic, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974606 Lärm soll grundsätzlich an der Quelle bekämpft werden. Wenn das nicht möglich ist, sollten Lärmschutzmittel verwendet werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974567 Mensch und nicht Maschine Dienstübergabe ist morgens um sieben. „Wir sind zwölf Stunden lang am Sprung“, erklärt Hannelore Zimmel. Sie ist 50 Jahre alt und seit 31 Jahren diplomierte Krankenschwester, erst in der Intensivstation, dann auf der Chirurgie im Krankenhaus. Nun arbeitet die Betriebsrätin als Pflegerin im Haus Atzgersdorf im 23. Wiener Gemeindebezirk. Es ist eines von 31 „Häusern zum Leben“, betrieben vom Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser (KWP).

    Zwicken und Kneifen

    Rund 16 Dienste hat Zimmel pro Monat. Der Arbeitsalltag reicht von der Inkontinenzversorgung, Körperpflege, dem Mobilisieren bis hin zum Verbandswechsel, der Essenseingabe, der Unterstützung oder der Lagerung und Verabreichung von Medikamenten. „Schwester Hanni“, wie sie die BewohnerInnen nennen, wird wie ihre KollegInnen ständig von Notrufen, Telefonanrufen von Angehörigen oder BewohnerInnen, die Fragen haben oder auf die Toilette wollen, in ihrer Tätigkeit unterbrochen. Zimmels Job ist körperlich wie psychisch schwer belastend. Allzu viele Jahre hat sie auf ihren Körper, insbesondere den Rücken, wenig Rücksicht genommen. Sie hat gehoben, wo es ging: wenn jemand gefallen ist, Hilfe brauchte, wenn andere zu schwach waren. Jetzt zwickt und kneift es auch bei ihr und schmerzt in der Wirbelsäule. Nicht nur die Lasten drücken auf den Rücken, auch der psychische Stress wiegt schwer.
    In den „Häusern zum Leben“ arbeiten rund 3.800 Beschäftigte – knapp 1.300 sind in der Pflege und Betreuung der etwa 8.000 KlientInnen tätig. Im Haus Atzgersdorf sind nur fünf Männer in der Pflege beschäftigt, der Pflegeberuf wird immer noch überwiegend von Frauen ausgeübt, in den letzten Jahren mit einer großen Tendenz zur Teilzeit. Eine Vielzahl der KlientInnen leidet an seniler Demenz – Menschen, die auch 24 Stunden durchgehend Aufmerksamkeit fordern, sind nicht selten. Zimmel: „Man muss gleich bleibend professionell agieren, denn so will ich auch einmal betreut werden. Du gehst nach Hause und es bleibt dir im Kopf – wir betreuen unsere BewohnerInnen nicht zwei Wochen, wie im Spital, sondern wir leben mit ihnen mehrere Jahre zusammen.“

    Problem Personalstand

    Zwar sollen die 12-Stunden-Dienste auf acht bzw. zehn Stunden verkürzt werden, „doch das kann mit diesem Personalstand mathematisch nicht einfach funktionieren“, denkt Zimmel. Außerdem sei es für die BewohnerInnen meist angenehmer, wenn eine Bezugsperson ganze zwölf Stunden für sie da ist: „Vor allem bei Dementen ist eine Bezugspflege sehr wichtig. Gespräche sind die beliebteste Form der Zuwendung und werden sehr genossen.“ Als Entlastung würde sie sich wünschen, dass es zwei Schwestern pro Gruppe gibt: „Aber das ist eine Utopie, die nie finanziert werden kann.“ Der Arbeitsdruck ist in den letzten Jahren enorm gestiegen und macht der Belegschaft zu schaffen – ArbeitnehmerInnen erkranken. Allzu häufig müsse sie ihre Gespräche mit den BewohnerInnen kurz halten, da die Zeit fehlt, bedauert Zimmel. Den größten zusätzlichen Aufwand bringe die stetig anwachsende Dokumentation: „Die Absicherung vor dem Gesetz wird immer mehr – es ist stets mehr zu schreiben, als man tatsächlich beim Bewohner sein kann.“ Alles nicht Dokumentierte ist praktisch nicht gemacht und wäre aber umso notwendiger, meint sie. „Diese Zeit geht auf Kosten der Betreuung“, weiß Silvia Weber-Tauss, 55. Sie arbeitet seit 20 Jahren im KWP und ist Zentralbetriebsrätin. Die gelernte Pflegehelferin hat ebenfalls lange im Krankenhaus gearbeitet. Für sie gehört zum Erfolgserlebnis in der Geriatrie, „die Ressourcen, die der Mensch hat, zu verbessern oder so lange wie möglich zu erhalten“. Die älteste Bewohnerin war 104 Jahre alt ‒ „eine Bereicherung“, wie Weber-Tauss betont.
    Stets im Hinterkopf zu haben, dass noch so viel tun ist, stresst Körper wie Geist. Auch die Frage, ob Rettung oder Arzt gerufen werden müssen, birgt eine immense Verantwortung. Zur Gesundheitsförderung wird im Unternehmen derzeit die Ausbildung von Ergonomie-LotsInnen unterstützt. Aus allen Bereichen – etwa Küche, Büro, Pflege, Hausbetreuung – wurden ZirkelteilnehmerInnen nominiert. „Ergonomie-Lotsen und Zirkelteilnehmer setzen sich zusammen, besprechen, was haben wir Tolles, welche Ressourcen, und wo hakt es. Danach werden mögliche Lösungen überlegt und anschließend in einem Maßnahmenkatalog präsentiert“, erzählt Zimmel. Schwerpunkte sind: Arbeiten bei Hitze; Heben, Schieben, Tragen; Zeit für Zuwendung. Für Entlastung der MitarbeiterInnen soll zudem „Sara 3000“ sorgen, ein Hebelifter. Weber-Tauss: „Eine tolle Geschichte, aber auch ein großer Zeitaufwand. Viele holen sich das Gerät aus Zeitdruck gar nicht, weil diese Zeit für die Bewohner genutzt werden kann.“

    Gewinnmaximierung?

    Den irrsinnigen Druck, der etwa auf dem Pflegepersonal lastet, kann Sonia Raviola, Gesundheitsexpertin der AK Niederösterreich und Supervisorin, gut nachempfinden: „Durch diesen Evaluierungswahn ersticken sie in ständiger Dokumentation. Und das oft innerhalb der eigentlichen Betreuungszeit.“ Die Expertin: „12-Stunden-Schichten haben schon ihren Vorteil, wenn es danach genügend Freizeit gibt. Voraussetzung ist: Man muss in diesem Job genug verdienen und nicht in eine zweite Arbeit hineingedrängt werden.“ Gerade im Krankenhaus- oder im Pflegebereich sind die Dienste oft so eng gestaltet, dass es ganz wenige Möglichkeiten für Team und Gruppe gibt, sich auszutauschen – etwa durch eine Team-Supervision oder ein Coaching. „Oft ist das nicht nur eine zeitliche Frage, sondern im Spital eine räumliche. Es gibt wenige Pausenräume. Besonders betroffen sind die mobilen Dienste.“
    Raviola rät auch zur Vorbildwirkung: „Wenn BetriebsrätInnen selbst wie ein Schlot rauchen, zu viel Alkohol trinken und sich stark übergewichtig durch die Welt bewegen, dann ist es einfach ein schlechtes Vorbild. Es führt kein Weg daran vorbei, dass BetriebsrätInnen an ihrer eigenen Gesundheit arbeiten. Das gilt auch für Führungskräfte.“ Dass Führungskräfte, die selbst wissen, wie Energie durch Bewegung, gute Ernährung und Achtsamkeit erzeugt wird, „besser für ihre Mitarbeiter sorgen“, davon ist die AK-NÖ-Gesundheitsexpertin überzeugt.

    Wenige Pausenräume

    „Bei sozialen und Gesundheitsberufen darf es keine Maßstäbe von Produktivität und Gewinnmaximierung geben. Nur kostenmäßig gedacht, scheint es zwar billiger, wenn eine Krankenpflegerin möglichst viele Patienten versorgt. Doch das System kollabiert, man sieht es an den zunehmenden Burn-out-Fällen. Junge Menschen können diesen Stress vielleicht noch ein Stück weit regeln, doch je älter der Mensch, desto schwieriger wird es.“
    Ob Pflegepersonal, VerkäuferIn, KellnerIn oder ein ähnlich belastender Beruf – der Körper fordert seinen Tribut. „Wenn ich eine gute Muskulatur habe, dann halten diese Muskeln auch die Knochen – etwa durch Gymnastik oder Krafttraining. Dafür brauche ich Zeit und den richtigen Ort“, erklärt Raviola. „Gelenke und Gelenksflüssigkeit haben stark mit der Ernährung zu tun. Ein Killer ist die Übersäuerung durch Kaffee, Alkohol und Fleisch. Die Aktivierung der Lymphknoten und auch der Gelenksflüssigkeit erfolgt stark über sanfte Bewegung und Massage. Für StahlarbeiterInnen, PflegerInnen oder etwa KellnerInnen ist genau das gesundheitlich wertvoll.“


    Internet:
    Studie „fit2work Arbeits-Fitness-Barometer“ (2012):
    tinyurl.com/l9kryhr

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    sophia.fielhauer@chello.at
    resei@gmx.de
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    Sophia T. Fielhauer-Resei und Christian Resei, Freie JournalistInnen Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974461 Wenn es um Schwerarbeit geht, wird meistens von männlichen Arbeitsfeldern gesprochen. Dabei haben auch Verkäuferinnen, Pflegerinnen und Kindergärtnerinnen Jobs, die sowohl Körper als auch Psyche schwer belasten können. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974436 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974362 So geht’s allen gut Probleme mit Vorgesetzten können die Gesundheit gefährden: Bei mehr als einem Drittel der betroffenen Beschäftigten sorgen sie etwa für Bluthochdruck. Bei all jenen, die mit dem Chef oder der Chefin gut auskommen, sind es nur 16 Prozent. Streit mit den ArbeitskollegInnen führt bei 43 Prozent der ArbeitnehmerInnen zu Verdauungsbeschwerden. Ist diesbezüglich alles in Ordnung, dann klagen nur 24 Prozent über Bauchweh & Co.1
    Ob Herzklopfen, Kopfweh oder Rückenbeschwerden – es gibt jede Menge Gesundheitsprobleme, die sich deutlich häufen, wenn im Job Arbeitsklima oder -bedingungen nicht passen. Doch wem die Arbeit Spaß macht, weil – salopp formuliert – rundherum alles passt, die/der identifiziert sich in der Regel auch mit den Zielen des Unternehmens und bringt entsprechende Leistungen.

    Bausteine guter Arbeit

    Mit der Aktion „Gute Arbeit“ fordern Arbeiterkammer OÖ, ÖGB und katholische Kirche menschenwürdige Arbeitsbedingungen und angemessene Entlohnung trotz Krise und steigender Arbeitslosigkeit. Dabei geht es auch um die Sinnfrage im Arbeitsleben, um Gesundheitsschutz und Planbarkeit, um den Abbau von Leistungsdruck und Entgrenzung, um Würde und Respekt. In einer gemeinsamen Deklaration wurden die Bausteine guter Arbeit definiert:

    • Angemessene Entlohnung und damit gerechter Anteil am Wohlstand.
    • Mitbestimmung von Arbeitsinhalten, Entscheidungen und Abläufen; Fehlentwicklungen im Job sollen aufgezeigt werden und es muss die Möglichkeit geben, sich zu organisieren und für Gerechtigkeit zu kämpfen.
    • Qualität: menschengerechtes Maß in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsausmaß und garantierte Arbeitsbedingungen, welche die physische wie psychische Gesundheit erhalten sowie gemeinsame Ruhepausen gewährleisten.
    • Sinn: Gute Arbeit ist sozial-ökologisch nachhaltig, stellt Produkte und Dienstleistungen her, die der positiven Gestaltung und Entwicklung der Welt nützen, und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe.
    • Würde: Der Mensch als Urheber, Mittelpunkt und Ziel allen Wirtschaftens wird respektiert und das Einbringen persönlicher Fähigkeiten wird ihm ermöglicht.

    Was erhält gesund?

    Psychisch bedingte Erkrankungen sind in Österreich die häufigste Ursache von Frühpensionierungen bei Angestellten. Mit der Anfang 2013 in Kraft getretenen Novelle des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes wurde die Wichtigkeit der psychischen Gesundheit und der Prävention arbeitsbedingter psychischer Belastungen, die zu Fehlbeanspruchungen führen, stärker betont. Die daraus resultierende Evaluierung psychischer Belastungen wird von manchen Unternehmen mit viel Engagement angegangen. Etliche sehen sie allerdings zuerst als Hürde. Ferdinand Loidl, Arbeitsinspektorat Salzburg, im Interview mit „Gesunde Arbeit“: „Unsere Beratung zielt hier besonders auch auf das Aufzeigen der Chancen für die Betriebe ab, wenn die Tätigkeiten, Aufgabenanforderungen, das Sozial- und Organisationsklima, die Arbeitsumgebung, die Arbeitsabläufe und die Arbeitsorganisation näher unter die Lupe genommen werden. Sehr bald sehen die Unternehmerinnen und Unternehmer, dass dies sehr viel für die Beschäftigten und daher auch sehr viel für das Unternehmen bringen kann.“

    Ignoranz bringt uns nicht weiter

    Schärfer formuliert es AK-Experte Roland Spreitzer in seinem A&W-Blogbeitrag „Psychische Gesundheit im Betrieb – Ignoranz bringt uns nicht weiter“: „Das Ignorieren psychischer Fehlbeanspruchungen im Betrieb verursacht menschliches Leid und schadet den Betrieben. Eine umfassende Evaluierung kann die Situation deutlich verbessern. Dabei sollte es nicht darum gehen‚ schuldige Chefs im Unternehmen zu identifizieren, sondern systemimmanente Belastungsfakto-ren auszuschalten. Das Anpacken von ‚heißen Eisen‘ wird vielen Betrieben dabei nicht erspart bleiben: Personalbemessung, Arbeitszeitgestaltung und Führungskultur sind nicht die einzigen, aber wesentliche Ansatzpunkte. Wer sich bei der Maßnahmenableitung auf Stressmanagement-Seminare und Supervisionsangebote beschränkt, wird arbeitsbedingte psychische Erkrankungen nicht nachhaltig in den Griff bekommen. Es gibt bereits einige mutige Unternehmen, die dies erkannt haben und in vorbildlicher Weise die richtigen Schritte setzen.“
    Von der Evaluierung psychischer Belastungen können Kleinunternehmen besonders profitieren, denn sie spüren durch Stress und Burn-out verursachte Einbußen besonders. Hier können die Burn-out-Gesamtkosten bei später Diagnose (= lange Behandlungsdauer) bis zu 8,8 Prozent der Personalkosten ausmachen, so die 2013 veröffentlichte „Volkswirtschaftliche Analyse eines rechtzeitigen Erkennens von Burn-out“ der Johannes Kepler Universität Linz. Je nach Zeitpunkt der Diagnose verursacht eine/ein Burn-out-Betroffene/r Gesamtkosten zwischen 1.500 und 131.000 Euro.

    BGF bringt’s

    Die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) umfasst zwar durchwegs freiwillige Maßnahmen wie Nikotinentwöhnung oder Bewegungsprogramme, aber ihr ökonomischer Nutzen ist gut dokumentiert. Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien: „Internationale Studien zeigen, dass die Investition eines Euros bis zu sechs Euro an betriebswirtschaftlichen Einsparungen bringt. Die Produktivität in den Betrieben steigt um 20 Prozent.“
    Die deutsche „Initiative Gesundheit und Arbeit“ (iga) hat 2009 in ihrem Report „Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention“2 zahlreiche wissenschaftliche Übersichtsarbeiten und Studien evaluiert und ortete weiteren Forschungsbedarf. Denn bis dato gab es erstaunlich wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, welche Maßnahmen etwa zur Stressreduktion und gegen Rückenschmerzen am wirkungsvollsten sind. Werden die richtigen Maßnahmen gesetzt, dann wirkt sich das durchaus positiv aus. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis etwa bei den Fehlzeiten bewegt sich zwischen 1:2,5 bis 1:10. Die Schwankungsbreite entsteht auch dadurch, dass für jedes Problem sehr unterschiedliche Lösungsansätze möglich sind. So mindern etwa Stressinterventionen, die auf der individuellen Ebene ansetzen, zwar die Symptome, aber sie wirken sich nicht auf die Stressursachen aus. Dafür wären in der Regel auch organisatorische Maßnahmen nötig, in der Praxis bevorzugen Unternehmen aber die individuelle Ebene. Psychische Probleme und (psychosomatische) Erkrankungen hauptsächlich als individuelle Charakterschwäche der Betroffenen zu interpretieren mag zwar be-quem sein, ist aber letztendlich kontraproduktiv.

    Mittleres Management

    Wichtig ist außerdem, dass nicht nur die betroffenen Beschäftigten von Anfang an eingebunden werden, sondern auch das mittlere Management. Dieser Personenkreis stehe, so Bernhard Badura, Experte für Betriebliches Gesundheitsmanagement an der Fakultät für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld, durch seine Sandwichposition im Unternehmen ohnehin schon stark unter Druck.3 BGF-Projekte sollten keinesfalls als belastende Zusatzaufgaben angesehen werden, sondern als vielversprechende Herausforderung und Investition in die Zukunft. Dann machen sich auch bald die positiven Nebenwirkungen der Projekte bemerkbar. Denn durch die Förderung der Kommunikationsstrukturen und -prozesse im Laufe von BGF-Maßnahmen entwickeln die verschiedenen Arbeitsbereiche mehr Verständnis füreinander. Das führt zu weniger innerbetrieblichen „Reibungen“ und verbessert das Betriebsklima. Die Beschäftigten sind motivierter, die Produktivität steigt und die Fluktuation sinkt.

    Internet:
    Evaluierungswebsite der Sozialpartner:
    www.eval.at
    Österreichisches Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung:
    www.netzwerk-bgf.at
    gute-arbeit.at
    www.gesundearbeit.at
    EU-Kampagne Healthy Workplaces:
    www.healthy-workplaces.eu

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin
    afadler@aon.at
    oder die Redaktion
    aw@oegb.at

    1 Österreichischer Arbeitsgesundheitsmonitor, 2012.
    2 Initiative Gesundheit und Arbeit: iga-Report 13 – Wirksamkeit und Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung und Prävention, Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2000–2006.
    3 Fonds Gesundes Österreich: BGF in Österreich – Beispiele guter Praxis 2014.

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170974176 Bei mehr als einem Drittel der Beschäftigten treiben Konflikte mit Vorgesetzten Puls und Blutdruck in die Höhe. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170974143 Gesundheit in der Krise Seit dem Jahr 2010 steht Griechenland unter Aufsicht der Troika, die Sparmaßnahmen in den Krisenländern Europas propagiert. Massive Einsparungen im Sozial- und Gesundheitsbereich haben in den letzten Jahren breite Teile der griechischen Bevölkerung in die Armut gestürzt. Immer mehr Menschen fallen aus dem Gesundheitsversicherungssystem, können sich Medikamente und Behandlungen nicht leisten. „Nach einem Jahr Arbeitslosigkeit wird den Menschen das Arbeitslosengeld und auch die Krankenversicherung gestrichen“, berichtete Karadimos Ioannis, Aktivist der „Klink der Solidarität“ in Thessaloniki, bei der gemeinsamen Diskussionsveranstaltung des ÖGB-Europabüros und der AK Europa zum Thema „Gesundheit in der Krise“ in Brüssel.

    Die Klinik der Solidarität im Norden Griechenlands wird von Ärztinnen und Ärzten ehrenamtlich geführt, die kostenlose Gesundheitsdienstleistungen für alle anbieten und für eine staatliche Gesundheitsversorgung kämpfen, die für alle Menschen zugänglich ist. Dass die Situation nicht einfach ist und der Andrang auf die Solidaritätsklinik immer größer wird, erzählten die AktivistInnen bei der Diskussionsveranstaltung. Sie kritisierten vor allem, dass die humanitäre Katastrophe in Griechenland verschwiegen wird. Und Diskussionsteilnehmerin Ulrike Neuhauser, Vize-Generalsekretärin vom Dachverband der Arbeitgeber der öffentlichen Krankenanstalten (HOSPEEM), betonte, dass die EU finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, diese jedoch nicht dort ankommen, wo sie gebraucht werden.

    Mehr Infos unter:
    www.oegb-eu.at
    www.weltumspannend-arbeiten.at

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    Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975542 Am Podium: Karadimos Ioannis, "Klinik der Solidarität", Sepp Wall-Strasser, "Weltumspannend Arbeiten", Monika Vana, EU-Parlamentsabgeordnete, und Ulrike Neuhauser, Vize-Generalsekretärin von HOSPEEM. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170975547 Der ÖGB-Verein "Weltumspannend Arbeiten" versucht mit Studienreisen und Besuchen in der "Klinik der Solidarität" ein Bewusstsein für die fatale Situation zu schaffen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973836 Giftskandal Der Skandal war perfekt. Arbeiterinnen einer Wiener Neustädter Präservativfabrik mussten Anfang 1930 mit schwersten Vergiftungssymptomen ins Krankenhaus eingeliefert werden, fünf von ihnen starben. Selbst Bundeskanzler Schober, Chef einer rechten Koalitionsregierung, hielt es für angebracht, persönlich im Krankenhaus zu erscheinen und 1.000 Schilling als Beitrag zu der von der Gewerkschaft organisierten Ausspeisungsaktion für die Überlebenden zu spenden.

    Richtige Ernährung war eine entscheidende Voraussetzung für die Heilung, aber genau diese konnten sich die Arbeiterinnen nicht leisten. Deshalb nahmen Wilhelmine Moik von der Frauensektion des Bundes der Freien Gewerkschaften, nach 1945 ÖGB-Frauenvorsitzende, und Rosa Jochmann vom Chemiearbeiterverband, beide nach 1945 Nationalratsabgeordnete, die Sache in die Hand.  Sie starteten eine Spendenkampagne, über die das sozialdemokratische „Kleine Blatt“ berichtete: Die Hilfsbereitschaft der arbeitenden Bevölkerung kennt fast keine Grenzen. Überall wird für die Opfer gesammelt … Zehngroschenstücke, halbe und ganze Schillinge werden zusammengelegt und der Erfolg ist wirklich großartig. Für drei Wochen etwa ist … die Ausspeisung sichergestellt.

    Die Kranken erhielten so – entsprechend der ärztlichen Empfehlung – viermal am Tag eine nahrhafte Mahlzeit. Das Jugendamt stellte eine erprobte Köchin bei, der Speisezettel wurde entworfen, und nun brodelt das Essen in den großen kupfernen Kesseln und die Tische sind gedeckt für die Gummiarbeiterinnen.

    Die besonders stark Betroffenen kamen nach dem Krankenhausaufenthalt noch zur Kur in Erholungsheime der Krankenkasse und der Gewerkschaft.

    Die Industrielle Bezirkskommission Wiener Neustadt, das damalige Arbeitsamt, beschrieb die Arbeitsbedingungen, die zur Vergiftung geführt hatten, und die Motive, warum sie die Arbeiterinnen hinnahmen, ungeschminkt: Frauen stehen an den Benzoltrögen, in die die Formen für die Gummipräservative getaucht werden. Aus den offenen Trögen steigen die Benzoldämpfe, an der Oberfläche der Präservative verdunstet Benzol, keine Ventilation, keine Abzugsvorrichtung sorgt für frische Luft … Die Frauen leiden an Übelkeit, an Erbrechen, – aber … die Arbeitslosigkeit schreckt.

    Parallel zur Hilfsaktion ergriffen die Gewerkschaftsfrauen auch im Parlament und in der Arbeiterkammer die Initiative. Sie forderten von der Regierung eine Benzolverordnung und die Bestellung weiterer entsprechend geschulter Gewerbeärzte, außerdem den Einsatz von mehr Frauen in der Gewerbeinspektion. Die beiden letzten Forderungen hatten angesichts der Sparpolitik in der Weltwirtschaftskrise keine Chance auf Verwirklichung, aber eine Schutzverordnung, die auch andere Industriegifte berücksichtigte, wurde 1932 erreicht. „Arbeit und Wirtschaft“ kommentierte: Ob sie allen Wünschen entspricht, wird sich noch zeigen. Aber dass sie nun doch erlassen ist, … ist jedenfalls ein Erfolg der gewerkschaftlichen Frauenbewegung.

    Ausgewählt und zusammengestellt von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

    Zitate aus: Broessler, Agnes (2006): Wilhelmine Moik. Ein Leben für die gewerkschaftliche Frauenpolitik, Wien, 41–47.

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    Brigitte Pellar, Historikerin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170973820 Die Zeitung der freigewerkschaftlichen ChemiearbeiterInnen schrieb am 20. Februar 1930 im Nachruf auf die von Benzoldämpfen getöteten Arbeiterinnen: "Ihr Sterben ist namenloses Unglück, aber auch eine furchtbare, erschütternde Anklage." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973792 ÖGB: Frauen "gewinnen" zwei Tage „Im Schnitt verdienen Vollzeit arbeitende Frauen in Österreich 2014 um 22,7 Prozent weniger als Männer. Das bedeutet, dass Frauen bundesweit ab dem 10. Oktober im Vergleich zu den Einkommen von Männern anfangen, gratis zu arbeiten“, stellte Renate Anderl, geschäftsführende ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende und Vizepräsidentin, anlässlich des Equal Pay Days fest. Im Vergleich zum Vorjahr haben Frauen zwei Tage „gewonnen“, 2013 war der Equal Pay Day der 8. Oktober.

    Im Zehnjahresvergleich werden die Veränderungen sichtbar: 2004 arbeiteten die Frauen genau 100 Tage gratis und der bundesweite Equal Pay Day lag am 23.September. 2014 sind es „nur“ noch 83 Tage, somit gibt es eine Verbesserung um 17 Tage. Anderl fordert „konkrete Maßnahmen wie den Ausbau ganztägiger und flächendeckender Kinderbetreuungs- und Kinderbildungseinrichtungen oder eine gesetzliche Verpflichtung zur Anrechnung aller Elternkarenzzeiten“.

    Auch wenn es noch genug Grund für Ungeduld gibt, gibt Anderl zu bedenken; „Wir dürfen nicht vergessen, dass jeder Tag in Richtung Jahresende ein Gewinn ist. Das ist keine Selbstverständlichkeit und harte Arbeit. Erst wenn allen bewusst ist, dass dieses Thema nicht allein die Frauen, sondern die gesamte Gesellschaft angeht, können wir Gerechtigkeit auch beim Einkommen erreichen.“


    Die ÖGB-Frauen machen heuer mit einem Kreuzworträtsel auf ihre Arbeit aufmerksam. Unter dem Motto „Gewinn mit uns“ zeigen die Gewerkschafterinnen auf, dass die jährliche Verbesserung der Lohnsituation von Frauen nicht dem Zufall zugeschrieben werden kann.

    Ganz klar ist für Anderl: „Jedes Jahr zwei Tage zu gewinnen ist uns zu langsam. Solange der Equal Pay Day nicht am 31.12. ist, werden wir weiter hartnäckig bleiben, weiter sensibilisieren und Druck machen.“ Denn jeder Euro, der Frauen weniger bezahlt wird, hat nicht nur individuelle, sondern auch gesamtwirtschaftliche Folgen. Die ÖGB-Frauen fordern vor diesem Hintergrund einen kollektivvertraglichen Mindestlohn bzw. ein Mindestgehalt in der Höhe von 1.500 Euro. Auch Karenzzeiten müssen auf alle dienstzeitabhängigen Ansprüche angerechnet werden. Zudem braucht es höhere Gehälter für Beschäftigte in frauendominierten Branchen. Nicht zuletzt regen die ÖGB-Frauen die Weiterentwicklung der Einkommensberichte an.

    Mehr Infos unter:
    tinyurl.com/le5sz7t

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    Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973766 ÖGB/AK: Signal in Richtung Steuerentlastung Als Signal in Richtung Steuerentlastung der ArbeitnehmerInnen und der PensionistInnen werten ÖGB-Präsident Erich Foglar und AK-Präsident Rudi Kaske die Einigung der Regierung auf konkrete Schritte zur Steuerreform. „Wir bringen unser Modell zur Steuerentlastung ein und erwarten, dass darüber verhandelt wird“, sagen Foglar und Kaske. Über 750.000 Menschen in ganz Österreich haben die Forderung „Lohnsteuer runter!“ unterschrieben. Das zeigt, dass den Menschen eine steuerliche Entlastung unter den Nägeln brennt ‒ und dass es dabei keine Verzögerungen geben darf.
    Immer mehr Menschen können von dem Geld nicht mehr leben, das ihnen monatlich zur Verfügung steht. Hunderttausende können sich keine neue Kleidung leisten oder ausständige Zahlungen nicht begleichen. Mehr als 300.000 Menschen in Österreich können ihre Wohnung im Winter nicht heizen. Deshalb ist es an der Zeit, alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen spürbar und nachhaltig zu entlasten.
    Positiv sehen Foglar und Kaske, dass es jetzt einen ambitionierten Zeitplan zur Ausarbeitung der Steuersenkung gibt. Die Regierung solle das ÖGB/AK-Modell aufgreifen.
    Foglar: „Mit unserem Modell sollen sich die Menschen wieder mehr leisten können. Das schafft mehr Kaufkraft, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung.“ Kaske: „Den Menschen soll mehr Geld im Börsel bleiben. Jetzt sind die arbeitenden Menschen in diesem Land an der Reihe.“
    Jetzt online unterschreiben und der Forderung mehr Nachdruck verleihen:
    www.lohnsteuer-runter.at

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    Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973741 Standpunkt | Druck raus! Sie ist immer da. Sie erträgt alle ihre Launen und Ängste. Dauernd macht sie sich Gedanken, wie sie ihr das Leben erleichtern könnte. Dabei ist sie keine ausgebildete Pflegerin, sondern pflegt ihre Mutter zu Hause. Es sei das Mindeste, was sie für ihre Mutter tun könne: ihr etwas zurückgeben, wo ihre Mutter doch auch so viel gegeben hat. In letzter Zeit denkt sie immer häufiger darüber nach, ob ein Pflegeheim nicht doch für alle Beteiligten eine bessere Lösung wäre. Immerhin leidet sie selbst unter chronischen Rückenschmerzen und spürt, wie ihr die Belastung über den Kopf zu wachsen droht, immerhin ist sie selbst noch berufstätig. Ich musste an Frau G. denken, als ich den Artikel „Mensch und nicht Maschine“ las, in dem zwei Pflegerinnen über die Herausforderungen ihrer Arbeit sprechen. Sie leisten Enormes und sorgen vor allem dafür, dass sich alte Menschen in ihrem letzten Zuhause wohlfühlen können – und ihre Angehörigen entlastet werden.

    Bis zur Selbstaufgabe
    Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr fühlte ich mich an Belastungen vieler ArbeitnehmerInnen erinnert: Man soll sich mit dem Betrieb identifizieren, bisweilen sogar bis zur Selbstaufgabe, und alle Energien in die Firma investieren. Die Zeiten sind schlecht, deshalb müssen wir noch mehr geben, auf dass wir alle überleben. Immer weniger Menschen sollen immer mehr Aufgaben in immer weniger Zeit erfüllen. Immer mehr Menschen gehen auch dann in die Arbeit, wenn sie krank sind und eigentlich ins Bett gehören – die Arbeit muss schließlich getan werden und die KollegInnen sind ohnehin schon überlastet. Dass sie damit die Krankheiten in den Betrieb mitbringen und andere anstecken, wird in Kauf genommen, zu groß ist bei vielen zusätzlich die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz.

    Fortschritte
    Die Folgen, wenn ArbeitnehmerInnen am Rande ihrer Kapazitäten arbeiten und bisweilen auch darüber hinausgehen, sind inzwischen unübersehbar. Wie so oft ist es eine ambivalente Entwicklung. Denn während auf der einen Seite der Druck enorm gestiegen ist, werden psychische Erkrankungen immer mehr als Krankheiten wie jede andere wahrgenommen. Auch das ist ein Fortschritt, ist es doch auch ein Zeichen dafür, dass die Gesellschaft die Auswirkungen der gestiegenen Belastungen anerkennt. Immerhin galt auch früher das Pflichtbewusstsein als Maß aller Dinge, weshalb ArbeitnehmerInnen zu wenig Rücksicht auf ihre Gesundheit nahmen. Heute wird offener darüber gesprochen, Betriebe setzen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und auch außerhalb der Betriebe gibt es Unterstützung. Zweifellos muss hier noch deutlich mehr geschehen.
    Ambivalenzen, wo man hinsieht: Immer stärker wird auf die Selbstverantwortung der MitarbeiterInnen gesetzt. Neue technische Hilfsmittel machen es möglich, dass ArbeitnehmerInnen ihren Arbeitsalltag stärker selbst gestalten können, ja manchmal sogar entscheiden können, wo sie arbeiten möchten. Zumindest in der Theorie würde das die besten Voraussetzungen für die persönliche Entfaltung bieten. Wäre da nicht dieser Sparzwang. Und wäre da nicht die paradoxe Eigenschaft des Menschen, sich von der Technik unterwerfen statt sich von ihr entlasten zu lassen.

    Anregungen
    Es gibt viel zu tun, damit der Arbeitsplatz nicht zu einer großen Gesundheitsgefahr wird. Insbesondere sollten alle Beteiligten noch stärker darüber nachdenken, wo sie ansetzen können, bevor es zu spät ist. Wir haben in diesem Heft einige Bei-spiele zusammengetragen, wo dies be-reits geschieht. Außerdem finden Sie Anregungen, wie gemeinsam gesündere Arbeitsplätze erreicht werden könnten. Nicht zuletzt weisen wir auch auf Problemfelder hin.
    Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre.

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    Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973635 Vorbeugen ist besser als Heilen In der Alpenrepublik haben wir es gerne gemütlich: Ein Glaserl Wein gehört praktisch zur nationalen Identität, der Griff zur Zigarette fällt ebenfalls nicht schwer. Natürlich wird auch anderswo massig getrunken und geraucht – Österreich hat sich in dieser Disziplin aber an die europäische Spitze gesetzt. Knapp 30 Prozent der Mädchen im Alter von 15 rauchen hierzulande, das ist die höchste Rate innerhalb der OECD-26 (im Schnitt rund 15 Prozent Raucherinnen). Unter den heimischen Burschen im gleichen Alter greifen an die 25 Prozent regelmäßig zu ihrem „Glimmstängel“, in den Vergleichsländern sind es wiederum circa 15 Prozent. Beim Alkoholkonsum liegen junge ÖsterreicherInnen ebenfalls über dem Durchschnitt. Was Gemüse auf dem Speiseplan betrifft, rangieren wir vor Ungarn und Estland an vorletzter Stelle. Mahlzeit!

    Umfassendes Konzept

    Es muss nicht ausgeführt werden, dass Rauchen, Alkohol und ungesunde Ernährung gerade für jüngere Jahrgänge besonders schädlich sind. Deshalb fordern ExpertInnen mehr Aufklärungsarbeit, denn Gesundheitsprävention ist mehr als die – zweifellos wichtige – jährliche Vorsorgeuntersuchung. Angestrebt wird ein umfassendes Konzept, das unter der Bezeichnung Health Literacy oder Gesundheitskompetenz zusammengefasst wird.
    Darunter versteht man Fähigkeiten, Wissen und Motivation, um im Alltag relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu begreifen und anzuwenden. Gesundheitskompetenz ist somit entscheidend, um in den Bereichen Krankheitsbewältigung, Prävention und Gesundheitsförderung die richtigen Entscheidungen zu treffen und das professionelle Krankenbehandlungssystem zielführend zu nutzen. Das beginnt bereits damit, das Gespräch mit MedizinerInnen richtig zu deuten oder einen Befund zu verstehen. Alles in allem geht es bei Health Literacy um eine Förderung des Gesundheitsbewusstseins, die sich in einem gesünderen Lebensstil und Bereitschaft zur Prävention auswirkt.
    In Österreich besteht auf diesem Gebiet noch Nachholbedarf, wie die Studie „Health Literacy Survey Europe“ (HLS-EU) aus dem Jahr 2011 vor Augen führt. Für diese Untersuchung wurden jeweils 1.000 EU-BürgerInnen in Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Irland, den Niederlanden, in Österreich, Polen und Spanien zu ihrer Gesundheitskompetenz befragt. Ernüchternde „Diagnose“: In Österreich hatten 18,2 Prozent der Befragten inadäquate, 38,2 Prozent problematische, 33,7 Prozent ausreichende und nur 9,9 Prozent exzellente Gesundheitskompetenz. Somit wiesen etwas mehr als jeder/jede zweite ÖsterreicherIn begrenzte Gesundheitskompetenzen auf. In den Niederlanden war die Quote der begrenzten Gesundheitskompetenz mit 28,7 Prozent am geringsten. Der Durchschnitt aller Länder lag bei 47,6 Prozent, wobei Österreich hinter Bulgarien den zweitschlechtesten Wert erreichte.
    Dieser Befund hat die heimische Politik wachgerüttelt: In den sogenannten Rahmengesundheitszielen wurde die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung als ein zentrales Element offiziell festgehalten. Diese Rahmengesundheitsziele wurden vom Gesundheitsministerium in Zusammenarbeit mit zahlreichen anderen Ministerien und Interessenvertretungen wie ÖGB, WKÖ oder Ärztekammer gesteckt. Angestrebt wird die Verbesserung der Gesundheit aller in Österreich lebenden Menschen.
    Rosemarie Felder-Puig, Forscherin am Ludwig Boltzmann Institut Health Promotion Research, lobt diese Bestrebungen: „Österreich war vielleicht nicht bei den Ersten, die in Gesundheitsförderung und Prävention investiert haben, aber in den letzten Jahren ist viel passiert. Mit der Steigerung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung erhofft man sich auch eine Senkung der Kosten für das Krankenbehandlungssystem, und dieses Geld könnte man dann verstärkt in Gesundheitsförderung und Prävention investieren.“

    Niederlande als Vorreiter

    Wie die „Alphabetisierung“ in Gesundheitsfragen vorangetrieben werden kann, haben bereits andere Länder vorgezeigt. Sabine Haas, stellvertretende Abteilungsleiterin für Gesundheit und Gesellschaft bei der Gesundheit Österreich GmbH, kommentiert: „Wenn man Gesundheitsförderung sehr breit versteht, so sind Länder wie Neuseeland, Kanada, Finnland, Schweden und die Niederlande gute Vorbilder eines weiten und sehr gut abgestimmten Zugangs zu Gesundheitsförderung und Prävention.“ Speziell im Hinblick auf Maßnahmen der Gesundheitskompetenz gelten die Niederlande als Vorreiter, da sie seit 20 Jahren in systematische Patientenbeteiligung und Partizipation investieren. Das Land hat auch in der erwähnten HLS-EU-Studie am besten abgeschnitten. Dort verfügen gleich 25 Prozent der Bevölkerung über exzellente und nur 1,6 Prozent über mangelhafte Gesundheitskompetenz. Abgesehen vom allgemein hohen Bildungsstandard weisen die Niederlande eine Besonderheit im Gesundheitssystem auf: PatientInnen müssen sich bei einem praktischen Arzt ihrer Wahl registrieren lassen, ein einfacher Wechsel ist nicht möglich. Weiters findet die fachärztliche Behandlung fast ausschließlich in Krankenhäusern statt, niedergelassene UrologInnen, PulmologInnen etc. können also nicht nach Gutdünken aufgesucht werden. Dadurch ist die freie Arztwahl eingeschränkt und der praktische Arzt fungiert als Lotse durch das Gesundheitssystem.

    Steigende Ausgaben

    Erfreulich ist, dass in Österreich die Ausgaben für Prävention kontinuierlich steigen: Zur Jahrtausendwende waren es 248 Millionen, zuletzt 474 Millionen Euro (letztverfügbare Zahlen aus 2012). Dennoch wird weniger für Präventionsmaßnahmen ausgegeben als im EU-Schnitt, der bei 2,9 Prozent des gesamten Gesundheitsbudgets liegt. Beim Musterschüler Niederlande sind es sogar 4,9 Prozent, hierzulande nur 1,8 Prozent (die letzten Daten der OECD zu diesem Thema stammen aus 2008). Es ist aber zu erwarten, dass sich der Anstieg der Ausgaben in Österreich fortsetzt, da neue Vorsorgemaßnahmen breit etabliert werden (z. B. Mammografie-Screening) bzw. bestehende Maßnahmen (bspw. Jugendlichenuntersuchungen) weiterentwickelt werden.

    Zu Tode untersucht?

    Die Frage der richtigen Prävention hat aber auch kritische Stimmen laut werden lassen. Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Universität Krems, meint dazu: „Das Problem in Österreich ist, dass wir manche Bevölkerungsschichten mit Vorsorgeprogrammen überhaupt nicht erreichen, bei anderen wird zu viel gemacht. Mit der Konsequenz, dass es viele unnotwendige Behandlungen gibt.“ Das bedeutet, gesunde Personen werden zu PatientInnen gestempelt, ohne dass irgendein gesundheitlicher Nutzen daraus resultiert. „Dazu kommt, dass ärztliche Interessengruppen wie zum Beispiel die Ärztekammer bei Empfehlungen wirtschaftliche Anliegen in den Vordergrund stel-len und nicht die bestmögliche Versorgung der PatientInnen, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen“, so der Experte.
    Gartlehner verweist dabei auf eine Analyse der Donau-Universität Krems, die Krebsscreening-Empfehlungen der Wiener Ärztekammer mit internationalen, wissenschaftsbasierten Empfehlungen vergleicht. Resultat: „Es werden von der Ärztekammer Untersuchungen empfohlen, die internationale Institutionen eindeutig ablehnen, weil sie mehr Schaden als Nutzen verursachen. Eigentlich sinnvolle Untersuchungen werden wiederum zu häufig empfohlen, mit der Konsequenz, dass es viele falsch positive Ergebnisse gibt – mit zum Teil sehr unangenehmen Konsequenzen für PatientInnen, wie zum Beispiel nicht notwendigen Krebsbehandlungen“, so Gartlehner.
    Thomas Szekeres, Präsident der Ärztekammer Wien, wehrt sich vehement gegen diese Kritik und meint, dass manche Empfehlungen der Wiener Ärztekammer zur Vorsorge von Gartlehner nicht korrekt und verkürzt wiedergegeben wurden: „Die Wiener Ärztekammer ist vom Nutzen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen mit Beachtung des Gender-Aspekts überzeugt und weist den Vorwurf, unnötige Untersuchungen aus wirtschaftlichen Interessen zu empfehlen, scharf zurück.“ Der Experte ergänzt: „Grundsätzlich gilt natürlich in jedem Fall, dass eine individuelle fachärztliche Beratung über die Vor- und Nachteile unverzichtbarer Bestandteil jeder medizinischen Gesundheitsvorsorge ist.“ Dafür ist wiederum solide Gesundheitskompetenz hilfreich – in diesem Punkt sind sich alle Experten einig.

    Internet:
    Weitere Infos zu Gesundheitszielen und Gesundheitsvorsorge finden Sie hier:
    www.gesundheitsziele-oesterreich.at
    www.gesagt-getan-vorgesorgt.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
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    Harald Kolerus, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170973664 Gesundheitskompetenz ist mehr als die jährliche Vorsorgeuntersuchung. Als europäische Vorreiter in diesem Bereich gelten die Niederlande. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973459 Die überforderte Generation Das Problem ist nicht ganz neu und war vormals unter dem Stichwort „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ bekannt. Doch ist diese für die heutige Generation der etwa 30- bis 40-Jährigen ungleich schwieriger zu erreichen als für die Elterngeneration, meint die Wissenschaft. „Von den heutigen Erwachsenen“, so der deutsche Soziologe Hans Betram, „werden Höchstleistungen erwartet, die in keiner Weise weder von den Eltern noch von den Großeltern erbracht wurden.“ Die „überforderte Generation“ nennt er die Kohorte, die in zehn, 15 Jahren beruflich erfolgreich, privat glücklich und – eventuell – kinderreich werden soll.
    In der Familienforschung und politischen Diskussion hat sich dafür der Begriff „Rushhour des Lebens“ etabliert. Sie ist „jene Lebensphase zwischen den Mittzwanzigern und Enddreißigern, in der bei vielen Menschen sowohl Ein- und Aufstieg im Beruf als auch Familiengründung weitgehend gleichzeitig erfolgen und in der die Vereinbarkeit dieser beiden Lebensbereiche eine zentrale Rolle spielt“, definiert der Grazer Sozialpsychologe Harald Lothaller.

    Balance

    In seiner Dissertation befasst sich Lothaller mit der Balance zwischen Lebensbereichen und der besonderen Bedeutung der Familienarbeit in dieser gedrängten Phase des Lebens. Und die ist oft Stress pur, wie ihn etwa die 37-jährige Rechtsanwältin Gisela B., seit zwei Jahren Mutter eines Sohnes, erlebt. Sie wollte alles auf einmal schaffen: eine gute Mutter sein, ihre Karriere in einer Anwaltskanzlei, ihre Partnerschaft mit dem Juristen Max und die Pflege ihres Freundeskreises. Reine Utopie, wie sich herausgestellt hat. Zuerst blieb die Freizeit auf der Strecke, damit die Freunde und dann ihre berufliche Karriere. Sie zog schließlich Teilzeit vor, „einstweilen“, wie sie sagt, bis Max Junior größer ist.

    Tradition Paar

    Experte Harald Lothaller ortet „ein häufiges Traditionalisierungsphänomen auf Paar-Ebene“. Das heißt, die Aufteilung zwischen den PartnerInnen wird in den beiden Lebensbereichen Beruf und Familie wieder traditioneller, auch wenn sich das Paar ursprünglich anderes vorgenommen hat. Auch Nicolle (38) und Alexander (40) hatten alles realisiert, was man sich in relativ jungen Jahren erträumt. Eine Hochschulausbildung, einen interessanten Beruf, eine kleine Eigentumswohnung am Stadtrand und – endlich – ihre Tochter Lena (5). Doch eines hatten auch sie nicht: gemeinsame Zeit. Nicolle und Alexander ist der Beruf geblieben, die Ehe ist mittlerweile geschieden. Nicht immer gelingt es der „Generation Rushhour“, alles zu vereinbaren, was sie sich ursprünglich erhofft hat.
    Es kann natürlich auch schlimmer kommen. Für Petra (37) ist der Traum vom Kind weit von der Realität entfernt. Die studierte Ethnologin arbeitete lange Zeit auf der Basis von Werkverträgen, heute hat sie zwar eine relativ fixe Anstellung, doch ihr Partner Herbert gehört mit seinen 35 Jahren immer noch der „Generation Praktikum“ an. In dieser Situation ein Kind zu bekommen findet Petra einerseits verantwortungslos, andererseits fühlt sie sich auch fast schon zu alt.

    Ängste als Ursache

    „Studien zeigen, dass der häufigste Grund für Kinderlosigkeit die Angst um die berufliche Zukunft bzw. den Arbeitsplatz ist“, erklärt Sozialpsychologe Lothaller. Auch die Art und Weise, wie Paare ihre Familienarbeit aufteilen, spiele eine Rolle für die Wahrscheinlichkeit, (weitere) Kinder zu bekommen. Beiden Lebensbereichen – Beruf und Familie – gemeinsam ist die zeitliche Befristung, das Gefühl des Gedrängtseins. Einerseits sollte spätestens in der zweiten Hälfte des vierten Lebensjahrzehnts die berufliche Stabilität geschaffen sein. Andererseits „tickt die biologische Uhr“, vor allem für Frauen. Die „rush-hour of life“, das Leben auf der Überholspur – oder das Leben im Stau, je nachdem –, ist eigentlich ein Paradoxon. Denn unsere Lebenserwartung steigt stetig an, doch haben wir, vor allem in der genannten Lebensphase, immer weniger Zeit. ExpertInnen orten zwei Hauptursachen: höheres Bildungsniveau und Aufschub der Geburt des ersten Kindes. So hat sich der Anteil der Personen mit tertiärer Ausbildung zwischen 1981 und 2006 verdreifacht, wobei der Anstieg bei den Frauen deutlich größer war als bei den Männern. Das geht in der Regel mit einer längeren Ausbildungszeit einher. Noch um 1970 ließen sich die Menschen mehr Zeit für den Nachwuchs. Die meisten Frauen bekamen das erste Kind mit 24, 25 Jahren, ihr letztes bzw. drittes Kind mit 30 bis 32 Jahren. Im Jahr 2009 wurden Frauen, so sie sich überhaupt für Familie entschieden haben, mit durchschnittlich 29 Jahren erstmals Mutter. „Die Zeit im Lebenslauf, in der sich Frauen für Kinder entscheiden, ist auf ein ‚Fenster‘ zwischen dem 29. und 34. Lebensjahr reduziert worden“, konstatiert Soziologe Hans Bertram.

    Internalisiertes Scheitern

    Nicht gänzlich unbekannt ist, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine zentrale Rolle im Funktionieren von Familie und somit der Gesellschaft spielt. „Vor diesem Hintergrund orten ForscherInnen eine potenzielle Überlastung der Familie“, heißt es im „Familienbericht 1999–2009 auf einen Blick“. Dazu kommt, dass Teile dieser Anforderungen, insbesondere von Müttern, stark als Teil der eigenen Identität internalisiert sind. Ein Scheitern an diesen hohen Ansprüchen werde eigenen Defiziten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder der Erziehung der Kinder zugeschrieben, statt dies als mangelnde Anerkennung familiärer Leistungen zu verstehen.
    Die Folgen des „alles auf einmal, und das sofort“ sind gravierend und unübersehbar. „Die aktuelle Situation ist noch weit entfernt von dem, was für eine tatsächliche Vereinbarkeit von Lebensbereichen nötig wäre“, schlussfolgert der Sozialpsychologe Harald Lothaller. „Wenn diese aus der Balance geraten, betreffen die negativen Auswirkungen nicht nur einzelne Personen: Geringe Fertilitätsrate, steigende Scheidungsziffern, geringere Produktivität und vermehrte psychische und körperliche Probleme sind die Folgen.“ Insgesamt zeigten Analysen, dass „subjektives“ Erleben und „subjektive“ Bewertungen bedeutsamer für Vereinbarkeitsschwierigkeiten sind als „objektive“ Aspekte wie das Vorhandensein betrieblicher Unterstützungsmaßnahmen. So gibt es zwar eine Väterkarenz, doch scheuen sich viele Väter, diese in Anspruch zu nehmen.
    Oft führt der Weg in der Rushhour in eine Art Kreisverkehr. In Österreich leidet bereits jede dritte Person unter Schlafstörungen, eine Million Menschen gelten als Burn-out-gefährdet. „Wenn die Mehrfachbelastungen aus verschiedenen Lebensbereichen überhandnehmen, werden zuerst Abstriche bei der Freizeit gemacht, danach folgen Hausarbeit und Partnerschaft“, erklärt Lothaller. Der Psychologe rät Paaren, ehe sie die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht haben, Prioritäten zu setzen, auch sogenannte Einschränkungen in Kauf zu nehmen und vor allem: die Ressourcen Partnerschaft und Freizeit zu pflegen. Auf politischer Ebene ginge es um breite unterstützende Maßnahmen der Vereinbarkeit wie Lebensarbeitszeitmodelle und umfassende Kinderbetreuungsmöglichkeiten wie etwa in Frankreich.

    Wechselnde Phasen

    Ein „Auszeitmanagement“ für Männer und Frauen fordert die Unternehmensberatung A. T. Kearney. Bildungssystem und Unternehmen müssten so funktionieren, dass Eltern sich ohne Verlust von Karrierechancen zeitweilig aus dem Berufsleben zurückziehen können. Soziologe Hans Bertram hält eine Auflösung der „rush-hour of life“ nur dann für möglich, wenn an die Stelle einer Normalbiografie, die alle in einer Gesellschaft durchlaufen müssen, jene der individuellen Biografie rückt, in der sich unterschiedliche Lebensphasen abwechseln können.

    Internet:
    „Rushhour des Lebens“:
    tinyurl.com/lvxca79
    Hans Bertram: Aufsatz „Keine Zeit für die Liebe“:
    tinyurl.com/lo8lkaz
    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin:
    gabriele.mueller@utanet.at
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    Gabriele Müller, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170973465 Im Alter zwischen 30 und 40 werden die Weichenstellungen fürs Leben gelegt. Oft führt der Weg in der Rushhour in eine Art Kreisverkehr. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170973479 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973385 EU-Rüffel wegen Ärzte-Arbeitszeit Mein Wecker läutet um 5.30 Uhr. Ich stehe schwermütig auf, mit dem Gedanken, dass der Tag noch bis 20 Uhr dauert.“ Bernadette ist Krankenschwester auf der Akutpsychiatrie. Sie hat einen 12-Stunden-Arbeitstag vor sich. Um keine Schwierigkeiten mit der Oberschwester zu bekommen, will sie anonym bleiben. „Heute kümmere ich mich um fünf Patienten. Nach der Dienstübergabe stelle ich mich den PatientInnen vor. Mit Frau A. (akute Psychose und Substanzmissbrauch) war kein zielführendes Gespräch möglich. Sie spricht von Außerirdischen, nimmt Kontakt mit dem Universum auf und möchte die Welt von Mikroplastik befreien.“

    Anstrengender Alltag

    Was sich für manche möglicherweise lustig anhört, ist für Bernadette bisweilen anstrengender Arbeitsalltag. Nach der Visite um 11.30 Uhr fühlt sie sich bereits müde, hungrig und ein wenig ausgelaugt. „Um 13.00 Uhr kam eine Aufnahme mit Polizei und Rettung. Eine 64-jährige Dame wurde im tobenden Zustand auf der Mariahilfer Straße aufgegriffen. Sie bedrohte Passanten mit ihrem Gehstock.“ Nach einem Fluchtversuch von Frau A. und mehreren Patientinnen-/Patientengesprächen findet um 19 Uhr die Dienstübergabe statt. „Nach diesem Tag fühle ich mich sehr müde und erschöpft. Es war nicht einfach, mich die ganzen zwölf Stunden durchgehend zu konzentrieren. Pausen blieben – außer einer kurzen Trinkpause – keine.“
    Es sei sehr wichtig, sich abgrenzen zu können, Krankengeschichten dürfe man nicht mit nach Hause nehmen. Trotz der langen Dienstzeit möchte sie aber nichts daran ändern: „Der große Vorteil von langen Diensten ist die viele Freizeit. Ein ganzer freier Tag ist für mich wertvoller als ein halber.“

    Burn-out-Gefahr

    Der Job im Spital ist fordernd – für manche sogar überfordernd. Lange Schicht- und Nachtarbeitszeiten, unterbesetzte Stationen und belastende Krankengeschichten zehren an den Nerven. Auf einer Aufnahmestation weiß man nie, was eine/n am nächsten Tag erwartet. Sich auf einen ruhigen Dienst freuen oder vor einem stressigen fürchten: Das gibt es nicht. Laut Arbeitsklima Index für Gesundheitsberufe der Arbeiterkammer Österreich aus dem Jahr 2006 fühlt sich jeder vierte Befragte Burn-out-gefährdet. Eine Ursache dafür: die Arbeitszeit.
    Während in der Verwaltung oder im technischen Dienst Tätige mit ihren Arbeitszeiten zufrieden sind, ist sie in der Pflege bzw. bei ÄrztInnen ein großes Problem. Die Leidtragenden sind die PatientInnen, ihre Betreuung leidet darunter. „Ein Arzt hat nicht die Möglichkeit, sich ausreichend Zeit für PatientInnengespräche zu nehmen“, sagt Edgar Martin, Hauptgruppe II der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB). Die Idealvorstellung von Pflege sei unerfüllbar, man müsse sich meist auf die Grundbedürfnisse wie Nahrungsaufnahme und Medikamentenausgabe etc. beschränken. Pflege würde aber viel mehr bedeuten: einmal durch das Haar fahren, Zeit nehmen, vorlesen – die Kleinigkeiten eben.
    Besonders von ÄrztInnen und dem Pflegepersonal werden viele Überstunden geleistet – oftmals auf Kosten des Privatlebens. „Die vielen Nachtdienste gehen an die Substanz“, meint Martin. In jungen Jahren sei der Wechsel zwischen Nacht- und Tagdiensten gut verkraftbar, ältere Spitalsbedienstete würden darunter leiden.
    Viele MitarbeiterInnen gehen auch krank arbeiten, um die KollegInnen nicht noch zusätzlich zu belasten. Man will für andere da sein, vergisst dabei aber auf sich selbst. Durchschnittlich 40 Prozent aller ArbeitnehmerInnen in Gesundheitsberufen machen häufig Überstunden, Mehrarbeit gehört zum selbstverständlichen Arbeitsalltag.

    Änderung

    ÄrztInnen haben im Durchschnitt eine Wochenarbeitszeit von 56,4 Stunden. 30 Prozent arbeiten 60 Stunden, 11 Prozent 70 Stunden und 5,1 Prozent gar 80 Stunden pro Woche. Laut Arbeitsklima Index würden Überstunden dem Arbeitgeber billiger kommen, als neue Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen. Das soll sich jetzt ändern.
    Das Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz erlaubt es derzeit, dass Ärzte bis zu 72 Stunden pro Woche und bis zu maxi-mal 49 Stunden durchgehend Dienst schieben.
    Die maximale Tagesarbeitszeit liegt zwar grundsätzlich bei 13 Stunden. Jedoch kann ein sogenannter „verlängerter Dienst“ zur Anwendung kommen – vorausgesetzt, der Dienstnehmer wird während der Arbeitszeit „nicht durchgehend in Anspruch genommen“. Dann kann der durchgehende Dienst 32 Stunden betragen.
    Beginnt jener „verlängerte Dienst“ am Vormittag eines Samstags oder vor einem Feiertag, darf dieser sogar bis zu 49 Stunden dauern. Zwar darf die Wochenarbeitszeit im Schnitt 48 Stunden nicht übersteigen, aber auch hier gibt es Ausnahmen. Bei einem „verlängerten Dienst“ kann die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bis zu 72 Stunden betragen. Pro Monat sind maximal acht „verlängerte Dienste“ zulässig.

    EU-Rüge

    Von der EU setzte es für die langen Arbeitszeiten eine Rüge. Sie schickte ein Mahnschreiben und drohte mit Strafzahlungen. Die Wochenarbeitszeit für ÄrztInnen dürfe maximal 48 Stunden betragen, der längste Dienst am Stück 25 Stunden.
    Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) verhandelte daraufhin mit Ländern und Ärztekammer, im September wurde ein entsprechender Initiativantrag im Nationalrat eingebracht, der Ende Oktober beschlossen werden soll.
    Den Ländern bereiten befürchtete Mehrkosten Kopfzerbrechen, die wegen anfallender Überstunden auf sie zukommen. Den Wunsch der Länder nach Ausnahmeregelungen für län-gere Arbeitszeiten will Hundstorfer nicht mittragen. Er setzt sich für eine stufenweise Reduzierung der Stunden ein.

    Stufenplan

    „Über die Neugestaltung der Ärztearbeitszeit gab es zahlreiche intensive Verhandlungen mit Ärztekammer und Ländern“, heißt es aus dem Sozialministerium. „Der Gesetzesentwurf sieht eine etappenweise Verkürzung der verlängerten Dienste für ÄrztInnen vor.“ Ab nächstem Jahr sind überlange Dienste nur mehr mit schriftlicher Zustimmung der betroffenen ÄrztInnen möglich.
    Ab 2015 und bis 2018 soll der Stufenplan eine wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 60 Stunden ermöglichen, bis 2021 nur mehr 55 Stunden. Ab Mitte 2021 würde dann das 48-Stunden-Limit gelten. Auch bei Wochenenddiensten wird stufenweise reduziert: Ab 2018 sollen nur mehr 29 Stunden am Stück möglich sein, ab 2021 maximal 25-Stunden-Dienste. „Niemand will, dass sich sein behandelnder Arzt vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann“, sagt Arbeitsminister Hundstorfer. ÄrztInnen würden wesentlich „bessere Bedingungen“ vorfinden.
    Das Problem bei der Umsetzung: Selbst viele ÄrztInnen sind gegen neue Arbeitszeit-Regelungen. „Es ist besser, zwölf Stunden durchzuarbeiten und dann heimzugehen, als 25 Stunden mit Rufbereitschaft. Aber viele wollen das nicht, weil sie noch eine eigene Praxis haben“, sagt Edgar Martin.

    Klarheit durch Studie

    Dass mehr ÄrztInnen benötigt werden, glaubt Martin nicht. „Die Arbeit lässt sich gut über Tag und Nacht verteilen.“ Man müsse einfach die Arbeitszeit anpassen.
    Bei der Erstversorgung seien oft am Vormittag fünf Personen im Einsatz, am Nachmittag nur mehr zwei, obwohl dieselbe Arbeit anfalle. Eine Arbeitszeitstudie könnte Klarheit bringen. Ein weiteres Problem ist, dass ÄrztInnen Gehaltseinbußen befürchten würden. „Das Gehalt sollte nicht davon abhängig sein, ob ich in der Nacht schlafe“, bringt es Martin auf den Punkt.

    Internet:
    Arbeitsklima Index der Arbeiterkammer Oberösterreich:  
    tinyurl.com/kcuff2s
    Aktuelle Infos zu den Ärztearbeitszeiten:
    www.aerztekammer.at

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    aw@oegb.at

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    Kathrin Liener, Referat für Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation der GdG-KMSfB Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170973400 Auch mit PatientInnen zurechtzukommen, die von Außerirdischen fantasieren, gehört bisweilen zum anstrengenden Alltag von Krankenschwestern. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Wed, 15 Oct 2014 00:00:00 +0200 1410170973282 "Irgendwann die Reißleine ziehen" Zur Person
    Sabine Oberhauser
    Seit 1. September 2014 ist sie Ministerin für Gesundheit.
    Nach der Matura begann Oberhauser ihr Medizinstudium an der Universität Wien, das sie im Jahr 1987 mit der Promotion abschloss. Darauf folgte die Ausbildung zur Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde sowie zur Ärztin für Allgemeinmedizin. Anschließend absolvierte sie eine Ausbildung zur akademischen Krankenhausmanagerin an der Wirtschaftsuniversität Wien.
    Schon bald nach Abschluss ihrer Medizinausbildung engagierte sie sich in der Gewerkschaft, zunächst als Personalvertreterin in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, anschließend im ÖGB. Im Jahr 2009 wurde sie zunächst zur Vizepräsidentin des ÖGB gewählt, im Jahr 2013 folgte die Wahl zur Bundesfrauenvorsitzenden. Ab 2006 war sie mit einer kurzen Unterbrechung Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ.

    Arbeit&Wirtschaft: Was ist für Sie gesunde Arbeit?

    Sabine Oberhauser: Arbeit, die sich an den Grundressourcen der Menschen orientiert; das heißt, sie muss zeitlich begrenzt und planbar sein, und wenn sie körperlich schwer ist, müssen technische Hilfsmittel da sein, wenn es geistige Arbeit ist, muss es genügend Ruhepausen geben.

    Beim Thema Schwerarbeit wird in der politischen Diskussion meistens von Männerberufen gesprochen. Wie ließe sich besser für Belastungen von Frauen sensibilisieren, wie sie etwa für Pflegerinnen zum Alltag gehören?

    PflegerInnen sind da immer wieder ein Thema. Aber man kann auch die Frage stellen, wie viele Kilotonnen eine Lebensmittelverkäuferin jährlich über die Registrierkassa zieht.
    Man muss also noch viel mehr dafür sensibilisieren, dass Schwerarbeit nicht nur am Bau oder auch im Pflegebereich geleistet wird, sondern durchaus auch in anderen Berufen, zum Beispiel auch von einer Kindergärtnerin, die täglich Kinder hebt.

    Von Maßnahmen zur Entlastung von Frauen profitieren auch Männer, ein klassisches Beispiel sind kleinere Gebinde oder Paletten. Gibt es in dieser Hinsicht mehr Initiativen?

    Es gibt auch ähnliche Maßnahmen, um Männer zu entlasten, zum Beispiel am Bau. Im Prinzip geht das über die betriebliche Gesundheitsförderung, auch beim Fonds Gesundes Österreich laufen eine Menge Projekte.
    Oft kommen solche Initiativen auch aus der Berufsgruppe selbst, und gute Projekte werden durchaus über den FGÖ gefördert. Mit dem Gütesiegel „Betriebliche Gesundheitsförderung“ zeichnen wir beispielsweise Betriebe aus, die sich um die Gesundheitsförderung ihrer MitarbeiterInnen besonders kümmern.

    Apropos Frauen und Männer: Braucht es mehr geschlechtssensible Gesundheitspolitik?

    Wir brauchen insgesamt gendersensible Vorsorge. Das betrifft, glaube ich, beide Geschlechter. Wir haben bei den Männern einen Vorteil: dass das männliche Geschlecht schon länger beforscht und auch diagnostiziert wird.
    Bei Herzinfarkten zum Beispiel ist es so, dass bei Männern in der Erstanamnese viel häufiger Herzinfarkt steht, während das bei Frauen nicht so ist. Genderspezifizierte und gendersensible Projekte sind aber für beide Geschlechter notwendig.

    Inzwischen ist die Annahme überholt, wonach Herzkrankheiten Männerkrankheiten sind. Braucht es auch hier mehr Geschlechtersensibilität?

    Dass Doppel- oder Mehrfachbelastungen nicht gesund sind, ist klar. Viele Symptome sind bei Frauen anders als bei Männern. Das heißt, dass man genau drauf schauen muss.

    Gesundheitsförderung und Prävention in der Lehre scheinen nur eine Nebenrolle zu spielen. Dabei gibt es gerade bei Lehrlingen Handlungsbedarf. Was könnten oder sollten Betriebe oder die Politik tun?

    Der Lehrplan in den Berufsschulen ist nicht sehr sportfreundlich. Das hat damit zu tun, dass die Betriebe natürlich schauen, dass sie die Lehrlinge möglichst rasch wieder zurückbekommen.
    Schon lange wird versucht, Turnstunden auch in den Berufsschulen zu etablieren. In der Schule fehlt aber insgesamt der Gesundheitsaspekt, nicht nur was Lehrlinge betrifft. Auch dort wird versucht werden, das stärker zu berücksichtigen. Aber auch die Betriebe selbst machen einiges. Oder auch der Fonds Gesundes Österreich hat eine Strategie zur betrieblichen Gesundheitsförderung in den Lehrbetrieben – auch in Klein- und Mittelunternehmen ...

    … denen oft die Ressourcen fehlen ...

    ... denen nicht nur die Ressourcen fehlen, sondern oft auch das Know-how. Die Betriebe können auch um viele Förderungen ansuchen, wenn es eine wirklich gute Idee gibt. Wichtig wäre, dass Gesundheit im Betrieb thematisiert wird, so klein er auch sein mag und auch egal, ob es um Lehrlinge geht oder um andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
    Als Betrieb muss ich schauen: Was muss ich machen? Sind beispielsweise die Arbeitsflächen in der Höhe richtig eingestellt? Es geht also auch um Kleinigkeiten. Oder wird wirklich geschaut, dass einer gescheit hebt; dass ausreichend Pausen gemacht werden; dass man die Möglichkeit hat, sich zurückzuziehen? Da muss jeder Betrieb sensibilisiert werden und natürlich auch selbst drauf schauen. Stichwort Ernährung: Das gesunde Buffet gibt es schon für Schulen. Derzeit laufen Bemühungen, dieses Projekt auf Betriebskantinen auszuweiten.

    Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Betriebsrätinnen und Betriebsräte?

    Betriebsrätinnen und Betriebsräte sind, was die betriebliche Gesundheitsförderung betrifft, oft Projektnehmer. Sie haben also oft eine Idee für ein Projekt, das dann auch von ihnen getragen wird. Betriebsrätinnen und Betriebsräte – meistens in größeren Betrieben – sind da auch treibende Kraft, und das ist gut so.

    Der Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist enorm gestiegen. Dennoch scheinen psychische Erkrankungen immer noch ein Tabuthema zu sein. Wie ließe sich das ändern?

    Das ist kein Tabuthema mehr. Es ist vor allem kein Tabuthema mehr, seitdem die klassische Depression zum Burn-out geworden ist, also sich die Terminologie verändert hat.
    Wogegen ich mich immer wehre ist, dass die psychische Belastung eine Frauenkrankheit sei. So wird das nämlich oft dargestellt, und zwar aus dem einfachen Grund: Frauen geben oft auch leichter zu, dass sie es psychisch nicht mehr schaffen – leichter, als es Männer tun. Wir wissen, dass bei den Ansuchen um Invaliditätspension psychische Erkrankungen bei Weitem den Stützapparat überholt haben. Menschen geben das also auch zu.
    Ich glaube, dass auf die psychische Gesundheit auch ein Fokus zu legen ist. Enttabuisiert sind psychische Krankheiten zum größten Teil. Wenn Leute wirklich stark belastet sind, sprechen sie darüber und holen sich auch Hilfe.
    Eine Frage, die sicherlich immer wichtiger wird, ist aber: Wie gehe ich mit elektronischen Hilfsmitteln um, zum Beispiel mit dem Handy, und der Tatsache, dass man ständig erreichbar sein muss?
    Dazu kommt, dass sich das klassische Acht-Stunden-Arbeitsmodell längst aufgeweicht hat. Auch darauf muss man den Fokus legen, möglicherweise in Projekten.

    Wie hält man sich unter den stressigen Bedingungen als Ministerin fit?

    Mit viel Disziplin, mit Spazierengehen zu nachtschlafender Zeit, also um fünf in der Früh, halb sechs.

    Wann schläft man?

    Jede Minute Schlaf, die man kriegt, nutzen. Was in meiner Position völlig leidet, ist Fernsehen – außer Nachrichtensendungen – oder Zeitung lesen, denn das habe ich sonst in der Früh gemacht. Das geht sich jetzt nur mehr rudimentär aus und der Genuss dabei fehlt. Um sich fit zu halten, ist natürlich auch wichtig, sich gesund zu ernähren, viel zu trinken und immer wieder zu versuchen, Pausen zu machen.

    Was sollten Führungskräfte beachten, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen gesunden Arbeitsplatz zu ermöglichen?

    Der Arbeitsplatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte mindestens so ausschauen wie der von einem selbst, abgezogen von dem, was man als Führungskraft nicht kann, nämlich das Handy abdrehen. Und man sollte sich vielleicht auch überlegen, ob man möchte, dass die eigenen Kinder so arbeiten, wie man es von den MitarbeiterInnen verlangt.

    Wo finden Sie selbst Ausgleich?

    Spazieren gehen, laufen gehen, nichts tun. Wobei, beim Spazierengehen mache ich in der Früh auch meine Mails und Facebook (lacht).
    Ich glaube, jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er oder sie den Kopf frei kriegt. Ich nutze oft auch Autofahrten, wenn niemand mit mir fährt, um einfach wirklich nichts zu reden, nur zu denken.

    Ist Disziplin ein Preis, den wir angesichts einer noch rationalisierteren Gesellschaft zahlen müssen?

    Na ja, ich würde von niemandem Disziplin verlangen. Ich weiß auch nicht, ob sich viele Leute für diszipliniert halten, möglicherweise eher für pflichtbewusst.
    Es ist mein Weg, mir mein Leben mit einem gewissen Maß an Disziplin zu organisieren. Ich stehe beispielsweise nicht gerne um fünf auf. Aber der Wecker schaltet sich einfach jeden Tag um fünf ein und ich stehe auf, ohne lange zu überlegen.
    Das ist aber mein Weg. Ich glaube aber schon, dass viele gar nicht überlegen können, sondern funktionieren müssen, weil es anders nicht geht.

    Gute Arbeit hat auch etwas mit Ressourcen zu tun. In der wirtschaftlichen Realität aber steigt der Druck weiterhin enorm an. Wie ließe sich gegensteuern?

    In Krisenzeiten, wird der Druck auf die MitarbeiterInnen natürlich größer. Ich glaube, man muss irgendwann einmal die Reißleine ziehen und sich fragen, wie es besser weitergehen kann.

    Nur wie soll das Reißleine-Ziehen aussehen?

    Gerade im öffentlichen Bereich redet man viel von der Verwaltungsreform, die angeblich Milliarden einsparen könnte. Wenn Verwaltungsreform aber heißt, wir bauen noch mehr Köpfe ab und belasten die verbleibenden Köpfe noch mehr, bin ich dagegen. Das sollte man sich also gut überlegen.
    Im privaten Sektor ist es so, dass sich die Arbeit natürlich verdichtet, wenn die Belegschaft beispielsweise in Krisenzeiten dünner wird. Das führt wiederum zu mehr Ausfallszeiten und dazu, dass Menschen früher nicht mehr arbeitsfähig sind.
    Wenn man sich dann anschaut, was das volkswirtschaftlich heißt, sieht man: Es wäre gescheiter, man würde während des aktiven Arbeitslebens mehr auf die Ressourcenschonung achten, als die Ressourcen vorzeitig an die Pension oder den Krankenstand zu verlieren.

    Ressourcen sind auch im Gesundheitssystem selbst ein Thema, allein schon wegen teurer Instrumente und Medikamente. Muss man sich als Gesellschaft vielleicht eingestehen, dass Gesundheit einfach immer teurer wird?

    Gesundheit ist dann zu teuer, wenn das Geld nicht effektiv dort ankommt, wo es hingehört, nämlich bei den Menschen. Daran arbeiten wir sehr stark, einerseits mit der Gesundheitsreform, andererseits auch über die Sozialversicherungsträger, die unser aller Geld verwalten und das sehr gut und sehr effizient tun. Gesundheit ist das höchste Gut und muss uns daher auch etwas wert sein. Man muss allerdings schauen, dass das Geld wirklich dorthin kommt, wo es hingehört.

    Manche ExpertInnen wenden ein, man würde sich etwas vormachen, wenn man meint, dass sich bei der Gesundheit sparen lasse.

    Natürlich wird alles teurer, auch im Gesundheitswesen. Da heißt es halt verantwortungsvoll damit umgehen und gut planen. Wir haben uns daher einen Finanzpfad gegeben, der die Ausgabensteigerung dämpft. Mittelfristig wollen wir hier eine Steigerung von maximal 3,6 Prozent jährlich erreichen. Außerdem muss man gut verhandeln. Gerade bei den Medikamenten gibt es wirklich gute Kooperationen und Verhandlungen mit der Pharmaindustrie. Es gibt einen Pharmarahmenvertrag, wo die Sozialversicherungen und alle anderen Akteure gemeinsam schauen, wie sich dieses System verträglich finanzieren lässt, aber gleichzeitig so, dass jeder auch damit leben kann.

    Was ist Ihr wichtigstes Vorhaben in der Gesundheitspolitik?

    Ein solidarisches Gesundheitssystem zu erhalten und den Wert eines solchen Systems den Menschen, den Jugendlichen zu erklären. Wenn ich gesund bin, zahle ich für die Kranken – dieses System müssen wir auf jeden Fall beibehalten. Unter diesem Dach des Erhalts des solidarischen Gesundheitssystems stehen viele weitere Vorhaben: einerseits, das System finanzierbar halten, indem wir die Gesundheitsreform umsetzen; andererseits, das System besser erreichbar machen, also versuchen, möglichst niedrigschwellige Hausarztmodelle oder Primärversorgungmodelle zu bauen. Darüber hinaus ist mir wichtig, dass die Menschen, die im       System arbeiten, zufrieden sind. Ich versuche deshalb, genug Zeit für die Beschäftigten im Gesundheitssystem, aber auch für die Patientinnen und Patienten herauszuspielen.
    Als Gesundheitsministerin hat man bei alldem mehr die moderierende Funktion zwischen Sozialversicherungen und den Ländern und den verschiedenen Akteuren im System. Aber als Gewerkschafterin weiß man, wie das ist, Menschen am Tisch zu halten, und das versuche ich auch.

    Wir danken Ihnen für das Gespräch.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion: aw@oegb.at

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    Das Interview führte Sonja Fercher für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 8/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1414494320594 Dass sich das klassische Acht-Stunden-Arbeitsmodell aufgelöst hat, sieht Sabine Oberhauser als Herausforderung für die Zukunft. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947086 "Nicht zuletzt" ... Wer finanziert die Energiewende? Unternehmen beklagen sich lautstark über unzumutbar hohe Energiekosten und stellen auch gleich den Industriestandort infrage. Dabei werden viele Dinge in einen Topf geworfen. Diese sollten dringend entwirrt werden. Gerade vor großen Umwälzungen stellt sich die Frage: Wer sichert hier am effizientesten seine Interessen ab?
     
    Energiekosten als Standortfaktor?
    Zu den Fakten: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung stellt fest, dass die Energiekosten „für 92 Prozent der Wertschöpfung im Industriebereich […] im Durchschnitt 1,6 Prozent des Umsatzes“ betragen. Ähnliches gilt für Österreich, hier machten die Energiekosten der Industrie (Gas, Strom und Wasser) 2011 rund 2,1 Prozent des Bruttoumsatzes und rund 6,7 Prozent der Bruttowertschöpfung aus. Anders stellt sich die Situation natürlich in den tatsächlich energieintensiven Industriebetrieben dar. So beträgt etwa der durchschnittliche Energiekostenanteil an der Bruttowertschöpfung in der Papierindustrie rund 13 Prozent und in der Chemieindustrie rund 14 Prozent. Freilich handelt es sich hierbei um Durchschnittsbetrachtungen, der Energiekostenanteil kann in einzelnen Produktionsschritten auch ein Vielfaches betragen. Dennoch: Energie macht erstens im Vergleich mit anderen Kosten nur einen überschaubaren Anteil aus, zweitens ist dieser stark branchenabhängig.

    Rahmenbedingungen
    Als Folge der Krise hat in Europa die Industriepolitik ein Revival, während gleichzeitig die klima- und energiepolitischen Ziele neu festgelegt wurden und Änderungen im Emissionshandel anstehen. Zudem wurden die USA über die Förderung von Schiefergas günstiger in der Produktion. Tatsache ist, dass die Gaspreise in Europa deutlich höher sind als in den USA, allerdings schwächt sich auch hier der Hype ab. Aufgrund großzügiger Ausnahmeregelungen gilt dies für Strom nur bedingt. „Für Unternehmen gibt es kaum Unterschiede zwischen Österreich bzw. Deutschland und vergleichbaren Regionen (Bundesstaaten) in den USA.“ Tatsache ist aber auch, dass einige Länder Europas eine hohe Importabhängigkeit von Energie aufweisen. Zum überwiegenden Teil sind Ölimporte und damit auch der Verkehr für diese Entwicklung verantwortlich. All das spricht dafür, dass Europa sich intensiver mit dem Thema „Energieeffizienz“ auseinandersetzt – und zwar in allen Sektoren mit einem verbindlichen Ziel.

    Das richtige Förderregime?
    Gerade aufgrund klimapolitischer Zielvorgaben hat die Förderung erneuerbarer Energien in den letzten zehn Jahren europaweit extrem zugenommen. Viele Energieversorger machen mittlerweile die hohen Förderungen von Ökostrom für die Preisentwicklung auf dem Strommarkt mitverantwortlich. Diese habe zu einem Überangebot an Strom und damit zu sinkenden Großhandelspreisen geführt. In Kombination mit den niedrigen CO2-Preisen führt dies zu massiven Wettbewerbsverzerrungen, die auch klimapolitisch kontraproduktiv sind: Moderne Gaskraftwerke mit geringem CO2-Ausstoß werden von alten Kohlekraftwerken aus dem Markt gedrängt. Damit geraten jene Stromproduzenten unter Druck, die die Versorgungssicherheit garantieren, wenn weder der Wind weht, noch die Sonne scheint. Also wollen auch diese ihre Kosten abgedeckt wissen – eine Strategie, die wahrscheinlich wohl eher wieder die Haushalte und nicht die Unternehmen belastet.
    Die Energiewirtschaft ist weltweit in einer Umbruchphase. Das ist an sich eine nicht unübliche Entwicklung, allerdings stellt sich die Frage, wer die Kosten dafür tragen wird?

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    Silvia Angelo, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947074 Frisch gebloggt Wir empfehlen:

    • „Wie der Neoliberalismus die Hegemonie erlangte“ (Armin Thurnher)
    • „Das Sparparadoxon“ (Sepp Zuckerstätter)
    • „Skizze einer ökonomisch vernünftigen Budgetpolitik“ (Markus Marterbauer)

    Neoliberalismus und Hegemonie der öffentlichen Meinung
    Der bekannte Journalist Armin Thurnher widmet sich in seinem Beitrag dem zentralen wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er beschreibt den Übergang vom „embedded liberalism“ keynesianischer Prägung bis Anfang der 1970er-Jahre hin zum entgrenzten Neoliberalismus, der die Welt in die tiefste Krise der Nachkriegszeit geführt hat.
    Er zeigt dabei sehr anschaulich und informativ, wie aus einer „Sekte“ die dominante und (noch) unangefochtene Interpretation wirtschaftlicher Zusammenhänge werden konnte. Zentral aus Thurnhers Sicht ist dabei der Einfluss, der seit Beginn der 1970er-Jahre von Befürwortern einer freien, uneingeschränkten Marktwirtschaft auf die öffentliche Meinung ausgeübt wird. Er argumentiert, dass die Wirtschaft gelernt hat, sich als politische Klasse zu positionieren und mit ihren großen (finanziellen) Möglichkeiten die Politik in ihrem Sinn zu beeinflussen. Den entscheidenden Impuls lieferte der Anwalt Lewis Powell, als er ein vertrauliches Memo an die amerikanische Wirtschaftskammer richtete, so Thurnher „Die Chamber of Commerce steigerte ihre Mitgliederzahl innerhalb weniger Jahre von 60.000 auf eine Viertelmillion Firmen. Damit stieg ihre Finanzkraft. Bereits 1972 gab sie für ihre Propagandazwecke 900 Millionen Dollar im Jahr aus (...). Sie gründete Think-Tanks, publizierte Bücher und beeinflusste Medien, Institutionen und Debatten in einem Ausmaß, das der europäischen Öffentlichkeit lange Zeit entging.“ Dabei zeigt sich klar, dass es nicht um einen hehren Wettstreit von Argumenten geht, sondern vielmehr um eine Frage von Macht und Einfluss. Dadurch kann Öffentlichkeit letztlich so gestaltet werden, dass die große Mehrheit gerade jenen ihre Gunst spendet, die entgegen den Mehrheitsinteressen handeln.
    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/thurnher-wie-der-neoliberalismus-die-hegemonie-erlangte/

    Wenn alle sparen, werden auch alle ärmer
    Sepp Zuckerstätter zeigt in seinem Beitrag auf, wie sich das Verhalten der fünf großen volkswirtschaftlichen Sektoren – Haushalte, Finanzsektor, Unternehmenssektor, Staat und Ausland – seit Beginn der Finanzkrise negativ auf die Gesamtwirtschaft auswirkt. Er argumentiert, dass – anders als vor der Krise – die Ersparnisse der privaten Haushalte von den Unternehmen nicht mehr für Investitionen genutzt werden. Stattdessen erwirtschaftet dieser Bereich seit 2009 regelmäßig Überschüsse, wodurch die Investitionsnachfrage und in der Folge die Nachfrage nach Arbeitskräften zurückgeht. Das senkt wiederum die Nachfrage der privaten Haushalte und damit die gesamtwirtschaftliche Dynamik.
    Um diese Nachfragelücke zu füllen, wäre es entweder notwendig, dass der Staat bzw. die EU aktive Maßnahmen wie Investitionsprogramme durchführt oder sich der öffentliche Sektor (stärker) verschuldet – oder aber die Wirtschaft stabilisiert sich durch Außenhandelsüberschüsse. Letzteres wird derzeit in Europa als einzige Lösung angesehen, kann allerdings nur funktionieren, wenn die Handelspartner nicht genauso agieren. Genau das ist jedoch derzeit der Fall: Hoch verschuldete Länder wie Griechenland, Spanien oder Irland werden von der Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission unter Druck gesetzt, ihre Außenhandelsdefizite abzubauen. Somit sparen alle, zum Schaden aller.
    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/das-sparparadoxon/

    Plädoyer für eine andere Budgetpolitik
    Markus Marterbauer skizziert in seinem Beitrag Möglichkeiten, die vorhandenen Spielräume in der Verteilungs- und Beschäftigungspolitik so zu nutzen, dass die negativen Auswirkungen der derzeitigen Wirtschaftspolitik und der Finanzkrise überwunden oder zumindest abgemildert werden können. Gewohnt fundiert zeigt Marterbauer die Gründe auf, an denen sich das Scheitern der neoklassischen Wirtschafts- und Budgetpolitik ausmachen lässt – die Schwäche der allgemeinen Gleichgewichtstheorie, die unterschätzte Bedeutung gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen für den Budgetsaldo sowie die Instrumentalisierung der Theorie für die Interessen der Kapitalseite. Er folgert daraus unter anderem, dass bewährte budgetpolitische Instrumente (wie die automatischen Stabilisatoren) adjustiert und neue (z. B. Regulierungen im Energiebereich) eingeführt werden müssen beziehungsweise alte ersetzen sollten. Sein Plädoyer umfasst auch und vor allem die Berücksichtigung des Zusammenspiels der Budgetpolitik mit anderen Instrumenten der Wirtschaftspolitik im Rahmen des „magischen Vielecks der Wirtschaftspolitik“.
    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/oekonomisch-vernuenftige-budgetpolitik/

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    Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998672062 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947064 Im Heimathafen der Logistik Einen Blick hinter die „Kulissen“ einer der logistischen Meisterleistungen Europas werfen zu können: Das war das Ziel meines Praktikums. Für mich war von Anfang an klar, dass der Rotterdamer Hafen der Inbegriff von Logistik ist. Es war nicht einfach, Kontakte zu knüpfen, jedoch mithilfe des Netzwerkes meiner KollegInnen im Betrieb ist es gelungen, dass ich die Zeit bei Deltalinqs verbringen durfte, wo ich wiederum Kontakte zu anderen Firmen und Organisationen knüpfen konnte. Bei den vielen Besuchen wurde mir abseits vom Tourismus die Vielfalt dieses Hafens mit all seinen Stärken und Schwächen nähergebracht.
     
    Spannungsfeld Umweltschutz
    Die Firma Deltalinqs betreibt Lobbying für rund 2.000 Hafenbetriebe. Aufgabe ist es, die Interessen zwischen Groß- und Kleinunternehmen zu bündeln und diese zwischen den Betrieben zu optimieren. Deltalinqs vertritt dabei die Interessen der Unternehmensbereiche Industrie (Raffinerien) sowie jene der operativen Hafenbetriebe (Container- und Schüttgutverladung, Transport und Lagerung).
    Ein interessantes Spannungsfeld ist der Umweltschutz. Dabei steht betriebsinternen Interessen das öffentliche Interesse gegenüber, zum Beispiel das nachhaltige Naturbewusstsein in Bezug auf die angrenzenden Wohngebiete. Der Hafen ist in der Stadt eingebettet und damit ist die Lebensqualität der Menschen ein wichtiger Bestandteil in Umweltfragen. Rotterdam ist Mitglied der Climate Initative, deren Aufgabe es ist, in allen Bereichen Energie zu sparen.
    Bei den Hafenerweiterungen Maasvlakte 1 und 2 ist durch Aufschütten von Sand eine Insel entstanden. Es wurde dem Meer Land abgewonnen und natürlich gab es daher Debatten mit Den Haag und den Umweltorganisationen. Vor der Errichtung wurden 25 Jahre lang hohe Umweltauflagen gefordert (etwa die Schaffung von Ausgleichsgebieten oder Umweltauflagen für Lkws), die zu 100 Prozent umgesetzt wurden. Deltalinqs hat für den Gefahrgutbereich eine Art Universität eingerichtet, in der Kenntnisse und Informationen aller Firmen geteilt werden und Personal auf das Niveau von Sicherheitsstandards geschult wird.
    Eine große Herausforderung ist es, neue Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Es stehen zu wenige Fachkräfte für den Hafen zur Verfügung, gleichzeitig wollen junge Menschen nicht mehr am Hafen arbeiten. Rund 80 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahre kennen den Hafenbetrieb nicht und denken, man verrichtet dort nur schwere und schmutzige Arbeit. Deshalb versucht man gemeinsam mit dem Staat und vor allem mit der Stadt Rotterdam, neue Ausbildungswege zu finden. Die Kooperation mit den Schulen und die Werbung für Berufe wie zum Beispiel der des Prozessmanagers sind daher sehr wichtig. Nicht zu vergessen sind Aktivitäten, um Arbeitssuchende am Hafen einzusetzen.
    Besonders eindrucksvoll war für mich das Treffen mit den Gewerkschaften. Niek Stam von der Fachgewerkschaft Bondgenoten (FNV), zuständig für die Häfen, hat mir im Detail den Ablauf von CAO-Verhandlungen, also von Kollektivvertragsverhandlungen geschildert. CAOs haben in den Niederlanden eine Gültigkeit von einem bis höchstens fünf Jahre. Es gibt sowohl CAOs für Branchen – wie zum Beispiel die Metallindustrie, in der ein CAO für mehr als 300.000 Beschäftigte gilt – als auch CAOs für Firmen. Letztere sind wegen der unterschiedlichen Anforderungen bei den Hafenbetrieben gängig.

    KV auf Holländisch
    Vorbereitungs- bzw. Verhandlungsschritte gleichen grundsätzlich jenen in Österreich. Der wesentliche Unterschied bei Firmen-CAOs besteht darin, dass nach Verhandlungserfolg die Ergebnisse den Mitgliedern verlautbart werden. Diese können dann abstimmen, ob sie mit dem Vorschlag einverstanden sind oder nicht. Falls die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder das Ergebnis für unzureichend befindet, wird neu verhandelt. Zudem ist eine automatische jährliche Inflationsanpassung der Entgelte festgeschrieben, die somit unabhängig von Verhandlungen durchgeführt wird.

    INTERVIEW:
    Zur Person - Peter Guijt
    Alter: 53
    Wohnort: Rotterdam
    Beruf: Personalmanagement
    Firma: EMO, Hafen Rotterdam
    Gewerkschaft: FNV, http://www.fnv.nl/english
    Seit wann im (Euro-)BR? 1981–1993, erneut seit 2013

    Wie ist dein Familienstand?
    Ich bin seit 30 Jahren verheiratet, meine Frau Lilly ist Assistenzärztin. Wir haben eine Tochter im Alter von 26 Jahren, die in Ausbildung ist.

    Was bedeutet dir Arbeit?
    Arbeit bedeutet mir eine Menge! Kurz gesagt: Ich muss Geld verdienen und meine Arbeit muss mir Spaß machen. Damit ich in meinem Job zufrieden bin, ist am wichtigsten, dass ich von Menschen umgeben bin.

    Deine Meinung über die Wirtschaft in den Niederlanden?
    Wir stecken immer noch in der Krise. Ich hoffe, dass sich das bald erholt.

    Wenn du den Begriff „Gewerkschaft“ hörst, woran denkst du?
    Sie verhandeln für uns die Kollektivverträge und setzen sich für unsere Grundrechte ein. Ich bin ein überzeugter sozialdemokratischer Gewerkschafter.

    Was bedeutet dir die EU?
    Derzeit kann ich dem EU-Gedanken nicht so viel abgewinnen. Ich glaube, wir sind mittlerweile zu viele Staaten. Was mich stört, ist, dass wir Europa sein wollen, es aber nicht sein können, weil wir zu unterschiedliche Konditionen, Vereinbarungen und Regelwerke haben.

    Dein Lieblingsland in Europa? Warum?
    Holland, es ist klein und grün.

    Was bringt der europäische Betriebsrat?
    Eine Menge Arbeit. Betriebsrat zu sein ist mir wichtig. Ich kann zur Entwicklung des Unternehmens beitragen und mich für meine KollegInnen einsetzen.

    Wie oft machst du Urlaub?
    3-mal im Jahr.

    Deine Wünsche für die Zukunft?
    Ich wünsche mir, dass sich die wirtschaftliche Lage verbessert und damit unsere Arbeitsplätze gesichert sind. Für mich persönlich wünsche ich mir, dass ich gesund bleibe, glücklich und mit viel Liebe sehr alt werden darf.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin nina.abraham@logserv.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Nina Abraham, SOZAK-Teilnehmerin des 63.Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948317 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947043 Arbeit versus Umwelt? Aktuell werden in der öffentlichen und politischen Diskussion immer wieder soziale und ökologische Ziele gegeneinander ausgespielt – bei Lohnverhandlungen, bei der Klima- und Energiegesetzgebung und besonders bei der Gestaltung der Energiewende. Arbeitsplätze gegen Umweltschutz- oder Klimaschutzmaßnahmen, Wirtschaftswachstum gegen bewussten Ressourceneinsatz, höhere Energiepreise gegen Energiearmut, um nur einige dieser Konflikte zu nennen.

    Angstmacherei
    Genauso wie soziale Standards geraten ökologische Ziele angesichts einer an neoliberalen Paradigmen ausgerichteten Wirtschaftspolitik stark unter Druck. Eingebettet in wiederkehrende Verlagerungsdrohungen und Angstmacherei durch große Konzerne und die Interessenvertretungen der Wirtschaft, sollen soziale und ökologische Ansprüche klein gehalten werden, um vermeintliche „Standortvorteile“ zu erzielen und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern (siehe auch „Übertriebene Energiepreise“). Es ist daher verständlich, dass die ArbeitnehmerInnen sehr verunsichert sind, immerhin stehen sie unter dem Druck zunehmender Weltmarktkonkurrenz. Zugleich werden jene, die auf eine gerechte Verteilung der anfallenden Kosten achten, immer wieder ins umweltverschmutzende Eck gestellt. Dabei ist klar, dass sowohl der Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energien als auch die Bekämpfung des Klimawandels im Interesse der Beschäftigten sind. Die Energiewende ist aber auch mit beträchtlichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden, die Investition in die Zukunft muss vorfinanziert werden (siehe auch „Energiewende in den Kinderschuhen“).
    Obwohl die soziale Frage eng mit der ökologischen Frage zusammenhängt, funktioniert dieses Gegeneinander-Ausspielen erstaunlich gut. Die Ausbeutung von Mensch und Natur hat in der kapitalistisch-industriellen Produktions- und Lebensweise dieselbe Ursache. Umweltfragen dürfen aus ArbeitnehmerInnensicht genausowenig „dem Markt“ überlassen werden wie Lohn-, Arbeitszeit- oder Verteilungsfragen. Ökologische Fragen sind soziale Fragen, die für die Beschäftigten von großer Bedeutung sind. Hoher Arbeitsdruck, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung sind Folgen eines brutaler werdenden Kapitalismus, sie können nur gemeinsam bekämpft werden.

    Strukturwandel
    Angesichts der aktuellen Krise, die sich aus ökologischen Gesichtspunkten unter anderem darin zeigt, dass sich fossile Energieträger (Erdöl, Kohle, Gas) tendenziell erschöpfen und der Schadstoffausstoß zu hoch ist, wird ein Strukturwandel notwendig sein und auch geschehen. Dieser Umbau kann und darf aber nicht an den ArbeitnehmerInnen vorbei erfolgen. Die Gestaltung dieses Wandels ist daher eine große Herausforderung, bietet aber auch die Chance, ein besseres, sozial- und umweltverträglicheres Produzieren, Arbeiten und Leben zu erreichen. Dies zeigt sich besonders bei der Gestaltung der Energiewende.

    Sackgassen
    Unter sozialen und ökologischen Aspekten betrachtet, hält die derzeitige Diskussion einige Herausforderungen und Sackgassen bereit, die eine gerechte Gestaltung der Energiewende verhindern. Erstens werden ökologische Ziele wie die Verringerung der Treibhausgase, die Erhöhung des Anteils der erneuerbaren Energien oder Energieeinsparungen von manchen Unternehmen als „Gegenpol“ zu Löhnen und Preisen positioniert. So soll die Öffentlichkeit davon überzeugt werden, dass eine finanzielle Beteiligung der Unternehmen an den Kosten der Energiewende gar nicht beziehungsweise nur bei gleichzeitig stagnierenden Löhnen oder steigenden Preisen möglich ist. Die Aufgabe von AK und Gewerkschaften muss es sein, diesen Widerspruch zu entkräften und auf die Schieflage bei der Ertrags- und Kostenverteilung insbesondere zwischen Haushalten und Industrie hinzuweisen. Alle energiepolitischen Maßnahmen ‒ beispielsweise Förderungen für erneuerbare Energien ‒ müssen auf ihre Verteilungswirkung analysiert und gegebenenfalls angepasst werden. In bestimmten Fällen machen Ausnahmeregelungen für die energieintensive Industrie natürlich Sinn ‒ es hilft weder den ArbeitnehmerInnen noch der Umwelt, wenn die energieintensive Industrie ihre Produktionsstandorte in Regionen verlagert, in denen es niedrigere Sozial- und Umweltstandards gibt. Ausnahmen sollten aber nur dann gemacht werden, wenn diese Unternehmen sonst nachweislich Wettbewerbsnachteile erleiden würden und trotz einer Produktion nach „Stand der Technik“ technologiebedingt überdurchschnittlich energieintensiv produzieren müssten.
    Zweitens ist eine einseitige, profit-orientierte „Green Economy“, die auf „Freiwilligkeit“ und Anreizwirkungen statt verbindlicher Regeln setzt, problematisch. Unser derzeitiges Wirtschaftssystem einfach „grün anzustreichen“ löst keines der existierenden Probleme (hohe Arbeitslosigkeit, Verteilungsschieflage, Klimawandel). Vielmehr schafft es sogar neue Probleme, weil es Verteilungswirkungen ignoriert. So wird das Konzept beispielsweise von AtomkraftwerksbetreiberInnen und Agro-sprit-ProduzentInnen genutzt, um die eigenen Aktivitäten als umweltfreundlich und grün zu vermarkten, obwohl die Umwelteffekte tatsächlich negativ zu beurteilen sind1. Auch beim Europäischen Emissionshandel ist die Idee, den Schadstoffausstoß durch ein marktbasiertes Instrument in den Griff zu bekommen, gescheitert (siehe auch „Vertreibt Klimaschutz die Industrie?“). Gleichzeitig belastet die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Emissionspreises Investitionsentscheidungen.
    Drittens ist die politische Verantwortung der Gestaltung der Energiewende nicht auf einzelne KonsumentInnen übertragbar. Immer wieder werden aus umwelt- und klimapolitischer Sicht höhere Energiepreise gefordert, um den Anreiz für KonsumentInnen zu erhöhen, Energie einzusparen. Neben höheren Energiepreisen werden auch „bewusstseinsbildende Maßnahmen“ wie Energieberatungen gefordert. Auch hier werden Verteilungswirkungen ignoriert. Für viele ArbeitnehmerInnen sind Handlungsoptionen, die zu substanziellen Energieeinsparungen führen, aufgrund ihrer finanziellen Lage nicht leistbar. Während Haushalte mit hohem Einkommen und Vermögen bei steigenden Energiepreisen in Energieeffizienzmaßnahmen (thermische Sanierung, Heizungstausch oder sogar Eigenproduktion durch erneuerbare Energien) investieren können, müssen Haushalte mit wenig Einkommen und Vermögen ihr Verhalten ändern. Sie können beispielweise die Wohnräume nicht mehr ausreichend beheizen – sie werden energiearm (siehe auch „Essen oder heizen?“).
     
    Zynische Moralisierung
    Die Moralisierung des Energiesparens ist angesichts dieser Tatsachen schlicht zynisch. Auch unabhängig davon, dass die viel beschworene Macht der KonsumentInnen für Haushalte mit geringem Einkommen/Vermögen sicher nicht gilt, ist auch für Reiche(re) strategischer Konsum eine hochkomplexe Angelegenheit, da sich KonsumentInnen oftmals nur für ein Kriterium entscheiden können und damit andere ausschließen2. So kann zwar aus ökologischen Gesichtspunkten ein Zeichen gesetzt werden, wenn von einem Anbieter hundert Prozent erneuerbarer Strom bezogen wird, möglicherweise aber sind dort die Arbeitsbedingungen schlechter als bei konkurrierenden Energieunternehmen.
    Die Transformation des Energiesystems ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher müssen einerseits Kosten und Nutzen der Energiewende gerecht verteilt werden. Andererseits braucht es klare politische Vorgaben und verbindliche Regeln anstelle einer auf Freiwilligkeit und Anreizwirkung basierenden „Green Economy“ oder der Übertragung der politischen Verantwortung auf einzelne KonsumentInnen. Aufgabe der Beschäftigten und ihrer Interessenvertretungen wird es (weiterhin) sein, dies einzufordern und energiepolitische Maßnahmen auf ihre Verteilungswirkung zu überprüfen.

    Dieser Artikel basiert zu großen Teilen auf: Csoka, B./Lehner, R./Schmidt, M./Vorbach, J. (2012): AK-OÖ-Zukunftsforen „Fortschritt sozialökologisch gestalten“ – Eine Prozessbeschreibung. In: WISO 3/2012.

    1 Sven Hergovich: Was taugt die Green Economy? In: Wirtschaft & Umwelt 2/2013.
    2 Hartmann, K. (2009): Ende der Märchenstunde: Wie die Industrie die Lohas und Lifestyle-Ökos vereinnahmt. München.

    Mehr Infos im Web:
    tinyurl.com/p3eu477

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin michaela.schmidt@ak-salzburg.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Michaela Schmidt, Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Salzburg Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948254 Hoher Arbeitsdruck, Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung sind Folgen eines immer brutaler werdenden Kapitalismus. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947032 Übertriebene Energiepreise Es ist fünf vor zwölf. Wenn wir es nicht schaffen, wettbewerbsfähige Energiepreise sicherzustellen, werden wir im internationalen Wettbewerb nicht bestehen können, meinte WKÖ-Präsident1 Christoph Leitl Ende vergangenen Jahres. Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der voest alpine, begründete den Bau eines neuen Werkes in Texas mit den dort günstigen Energiekosten2. Diese zwei Stimmen stehen beispielhaft für viele andere, von denen man Ähnliches zu hören bekommt. Und sie finden offenbar Gehör, was sich etwa an der Förderung von erneuerbarem Strom zeigt, ob aus Wind- oder Sonnenkraft, aber auch Biomasse. Das Geld dafür kommt aus Beiträgen der Strom-EndverbraucherInnen, vor allem Gewerbe und private Haushalte. Die Industrie hingegen profitiert von großzügigen Ausnahmen. Argumentiert werden diese mit der hohen Kostenbelastung und dem daraus resultierenden Wettbewerbsnachteil der betroffenen Unternehmen.
    Tatsächlich spielen die Energiepreise für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie neben technischer und sozialer Infrastruktur sowie anderen Kostenfaktoren nur eine untergeordnete Rolle. Im Wettbewerbsranking des World Economic Forum bleiben die Energiekosten sogar völlig unberücksichtigt. In diesem Ranking finden sich unter den Top-10-Ländern gleich sechs europäische Länder sowie drei asiatische Länder mit noch deutlich höheren Erdgaspreisen.

    Relativierte Preisunterschiede
    Die Energiepreise sind in Europa deutlich höher als in den USA. Laut Internationaler Energieagentur (IEA) sind etwa die Strompreise doppelt so hoch wie in Europa. Dieses Bild relativiert sich jedoch, wenn man Regionen mit ähnlichen Strukturmerkmalen miteinander vergleicht und Ausnahmeregelungen berücksichtigt. So kommt PricewaterhouseCoopers in einer Studie zu dem Schluss: „Deutsche Industrieunternehmen, welche sich im internationalen Wettbewerb befinden, haben (allerdings) Möglichkeiten, die EEG-Umlage zu reduzieren, wodurch der Strompreis auf ein ähnliches Niveau wie in den beiden Vergleichsländern (Anm.: Österreich und Massachusetts, USA) sinkt.“ Durchgeführt wurde die Studie im Übrigen im Auftrag von „Österreichs Energie“, der Interessenvertretung der E-Wirtschaft.
    Bei Erdgas sind die Preisunterschiede zwischen den USA und Europa beträchtlich (in Europa sind die Preise bis zu viermal so hoch wie in den USA) und haben zuletzt auch zugenommen. Das liegt allerdings weniger daran, dass die Preise in Europa an sich so hoch wären – an Europas Börsen ist Gas billiger als etwa in Japan, China, Indien oder Brasilien. Grund ist vielmehr, dass Energie in den USA so billig geworden ist. Massive Investitionen in die Förderung von Schiefergas haben dort zu einem deutlichen Preisverfall geführt. Die Preise sind mittlerweile sogar so stark gesunken, dass die Förderung von Schiefergas häufig unwirtschaftlich wird. So sprechen einige – etwa die Ökonomin und ehemalige Investmentbankerin Deborah Rogers oder der kanadische Geologe J. David Hughes – schon von einer finanzmarktgetriebenen „Schiefergasblase“3.
    Die Europäische Kommission spricht in ihrem Bericht „Energy Economic Developments in Europe“4 davon, dass die Förderkosten teilweise die Verkaufserlöse übersteigen: „Current wholesale price appears too low for many shale gas fields (on-going and envisaged) to be profitably extracted“. Johannes Mayer, Chefvolkswirt der E-Control5, meint: „Die jetzigen Gaspreise in den USA sind nicht kostendeckend und nicht nachhaltig. Sie werden deshalb mittelfristig steigen.“

    Rückgang erwartet
    Auch die IEA rechnet mit einem Rückgang der Preisdifferenzen bei Erdgas zwischen Europa und den USA6. Der relative Preisvorteil wird also schrumpfen. Im europäischen Vergleich liegen die Strom- und Gaspreise von Österreichs Industrie im Mittelfeld und sind damit niedriger als etwa in Deutschland. Tatsächlich spielen Energiekosten für weite Teile der Industrie ohnehin nur eine sehr untergeordnete Rolle. So stellt etwa das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung7 fest: „Für 92 Prozent der Wertschöpfung im Industriebereich betragen sie [Anm.: die Energiekosten] im Durchschnitt 1,6 Prozent des Umsatzes.“ Für Österreich gilt Ähnliches: Für 92 Prozent der Wertschöpfung im Industriebereich betragen die Energiekosten für Strom und Gas zusammen weniger als 1,8 Prozent des Umsatzes.8
    Auch die Energiestückkosten – also die Energiekosten pro Einheit Wertschöpfung – sind in Europa vergleichsweise gering. Sie weisen – mit Ausnahme der beiden Jahre 2007 und 2008 – in den USA und der EU ein sehr ähnliches Niveau und eine ähnliche Entwicklung über die Zeit auf. Die Höhe der Energiestückkosten ist von wirtschaftlichen Strukturen (energieintensive Branchen oder nicht), dem unterschiedlich effizienten Einsatz von Energie (Effizienz der eingesetzten Technologien und Auslastungsgrad), sowie den Energiepreisen abhängig.

    Effizienterer Einsatz
    In Sachen Energiepreise kann also zwischen der Europäischen Union und den USA kein großer Unterschied bei der Wettbewerbsfähigkeit beobachtet werden. Vielmehr lässt die Tatsache, dass sich die unterschiedlichen Energiepreise nicht in den Energiestückkosten widerspiegeln, auf einen effizienteren Einsatz des Faktors Energie in Europa schließen.
    Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf prominente Beispiele zu werfen, mit denen die Industrie ihre Forderung zu untermauern versucht. Geradezu zum Paradebeispiel wird das neue voest-alpine-Werk in Texas hochgespielt. Rund 550 Mio. Euro sollen dort in den nächsten Jahren investiert werden. Dabei handelt es sich um eine Direktreduktionsanlage zur Umwandlung von Eisenerz-Schwämmen mit rund 67 Prozent Eisengehalt in sogenannte HBI-Pellets mit 91 Prozent Eisengehalt – eine sehr frühe Stufe im Produktionsprozess.

    Andere Faktoren
    Tatsächlich ist der Gasverbrauch hoch und die Energiekosten spielten bei der Standortentscheidung sicherlich eine wichtige Rolle. Andere Faktoren dürften aber ebenso wichtig gewesen sein, etwa die geringen CO2-Kosten, individuelle Steuererleichterungen, der Hochseezugang oder der kurze Seeweg zum reichhaltigen, brasilianischen Erz.9 Es sind Erfordernisse, die das Binnenland Österreich wohl in Zukunft nur schwer erfüllen wird können. Von Paradebeispiel kann also keine Rede sein.
    Energiepreise, speziell die Gaspreise sind in Europa höher als in den USA. Nicht zuletzt aufgrund eines effizienteren Energieeinsatzes ist die durchschnittliche Kostenbelastung für Europas Industrie – trotz deutlich höherer Preise – aber ähnlich hoch wie in den USA. Generell spielen Energiepreise als Kostenfaktor also nur eine untergeordnete Rolle. Zusätzlich dazu gelten in den energieintensiven und wettbewerbsexponierten Bereichen ohnehin Sonderregelungen wie etwa in Bezug auf den CO2-Zertifikate-Handel oder die Finanzierung erneuerbarer Energie. Großzügige, pauschale Ausnahmeregelungen, die beinahe den gesamten Industriesektor erfassen, sind jedenfalls unangebracht. In Einzelfällen sind die geologischen und geografischen Vorteile wirtschaftspolitisch ohnehin schlicht nicht zu kompensieren. Für Europa erscheint es daher naheliegend, sich auf seine Stärken zu konzentrieren, das ist im Bereich der Wirtschaft wie in der Energiepolitik die Innovation. Weitere Schritte in Richtung mehr Energieeffizienz reduzieren die Rohstoffabhängigkeit und senken die Kostenbelastung nachhaltig.

    1 Presseaussendung der WKÖ vom 10.12.2013.
    2 Presseaussendung der voest alpine vom 13.3.2013.
    3 „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 16.1.2014: „Das Fracking-Wunder bleibt aus“ – tinyurl.com/lcyjkel
    4 Energy Economic Developments in Europe (1/2014).
    5 Industriemagazin (12/2013), S. 12.
    6 World Energy Outlook (2013), S. 272.
    7 Neuhoff Karsten et al (DIW 2014): „Energie- und Klimapolitik: Europa ist nicht allein"

    8 Eigene Berechnungen, Quelle: World Input-Output Database, Kosten für Gas, Elektrizität und Wasser, ohne Energiebranche.
    9 „Kurier“ vom 25.4.2014: USA rollen der Industrie den roten Teppich aus.

    Blogtipp:
    www.blog.arbeit-wirtschaft.at/energiepreise-industrie/
    Webtipps:
    Online-Dossier des Time Magazine: shalebubble.org
    Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung: „Energie- und  Klimapolitik: Europa ist nicht allein“

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren josef.thoman@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Nina Huber, Studentin der Volkswirtschaftslehre an der WU; bis Juni 2014 Forschungsassistentin in der Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien | Josef Thoman, Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948221 Oberflächlich betrachtet sind die Energiepreise in Europa deutlich höher als in den USA. Bei genauerer Betrachtung relativiert sich dieser Unterschied. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170947022 Energiewende in den Kinderschuhen Die Energieversorgung ist für die Europäische Union eine der größten Herausforderungen. Rasant steigende Energiepreise und erhöhte Abhängigkeit von Energieeinfuhren bedrohen die Energieversorgung und damit die gesamte Wirtschaft. Zur Senkung der CO-Emissionen und Bekämpfung des Klimawandels sind große Investitionen erforderlich, um einerseits erneuerbare Energien möglichst rasch an die Marktreife heranzuführen und andererseits die europäische Energieinfrastruktur an die neuen Herausforderungen anzupassen.
    Für EU-BürgerInnen ist es schwer, sich ein klares Bild von der Energiewende zu machen: Die einen warnen vor De-Industrialisierung und einer Kostenlawine, um die Förderung von fossiler und Atomenergie zu rechtfertigen, die anderen preisen den dynamischen Ausbau der erneuerbaren Energien und das damit verbundene Jobwunder.

    Paradoxe Wende
    Bisher ist die Energiewende durch paradoxe Phänomene gekennzeichnet: Je größer der Anteil der erneuerbaren Energien wird, desto stärker fallen die Großhandelspreise an der Strombörse. Gleichzeitig steigen die Strompreise für Privathaushalte. Während Braunkohlekraftwerke rund um die Uhr laufen und Milliardeninvestitionen in Atomkraftwerke geplant sind, werden hocheffiziente Gaskraftwerke abgeschaltet. 
    Bei zunehmendem Anteil erneuerbarer Energien stößt das bisherige überwiegend fossil-nukleare Stromsystem an seine Grenzen. Das neue System ist gekennzeichnet durch den liberalisierten Energiebinnenmarkt einerseits und stark fluktuierende Energiequellen (vor allem Solar- und Windstrom) andererseits sowie von einer Vielfalt von meist kleinen Erzeugungsanlangen, die keine Versorgungssicherheit bieten können. Eine zentrale Aufgabe zur Stabilisierung des Stromnetzes ist es daher, Stromangebot und -nachfrage zu synchronisieren.
    In den nächsten zehn Jahren sind enorme Investitionen in die Energienetze erforderlich. Notwendig ist dies vor allem deshalb, weil die Übertragungs- und Verteilernetze ursprünglich konzipiert wurden, um von Großkraftwerken in nahe gelegene Verbrauchszentren zu liefern. Heute muss nicht nur zusätzlich der Strom aus den vielen kleinen Erzeugungsanlagen ins Stromnetz integriert werden. Ein immer höherer Anteil dieses Stroms wird zudem unregelmäßig produziert und befindet sich weit entfernt von den Verbrauchszentren – wie zum Beispiel die Offshore-Windkraftanlagen in der deutschen Nord- und Ostsee.
    Der Ausbau von erneuerbaren Anlagen führt zu einem höheren fluktuierenden Anteil der Energieversorgung, der durch Reservehaltung und Back-up-Erzeugung durch konventionelle Kraftwerke teuer gesichert werden muss. Hier ist ein flexibles Lastmanagement erforderlich, um Erzeugung und Verbrauch anzupassen. Dies setzt ein neues Marktdesign voraus, das die Bereitstellung von klimaverträglichem Strom entsprechend der Nachfrage fördert. Die unreflektierte Förderung sämtlicher erneuerbarer Energien hat zwar eine spektakuläre Zunahme der Produktionskapazitäten bewirkt, gleichzeitig aber zu einer Fehlallokation der Ressourcen geführt. Um die Energiewende zum Erfolg zu führen, ist es daher notwendig, die Kosten des Ausbaus zu begrenzen, ohne die Dynamik der technischen Innovation zu bremsen. Das heißt, die ProduzentInnen von Grünstrom müssen zunehmend Verantwortung und Risiko für dessen Vermarktung übernehmen. Ein System, das über 15 Jahre und mehr feste Erträge garantiert, ohne Verantwortung für die Vermarktung zu übertragen, ist ökonomisch nicht sinnvoll und bei anhaltender Staatsschuldenkrise auch nicht leistbar.
    Die beihilfenpolitische Herausforderung ist es daher, den Übergang zu einem flexiblen, kosteneffizienten Strommarkt mit ausreichenden Netzen, Speichern, effizienten Lastmanagementsystemen, regenerativen-Kraftwerken und hocheffizienten Kraft-Wärme-Koppelungsanlagen (KWK) zu organisieren und gleichzeitig die Subventionierung von fossilen Energieträgern und Atomkraft zu verbieten. Es besteht dringender Reformbedarf, um Investitionen in die richtigen Kanäle zu lenken. Dies ist nur auf EU-Ebene möglich.
    Die EU-Politik bietet ein zerrissenes Bild, das sich in den neuen Leitlinien zur Förderung von Umweltschutzbeihilfen und Energie1 2014 wiederfindet. Diese stellen ein Menü an Subventionsmaßnahmen für beinahe alle Energieformen zur Verfügung. Außerdem beinhalten sie eine Liste von Ausnahmen für eine Vielzahl von Industriesektoren – von der Herstellung von Lederwaren über Haushalts- und sanitäre Waren bis hin zur Bürsten- und Musikinstrumentenproduktion, die von der Abnahmepflicht für erneuerbare Energien befreit werden können. Das bedeutet: Einerseits müssen in Zukunft die HaushaltskundInnen und ein Teil der kleinen und mittleren Unternehmen weitgehend allein die erneuerbaren Energien finanzieren, während Großverbraucher weiterhin auf fossile Energien setzen können. Andererseits ist ein Subventionswettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten zu erwarten.

    Keine Ambition
    Die neuen Leitlinien bieten auch sonst keine ambitionierte Ergänzung zur Energiewende. Statt sich so weit wie möglich von wirtschaftlich schädlichen Betriebsbeihilfen zu verabschieden, sind diese weiterhin in großem Umfang zulässig. Dadurch werden auch in Zukunft falsche Marktanreize gesetzt, die zu Fehlinvestitionen führen. Die Zukunft einer kosteneffizienten Förderung erneuerbarer Energien kann nur in einer Anstoßfinanzierung liegen.
    Die Bereithaltung von Reserveleistungen wiederum sollte nur in genau definierten Ausnahmefällen und zeitlich beschränkt subventioniert werden. Österreich hat ebenso wie die anderen EU-Mitgliedsstaaten ausreichende Kapazitäten zur Verfügung. Die Preise für Ausgleichsenergie sind 2013 auf 170 Millionen Euro gestiegen – im Vergleich zu 75 Millionen Euro im Jahr 2010. Angesichts dieser Preisstruktur erscheinen Beihilfen nicht gerechtfertigt, hier sind auch ordnungsrechtliche Vorschriften zu überlegen.

    Der falsche Weg
    Auch die Einbeziehung von Energie-Infrastrukturmaßnahmen – Verteilernetze, grenzüberschreitende Netzzusammenschlüsse etc. – in die neuen Leitlinien ist nicht der richtige Weg. Damit werden die privaten Strom- und Gasunternehmen im weitesten Sinn (Produzenten, Netzbetreiber) aus ihrer Verantwortung für die Schaffung und Aufrechterhaltung geeigneter Infrastrukturen für ihren Geschäftsbetrieb entlassen. Die Kosten hierfür sollen offensichtlich sozialisiert werden, während die Gewinne den Unternehmen zukommen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre werden die EU-weiten Investitionskosten für die Netzerweiterung auf bis zu 104 Milliarden Euro geschätzt. Die Finanzierung dieser Netzwerke (Strom und Gas) zum Nutzen der Stromunternehmen muss daher auch von diesen oder über den Finanzmarkt aufgebracht werden. Nur nebenbei sei bemerkt, dass die Kosten für den Netzausbau ohnehin einem regulatorischen Regime unterliegen und daher über die Netzentgelte abgegolten werden. Auch wäre wichtig gewesen, dass bei der Bewertung der ökonomisch-technischen Machbarkeit von Investitionen in Erneuerbare-Energie-Anlagen der verpflichtende Nachweis eingefordert wird, dass die notwendige Infrastruktur vorhanden ist, um die Einspeisung der gewonnenen erneuerbaren Energie sicherzustellen.
    Schließlich hat auch der Emissionszertifikate-Handel bis jetzt die Erwartung nicht erfüllt, dass damit die externen Kosten der Unternehmen internalisiert werden. Im Gegenteil, das System wurde für betrügerische Machenschaften missbraucht und erwies sich als zu komplex, um geeignete Kontrollmechanismen zu etablieren. Darüber hinaus bleiben die Börsenpreise für diese Zertifikate auf derart niedrigem Niveau, dass kein Anreizeffekt von ihnen ausgeht. Skepsis ist daher angebracht, dass andere derartige Zertifikatehandelsregimes geeigneter sind, ordnungspolitische Maßnahmen zu ersetzen, um die Reduktion von CO2-Zertifikaten und das damit verbundene Ziel der CO2-Reduktion der zu erreichen.
    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zwar der gute Wille vorhanden ist, die Erneuerbare-Energie-Revolution voranzutreiben. Diese steckt jedoch nach mehr als einem Förderjahrzehnt immer noch in ihren Kinderschuhen. Zu groß sind die Begehrlichkeiten der Vermarkter konventioneller Energien, zu bequem ist die Beibehaltung des derzeitigen Systems der Dauersubventionierung für die ProduzentInnen von Ökostrom.

    1tinyurl.com/pgdbukn

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin susanne.wixforth@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Susanne Wixforth, Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948211 Bis jetzt hat der Emissionszertifikate-Handel die Erwartung nicht erfüllt, dass damit die externen Kosten der Unternehmen internalisiert werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946803 Smarte KonsumentInnen Seit 2008 erhebt die Arbeiterkammer die Preisentwicklungen von ausgewählten Strom- und Erdgaslieferanten und vergleicht die Großhandelspreise mit jenen für HaushaltskundInnen. In diesem Zeitraum sind die Strompreise im Großhandel um 44 Prozent gesunken, für private Haushalte jedoch um durchschnittlich 20 Prozent gestiegen. Ein ähnliches Szenario zeigt sich bei Erdgas. Energie wird somit immer günstiger und zugleich für KonsumentInnen immer teurer. Warum ist das so? AK-Energieexpertin Dorothea Herzele kritisiert, dass Anbieter Preissenkungen nur unzureichend und zeitlich verzögert an die KundInnen weitergeben. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Zum einen stehen sie unter wirtschaftlichem Druck, ihre Verluste auszugleichen. Zum anderen haben KonsumentInnen als Einzelpersonen weniger Macht.
    KonsumentInnen sind dem Markt allerdings nicht willkürlich ausgeliefert, wie die Aktion „Energiekosten-Stop“ des Vereins für Konsumentinformation (VKI) beweist. Unter dem Motto „Gemeinsam können wir die günstigen Konditionen eines Großkunden bekommen“ hat der VKI TeilnehmerInnen gebündelt und so einen günstigeren Energietarif ausverhandelt. Mehr als 260.000 Personen haben an der Aktion teilgenommen. „Die Initiative hat den Wettbewerb unter den Anbietern angekurbelt und die Platzhirsche am Markt, die es sich für immer gemütlich machen wollten, aufgerüttelt“, erzählt Christian Kornherr vom VKI. Mehr Wettbewerb ist die Zauberformel zahlreicher EnergieexpertInnen, mit der faire Preise für KonsumentInnen am Markt erzielt werden können. Daher war es auch Ziel der VKI-Aktion, EnergiekundInnen zu einem Anbieterwechsel zu motivieren. Während jeder zweite Industriekunde seit der Strom- und Gasliberalisierung vor mehr als zehn Jahren den Anbieter gewechselt hat, waren es bei den PrivatkundInnen seither nur 13 Prozent. KonsumentInnen verzichten dadurch auf bis zu 100 Euro Ersparnis im Jahr, bedauert Kornherr. Die Aktion des VKI hat jedenfalls Bewegung auf den Markt gebracht, weiß Martin Graf, Vorstandsmitglied der E-Control. Nicht nur Vereine wie der VKI können als Großkunde auftreten, auch Privatpersonen können sich zusammenschließen, um bessere Tarife zu verhandeln.

    Den besten Energiepreis finden
    Um den Anbieter zu wechseln oder sich über günstige Energiepreise zu informieren, müssen KonsumentInnen zunächst wissen, welchen Anbieter und welches Produkt sie bisher hatten und wie hoch ihr Strom- und Gasverbrauch ist. Diese Informationen sind auf der Strom- und Gasrechnung ausgewiesen. Über den Tarifkalkulator der E-Control kann man sich das beste Angebot je nach persönlichen Bedürfnissen errechnen. So kann beispielsweise zwischen erneuerbaren und fossilen Energieträgern ausgewählt werden oder zwischen Anbietern mit Preisgarantie oder mit variablen Preisen. Der Tarifkalkulator listet alle Strom- und Gaslieferanten in Österreich auf, deren Angaben durch die E-Control kontrolliert werden. Bei einem Wechsel der Energielieferanten bieten Strom- und Gasunternehmen meist einmalige Rabatte. „Je häufiger die Anbieter gewechselt werden, desto günstiger wird es für KonsumentInnen“, so Kornherr. Wer sich lieber persönlich informiert, kann auf die Energie-Hotline oder auf persönliche Beratungen der E-Control zurückgreifen. Für Martin Graf, Vorstandsmitglied der E-Control, beruhen viele Ängste auf fehlendem Wissen über Möglichkeiten und Rechte von KonsumentInnen. Die Europäische Union hat 2011 die Rechte von EnergiekonsumentInnen durch EU-Richtlinien massiv gestärkt. Sie haben beispielsweise das Recht, bei Preiserhöhungen den Lieferanten zu wechseln oder zu erfahren, aus welchen Energieträgern ihr Strom kommt – also aus fossiler, atomarer oder erneuerbarer Energie. In Österreich werden bereits 34 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen.
    Doch das Öko-Mascherl am Strom hat nicht nur Sonnenseiten für KundInnen und den Energiemarkt.„Um die Klima- und Energieziele Europas zu erreichen, ist der Ausbau erneuerbarer Energien wichtig“, betont Herzele von der AK. Gleichzeitig müsse aber das Energiesystem als Ganzes betrachtet werden. Ein nachhaltiges System bedeute auch, dass es marktfähig ist. Zahlreiche Anlagen, die erneuerbare Energie erzeugen, überleben nur dank der Förderungen. Martin Graf spricht vom „Deckmantel der Ökologie“. War das Energiesystem früher vor allem von zentralen, thermohydraulischen Großanlagen wie Wärme- oder Wasserkraftwerken geprägt, gibt es nun etliche kleine und dezentrale Anlagen.

    „Prosumers“
    Die Förderungen von Ökostrom haben aus KonsumentInnen „Prosumers“ (ProduzentInnen und KonsumentInnen) gemacht, vor allem bei der Gewinnung von Strom aus Sonnenkraft, also Photovoltaik. Dabei handle es sich meist um Personen mit höherem Einkommen, die sich mithilfe staatlicher Förderungen Anlagen zur Stromgewinnung leisten. Die Zusatzkosten, die dadurch entstehen, zahlen vor allem die privaten Haushalte. Denn zum Teil wird über Photovoltaikanlagen zur Mittagszeit mehr Strom erzeugt und ins öffentliche Stromnetz eingespeist, als verbraucht wird. Strom lässt sich aber nicht speichern, weshalb mit Ausgleichsenergie gegengesteuert werden muss, um das System stabil zu halten. Das kommt teuer. Eine positive Errungenschaft: Für einkommensschwache Haushalte ist der Ökoförderbeitrag mit 20 Euro jährlich gedeckelt – analog den Kriterien zur GIS-Befreiung.
    Da der Energieverbrauch europäischer Haushalte entgegen der politischen Ziele stetig steigt, setzt die EU vermehrt auf Technikeinsatz. Die EU-27 haben beschlossen, bis zum Jahr 2020 80 Prozent der europäischen Haushalte mit intelligenten Messgeräten, den sogenannten „Smart Metern“, auszustatten. Österreich möchte schon 2019 95 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgestattet wissen. Alle 15 Minuten sollen die Energieverbrauchsdaten gemessen und an die Versorgungsunternehmen weitergeleitet werden. Mit diesen Informationen können Stromanbieter zielgruppenspezifische Tarife anbieten, zum Beispiel günstigere Preise außerhalb der Spitzenzeiten. Doch nicht alle Menschen sind zeitvariabel und können ihren Alltag an günstigere Stromtarife anpassen. Zudem haben zahlreiche AkteurInnen datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Für Andreas Krisch, Mitglied des Datenschutz-Rats, sind Smart Meter schon lange Thema. Er kritisiert ebenso wie AK und VKI den Zwang zur Einführung und weist vehement auf möglichen Datenmissbrauch hin. Krisch: „Die Daten sind sehr aussagekräftig. Sie können Aufschlüsse über das Kochverhalten, die Warmwassernutzung und die Art der verwendeten Elektrogeräte geben.“ Laut Krisch ist Österreich noch nicht auf diese Umstellung vorbereitet. In Oberösterreich laufen zwar bereits Pilotprojekte, die Messgeräte sind jedoch nicht standardisiert und es fehle laut Krisch an technischen Vorgaben und entsprechender Datensicherheit. KonsumentInnen haben aufgrund der datenschutzrechtlichen Bedenken das Recht auf Opt-out, eine Ausstiegsoption, bekommen. Sie können also „Nein“ zu den Smart Metern sagen – eine für DatenschutzrechtlerInnen positive Entwicklung. Krisch wünscht sich aber noch Nachbesserungen. So ist unklar, wie sich das Opt-out tatsächlich auswirkt. Bleiben dann die herkömmlichen Messgeräte bestehen oder werden Smart Meter mit eingeschränkter Nutzung installiert? Fest steht, dass KonsumentInnen zunehmend zu aktiven und bewussten VerbraucherInnen werden, die den Wettbewerb ankurbeln und günstigere Strompreise erzielen können. Derzeit wird an vielen Schrauben gleichzeitig gedreht, um Energiekonsum und EnergiekonsumentInnen anzunähern. Welche Entwicklungen dadurch in Gang gesetzt werden, ist schwer prognostizierbar.

    Mehr Infos im Web:
    AK Energiepreismonitoring (Juli 2014)
    tinyurl.com/pt9qr8e
    Aktion „Energiekosten-Stop“ des VKI
    www.energiekosten-stop.at
    Tarifkalkulator der E-Control
    www.e-control.at/haushalts-tarifkalkulator
    Zertifizierter Strom aus 100 % erneuerbaren Energieträgern
    tinyurl.com/nqjrnvl

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948205 Private profitieren von der Liberalisierung bislang weniger als Unternehmen. Sie sind dem Markt aber nicht willkürlich ausgesetzt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948285 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946728 Mit Sicherheit energieversorgt Das Thema Energie ist in aller Munde. Ob es um hohe Strompreise, unrentable Gaskraftwerke, die Schaffung von Energiereserven oder den Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine geht: Es vergeht kaum ein Tag, an dem darüber nicht in den Medien, in wissenschaftlichen Fachkreisen oder in der Politik beraten oder gar gestritten wird. 
    Sicherheit der Strom- und Gasversorgung bedeutet: Es soll eine möglichst sichere, preisgünstige, VerbraucherInnenfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung der Allgemeinheit mit Strom und Gas gewährleistet werden. Dabei müssen sehr unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden. So ist eine österreichische Energiepolitik sicherlich nicht losgelöst vom europäischen Rahmen denkbar. Auch muss die Frage aufgeworfen werden, inwieweit es bei dem derzeit bestehenden Strommarkt bleiben soll oder ob nicht zusätzlich ein neuer Markt für das bloße Bereitstellen von Erzeugungskapazitäten geschaffen werden sollte.

    Sicher und störungsfrei
    Grundsätzlich gilt, dass die Strom- und Gasversorgung rund um die Uhr nur dann sicher und störungsfrei ist, wenn stets ausreichende und angemessene Kapazitäten für die Erzeugung und Verteilung zur Verfügung stehen. Eine kurzfristig wie langfristig zuverlässige und stabile Strom- und Gasversorgung zeichnet sich durch zwei Elemente aus: Einerseits müssen genug wetterunabhängige Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung stehen, andererseits braucht es ein leistungsstarkes und „intelligentes“ Strom- und Gasnetz. Eine sinnvolle Strategie muss zudem berücksichtigen, dass konventionelle Kraftwerke bei der Stabilität des Stromnetzes weiterhin eine wichtige Rolle spielen können. Diese können nämlich jederzeit zuverlässig und flexibel Strom erzeugen. 
    Was die Sicherheit der Strom- und Gasversorgung betrifft, steht Österreich im internationalen Vergleich gut da. Um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten und noch weiter steigern zu können, wird diese kontinuierlich von der Energie-Control (E-Control) überwacht. Sie beobachtet das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Strom und Gas auf dem heimischen Markt, die in Planung und Bau befindlichen Kapazitäten sowie die Maßnahmen zur Abfederung von Nachfragespitzen, die etwa ein kalter Wintertag auslösen kann. Sie erstellt Prognosen zur Entwicklung der Nachfrage und setzt diese in Verhältnis zum verfügbaren Angebot an Kraftwerksleistung. Und sie erhebt die Qualität und Wartung der heimischen Strom- und Gasnetze sowie die geplanten Netzausbau- und Modernisierungsmaßnahmen in einem regelmäßig aktualisierten Netzentwicklungsplan.
    Diese Erhebungen zeigen, dass Österreich gut versorgt ist und allfällige, kurzfristig auftretende Stromausfälle vor allem durch das Wetter verursacht werden, sei es Regen, Schnee, Sturm oder Gewitter. Auch langfristig ist der heimische Strom- und Gasmarkt gut aufgestellt: Obwohl zuletzt mehrere unrentable, fossile Kraftwerke stillgelegt wurden, sind in Österreich bis zum Jahr 2025 keine Versorgungsprobleme zu erwarten – eine Einschätzung, die im Übrigen auch von der Vereinigung der europäischen Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E geteilt wird.

    Förderung für Kapazitäten?
    Kapazitätsmärkte: So heißt ein anderes Schlagwort, das vor allem von Energieunternehmen vorangetrieben wird. Ihr Wunsch ist es, für die bloße Bereitstellung von Kraftwerksleistung vergütet zu werden – und zwar unabhängig davon, ob der Bau eines neuen Kraftwerks überhaupt wirtschaftlich sinnvoll gewesen wäre … Schon seit der Liberalisierung der Strommärkte in Europa wird darüber diskutiert, ob Stromerzeuger allein durch den Verkauf von Strom am Großhandelsmarkt (dem sogenannten Spotmarkt) ihre Investitionskosten decken können (wie derzeit in Österreich üblich) oder ob nicht zusätzliche Zahlungen für die Bereitstellung von Kapazitäten benötigt werden.
    Eine solche zusätzliche Vergütung würde allerdings einen erheblichen Eingriff in das derzeit gültige Marktdesign bedeuten und den Markt somit grundlegend verändern. Vielfach steckt hinter der Forderung lediglich der Wunsch nach Refinanzierung von entstandenen Investitionskosten für unrentable Kraftwerke. Dies ist aus mehreren Gründen abzulehnen: Die faktische Irreversibilität, die Vergütung hätte tendenziell negative Auswirkungen auf Kosten, Investitionen und Flexibilitätsoptionen; nicht zuletzt würden damit etablierte, effiziente und länderübergreifende Marktmechanismen zur Vermeidung von regionalen Engpässen außer Kraft gesetzt. Zudem erscheint es angesichts der Anstrengungen zur Schaffung eines gemeinsamen EU-Binnenmarktes kontraproduktiv, einzelstaatliche Erzeugungsmärkte zu schaffen.
    Sinnvoll erscheint vielmehr eine andere Strategie, und zwar eine kurzfristige Absicherung der Versorgungssicherheit zu schaffen. Als Vorbild könnte die deutsche Reservekraftwerksverordnung dienen. Diese verpflichtet Kraftwerksbetreiber dazu, eine geplante Stilllegung von Kraftwerken bestimmten Behörden anzuzeigen, in Österreich könnten diese Funktion die Energie-Control und der Übertragungsnetzbetreiber, Austrian Power Grid AG, übernehmen. Um regionale Engpässe zu vermeiden, sollte bei systemrelevanten Kraftwerken die Möglichkeit geschaffen werden, diese gegen eine angemessene Kostenerstattung in Betrieb zu halten.  
    Auch im Gasbereich ist Österreich in einer komfortablen Position. Es hat im internationalen Vergleich sehr große Speicherkapazitäten, die sogar mehr als den Jahresverbrauch decken. Aus den Gaskrisen 2006 und 2009 wurden sowohl auf heimischer als auch europäischer Ebene zahlreiche Lehren gezogen und entsprechende Verbesserungen durchgeführt. So wurden beispielsweise grenzüberschreitende Krisenvorsorgemechanismen weiterentwickelt, zusätzliche Speicherkapazitäten aufgebaut und Transportnetze flexibilisiert. Aufgrund dieser Maßnahmen sowie der aktuellen Preisentwicklung von Gas auf internationalen Handelsplätzen, die auch trotz des derzeitigen Konfliktes in der Ukraine keine Knappheitssignale zeigen, ist weiterhin eine gewohnt zuverlässig hohe Versorgungssicherheit im Gasbereich gegeben.
     
    Dennoch gilt es, auch in Zukunft Maßnahmen zur stärkeren Vernetzung des europäischen Strom- und Gasnetzes voranzutreiben und Back-up-Mechanismen zur Sicherung der heimischen Energieversorgung aufzubauen. Auf europäischer Ebene wurden dazu 248 sogenannte transeuropäische Projekte gemeinsamen Interesses (PCI) identifiziert, die in weiterer Folge von speziellen Förderungen und schnelleren Genehmigungsverfahren profitieren. Zudem stehen mit günstigen großvolumigen und langfristigen Investitionsdarlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) auch zusätzliche Finanzierungsmittel zur Verfügung, um dringend notwendige Aus- und Neubaumaßnahmen in der Energieinfrastruktur umzusetzen. Angesichts eines Investitionsvolumens von knapp 8,7 Milliarden Euro in Österreich bis zum Jahr 2020 gilt es – wie auch im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen –, günstige europäische Finanzierungsmittel zu nutzen und so die Kostenbelastungen für heimische Strom- und GaskundInnen zu minimieren. Denn je niedriger die Kosten für den Finanzierungsaufwand, desto geringer sind auch die Netztarife, die von jedem/jeder VerbraucherIn zu bezahlen sind. Ein günstiger Netzausbau schont mit einem Wort die Geldbörse der EnergiekonsumentInnen.
    Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Situation gilt es auch, die konjunkturstimulierende Wirkung von Investitionen in die Energieinfrastruktur hervorzuheben. So wurden in der Steiermark und im Burgenland durch den 150 Millionen Euro teuren Bau der 380-kV-Steiermark-Leitung zusätzliche regionale Wertschöpfungseffekte von 55 Millionen Euro erzielt. Durch das Vorziehen von in den nächsten Jahren ohnehin notwendigen Erneuerungs- und Ausbaumaßnahmen könnten nach Berechnungen der Energie-Control rund 65.000 Vollzeitarbeitsplätze vor allem in der Elektronikbranche und der Bauwirtschaft geschaffen werden. Zusätzlich geschaffene Wertschöpfungseffekte würden knapp 5,4 Milliarden Euro betragen und zu einem Großteil den jeweiligen Regionen zugutekommen.

    Mehr Infos im Web:
    www.e-control.at/de/home

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor martin.graf@e-control.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Martin Graf, Vorstand der Energie-Control Austria Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948200 Eine zuverlässige und stabile Strom- und Gasversorgung zeichnet sich dadurch aus, dass wetterunabhängige Kraftwerkskapazitäten zur Verfügung stehen, außerdem braucht es leistungsstarke und "intelligente" Netze. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946705 Mehr privat als Staat im Strom Energie ist kein Produkt wie jedes andere. Die Energieversorgung stellt eine existenzielle Grundlage für Menschen und Wirtschaft in unserer modernen Gesellschaft dar. Deshalb ist die Energieversorgung grundsätzlich dem gemeinwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, bei dem nicht die Interessen der EigentümerInnen (Shareholder) im Vordergrund stehen sollen, sondern die Anliegen aller Betroffenen (Stakeholder): KundInnen, ZulieferInnen, MitarbeiterInnen, AnrainerInnen, Betriebe und Haushalte einer Region, sonstige Dritte, Umwelt und letztlich die Allgemeinheit. Energieunternehmen werden den Anliegen der Allgemeinheit dann gerecht, wenn sie im öffentlichen Interesse auf mögliche Renditen und Dividenden verzichten können. Und wenn sie ihre Unternehmensstrategie primär gegenüber der Öffentlichkeit als EigentümerIn verantworten und nicht mit den (berechtigten) Rentabilitätsinteressen privater Investoren in Einklang bringen müssen.

    Österreichischer Nachkriegskonsens
    In Österreich einigte sich die Politik daher bereits im Jahr 1947 darauf, dass die Stromversorgung – de facto auch die Gasversorgung – im öffentlichen Eigentum liegen soll. Damals wurde das öffentliche Eigentum am Verbund und den neun Landesstromversorgern verfassungsrechtlich abgesichert (2. Verstaatlichungsgesetz). Gleichzeitig wurde auch die Struktur der österreichischen Stromwirtschaft mit dem Gesetz festgeschrieben: die Verbundgesellschaft mit bundesweiten Aufgaben und neun Landesgesellschaften für die Versorgung der Bundesländer. Diese Struktur besteht im Wesentlichen bis heute.
    In den 1980er-Jahren begann in den Industriestaaten eine Phase der Privatisierung und Liberalisierung des Energiesektors. So erfolgte auch in Österreich die bisher größte Zäsur des verfassungsrechtlichen Nachkriegskonsenses der öffentlichen Stromwirtschaft. Der politische Wunsch nach einer Teilprivatisierung des Verbunds wurde zum Anlassfall für die Novelle des 2. Verstaatlichungsgesetzes im Jahr 1987. Seitdem ist nur noch ein Mehrheitseigentum an Verbund und Co verfassungsrechtlich verankert: Mindestens 51 Prozent des Verbunds müssen im Eigentum des Bundes stehen, bei den Landesgesellschaften müssen mindestens 51 Prozent direkt oder indirekt von Gebietskörperschaften gehalten werden.

    Stromversorger heute
    Bereits im Jahr 1988 wurde der Verbund im Zuge eines Börsengangs zu 49 Prozent „privatisiert“. Dieser privatisierte Anteil befindet sich derzeit im Eigentum der EVN und Wien Energie (gemeinsam 25 Prozent), Tiwag (ca. 5 Prozent) und in Streubesitz (ca. 20 Prozent). Von den Landes-Energieversorgern stehen nur noch die Wien Energie und die Tiroler Tiwag zu hundert Prozent im öffentlichen Eigentum. Bei den anderen Landes-Energieversorgern wurden Teilprivatisierungen in mehr oder weniger großem Umfang und mit unterschiedlichen Beteiligungsstrukturen durchgeführt. Stark ausgeprägt sind dabei Querbeteiligungen der Landesversorger untereinander. Das heißt, die sogenannten Privatisierungen waren zum Großteil lediglich Veräußerungen an andere öffentliche Energieversorger.
    Die größten „echten“ Privatbeteiligungen bei Landesversorgern gibt es derzeit in Oberösterreich, Niederösterreich, in der Steiermark und in Kärnten. Bei der oberösterreichischen Energie AG hält die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich rund 14 Prozent der Anteile, rund 10 Prozent befinden sich in Streubesitz. Bei der niederösterreichischen EVN sind 16,5 Prozent in privatem Streubesitz, rund ein Drittel der Anteile hält der deutsche Energieriese EnBW. Dieser befindet sich zwar im öffentlichen Eigentum, ist aber wohl eher an Renditen als an einem „Stakeholder-Value“ der EVN interessiert. Ebenso verhält es sich bei der Beteiligung (25 Prozent plus eine Aktie) des französischen Staatskonzerns EdF an der Energie Steiermark. Und auch bei der Kärntner Kelag hat sich ein europäischer Energieriese eingekauft: die mehrheitlich in Privateigentum stehende deutsche RWE, die circa 13 Prozent der Kelag-Anteile direkt hält und auch noch mit 49 Prozent an der Kärntner Energieholding beteiligt ist, die wiederum 51 Prozent der Kelag-Anteile hält.
    Dass auch der Verbund zu einem kleinen Teil (ca. 20 Prozent) in privater Hand ist, scheint für den Verbund-CEO Wolfgang Anzengruber Grund genug zu sein, um eine öffentliche Verantwortung seines Unternehmens in Abrede zu stellen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, die Versorgungssicherheit in ganz Österreich zu garantieren. Der Verbund wird betriebswirtschaftlich geführt und ist keine Non-Profit-Organisation“ („Wirtschaftsblatt“ vom 12. August 2014). Dies ist eine bemerkenswerte Aussage für ein Unternehmen, das zu 51 Prozent im Eigentum der Republik steht und gleichzeitig das österreichische Übertragungsnetz sein Eigen nennt.

    Energiewende wohin?
    Die Rücksichtnahme der öffentlichen Stromversorger auf das gesamtgesellschaftliche Interesse wird nicht allein durch das unternehmerische Selbstverständnis von Vorständen untergraben. Auch wenn der Ökostrom-Anteil in Österreich verhältnismäßig klein ist, ändern sich durch seinen forcierten Ausbau die Strukturen in der Stromerzeugung. Die großen öffentlichen Unternehmen verlieren Stromerzeugungs-Anteile an eine Vielzahl neuer ÖkostromproduzentInnen. BefürworterInnen dieser Entwicklung sprechen hier gerne von einer „Energiewende von unten“ oder einem „Siegeszug der Bürgerenergie“. Dabei gehen sie davon aus, dass durch die dezentralen Erzeugungsstrukturen eine ebenso dezentrale EigentümerInnenstruktur entsteht. Geprägt ist die EigentümerInnenstruktur demnach von einer Vielzahl an Privatpersonen und -initiativen.
    Stimmt dieses Bild tatsächlich? Eins gleich vorweg: Belastbares Zahlenmaterial dazu gibt es in Österreich nicht. Bei der Photovoltaik sagt der Hausverstand, dass es in erster Linie BesitzerInnen von Einfamilienhäusern, die Landwirtschaft und Gewerbebetriebe sind, die am Ausbau-Boom teilnehmen. Und auch jene Menschen, die sich an einer BürgerInnen-Solaranlage beteiligen. Bei Biogas- und Biomasseanlagen sowie Kleinwasserkraftwerken liegt der Verdacht nahe, dass primär land- und forstwirtschaftliche Betriebe die Anlagen betreiben. Einzig bei der Windkraft liegen Daten zur EigentümerInnen-Struktur vor. Laut IG Wind – der Interessengemeinschaft der Windkraftbetreiber – finden sich lediglich die Energie Burgenland, die EVN und der Verbund als öffentliche Stromversorger unter den zehn größten Anlagenbetreibern. Diese drei Stromversorger verfügen über knapp 37 Prozent der gesamten Windkraftleistung in Österreich. Die sieben übrigen großen Betreiber sind private Windkraftunternehmen. Sie verfügen über rund 53 Prozent der installierten Windkraftleistung in Österreich.

    Im Gegensatz zu Österreich liegen aus Deutschland Zahlen zur EigentümerInnenstruktur von Ökostrom-Anlagen vor. Laut Analyse von Trendresearch – einem deutschen Marktforschungsunternehmen – standen im Jahr 2012 rund 35 Prozent der Ökostrom-Anlagen im Besitz von Privatpersonen (gemessen an der gesamten installierten Leistung). Das Gewerbe hatte einen Anteil von rund 14 Prozent, Landwirte 11 Prozent, Fonds/Banken knapp 13 Prozent. Die absolute Überraschung bei diesen Zahlen: Energieversorgungsunternehmen haben laut Trendresearch-Auswertung nur einen Anteil von knapp 12 Prozent. Interessant ist, dass bei den Anlagen, die im Jahr 2012 neu gebaut wurden, der Anteil der Privatpersonen auf 17 Prozent schrumpft. Der Anteil des Gewerbes bei den Neuanlagen steigt hingegen deutlich, nämlich auf knapp ein Drittel. Und auch Fonds/Banken mischen bei Neuanlagen mit 16 Prozent stärker mit.
    Aufgrund der (privaten) EigentümerInnenstruktur bei Ökostrom-Anlagen muss davon ausgegangen werden, dass primär erwerbswirtschaftliche Interessen – also Renditeerwartungen – die Unternehmensstrategien prägen. Diese These bestätigte denn auch Andreas Dangl, Chef eines der größten privaten Windkraftunternehmen in Österreich (WEB). Im Wirtschaftsmagazin „Trend“ (März 2013) erklärte er: „Es ist eine angenehme Art, Geld zu verdienen. Immerhin sind unsere Umsätze staatlich garantiert.“

    Mehr Infos im Web:
    Studie von Barbara Hauenschild, Susanne Halmer: Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen in der EU, ÖGPP, Wien; März 2014

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor dominik.pezenka@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Dominik Pezenka, Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948191 Mehr als die Hälfte der in Österreich installierten Windkraftleistung ist in privatem Besitz. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946351 Zahlen, Daten, Fakten Sowohl in Österreich als auch weltweit dominieren fossile Energieträger den Energieverbrauch. Der Hauptgrund: Der Verkehr verschlingt besonders viel Erdöl. Der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energieverbrauch ist in Österreich im EU-Vergleich relativ hoch. Das Land am Strome profitiert hier vor allem von der Wasserkraft und den Holzheizungen. Die gut ausgebaute Wasserkraft bringt Österreich den Europameistertitel bei der erneuerbaren Stromerzeugung.

    Zahlen, Daten, Fakten zum Thema anbei zum Downloaden!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Dominik Pezenka, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170946359 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946293 Energieutopie Vor etwas mehr als dreißig Jahren war es eine Sensation, als ein Rechtsanwalt während einer Zugfahrt nach Graz aus seinem Koffer ein mehr als ein Kilo wiegendes Mobiltelefon auspackte und mit seinem Büro telefonierte. Heute begleiten uns fast ständig Geräte mit einem um den Faktor zehn reduzierten Gewicht, für die die Bezeichnung Smartphones unzureichend scheint, weil deren Telefonfunktion eher nebensächlich geworden ist. Den ganzen Tag können wir uns mit FreundInnen weltweit austauschen. Fast jederzeit und überall stehen uns Informationen zur Verfügung. Praktisch an keinem Ort der Erde bleiben wir orientierungslos.

    Riskantes Unterfangen
    Angesichts dieser aktuellen technologischen Revolution erscheint es riskant, sich den Alltag in mehr als dreißig Jahren vorzustellen. Für einen prägenden Bereich unseres Lebens, nämlich den Umgang mit Energie, sind die Konturen dieser Zukunft aber immer deutlicher zu sehen. Diese Zukunft in 2050 lässt den aktuellen Zustand unseres Energiesystems von 2014 genauso unzureichend erscheinen, wie wir heute Mobiltelefone der frühen 1980er-Jahre empfinden. Überraschenderweise ist die sichtbare Praxis beim Umgang mit Energie aber, dass Lieferanten von Energie im Blick auf die Vergangenheit eine erwünschte Zukunft sehen. Gerade im Energiebereich werden Verantwortungen auch in der Politik gerne abgewälzt, beispielsweise auf die EU oder gar Russland. Deshalb hier eine Einladung, der Energiezukunft mit einem Blick nach vorne entgegenzusehen.
    Aus der Sicht des Jahres 2050 wird das derzeitige Mobilitätssystem unverständlich sein. Vier von fünf Energieeinheiten gehen in den Verbrennungsmotoren durch Abfallwärme verloren. Ein privat genutztes Auto mit 12.000 gefahrenen Jahreskilometern ist nur zu zwei Prozent der 8.760 Jahresstunden in Bewegung. Somit sollte man vielleicht besser von Stehzeugen oder bewegten Öfen reden.
    Mit hoher Sicherheit wird die Zukunft der Mobilität vollelektrisch sein. Die Rennfahrzeuge der Formel E loten mit Leichtbauweise und vollelektrischem Antrieb die technischen Potenziale aus. Unterstützt wird diese technische Entwicklung durch eine neue Generation von elektrischen Speichern, die ähnliche Qualitätsverbesserungen und Kostenreduktionen wie die Photovoltaik erwarten lassen.
    Der nächste Technologiesprung wird in den nächsten zehn Jahren bei der Selbststeuerung der Straßenfahrzeuge sichtbar werden. Was schon jetzt die Roboterrasenmäher gut demonstrieren, die man inzwischen sogar bei Lebensmitteldiskontern gelegentlich kaufen kann, hat Google mit seiner Testflotte an selbststeuernden Autos über Hunderttausende von Kilometern überzeugend bewiesen: nämlich die Fähigkeit, Straßenfahrzeuge wirklich „auto“ im Sinne von „selbstständig“ mobil zu machen. Damit ist die absehbare Evolution des jetzigen Verkehrs zu Mobilität noch nicht ausreichend beschrieben. Schon jetzt werden Geschäftsmodelle sichtbar, die Autos nicht mehr verkaufen, sondern nur deren Dienstleistungen, nämlich den Transport von A nach B, anbieten. Damit werden aus den Stehzeugen wieder Fahrzeuge im eigentlichen Sinn.
    Mit diesen schon jetzt gut abschätzbaren Technologiesprüngen sollten bis 2050 alle nur vorstellbaren Mobilitätsdienstleistungen für Personen und Güter leicht mit einem Zehntel des derzeitigen Energieaufwandes bewältigbar sein.
     
    2226-Haus
    Ein prominentes Architekturbüro in Vorarlberg hat sich mit einem sechsstöckigen Bürogebäude eine Orientierung für die Zukunft des Bauens gesetzt. Das sogenannte 2226-Haus schafft ohne ein Heiz- oder Kühlsystem durchgehend über das Jahr eine behagliche Raumtemperatur zwischen 22 und 26 Grad Celsius. Den Temperaturausgleich schaffen die massiven Böden und die doppelschaligen Ziegelwände. Durch den Entfall von aufwendiger Gebäudetechnik sind die Investitionskosten dieses Gebäudes niedriger als bei konventionellen Bürobauten.
    Gebäude werden im nächsten Technologieschritt als Infrastruktur für aktive Energiesysteme entdeckt, vor allem durch die Integration von Photovoltaik in die Gebäudehülle. Somit schaffen diese neuen Bautechnologien die Evolution von Niedrig- zu Null- und schließlich zu Plusenergiehäusern.

    Wohnen und Arbeiten
    In traditionellen Wohngebäuden werden wir in den nächsten Jahren immer mehr jene Tätigkeiten ausüben, die wir jetzt unter Berufsarbeit einstufen. Die Veränderungen in der Arbeitswelt werden immer weniger gemeinsame Anwesenheit in sogenannten Firmenräumen erfordern. Schon jetzt offerieren namhafte österreichische Unternehmungen ihren MitarbeiterInnen „Teleworking“, also die Möglichkeit, tageweise zu Hause zu arbeiten.
    Die genannten Optionen für ein innovatives Bauen können gar nicht schnell genug wahrgenommen werden, weil sie Folgen über viele Jahrzehnte haben. Auch bei den in Gebäuden zu erbringenden Energiediensten ist mit einem Produktivitätspotenzial um den Faktor zehn zu rechnen.
    Aus mehreren Gründen wird in der Sachgüterproduktion eine dritte industrielle Revolution erwartet. Eine neue Generation von Produktionsmaschinen wird fast alle mechanischen Arbeitsvorgänge übernehmen können. Der Einsatz dieser Maschinen reicht von der Montage von Autos bis zur Montage von Smartphones und macht es möglich, Produktionsvorgänge aus den einstigen Billiglohnländern wieder in die alten Industriegebiete zurückzubringen.

    3-D-Printing im Alltag
    Radikal neue Produktionstechniken öffnen sich unter der Bezeichnung von 3-D-Printing oder additiver Produktion, weil damit – ähnlich einem Tintenstrahldrucker – dreidimensionale Strukturen entstehen. Diese Technologien produzieren schon heute Ersatzteile für Armeen in Kriegsgebieten, ganze Gebäude, aber auch Implantate für den menschlichen Körper. Es gibt Überlegungen, dass diese Technologie künftig Produktionsvorgänge in Haushalten genauso selbstverständlich macht wie heute das Erstellen von schriftlichen Dokumenten mit Tintenstrahldruckern. Diese neuen Produktionstechnologien werden ergänzt durch neue Werkstoffe, beispielsweise Kunststoffe, die auf der Basis von biogenen Rohstoffen erstellt werden. Diese neuen Werkstoffe könnten deutlich den Bedarf an Stahl und Aluminium reduzieren.
    Überlegungen über die Zukunft der Sachgüterproduktion sind noch relativ ungesichert. Eine dritte industrielle Revolution könnte aber auch in diesem Bereich Technologiebrüche auslösen.
    Nach diesen im besten Sinne aufregenden Perspektiven stellen sich folgende Fragen: Wie viel Energie wird in dieser skizzierten Zukunft erforderlich sein? Und woher soll diese kommen? Die Antwort darauf ist in der Kürze sicher unbefriedigend, aber durch vielfältige Technologieabschätzungen fundiert: Mit weniger als der Hälfte der jetzigen Energiemengen sollte eine gute Zukunft in einem Land wie Österreich leicht bewältigbar sein. Schon die jetzigen Mengen an erneuerbaren Energien würden dann mehr als zwei Drittel des Energiebedarfs abdecken. Elektrizität wird zum wichtigsten Energieträger und sollte weitgehend aus erneuerbaren Quellen erzeugbar sein.
    Was diese großen Veränderungen im Umgang mit Energie für unseren Wirtschafts- und Lebensstil noch an Überlegungen braucht, erfordert ein gemeinsames Nachdenken von jedem und jeder von uns bis zu den Spitzen der Unternehmungen und der Politik. Hilfreich erscheint folgendes Zitat von Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Und für alle, die die vorliegenden Überlegungen für utopisch halten, nochmals Einstein: „Eine wirklich gute Idee erkennt man daran, dass ihre Verwirklichung von vorneherein ausgeschlossen erscheint.“

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor stefan.schleicher@uni-graz.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Stefan Schleicher, Professor am Wegener Center an der Universität Graz und Konsulent am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948183 Dank neuer Technik bleiben wir praktisch nirgends ohne Orientierung. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948277 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946228 Vertreibt Klimaschutz die Industrie? Klimapolitik und Energiepolitik sind aufs Engste miteinander verknüpft. So stammen in Österreich etwa drei Viertel der Treibhausgasemissionen aus dem Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Zugleich hat die Nutzung fossiler Energien der Wirtschaft in den letzten Jahrhunderten ein enormes Wachstum beschert. Ende des 18. Jahrhunderts gelang mit der Dampfmaschine erstmals die Umwandlung von Verbrennungswärme in mechanische Energie. Seither ist eine Unzahl von Produktionsvorgängen vom Antrieb durch Menschen oder Tiere unabhängig geworden. Dies ermöglichte in den letzten zwei Jahrhunderten einen Aufschwung der industriellen Produktion, der zuvor schlicht undenkbar war. Gleichzeitig wurden in ebenso wachsendem Maß fossile Brennstoffe – zunächst Kohle, später Erdöl und Erdgas – genutzt, sodass Maschinen von der Verfügbarkeit biogener Brennstoffe – vor allem Holz – unabhängig wurden. Das damit einhergehende Wirtschaftswachstum hat die Welt von Grund auf verändert.

    Krisen
    Zwei Vorgänge machen allerdings deutlich, dass diese Entwicklung nicht für immer so weitergehen kann. Zum einen zeigte die Ölkrise 1973, dass die wachsende Abhängigkeit von Erdöl zu geopolitischen Gefahren führen und ein sparsamer Umgang mit der Ressource Erdöl Vorteile haben kann. Zum anderen verdichteten sich in den 1980er-Jahren die Hinweise, dass die steigenden CO2-Emissionen eine Erwärmung des Klimas bewirken und damit eine Gefahr für Landwirtschaft, Wetter und Meeresspiegel darstellen. Letzteres wird derzeit als drängendere Gefahr angesehen, was die EU dazu veranlasst hat, ein ambitioniertes System der Beschränkung des Ausstoßes von Treibhausgasemissionen aus großen Industrieanlagen und Kraftwerken ins Leben zu rufen: den EU-Emissionshandel, nach dem englischen Begriff „Emission Trading System“ häufig als ETS abgekürzt.

    „Cap and Trade“
    Jedes Emissionshandelssystem weist zwei zentrale Bestandteile auf: Erstens wird ein zulässiger Schadstoffausstoß für jedes teilnehmende Unternehmen festgelegt; zweitens erhalten die teilnehmenden Unternehmen die Möglichkeit, das Emissionsrecht bei Unterschreitung dieser Menge an andere zu verkaufen bzw. es bei Überschreitung von anderen zu kaufen. Ein solches System wird mit den englischen Begriffen kurz „Cap and Trade“-System genannt. Im optimalen Fall, so die ökonomische Theorie, führt dies dazu, dass die Reduktion der Treibhausgasemissionen mit dem geringstmöglichen Kostenaufwand geschieht.
    Die EU war im Jahr 2005 der erste Wirtschaftsraum weltweit, der ein System des Emissionshandels für Treibhausgase einführte. Die Teilnahme ist für große Industrieanlagen und für kalorische Kraftwerke verpflichtend. Bis 2012 legten die Mitgliedsstaaten die Gesamtmenge an zulässigen Emissionen fest, seit 2013 erfolgt dies auf EU-Ebene. Im Rahmen des Klima- und Energiepakets für 2020 wurde vereinbart, dass die Emissionen der ETS-Betriebe im Jahr 2020 um 20 Prozent geringer sein sollen als 2005. Die Reduktion soll schrittweise erfolgen: In der Periode zwischen 2013 und 2020 soll die Menge der gesamten Emissionen jedes Jahr um 1,74 Prozent verringert werden. Als die EU-Kommission dies 2008 vorschlug, rechnete sie mit einem Anstieg des Preises für eine Tonne CO2 auf 30 bis 40 Euro bis 2020. Inzwischen hat die Wirtschaftskrise zu einem Überangebot an Zertifikaten geführt. Ihr Preis ist folglich verfallen und liegt derzeit bei etwa sechs Euro pro Tonne CO2, ohne Aussicht auf Erholung bis 2020. Dadurch lohnen sich weder Forschung und Entwicklung noch Investitionen in Maßnahmen zur Verringerung der CO2-Emissionen. 
    Die Kostenbelastung durch den Emissionshandel kann grundsätzlich für jene Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil darstellen, die mit Produzenten aus Drittstaaten konkurrieren, die keine derartige Kostenbelastung tragen müssen. Der Schlüsselbegriff lautet hier „Carbon Leakage“. Dies bezeichnet die Verlagerung von Produktionsbetrieben aus einem Staat, in dem CO2-Emissionen mit Kosten verbunden sind, in einen Staat, in dem keine oder geringere CO2-Kosten anfallen. UnternehmensvertreterInnen argumentieren, dass die zu erwartenden hohen CO2-Kosten in der EU die Industrie aus Europa vertreiben würden. Sie haben erreicht, dass den Betrieben die Grundausstattung mit Zertifikaten in fast allen Produktionssparten kostenlos zugeteilt wird.
    Allerdings ist umstritten, ob „Carbon Leakage“ tatsächlich eine Gefahr darstellt. Die Gründe für Unternehmensverlagerungen systematisch zu identifizieren ist schwierig. Grundsätzlich siedeln sich private Unternehmen dort an, wo die Profiterwartung am höchsten ist. Produktionsunternehmen, die umfangreiche Teile ihrer Assets in Anlageninvestitionen gebunden haben, können freilich nicht rasch auf veränderte Profiterwartungen reagieren. Wesentlichste Faktoren für Unternehmensverlagerungen auf der Kostenseite sind Arbeitskosten, Energiekosten und Steuern. Daneben spielen die physische Nähe zu Rohstoffen bzw. Vorprodukten sowie die Nähe zum Absatzmarkt eine Rolle, aber auch die Qualität der Infrastruktur, beispielsweise für Energie oder Transport. Weiters spielt für die Profiterwartung auch ein stabiles regulatorisches Umfeld eine wichtige Rolle. Alle diese Faktoren sind schon seit Langem wirksam und führen zu strukturellen Veränderungen im Wirtschaftsgefüge in den letzten Jahrzehnten: So wächst etwa in Österreich der tertiäre Sektor stärker als der primäre und teilweise auch als der sekundäre; die Produktion verlagert sich von der Grundstoffindustrie hin zur weiterverarbeitenden Industrie; die wissensbasierte Produktion gewinnt an Bedeutung. Die Kostenbelastung durch CO2-Zertifikate kommt also zu diesen Veränderungen noch dazu.
    In den meisten Fällen werden sich die Kosten für die Zertifikate wie ein Zuschlag auf die Energiekosten auswirken. Je wichtiger Energie als Produktionsfaktor und je höher damit auch die Zertifikatskosten für ein Unternehmen sind, desto größer ist ihre Bedeutung als Standortfaktor. Eine Untersuchung für Deutschland hat gezeigt, dass jene Sektoren, deren Energiekosten mehr als sechs Prozent ihres Umsatzes ausmachen, einen Anteil von 1,5 Prozent an der gesamten Wertschöpfung haben. Bezogen auf die Wertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes ist das ein Anteil von acht Prozent. Auch wenn ihr Anteil also nicht sehr groß ist, wäre eine Abwanderung dieser Unternehmen für die Wirtschaft tatsächlich eine Gefahr – und das in Zeiten, in denen mit den Industrialisierungszielen der EU wieder eine Besinnung auf die Bedeutung der Realwirtschaft zu beobachten ist.

    Sonderposition
    Anders ist die Situation bei den Energieversorgern. Während Produktionsunternehmen ihren Standort grundsätzlich verlagern können, gilt dies für Energieversorger wegen ihrer nötigen Nähe zu den EndverbraucherInnen nicht. Sie müssen daher nicht vor „Carbon Leakage“ geschützt werden. Die Politik hat darauf reagiert, seit 2013 werden Energieversorgern keine Zertifikate mehr gratis zugeteilt. Da diese Unternehmen ihre Zertifikatskosten großteils auf die EnergieverbraucherInnen überwälzen können, ist für sie der Anreiz, auf erneuerbare Energieträger umzustellen, recht gering.
    Ob im produzierenden Bereich „Carbon Leakage“ wirklich stattfindet, ist Gegenstand einiger wissenschaftlicher Untersuchungen. Sie haben alle gezeigt, dass bislang kein Unternehmen aufgrund der unterschiedlichen CO2-Preise seinen Standort verlagert hat. Eine Schlussfolgerung kann sein, dass die Gratiszuteilung der Zertifikate einen wirksamen Schutz dagegen darstellt. Es kann aber auch sein, dass die Gefahr übertrieben wurde. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte. Für energieintensive Produktionsunternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, dürfte bei einem wesentlichen Anstieg des CO2-Preises – der wohl erst deutlich nach 2020 zu erwarten ist – ein Schutz vor „Carbon Leakage“ zweckmäßig sein, wenn andere Wirtschaftsräume keine vergleichbaren Maßnahmen zum Klimaschutz setzen. Dies ist einer der Gründe, warum die EU mit Nachdruck auf einen internationalen Klimaschutzvertrag drängt, der bei der Klimakonferenz in Paris 2015 abgeschlossen werden soll.

    Mehr Infos im Web:
    Karsten Neuhoff, William Acworth, Antoine Dechezleprêtre, Oliver Sartor, Misato Sato und Anne Schopp: Energie- und Klimapolitik: Europa ist nicht allein. DIW Wochenbericht 6/2014. Berlin 2014

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor christoph.streissler@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christoph Streissler, Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948178 Es ist umstritten, ob die Kosten von CO<sub>2</sub>-Zertifikaten bei den Firmen eine Rolle spielen, wenn sie über Standortverlagerungen nachdenken. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946094 Europa und das russische Gas Die Europäische Union ist für die Bereitstellung von Wärme, Elektrizität, Transportmobilität und Energie für industrielle Prozesse noch immer stark von fossilen Brennstoffen abhängig. 76,6 Prozent des Primärenergieaufkommens ruhten im Jahr 2013 auf fossilen Energieträgern. Etwas mehr als ein Drittel stammte aus Erdöl, fast ein Viertel aus Gas und 16 Prozent aus Kohle. Österreich liegt bei Erdöl leicht über dem Durchschnitt der EU, bei Erdgas mit 22,4 Prozent leicht darunter, nur bei Kohle liegt Österreich deutlich unter dem Durchschnitt der EU.

    Europa zentral für Gazprom
    Der Anteil von Erdöl am Primärenergieaufkommen der EU ist seit Jahren rückläufig. Der Gasanteil bewegt sich im Vergleich der letzten Jahre zwischen 23 und 25 Prozent. Der Anteil der Kohle wiederum ist durch den Einsatz billiger Kohle aus den USA in den letzten Jahren wieder leicht gestiegen.
    Die EU hat 2013 431,8 Milliarden m3 Erdgas konsumiert – noch immer deutlich weniger als vor der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008. Die eigene Gasproduktion ist seit vielen Jahren stark rückläufig, vor allem wegen der seit 2000 stark zurückgehenden britischen Gasförderung. Bei Gas ist die EU zu 70 Prozent auf Importe angewiesen. Diese Importabhängigkeit steigt schon seit vielen Jahren und wird sich in den kommenden Jahrzehnten weiter deutlich erhöhen.
    Russland ist der wichtigste Gaslieferant der Europäischen Union. Im Jahr 2013 stammten rund 40 Prozent des importierten Gases in der EU aus Russland. An zweiter Stelle lag Norwegen, an dritter Stelle Algerien. Umgekehrt gehen fast 30 Prozent aller Gasexporte aus Russland in die EU.
    In Russland hält das staatlich kontrollierte Unternehmen Gazprom noch immer das gesetzliche Exportmonopol für leitungsgebundenes Erdgas. Die europäischen Erdgasimporte aus Russland beruhen aber ausschließlich auf diesem Erdgas. Aufgrund der Ausrichtung der Gasexporte führen die Gasexportleitungen Russlands ausschließlich nach Europa – in die EU, die Türkei und auf den westlichen Balkan.

    Ins Stocken geraten
    Auch Gazprom exportiert in erster Linie in Richtung Europa: 73,1 Prozent wurden in die EU, die Türkei und auf den westlichen Balkan (Bosnien, Serbien, Mazedonien) exportiert. Daran wird deutlich, wie zentral der europäische Absatzmarkt für Gazprom ist. Auf Deutschland etwa – den wichtigsten Abnehmer von russischem Erdgas – entfielen 2013 18,6 Prozent der russischen Gasexporte. Ein weiterer wichtiger Absatzmarkt für Russland sind Länder der ehemaligen UdSSR. Dorthin wurde 2013 mehr als ein Viertel der russischen Gasexporte verkauft. Wichtigster Abnehmer war  die Ukraine, gefolgt von Belarus. Die Ukraine war bislang nicht nur ein wichtiger Abnehmer von russischem Erdgas, sondern ist noch immer das wichtigste Transitland für russisches Erdgas in die EU und die Türkei. 2013 wurden 52 Prozent der russischen Erdgasexporte in diese Staaten über die Ukraine transportiert. Bis 1999 hatte die Ukraine überhaupt das Monopol auf den Transit russischer Erdgasexporte. Es war daher das strategische Ziel Russlands, Umgehungsleitungen zu bauen. 1999 wurde die Jamal-Leitung eröffnet, die über Belarus und Polen nach Deutschland führt. 2003 folgte die Leitung Blue Stream, die Russland und die Türkei über das Schwarze Meer verbindet. 2011 schließlich wurde mit der Nord-Stream-Gasleitung eine direkte Leitungsverbindung zwischen Russland und seinem wichtigsten Absatzmarkt Deutschland eingerichtet.

    Einigung mit Russland nötig
    Als Schlussstein dieser russischen Diversifizierungspolitik ist die Leitung South Stream vorgesehen, die Russland mit Bulgarien verbinden und das Gas über Serbien und Ungarn nach Österreich transportieren soll. Trotz bestehender zwischenstaatlicher Verträge dieser Länder mit Russland ist dieses Vorhaben aber ins Stocken geraten. Die Europäische Kommission sieht in den rechtlichen Vereinbarungen Verstöße gegen das Dritte Energiepaket der EU, in dem die Entflechtung von Produktion und Transport von Energieträgern vorgesehen ist. Gazprom darf demnach nicht gleichzeitig Lieferant des Erdgases und Eigentümer der Transportleitung sein. Überdies müsste Gazprom auch dritten Anbietern Zugang zu South Stream einräumen und die Transporttarife durch einen unabhängigen Regulator festsetzen lassen. Eine Ausnahme von diesen Auflagen für South Stream liegt nicht vor, Gazprom hat nicht einmal einen Antrag dafür gestellt.
    Der ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk hat Ende August 2014 davor gewarnt, dass Russland im kommenden Winter die Gasversorgung Europas einstellen würde. Ein Abbruch der Gaslieferungen Russlands an die EU ist aber sehr unwahrscheinlich. Russland würde damit die Einnahmen der Verkäufe auf dem lukrativsten Markt von Gazprom verlieren. Aus der Gaswirtschaft stammen immerhin sieben Prozent der budgetären Einnahmen. Zudem wäre Gazprom bei Lieferunterbrechungen zu hohen Pönalezahlungen an die europäischen Abnehmer verpflichtet. Überdies würde dadurch mittelfristig der Marktanteil Gazproms auf dem europäischen Gasmarkt erheblich sinken – weil die EU Erdgas durch andere Energieträger zu substituieren versuchen und neue Gasanbieter suchen würde.
    Jazenjuks Äußerungen sind daher eher als Versuch der ukrainischen Regierung anzusehen, den bilateralen Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine zu internationalisieren und die Rolle Russlands als Energieversorger der EU zu diskreditieren.
    Im Juni 2014 hat Russland die Gaslieferungen an die Ukraine eingestellt. Auslöser des Streits sind Differenzen über den Preis, den Russland von der Ukraine für seine Gaslieferungen fordert. In den von der EU vermittelten Gesprächen hatte Russland zuletzt einen Gaspreis auf Rabattbasis von 386 USD/1.000 m3 angeboten. Die Ukraine beharrte aber auf einem Fixpreis von maximal 326 USD/1.000 m3. Ausgehend von der Uneinigkeit über den zumutbaren Preis bestehen auch eklatante Differenzen über die ausstehenden Schulden der Ukraine für bereits erfolgte Gaslieferungen.

    Symmetrische Abhängigkeit
    Bislang konnte die Ukraine ihren Gasbedarf seit Juni durch die eigene Produktion und den Rückgriff auf Gas in den großen Lagerstätten in der westlichen Ukraine decken. Dies wird in den Wintermonaten aber nicht ausreichen, um alle Privathaushalte und die Industrie zu versorgen. Die Ukraine versucht zwar, die ausbleibenden Gaslieferungen durch den Import von Erdgas über Polen, Ungarn und die Slowakei partiell auszugleichen. Diese Mengen sind aber zu gering, um den ausbleibenden Import von russischem Gas zu substituieren. Eine Einigung mit Russland über Gaspreis und Schulden ist daher unabdingbar, um eine Versorgungskrise zu vermeiden.
    Russland warnt daher die Europäische Union davor, dass die Ukraine im Winter Gas aus den Transitleitungen entnehmen könnte. Selbst wenn Russland seinen Lieferverpflichtungen nachkommt, würden dann weniger als die vertraglich vereinbarten Mengen in der EU zur Verfügung stehen. Angesichts der gut gefüllten Gasspeicher und der vorhandenen Leitungs-Interkonnektoren könnte eine solche Versorgungskrise aber für einige Zeit abgewehrt werden.
    Innerhalb der EU zeichnet sich eine Verringerung der Abhängigkeit von Russland im Gassektor ab. Die beiden Hauptstoßrichtungen sind dabei die Nutzung von Schiefergasvorräten in der EU (trotz aller ökologischen Bedenken) und der Import von flüssigem Schiefergas aus den USA. Nach optimistischsten Schätzungen könnten in vier bis sechs Jahren bis zu 40 Milliarden m3 Erdgas aus den USA importiert werden. Offen ist, ob US-Produzenten exportberechtigtes Flüssiggas (LNG) nicht lieber auf asiatischen Märkten absetzen werden, wo die Preise für LNG deutlich höher sind als in der EU.
    Im Hinblick auf Diversifizierungsbemühungen gilt es zu bedenken, dass die Gasbeziehungen zwischen Russland und der EU eine symmetrische Abhängigkeit darstellen. Die EU ist von Russland als einem wichtigen Versorger abhängig, Russland von einem lukrativen Absatzmarkt in der EU, zu dem derzeit alle Gasexportleitungen führen und wo die höchsten Gaspreise zu erzielen sind. Es wäre daher trotz der belasteten Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union ratsam, an dieser Interdependenz festzuhalten.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor gerhard.mangott@uibk.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Gerhard Mangott, Professor für Internationale Politik an der Universität Innsbruck Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948173 Jamal-Leitung, Blue Stream, Nord Stream: So heißen die neuen Gas-Pipelines, die Russland baute, um die Ukraine umgehen zu können. Diese hatte nämlich bis 1999 das Monopol auf den Transit russischer Erdgasexporte. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946075 Energiepolitischer Rahmen Das energiepolitische Handeln wird vor allem durch die Zielsetzung einer sicheren, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Versorgung mit Energie geprägt. Dieses energiepolitische Zieldreieck hat sich im Laufe der Zeit nicht wesentlich geändert, die Gewichtung der einzelnen Ziele hingegen schon und damit auch die politischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen. Immer noch hängt unsere Versorgung mit Energie in hohem Maße von fossilen Energieträgern ab, also Erdöl und Erdgas. Die größten Vorkommen befinden sich weiterhin in geopolitisch sensiblen Regionen. Die Folge des „Arabischen Frühlings“ oder der Konflikt in der Ukraine führen uns die Problemlagen, die mit der Energieversorgung einhergehen, deutlich vor Augen.

    Abhängigkeit
    Lösungen sind mittelfristig und wohl auch langfristig nicht in Sicht: Die Importabhängigkeit der EU und Österreichs von Erdöl und Erdgas wird hoch bleiben. Eng verbunden mit der Frage der Versorgungssicherheit ist die Frage der Leistbarkeit von Energie, sowohl für die Wirtschaft als auch für die KonsumentInnen. Aber nicht nur hohe Importpreise – wie derzeit vor allem für Erdgas –, sondern auch die Gewährleistung von sicheren und ausreichenden Erzeugungs- und Verteilungskapazitäten erhöhen die Kosten des Energiesystems.
    Energiearmut ist nicht nur ein Phänomen in wirtschaftlich unterentwickelten Ländern, sie findet sich auch in der EU (siehe „Essen oder heizen?“). Die Zahl der Betroffenen nimmt dramatisch zu. Allein in Österreich können sich rund 200.000 Menschen den ausreichenden Bezug von Strom, Gas oder Fernwärme nicht leisten. Auf der anderen Seite stehen die Wirtschaft und vor allem die energieintensive Industrie, die die Höhe der Energiekosten als Messlatte für ihre Wettbewerbsfähigkeit heranzieht (siehe „Übertriebene Energiepreise“). In den letzten Jahren hat das Interesse an einer umweltfreundlichen Erzeugung und Nutzung von Energie zugenommen. In klimapolitischen Fragen nimmt die Europäische Union schon seit der Klimakonferenz 1997 in Kyoto eine Vorreiterrolle ein. Unabhängig von anderen Staaten hat sich die EU auch zur Weiterführung ihrer ambitionierten Ziele im Rahmen der Energie- und Klimapolitik bis 2020 und darüber hinaus entschlossen. Im Mittelpunkt stehen die Verringerung der klimaschädigenden Treibhausgasemissionen, der Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz und damit die Reduktion des Energieverbrauchs.
     
    Die Rahmenbedingungen für die Energiepolitik haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten massiv verändert, und zwar sowohl durch energie- und klimapolitische als auch durch gesamtwirtschaftliche Entwicklungen. Die wohl nachhaltigste Veränderung erfuhren die Energieversorgungsunternehmen durch die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte, die mit dem EU-Beitritt auch in Österreich ihren Anfang nahm. Ursprünglich wiesen die Energieunternehmen einfache vertikal integrierte Strukturen auf: Erzeugung, Verteilung und Vertrieb waren unter einem Dach vereint. Zugleich standen sie mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand. Sowohl die Organisationsstrukturen als auch die Eigentumsverhältnisse mit den EU-Wettbewerbsbelebungspaketen haben sich wesentlich geändert. Energieerzeugung und Energiehandel unterliegen nun den Regeln des freien Wettbewerbs. Gesellschaftsrechtlich bzw. eigentumsrechtlich sind diese Bereiche vom Netzbereich, der als „natürliches Monopol“ einer staatlichen Regulierung unterliegt, getrennt. Der Anteil der öffentlichen Hand an den Energieversorgungsunternehmen geht sukzessive zurück, die Befriedigung von Aktionärsinteressen rückt bei Unternehmensentscheidungen in den Vordergrund (siehe auch „Mehr privat als Staat im Strom“). Gerade die Stromversorgung ist immer weniger eine öffentliche Dienstleistung, sondern folgt zunehmend den Regeln des Marktes: Strom wird nicht mehr vom Produzenten an die VerbraucherInnen verkauft, sondern wird mit diesem – analog zu den Finanzmärkten – zwischen Brokern gehandelt und spekuliert. Eingriffe bzw. Marktlenkung durch Regulierungs- bzw. Aufsichtsbehörden gestalten sich angesichts der immer komplexeren Ausgestaltung der Energiemärkte und Preisbildungsmechanismen zunehmend schwierig. Gleichzeitig fehlen bislang ausreichende Analysen zu den volkswirtschaftlichen Kosten für Regulierungsarbitrage, Insiderhandel und Marktmissbrauch im Energiebereich.

    Fehlentwicklungen
    Neben den neuen Vorschriften im Gefolge der Liberalisierung der europäischen Strom- und Gasmärkte ändert auch die ambitionierte Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union die Strukturen der Energiewirtschaft: Mit den drei „20-20-20“-Kernzielen (siehe „Vertreibt Klimaschutz die Industrie?“) sollen die schädlichen Folgen des Klimawandels bekämpft werden. Auf europäischer Ebene werden bereits die EU-Ziele bis 2030 und darüber hinaus vorbereitet. Während die Energie- und Klimaziele notwendig und zu unterstützen sind, führen die derzeitigen Maßnahmen und Politiken zur Umsetzung dieser Ziele zu Fehlentwicklungen. Eine der wesentlichen Ursachen dürfte darin bestehen, dass bei der Umsetzung gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, Kosteneffizienz und Verteilungsgerechtigkeit kaum oder nur mangelhaft berücksichtigt werden.
    Zu wenig beachtet werden auch die Folgen der EU-weiten Liberalisierung der Energiemärkte, ebenso wie die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Konsequenzen zeigen sich auf dem Strommarkt am deutlichsten: Unterstützt durch hohe öffentliche Förderungen wird die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Sonnenkraft EU-weit massiv ausgebaut, vor allem in Deutschland. Flankierende Maßnahmen zur kosten-effizienten Integration der erneuerbaren Elektrizität in das konventionelle Energiesystem wie der parallele Ausbau von Netzen fehlen oder werden nur mangelhaft umgesetzt. Konventionelle Kraftwerke kämpfen aufgrund massiv gefallener Stromerlöse mit sinkenden Renditen. Gleichzeitig stehen die Interessen von Aktionären und Eigentümern in der Energiewirtschaft immer stärker vor dem Allgemeininteresse der Versorgungssicherheit.

    Fehlentwicklungen treten aber auch bei der Politik zur Senkung der Treibhausgasemissionen auf, wo auf marktwirtschaftliche Instrumente gesetzt wird. Der Preis für Emissionszertifikate ist infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise und des Fehlens adäquater Maßnahmen zur Preisstabilisierung massiv gefallen. Damit wird natürlich auch die bezweckte Internalisierung der durch den Ausstoß von Treibhausgasemissionen verursachten externen Kosten verfehlt und Energieträger mit hohem CO2-Ausstoß wie Kohle bleiben weiter konkurrenzfähig. Hingegen wird der Steigerung  der Energieeffizienz in den Politiken der EU und der Mitgliedsländer weit weniger Aufmerksamkeit gewidmet – und das, obwohl die Senkung des Energieverbrauchs als zentrale Voraussetzung für die Erreichung der klima- und energiepolitischen Ziele gilt. Die Steigerung der Energieeffizienz spielt aber auch im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und der Versorgungssicherheit eine unterstützende Rolle. Gerade für Unternehmen bedeutet ein höherer Grad an Energieeffizienz einen langfristig geringeren Energieeinsatz bei gleichbleibendem Output. Darüber hinaus ist die Energieeffizienz auch die zentrale, treibende Kraft für Innovation und technologische Entwicklung. Schließlich ist die Verringerung des Energieverbrauchs ein nachhaltiges Instrument zur Senkung der Energiekostenbelastung für KonsumentInnen (siehe „Smarte KonsumentInnen“) im Allgemeinen und zur Bekämpfung von Energiearmut im Speziellen.
    Die Lehren aus den letzten Jahren haben gezeigt: Die Gestaltung des zukünftigen energie- und klimapolitischen Rahmens hat auf einer systemischen, gesamthaften Betrachtung der Volkswirtschaft im Allgemeinen und der Energiewirtschaft im Speziellen zu beruhen.

    Mehr Infos im Web: www.e-control.at/de/konsumenten

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin dorothea.herzele@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Dorothea Herzele, Abteilung Wirtschaftspolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948156 Unterstützt durch hohe öffentliche Förderungen wird die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Sonnenkraft EU-weit massiv ausgebaut. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948111 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170946066 Steuerreform ohne VerliererInnen „Mit unserer Kampagne haben wir ‚Lohnsteuer runter!‘ zum Thema Nummer eins in Österreich gemacht, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar, „und mehr als 700.000 Unterschriften für eine Lohnsteuersenkung geben uns recht. Diese hohe Unterstützung haben Tausende BelegschaftsvertreterInnen möglich gemacht. Mich freut besonders, wie sich die Diskussion entwickelt hat – viele Skeptiker haben dank der Überzeugungsarbeit des ÖGB, der Gewerkschaften und der FunktionärInnen in den vergangenen Wochen und Monaten ihre Meinung geändert: Eine Steuerreform ist genau jetzt nötig und machbar!“
    AK-Präsident Rudi Kaske betont, dass „das ÖGB/AK-Modell eine wesentliche Entlastung für alle ArbeitnehmerInnen-Gruppen“ bringen wird. „Den Menschen wird spürbar mehr Geld im Börsel bleiben, das sie dringend für das tägliche Leben brauchen. Denn schließlich werden Lebensmittel, Energie und Wohnen immer teurer.“ Es ist an der Zeit, dass jetzt die arbeitenden Menschen in diesem Land an der Reihe sind. Kaske: „Im heurigen Jahr überholen die Einnahmen aus der Lohnsteuer sogar die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer.“

    Über den Sommer haben ÖGB- und AK-ExpertInnen ein Entlastungsmodell für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen ausgearbeitet – ohne VerliererInnen. Das Modell sieht niedrigere Steuersätze für alle vor, die Lohnsteuer zahlen, und eine Negativsteuer für diejenigen, die zu wenig verdienen, um lohnsteuerpflichtig zu sein. Außerdem notwendig ist: eine dauerhafte Absicherung der Entlastung, ohne dass die kalte Progression den Vorteil gleich wieder auffrisst. Und eines muss klar sein: Die ArbeitnehmerInnen sollen sich die Entlastung nicht selbst bezahlen: Streichungen der Steuerbegünstigungen – etwa bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder Nachtzulagen – kommen daher nicht in Frage.

    Neuer Steuertarif als Kernstück
    Kernstück der Lohnsteuersenkung soll ein neuer Steuertarif sein, mit sechs Progressionsstufen statt derzeit nur drei. Der Eingangssteuersatz soll von derzeit 36,5 Prozent auf 25 Prozent gesenkt werden. Davon profitieren alle lohnsteuerpflichtigen ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen, denn mit diesem Steuersatz werden Jahreseinkommen zwischen 11.000 und 20.000 Euro besteuert. Und auch der entsprechende Teil höherer Einkommen fällt unter den Eingangssteuersatz, demgemäß würde sich die Entlastung im unteren Bereich auch auf Menschen mit höheren Löhnen oder Gehältern positiv auswirken. Ein niedriger Eingangssteuersatz hätte einen weiteren Vorteil: Für Teilzeitbeschäftigte mit geringerem Verdienst ist er ein Anreiz, die Arbeitszeit zu erhöhen. Sie kommen zwar durch das dadurch höhere Einkommen ebenfalls in die Steuerpflicht, werden aber nicht mehr gleich mit 36,5 Prozent besteuert.
    Die weiteren Steuerstufen im ÖGB/AK-Modell sind 34 Prozent auf steuerpflichtige Jahreseinkommen zwischen 20.000 und 30.000 Euro, 38 Prozent auf Einkommen zwischen 30.000 und 45.000 Euro, 43 Prozent auf Einkommen zwischen 45.000 und 60.000 Euro und 47 Prozent auf Einkommen zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Der Höchststeuersatz bleibt unverändert bei 50 Prozent, wäre aber erst ab einem Jahreseinkommen von 80.000 fällig. Derzeit liegt die Grenze bei 60.000 Euro. Jemand, der 1.500 Euro brutto verdient, würde somit nur mehr die Hälfte der bisherigen Lohnsteuer zahlen, genauer: um 47,21 Prozent weniger und somit 597,72 Euro im Jahr statt 1.132,29 Euro. Wer 2.600 Euro brutto im Monat verdient, würde um ein Viertel weniger Lohnsteuer als bisher zahlen. Entlastung im Jahr: 1.299,11 Euro.

    Höhere Absetzbeträge
    Auch Absetzbeträge (die direkt von der Steuer abgezogen werden) sollen erhöht werden – von derzeit 345 auf 450 Euro (Arbeitnehmerabsetzbetrag und Verkehrsabsetzbetrag). Und sie sollen mit Negativsteuerwirkung ausgestattet werden, das heißt, Menschen, die zu wenig verdienen, um überhaupt Lohnsteuer zahlen zu müssen, würden den entsprechenden Betrag automatisch als Steuergutschrift am Jahresende ausbezahlt bekommen. Derzeit gibt es so eine Negativsteuer nur in Höhe von 110 Euro. Dadurch wäre gewährleistet, dass auch die ArbeitnehmerInnen mit den niedrigsten Einkommen etwas von der Reform haben. Und auch die Negativsteuer wäre ein Aktivierungsimpuls, also ein Anreiz, durch mehr Arbeit mehr zu verdienen. Denn es würde sich eher auszahlen, statt geringfügig zu arbeiten, die Arbeitszeit auszuweiten. Bei der Geringfügigkeitsgrenze beginnt zwar die Sozialversicherungspflicht, doch die Beiträge würden den Betroffenen zum Teil durch die Negativsteuer quasi zurückgezahlt.
    Eine Negativsteuer soll es erstmals auch für PensionistInnen geben, und zwar in Höhe von 110 Euro. Dieser Satz ist deswegen niedriger als bei den ArbeitnehmerInnen, weil PensionistInnen niedrigere Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen haben (keine Pensions- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge).

    Auf Dauer absichern
    Damit die Lohnsteuersenkung für die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen nachhaltig wirkt und nicht nach ein paar Jahren wieder aufgefressen wird, sind Maßnahmen zur Begrenzung der kalten Progression notwendig. Denn durch die Erhöhung des kollektivvertraglichen bzw. tatsächlichen Lohns oder Gehalts gleiten ArbeitnehmerInnen oft in die nächsthöhere Steuerstufe. Sie zahlen für das zusätzliche Einkommen also einen höheren Steuersatz, auch wenn sich die Kaufkraft ihres Einkommens nicht erhöht hat. Das betrifft Menschen mit hohen Einkommen nicht so stark, weil deren Einkommen durch die Erhöhung in keine höhere Steuerstufe mehr hineinwachsen.
    Auch die Wirkung der Steuersenkung im Jahr 2009 ist durch die kalte Progression sehr schnell wieder verblasst. Die Unternehmen haben bei den vergangenen Steuerreformen hingegen eine dauerhaft wirkende Entlastung bekommen: Sie zahlen fix nur mehr 25 Prozent Körperschaftsteuer (KSt), und weil es keine Progressionsstufen gibt, gibt es auch keine kalte Progression.
    Das ÖGB/AK-Modell sieht daher vor, dass die Regierung regelmäßig etwas tun muss, um die Einkommen der ArbeitnehmerInnen vor den Auswirkungen der kalten Progression zu beschützen. Konkret soll sie tätig werden müssen, sobald die Teuerung seit der letzten Steuertarifänderung fünf Prozent erreicht hat.

    Das ÖGB/AK-Modell sieht Entlastungen von insgesamt knapp unter sechs Milliarden Euro vor. Diese Lohnsteuersenkung ist auch wirtschaftlich sinnvoll: Den Menschen bleibt mehr Geld im Börsel. Gerade die Erhöhungen kleinerer Einkommen fließen zum größten Teil direkt in den Konsum. Das stärkt die Kaufkraft, kurbelt die Wirtschaft an, stützt die Konjunktur und schafft Arbeitsplätze. Das alles ist mit zusätzlichen Einnahmen für den Staat verbunden. Bei einem Volumen von knapp unter sechs Milliarden Euro fließt fast eine Milliarde Euro wieder an den Staat zurück.
    Abgesehen von dieser teilweisen Selbstfinanzierung gehen ÖGB und AK davon aus, dass Maßnahmen zur Gegenfinanzierung notwendig sein werden. Das könnte zum Beispiel so funktionieren: eine Milliarde durch Konsum- und Konjunkturbelebung (Selbstfinanzierung); eine Milliarde Euro mit wirksamen Maßnahmen gegen Steuerbetrug; zwei Milliarden Euro mit mehr Verteilungsgerechtigkeit ‒ große Vermögen, Erbschaften, Schenkungen und Stiftungen usw. besteuern – und zwei Milliarden Euro durch Reformen – wie Ausnahmen im Steuersystem beseitigen, Effizienzsteigerungen, Kompetenzbereinigungen, Beteiligung der Länder, Doppelförderungen vermeiden.

    Schwerpunkt der Entlastung
    Der Schwerpunkt des ÖGB/AK-Entlastungsmodells liegt aber, wie der Name schon sagt, auf der Entlastung der ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Ihnen darf die Lohnsteuerentlastung daher nicht über die Gegenfinanzierung wieder weggenommen werden. Die Steuerbegünstigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Aufwandsentschädigungen, Zulagen, Zuschläge etc. müssen unverändert bleiben. Rudi Kaske bekräftigt: „Die ArbeitnehmerInnen sind nicht die Lastesel der Nation. Sie haben sich eine Entlastung mehr als redlich verdient. Die Politik ist gefordert, unser Modell in die Tat umzusetzen.“

    Wenn auch Sie für die Senkung der Lohnsteuer unterschreiben möchten:
    www.lohnsteuer-runter.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Florian Kräftner, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948094 AK und ÖGB haben ein Steuermodell ohne VerliererInnen vorgelegt. Dieses sieht niedrigere Steuersätze für alle vor, die Lohnsteuer zahlen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945233 Einmischen - Mitmischen Zu Kaisers Zeiten verdienten die allermeisten ArbeitnehmerInnen so wenig, dass sie (fast) keine Steuern zahlten. Das wichtigste wirtschaftspolitische Thema der ArbeitnehmerInnenvertretung war die Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs, damit Lohnerhöhungen nicht wieder aufgefressen wurden. Steuerpolitik hingegen war kaum Thema. In der Ersten Republik hatte der Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit und gegen den Sozialabbau absoluten Vorrang. Vollbeschäftigung, Preisstabilität und Kaufkraft der ArbeitnehmerInnen sollten dann die wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele des Österreichischen Gewerkschaftsbunds nach 1945 werden. Erstmals wurde jetzt die Verteilungswirkung der Lohnsteuer ein wichtiger Kennwert, und die Kritik an einer Steuerpolitik, die von unten nach oben verteilt, blieb in der Zweiten Republik durchgehend ein gewerkschaftliches Kernthema. Fritz Klenner, Banker und Kommunikationschef des ÖGB, schrieb 1953 in seiner Gewerkschaftsgeschichte:

    … das Verhältnis zwischen der Entwicklung der Einkommen- und Körperschaftsteuer einerseits und der Lohnsteuer andererseits lässt den Schluss zu, dass die Praxis der öffentlichen Finanzwirtschaft einen immer weniger sozialen Charakter annimmt. Trotz der gegenüber 1950 weitaus verstärkten Arbeitslosigkeit ist das Lohnsteueraufkommen um 88 Prozent gestiegen, während die Beträge aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur um 28 Prozent gestiegen sind. 

    Klenner schließt daraus:
    Die wirtschaftliche Einflussnahme, die Durchsetzung von Wirtschaftsgesetzen ist heute ebenso Interessenkampf, wie es früher der Kampf um das Wahlrecht, die Anerkennung der Gewerkschaften und die Einrichtung der Betriebsräte und die Erreichung des Achtstundentags waren. ... Der Reallohn ist sicher heute noch nieder, aber die Lebensverhältnisse waren auch in der Ersten Republik für die Arbeiterschaft nicht zufriedenstellend. Ja, die Entlohnung der Frauen und der Hilfsarbeiter war weit schlechter als heute. Durch die Stärke des Gewerkschaftsbundes sind die organisatorischen Voraussetzungen dafür gegeben, durch die Steigerung der Produktivität und durch die Beeinflussung der Politik die Hebung des Lebensstandards der Arbeiter und Angestellten zu erreichen.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar,
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar, Historikerin Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170948021 ÖGB-Comic aus den 1950er-Jahren http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945221 AK Wien: Wirtschaftlicher Erfolg dank Zuwanderung „Ohne Zuwanderung wäre der wirtschaftliche Erfolg Österreichs seit den Sechzigerjahren nicht möglich gewesen“, sagt heute AK-Präsident Rudi Kaske aus Anlass des Abschlusses der ersten Anwerbeabkommen vor 50 Jahren. Das gelte gerade in Wien: „Ohne Zugewanderte würde in unserer Stadt vieles nicht funktionieren – nicht in den Spitälern, nicht auf den Baustellen, nicht in Dienstleistungsunternehmen wie den Banken, die zunehmend von der Mehrsprachigkeit ihrer Beschäftigten profitieren.“ Kaske dankt den Zugewanderten für ihre Leistungen in Österreich: „Davon haben wir alle profitiert.“

    Vor 50 Jahren hätten wohl die wenigsten daran gedacht, dass aus den sogenannten Gastarbeitern – und es waren eigentlich nur Männer – Zuwanderer würden, die ihre Familien nachgeholt haben – auch sie selbst nicht. „Inzwischen leben in unserer Stadt Menschen mit Migrationshintergrund bereits in der zweiten und dritten Generation. Dem müssen wir gerecht werden: Nach 1945 haben wir aus der gewalttätigen Geschichte unseres Landes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zumindest die Lehre gezogen, dass der soziale Zusammenhalt ein unverzichtbares Kapital einer Gesellschaft darstellt.“

    Als AK-Präsident sieht es Kaske als seinen persönlichen Auftrag, „dafür einzutreten, dass der soziale Zusammenhalt und der Dialog weiterhin zur tragenden Kultur in Österreich gehören“. Ein Schritt zu einer Kultur des Miteinanders sei „die bewusste Auseinandersetzung auch mit der Zuwanderungsgeschichte und dem Wandel Österreichs zum Einwanderungsland“. Diskriminierungen müssten abgebaut werden: „Als Vertreter aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geht es mir darum, dass alle gerecht behandelt werden, egal, wo sie herkommen.“

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    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945214 Arbeiterkammer: Keine Arbeit, zu wenig Geld Menschen ohne Berufsausbildung, Personen mit gesundheitlichen Problemen oder Menschen ab einem bestimmten Alter finden seltener eine Erwerbsarbeit, von der sie leben können. Zudem sind sie länger von Arbeitslosigkeit bedroht. „Viele müssen sich also auf eine länger dauernde Arbeitslosigkeit einstellen“, befürchtet Josef Wallner, Leiter der Abteilung Arbeitsmarktpolitik in der Arbeiterkammer Wien.
    Besonders schwierig für die Betroffenen ist es, mit dem Einkommen während der Arbeitslosigkeit auszukommen, wie eine Studie von IFES und Sora zeigt. Bereits nach einer zweimonatigen Arbeitslosigkeit sagen 36 Prozent der Betroffenen, dass sie ein sehr großes Problem haben, mit den Einkommenseinbußen zurande zu kommen, nach sechs Monaten geht es bereits beinahe jedem Zweiten so.
    Für drei Viertel der Betroffenen bedeutet Arbeitslosigkeit jedenfalls ein finanzielles Problem. Oft reichen die Mittel zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten nicht mehr aus. Zwölf Prozent der Befragten gaben an, häufig bzw. manchmal bei der Bezahlung der Miete in Verzug zu geraten. Besonders betroffen sind AlleinerzieherInnen.

    Die Studie zum Download:
    http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Arbeitsmarkt_im_Fokus_1_2014.pdf

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    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945211 GPA-djp: Betriebsrat bei Lidl gegründet Rund 4.500 Beschäftigte von Lidl Österreich haben jetzt einen neuen, zusätzlichen Ansprechpartner: Beim Lebensmittelhändler mit Sitz in Salzburg wurde ein Betriebsrat gegründet.

    Lidl Österreich hat das Angebot der Gewerkschaften, einen Betriebsrat zu gründen, aktiv mitgetragen, berichtet Gerald Forcher von der GPA-djp Salzburg: „Nach ersten konstruktiven Gesprächen gab es ein gemeinsames Schreiben von Lidl Österreich, der Gewerkschaft vida und der GPA-djp, in dem die Belegschaft über die geplante Betriebsratswahl informiert wurde. Die Resonanz war sehr erfreulich, es haben sich viele Interessierte mit der Bereitschaft gemeldet, die Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen als Mitglied im Betriebsrat zu vertreten. Das Ergebnis der Betriebsratswahl sind zwei gut aufgestellte Teams, die alle Regionen abdecken.“ „Ich bin sehr kommunikativ und kenne das Unternehmen auch von mehreren verschiedenen Seiten“, beschreibt Betriebsrat Michael Wörthner seine Ambitionen. Er ist gelernter Tapezierer, musste diesen Beruf aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Inzwischen hat er eine Abendschule absolviert und die Matura nachgeholt. Ende 2007 wurde er Lidl-Filialleiter und wechselte danach in die Unternehmenszentrale.
    Eine besondere Herausforderung für die frisch gewählten BetriebsrätInnen: Sie waren allesamt bis dato noch nicht in einem Betriebsrat tätig. „Wir sind alle neu. Deshalb wollen wir den Betriebsrat aufbauen und sattelfest machen“, erklärt Doris Migsch, ebenfalls Mitglied des Betriebsrats. Ihre Tätigkeit bei Lidl startete Migsch 1999 als Kassiererin im 21. Bezirk in Wien, 2008 wurde sie Filialleiterin. „Ich bin schon sehr lange im Unternehmen und habe viel Auf- und Umbau miterlebt.“ Migsch hat eine Lehre als Schuhverkäuferin hinter sich und war danach einige Jahre bei Hofer tätig.
    Wir wünschen dem Team viel Erfolg.

    Weitere Infos finden Sie unter: www.gpa-djp.at

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    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945205 Geballte Kraft für Steuersenkung Großer Andrang herrschte am 18. September bei der Konferenz der BelegschaftsvertreterInnen zur ÖGB-Kampagne „Lohnsteuer runter!“ im Austria Center Vienna (ACV). Vor mehr als 5.000 BetriebsrätInnen, PersonalvertreterInnen und JugendvertrauensrätInnen aus ganz Österreich wurde das GB/AK-Entlastungsmodell präsentiert. Somit startete die ÖGB-Kampagne „Lohnsteuer runter!“ in die nächste Phase. „Jetzt liegt es an der Bundesregierung, unser Modell auch umzusetzen und die Lohnsteuer spürbar zu senken“, sagte AK-Präsident Rudi Kaske im bis auf den letzten Platz gefüllten ACV. Noch am Tag der Konferenz selbst trudelten in der Poststelle des ÖGB Unterschriften ein, 3.000 aus der Wiener und Steiermärkischen Gebietskrankenkasse, 1.500 von der Post sowie mehr als 3.000 von der voest in Linz.

    Seit Beginn der Kampagne Anfang Juli haben also rund 700.000 Menschen im ganzen Land die Forderung nach niedrigeren Lohnsteuern unterstützt. „Diese beeindruckende Unterstützung haben tausende BelegschaftsvertreterInnen möglich gemacht, die über den Sommer für unsere Kampagne in Betrieben und an Dienststellen sowie im privaten Umfeld geworben haben. Dafür gebührt euch allen unser ganz besonderer Dank“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar. „Vor allem aber auch jenen, die unsere Forderung bisher unterschrieben haben. Und eines ist auch klar: Eine Reform, bei der den ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen das Geld aus der linken Tasche gezogen wird, nur um es ihnen in die rechte wieder hineinzustecken, werden wir vehement ablehnen“, hielt Foglar fest.

    Jetzt eigenen Vorteil ausrechnen: www.mehrnetto.arbeiterkammer.at

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    Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170947985 ÖGB-Präsident Erich Foglar, ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl, gf. ÖGB-Vizepräsidentin Renate Anderl und AK-Präsident Rudi Kaske (v.l.n.r.) präsentierten den Online-Rechner zum ÖGB/AK-Steuermodell. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170947993 Mit dem Zug, mit Bussen oder dem eigenen Auto: Mehr als 5.000 GewerkschafterInnen aus ganz Österreich kamen zur BelegschaftsvertreterInnen-Konferenz nach Wien. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945148 Standpunkt | Öko und sozial gehören zusammen Auf einmal saßen wir im Finsteren. Es war ein gemütlicher Winterabend in Kärnten, meine Familie und ich saßen gemütlich vor dem Fernseher. In der Gegend kommen Stromausfälle durchaus vor, zum Beispiel wenn ein Gewitter die Sicherung springen lässt oder wenn, wie in diesem Fall, ein Baum durch die schweren Schneemassen zum Umstürzen gebracht wurde und dabei eine Stromleitung mitgenommen hatte. Dabei hatten wir noch Glück, denn während bei uns nach ein paar Stunden das Licht wieder leuchtete und die Heizung wieder heizte, mussten die BewohnerInnen des Lesachtals einen ganzen Tag ohne Strom auskommen. Dabei hatten wir dieses Jahr Glück im Unglück: Es war kein bitterkalter Winter, sodass der Ausfall der Heizung nicht allzu schwer wog.

    Österreich stärker betroffen
    An diesem kleinen Beispiel offenbart sich ein Zusammenhang, der inzwischen unumgänglich ist, nämlich jener zwischen Energieverbrauch und Klimawandel. Ein aktueller Bericht von KlimaforscherInnen bestätigt einmal mehr, dass dieser nicht geleugnet werden kann. Nicht nur das: Der Klimwawandel schreitet in Österreich schneller voran, als man vielleicht denken würde. Um es zu illustrieren: Seit 1880 ist die Temperatur hierzulande um fast zwei Grad Celsius gestiegen – global waren es „nur“ 0,85 Grad. Wie sehr sich diese Entwicklung beschleunigt hat, beweist die Tatsache, dass es seit den 1980ern in Österreich um ein Grad wärmer wurde.

    Verteilungsfrage
    Dabei leben wir in einer sehr spannenden Zeit, die uns viele nützliche oder unterhaltsame neue Technologien beschert. Von der Wohnzimmercouch aus kann man an der Welt teilhaben wie noch nie zuvor. Zugleich steigt auch das allgemeine Bewusstsein für Energieeffizienz. Besser gesagt: Angesichts der zur Neige gehenden Reserven an fossilen Brennstoffen ist dies auch bitter nötig. Energie ist auch eine Verteilungsfrage. So dringt immer stärker ins öffentliche Bewusstsein, dass es Menschen gibt, die von all diesen neuen Technologien nur träumen können, denn sie können sich nicht einmal das Heizen leisten. Das Schlagwort lautet „Energiearmut“, davon betroffen sind in Österreich immerhin mehr als eine Viertelmillion Menschen. Auch global betrachtet gibt es ein grobes Ungleichgewicht. So ist laut Internationaler Energieagentur ein Fünftel der Weltbevölkerung nicht mit elektrischer Energie versorgt, 95 Prozent dieser Menschen leben in Asien und in den südlich der Sahara gelegenen afrikanischen Ländern. Zugleich nimmt der Energiebedarf enorm zu, die höchsten Zuwächse gab es in den letzten Jahrzehnten – wenig überraschend – in den Ländern des Mittleren Ostens, China und Indien. Immer noch führen die Liste der größten Energieverbraucher aber die USA und Europa an: Sie verbrauchen mehr als die Hälfte der Energie weltweit. Nachhaltigkeit ist also angesagt, nicht nur im Sinne der Umwelt. So manches alte Stromsparrezept mag schon etwas ausgeleiert klingen, aber nach wie vor kann man mit einfachen Maßnahmen einiges erreichen, und zwar nicht nur im privaten Umfeld: Auch für Unternehmen schlummert hier noch einiges an Potenzial.

    „Öko“ und „Sozial“ gehören zusammen
    Es ist fast genau ein Jahr her, dass ich mit einem spannenden Wirtschaftsberater ein Interview führen durfte, der unter anderem für einen großen deutschen Autokonzern arbeitet. Die häufigsten Sparmaßnahmen, die dieser etwas andere „Rationalisierer“ empfiehlt, gehen nicht zulasten der ArbeitnehmerInnen oder gar der Arbeitsplätze. Vielmehr sind es Energiesparmaßnahmen, von denen einige in der Tat sehr einfach sind. So lassen sich Energie und Geld sparen. Damit schließt sich ein weiterer Kreis: „Öko“ und „Sozial“ lassen sich nicht voneinander trennen, vielmehr hängen die beiden Themen eng miteinander zusammen.

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    Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170945030 Essen oder heizen? Frau M., Verkäuferin und alleinerziehend, kämpft seit ihrer Scheidung um die Existenz: „Seit drei Jahren habe ich keine Energie zur Verfügung. Die Zähler sind seit Langem abmontiert. Meine zwei Söhne und ich behelfen uns mit Kerzen und Gaskocher. Wir können uns zu Hause nicht waschen, weil wir kein Warmwasser haben. Zum Heizen verwende ich einen Holzofen.“1
    Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Österreich können es sich nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Viele müssen sich auch bei Warmwasser, Strom und Gas extrem einschränken. „Energiearmut bedeutet die Schwierigkeit oder Unmöglichkeit, seine Wohnstätte angemessen und zu einem korrekten Preis zu heizen sowie über weitere grundlegende Energiedienstleistungen wie Beleuchtung, Verkehr oder Strom für Internet und sonstige Geräte zu einem angemessenen Preis zu verfügen“: So lautet eine der – nicht besonders exakten – EU-Definitionen. Eine allgemein anerkannte Definition gibt es bislang nicht, entsprechend wenige zuverlässige und aktuelle Zahlen gibt es dazu. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss empfahl daher im Herbst 2013 unter anderem die Aufstellung europäischer Indikatoren und die Harmonisierung der Statistiken2. Vielfach spricht man von Energiearmut, wenn ein Haushalt mehr als zehn Prozent seines Einkommens für Energie und angemessenes Heizen aufwenden muss.
    Laut Statistik Austria haben die einkommensschwächsten Haushalte im Jahr 2009 durchschnittlich 8,3 Prozent ihres Einkommens für Haushaltsenergie aufgewendet, 2004 waren es noch 5,6 Prozent. Obwohl die Energiepreise in den vergangenen 40 Jahren deutlich geringer angestiegen sind als das BIP, zeigt die aktuelle Entwicklung, dass die Endverbraucherpreise von 2000 bis 2011 bei Gas und Steinkohle um über 60 und bei Heizöl um 103 Prozent gestiegen sind. Strom und Fernwärme haben sich parallel zum Verbraucherpreisindex entwickelt.

    Mängel bei der Energieeffizienz
    Steigende Haushaltskosten bei gleichbleibend niedrigem Einkommen, Einkommensausfälle, Arbeitslosigkeit, psychosoziale Probleme, chronische Krankheiten: Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Energiekosten plötzlich über den Kopf wachsen. Oft treiben nicht oder ungenügend sanierte Wohnungen die Heizkosten in die Höhe. Aber Energieeffizienzmängel sind nur zum Teil die Ursache für Energiearmut. Wer ein sehr geringes Einkommen hat, ist oft arbeitslos, in Pension oder krank und daher den größten Teil des Tages zu Hause. Dadurch können die Energiekosten im Vergleich zur restlichen Bevölkerung deutlich ansteigen.
    Rückstände, Mahngebühren, Energieabschaltung etc. bedeuten Stress und können für schlaflose Nächte sorgen. Aber Energiearmut hat noch weitere negative Auswirkungen: Durch nicht ausreichend beheizte Räume kommt es häufiger zu Erkrankungen, ja sogar zu Todesfällen. Chronische Krankheiten wie Asthma können sich – nicht zuletzt durch in ungenügend geheizten Räumen häufig auftretende Schimmelbildung – verschlimmern. Knapp ein Viertel der von Energiearmut Betroffenen sind Minderjährige.

    Sofortmaßnahmen helfen
    Vor Kurzem präsentierte der Klima- und Energiefonds (KLI.EN) die Ergebnisse seines österreich-weiten Pilotprojekts gegen Energiearmut. Das Österreichische Institut für Nachhaltige Entwicklung hat gemeinsam mit Caritas, der Österreichischen Energieagentur sowie dem Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung an der WU Wien eine fundierte Analyse zu den Lebens- und Belastungssituationen betroffener Haushalte erstellt. In Kooperation mit den Caritas-Initiativen „Grätzeleltern“, „Stromspar-Check“ und „VERBUND-Stromhilfefonds“ wurden 400 einkommensschwache Haushalte persönlich befragt. Über ein Drittel der Befragten wohnen in Wohnungen mit undichten Fenstern, bei fast 50 Prozent war die Eingangstür undicht. In den Haushalten gab es durchschnittlich elf Leuchtmittel, das ist rund ein Viertel der landesüblichen Menge (Österreich-Durchschnitt 40,9 Leuchtmittel/Haushalt). Die Hälfte der Befragten klagte über kalte Wände und Böden, 42 Prozent können weniger Räume heizen, als sie möchten. 83 Prozent macht die Bezahlung der Energierechnung Sorgen, 13 Prozent waren in den vergangenen zwei Jahren von Energieabschaltungen betroffen. Fast die Hälfte der im Projekt befragten Haushalte geben mehr als zehn Prozent ihres Einkommens für Energie aus. In den befragten Haushalten wurden anschließend Energiesparmaßnahmen durchgeführt und evaluiert.
    „Nach der Auswertung der Ergebnisse und nach intensiven Gesprächen mit den Stakeholdern haben wir jetzt Empfehlungen für Maßnahmen zur Verringerung von Energiearmut ausgearbeitet“, berichtet ÖIN-Projektleiterin Dr. Anja Christanell.

    Empfohlene Maßnahmen

    • Entwicklung und Finanzierung einer nationalen Strategie gegen Energiearmut unter der Federführung eines relevanten Ministeriums.
    • Niederschwellige und kostenlose Vor-Ort-Beratung kombiniert mit Sofortmaßnahmen.
    • Verbot von Energieabschaltungen im Winter in Kombination mit Maßnahmen zur Abschaltprävention.
    • Möglichkeit der Beantragung auf Befreiung von verbrauchsunabhängigen Kostenbestandteilen von Strom, Gas und Fernwärme sowie von Energiesteuern für alle energiearmutsbetroffenen Haushalte.
    • Einrichtung eines Energieunterstützungsfonds ähnlich dem VERBUND-Stromhilfefonds der Caritas.
    • Steigerung der Sanierungsquote von Gebäuden und Priorisierung thermischer Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung von Energiearmut (Konzentration auf Wohngebiete, in denen sich ein hoher energetischer Sanierungsbedarf mit einer einkommensschwachen BewohnerInnenstruktur überlappt).

    Nachhaltige Maßnahme
    „Die thermische Sanierung von Gebäuden ist neben einfacheren Dingen wie dem Wechsel zu energiesparenden Geräten die nachhaltigste Energieeffizienzmaßnahme“, so AK-Energieexperte Dominik Pezenka. „Es werden nicht nur Energieverbrauch und Emissionen reduziert, sondern auch das Raumklima verbessert sich – Stichwort Schimmel. Die thermische Sanierung hat außerdem positive Beschäftigungseffekte. Die derzeitigen Heizkostenzuschüsse sind Symptombekämpfung und machen Betroffene zu Bittstellern.“
    Mit 1. Jänner 2015 tritt das neue Energieeffizienzgesetz in Kraft, durch das der Energieverbrauch in Österreich nachhaltig reduziert bzw. ab 2020 stabilisiert werden soll. Die dafür nötigen Einsparungen sollen auch den KonsumentInnen zugutekommen, denn Energielieferanten müssen 40 Prozent ihrer vom Gesetz vorgesehenen Energieeffizienzmaßnahmen so setzen, dass die Haushalte davon profitieren und nicht nur zur Kasse gebeten werden. Zur gezielten Verringerung von Energiearmut werden Maßnahmen bei Einkommensschwachen höher bewertet. Eine weitere Neuerung für große Energieanbieter ist die verpflichtende Einrichtung einer Beratungsstelle zu den Themen „Stromkennzeichnung, Lieferantenwechsel, Energieeffizienz, Stromkosten und Energiearmut“. Die Wiener Stadtwerke haben als Erste und bisher Einzige in Österreich bereits Anfang 2011 die Wien Energie Ombudsstelle für soziale Härtefälle eingerichtet. Sie betreut in Kooperation mit anderen (sozialen) Einrichtungen rund 4.000 Betroffene pro Jahr. Auch für Frau M. wurde ein Lösungsmodell ausgearbeitet, mit dem die Energieversorgung verbessert und die Gehaltspfändung vermieden werden konnte.

    1 Wr. Stadtwerke Holding AG: Materialien der Wr. Stadtwerke zur nachhaltigen Entwicklung Nr. 8 – Herausforderung Energiearmut und der Beitrag der Wiener Stadtwerke, Wien 2013.
    2 Stellungnahme des EWSA: Für ein koordiniertes europäisches Vorgehen zur Prävention und Bekämpfung von Energiearmut, Brüssel 2013.
     
    Mehr Infos im Web:
    www.energiearmut.com
    Pilotprojekt gegen Energiearmut:
    www.oin.at/?page_id=855

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170944969 Mehr als eine Viertelmillion Menschen in Österreich können es sich nicht leisten, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170944930 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170944741 Auszeit für die Steckdose Die Energie kommt aus den Wadeln. Zwei Fahrräder lassen das „Karussell der Fundgegenstände“ kreisen, Eltern strampeln, während ihre Kinder etwa in einer zum Flugzeug umgestalteten Ölkanne und einer zum flotten Rennboot gewordenen alten Wanne sitzen, in einem riesenhaften Vogelkäfig und auf einem ausrangierten Dreirad. Sperrmüll ‒ liebevoll mit neuem Leben bedacht. Kein Stück wurde gekauft ‒ auch das ist einer der guten Gedanken hinter dem stromlosen Karussell.

    Spielerische Kritik
    Kommende Weihnachten wird es zum dritten Mal auf dem Karlsplatz seine Runden drehen, gemeinsam mit dem „Draisinen-Express“. Er ist ebenso stromlos und läuft auf Schienen ‒ vier Fahrrad- und zwei Pump-Draisinen werden den Kleinen zur Verfügung stehen.
    Ein Signal für Nachhaltigkeit, eine „spielerische Kritik“ an der Wegwerfgesellschaft, wie der Künstler Stefan Novak vom Theaterverein Mowetz (
    www.mowetz.at) sagt. Die Idee zum einzig durch Muskelkraft betriebenen Karussell stammt von ihm. Gemeinsam mit dem Messermacher (www.messerei.at) Stefan Herzina hat er ein ganzes Jahr hindurch gearbeitet. Allein die Planung und die Statik haben viel Zeit verschlungen. „Den ganzen Aufbau aus Mist zu machen und den Sperrmüll zu kombinieren war sehr aufwendig“, berichtet der gelernte Feinmechaniker Herzina. Mittlerweile gibt es bereits Nachahmer, doch ärgern kann er sich nicht so recht: „Karussells gibt es schon so lange und geistiges Gedankengut zu schützen ist schwer.“ Die ursprüngliche Idee eines zentralen Motors, der mittels Kurbel betrieben wird, wurde verworfen. „Das hätte jeden Rahmen gesprengt“, erklärt Herzina. Dass Fahrräder eine wichtige Rolle in den Konstruktionen der beiden Sperrmüllartisten spielen, liegt auch in der Vernetzung mit dem Radl-Salon (www.radl-salon.at). Stefan Herzina: „Es ist auch der Zeitgeist, etwas stromlos zu betreiben.“

    Pure Handarbeit
    Kurbeln für den guten Zweck: Eine Minute drehen versorgte ab 2005 den von Nicholas Negroponte erdachten Mini-Laptop XO-1 samt Handkurbel mit zehn Minuten Strom. Geschaffen für Kinder in Entwicklungsländern, setzt das „One Laptop per Child“-Projekt (one.laptop.org) mit seinem aktuellen Modell XO-4 Touch u. a. nun auch auf Solarenergie, zum Tablet XO 3.0 gibt es als Zubehör auch ein Gerät, das Strom per Kurbel erzeugt ‒ für zwei Stunden Akku-Laufzeit muss allerdings mehr als eine Stunde gedreht werden.
    Helles Licht bei Dynamo-Taschenlampen erzeugen integrierte Akkus, die mit eigener Muskelkraft aufgeladen werden und LEDs speisen. Bei Kurbel-Taschenlampen wird durch das Drehen Strom erzeugt. Zum Teil sind diese Leuchten auch in andere Geräte integriert ‒ etwa kurbelbetriebene Radios oder Handyladegeräte. Kaufen kann man sie beim Diskonter, das schwedische Möbelhaus bietet sie in leuchtendem Rot knapp unter fünf Euro an, außerdem sind sie bei Campingausstattern (z. B.
    www.falle.at) und im Internet zu finden. Diebisches Anschleichen ist ausgeschlossen ‒ beim Kurbeln geben die Lampen ein laut surrendes Geräusch von sich.

    Strahlende Kraft
    Am FH Campus 02, der Fachhochschule für Wirtschaft in Graz, hat der Obersteirer Stefan Ponsold Innovationsmanagement studiert. Dank der Problemstellung seines Lektors im Bereich Kreativitätstechniken kam der damalige Student 2008 auf eine Idee, die ihm heute international nicht bloß Anerkennung einbringt. „Es ging darum, ein typisches Alltagsproblem umweltfreundlich zu lösen“, erklärt Ponsold. Er machte die leidige Angelegenheit leerer Akkus zum Studienprojekt, tüftelte anfangs an einer iPhone-Hülle aus einer flexiblen Solarzelle, die das Mobiltelefon wieder aufladen sollte. Allein, die für eine Akku-Ladung benötigte Solarpanel-Fläche war zu klein. „Ich habe Prototypen gebaut, eine Lernkurve hingelegt, die Fläche vergrößert.“ Das war die Initialzündung für die Gründung seines Unternehmens SunnyBAG (www.sunnybag.at). Von diversen Rucksäcken über Umhängetaschen aus Leder bis hin zu Taschen aus Lkw-Planen reicht das Angebot. Alle Produkte sind mit Solarpanelen ‒ ansonsten auch auf Dachanlagen zu finden ‒ ausgestattet, die Sonnenenergie in elektrische Energie umwandeln.
    Was über einen USB-Anschluss geladen werden kann ‒ etwa Handys, Tablets, Digitalkameras, GPS- und Satellitengeräte etc. ‒, wird umweltfreundlich mit Sonnenenergie betrieben. „Rückschläge gab es durchaus“, sagt der 30-Jährige, „in den letzten vier Jahren seit der Gründung betreten wir sehr viel Neuland, davor hat es so etwas nicht gegeben. Diversifikation, die Einführung eines neuen Produktes und gleichzeitig eines neuen Marktes, ist das Schwierigste. Aber solche Blue Oceans sind gleichzeitig auch das Schönste.“
    Stefan Ponsold kann sich mittlerweile über mehr als 10.000 verkaufte Taschen freuen und arbeitet eng mit Hilfsorganisationen zusammen. „Wenn sich die Herstellungskosten decken, sind wir schon froh.“ Für Ärzte ohne Grenzen Österreich wurden eigene Rucksäcke und Umhängetaschen entworfen, ebenso für die UN, eine Kooperation besteht auch mit dem Projekt Lady Lomin im Südsudan (
    www.ladylomin.org). „In dem Dorf gibt es keinerlei Energieversorgung. Die Frauen haben mit den Taschen die Möglichkeit, ihre Mobiltelefone und ihre Notebooks zu laden und zu arbeiten.“ Allerdings bleiben die sonnigen Taschen dem zivilen Nutzen vorbehalten: „Wir beliefern keine Militärs, weil wir mit unseren Produkten etwas Positives erreichen wollen. Und Ressourcen, die von einem anderen Stern kommen ‒ in diesem Fall von der Sonne ‒, wollen wir nicht missbrauchen, um Partei für politische Auseinandersetzungen zu ergreifen.“
    Solar-Radios und Straßenlampen, die sich tagsüber aufladen und nachts leuchten, oder etwa solarbetriebene Sensoren, die Waldbrände erkennen: Sie sind in Planung. Seit Anfang 2013 leitet das Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien das von der EU geförderte Projekt „SolarDesign“ ‒ hier treffen technologische Forschung, Architektur und Design aufeinander. Geforscht wird nicht allein mit kristallinen Solarzellen auf Siliziumbasis, sondern vor allem mit Dünnschichtzellen aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen – da sie leicht und biegsam sind, können sie auch auf Textilien eingesetzt werden.

    Abenteuer mit Sonne
    Lucy Lynn ist Bergwanderführerin und Outdoorpädagogin (
    www.lucylynn.com; www.facebook.com/abenteuer.mensch) – und sie liebt das Freie. Drei Jahre lang lebte sie in einem VW-Campingbus und reiste damit quer durch Europa. „Da wir um Campingplätze meist einen großen Bogen gemacht haben und das Übernachten abseits der Zivilisation bevorzugt haben, hatten wir oft keinen Strom“, berichtet die gebürtige Wienerin. Kocher und Heizung wurden mit Gas betrieben, der Strom kam teils aus der zweiten Autobatterie, die immer wieder einmal aufgeladen wurde. „Für das Laden unserer Mobiltelefone, die für uns ja wirklich wichtig waren – nicht nur, um wieder mal den Abschleppservice bei unserem alten Auto anzurufen –, haben wir zusätzlich auf Sonnenenergie vertraut.“ Heute verwendet die Outdoorpädagogin auf ihren Wanderungen und Trekkingtouren ein mobiles, zusammenfaltbares Solarpanel. „Es handelt sich um ein reines 12-V-System, das sich jedoch mittels Adapter zu einem 5-V-System umkonfigurieren lässt. Somit kann ich entweder 12-V-Batterien aufladen – im Winter etwa zur Ladeerhaltung – wie auch mein Smartphone, Powerbanks und das GPS-Gerät. Es verfügt über einen USB-Anschluss und mehrere Adapter.“ Lynns Gerät lässt sich gut transportieren und befestigen, ist mit diversen Karabinern und Bändern ausgestattet – ideal für Rucksack, Fahrrad oder Zeltdach. Tipp: „Wenn die Sonne nicht scheint, die Geräte also keine Sonnenstrahlen auffangen, bleibt nur mehr ein Zehntel der Maximalleistung zur Verfügung. Ein iPhone zu laden dauert rund 15 Stunden, also zwei ganze Tage. Deshalb rate ich zum Einsatz einer Powerbank – sie kann bei Sonnenschein ein Vielfaches der Kapazität eines Handy-Akkus speichern und bei Schlechtwetter an die angeschlossenen Geräte abgeben.“

    Mehr Infos im Web:
    Max-Planck-Filme: „Die Sonne: Der Stern, von dem wir leben“
    www.mpg.de/7049356/sonne_grundlagen

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sophia.fielhauer@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sophia Fielhauer-Resei, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170944517 Bei Kurbel-Taschenlampen wird durch das Drehen Strom erzeugt. Batterien erübrigen sich damit. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170944152 Die USA geben Gas North Dakota gilt als wenig markanter Bundesstaat der USA. Eine weitläufige Prärieebene an der kanadischen Grenze, die sich bis zu den angrenzenden hügeligen „Badlands“ im Westen und dem flachen Red River Valley im Osten erstreckt. Das wohl Aufsehenerregendste im „Peace Garden State“ ist der Fernsehturm in der Stadt Fargo, der mit seinen 628,8 Metern als drittgrößtes Bauwerk der Welt gilt. Laut einer Gallup-Umfrage hat North Dakota jedoch 2013 Hawaii als Bundesstaat mit den glücklichsten EinwohnerInnen der USA abgelöst. Grund dafür ist der derzeitige Boom, der oft mit dem Klondike-Goldrausch Ende des 19. Jahrhunderts verglichen wird. Unter der Stadt Williston befindet sich nämlich eines der größten Gasvorkommen Nordamerikas: Aus einer Tiefe von drei Kilometern können sich bis zu insgesamt 24 Milliarden Barrel fördern lassen und somit den US-Bedarf für über drei Jahre decken. Ein großer Teil davon wird durch Fracking erschlossen.

    Hydraulic Fracturing
    Energiekonzerne haben eine neue Gasfördertechnik für sich entdeckt, das sogenannte „Fracking“ oder Hydraulic Fracturing. Es ist ein Verfahren, mit dem Erdgas aus undurchlässigem Gestein gelöst wird. Da es sich bei diesem Gestein um Tongestein handelt, wird das gewonnene Gas daher Schiefergas genannt.
    Bei diesem Verfahren wird zunächst vertikal rund fünf Kilometer in die Erde gebohrt, um diesen Vorgang horizontal in die Gas führende Gesteinsschicht zu finalisieren. So kann ein Umkreis von mehreren Kilometern abgedeckt werden. Anschließend folgt das eigentliche Fracking: In die horizontalen Querbohrungen wird mit einem enormen Druck von bis zu 1.000 bar das sogenannte Fracfluid – ein Gemisch aus Wasser, Quarzsand oder Keramikkügelchen und diversen Chemikalien – hineingepumpt. Dabei entstehen Risse (fracs) im Reservoirgestein, die aus dem Gestein Gas entweichen lassen. Die Festkörper und Chemikalien aus der eingepumpten Mischung sorgen dafür, dass die entstandenen Risse offen bleiben und sich ausweiten und so das Gas an die Oberfläche befördert werden kann.

    Erdbeben und Giftcocktails
    Von Beginn an war diese Verfahrenstechnik schwer umstritten. So kam es in der Nähe von einigen Bohrungen zu kleinen Erdbeben. Zudem steht der Frack-Cocktail, der unter die Erde gepumpt wird, unter Kritik. Einige Chemikalien werden wieder als sogenannter Flowback an die Erdoberfläche gepumpt, andere bleiben jedoch für immer im Erdboden.
    Jene Chemikalien, die im Erdboden bleiben, stellen eine Gefahr für die darüber liegende Grundwasserschicht dar, da sie selbst nach einigen Monaten oder Jahren über Risse unkontrolliert in wasserführende Schichten eindringen können. Aber auch jene Chemikalien, die mit dem Flowback an die Erdoberfläche kommen, können gefährlich sein: Sie können nicht nur durch undichte Bohrlochummantelungen in die Grundwasserschichten gelangen, sondern auch direkt in die umherliegende Landschaft und Landwirtschaftsflächen. Selbst wenn der Flowback kontrolliert wieder an die Erdoberfläche gelangt, bleibt offen: Wohin mit dem giftigen Abfall?
    Die Anzahl der verwendeten Chemikalien variiert, je nachdem welche Quelle herangezogen wird, manchmal ist von einigen Dutzend die Rede, manchmal auch von einigen hundert. Ein Bericht des „Energy & Commerce Committee“ des US-Repräsentantenhauses aus dem Jahr 2011 zählt sogar 750 verschiedene Chemikalien auf.1 Einige davon sind unbedenklich, 29 jedoch sollen giftig oder krebserregend sein. Wie viele und welche genau verwendet werden, bleibt das Geheimnis der Gasunternehmen. Denn diese Mischung unterliegt keiner Publikationspflicht. In Deutschland versuchten Gutachter des Umweltbundesamtes, die Giftigkeit der verwendeten Stoffe zu beurteilen. Dabei waren selbst sie auf die freiwillige Auskunft der Hersteller angewiesen.

    Giftiges Gas
    Fracking-BefürworterInnen halten UmweltschützerInnen entgegen, dass Gas klimafreundlicher sei als Kohle, da es beim Verbrennen pro Energieeinheit weniger CO2 freisetze. In einer Studie stellten Wissenschafter 2011 jedoch fest, dass der CO2-Fußabdruck von Schiefergas in einem Beobachtungszeitraum von 20 Jahren doppelt so groß ist wie jener von Kohle.2 Somit würde die Nutzung und Förderung von Schiefergas den Klimawandel beschleunigen.
    Auch das aus dem Bohrloch austretende Methangas gibt UmweltschützerInnen Grund zur Sorge. Immerhin ist dieses Gas 21-mal klimaschädlicher als CO2. Beim Abbau wie bei der Förderung von Schiefergas tritt Methan ungehindert aus. Selbst wenn die Bohrlöcher längst aufgegeben sind, kann Methan aus ihnen entweichen.
    KritikerInnen sind sich darüber einig, dass zu wenige Erkenntnisse über mögliche Umwelt- und Gesundheitsgefahren der Fracking-Methode vorliegen. Die Wissenschafter Michelle Bamberger und Robert E. Oswald der Veterinärmedizinischen Universität am Cornell College untersuchten in einem Bericht die negativen Auswirkungen von Fracking auf Menschen und Tiere.3 Solange nur unzureichende Informationen und Daten darüber vorliegen und keine fundierten Studien dazu durchgeführt werden können, so Bamberger und Oswald, sei der Fracking-Boom ein „gigantisches unkontrolliertes Gesundheitsexperiment“.

    Kuwait auf der Prärie
    Fracking wurde erstmals in den USA Mitte der 1940er-Jahre angewendet, richtig genutzt wird das Verfahren erst seit 2005. So stieg die Produktion in den US-Bundesstaaten Montana und North Dakota in den Jahren 2006 bis 2012 von 0 auf 500.000 Barrel täglich an. North Dakota hat nun als Gaslieferant sogar Alaska überholt und wird liebevoll „Kuwait auf der Prärie“ genannt. In manchen Ländern ist Fracking sogar gesetzlich verboten, wie zum Beispiel in Frankreich, Südafrika oder im US-Bundesstaat New York.
    Österreich hat sich klar gegen die Zulassung von Fracking ausgesprochen, Probebohrungen in Poysdorf und Herrnbaumgarten im Bezirk Mistelbach wurden nach Bürgerprotesten verboten. Die Montanuni Leoben und die OMV starteten ein Pilotprojekt namens „Clean Fracking“, in dem sie versuchten, die bei Fracking verwendeten Giftstoffe durch Maisstärke zu ersetzen. Das Projekt wurde jedoch wegen Unwirtschaftlichkeit nicht mehr weitergeführt.
    Während Österreich sich also gegen das Fracking-Verfahren sperrt, herrscht in Williston, North Dakota, Aufbruchstimmung. Das gigantische Ölvorkommen unter der Bezeichnung „Bakken and Three Forks Formation“ lockte im Jahr 2008 mehrere Energiekonzerne in die Region, die wiede-rum nach Arbeitskräften suchten und mit sechsstelligen Jahresgehältern winkten. Wer also schnell viel Geld verdienen wollte, zog in das verschlafene Städtchen Williston. In nur drei Jahren wuchs die Stadtbevölkerung um 41 Prozent, die Arbeitslosigkeit beträgt heute 2,7 Prozent, über 20.000 Arbeitsstellen sind noch offen. Am Fracking-Boom wollen alle mitnaschen: Gemeinsam mit der Stadtbevölkerung sind auch die Preise gestiegen. Für eine Zweizimmerwohnung in Williston zahlte man vor einigen Jahren noch 400 Dollar, heute verlangen MaklerInnen 2.000 Dollar.

    Warnung vor der Fracking-Blase
    Die Menschen, die nach Williston ziehen, sind auf der Suche nach schnellem Glück und Geld. ExpertInnen geben jedoch zu bedenken, dass der Fracking-Boom in den USA sich letztendlich zu einer Blase entwickeln könnte. Kurzfristig würden zwar für KonsumentInnen die Energiepreise fallen und die Gewinne der Ölkonzerne steigen. Sollte jedoch die Blase platzen, käme es zu Versorgungsengpässen und die Preise würden in die Höhe schießen – mit fatalen Folgen für die Weltwirtschaft.

    1 „Chemicals Used in Hydraulic Fracturing“: tinyurl.com/c348mwm
    2 „Methane and the Greenhouse-Gas Footprint of Natural Gas from Shale Formations“:  tinyurl.com/43fdnae
    3 Michelle Bamberger, Robert E. Oswald „Impact of Gas Drilling on Human and Animal Health“: tinyurl.com/ag4kzur

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Maja Nizamov, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170944086 In solchen Tanks wird Wasser gelagert, das für die umstrittene Methode "Fracking" verwendet wird. Sie stehen im US-Bundesstaat Arkansas. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170943570 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 19 Sep 2014 00:00:00 +0200 1410170943582 "Fair und machbar" Arbeit & Wirtschaft: Schon länger machen AK und Gewerkschaften Druck für die Einführung von Vermögenssteuern. Warum dann eine Lohnsteuerkampagne?

    AK-Präsident Rudi Kaske: In Österreich gibt es eine extreme Schieflage bei den Steuern. Der Faktor Arbeit ist hoch besteuert, Vermögen kaum. Das sagen nicht nur wir, das zeigen auch Studien und Berechnungen der EU-Kommission und der OECD. Österreich zählt zudem auch europaweit zu den Ländern mit der höchsten Steuerbelastung auf Arbeit. Damit muss nun endlich Schluss sein. Deshalb braucht es eine Steuerreform, die eine spürbare Erleichterung für die arbeitende Bevölkerung in diesem Land bringt. Es geht uns um mehr Gerechtigkeit und nicht darum, das Steueraufkommen für den Staat zu kürzen. Denn schließlich sind Steuern notwendig und sinnvoll, weil mit ihnen wichtige Sozialleistungen finanziert werden. Ich sage nur einige Stichwörter wie Kinderbetreuung, sozialer Wohnbau, Pflege. Am Ende muss den arbeitenden Menschen in diesem Land mehr Netto von ihrem Einkommen im Börsel bleiben. Und unser Entlastungsmodell bringt genau das.

    Warum gerade jetzt eine solche Kampagne? Die Forderung nach einer Entlastung des Faktors Arbeit ist ja nicht neu.

    ÖGB-Präsident Erich Foglar: Ja, Sie haben recht, das Thema ist nicht neu. Auf Drängen der Gewerkschaften gab es bereits 2009 eine Lohnsteuerreform, die die ArbeitnehmerInnen entlastete und die Kaufkraft unterstützte. Jedoch wurden damals an der Struktur nur geringe Korrekturen vorgenommen.
    Nun ist die Situation wieder an einem Punkt, an dem wir seitens der Gewerkschaft einen Ausgleich für die kalte Progression und eine Kurskorrektur verlangen. Trotz der guten Lohn- und Gehaltserhöhungen, die die Gewerkschaften Jahr für Jahr erkämpfen, bleibt den Beschäftigten netto viel zu wenig übrig. Die hohen Steuern und Lebenshaltungskosten in Verbindung mit der kalten Progression fressen die Lohnerhöhungen auf, oft wird nicht einmal die Inflation abgedeckt, woraus ein Netto-Reallohnverlust resultiert.
    Viele ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen können sich neben den steigenden Preisen – von der Miete bis zum täglichen Einkauf – immer weniger leisten. Aus diesem Grund haben wir Anfang Juli die Kampagne „Lohnsteuer runter!“ gestartet, und mehr als eine halbe Million UnterstützerInnen in den ersten zwei Monaten bestätigen, dass den Menschen in Österreich die hohe Belastung unter den Nägeln brennt.

    Welche Erwartungen setzen Sie in den neuen Finanzminister: Wird es nun leichter oder noch schwerer, mit Ihrem Anliegen durchzukommen?

    AK-Präsident Rudi Kaske: Ich hoffe sehr, dass er ein offenes Ohr für die Anliegen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat. Schließlich sind es genau diese, die mit ihren Steuern den Staatshaushalt stützen. Österreich hat sich ja mittlerweile zum Lohnsteuerland entwickelt. Im heurigen Jahr überholen die Einnahmen aus der Lohnsteuer zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Auch im Vergleich zur Körperschaftsteuer steigen die Einnahmen aus der Lohnsteuer rasant an.
    Die Politik ist gefordert, etwas gegen diese ungerechte Verteilung des Steueraufkommens zu tun. Wir haben jetzt ein entsprechendes Modell präsentiert. Der neue Finanzminister kann also gleich unter Beweis stellen, dass er für die hart arbeitende Bevölkerung in diesem Land etwas tut. Wir werden ihn – so wie jeden anderen Politiker auch – an seinen Taten und nicht an seinen Worten messen.

    Die ÖVP wehrt sich schon lange mit Händen und Füßen gegen Vermögenssteuern. Warum sollte sie nun einlenken?

    ÖGB-Präsident Erich Foglar: In Österreich gibt es 297 Haushalte, die ein Vermögen von jeweils mehr als 82 Millionen Euro haben – das entspricht mehr als 100 Millionen Dollar. Insgesamt besitzen diese Haushalte 450 Milliarden Euro in Form von Wertpapieren, Immobilien, Firmenbeteiligungen usw. Wir dürfen nicht vergessen, dass gerade diese Vermögenswerte durch die Krisenrettungsinstrumente vom Staat und also von den SteuerzahlerInnen mit gesichert wurden. Es ist also höchste Zeit für einen fairen Steuerbeitrag der reichsten Haushalte – von denen übrigens viele sogar bereit wären, über Steuern einen Anteil zuzuführen. Hinzu kommt, dass das Jahr 2014 ein historisches Jahr ist – allerdings im negativen Sinn.
    Wie bereits AK-Präsident Rudi Kaske erwähnt hat, erreicht die Lohnsteuer einen neuen Rekordwert und wird zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs dem Staat mehr Geld einbringen als die Mehrwertsteuer. Das bedeutet, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Pensionistinnen und Pensionisten den größten Teil der Staatseinnahmen bezahlen. Diese Schieflage ist nicht nur unfair, sondern schadet auch der Wirtschaft: Wenn den Menschen immer weniger Geld für ihre Ausgaben bleibt, wenn ihre Kaufkraft geschwächt wird, dann gibt es auch zu wenig Wachstum für die Wirtschaft und auch immer mehr Arbeitslose.

    Wie soll das angesichts leerer Kassen finanziert werden?

    AK-Präsident Rudi Kaske: Eine finanzielle Entlastung der arbeitenden Menschen in diesem Land ist ohne Gegenfinanzierung nicht möglich. Diese muss aber ausgewogen sein und darf weder das Wirtschaftswachstum gefährden noch das Budgetdefizit erhöhen.
    Wofür wir sicher nicht zu haben sind, ist, dass sich die Menschen die Entlastung am Ende des Tages selbst finanzieren. In unserem Modell bleiben Steuerbegünstigungen wie etwa Urlaubs- und Weihnachtsgeld unangetastet. Zu einem Teil finanziert sich die Lohnsteuersenkung selbst, da durch die Erhöhung der verfügbaren Einkommen der Konsum steigt. Im unteren Einkommensdrittel wird fast der gesamte Einkommenszuwachs wieder ausgegeben. Der Rest muss über wirksame Maßnahmen gegen den Steuerbetrug, über Reformen, etwa die Beseitigung von Ausnahmen im Steuersystem, oder durch Effizienzsteigerungen hereinkommen. Und ein großer Teil wird durch mehr Verteilungsgerechtigkeit finanziert. Hier spreche ich von der Einführung von vermögensbezogenen Steuern wie eine Erbschafts- und Schenkungssteuer und eine Millionärssteuer mit entsprechenden Freibeträgen.
    Zur Erbschafts- und Schenkungssteuer möchte ich sagen: Wer erbt oder etwas geschenkt bekommt, hat dafür keine eigene Leistung erbracht. Erbschaftssteuern sind ein bewährtes Mittel, um die Startchancen für alle Menschen in einer Gesellschaft anzugleichen. Und bei unserem Vorschlag einer Millionärssteuer sind nur fünf Prozent der Haushalte in Österreich betroffen. Damit kann von der Belastung des Mittelstandes – wie es Kritiker immer wieder gerne formulieren – nun wahrlich keine Rede sein.

    Ein beliebtes Argument gegen Vermögenssteuern lautet, dass Leistung doppelt belastet werde. Was sagen Sie dazu?

    ÖGB-Präsident Erich Foglar: Wenn von einer Doppelbelastung die Rede ist, dann muss auch erwähnt werden, dass das auf alle österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Pensionistinnen und Pensionisten zutrifft – nicht nur auf Vermögende. Für jeden Euro, der beim Einkauf ausgegeben wird, wurde zum Beispiel bereits Lohnsteuer bezahlt. Trotzdem muss auch beim Konsumieren die Umsatzsteuer bezahlt werden, an der Tankstelle kommt für den Treibstoff noch die Mineralölsteuer vor der Umsatzsteuer hinzu. Das schmerzt die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigeren und mittleren Einkommen mehr als Top-VerdienerInnen.
    Ich möchte noch einmal betonen, dass wir keinen Klassenkampf führen. Aber die Schieflage im österreichischen Steuersystem muss endlich beseitigt werden, dafür braucht es höhere vermögensbezogene Steuern – zumindest ein Anheben auf internationales Niveau. Jenen, die niedrige Einkommen haben, mehr Geld in die Hand zu geben, ist die beste Möglichkeit, um das Wirtschaftswachstum zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Denn diese Einkommensgruppe gibt den größten Teil ihres Einkommens für die alltäglichen Ausgaben sofort wieder aus. Und jeder Euro, der mehr ausgegeben wird, fließt unmittelbar wieder in die Realwirtschaft zurück.

    Ein ebenso beliebtes Argument insbesondere gegen Erbschaftssteuern heißt: Die Eltern haben etwas für ihre Kinder erwirtschaftet, warum sollte man ihnen davon wieder etwas abziehen?

    AK-Präsident Rudi Kaske: Nochmals: Belohnt werden soll in Österreich die Leistung. Wer arbeitet, bringt Leistung. Und diese soll und muss entlastet werden. Denn der Faktor Arbeit ist in Österreich hoch besteuert. Wer etwas vererbt oder geschenkt bekommt, hat dafür nicht arbeiten müssen, also keine Leistung erbracht. Und dafür wird er auch noch belohnt, indem er keine Steuern dafür zahlt. Ich frage Sie: Ist das gerecht? Nein! Denn Kinder mit wohlhabenden Eltern haben sowieso von Haus aus einen Startvorteil. Hier müssen wir dringend für mehr Chancengleichheit sorgen. Und Österreich würde damit bei Weitem nicht alleine dastehen beziehungsweise geht das Argument, Österreich würde hier vorpreschen, ins Leere. Denn wir haben in insgesamt 18 Ländern Europas Erbschaftssteuern, darunter Staaten wie Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien.

    Abgesehen von dem „Mehr im Geldbörsel“ für die ArbeitnehmerInnen: Welche Hoffnungen verbinden Sie mit der Lohnsteuersenkung?

    ÖGB-Präsident Erich Foglar: Seit Beginn der Krise kommt die Wirtschaft trotz diverser Entlastungen und Förderprogramme nur schwer in Gang – und das weltweit. Wir wollen, dass sich die Menschen wieder mehr leisten können. Das schafft mehr Kaufkraft, mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Würde gleichzeitig Steuerbetrug verschärft bekämpft und würden vermögensbezogene Steuern auf internationales Niveau angepasst, hätte Österreich die besten Chancen auf eine positive Entwicklung.

    Mit welcher Entlastung können ArbeitnehmerInnen rechnen?

    AK-Präsident Rudi Kaske: Das AK/ÖGB-Entlastungsmodell ist fair und gerecht und bringt eine spürbare Entlastung für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Auch jene Menschen, die – etwa aufgrund von Teilzeit – so wenig verdienen, dass sie keine Lohnsteuer zahlen, sollen mittels einer Erhöhung der Negativsteuer von 110 auf 450 Euro entlastet werden. Und eine solche Negativsteuer in Höhe von 110 Euro wollen wir erstmals auch für Pensionistinnen und Pensionisten als Ausgleich für die Teuerung. Unser Modell sieht auch wirksame Maßnahmen gegen die kalte Progression vor. Die Entlastungsmaßnahmen sehen einen von 36,5 auf 25 Prozent gesenkten Eingangssteuersatz vor. Um einen harmonisch gerechteren Tarifverlauf zu erreichen, soll die Zahl der Steuerstufen von bisher drei auf sechs erhöht werden. Die Grenze für den Spitzensteuersatz wird von bisher 60.000 auf 80.000 Euro erhöht. Gleichzeitig bleibt der Höchststeuersatz in unserem Modell unangetastet. Zusammengefasst bringt unser Entlastungsmodell eine spürbare Erleichterung für alle ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Und durch den dadurch erhöhten Konsum wird auch die Konjunktur angekurbelt – und unser Steuersystem würde ein großes Stück gerechter gemacht.

    Wir danken Ihnen für das Gespräch.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin mail@sonja-fercher.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Das Interview führte Sonja Fercher für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 7/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1410170943562 Österreich ist ein Steuerparadies für die wirklich Reichen. Das muss sich ändern, und zwar rasch, fordern die Präsidenten Foglar und Kaske. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874969502 "Nicht zuletzt" ... Lohnsteuer runter! Die Vermögen der privaten Haushalte sind in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise stetig gestiegen, sie betragen in Österreich mit 1.250 Milliarden Euro etwa das Vierfache der jährlichen Wirtschaftsleistung, so eine Schätzung der Universität Linz auf Basis der Daten des Household Finance and Consumption Survey der Europäischen Zentralbank. Allerdings liegt dieses Vermögen in den Händen weniger: Die obersten fünf Prozent der Haushalte besitzen mehr als 60 Prozent davon. Österreich weist das zweithöchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf aller 28 EU-Länder auf. Doch der Anteil leistungsloser Vermögenseinkommen steigt laufend, jener der Leistungseinkommen aus Arbeit geht zurück. Gleichzeitig finanzieren wir unseren Staatshaushalt in immer größerem Ausmaß durch Abgaben auf Arbeit, während Österreich bei den Steuern auf Vermögensbesitz zu den Schlusslichtern in der EU gehört.

    Lohnsteuer-Tendenz steigend

    Trotz des schwachen Anstiegs der Lohneinkommen steigt das Aufkommen an Lohnsteuer kräftig, heuer beträgt es bereits mehr als 25 Milliarden Euro. Damit übersteigt es erstmals jenes der Mehrwertsteuer, das wegen der schwachen Konsumnachfrage kaum wächst. Steuern auf Vermögen machen hingegen in Österreich nur 1,4 Prozent aller Abgaben aus, während der Anteil im Durchschnitt der EU-Länder bei mehr als fünf Prozent liegt. Das ist sozial ungerecht und wirtschaftlich falsch.

    Leistung honorieren

    Wir brauchen ein Steuersystem, das die Leistung der ArbeitnehmerInnen honoriert und so Anreize zu Arbeitsaufnahme bietet, statt sie wegzusteuern. Wir brauchen ein Steuersystem, das die unteren und mittleren konsumfreudigen sozialen Schichten entlastet und so für Nachfrage und Beschäftigung sorgt. Wir brauchen ein Steuersystem, das den stark steigenden Reichtum an der Finanzierung des Sozialstaates gerecht beteiligt und so für soziale Stabilität sorgt. Wir brauchen ein Steuersystem, das einen Beitrag zu einer gerechten Verteilung unseres Wohlstandes leistet, aus sozialen wie wirtschaftlichen Gründen.

    Gleichzeitig sind wir uns dessen bewusst, dass ein guter Sozialstaat österreichischer Qualität auf einer soliden finanziellen Basis stehen muss. Wir erteilen jenen konservativen Professoren und Wirtschaftsforschern eine klare Absage, die zunächst einer drastischen Senkung der gesamten Abgabenlast in Österreich das Wort reden, um dann „ein Zurückschrauben der Ansprüche an den Sozialstaat“, also Sozialabbau begründen zu können. Die österreichischen ArbeitnehmerInnen haben über Jahrzehnte diesen Sozialstaat aufgebaut. Wir werden ihn auch verteidigen. Der Wohlstand unserer Gesellschaft und die hohe Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft belegen, dass der Sozialstaat finanzierbar ist, wenn wir die Weichen richtig stellen.

    Belastung verringern

    Allerdings muss die Art seiner Finanzierung überdacht werden. Was liegt näher, als die rasch wachsenden Vermögen stärker zu beteiligen? Das schaffen auch andere Länder! Was liegt näher, als die übermäßige Belastung der ArbeitnehmerInnen zu verringern? Das gelingt auch in anderen Ländern! Deshalb fordert der ÖGB eine kräftige Senkung der Lohnsteuer, von der alle ArbeitnehmerInnen, aber auch die Pensionistinnen und Pensionisten profitieren sollen. Wir wollen daher einen fairen Beitrag von Millionenvermögen, das ist sozial gerecht und wirtschaftlich sinnvoll. Auch weil es die Ungleichheit verringert und damit Demokratie und sozialen Frieden sichert.

    Wenn Sie die Kampagne unterstützen möchten, können Sie hier online unterschreiben: www.lohnsteuer-runter.at.

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    Erich Foglar, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968569 Sozak 61 Im Rahmen der SOZAK 61 durfte ich Glasgow besuchen und dort einen Monat lang die gewerkschaftliche Bildungsarbeit begleiten. Ich war im Stow College untergebracht und konnte hier viele Shop Stewards kennenlernen, wie GewerkschafterInnen dort genannt werden, und auch einige Betriebe besuchen.

    Verhandlungen nur auf Betriebsebene

    Eine schwierige Aufgabe war, die Unterschiede der Gewerkschaftssysteme zu erörtern. In Großbritannien ist die gewerkschaftliche Bildung in das staatliche Bildungssystem integriert. Hat man drei vorgeschriebene Kurse absolviert, bekommt man ein Diplom, das einer Studienberechtigung gleichzusetzen ist. Das wäre auch für Österreich eine interessante Idee.

    Es ist auch nicht so leicht, die richtige Bedeutung der Begrifflichkeiten zu finden. So ist Collective Bargaining nicht mit unseren Kollektivvertragsverhandlungen gleichzusetzen. Die Lohnverhandlungen finden in Großbritannien nicht für eine ganze Branche oder das ganze Land statt. Vielmehr wird auf Betriebsebene verhandelt, allerdings auch nur, wenn in besagtem Betrieb mehr als die Hälfte der Beschäftigten Mitglied einer Gewerkschaft sind. Einzig im öffentlichen Dienst kann die Gewerkschaft landesweite Verhandlungen führen.

    Sehr überrascht waren meine schottischen Kollegen von unserem Kündigungsrecht. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass es in Österreich keinen so starken Kündigungsschutz gibt wie bei ihnen. In Großbritannien können ArbeitnehmerInnen, die über ein Jahr beschäftigt sind, nicht mehr gekündigt werden, außer der Betrieb kann es wirtschaftlich begründen. Selbst dann kann er aber nicht eine bestimmte Person kündigen, sondern muss Kriterien erarbeiten, z. B. dass alle nach einem bestimmten Eintrittsdatum beschäftigten MitarbeiterInnen das Unternehmen verlassen müssen. Somit ist es nicht möglich, nur die teuren oder störenden MitarbeiterInnen loszuwerden.

    Großbritannien ist in vielen Punkten gespalten, viele dieser Verwerfungen sind auf Religionen zurückzuführen und sind sehr tief verwurzelt. Das merkt man unter anderem am Geld: Wales, England, Nordirland und Schottland habe jeweils eigene Geldscheine. Das war für mich sehr überraschend. Ein oft genanntes Thema war auch immer wieder das Referendum 2014, bei dem sich entscheiden wird, ob Schottland ein Teil des Vereinten Königreichs bleibt oder eigenständig wird. Hier ist auch die Arbeiterbewegung gespalten.

    Die unterschiedlichen Positionen sind vielfältig und reichen von religiösen über nationalistische bis hin zu wirtschaftlichen Gründen. Bei den Beschäftigten der Shipyards am Clyde River war die Stimmung für den Verbleib bei Großbritannien sehr stark. Denn hier werden die Kriegsschiffe der Royal Navy gebaut. Die Unabhängigkeit Schottlands wäre eine Gefahr für die Arbeitsplätze, denn die Schiffe werden nur auf britischem Boden gebaut.

    Im schottischen Parlament durfte ich von einem außergewöhnlichen Projekt erfahren. Die Gewerkschaft hat gemeinsam mit den Arbeitgebern und der Regierung ein Projekt geschaffen, dessen Ziel die Bildung der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb ist. Die Arbeitgeber stellen die Räumlichkeiten und einen Teil der Arbeitszeit zur Verfügung, der Staat bezahlt die LehrerInnen, die Gewerkschaft organisiert die Leute und finanziert mit.

    Breit gefächerte Lerninhalte

    Die Lerninhalte sind breit gefächert und reichen vom PC-Grundkurs über Sprachkurse bis hin zu Schlüsseldienst-Kursen für HausmeisterInnen. Von diesem Projekt profitieren hauptsächlich die Gewerkschaftsmitglieder, allerdings kann auch der Arbeitgeber besser gebildete MitarbeiterInnen gut brauchen. Selbst der Staat hat einen Nutzen aus der Aktion, denn im Falle der Arbeitslosigkeit können besser gebildete Personen leichter wieder eine Beschäftigung finden. Außergewöhnlich waren auch die Uhrzeiten: Der Kurs findet statt, wenn die Mitglieder Zeit haben. So müssen die LehrerInnen oft bei Schichtwechsel beginnen, das kann um fünf Uhr in der Früh sein oder um zehn Uhr am Abend. Hier sieht man: Wenn alle ein Ziel verfolgen, dann gibt es kein Hindernis für mehr Bildung.

    INTERVIEW:
    Zur Person - Robert Wilson
    Alter: 47
    Wohnort: Schottland
    Erlernter Beruf: Schlosser, Mechaniker
    Firma: Mahle Engine Systems
    Gewerkschaft: Unite the Union, www.unitetheunion.org
    Seit wann im (Euro-)BR? 2013

    Wie ist dein Familienstand?
    Ich bin verheiratet, wir haben zwei Kinder im Alter von 13 und 17 Jahren

    Monatliches Einkommen? 
    £ 1.480,00

    Was bedeutet dir Arbeit?
    Die Möglichkeit, die Rechnungen zu bezahlen und die eigene Lebenssituation zu verbessern.

    Deine Meinung über die Wirtschaft in Schottland
    Schlecht! Die Regierung scheint vergessen zu haben, dass es die arbeitenden Menschen sind, die den Unterschied machen.

    Welche Bedeutung hat Gewerkschaft für dich?
    Sie gibt mir die Möglichkeit, Menschen dabei zu helfen, sich Gehör zu verschaffen, und meinen Arbeitsplatz zu sichern.

    Und die EU?
    Bei Recht, Gesundheit und Sicherheitsstandards leistet die EU immer wieder gute Arbeit für Europa. Wenn es aber um die Wirtschaft geht, entspricht die Politik nicht meinen Erwartungen. 

    Dein Lieblingsland in Europa?
    Griechenland.

    Warum?
    Die Menschen und das Wetter.

    Was bringt der europäische Betriebsrat?
    Man lernt, besser zu verstehen, wie die Kolleginnen und Kollegen in anderen europäischen Ländern arbeiten und wie sie Probleme lösen.

    Wie viel Urlaub hast du und wo verbringst du ihn?
    35 Tage: 14 Tage fahren wir weg, den restlichen Urlaub verbringen wir zu Hause.

    Deine Wünsche für die Zukunft?
    Dass meine Kinder eine bessere Arbeitswelt erleben und einen besseren Lebensstandard als ich erreichen.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor christian.illitz@proge.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christian Illitz,Jugendsekretär der Gewerkschaft, PRO-GE Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874970340 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968564 Rück-Blog Männer und Gleichstellung: Blockierer oder Verbündete?

    Sozialwissenschafterin Nadja Bergmann wirft die Frage auf, ob Männer neue Verbündete für eine gemeinsame Gleichstellungspolitik sein können. Anlass ist eine neue Publikation mit dem Titel „Bewegung im Geschlechterverhältnis? Zur Rolle der Männer in Österreich im europäischen Vergleich“. Darin wird die Rolle der Männer im Geschlechterverhältnis in den Bereichen Bildung, Aufteilung unbezahlter Arbeit, Erwerbsarbeit, Gesundheit, Gewalt und Politik in den letzten Jahren skizziert.
    Eins gleich vorweg: Nicht alle Männer profitieren automatisch von ihrem Geschlecht. Außerdem bringen gängige Bilder von „Männlichkeiten“ viele Nachteile mit sich. Jüngere Männer suchen immer mehr nach neuen Rollenmodellen. „Hier bereichert die kritische Männerforschung den Diskus um weitere Elemente und Fragen.“ Gerade bei der Arbeitszeit zeichnet sich eine Änderung der Geschlechterverhältnisse ab: Bei Männern lasse sich eine „langsame, aber stetige Arbeitszeitverkürzung“ feststellen „bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitszeit bei Frauen und damit eine schrittweise Annäherung der Arbeitszeitmuster von Frauen und Männern“. Österreich stelle dabei eine Ausnahme dar.
    Das Fazit der Sozialwissenschafterin: „Besonders bereichernd ist vor allem die Frage, ob die sogenannte ‚Vollzeitnorm‘ wirklich das ist, was ‚die Männer‘ wollen? Und ob wirklich von einer ewigen ‚männlichen Verhaltensstarre‘, wie Andreas Heilmann es treffend nannte, auszugehen ist oder ob nicht vielmehr von einem immer stärkeren Interesse an neuen geschlechtergerechten Erwerbsarbeits-/Lebensmodellen von Frauen und Männern auszugehen ist, das von der politischen und sozialpartnerschaftlichen Ebene noch zu wenig unterstützt und aufgegriffen wird?“

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/maenner-und-gleichstellung-ewiges-hindernis-oder-neue-verbuendete-auf-dem-weg-zu-einer-geschlechtergerechten-gesellschaft/

    Killing the FTT

    Sie sollte ein wirkungsvolles Instrument werden, um jene Spekulationen einzubremsen, die zur jüngsten Finanzkrise geführt haben. Zugleich sollte sie dafür sorgen, dass auch SpekulantInnen ihren Beitrag zu den staatlichen Budgets leisten, in die durch die Krise große Löcher gerissen wurden. Sah es zunächst so aus, als würde zumindest eine Gruppe von EU-Ländern die Finanztransaktionssteuer einführen, erlebten die BefürworterInnen inzwischen einen schwerwiegenden Rückschlag, wie Stefan Schulmeister in seinem Artikel anklagt.
    Als Antwort auf eine breite Kampagne von NGOs und SozialpartnerInnen in ganz Europa startete die Finanzlobby eine Gegenkampagne, um das Projekt zu diskreditieren. „Mit Erfolg“, wie Schulmeister festhält. „Noch nie wurde so eindrucksvoll demonstriert, wie Demokratie funktioniert in Zeiten der Finanzalchemie.“ Schulmeister fordert angesichts dessen eine „Generalmobilmachung“ der Zivilgesellschaft für die Finanztransaktionssteuer.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/killing-financial-transaction-tax/

    Multinationale Großkonzerne prellen die öffentliche Hand: IKEA als Paradebeispiel

    In seinem Artikel macht Philipp Gerhartinger auf die Steuervermeidungspraktiken einiger Großkonzerne aufmerksam und stellt die Frage nach deren Legitimität. Multinationale Konzerne nutzen dazu ihre hochkomplexen Strukturen. Mit vielfältigen Methoden verlagern sie Gewinne in Steueroasen, um sie der Besteuerung zu entziehen, oder nutzen undurchsichtige Ausnahmebestimmungen und Lücken an den Schnittstellen nationaler Steuerjurisdiktion, um Steuern kleinzurechnen. So werden Nationalstaaten wichtige Steuerbeiträge vorenthalten, obwohl beispielsweise deren Infrastruktur Grundlage der Wirtschaftstätigkeit dieser Konzerne ist.
    Zahlreiche Konzerne, wie Apple, Google, Amazon und Starbucks, sind für diese Praktiken bereits bekannt. Gerhartinger greift das Beispiel IKEA auf und stützt seine Ausführungen auf ein Papier von Attac, das sich mit den komplexen Strukturen des Möbelherstellers ausführlich auseinandersetzt. Der Beitrag bietet einen tiefen Einblick in ein scheinbar kaum durchschaubares Konglomerat. Zurück bleibt der Eindruck, dass es sich bei der Ansässigkeit in Steueroasen wie der Schweiz und Liechtenstein sicher um keinen Zufall handelt und dass die effektiven Steuersätze letztendlich erschreckend niedrig sind.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/multinationale-grosskonzerne-prellen-die-oeffentliche-hand-ikea-als-paradebeispiel/

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    Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998672062 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968541 Angleichung „Knapp ist tot.“

    „Der Chef? Was ist denn mit ihm? Hat er einen Herzinfarkt, weil ihm wer ein paar Hunderter zu wenig bezahlt hat für die letzte Waffenlieferung? Ein Raubüberfall? Er hat doch immer sein Bargeld im Tresor.“

    „Weiß man nicht. Er wurde erschossen. An seinem Schreibtisch.“

    „Dann kann er wenigstens keine Rehböcke mehr töten“, zischte eine junge Frau. Christine war die neue Praktikantin und bekennende Tierschützerin. Man würde sie vermutlich nicht länger behalten – und sie würde wohl auch nicht bleiben. Mit welchem Motiv sie sich überhaupt bei einem Waffenerzeuger beworben hatte und dass man sie genommen hatte, war undurchsichtig, so lautete die allgemeine Meinung unter Kolleginnen und Kollegen. Auch jetzt sahen die Umstehenden sie nur pikiert an. In der Kaffeeküche wurde es eng, Getuschel und Gerüchte wogten wie Meereswellen, brandeten über der Tür auf und schwappten über die Anwesenden hinweg.

    „Ist die Polizei schon da?“, fragte Liane, die Chefbuchhalterin, und versuchte, sich zur Kaffeemaschine durchzudrängen. Irgendwo fiel klirrend eine Tasse zu Boden.

    „Natürlich.“ Nicola hatte verweinte Augen, sie war erst seit Kurzem zu Knapps Assistentin aufgestiegen. „Vorerst darf noch niemand das Chefbüro betreten.“

    „Nana“, machte Christine und drehte den Wasserhahn auf, um ein Glas damit zu befüllen, „sieht ja aus, als hätte die ein persönliches Verhältnis mit dem Chef gehabt.“

    „Du hast’s nötig!“, rief Gewerkschafterin Robinia. „Beruhigt euch, Leute, bitte. Noch wissen wir gar nichts.“

    Mittlerweile betraten die Polizisten das Chefbüro. Der Tote saß vornübergeneigt an seinem Schreibtisch, der Kopf auf der Marmortischplatte, die Arme auf dem Tisch. Neben ihm auf dem Boden lag die Flinte, es war tatsächlich seine eigene. Fingerabdrücke fanden sich nicht darauf. Als Todesursache wurde ein Schuss aus nächster Nähe festgestellt, Verletzungen, Projektil und Flinte passten zusammen. Als Todeszeitpunkt wurde ein Zeitraum zwischen 22 Uhr und 1 Uhr früh ermittelt.
    Die Ermittler ließen sich die Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen; doch diese waren um 20.01 Uhr ausgeschaltet worden. Der Security-Mann war selbst überrascht davon. Im Kalender des Toten fand sich ein letzter Termin am Abend seines Todes, mit Robinia Huber, Gewerkschafterin. Knapps Assistentin Nicola bestätigte diesen Besuch. Sie habe Robinia ins Büro zu Knapp geführt, da habe er natürlich noch gelebt. Dann habe der Chef sie nach Hause geschickt.
    Bei der Überprüfung der Firmen-Bankkonten und von Knapps privaten Bankverbindungen wurden mehrere Zahlungen an neun Mitarbeiter entdeckt, die in der Nacht durchgeführt worden waren, nach dem vermuteten Todeszeitpunkt.

    Man befragte also die Chefbuchhalterin Liane Berger.

    „Einige Angestellte haben größere Zahlungen erhalten. Was wissen Sie darüber?“

    „Nun, es gab einige Mitarbeiter, die extra Prämien bekommen sollten, eine Gewerkschafterin hat das so mit der Geschäftsleitung vereinbart.“

    „Ich habe hier eine Liste“, sagte der Polizist, „derzufolge handelt es sich um neun Leute, die noch vor Kurzem zur Kündigung angemeldet werden sollten, laut Gewerkschafterin. Wir können jedoch keine Kündigungsschreiben finden.“

    „Nun“, Liane stützte sich mit den Ellbogen auf ihrem Schreibtisch ab, „eine Weile sah es so aus, als müssten wir Mitarbeiter abbauen. Die Wirtschaftslage war nicht besonders gut. Mittlerweile hat sich aber alles wieder geändert, die wirtschaftliche Situation der Firma ist viel besser, wir haben neue Kunden gewonnen. Somit können und wollen wir nicht auf diese Mitarbeiter verzichten. Daher wurde auch nie eine Kündigung ausgesprochen. Die Details kennt vermutlich nur unsere Gewerkschafterin, Robinia Huber.“

    Also wurde als Nächste Robinia befragt, was es mit den Vorgängen auf sich habe.

    „Sie hatten gestern einen Termin mit dem später Verstorbenen. Vermutlich waren Sie die Letzte, die ihn lebend getroffen hat.“

    Die Gewerkschafterin nickte und seufzte.

    „Das ist natürlich furchtbar. Ich hatte etwas Wichtiges mit dem Chef zu besprechen. Es gab Unstimmigkeiten über gewisse Dinge, über Kündigungen und Gelder. Ich konnte schließlich in der Verhandlung mit Roman Knapp tatsächlich erreichen, dass diese neun Mitarbeiter nicht gekündigt werden und sogar eine Sonderzahlung für ihre Leistungen bekommen. Ich habe ihn dazu gebracht, es als Wiedergutmachung zu sehen für die harte langjährige Arbeit dieser Leute. Immerhin hatten sie alle jahrelang erfolgreich für das Unternehmen gearbeitet. Es geht dabei um Leute, die in besonderen Situationen stecken. Tibor Becks Haus zum Beispiel – das ist einer der Techniker – wurde beim Hochwasser letztes Jahr überflutet, ihm blieb nichts. Mit der Prämie kann er es halbwegs wiederaufbauen. Simone Haller wiederum hat fünf Kinder und ist Alleinerzieherin, zudem ist ihr Gehalt als Versandmitarbeiterin sehr niedrig. Wir haben endlich Leuten geholfen, statt sie zu feuern.“

    „Verstehe. Das muss ein toller Sieg für Sie gewesen sein.“

    „Schon, ja.“

    Die Gewerkschafterin lächelte verhalten.

    „Auf den Videoaufnahmen sehen Sie nicht so aus. Wie haben Sie Knapp zu dieser Zahlung überredet? Er gilt laut bisherigen Aussagen nicht gerade als freigiebig.“

    „Die Geschäfte laufen gut, sogar besser als zuletzt. Und wir brauchen die Mitarbeiter. Wir sind auf sie angewiesen, um die Aufträge zu erfüllen und alle Bestellungen zu liefern. Ich habe Knapp klargemacht, dass Prämien helfen werden, die Produktion anzukurbeln, ganz einfach. Weil sie die Sorgen dann los sind und produktiver sein können.“

    „Und das hat er so geschluckt?“

    „Mit meinem Verhandlungsgeschick, ja.“

    „Wie hast du ihn nur so weit gebracht, diese Zahlungen zu genehmigen, Robinia?“, fragte Simon seine Freundin Robinia am selben Abend. Simon arbeitete im selben Betrieb wie sie in der Kundenabteilung.

    „Ist das nicht egal? Wichtig ist, dass er es getan hat. Freuen wir uns über unseren Erfolg.“

    „So einfach lässt sich Knapp normalerweise nicht darauf ein, was von seinen Millionen rauszurücken.“

    „Normalerweise nicht, aber das war eine besondere Situation.“

    „Wie ist das Gespräch verlaufen? Oder muss ich es selbst rausfinden?“

    Robinia und er hatten ständig solche Spiele laufen, wer etwas früher rausfände.

    „Ich hatte ihn fast so weit, er hatte schon zugestimmt, dann hat er einen Rückzieher gemacht. Aber dass er ausgerechnet mit der Tierschützerin ein Verhältnis hat – das hätte er sich selbst früher überlegen müssen. Ich habe ihm klargemacht, wenn er dieser Christine Firmengeheimnisse verrät, braucht er keine Prämien mehr zahlen … dann ist die Firma am Ende. Er wäre vor dem Aufsichtsrat erledigt gewesen, und dort sitzen immerhin seine Söhne und Schwiegertöchter. Ich habe den Knapp mit Christine beim Turteln beobachtet. Mehrmals. Sie hatten ihr Stelldichein in einem kleinen Häuschen in der Nähe, wo ich jogge. Ich habe sie ein wenig belauscht. Nein, nicht absichtlich, natürlich nicht! Wo denkst du hin!“

    Robinia lächelte fein.

    „Nur so zufällig habe ich so einiges mitgehört, was Knapp seiner jungen Freundin verraten hat. Fast hat es sich angehört, als würde Christine den Alten für irgendwelche Aktionen zugunsten von Federvieh oder Pelzverwertungstieren rekrutieren. – Na, und das habe ich Knapp dann gesagt. Also ist er auf meine Umverteilungsidee eingestiegen. Dass sich Knapp aus Angst danach selbst erschossen hat, dafür kann ich nichts. Immerhin hat Rashid jetzt das Geld für die OP seiner Schwiegermutter in Afghanistan und Greta kann ihre Kinder zur Schulsportwoche anmelden.“

    Robinia zuckte lächelnd die Achseln.

     „Ist doch schön, oder?“

    Anni Bürkl ist Journalistin, (Krimi-)Autorin und Lektorin. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Göttinnensturz“ und ist Teil einer Krimireihe rund um Teelady Berenike Roither, erschienen im Gmeiner Verlag.

    www.annibuerkl.at

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    Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968549 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968554 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968515 Revival für ein Reizthema Für rund ein Drittel aller Beschäftigten gehören Überstunden zum Alltag. Insgesamt 16 Prozent arbeiten sogar mehr als 45 Stunden wöchentlich, nicht selten auch abends zu Hause und am Wochenende – oft freiwillig und zum Teil unbezahlt. Aus Pflichtbewusstsein, für die Karriere oder  aus Angst um den Arbeitsplatz.

    Überstunden wirken sich zwar finanziell günstig aus, doch abseits von Leitungspositionen sinkt die Arbeitszufriedenheit schon ab zwei Stunden Mehrarbeit pro Woche1. Nach mehr als sieben Stunden Arbeit steigt etwa die Unfallgefahr deutlich an. Bei 60 Wochenstunden oder durch Wochenendarbeit ist das Risiko für Beschwerden wie Schlaf-, Verdauungs- und Kreislaufstörungen um das Vierfache erhöht.

    Trotz oder wegen der Krise?

    Seit jeher deuten UnternehmerInnen den Ruf nach Arbeitszeitverkürzung als Hirngespinst völlig realitätsfremder Träumer, die das Wohlergehen der Nation gefährden. In Wahrheit haben aber weder die Einführung des Achtstundentages noch der freie Samstag oder die fünfte Urlaubswoche Wirtschaftskrisen verursacht. Und auch die aktuelle Situation ist keineswegs so trist wie oft kolportiert. „Seit Jahren“, so ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz, „nehmen die Unternehmer immer mehr Geld aus ihren Unternehmen heraus, statt in mehr Jobs und gesündere Arbeitsplätze zu investieren.“ Mit einem Anstieg um mehr als 100 Prozent zwischen 2002 und 2012 ist die durchschnittliche Gewinnauszahlung an die EigentümerInnen 3,6-mal stärker gestiegen als der durchschnittliche Bruttobezug je Beschäftigten (AK-Wertschöpfungsbarometer).

    Österreich hat die Krise verhältnismäßig gut überstanden, nicht zuletzt dank Kurzarbeit: „Empirische Untersuchungen zeigen merkliche Beschäftigungseffekte einer Verkürzung der Arbeitszeit“, so AK-Experte Markus Marterbauer in der Zeitschrift WISO.2 Wobei die mit Arbeitszeitverkürzungen unvermeidlich einhergehenden Produktivitätssteigerungen die positiven Beschäftigungseffekte um bis zu zwei Drittel reduzieren. Nach Berechnungen des WIFO bewirkt die Verkürzung der Arbeitszeit um zehn Prozent ein Beschäftigungsplus um etwa vier Prozent. Sofern der Lohnausgleich (nur) im Ausmaß des Produktivitätsanstiegs erfolgt, bedeutet das zwar keinen vollen Lohnausgleich, aber die Lohnstückkosten bleiben konstant. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verschlechtert sich nicht.

    Arbeitszeitverkürzung kann ihre Beschäftigungswirkungen allerdings nur dann voll entfalten, wenn die Ausweichmöglichkeiten in der Arbeitszeitgestaltung gering sind. Der Anstieg von Teilzeitarbeit, vor allem aber die starke Flexibilisierung der Arbeitszeit durch lange Durchrechnungszeiträume, die steuerliche Begünstigung von Überstunden und die Zunahme von All-in-Verträgen hat die Ausweichmöglichkeiten für Unternehmen seit den 1970er-Jahren sukzessive erhöht. Heute arbeiten längst nicht nur leitende Angestellte mit All-in-Verträgen, sondern auch VerkäuferInnen, Reinigungspersonal etc.

    Kürzere Arbeitszeit gewünscht

    32 Prozent der Männer und 41 Prozent der Frauen würden selbst dann gerne kürzer arbeiten, wenn sie Gehaltseinbußen dafür in Kauf nehmen müssten. Die seit 2013 in manchen Branchen mögliche Option „mehr Freizeit statt Lohnerhöhung“ wurde in der Elektroindustrie von zehn Prozent der Beschäftigten – quer durch alle Alters- und Einkommensgruppen – gewählt. Generell fällt die Reduktion der Arbeitszeit immer dann leichter, wenn das Einkommensniveau hoch ist. Die Unternehmen sind eher zu Verhandlungen über den Lohnausgleich bereit und für die Beschäftigten gewinnen immaterielle Werte wie etwa mehr Zeit für die Familie an Bedeutung.

    Mögliche Maßnahmen:

    • Abbau (unbezahlter) Überstunden: Rund 69 Mio. Mehr- bzw. Überstunden wurden 2011 nicht abgegolten. Diese Umgehung gesetzlicher und kollektivvertraglicher Regeln bedeutet nicht nur weniger Geld für die Beschäftigten, sondern auch Einbußen für die Sozialversicherung. Überstunden müssen unattraktiver werden; beim ÖGB-Bundeskongress 2013 entstand die Idee einer Arbeitsmarktabgabe von einem Euro pro Mehr- bzw. Überstunde.
    • Arbeitszeitverkürzung durch kollektivvertragliche Vereinbarungen vor allem für Berufsgruppen, bei denen der Bedarf hoch ist bzw. die Rahmenbedingungen günstig sind (z. B. das Einkommen entsprechend hoch ist). Dies gilt etwa für ältere Arbeitskräfte, am Bau, in der Pflege etc.
    • Leichtere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche: Die dafür erforderliche 25-jährige Betriebszugehörigkeit wird durch die verstärkte Fluktuation von Beschäftigten selten erreicht. Vor allem Frauen würden hier besonders profitieren.
    • Verlängerte Ausbildungszeiten und Weiterbildung verbessern die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und können die Lebensarbeitszeit verringern.
    • Innovative Kinderbetreuungsmodelle als Mittel gegen den Gender Gap: Derzeit ist die Verteilung von Arbeit (und Einkommen) zwischen Männern und Frauen alles andere als fair. Frauen leisten mit 66 Prozent den Löwenanteil der unbezahlten Arbeit, während das Verhältnis bei der Leistung bezahlter Arbeit umgekehrt ist. Hier liegen die Männer mit 61 Prozent deutlich vorne. In Österreich gäbe es kaum Initiativen, die eine egalitäre Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern anpeilen, kritisiert die Soziologin Claudia Sorger. Sie verweist auf Schweden, wo die Arbeitszeitreduktion beider Elternteile zur gerechteren Aufteilung der Kinderbetreuung durch einen Steuerbonus unterstützt wird.3

    Mehr Lebensqualität

    Weitere erfreuliche Konsequenzen:

    • Durch die tatsächliche Reduktion der Arbeitszeit steigt die Leistungsfähigkeit der Beschäftigten und die Unfallgefahr sinkt. Und: Wer weniger arbeitet, lebt gesünder. So reduzieren etwa starke RaucherInnen ihren Zigarettenkonsum deutlich.4
    • Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit für die Familie, für (Persönlichkeits-)Bildung oder für Freiwilligentätigkeit.
    • Bei an sich guter Wirtschaftslage ist mit positiven Effekten durch mehr Konsumation (von Dienstleistungen) in der gewonnenen Freizeit zu rechnen.
    • Möglicher negativer Effekt: Obwohl der Großteil der Beschäftigten mit kürzeren Arbeitszeiten zufriedener ist, fühlen sich durch die Arbeitsverdichtung manche stärker unter Druck.

    Die letzte umfangreiche gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit erfolgte in Österreich von 1970 bis 1975. Die Wochenarbeitszeit wurde von 45 auf 40 Stunden gekürzt, der Urlaubsanspruch auf vier Wochen erhöht. 1985 wurde unter Sozialminister Dallinger die fünfte Urlaubswoche eingeführt. Dallinger, von Medien und politischen Gegnern unter anderem als „wildgewordener Sozialutopist“ und „Minister für Drohung und soziale Unruhe“ bezeichnet, war ein engagierter Verfechter der Arbeitszeitverkürzung. Er war überzeugt, dass die 35-Stunden-Woche spätestens 1990 Wirklichkeit werden würde. Tatsächlich wurde seit 1985 die (Lebens-)Arbeitszeit vor allem durch das Sinken des Pensionsantrittsalters reduziert. In einzelnen Branchen wurde die Arbeitszeit mittels Kollektivvertrag herabgesetzt. Heute sind etwa in weiten Teilen der Industrie und des Gewerbes sowie im Handel 38- bzw. 38,5-Stunden-Wochen üblich. Nach wie vor stehen Arbeitszeitverkürzungen bei KV-Verhandlungen auf der Agenda. In der Metallindustrie (38,5-Stunden-Woche) soll das Thema heuer allerdings ausgespart werden. Hier gibt es wie etwa auch in der Elektronikindustrie seit 2013 die Möglichkeit, Ist-Lohn-Erhöhungen gegen Freizeit „einzutauschen“.

    1 Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich, tinyurl.com/lqvkwcs
    2 Markus Marterbauer: Mit Arbeitszeitverkürzung zu wünschenswerter Arbeitskräfteknappheit; Auszug aus WISO 2/2011, Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
    3 Claudia Sorger (2014): Wer dreht an der Uhr? Geschlechtergerechtigkeit und gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik; Verlag Westfälisches Dampfboot.
    4 Taehyun Ahn (2013): Reduction of working time: Does it lead to a healthy lifestyle? School of Economics, Sogang University.

    Arbeitszeit FAIRkürzen, Arbeit FAIRteilen: www.ug-oegb.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968523 Überstunden und All-In-Verträge: Im Alltag vieler Beschäftigter heißt es Ausweitung der Arbeitszeit statt Arbeitszeitverkürzung. Dabei würde die Mehrheit lieber weniger Stunden mit Arbeit verbringen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968531 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968489 Armut jenseits der griechischen Grenze Das Magazin der „Bulgaria Air“ gibt sich (zweck-)optimistisch: Die Hauptstadt Sofia würde sich in den nächsten Jahren zur Topdestination entwickeln. Schließlich sei Sofia die billigste Metropole Europas. Die andere Seite dieser Medaille fasst die konservative „Wirtschaftswoche“ zusammen: „Die Armut dominiert in Bulgarien.“ Während in Griechenland bereits rund ein Drittel der Bevölkerung als armutsgefährdet gilt, betrifft das in Bulgarien inzwischen die Hälfte der Menschen. „Sparen“ und „Schuldenbremse(n)“ waren und sind demgegenüber die einzigen Rezepte im Umgang mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Gleichzeitig hat das Steuersystem durch hohe Mehrwertsteuern auf alltägliche Güter die Masse der Bevölkerung zusätzlich belastet. Reiche hingegen wurden mittels Flat Tax entlastet. Nach einem Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft gehört Bulgarien zu jenen Ausnahmestaaten, in denen die reichsten 20 Prozent von Steuern und Transfers netto profitieren.1

    Der Lew ist hart, aber oft unerreichbar

    Eine Studie der Friedrich Ebert Stiftung beschreibt den Wirtschaftskurs des Landes als Politik, die sich seit über 20 Jahren lediglich den Zielen Privatisierung, sogenannter Stabilität bzw. einfach (neoliberalen) „Reformen“ verschrieben hat.2 Die staatliche Verschuldung ist extrem niedrig, der bulgarische Lew seit langer Zeit hart wie der Euro. Bezahlt wurde diese Stabilität aber mit der dramatischen Entwertung des sogenannten „Humankapitals“. Der Durchschnittslohn liegt bei 800 Lew im Monat, das sind 400 Euro. Jede fünfte Person muss mit nur 120 Euro pro Monat auskommen. Die Preise für Lebensmittel oder Bekleidung erreichen demgegenüber Westniveau. Als „Antwort“ auf die internationale Krise hat sich die öffentliche Hand seit 2008 noch weiter zurückgezogen. Dadurch verdoppelte sich die Arbeitslosenrate auf fast 13 Prozent. Bei einem Mindesttagessatz von vier Euro Arbeitslosengeld oder durchschnittlich 150 Euro Sozialhilfe für eine fünfköpfige Familie ist ein Jobverlust freilich oft gleichbedeutend mit einem Bettlerschicksal.

    Proteste gegen „das System“

    Das Scheitern der neoliberalen Transformation drückt sich auch in der dramatischen Abwanderung aus. Bulgarien hat inzwischen ungefähr die Bevölkerungsanzahl der 1950er-Jahre – allerdings mit einem um rund 50 Prozent höheren Altersdurchschnitt. Für junge und besser ausgebildete Schichten ist Migration aber nicht mehr das einzige massenhaft genutzte Ventil gegenüber den unhaltbaren Zuständen. Bemerkenswerterweise waren Umweltfragen der Ausgangspunkt für seit sieben Jahren wiederkehrende Proteste, die vor allem auf den Straßen Sofias stattfanden. Deren TrägerInnen begreifen sich selbst vor allem als „hart arbeitende Mitte“ der Gesellschaft und sehen als Hauptproblem Bulgariens noch immer das vermeintlich „sozialistische Erbe“ des Landes. In diesem Sinne steht nicht die Sparpolitik in Europa oder gar Kritik am Kapitalismus im Zentrum dieser Proteste. Vielmehr wird die Korruption und in diesem Kontext ein angeblich noch immer zu großer Einfluss des Staates als zentrales Feindbild fokussiert. Gegenüber sozialen Fragen – also Tariflöhnen, Pensionen, Sozialleistungen – herrscht bei diesen Protesten in der Regel Ignoranz vor.

    Korruption ist nur Teil des Problems

    Korruption ist ein immer wiederkehrendes Thema, wenn es um osteuropäische Länder geht. Tatsächlich wies Bulgarien in puncto Korruption 2013 – nach Griechenland – die zweitschlechtesten Werte in der gesamten EU auf.3 Der Aufstieg der kleinen und großen Oligarchen fand während der Privatisierungsprozesse der großen Staatsgesellschaften statt. Vor allem diese Transformation wurde von den europäischen Gremien eingefordert und von internationalen Konzernen und den neuen bulgarischen Eliten zur Sicherung der wichtigsten Marktsegmente genutzt. Die aktuellen Privatisierungsprozesse im Nachbarland Griechenland zeigen übrigens ähnliche Begleiterscheinungen wie in Bulgarien. 2013 musste der Chef der griechischen Privatisierungsbehörde, Stelios Stavridis, nach einem Korruptionsfall zurücktreten. Aber auch andere Aspekte unterstreichen, dass die bulgarische Volkswirtschaft durchaus grundlegendere bzw. auch mit anderen Staaten vergleichbare Probleme als „nur“ die Korruption hat. So weist beispielsweise die Handelsbilanz Bulgariens – trotz Billiglöhnen – ein permanentes Defizit aus. 2013 betrug dies 3,617 Milliarden Euro. Dem stehen pro Jahr lediglich 700 Millionen Nettotransfers aus EU-Töpfen gegenüber, die zudem tatsächlich zu einem großen Teil im Korruptionssumpf der Eliten versickern dürften.

    Politische Instabilität

    Extrem instabil zeigt sich auch das politische System des Landes. Erst im Mai 2014 trat ein Bündnis aus der zumindest offiziell „sozialdemokratisch/links/grün“ orientierten „Koalition der Bulgaren“ und der Partei der türkischen Minderheit an, die sich gleichzeitig von der rechtsextremen und antisemitischen Partei ATAKA stützen ließ. Bereits kurz vor dem Sommer musste diese Regierung aufgrund einer Bankenkrise den Weg für Neuwahlen im Herbst 2014 frei machen. Zuvor wurden allerdings auf Empfehlung der EU noch 1,6 Milliarden Euro in das Finanzsystem des Landes gepumpt, welches zu 85 Prozent in ausländischer Hand ist. Für Bulgarien ist das umgekehrt eine astronomische Summe, die den Sparkurs erneut verschärfen könnte. Laut Umfragen erwartet aber ohnehin kaum jemand in Bulgarien noch irgendetwas Positives von „der Politik“.

    Kaum organisierter Protest

    Im Winter 2012/13 führten Strompreiserhöhungen nicht nur zu etlichen Todesfällen durch Erfrieren. Mindestens sieben ArbeitnehmerInnen bzw. Arbeitslose verbrannten sich aus Protest. Soziale Unruhen folgten, unterstützt von großen Teilen der Bevölkerung. Der Widerstand gegen die Preispolitik der internationalen Energiekonzerne – zu denen auch die österreichische EVN gehört – war schließlich so groß, dass die Regierung zurücktreten und deren Nachfolgekabinett in die Tarifgestaltung eingreifen musste. Trotz dieses punktuellen Erfolges ist aber organisierter sozialer Protest momentan fast kaum vorhanden. Die bulgarischen Gewerkschaften, die solche Bewegungen nachhaltiger gestalten könnten, zählen selbst zu den Opfern der neoliberalen Transformation. Trotz eines vergleichsweise hohen Organisationgrades von 20 Prozent kämpfen sie mit enormen strukturellen und politischen Problemen. So hat die Schließung von ehemals staatlichen Großbetrieben in den letzten 15 Jahren zu einer Reduktion der Mitglieder um mehr als die Hälfte geführt. Gewerkschaftlicher Widerstand konzentrierte sich demgegenüber auf die wenigen Bereiche, in denen trotzdem eine gewisse Organisationskraft aufrechterhalten werden konnte. Zuletzt (2011/12) waren das vor allem der Bergbau und das Eisenbahnwesen. Aber auch hier werden von den bulgarischen Gewerkschaften staatliche Streikverbote für ganze Gruppen von Beschäftigten und direkte Angriffe auf Gewerkschaftseigentum thematisiert.4 Die entscheidende Frage lautet somit, ob die bulgarischen Gewerkschaften selbst aus dieser Spirale nach unten ausbrechen können. Es kann in diesem Kontext wohl nur darum gehen, anschlussfähig gegenüber kommenden Protestbewegungen zu sein bzw. selbst die Initiative zu übernehmen. Gleichzeitig wird es auch an den Gewerkschaften liegen, das politische System des Landes zumindest ein Stück weit (mit) zu erneuern. Griechenland bzw. die aktuelle Rolle der griechischen Gewerkschaften erscheint hier bemerkenswerterweise geradezu als strategisches Vorbild.

    1 
Vgl.: Judith Niehues, Staatliche Umverteilung in der Europäischen Union, März 2013.
    2 
FES, Fighting poverty in Bulgaria, November 2013.
    3 
cpi.transparency.org/cpi2013/results/

    4 Vgl.: tinyurl.com/mqb54eo

    Mehr Infos im Web unter: Friedrich Ebert Stiftung: tinyurl.com/m5ajh6r

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor john.evers@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

    Der Autor bereiste in den letzten 25 Jahren rund zehnmal unterschiedliche Regionen Bulgariens.

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    John Evers, Erwachsenenbildner und Historiker Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968496 Im Winter 2012/13 führten Strompreiserhöhungen zu sozialen Unruhen, die von großen Teilen der Bevölkerung unterstützt wurden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968501 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968482 Ohne Sozialstaat keine Umverteilung Schutz vor sozialen Risiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Invalidität: So lassen sich die grundlegenden Aufgaben des Sozialstaates zusammenfassen. Gut ausgebaute Sozialsysteme wie das österreichische aber erfüllen noch einen weiteren wesentlichen Zweck, und zwar den gesellschaftlichen Ausgleich zu schaffen, sprich möglichst allen Menschen die Teilhabe am sozialen Leben zu gewährleisten. Teilhabe bedeutet nicht nur, das Überleben zu sichern, sondern nach den eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten an der Gesellschaft Anteil nehmen zu können.

    Ausgleich schaffen

    Um diesen Ausgleich zu schaffen, bedarf es sozialer Umverteilung. In Österreich geschieht das über die öffentlichen Ausgaben, insbesondere die Sozialausgaben. Der österreichische Sozialstaat hat eine stark umverteilende Wirkung, die beispielsweise über die Wirkung gemessen werden kann, die Sozialleistungen und Pensionen auf die Einkommensverteilung haben. Gäbe es in Österreich keine Sozialleistungen und wäre die Einkommensverteilung in Österreich zur Gänze dem Markt überlassen1, so wären ganze 44 Prozent der Menschen in Österreich armutsgefährdet2. Anders ausgedrückt: Der Markt allein ist nicht dazu geeignet, eine einigermaßen gleiche Einkommensverteilung zu schaffen. Dazu braucht es den Sozialstaat. Einen wesentlichen Anteil an dieser haben die öffentlichen Leistungen aus der Pensionsversicherung. Sie beinhalten auch Ausgleichsleistungen für Zeiten von Kindererziehung oder Arbeitslosigkeit, die in privaten Systemen nicht berücksichtigt würden. Bezieht man diese Leistungen mit ein, reduziert sich die Armutsgefährdung schon auf 25 Prozent. Berücksichtigt man zusätzlich noch Leistungen wie Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe oder bedarfsorientierte Mindestsicherung, reduziert sich die durchschnittliche Armutsgefährdungsrate auf 12,6 Prozent. Das bedeutet, dass der österreichische Sozialstaat – neben all seinen anderen Leistungen – die Gefahr, von Einkommensarmut betroffen zu sein, auf ein Drittel oder zumindest die Hälfte reduziert (siehe Grafik 1).

    Die Bedeutung sozialstaatlicher Umverteilung ist für Frauen größer als für Männer: Ohne Sozialleistungen und Pensionen sind 48 Prozent der Frauen armutsgefährdet – immer noch 42 Prozent der Männer wären es aber auch. Noch stärker gilt dies für ältere Menschen: Über 65-Jährige sind ohne Sozialleistungen zu 89 Prozent armutsgefährdet.

    Markt macht Armut

    Auch AlleinerzieherInnen und Familien mit drei oder mehr Kindern haben in überdurchschnittlich vielen Fällen kein Markteinkommen in armutsvermeidender Höhe, ohne Transferleistungen wäre etwas mehr als die Hälfte armutsgefährdet. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Bildungsabschluss: Menschen mit Pflichtschulabschluss sind etwa vor sozialstaatlichen Transferleistungen doppelt so oft armutsgefährdet wie Maturantinnen und Maturanten: 63 Prozent im Vergleich zu 34 Prozent.

    Soziale Geld- und Sachleistungen

    Doch nicht alle Sozialleistungen dienen in erster Linie dem Zweck der gesellschaftlichen Umverteilung. Tatsächlich ist nur ein kleiner Teil der Leistungen bedarfsgeprüft, sprich für Menschen in finanziellen Notlagen vorgesehen. Das betrifft in erster Linie existenzsichernde Leistungen wie die Notstandshilfe, die Ausgleichszulage oder die Bedarfsorientierte Mindestsicherung. Es tragen aber auch andere Leistungen zur Umverteilung bei: Das Arbeitslosengeld ist zwar zu großen Teilen eine Leistung, deren Höhe vom vorhergehenden Einkommen abhängig ist (Versicherungsleistung), ArbeitslosengeldbezieherInnen kommen jedoch zu einem überproportionalen Teil aus unsicheren, schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen. Hingegen leisten viele ArbeitnehmerInnen in gut bezahlten, sicheren Beschäftigungsverhältnissen Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, auch wenn sie weit seltener eine Leistung daraus in Anspruch nehmen.

    Neben Geldleistungen spielen Sachleistungen eine zentrale Rolle bei sozialer Umverteilung. Darunter fällt beispielsweise gut ausgebaute, leistbare Kinderbetreuung. Sie bietet (in der Regel einkommensschwachen) Alleinerzieherinnen und Alleinerziehern die Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen. Ebenfalls zu den Sachleistungen, die primär ärmere Bevölkerungsteile nutzen, gehören Sozialberatungsstellen oder öffentliche Pflegeeinrichtungen.

    All diese Leistungen (und noch einige mehr) sind notwendig, um einen sozialen Ausgleich in einem wirtschaftlich hoch entwickelten Land mit einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeits- und Lebensrealitäten zu schaffen. Dafür sind jedoch entsprechende finanzielle Mittel erforderlich. In Österreich werden Jahr für Jahr etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Sozialleistungen (ohne Bildungsausgaben) aufgewendet. Ähnlich verhält es sich in anderen Ländern mit gut ausgebauten Sozialsystemen wie Frankreich, Deutschland oder Schweden. Dabei handelt es sich um gut investiertes Geld, denn ohne ausgebauten Sozialstaat wäre eine Gesellschaft mit vergleichsweise wenig ausgegrenzten Menschen wie die unsere nicht möglich.

    Sozialstaat in der Defensive …

    Doch der Sozialstaat befindet sich in der Defensive, und dies nicht erst seit den mit der Finanz- und Wirtschaftskrise verbundenen Sparpaketen der letzten Jahre. Spätestens seit den 1990er-Jahren wird soziale Sicherheit zunehmend als finanzielle Last und weniger als gesellschaftliche Errungenschaft diskutiert. Die letzte erhebliche finanzielle Ausweitung sozialstaatlicher Aufgaben in Österreich – die Einführung des Bundespflegegeldes – liegt bereits über 20 Jahre zurück.3 Die Ironie dabei ist, dass der Sozialstaat gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit mit hoher Arbeitslosigkeit und steigender Armut das Ziel von Sparmaßnahmen ist, obwohl er gerade dann besonders dringend benötigt wird. Immerhin sorgt er dafür, dass die Einkommen der betroffenen Menschen durch eine Krise wie die aktuelle nicht allzu stark sinken und damit auch die Kaufkraft nicht einbricht. Gerade in der momentanen Situation wäre es dringend notwendig, das Sozialsystem auszuweiten – und nicht zu kürzen.

    … aber mit Potenzial

    Dabei ist das Umverteilungspotenzial in Österreich keineswegs ausgereizt: Soziale Umverteilung findet hierzulande praktisch zur Gänze über (Sozial-)Staatsausgaben statt. Die Staatseinnahmen (Steuern, Gebühren, Sozialversicherungsbeiträge) haben insgesamt praktisch keine umverteilende Wirkung. Eine Besteuerung von Vermögen beispielsweise könnte hier einen Beitrag leisten.

    1 
Markteinkommen sind jene Einkommen, die aus Erwerbsarbeit, Unternehmenserfolg und Vermögen bezogen werden.
    2 
Armutsgefährdung laut EU-SILC-Definition bedeutet, über ein gewichtetes Einkommen von weniger als 60 Prozent des Durchschnitts (Median) aller Einkommen zu verfügen.
    3 
Die Einführung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung im Jahr 2010 ist zweifelsfrei ein bedeutender sozialpolitischer Fortschritt, eine wesentliche Systemumstellung oder Erweiterung ist sie jedoch nicht.

    Mehr Infos unter: tinyurl.com/qbuj5no

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor norman.wagner@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Norman Wagner, Arbeiterkammer Wien, Abteilung Sozialpolitik Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968473 Der Markt allein ist nicht dazu geeignet, eine einigermaßen gleiche Einkommensverteilung zu schaffen. Dazu braucht es den Sozialstaat. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874970441 Grafik 1: Zum Vergrößern aufs Bild klicken! http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968314 Mehr Netto vom Brutto Der ÖGB kämpft für eine spürbare Lohnsteuersenkung. Durch die kalte Progression bleibt den Menschen trotz guter Lohn- und Gehaltserhöhungen zu wenig im Geldbörsel übrig. „Zum ersten Mal in der Geschichte Österreichs werden die Lohnsteuereinnahmen heuer dem Staat mehr Geld einbringen als die Mehrwertsteuer. Jetzt geht es um eine gerechte Entlastung der ArbeitnehmerInnen und Pensionistinnen und Pensionisten“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar beim offiziellen Startschuss der ÖGB-Kampagne „Lohnsteuer runter!“ Anfang Juli.

    Volle Unterstützung erhält der ÖGB dabei von Österreichs Betriebsrätinnen und Betriebsräten, Personalvertreterinnen und -vertretern sowie Jugendvertrauensrätinnen und -räten, aber auch von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

    Bisher haben mehr als 120.000 Menschen die Aktion unterschrieben. „Mit jedem Like, mit jeder Weiterempfehlung an Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunde und Bekannte, mit jeder einzelnen Unterschrift kommen wir unserem Ziel näher“, sagte ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser. ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl kündigte an, dass die Kampagne erst dann endet, wenn die ArbeitnehmerInnen mehr Netto vom Brutto haben.

    Expertinnen und Experten aus ÖGB, Gewerkschaften und Arbeiterkammer erarbeiten zurzeit ein Modell für die Entlastung der ArbeitnehmerInnen. Dieses soll den Belegschaftsvertreterinnen und -vertretern im Rahmen einer Konferenz am 18. September präsentiert werden.

    Mehr Infos, Unterschriften-Formulare und Infos zur Konferenz unter: www.lohnsteuer-runter.at

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    Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968289 Mehr als 120.000 Unterschriften aus ganz Österreich gibt es schon. Auch in der ÖGB-Zentrale gibt es die Möglichkeit für BesucherInnen, mit ihrer Unterschrift die Forderungen der Kampagne zu unterstützen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968298 Alle können mitmachen: Unterschriften werden unter anderem in Betrieben und auf Dienststellen, in Vereinen und Schwimmbädern gesammelt. Auch im Internet kann man unterschreiben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968141 Die Perlenkette im Schrebergarten Umverteilung in Österreich? Nicht notwendig, meinen viele VertreterInnen der Industrie sowie konservative SpitzenpolitikerInnen. Gezielt geschürte Mythen nähren Befürchtungen der BürgerInnen: Wird mir das mühsam Ersparte wieder aus der Tasche gezogen? Aber wie das so ist mit Mythen: Es herrscht mehr Schein als Sein.

    Armes Österreich?

    Schein: Österreich sei eigentlich gar nicht so reich, wie es den Anschein hat, behaupten UmverteilungsgegnerInnen gerne. Durch neue Steuern oder andere Abgaben sei daher nicht viel zu holen, das man in das Bildungssystem oder bessere Transferleistungen investieren könnte. In ihrem Positionspapier „Wohlstand, Armut & Umverteilung in Österreich“ schreibt die Industriellenvereinigung (IV): „Österreichs Privathaushalte weisen zwar einerseits nach Luxemburg das zweithöchste verfügbare Haushaltseinkommen der EU und das dritthöchste der Welt auf, aber andererseits eines der niedrigsten Bruttogeldvermögen der westlichen Welt.“ Jede Art von Vermögenssteuer sei demnach abzulehnen, weil sie dem ohnehin geringen Vermögensaufbau schade.

    Sein: Reichtum besteht nicht allein aus Geldvermögen. Vielmehr muss man das gesamte Bruttovermögen inklusive Immobilien, Fahrzeuge, andere Wertgegenstände, Unternehmensbeteiligungen und so weiter in die Betrachtung miteinbeziehen. Hier zeigt sich ein völlig anderes Bild: Die privaten Haushalte in Österreich verfügen über 1.063 Milliarden Euro. Sie sind somit wirklich nicht arm, immerhin ist dieses Vermögen dreieinhalbmal so hoch wie das österreichische BIP und fünfmal höher als die heimische Staatsverschuldung.1  Es ist somit ein erhebliches Vermögen vorhanden, das noch dazu sehr ungleich verteilt ist: Die reichsten zehn Prozent besitzen mehr als zwei Drittel des gesamten Haushaltsvermögens, die restlichen 90 Prozent hingegen müssen sich mit einem Drittel begnügen (siehe „Die Vermögensschieflage belastet vor allem die ArbeitnehmerInnen“).

    Umverteilung ist leistungsfeindlich

    Schein: In Österreich wird bereits genug umverteilt, und zwar über das progressive Steuersystem, lautet ein weiterer Mythos. (In Österreich betragen die Grenzsteuersätze 36,5 Prozent für Einkommen zwischen 11.000 und 25.000 Euro jährlich; 43,2 Prozent für Einkommen zwischen 25.000 und 60.000 Euro und darüber 50 Prozent.) Laut IV bezahle das oberste Prozent der EinkommensbezieherInnen im Durchschnitt fast 74.000 Euro jährlich an Einkommensteuer, die obersten zehn Prozent durchschnittlich 21.900 Euro pro Jahr. Die untersten 40 Prozent der EinkommensbezieherInnen hingegen würden keine Einkommensteuer bezahlen. Daraus leitet die IV nicht nur ab, dass sich Leistung nicht auszahle, sondern auch, dass Umverteilung geradezu leistungsfeindlich sei.

    Sein: Auch diese Betrachtung ist verkürzt, denn sie reduziert Umverteilung auf die Einkommen- bzw. Lohnsteuer. Es gibt allerdings viele weitere Belastungen, die von weitaus mehr Menschen in Österreich getragen werden als nur den obersten zehn Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher. Allein die Umsatzsteuer muss von allen Konsumentinnen und Konsumenten geleistet werden, ob arm oder reich. Dazu kommen die Sozialabgaben: Da Einkommen bereits ab 395,31 Euro monatlich voll kranken- und pensionsversicherungspflichtig sind, steigen ab diesem Betrag die Belastungen sprunghaft an. Denn schon ab dieser Summe müssen rund 40 Prozent an Sozialabgaben bezahlt werden.

    Für die Beschäftigten ist also entscheidend, wie hoch die Gesamtbelastung ausfällt und damit, wie viel ihnen nach Abzug von Steuern und Abgaben tatsächlich übrig bleibt. Allein bei den Geldvermögen zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass das Argument vom „Hochsteuerland Österreich“ in Wahrheit ebenfalls nur ein Mythos ist.

    In Zahlen: In Österreich liegt das Medianeinkommen bei 33.000 Euro brutto pro Jahr (das sind ca. 2.350 Euro monatlich, inklusive 13. und 14. Gehalt), sprich die eine Hälfte der EinkommensbezieherInnen bekommt mehr, die andere Hälfte bekommt weniger. Von diesen 33.000 Euro werden knapp 31 Prozent an Sozialversicherungsbeiträgen und Einkommensteuer abgezogen. Hier wird die Ungleichverteilung deutlich, denn die Belastungen steigen nicht in gleichem Ausmaß wie die Einkommen. Selbst wenn man im Jahr mehr als 250.000 Euro brutto verdient (rund 18.000 Euro monatlich), beträgt die Gesamtbelastung knapp 42 Prozent – und liegt somit im Vergleich zum hohen Verdienst in einem leistbaren Rahmen.

    Durch die steuerliche Begünstigung des 13. und 14. Gehalts reduzieren sich die derzeit geltenden Grenzsteuersätze im Übrigen noch einmal. Sie sinken nämlich von 36,5 auf 32,14 Prozent sowie von 43,2 auf 37,9 Prozent und von 50 auf 43,7 Prozent.

    Die Mehrfachbesteuerung

    Schein: Es sei unfair, durch die Erbschaftssteuer bereits versteuertes Vermögen ein weiteres Mal zu belasten.

    Sein: Nicht nur Erbinnen und Erben müssen mehrmals Steuern bezahlen. „Jeder Euro wird in Österreich im Jahr an unterschiedlichen Punkten im Wirtschaftskreislauf (also mehrfach) besteuert, das entspricht dem Wesen funktionierender Steuersysteme in westlichen Hocheinkommensländern“, hält die AK Wien in einem aktuellen Thesenpapier fest. Immerhin bezahlen auch ArbeitnehmerInnen ihre Einkäufe oder Mieten mit bereits versteuerten Löhnen und müssen zusätzlich Umsatzsteuer berappen. Auch(Mindest-)Pensionistinnen und Pensionisten müssen mit ihrer bereits versteuerten ASVG-Pension die Miete begleichen oder Lebensmittel einkaufen und dafür nochmals Umsatzsteuer bezahlen. Hingegen kann gerade bei der Erbschaftssteuer nicht von einer Doppelbesteuerung gesprochen werden. Denn der/die Begünstigte hat für dieses einmalige – noch dazu leistungslose – Einkommen noch nie Steuern bezahlt. Somit werden die Betroffenen in diesem Fall sogar erst zum ersten Mal besteuert.

    Perlenketten in Gefahr?

    Schein: Gerne wird die Angst geschürt, dass sich der Staat am Schrebergarten, an Omas Perlenkette oder an der goldenen Taschenuhr des Großvaters bereichern will.

    Sein: Das ist natürlich Unsinn, diskutiert wird nämlich ein Freibetrag von 500.000 Euro. Um hier betroffen zu sein, müsste schon ein „Luxus-Schrebergartenhäuschen“ oder eine ganze Schatzkiste von Perlenketten und Goldschmuck vererbt werden.

    Der Staat als Spitzel?

    Schein: Die stärkere Besteuerung von Vermögen führt zu einer „Schnüffelsteuer durch die Hintertür“, Finanzbeamtinnen und -beamte würden ihre Nase bis in den Schlafzimmerschrank stecken, malen die GegnerInnen als Horrorszenario an die Wand. Es würde nämlich nicht reichen, die Vermögenswerte zu deklarieren, damit der Staat daraus die Erbschaftssteuer berechnen kann. Vielmehr müssten SteuerfahnderInnen die Richtigkeit der Aussagen auch vor Ort überprüfen.

    Sein: Hausrat und persönliche Gebrauchsgegenstände waren auch bei der in Österreich bis 1993 existierenden Vermögenssteuer ausgenommen. Ein Blick über die Grenzen hinaus zeigt außerdem: Ausnahmen wie diese gelten auch in anderen Ländern, die eine funktionierende Vermögenssteuer haben. Ein Beispiel dafür ist die Schweiz. Dort müssen die Steuerpflichtigen zu einem jährlichen Stichtag den Bruttovermögensstand angeben. Die eidgenössischen Steuerbehörden überprüfen daraufhin, ob diese Angaben auch plausibel sind. Es würde also ausreichen, stichprobenartig vertiefende Prüfungen durchzuführen – ganz so, wie dies heute schon in Österreich bei Selbstständigen gehandhabt wird. Laut AK wäre es somit ohne hohen Verwaltungsaufwand und ohne in Schlafzimmern schnüffelnden Finanzbeamtinnen und -beamte möglich, die Bemessungsgrundlage für die Steuer zu berechnen und diese einzuheben.

    1 Die Zahlen stammen aus der Erhebung „Household Finance and Consumption Survey“, die 2010 in allen europäischen Staaten durchgeführt worden ist. Quelle: EZB, OeNB.

    Mehr Infos im Web unter:
    www.steuermythen.at
    tinyurl.com/pwg2mzf
    tinyurl.com/q7ec5uc

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Harald Kolerus, Freier Wirtschaftsjournalist Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968459 FinanzbeamtInnen würden ihre Nase bis in den Schlafzimmerschrank stecken, malen die GegnerInnen der Vermögenssteuer als Horrorszenario an die Wand. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968464 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968129 Migration als Widerstand Von Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, sind es elf Flugstunden bis nach Amsterdam. Für Emmanuel Mbolela hat die Reise in seine neue Heimat in Europa sechs Jahre gedauert. Dabei war Europa nicht sein ursprüngliches Ziel. Überhaupt wollte er seine Heimat nicht verlassen, seine Familie und Freundinnen und Freunde nicht zurücklassen, um auf seiner Flucht das erleben zu müssen, was ihn sein Leben lang prägen wird. Doch Emmanuel hatte keine Wahl. Er musste 2002 aus seinem Land flüchten, weil er mit friedlichen Mitteln für eine demokratische und gerechte Gesellschaft gekämpft hat. Das Exil war der einzige Ausweg, sein Leben zu retten. In seinem Buch „Mein Weg vom Kongo nach Europa“ erzählt der ehemalige Flüchtling, was es bedeutet, sein Leben zu riskieren, um sich in Sicherheit zu bringen. Er spart dabei nicht mit Kritik an der Europäischen Union und an den westlichen Industriestaaten, die sich immer stärker gegen die mitverursachte Migration abschotten – mit fatalen Folgen.

    Zerstörung der Länder

    Mehr als 51 Millionen Menschen waren Ende 2013 laut dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) weltweit auf der Flucht. Das waren sechs Millionen Menschen mehr als im Jahr zuvor und so viele wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die größte Mobilitätsrate weltweit gibt es in Afrika. Die extreme globale Ungleichverteilung materieller und sozialer Ressourcen hat Menschen in Bewegung gesetzt, die selbst die Todesgefahr nicht scheuen, um in Europa Arbeit und Einkommen zu finden. „Wir sind hier, weil ihr unsere Länder zerstört“ ist zum Slogan einer neuen Migrationsbewegung geworden. Er macht deutlich, dass es die durch Industriestaaten dominierte Weltwirtschaft und die Ausbeutung von Bodenschätzen und Ressourcen sind, welche die instabile und kritische Situation vieler Länder bedingen. Viele Menschen aus dem globalen Süden sehen sich angesichts ihrer Lebensumstände gezwungen, zu migrieren. „Afrika wurde von multinationalen Konzernen und internationalen Finanzinstitutionen arm gemacht. Diktaturen werden von den westlichen Ländern unterstützt, bewaffnete Konflikte entfacht, um natürliche Ressourcen zu plündern, und Strukturanpassungsprogramme aufgezwungen“, kritisiert Emmanuel Mbolela.

    Seine Heimat, die Demokratische Republik Kongo, gehört zu den ärmsten und gefährlichsten Ländern der Welt. Seit Jahren herrscht Bürgerkrieg – stellvertretend für den Kampf um Rohstoffe. Dabei könnten gerade diese das Land zu einem der reichsten Länder Afrikas machen. Neben Gold, Öl, Diamanten oder Kupfer werden 80 Prozent der weltweiten Coltan-Vorkommen im Land vermutet – ein wesentlicher Bestandteil für Mobiltelefone. Bereits 2001 haben die Vereinten Nationen in einem Bericht festgehalten, dass Dutzende westliche Unternehmen von den systematischen Rohstoff-Plünderungen in der Demokratischen Republik Kongo profitieren und die Massaker an der Bevölkerung mit verantworten. Die chaotische Situation im Kongo ist vergleichbar mit jener zahlreicher anderer afrikanischer Staaten. Ein Großteil der für die Industriestaaten wichtigen Rohstoffe befindet sich auf den afrikanischen und asiatischen Kontinenten.

    Vom Abbau der Bodenschätze profitieren vor allem westliche Konzerne und Investoren. Bevölkerungsteile, meist aus dem ländlichen Raum, werden vertrieben oder umgesiedelt und verlieren dadurch ihre Lebensgrundlage. Seit der weltweiten Finanzkrise hat auch das „Land Grabbing“, also der Ausverkauf fruchtbarer Böden, explosionsartig zugenommen, berichtet Dieter Behr vom Netzwerk „Afrique-Europe-Interact“. Das gekaufte oder gepachtete Land wird meist günstig erworben und für exportorientierte industrielle Landwirtschaft oder für Pflanzen zur Produktion von Agrotreibstoffen genutzt. Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen, FischerInnen und ViehzüchterInnen verlieren dadurch den Zugang zu Land und Wasser, sprich ihre Existenzgrundlage. Seit der Krise werden die Ackerflächen als neue Anlageformen und für Spekulationen genutzt. Die Finanzkrise habe eine gewaltige neokoloniale Enteignungswelle von Land, vor allem in Afrika, in Gang gesetzt, berichtet Dieter Behr.

    Wohlstand durch Ausbeutung

    Das Wirtschaftssystem hat der Bevölkerung des globalen Nordens materiellen Wohlstand gebracht. Dieser beruht allerdings zu einem bedeutenden Teil auf der Ausbeutung von Ressourcen des globalen Südens und der Zerstörung von Landwirtschaft und Umwelt. Je mehr die Länder des globalen Südens von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt werden, desto stärker wächst der Druck, die Heimat zu verlassen. „Notwehr“ nennt der Schweizer Globalisierungskritiker Jean Ziegler das Handeln von Emmanuel Mbolela und vielen Tausenden Menschen aus Zentralafrika und anderen Weltgegenden, die mittels Flucht in die Festung Europa ihr Leben zu retten versuchen – sei es aufgrund von Krieg, politischer Verfolgung, Armut oder Hunger.

    Die Europäische Union bzw. ihre Mitgliedsstaaten reagieren auf die wachsende Migration aus dem globalen Süden mit Abschottung und der Verschärfung ihrer Grenzschutzpolitik. „Die EU bezahlt die Länder des Maghreb, damit sie den Wachhund für Europa spielen“, kritisiert Emmanuel Mbolela. Denn um die „illegale“ Einreise schon vor den Außengrenzen der EU zu verhindern, finanziert die EU zahlreiche Flüchtlingslager in Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, in der Türkei oder der Ukraine. Vier Jahre hat Emmanuel in einem der Lager in Marokko verbracht. Er hat miterlebt, wie Flüchtlinge, mit oder ohne Asylbescheid, in die Wüste abgeschoben wurden, wie Frauen vergewaltigt und Flüchtlinge aufgrund von Fremdenhass ermordet wurden. „Indem die EU Marokko Geld dafür gibt, die Grenzen zuzumachen und dicht zu halten, nimmt sie das Massensterben auf dem Mittelmeer und in der Wüste in Kauf. Die unmenschliche Behandlung in den Durchgangslagern ist eine Folge der EU-Grenzpolitik“, kritisiert Mbolela, der selbst nur durch Zufall dem Tod auf dem Meer entkommen ist.

    Zeitalter der irregulären Migration

    Die Grenzen der EU werden immer undurchlässiger, die Wege dorthin immer länger, teurer und gefährlicher. Doch die Abschottungspolitik führt nicht dazu, dass weniger Menschen nach Europa einwandern, sondern nur, dass sie dies vermehrt auf irregulärem Weg tun. Eines machen die steigenden Flüchtlingsströme klar: Migration lässt sich nicht regulieren. Keine noch so gefährliche Überfahrt, kein noch so hoher Stacheldrahtzaun wird Menschen davon abhalten, nach einem besseren Leben zu streben. Dieter Behr sieht darin einen Akt der Emanzipation und des Widerstands: „Migration, verstanden als soziale Bewegung, trägt immer auch das Moment der (Wieder-)Aneignung materieller und immaterieller Ressourcen in sich. Die weltweit dominierenden ‚ökonomischen‘ Migrantinnen und Migranten wandern gegen das Ausbeutungsgefälle in die Akkumulationszentren und fordern, oftmals ohne jegliche politische Artikulation, ihr Recht auf Einkommen und selbstbestimmtes Leben.“

    2008 ist es Emmanuel Mbolela gelungen, über das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR politisches Asyl in Holland zu bekommen. Doch auch mit Papieren, einem fast abgeschlossenen Studium der Wirtschaftswissenschaften und europäischem Boden unter den Füßen ist das Leben als Migrant nicht einfach. Diskriminierungen und Vorurteile, kaum Aussicht auf Arbeit oder entsprechende Entlohnung gehören auch in Europa zum migrantischen Alltag. Emmanuels Kampf für ein Recht auf Bewegungsfreiheit und auf ein menschenwürdiges Leben geht weiter. Mit seinem Buch möchte er Stimmlosen eine Stimme geben, wie er sagt. Es ist ein Aufschrei, um auf die Missstände der Migrationspolitik aufmerksam zu machen und dagegen Widerstand zu leisten. „Ungleichheit ist kein Naturzustand“, wie Jean-Jacques Rousseau bereits im Jahr 1754 schrieb, „sondern ein gesellschaftlich produziertes und reproduziertes Phänomen, deren Legitimität stets umkämpft bleibt.“ Emmanuel ist beispielhaft für diesen Kampf.

    Netzwerk aus Aktivistinnen und Aktivisten aus Westafrika und Europa: www.afrique-europe-interact.net

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968450 Je mehr der globale Süden von der allgemeinen Wohlstandsentwicklung abgekoppelt wird, desto stärker wächst der Druck auf die dort lebenden Menschen, ihre Heimat zu verlassen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968442 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968120 Zahlen, Daten, Fakten Einkommen und vor allem Vermögen sind in Österreich sehr ungleich verteilt. Brandaktuelle Studien bestätigen das aufs Neue.

    Die Verteilung der Privatvermögen, von Einkommen aus Vermögen und von Vermögen zwischen Frauen und Männern ist sehr ungleich. Zugleich treffen Steuern immer mehr die „kleinen Leute“.
    Höchste Zeit, die Lohnsteuern runter zu bringen!

    Zahlen, Daten, Fakten zum Thema anbei zum Downloaden!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Christa Schlager und Miriam Rehm, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874970092 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968103 Die Vermögensschieflage belastet vor allem die ArbeitnehmerInnen Über die Verteilung von Vermögen war in Österreich lange Zeit sehr wenig bekannt. Da keine Vermögenssteuer erhoben wird und es auch keine anderen Aufzeichnungen gibt, tappten die ForscherInnen lange Zeit im Dunkeln, wie es um den privaten Reichtum in Österreich bestellt ist. Bis die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) begann, im Auftrag der Europäischen Zentralbank (EZB) Vermögensdaten privater Haushalte in groß angelegten Studien zu erheben. Anlass dafür war, dass die EZB herausgefunden hatte, dass hohe Schulden-, aber auch hohe Vermögensbestände die Stabilität der Finanzmärkte beeinträchtigen können. Aber auch die Bevölkerung und die Wissenschaft sind interessiert daran, wie ungleich der Reichtum in diesem Land verteilt ist – und welche Konsequenzen dies hat. Inzwischen gibt es erste tiefer gehende Studien von der Universität Linz und der Wirtschaftsuniversität Wien auf Basis der erhobenen Daten der Zentralbank. Die Forschungsergebnisse belegen die extrem ungleiche Verteilung von Vermögen, Erbschaften und Kapitaleinkommen. Schon die Erstauswertung der OeNB zeigte eine sehr starke Ungleichverteilung der Vermögen privater Haushalte in Österreich. Dabei unterschätzte diese Studie auch nach eigenem Dafürhalten die tatsächliche Schieflage, da besonders vermögende Haushalte bei der Erhebung unterrepräsentiert waren. Ein Forschungsteam der Universität Linz errechnete daher im Auftrag der Arbeiterkammern Wien und Oberösterreich diese fehlenden Vermögen an der Spitze.

    Da die Reichsten in den bisher bekannten Daten untererfasst wurden, wirkt sich die Korrektur der Uni Linz vor allem auf das oberste Prozent der Reichen aus. Das Vermögen dieser kleinen Gruppe verdoppelt sich auf fast 470 Milliarden Euro. Ein Prozent der österreichischen Haushalte besitzt somit über ein Drittel (38 Prozent) des gesamten Privatvermögens. Die reichsten zehn Prozent nennen insgesamt über zwei Drittel (69 Prozent) des gesamten Haushaltsvermögens ihr Eigen. Den restlichen 90 Prozent der Haushalte bleibt somit knapp ein Drittel (31 Prozent) des Vermögens. Das Netto-Gesamtvermögen (also das Vermögen abzüglich Schulden) aller österreichischen Haushalte beträgt 1,25 Billionen Euro. Damit ist es rund 4-mal so hoch wie die jährliche Wirtschaftsleistung (BIP) Österreichs.

    Ein Prozent hat mehr als alle anderen

    Diese Ergebnisse werden noch drastischer, wenn man sich das durchschnittliche Nettovermögen der Haushalte ansieht. Die Hälfte der österreichischen Haushalte verfügt über weniger als 74.000 Euro Nettovermögen, für drei Viertel der Bevölkerung liegt diese Grenze bei etwa 247.000 Euro. Während ein Großteil der österreichischen Haushalte somit über Vermögen in Form von beispielsweise einem Eigenheim, einem Auto und einigen Ersparnissen nicht hinauskommt, nimmt das Vermögen am oberen Ende der Verteilung sehr rasch zu. Millionärshaushalte finden sich erst unter den obersten fünf Prozent. Mit einem durchschnittlichen Nettovermögen von 12,7 Millionen Euro ist das reichste Prozent enorm vermögend. Ein Prozent der österreichischen Haushalte verfügt damit in Summe über deutlich mehr Reichtum als die unteren 90 Prozent der Haushalte zusammen.

    Reiche Haushalte erben mehr

    Große Bedeutung für die ungleiche Verteilung von Vermögen haben Erbschaften und Schenkungen. In den meisten Fällen können sehr große Vermögen erst durch Vererbung über Generationen hinweg aufgebaut werden – die Geburtslotterie bestimmt, wer sehr reich wird. Die Daten der vorliegenden Studien zeigen, dass Erbschaften in Österreich noch ungleicher verteilt sind als das Gesamtvermögen.

    Rund 35 Prozent aller österreichischen Haushalte haben bereits mindes-tens einmal geerbt. Bei vermögenden Haushalten traten Erbschaften noch dazu deutlich öfter auf. Von den reichsten zehn Prozent erhielten über zwei Drittel (72 Prozent) Erbschaften. Bei den vermögensärmsten 40 Prozent der Haushalte erbte hingegen nur etwa jeder Zehnte. Reiche Haushalte erbten nicht nur öfter, sondern auch mehr. Gerechnet zum Gegenwartswert (also inflationsbereinigt) erhielten die vermögendsten zehn Prozent der Haushalte im Durchschnitt etwa 310.000 Euro. Für die vermögensärmsten 40 Prozent betrug das Erbe hingegen nur etwa 14.000 Euro.

    Die 35 Prozent jener Haushalte, die eine Erbschaft erhielten, verfügen über mehr als 62 Prozent des gesamten Nettovermögens. Allein die Erbschaften summieren sich auf ein knappes Drittel des Gesamtvermögens. Dabei wird die Höhe der Erbschaften mit Sicherheit unterschätzt, da Angaben zu Erbschaften von den vermögendsten Haushalten öfter verweigert wurden bzw. ganz fehlen.

    Zunahme erwartet

    Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien berechnete, dass die Anzahl und Höhe der Erbschaften aufgrund der demografischen Struktur Österreichs in den kommenden Jahren noch deutlich zunehmen werden. Die Wissenschafter rechnen daher mit einem Anstieg des übertragenen Vermögens von 9,5 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf über 14 Milliarden Euro jährlich bis 2020. Durch diesen Anstieg der Erbschaften wird die Verteilung der Vermögen in den kommenden Jahren noch ungleicher werden.

    Dies hat enorme gesellschaftliche Konsequenzen. Viele Studien zeigen schon jetzt, dass es nicht egal ist, welcher Eltern Kind man ist. Die Bildung vom Elternhaus, die Wohngegend, die Schulwahl und nicht zuletzt die finanziellen Mittel der Familie spielen eine enorme Rolle für die individuellen Lebenschancen eines Kindes (siehe auch „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“). Wenn sich die bestehende Schieflage noch weiter zuspitzt, nimmt die Durchlässigkeit in der Gesellschaft weiter ab. Die Reichen bleiben reich und die Armen arm. Dies war und ist in Adelsgesellschaften so, widerspricht aber den Vorstellungen einer aufgeklärten demokratischen Gesellschaft. Hier sollten alle Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht die Möglichkeit bekommen können, in der Gesellschaft aufzusteigen und Erfolg zu haben. Um dies zu gewährleisten, heißt es, von den vermögenden Haushalten zu denen mit wenig Vermögen umzuverteilen.

    Die Forschungsergebnisse zur Vermögensverteilung in Österreich zeigen eindrucksvoll, dass die Schieflage beim Reichtum enorm ist. Die ungleiche Steuerbelastung von Einkommen aus Arbeit gegenüber Kapitaleinkommen verstärkt diese Schieflage zusätzlich. So ist weithin bekannt, dass Österreich bei der Besteuerung von Vermögen international zu den Schlusslichtern gehört, bei der Besteuerung von Arbeit hingegen zu den Spitzenreitern. Eine notwendige Entlastung der ArbeitnehmerInnen kann nur mit höheren vermögensbezogenen Steuern gegenfinanziert werden. Denn die Spielräume im Budget sind begrenzt. Notwendige Strukturreformen können nicht ad hoc erfolgreich umgesetzt werden. Zudem werden zusätzliche Mittel im Bildungswesen und zur Pflege älterer Menschen gebraucht.

    Mithilfe der jetzt vorliegenden Vermögensdaten können die Aufkommen aus unterschiedlichen Vermögenssteuermodellen berechnet werden. Die Universität Linz berechnete verschiedene Steuertarife und kam mit großzügigen Freibeträgen auf ein potenzielles Aufkommen zwischen zwei und fünf Milliarden Euro pro Jahr. Zusätzlich könnte eine Wiedereinführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern laut Berechnungen einer Studie der WU Wien rund 550 Millionen Euro jährlich einbringen. Durch eine sinnvolle Ausgestaltung dieser Steuern mit großzügigen Freibeträgen wäre die breite Mehrheit der österreichischen Haushalte gemäß diesen Studien von diesen Steuern auch gar nicht betroffen.

    Dies zeigt, dass eine Erhöhung vermögensbezogener Steuern finanzielle Mittel für die dringend notwendige steuerliche Entlastung für ArbeitnehmerInnen liefern kann. Damit wäre nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig ein wichtiger Schritt für eine offene und soziale Gesellschaft gesetzt.

    Die Broschüre „Top-Vermögen und Einkommen in Österreich“ ist erhältlich unter:
    tinyurl.com/qjhzwdd

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen christa.schlager@akwien.at und miriam.rehm@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christa Schlager und Miriam Rehm, Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968425 Da keine Vermögenssteuer erhoben wird und es auch keine anderen Aufzeichnungen gibt, tappten die ForscherInnen lange Zeit im Dunkeln, wie es um den privaten Reichtum in Österreich bestellt ist. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968430 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968097 Viele Beschäftigte, wenig Einkommen Noch nie in der Zweiten Republik waren so viele Menschen unselbstständig beschäftigt wie heute. Dennoch entwickelt sich die Summe der Arbeitseinkommen1 deutlich schwächer als die Unternehmens- und Vermögenseinkommen: Während erstere zwischen 2000 und 2010 durchschnittlich um 2,9 Prozent pro Jahr zunahmen, erhöhten sich Letztere im selben Zeitraum um durchschnittlich 4,5 Prozent pro Jahr – und das, obwohl der Einbruch der Gewinne und Vermögenserträge im Krisenjahr bei fast 16 Prozent lag2. Umgelegt auf die Zahl der unselbstständig Beschäftigten wuchsen die ArbeitnehmerInnenentgelte brutto um 2,3 Prozent pro Jahr, das entspricht einer realen jährlichen Zunahme von 0,6 Prozent. Aufgrund der Lohnsteuer- bzw. der Sozialversicherungsstatistik ist die Zahl der Beschäftigten statistisch dokumentiert und damit sowohl die Pro-Kopf-Einkommensentwicklung als auch die Verteilung der Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit bekannt. Bei der Anzahl der Unternehmens- und Vermögenseinkommensbeziehenden, aber vor allem bei der Verteilung dieser Einkommen tappen wir im statistischen Dunkeln. Grund dafür ist die Form der Besteuerung, die über das Unternehmen abgewickelt wird. Die Steuerstatistik gibt somit keine Auskunft darüber, an welche Personen die ausgeschütteten Gewinne fließen bzw. wie hoch die Nicht-Lohn-Einkommen jener Personen insgesamt sind, die solche Zuflüsse haben3. Diese Lücke lässt sich über einen Umweg schließen: Die Europäische Zentralbank erhebt Finanzen und Konsum der privaten Haushalte (Household Finance and Consumption Survey, HFCS). Hier werden von den privaten Haushalten neben der Verschuldung alle Sach- und Finanzvermögensbestände erhoben, sodass laufende Einkommen aus diesen Beständen ermittelt werden können und real existierenden Haushalten zurechenbar sind. 

    International ist in den vergangenen Jahrzehnten eine steigende Erwerbs-Einkommensungleichheit vorhanden4, die sich in den Einkommensdaten der Lohnsteuerstatistik auch für Österreich bestätigt. Dieser Trend ist einerseits durch die Zunahme der Niedriglohnbeschäftigung und der destandardisierten Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeitjobs oder geringfügige Beschäftigung getrieben. Andererseits ist er vom stärkeren Wachstum der Hochlöhne verursacht: Die 20 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen hatten deutliche Einkommenszuwächse, während die Einkommen der (unteren) Hälfte der Lohnsteuerpflichtigen Einkommensrückgänge verzeichneten. Arbeitsplätze geschaffen wurden meist in eher gering bezahlten Dienstleistungsberufen, wo noch dazu der Frauenanteil überdurchschnittlich hoch und die Bezahlung unterdurchschnittlich ist.

    Die Verteilungsschieflage bei Selbstständigen, soweit sie überhaupt in der Einkommensteuerstatistik erfasst sind, ist noch größer als bei den Unselbstständigen5: Die Verteilungsschieflage ist hier zwischen Gewerbetreibenden und freien Berufen und hier jeweils wieder zwischen Frauen und Männern besonders groß.

    Verteilungsschieflage

    Anhand eines wichtigen Maßes für Verteilungen lassen sich die Schieflagen der genannten Einkommen und Vermögen nachvollziehen: Der Gini-Koeffizient hat einen Wert zwischen 0 und 1, wobei null absolute Gleichverteilung bedeutet, während beim Wert 1 eine Person/ein Haushalt alles besitzt. Bei den Bruttoerwerbseinkommen weisen vollzeitbeschäftigte Männer die egalitärste Verteilung auf, dort beträgt er 0,336. Zum Vergleich: Bei allen aktiv Beschäftigten beträgt er 0,45. Am größten ist die Verteilungsschieflage bei den freiberuflich Tätigen, dort beträgt der Koeffizient 0,55. Die finanzielle Lebensgrundlage bilden neben dem Erwerbseinkommen auch staatliche Leistungen (Familienleistungen, Arbeitslosigkeitsleistungen etc.). Die verfügbaren Haushaltseinkommen (Erwerbs- und Kapitaleinkommen zuzüglich Transfers abzüglich Steuern und Abgaben) sind bei den Haushalten unselbstständig Erwerbstätiger gleichmäßiger verteilt als bei Selbstständigen. Dennoch erwirtschafteten 20 Prozent der Haushalte mit den niedrigsten verfügbaren Pro-Kopf-Haushaltseinkommen nach 2008 einen zunehmend niedrigeren Anteil am Gesamteinkommen, während das Gegenteil auf die 20 Prozent der Haushalte mit den höchsten verfügbaren Pro-Kopf-Haushaltseinkommen zutrifft. Insbesondere das Erwerbseinkommen ist im unteren Einkommensbereich deutlich zurückgegangen, wodurch die Haushalte in einem größeren Ausmaß auf Transfers (insbesondere Arbeitslosenleistungen) angewiesen sind. Bei den mittleren Haushaltseinkommen haben sich die Einkommensanteile seit 2007 hingegen relativ konstant entwickelt. Am größten ist die Ungleichverteilung bei den Vermögensbeständen: Die erwähnte HFCS-Statistik zeigt, dass zehn Prozent der Privathaushalte in Österreich über ein Nettovermögen von weniger als 1.000 Euro verfügen, während die reichsten zehn Prozent der Haushalte ein Nettovermögen von 542.000 Euro besitzen. 

    Neuausrichtung der Politik

    Der vorhandene Trend zu steigenden Verteilungsschieflagen, der mit einer Verschlechterung der ökonomischen und damit sozialen Chancengleichheit breiter Bevölkerungsschichten einhergeht, muss durch eine Neuausrichtung der Politik gebremst werden. Wichtige Ansatzpunkte hierfür sind:

    • Eine Ausweitung des lohnpolitischen Verhandlungsspielraums, d. h. eine stärkere Ausrichtung der Lohnsteigerungen am Produktivitätswachstum und am Anstieg der Verbraucherpreise. Dies wurde im Schnitt der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht erreicht.
    • Von den Sozialversicherungsbeiträgen und der Einkommensteuer geht eine im internationalen Vergleich hohe Belastung für BezieherInnen niedriger und mittlerer Einkommen aus7, die es zu reduzieren gilt.
    • Erhöhung der Progressivität des Steuersystems: LeistungsträgerInnen leisten Beiträge im Sinne ihrer Leistungsfähigkeit. Bei der Lohn- und Einkommensteuer ist dieses Prinzip verwirklicht, nicht aber bei den Nicht-Erwerbseinkommen. Nicht die Besteuerung an der Quelle, sondern eine Besteuerung der Personen, die Erträge aus Vermögen bekommen, ist ein erster Schritt in diese Richtung.
    • Vermögensübertragungen verändern ebenfalls die ökonomische Leistungsfähigkeit der betroffenen Personen und sind damit ebenfalls bei der Behebung der Verteilungsschieflage in Österreich einzubeziehen.

    1 
Beschäftigtenzahl mal Bruttoverdienste.
    2 
Sozialbericht 2011–2012.
    3 
Guger, A./Mayrhuber, Ch./Scheiblecker, M.: Möglichkeiten zur Ermittlung und Systematisierung der Nicht-Lohn-Erwerbseinkommen und ihrer Verteilung in Österreich, WIFO-Monografie, Juni 2014, tinyurl.com/poh2pjq
    4 
Siehe etwa OECD, Divided We Stand – Why Inequality Keeps Rising, Paris 2011.
    5 
Mayrhuber, Ch./Leoni, Th./Marterbauer, M.: Entwicklung und Verteilung der Einkommen: Grundlagen zum Sozialbericht 2010, WIFO-Monografie, tinyurl.com/ofcfqh

    6 Sozialbericht 2011–2012.
    7 OECD, 2014, Taxing Wages, http://www.oecd.org/tax/tax-policy/taxing-wages.htm

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen Christine.Mayrhuber@wifo.ac.at und Silvia.Rocha-Akis@wifo.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christine Mayrhuber, Silvia Rocha-Akis, WIFO Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968409 Am gerechtesten sind Einkommen bei vollzeitbeschäftigten Männern verteilt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968417 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968091 Das Erbe der Ungleichheit Manche gesellschaftlichen Veränderungen bemerken Menschen leider erst, wenn es schon zu spät ist. Zumindest auf die ungleiche Verteilung von Vermögen scheint diese Feststellung eindeutig zuzutreffen. Zwar faszinieren oder erschrecken seit Längerem Listen zu Milliardären und Millionären. Welche Folgen ihr sagenhafter Reichtum für die Gesellschaft und insbesondere die Demokratie hat, blieb bislang allerdings unbeachtet. Mit seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ gibt der französische Ökonom Thomas Piketty nun allen, die sich um eine gerechtere Gesellschaft bemühen, solide Daten für die Verteilungsdebatte in die Hand.

    Piketty beschreibt die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seit dem 18. Jahrhundert. Sein historischer Blick erweist sich als sehr aufschlussreich. Denn Piketty zeigt auf, dass die langfristige wirtschaftliche Entwicklung durch zwei Elemente gekennzeichnet ist: massive soziale Ungleichheit und bescheidene Wachstumsraten. Die Aufschwungphase nach dem Zweiten Weltkrieg hingegen stellt nur eine kurze Unterbrechung dieses Trends dar.

    Pikettys grundlegende These lautet: Verteilung ist das größte Problem der Gesellschaft – oder besser gesagt die Tatsache, dass die Reichen reicher werden. Bislang konnte diese Meinung von den Eliten als neidvolles Ressentiment diffamiert werden. Die akribisch gesammelten empirischen Datensätzen des Ökonomen vom renommierten Pariser Forschungsinstitut EHESS machen dies nun deutlich schwerer.

    Gegen Reichtumsrelativierer

    Piketty hält fest, dass es die Reichen sind, die Aktien, Anleihen und Unternehmensbeteiligungen haben. Sie können also stets auf ihr Vermögen zurückgreifen, während der Rest der Bevölkerung bestenfalls die Arbeitskraft zur Verfügung hat. Entsprechend können nur Reiche beträchtliche Vermögenseinkommen erzielen. Zudem bringen die großen Vermögen die höheren Renditen, was wiederum die Ungleichheit erhöht.

    Der Franzose beschreibt die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seit dem 18. Jahrhundert und beleuchtet, wie stark konzentriert der Reichtum in den Händen von wenigen ist. Besonderes Augenmerk muss seines Erachtens auf das reichste Tausendstel, die vermögende Elite, gelegt werden. Konservative ideologische Zugänge engen das Thema des Reichtums ein oder weiten es ins Nebulöse aus – und relativieren damit zugleich Reichtum. Gerne werden Reiche nur mit Wohlhabenden verglichen. Es ist ein erwünschter Nebeneffekt, dass die Lebenssituation der gesamten unteren Hälfte von dieser Debatte verdeckt wird. Beliebt ist es auch, vom Reichtum der Alten und den fehlenden Chancen der Jungen zu sprechen. Vergessen werden dann die BezieherInnen von Mindesteinkommen unter den Alten sowie die privilegierte Generation der ErbInnen. Problematisch ist auch die Unterscheidung zwischen Ländern, etwa zwischen armem Süden und reichem Norden. Damit wird Armut in den „reichen Ländern“ relativiert. Globale Verteilungsfragen müssen von der Diskussion über Wohlstand in einem Land unterschieden werden.

    Entzaubertes Wachstum

    Pikettys viel zitierte Formel lautet r > g, wobei r die Rendite auf Vermögen bezeichnet und g das Wirtschaftswachstum. Historisch war die Rendite auf Vermögen fast immer höher als das Wirtschaftswachstum. Aber auch wenn das BIP wächst, bedeutet das nicht automatisch, dass für alle der Lebensstandard steigt. Zwar mag grundsätzlich die Wahrscheinlichkeit größer sein, dass bei einem höheren Wirtschaftswachstum auch die Einkommensarmen besser leben können. Zwingend ist es allerdings keineswegs, wie nicht zuletzt die Entwicklung der letzten Jahren belegt: Die Wachstumszuwächse landeten alle bei den Reichen.

    Die Anteile der Reichen am gesamten Einkommen und Vermögen in einem Land sind beträchtlich. Man würde erwarten, dass sich diese Konzentration in den Händen weniger deutlich verringert hat. Dem ist aber nicht so: Im 18. und 19. Jahrhundert besaßen die Top-10-Prozent ganze 90 Prozent des gesamten Vermögens, die Top-1-Prozent immer noch 60 Prozent. Heute haben die reichsten zehn Prozent „nur“ 60 bis 70 Prozent und das reichste ein Prozent „nur“ 20 bis 30 Prozent. Die untere Hälfte hat weiterhin fast nichts (unter fünf Prozent).

    Einkommensungleichheit wird im Kapitalismus ideologisch mit dem Prinzip der Meritokratie begründet: Es soll mehr verdienen, wer mehr leistet. Ungleichheit liefere einen Anreiz, mehr zu leisten. Reichtum ist dann so etwas wie der Jackpot für alle, die sich übermäßig anstrengen und besonders talentiert sind. Doch wie passt die enorme Konzentration von Vermögen in den Händen weniger zu diesem leistungsbezogenen Zugang?

    Es wird immer deutlicher, dass das Versprechen der Meritokratie nicht den gesellschaftlichen Realitäten entspricht – und auch nie eingelöst wurde. Sie befeuerte lediglich Hoffnungen, denn wenigstens kurz konnte man glauben, dass die Sieger nicht schon am Start feststehen. Piketty entzaubert eben dieses Versprechen vom gesellschaftlichen Aufstieg der Leistenden. Denn der Weg nach oben ist immer verstellter, die Ungleichheit wird immer eklatanter (siehe auch „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm“). Ja, unsere Gesellschaft beginnt jener des 19. Jahrhunderts mit völlig verfestigten Sozialstrukturen zu ähneln. Entscheidend ist in einer solchen Welt das geerbte Vermögen und nicht die Leistung.

    Erben steht denn auch im Zentrum des Piketty-Buches. Bei den leistungslosen Erbschaften kollabiert die Legitimation der Ungleichheit über Leistung. Im 19. Jahrhundert haben zehn Prozent der Bevölkerung mehr in Form von Erbe und Schenkungen gehabt, als die untere Bevölkerung in ihrem Leben verdiente. Im 20. Jahrhundert hatten Kriege und Steuern die Bedeutung der Erbschaften sinken lassen. Der Anteil der reichen ErbInnen, die allein von ihrer Erbschaft leben konnten, sank auf zwei Prozent. Doch im 21. Jahrhundert dreht sich dies wieder. Die Kohorten der ab 1970 Geborenen können wieder größere Erbschaften erwarten. Geerbt wird das Vermögen des wohlhabenden Teils der Nachkriegsgeneration. Piketty prognostiziert, dass die Gruppe jener Menschen, die nicht arbeiten müssen, weil sie von der Erbschaft leben können, auf zwölf Prozent anwachsen wird. Mit der steigenden Bedeutung von Erbschaften wird auch die Gesellschaft ungleicher.

    Sogar bei den statistischen Fragen macht Piketty die Verschränkung von Politik und Interessen der Vermögenden sichtbar. Gute Statistiken zur Verteilung haben ein subversives Potenzial, denn sie machen sichtbar, was Vermögende so gerne unter den Teppich kehren würden: die unbegründete Ungleichheit.

    Die Französische Revolution war es, die ein Vermögenssteuerregister ermöglichte und großartige Debatten zum Erbrecht einleitete. Piketty fordert vor diesem Hintergrund, dass die Steuerbehörden alle Informationen bekommen sollten, die es ihnen ermöglichen, das Nettovermögen der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu berechnen. Diese Forderung entspringt keineswegs dem Wunsch, im Nachtkasten zu schnüffeln (siehe auch „Die Perlenkette im Schrebergarten"). Vielmehr ist sie die Basis für Gerechtigkeitsdebatten.

    Globales Problem

    Das Problem der Vermögenskonzentration ist ein globales, eine koordinierte Vorgangsweise von den G-20 wäre eine angemessene wirtschaftspolitische Reaktion darauf. Piketty plädiert für eine globale Vermögenssteuer. Er macht klar, dass eine rationale Rechtfertigung des ansteigenden Reichtums nicht zu haben ist. Gerechtfertigt wäre nur jene Ungleichheit, die zum sozialen Nutzen beiträgt. Unbekannt ist, wie viel an Ungleichheit eine Gesellschaft aushält. Der Anstieg ist jedenfalls für die Demokratie bedrohlich, denn es entstehen neue soziale Verkrustungen. Die Gefahr besteht, dass sich eine privilegierte Schicht von Rentiers, Erben und Supermanagern immer weiter vom Rest der Bevölkerung entfernt – wenn wir nicht schon mitten in dieser Entwicklung sind.

    Siehe dazu auch den Beitrag von Thomas Piketty im A&W-Blog
    „Warum eine globale Vermögenssteuer hilft, die Ungleichheit zu verringern“:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/warum-eine-globale-vermoegenssteuer-hilft-die-ungleichheit-zu-verringern/

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    Martin Schürz, Ökonom in Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968372 Unsere Gesellschaft beginnt jener des 19. Jahrhunderts mit völlig verfestigten Sozialstrukturen zu ähneln, warnt der französische Ökonom Thomas Piketty. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968367 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968081 Being Branko Milanovi&#263; Auf den ersten Blick sieht Branko Milanović mehr wie ein gemütlicher Mathematiklehrer aus und weniger wie ein weltweit angesehener Wirtschaftswissenschafter. Der ehemalige Ökonom der Forschungsabteilung der Weltbank ist Ende August Stargast beim Forum Alpbach. Seit über 30 Jahren beschäftigt sich der gebürtige Serbe mit der Verteilung und Ungleichheit von Einkommen. Er wird gerne mit seiner Parademetapher zitiert: „Ungleichheit ist wie Cholesterin.“ Dabei unterscheide man wie beim Cholesterin zwischen guter und schlechter Ungleichheit. Gute Ungleichheit biete den Menschen einen Anreiz, Risiken einzugehen, härter zu arbeiten, mehr zu lernen, um mehr Geld zu verdienen. Sie schaffe Leistungsanreize und kurble die Wirtschaftsdynamik an. Anders liegen die Dinge jedoch bei der schlechten Ungleichheit. Diese festigt bestehende Strukturen und lähmt die Gesellschaft, beispielsweise wird ärmeren Gesellschaftsschichten aufgrund von Geldmangel der Zugang zur Bildung verwehrt. Aber wer ist denn jetzt eigentlich dieser Branko Milanović?
     
    Statistik statt Studentenpartys

    Milanović wurde am 24. Oktober 1953 in Belgrad geboren. Bereits relativ früh konnte er sich für soziale Themen begeistern, er entdeckte schnell seine Vorliebe für Zahlen und interessierte sich für soziale Zusammenhänge. Dementsprechend entschied er sich, Wirtschaftswissenschaften zu studieren, und inskribierte an der Wirtschaftsuniversität in Belgrad. Die jugoslawische Teilrepublik Serbien konnte selbst damals eine hohe Wirtschaftswachstumsrate verzeichnen, der gesellschaftliche Wohlstand – auch der seiner eigenen Familie – stieg von Jahr zu Jahr.

    Milanović mochte empirische Wirtschaftswissenschaften und spezialisierte sich auf Statistik, bis er es verstand, sein Wissen und Verständnis aus Sozialthemen und Zahlen zu kombinieren.

    „Ich habe angefangen, zu überprüfen, ob die paar Einkommensdaten, die ich hatte, mit der Kurve übereinstimmen würden. Damals benutzten wir noch Papier, Stift und Taschenrechner, um die Größe jeder Gruppe und ihren Anteil am Totaleinkommen zu berechnen. Dann wandten wir eine statistische Funktion an, um zu sehen, ob die Zahlen stimmen oder nicht. Es schien mir, dass sich irgendwie das Geheimnis, wie Geld unter den Menschen verteilt wird oder wie Gesellschaften organisiert sind, vor mir offenlegen würde. Ich habe viele Nächte damit verbracht, diese Zahlen durchzugehen. Ich habe das lieber gemacht, als mit Freunden auszugehen.“

    1977 schloss Milanović sein Studium an der Wirtschaftsuniversität Belgrad ab und knüpfte mit einem Doktorat an, das er 1987 erfolgreich beendete. In seiner Dissertation behandelte er die Einkommensungleichheit im ehemaligen sozialistischen Jugoslawien – vier Jahre nach seiner erfolgreichen Defensio zerfiel die Sozialistische Föderative Republik. Milanović forschte weiter zur Einkommensverteilung in Osteuropa in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zerfall der Sowjetunion. Indem jedoch die Staaten nach und nach der Europäischen Union beitraten, verlor dieses Thema an Bedeutung. Daher begann Milanović, sich der Einkommensverteilung auf globaler Ebene zu widmen.

    Rezepte für eine gerechtere Welt

    Ab 1990 arbeitete er in der Forschungsabteilung der Weltbank in Washington und beschäftigte sich mit der Analyse von Armut, Ungleichheit und Haushaltsbefragungen. Seit 1996 lehrt er an Universitäten und Hochschulen, so war er als außerordentlicher Professor an der Johns Hopkins University und als College-Park-Professor an der Universität von Maryland tätig. Seit 2014 lehrt er am Graduate Center der City University of New York.

    2011 veröffentlichte Milanović sein Buch „The Haves and the Have-Nots“, in dem er in drei Essays und 26 Kurzgeschichten, sogenannten „Vignettes“, einen Überblick über die globale Ungleichheit gibt. Dabei differenziert Milanović zwischen drei Arten der Ungleichheit: zwischen den Bürgern eines Staates, zwischen verschiedenen Nationen und zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Welt.

    Im 21. Jahrhundert angekommen sind die Menschen so reich wie noch nie. Global betrachtet beziehen neun Prozent der Weltbevölkerung rund 50 Prozent des Gesamteinkommens, die ärmsten zehn Prozent hingegen nur 0,7 Prozent. Bildlich gesprochen: Um das zu verdienen, was die Reichsten in einem Jahr erarbeiten, müssten die Ärmsten fast 200 Jahre lang arbeiten.

    Globale Ungleichheit reduziert

    Auch wenn es uns genau gegenteilig erscheint, die derzeitige Entwicklung betrachtet Milanović als positiv. So konnten Indien, China und Indonesien mit einem großen Aufschwung punkten, viele Arme konnten ihre Situation deutlich verbessern. China verzeichnete in den vergangenen 30 Jahren das rasanteste Wirtschaftswachstum eines Landes in der Geschichte, viele Menschen haben den Sprung in die mittlere Gesellschaftsschicht geschafft. Durch diese Faktoren ist die globale Ungleichheit reduziert worden – 50 Prozent der ehemals Armen sind der Armut entkommen.

    Sollte sich dieser Trend die kommenden Jahrzehnte fortsetzen, könnte die globale Ungleichheit substanziell sinken. Allen positiven Prognosen zum Trotz dürfen jedoch Dritte-Welt-Länder wie Nigeria oder Bangladesch nicht vergessen werden. Denn diese verzeichneten keinen Aufschwung und könnten mit ihrem Bevölkerungswachstum und der gleichzeitigen wirtschaftlichen Stagnation die globale Ungleichheit in die Höhe schießen lassen. Auch wenn man Europa, Lateinamerika und die USA betrachtet, nimmt die Ungleichheit wieder zu: In Europa und den USA stagnieren die Einkommen, und für Osteuropa waren die 1990er-Jahre ein Desaster.

    Umverteilung und Wachstum

    Milanović spricht drei mögliche Lösungsvorschläge an, um die Ungleichheit zu mildern. Einerseits gäbe es die Möglichkeit einer größeren und nachhaltigen Umverteilung von Reich zu Arm. Eine zweite Lösung wäre eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums von armen – vor allem afrikanischen – Staaten. Damit könnte man sowohl die Armut als auch die Ungleichheit in den Griff bekommen. Der dritte – und laut Milanović effektivste – Vorschlag ist die Migration. Eine Grenzöffnung der USA und von Europa würde Millionen von MigrantInnen anziehen, deren Einkommen steigen würden. Gleichzeitig würde dies aber zwei große Probleme mit sich bringen: einerseits einen Zusammenstoß von verschiedenen Kulturen und Religionen, andererseits sinkende Einkommen der BürgerInnen im Ankunftsland.

    Bereits während seines Studiums musste Milanović feststellen, dass er mit dieser Thematik auf wenig Gegenliebe stieß. Das Tito-Regime hieß dieses Forschungsgebiet nicht gut. Schließlich lebte man dort von der Ideologie einer klassenlosen Gesellschaft und wollte von einer Ungleichheit nichts wissen. Auch in den USA musste der Ökonom nach seiner Ankunft erfahren, dass die Erforschung der Einkommensunterschiede ein tabuisiertes Thema war und sich keine Organisationen und Institute finden wollten, die seine Projekte finanziell fördern würden. Projekte, die sich mit Armut beschäftigen, hingegen schon, wie diese Anekdote aus seiner Zeit in einer Washingtoner Ideenfabrik zeigt: „Ich war bei einem Think-Tank in Washington“, erzählte Milanović in einem Interview. „Der Präsident dieses Think-Tanks sagt zu mir: ,Also, Sie können tun, was immer Sie wollen, aber sagen Sie bloß nicht Ungleichheit. Nehmen Sie dafür das Wort Armut. Denn wir haben viele reiche Leute in unserem Vorstand, und wenn sie das Wort Armut sehen, fühlen sie sich gut, denn sie sind wirklich nette Leute, die sich um die Armen sorgen. Wenn sie das Wort Ungleichheit sehen, regt sie das auf, denn man möchte ihnen Geld wegnehmen.“
    Einkommensungleichheit ist ein heikles Thema, denn allein schon der Begriff stellt die Legitimität des eigenen Einkommens infrage.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Maja Nizamov, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968352 Anfangs beschäftigte sich der gebürtige Belgrader Branko Milanovic´ mit Ungleichheit im damals noch "sozialistischen" Jugoslawien, heute ist es die Ungleichheit auf globaler Ebene. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968357 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874968075 Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm Das reiche Establishment Monacos ist seit geraumer Zeit in Aufruhr, denn unter die feine Gesellschaft mischen sich jüngst die neuen Superreichen. Aus China und Russland, von der Wall Street und aus dem Londoner Finanzbezirk strömen sie an die Mittelmeerküste und lassen die alteingesessene Elite die Nase rümpfen. Unweit der Villen ankern sie ihre riesigen Jachten, feiern Partys bei lauter Musik und entsprechen damit so gar nicht dem vornehmen Geschmack der oberen Zehntausend. Hinter vorgehaltener Hand echauffiert sich der alte Geldadel über den Verlust traditioneller Gepflogenheiten im Kreise der Reichen.

    Ungeschriebene Verhaltensregeln

    Soziologinnen und Soziologen würden sagen, die Neureichen haben einen anderen Habitus als jene, die in reichen und einflussreichen Familiendynastien aufgewachsen sind. Der Habitus einer Person bezeichnet nach Pierre Bourdieu ein System von Grundhaltungen und Verhaltensweisen. Er markiert aber auch die unsichtbaren Grenzen, die den Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft gezogen sind. Die entscheidende Prägung findet bereits in der Kindheit statt und wird vor allem durch das familiäre und soziale Umfeld bestimmt. Die Vertrautheit mit den Gepflogenheiten und den ungeschriebenen Verhaltensregeln sei eine Voraussetzung für den Aufstieg in gewisse soziale Kreise, erklärt der deutsche Eliteforscher Michael Hartmann. Der Habitus ist sozusagen die gläserne Decke sozialer Klassen.

    Auch ohne jemals von Pierre Bourdieu gehört zu haben, spüren Kinder aus Arbeiterfamilien instinktiv, was der Habitus bedeutet. Eine Akademikerin aus einem Berliner Arbeiterbezirk erzählt der deutschen „Zeit“ über die schwierigen Anfänge ihrer Studienzeit: „Die Studierenden, wie die sich ausdrückten! Es kam mir so unnatürlich vor.“ Die kannten bereits alle Theaterstücke und Bücher, die im Unterricht vorkamen. Die hatten alle eine Bibliothek zu Hause, sie selbst nur alte Schulbücher. „Als Tochter einer alleinerziehenden Mutter, die sich als Putzfrau ihren Lebensunterhalt verdienen musste, weiß ich, wie schwierig es ist, soziale Barrieren zu überwinden“, sagt auch eine Frau, die es bis in die Vorstandsetage bei Siemens Österreich geschafft hat. Die ehemalige Generaldirektorin und studierte Volkswirtin Brigitte Ederer unterstützt deshalb die Initiative „Arbeiter-Kind.at“, die Kindern aus Arbeiterfamilien bei alltäglichen Stolpersteinen in ihrer Ausbildung hilft.

    Dass solche Initiativen ihre Berechtigung haben, beweist ein Blick auf die soziale Herkunft von Akademikerinnen und Akademikern in Österreich. Demnach erreicht mehr als die Hälfte der Kinder aus Akademiker-Haushalten wieder einen Universitätsabschluss, während dies nur elf Prozent jener Kinder gelingt, deren Eltern einen Lehrabschluss haben. Aktuelle Forschungsergebnisse der WU Wien zeigen, dass bereits die vorschulische Betreuung den wichtigen Unterschied für den späteren Bildungsweg macht. „Eltern geben ihre Bildung schon ab dem ersten Geburtstag an ihre Kinder weiter“, erklärt Wilfried Altzinger, Wirtschaftsprofessor an der Wirtschaftsuniversität.

    Rastignacs Dilemma kehrt zurück

    Neben der Bildungsvererbung spielen Vermögensübertragungen eine wesentliche Rolle für die Einschätzung sozialer Mobilität. Thomas Piketty hat in seinem Buch „Capital in the Twenty-First Century“ festgestellt, dass Erben heute wieder so wichtig wird wie in der feudalen Aristokratie des 19. Jahrhunderts (siehe „Das Erbe der Ungleichheit“). Exemplarisch für diese Epoche ist Honoré de Balzacs Roman „Vater Goriot“, in dem der talentierte, aber mittellose Eugène de Rastignac vom Aufstieg in die feine Pariser Gesellschaft träumt. Dieser merkt schnell, dass Studium, Talent und Fleiß diesen Traum nicht ermöglichen, sondern nur geschickte Heiratspolitik und damit verbundene Erbschaften. Seit geraumer Zeit gewinnt das Dilemma Rastignacs wieder an Aktualität, denn große Erbschaften sichern den Verbleib in der sozialen Exklusivität. Das ist kein rein österreichisches Phänomen, denn Piketty beschreibt die Entwicklung des globalen Kapitalismus im 21. Jahrhundert.

    Natürlich sind auch in Österreich Erbschaften vor allem für die reichsten Haushalte von beträchtlicher Bedeutung. Während die untere Hälfte der Haushalte kaum nennenswerte Erbschaften erhält, erben die reichsten zehn Prozent der Haushalte durchschnittlich mehr als 300.000 Euro. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der EU sind diese leistungslosen Einkommen in Österreich noch dazu steuerfrei. Dem Matthäus-Effekt folgend gilt: Wer hat, dem wird gegeben. Wer bereits mit Vorteilen ins Leben startet, kann später mit weiteren Privilegien rechnen.

    Begüterte Familiendynastien weisen oft eine jahrhundertelange Geschichte von Reichtum auf. Anhand seltener Nachnamen haben ForscherInnen die Stammbäume von reichen Familien historisch analysiert und festgestellt, dass Vermögen, Bildung, sozialer Status und politische Macht über viele Generationen weitervererbt werden. Der britische Ökonom Gregory Clark untersuchte englische Familien vom 19. Jahrhundert bis heute und stellt eine beeindruckende Diagnose. Die Nachfahren von sehr reichen Familien anno 1850 haben in der heutigen Generation immer noch rund viermal so große Vermögen wie die durchschnittliche britische Familie. In der wissenschaftlichen Literatur wird ein weiterer Kanal genannt, der soziale Mobilität eingrenzt: das soziale Netzwerk. Es dient nicht nur bei der Arbeitssuche, sondern auch beim Eintritt in bestimmte Gesellschaftsschichten als Strickleiter. Kinder aus wohlhabenden Familien können oft auf die weitläufigen Netzwerke ihrer Eltern vertrauen, um sich bessere Positionen auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Diese Möglichkeit bleibt Kindern aus weniger privilegierten Familien oft verwehrt. Der Apfel fällt somit auch beruflich nicht weit vom Stamm. Das ist ein weiteres der zahlreichen kleinen Puzzleteile, die dazu führen, dass sozialer Auf- oder Abstieg in Österreich die Ausnahme bleibt.

    Der Traum, durch Arbeit reich zu werden – der sprichwörtliche Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär –, bleibt bei einer neutralen Betrachtung der Fakten lediglich Stoff für die Filmindustrie. Die Hälfte der ArbeiterInnen verdient in Österreich selbst im besten Verdienstalter zwischen 40 und 50 Jahren nicht mehr als 2.100 Euro brutto im Monat. Die vereinzelten, selbst ernannten „Selfmade-Milliardäre“ dienen zwar immer wieder als plakative Beispiele für soziale Durchlässigkeit. Dem Großteil der Gesellschaft sind beim Aufstieg aber enge Grenzen gesteckt. 

    Schiefes Spielfeld ebnen

    Es ist schwierig, ein gewünschtes Niveau an sozialer Mobilität zu definieren und einen Grad der Durchlässigkeit als Ziel wirtschaftspolitischer Maßnahmen festzulegen. Allerdings muss die Diskussion um Chancengleichheit für alle Kinder unabhängig von ihrem finanziellen Familienhintergrund ins Zentrum rücken. Denn die Vererbung von Bildung, beruflichen Möglichkeiten und großen Vermögen erzeugt Startvorteile für die einen – und schier unüberwindbare Barrieren für die anderen. Das Ziel einer nach Gerechtigkeit und Fairness strebenden Gesellschaft muss somit das Ebnen dieses schiefen Spielfelds sein. Die Bildungspolitik spielt dabei eine wichtige Rolle, wobei die Reformära Kreisky beispielhaft deren positive Auswirkungen für eine Ausweitung sozialer Mobilität belegt.

    Die wissenschaftliche Forschung zeigt aber vor allem die Relevanz frühkindlicher Förderung auf. Die öffentliche Bereitstellung sozialer Dienstleistungen im Rahmen der Vorschulförderung ist nicht nur eine Grundvoraussetzung für einen raschen Wiedereinstieg von Müttern in das Erwerbsleben, sondern auch für Chancengleichheit der Kinder. Die Bandbreite politischer Lösungsansätze reicht zudem von hohen Steuern auf Vermögensübertragungen bis hin zu alternativen Formen von Eigentum und demokratischer Kontrolle, wie Thomas Piketty in seinem Bestseller schreibt.

    Mehr Info unter: tinyurl.com/oeks25d

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor matthias.schnetzer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Matthias Schnetzer, Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968336 Wer hat, dem wird gegeben: Während die einen ohne prall gefüllte Koffer ins Leben starten, können die anderen auf ein vielfältiges Erbe bauen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968344 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874967606 Die zweite Einkommensverteilung Anton Proksch war von 1956 bis 1966 Sozialminister in den ÖVP-SPÖ-Regierungen nach dem Staatsvertrag. Die unterschiedlichen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Positionen traten jetzt deutlicher hervor. Damals ging es nicht um den Abbau des Sozialstaats, sondern um seinen Aufbau, und das Budgetdefizit war kein Top-Thema. Abgesehen davon muten aber die Argumente der GegnerInnen staatlicher Verteilungspolitik zugunsten der kleineren Einkommen ziemlich aktuell an. Proksch fasste sie folgendermaßen zusammen:

    „Dreizehn Milliarden an Sozialleistungen; heuer um eine Milliarde Schilling mehr als im Vorjahr“, … „Sozialaufwand am meisten gestiegen“ … sind dann Schlagzeilen für Artikel, in denen man zwar – weil es nicht anders geht – den sozialen Fortschritt begrüßt, aber gleichzeitig mit dem Finger droht, es doch endlich genug sein zu lassen.

    Wenn jedoch die Vertreter der Arbeiter und der Angestellten, allen „guten Ratschlägen“ zum Trotz, an dem Verlangen nach Verbesserung der Sozialleistungen festhalten, wird rasch die Sturmfahne hochgezogen ... Immer und immer wieder werden die Dinge so dargestellt, als ob den Unselbständigen im Wege der zweiten Einkommensverteilung größere Vorteile zukämen als den Selbständigen. … Immer wieder dasselbe Spiel: Alle Ausgaben des Staates sind vertretbar, selbst die rasche Verdoppelung der Staatsschulden schadet der Währung nicht; aber zu den gesteigerten Ausgaben auf dem Sozialsektor schauen alle Missgünstigen sauer drein und schütteln die Köpfe.

    Das steht am Beginn von Prokschs Broschüre „Die sozialen Lasten“, die 1963 vom ÖGB-Verlag herausgebracht wurde. Er unternehme darin den Versuch, so der Verlag in einem Begleitschreiben zu den Belegexemplaren für die Zeitungsredaktionen, das Vorurteil zu zerstören, soziale Verwaltung müsse zwangsläufig zu „kollektivistischen“ Maßnahmen führen, in deren weitgespanntem Rahmen der einzelne nicht berücksichtigt werden könne. Der Sozialminister, so der Verlag weiter, mache die Bedeutung der „zweiten Einkommensverteilung“, der sozialstaatlichen Umverteilung durch öffentliche Wohlfahrt klar.

    Besonders die Darstellung des Pensionswesens und seiner fünf Träger zeigt, wie sehr die Gemeinschaft zur Sicherheit der Existenz jedes einzelnen beitragen kann. Verteilungspolitik beschränke sich darüber hinaus nicht auf die Sozialversicherung: Die von allen politischen Richtungen als wichtig erkannte Familienpolitik wird durch die Kinder- und Familienbeihilfe unterstützt, deren Entwicklung aus der Ernährungsbeihilfe der Nachkriegs- und Hungerjahre heute kaum mehr bekannt ist. Auch die lebenswichtige und hochpolitische Frage des Volkswohnbaus findet in dieser Broschüre Erörterung.
    Die zentrale Aussage sei aber der Hinweis des Verfassers, dass die „sozialen Lasten“ allesamt von den Werktätigen getragen werden, da alle Staatszuschüsse und alle Unternehmeranteile letztlich aus den Leistungen der Arbeitenden stammen.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar, Historikerin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874968325 In den Jahren des "kleinen österreichischen Wirtschaftswunders" nach dem Staatsvertrag sah der ÖGB die Chance, den ArbeitnehmerInnen mehr Lebensqualität zu verschaffen. Der Ausbau des Sozialstaats hatte daher einen hohen Stellenwert. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874967591 Arbeiterkammer: Immo-Spekulation Riegel vorschieben! Spekulationen mit Zinshäusern müssen eingedämmt werden“, verlangt AK-Präsident Rudi Kaske. „Die Vorkommnisse rund um die Räumung in der Wiener Mühlfeldgasse sind eine groteske Konsequenz rücksichtsloser Spekulation.“ Seit dem Jahr 2000 dreht sich das Preiskarussell für Wiener Zinshäuser stark. Finanz-investoren und Immobilienfonds veranlagen ihr Geldvermögen in Zinshäusern und treiben so die Preise in die Höhe. Aufgrund der starken Wohnungsnachfrage können sie auch hohe Mieten verlangen. Das wiederum treibt auch alle anderen Mieten im privaten Wohnungsmarkt immens in die Höhe.„Die Leidtragenden sind Mieterinnen und Mieter, sie finanzieren die Spekulationspreise der Verkäufer“, so Kaske.

    Allein im Vergleich zum Jahr 2013 sind die Mieten doppelt so stark gestiegen wie die Gesamtteuerung. Das WIFO hat die Entwicklung zwischen 2000 und 2011 im Auftrag der AK unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die privaten Mieten sind in elf Jahren geradezu explodiert. Sie sind um zwei Drittel mehr gestiegen als die allgemeine Teuerung. Die privaten Neuvermietungen sind zwischen 2005 und 2011 sogar doppelt so stark gestiegen wie die Teuerung und die Löhne (knapp 28 Prozent im Vergleich zu 13 Prozent). Die Mieten bei den Gemeindewohnungen und Genossenschaftswohnungen stiegen im selben Zeitraum aber nur im Ausmaß der Inflation (13,7 bzw. 13,4 Prozent).

    Die AK erwartet bis zum Herbst Vorschläge zur Mietrechtsreform. „Ich erwarte mir von Justizminister Brandstetter bei den Vorschlägen, dass Wohnen tatsächlich billiger wird“, so AK-Präsident Kaske. Um die MieterInnen zu entlasten, braucht es klare Mietobergrenzen für private Altbau-Mietwohnungen. Außerdem muss die Wohnbauförderung wieder zweckgebunden und an die Teuerung angepasst werden, damit mehr leistbare Wohnungen gebaut werden können. Weitere Forderungen der AK: weg mit den befristeten Mietverhältnissen; Betriebskosten senken, indem Versicherungskosten und Grundsteuer für MieterInnen fallen; Maklergebühren für MieterInnen streichen; klare Erhaltungsregeln für VermieterInnen festlegen.

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    Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874967588 GPA-djp: Gegen "Praktika"-Missstände Schlecht oder gar nicht bezahlt und überhäuft mit Arbeit: Praktikantinnen und Praktikanten, die in den Sommerferien Berufserfahrung sammeln und etwas Geld verdienen wollen, werden oft ausgenutzt. Jetzt können sie sich wehren. Die neue Internetplattform „watchlist-praktikum.at“ ist seit Anfang Juli online und bietet Jugendlichen die Möglichkeit, „schwarze Schafe“ anonym aufzudecken und Missstände zu schildern.

    Bereits Tausende Aufrufe und eine Vielzahl an Einträgen, mit genauen Schilderungen, seit dem Start der Internetplattform bestätigen die Notwendigkeit der Initiative. Mit der Watchlist sollen Missbräuche durch Arbeitgeber bei „Praktika“ eingedämmt werden, sie soll aber jungen Menschen auch den Einstieg ins Berufsleben erleichtern. „Ein guter und fairer Berufseinstieg ist die Grundlage für die Lebens- und Karriereplanung junger Menschen. Wir unterstützen die Generation Praktikum im Kampf um faire Bedingungen für junge Menschen“, so Karl Proyer, stellvertretender Bundesgeschäftsführer der GPA-djp (Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier). Die Berichte bzw. Vorwürfe werden an die zuständigen Gebietskrankenkassen weitergeleitet, um die betroffenen Betriebe auch prüfen zu können.

    Die gute Nachricht für Jugendliche, die eigentlich in einem ganz normalen Arbeitsverhältnis gearbeitet haben: Sie erhalten rückwirkend nicht nur ihr Gehalt, sondern ihnen wird diese Zeit auch als Versicherungszeit angerechnet.

    Es ist seit Jahren kein Geheimnis mehr, dass „Praktika“ viel zu oft gar nicht bezahlt werden und die Praktikantinnen und Praktikanten nicht sozialversichert werden. Unzählige Studien beweisen, dass es sich bei diesen unbezahlten oder stark unterbezahlten „Praktika“ in der Regel nicht um Ausbildungsverhältnisse handelt. Je mehr Betroffene sich in die Plattform eintragen, desto wahrscheinlicher wird es, dass unbezahlte Praktika in absehbarer Zeit der Vergangenheit angehören.

    Österreich ist keine Ausnahme, eine Vielzahl von Studien beweist, dass ein Großteil der Praktika für Schülerinnen und Schüler und Studierende unterbezahlt oder unbezahlt absolviert werden muss. Rückenwind bekommen die Initiatorinnen und Initiatoren jetzt auch aus Brüssel: Die EU-Abgeordnete Evelyn Regner brachte eine Anfrage an die EU-Kommission ein, in der sie auch konkrete Maßnahmen im Kampf um die soziale Absicherung junger Beschäftigter fordert.

    www.watchlist-praktikum.at
    Weitere Infos finden Sie unter:
    www.gpa-djp.at

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    Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874967564 Standpunkt | Leistung muss sich lohnen! Die Leistung: Wie ein ewiges Mantra wird dieses Wort immer wieder beschworen. Ja, es wird gar als Widerspruch konstruiert. Auch Vermögende sollen zur Finanzierung der öffentlichen Leistungen einen gerechten Anteil leisten? Leistung muss sich lohnen, lautet die Antwort. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer? Wenn sie wirklich gleich viel leisten, verdienen sie auch gleich, lautet die Antwort. Migrantinnen und Migranten haben schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt? „Integration durch Leistung“ lautet die Antwort. Ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung? Können ja nicht/nicht mehr so viel leisten, sie dennoch zu beschäftigen können wir uns nicht leisten.

    Gebrochenes Versprechen

    Leistung, egal, wo man hinsieht. Es scheint so, als müsste man dieses Wort nur laut genug aussprechen – und a Ruh is. Und es stimmt ja auch: Leistung muss sich lohnen, ja, sie sollte sogar Spaß machen, wie ich meine. Aber wird sie denn auch wirklich gerecht belohnt? Oder ist es nicht vielmehr so, dass nach wie vor jene bessere Chancen in der Gesellschaft haben, die ein „gutes Erbe“ im Hintergrund haben: viel Geld oder ähnlich wertvolle Ressourcen, die „richtige“ Bildung, die „richtige“ Herkunft, die richtige Sprache, den Zugang zu den entscheidenden Karriere-Netzwerken oder auch das richtige Geschlecht? Kurz: Es stimmt schlichtweg nicht, dass unsere Gesellschaft dieses Versprechen einhält, dass sich Leistung lohnt.

    Kürzungen im Mantel von Reformen

    Sprechen wir über Leistung! Besser gesagt: Sprechen wir darüber, dass sie sich für viel zu viele Menschen in Österreich eben nicht lohnt. Sprechen wir darüber, dass wir eben nicht in einer „relativ gleichen Gesellschaft“ leben, wie wir uns allzu gerne vormachen. Sprechen wir darüber, ob wir uns das leisten können – und vor allem: ob wir das wollen?

    Wir leben in einem Land, das zu den reichsten EU-Mitgliedsstaaten gehört und auch in internationalen Rankings regelmäßig einen Spitzenplatz belegt. Nicht spitze ist Österreich allerdings, wenn es um die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen geht. Es ist nicht spitze, wenn es um ein ausreichendes Angebot an Jobs geht, die das Überleben sichern. Es ist nicht spitze, wenn es um Bildung geht. Es ist nicht spitze, wenn es um das Angebot von Kinderbetreuungsplätzen oder Pflegeeinrichtungen geht. Und es ist nicht spitze, was viele andere Verteilungsthemen betrifft, wie Sie in der aktuellen Ausgabe ausführlich nachlesen können.

    Spricht man all diese Probleme an, erscheint sogleich ein zweites Mantra: das Krisenmantra. Dieses lautet: „Wir können uns das eben nicht leisten, Krise und leere Kassen und so.“ Dass ausgerechnet die Wirtschaftskrise zum Vorwand für Angriffe auf den Sozialstaat verwendet wird, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, ja ich bin sogar versucht zu sagen, es ist eigentlich zynisch. Denn es war gerade der gut ausgebaute Sozialstaat, der in der Krise noch schlimmere Folgen für viele Menschen in Österreich abwenden konnte. Vieles spricht für einen weiteren Ausbau des Sozialstaats, wie Sie ebenfalls in einem Beitrag nachlesen können. Alles spricht für eine Bildungsexpansion. Und doch leben wir in einem der reichsten Länder in der EU, ja gar in der Welt – und dennoch sind Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich ein Dauerbrenner.

    Entlastete Arbeit

    Wer soll das alles bezahlen? Sicher ist, dass Einkommen aus Arbeit entlastet werden müssen und nicht noch stärker belastet werden dürfen. Am ungerechtesten ist die Verteilung in Österreich bei Vermögen, dennoch werden diese nach wie vor viel zu wenig besteuert. Gerade weil sich Leistung lohnen muss, ist es also nur fair, dass auch die Vermögenden einen Beitrag zum Budget leisten.

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    Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874966107 Mythos Bettelmafia Demütig die Hand ausstrecken, vielleicht leise „Bitte“ sagen ist erlaubt. Wird man als bettelnde Person von Passantinnen und Passanten beschimpft, ist es besser, ruhig zu bleiben. „Schleich dich“, habe einmal einer zu ihm gesagt, „geh arbeiten!“ Da habe er zurückgeschimpft, erzählt Ciprian. Er habe Hunger gehabt, sagt er, sei müde gewesen und nicht sehr gut gelaunt. Die Polizei habe ihn mitgenommen, er hätte eine Strafe bezahlen sollen. Schließlich habe man ihm das Kleingeld abgenommen, circa zehn Euro in Münzen. Eigentlich ist Ciprian nicht zum Betteln nach Österreich gekommen und jetzt bettelt er auch nicht mehr. Er verkauft die Zeitung „Global Player“ vor einem Billa-Supermarkt. Alle paar Monate fährt er nach Hause in die rumänische Kleinstadt Pitești, wo seine Frau und seine vier Kinder leben. Er ist stolz, dass wenigstens zwei von ihnen zur Schule gehen können. Obwohl es hart sei und er selbst manchmal nicht esse, um zu sparen. Fünf Euro zahlt er pro Nacht für ein Quartier, in dem er mit Menschen aus den Armutsregionen Europas, Afrikas und Asiens wohnt. Die Menschen hier seien freundlich, wenn auch nicht alle, meint er und zeigt auf seine große Zahnlücke. Beschimpft werde er schon noch ab und zu, doch gebe er keine Antwort mehr.

    Stereotyp Mafia

    Seit dem EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens werde die Bettelmigration verstärkt wahrgenommen, schreibt Teresa Wailzer in ihrer Diplomarbeit „Merk.Würdig.Arm. Betteln aus unterschiedlichen Perspektiven“: „Die Stereotype des rechtspolitischen Diskurses unterscheiden sich kaum von der Wahrnehmung der PassantInnen und Geschäftsleute. Bettler aus Osteuropa gelten als ‚falsche‘ Arme, da mafiöse Strukturen dahinterstecken sollen. Sie werden als aggressiv und aufdringlich empfunden, die Betroffenen haben Angst vor Polizeikontrollen.“

    Wer in Österreich bettelt, müsste Jus studiert haben, denn die Rechtslage ist unübersichtlich. Erst 2012 hatte der Verfassungsgerichtshof das allgemeine Bettelverbot als unzulässig erachtet. Stilles Betteln sei ein Zeichen persönlicher Armut und ein Appell an die Hilfsbereitschaft und die Solidarität von Menschen, erklärten die Höchstrichter. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass ein Verbot stillen Bettelns keinem zwingenden sozialen Bedürfnis entspreche. Doch bestehen zahlreiche Verbote auf Länderebene, die der behördlichen Willkür Vorschub leisten, meinen VertreterInnen der Bettellobby und Menschenrechtsexpertinnen und -experten.

    Gesetzesdschungel

    So verbietet das Landessicherheitsgesetz in der Steiermark das aufdringliche Betteln mit einem Strafrahmen von bis zu 2.000 Euro, in Kärnten drohen dafür nur 700 Euro Strafe, in Niederösterreich 1.000 Euro. Eine nähere Definition, was unter „in aufdringlicher oder aggressiver Weise“ zu verstehen ist, bleibt auch das Wiener Landes-Sicherheitsgesetz schuldig. Dieses belegt das „Delikt“ mit einer Geldstrafe von 700 Euro bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche. Seit der Verschärfung der Gesetze steigen die Anzeigen wegen verbotenen Bettelns stetig an. 2013 wurden in Wien mehr als 1.600 Strafverfügungen verhängt, recherchierte die Journalistin Maria Sterkl für ihren Artikel in der „Zeit“, „Bitte, leise betteln!“.

    Die Strafen seien willkürlich und teilweise rechtswidrig, meint Ferdinand Koller, Pädagogischer Leiter des Vereins Romano Centro und Mitarbeiter der Bettellobby. Kaum ein Bettler oder eine Bettlerin könne die hohen Beträge bezahlen, die Ersatzfreiheitsstrafe wiederum bedeutet naturgemäß Verdienstentgang.

    Die Verfassungsrechtlerin Barbara Weichselbaum ortet zwei Ziele in den jüngsten Gesetzesnovellierungen: Eines sei es, das bestehende Bettelverbot weiter zu verschärfen, das andere, die „störungsfreie“ Nutzung des öffentlichen Raums zu garantieren. Schließlich reichen Straßenverkehrsordnung und Sicherheitspolizeigesetz aus, um aggressives Verhalten oder den oftmals unterstellten Menschenhandel zu ahnden. Beim Verbot des gewerbsmäßigen Bettelns orten die Expertinnen und Experten einen eklatanten Widerspruch. Einerseits sei es verboten, sich durch „Betteln eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen“. Verfolgte man diese Logik stringent, dürfte jeder/jede Bettelnde nur einen einzigen Menschen um Almosen bitten, will er oder sie vor Strafe absolut sicher sein. Auch was den Tatbestand „organisiertes“ Betteln betrifft, herrscht Unklarheit. Ist etwas erlaubt, das einer tut, dürfte es nicht verboten sein, wenn es drei tun, meint Ferdinand Koller. Weist Blickkontakt unter mehreren Bettlerinnen und Bettlern auf organisiertes Vorgehen hin? Ist der Bus, mit dem die Armutsmigrantinnen und -migranten aus Rumänien, Bulgarien und anderen Ländern bisweilen anreisen, gar Teil organisierter Kriminalität?

    Geh arbeiten

    „Geh doch arbeiten“ ist einer der Sätze, den Astrid mehrmals am Tag zu hören bekommt. Sie hat orange-rotes Haar, mehrere Piercings und einen leichten Hautausschlag. Mit mehreren anderen Punks und einem (freundlichen) Pitbull-Mischling sitzt sie vor dem Supermarkt beim Wiener Franz-Josefs-Bahnhof, ihre grünen Augen sind wach und traurig zugleich. Seit einem Kreuzbandriss ist die ehemalige Altenpflegerin arbeitslos. Besonders die abfälligen Kommentare älterer Menschen schmerzen sie innerlich sehr. „Ja“, sagt sie, sie habe viel Scheiße gebaut. Jetzt schläft sie auf der Straße und will von dort weg. Einmal, mit 15, wollte die jetzt 29-Jährige frei sein. Sie hatte sich diese Freiheit anders vorgestellt. Jetzt will sie nicht mehr schnorren, sondern arbeiten.

    Flora G. schnorrt nicht, sie bettelt. Ihr Sohn bräuchte nach einer Kinderlähmung dringend eine Beinprothese. Die kostet 4.800 Euro, einen Betrag, den sich die 37-Jährige auch bei strengsten Sparmaßnahmen nicht leisten wird können. Schließlich bezahlt auch sie für das Quartier an einen örtlichen Vermieter rund 200 Euro pro Monat, der Tagesverdienst beträgt um die zwanzig Euro.

    Die Meinung der Geschäftsleute in der Wiener Schottenpassage ist durchwegs negativ. Es seien zu viele, sie gehörten sicher einer Mafia an. Eine bettelnde Frau mit einem kleinen Kind auf dem Schoß bringt eine Passantin auf, die auf die Straßenbahn wartet. In allen Bundesländern mit Ausnahme des Burgenlands ist das „Mitführen unmündiger Minderjähriger“ beim Betteln untersagt. Der Verdacht auf Menschenhandel, berichtet Teresa Wailzer, habe sich jedoch nur bei knapp einem Prozent (drei von über 300) der aufgenommenen Kinder bestätigt. Ihrer Meinung nach wird die Komplexität des Problems zu wenig beachtet: „Die Verdrängung marginalisierter Gruppen aus dem öffentlichen Raum trägt nicht automatisch zur Verhinderung von Kinderhandel bei.“

    Betteln, um zu überleben

    Immer mehr Menschen sind gezwungen, zu betteln, um zu überleben. Nicht Banden zwingen sie dazu, sondern die wirtschaftlichen Verhältnisse. „Polizei, Stadtverwaltung und Verkehrsbetriebe arbeiten eng zusammen, um diese Menschen zu vertreiben und mit horrenden Verwaltungsstrafen einzudecken“, ist Teresa Wailzer, Obfrau des Vereins Goldenes Wiener Herz, überzeugt. Die Spendenkampagne, die bis zum 1. September 2014 unter dem Titel „Stell dich nicht so an – stell mich an!“ läuft, soll Bettlerinnen und Bettlern eine Stimme geben. Wailzer: „Es geht darum, dass die Betroffenen selbst zu Wort kommen und auf Augenhöhe mit den Passantinnen und Passanten sprechen und ihnen erzählen können, wie es ihnen geht und wie die Gesetzgebung derzeit aussieht.“

    Für Marlena Ramnek ist eine Gabe an BettlerInnen mehr als Almosen. Es ist eine Umverteilung ohne gesetzliche Ansprüche, um zu einem Bruchteil des Geldes zu kommen, den andere einstecken, sagt die Ethnologin, die seit Jahren in der Sozialarbeit tätig ist. Es würde sich etwas ändern, es gäbe Arbeitsprojekte, leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt und andere pädago-gische Voraussetzungen. „Vielleicht ist Schnorren und Betteln auch die geheime Rache an den Reichen. Warum sollen sich die in Sicherheit und ungestört fühlen?“

    Mehr Infos im Web:
    www.goldeneswienerherz.at
    Siehe wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Betteln:
    www.bettellobby.at

    Diplomarbeit (2009) „Betteln in Österreich“ von Ferdinand Koller
    Diplomarbeit „Betteln als Beruf. Wissensaneignung und Kompetenzerwerb von Bettlerinnen in Wien“, Marion Thuswald
    Diplomarbeit „Merk.Würdig.Arm. Betteln aus unterschiedlichen Perspektiven. Über Stereotype, Vorurteile und Selbstbilder rumänischsprachiger BettlerInnen in Wien“ 2014, Teresa Wailzer

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Gabriele Müller, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966121 Immer mehr Menschen sind gezwungen zu betteln, um zu überleben. Nicht Banden zwingen sie dazu, sondern die wirtschaftlichen Verhältnisse. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874966089 Eine Frage der Gerechtigkeit Jung, einheimisch, männlich, gut gebildet und ohne Behinderung. Wer diese Attribute für sich in Anspruch nehmen kann, hat auf dem österreichischen Arbeitsmarkt die besten Voraussetzungen. Chancen auf Arbeit, Karriere, beruflichen Aufstieg, adäquate Entlohnung. Ältere Menschen, Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderungen – sie alle haben auf dem Arbeitsmarkt mit verschiedenen Benachteiligungen zu kämpfen. Sie haben einen schwierigeren Zugang zum Arbeitsmarkt, sind öfter mit struktureller Diskriminierung konfrontiert und arbeiten häufiger im Prekariat. Noch sind die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt nicht flexibel genug, um auf sich verändernde spezifische Bedürfnisse von potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rücksicht zu nehmen. Die Wirtschaft fokussiert stark auf quantitative Kriterien: Erfolgreich ist, wer produktiv ist, und produktiv ist, wer schnell ist, viel leistet und möglichst wenig Ressourcen benötigt. Sprich: wer mit dem geringstmöglichen Einsatz den höchstmöglichen Output erreicht.

    Förderung Älterer

    Doch der demografische Wandel verlangt nach anderen Kennzahlen, sagt Irene Kloimüller. Die Unternehmensberaterin beschäftigt sich mit Generationenmanagement. Eine produktive Arbeitswelt müsse die Arbeitsfähigkeit fördern und auch ältere Menschen gesund, motiviert und auf dem Arbeitsmarkt halten. Die Realität sieht allerdings anders aus: Im Juni waren fast 74.000 Menschen über 50 Jahre arbeitslos gemeldet, etwa 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Deren Chancen auf den Wiedereinstieg in die Berufswelt stehen schlecht.

    Ab 50 gibt es eine Ausstiegsspirale, sagt Kloimüller. Unternehmen haben bisher verabsäumt, das Arbeitsumfeld so zu verändern, dass die ArbeitnehmerInnen trotz steigenden Alters gut eingesetzt werden können. Großunternehmen leiten schon Kurskorrekturen ein, doch insgesamt fehlt es noch – besonders bei Klein- und Mittelbetrieben – an Sensibilität. „Viele Unternehmen sehen nicht, was besser, sondern nur was schlechter wird. Ältere Menschen treffen etwa weitsichtigere Entscheidungen als Junge.“ Es sei gerecht, bewusste Unterschiede zu machen. Das führe zu erhöhter Produktivität und Gleichberechtigung. Ein Paradigmenwechsel, den sich Unternehmen leisten wollen müssen, findet sie. Denn viele stellen sich die Kostenfrage, wenn es heißt, eine/n teurere/n, ältere/n ArbeitnehmerIn oder zwei günstigere, junge ArbeitnehmerInnen zu beschäftigen. Die mit dem Alter steigende Einkommenskurve, das Senioritätsprinzip, erweise sich mitunter als Hürde, sagt Kloimüller.

    „Der österreichische Arbeitsmarkt ist stark segmentiert und reglementiert“, sagt Gudrun Biffl, Frauenforscherin an der Donau-Universität Krems. Die Gewerkschaften seien stark, 96 Prozent aller wirtschaftlichen Arbeiten durch Kollektivverträge geregelt. Es sind Regelungen, die Frauen meist auch vor Ungleichbehandlung im Betrieb schützen können. Auch beim Berufseinstieg von Frauen gäbe es kaum Diskriminierungen, sagt Biffl. Schwierig werde es dann, wenn sie aus dem System herausfallen, Mütter werden. Das bedeutet für viele Frauen immer noch einen einschneidenden Bruch in ihrer beruflichen Karriere. Mehr als ein Drittel ist noch fast drei Jahre nach der Geburt ohne Arbeit. Viele finden später nur durch Geringfügigkeits- oder Teilzeitjobs zurück ins Arbeitsleben. Lediglich 36 Prozent der Frauen arbeiten Vollzeit, bei Männern sind es 92 Prozent.

    Frauen entlasten

    Der Grund: fehlende Unterstützungsstrukturen für Frauen, der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen. Von der Frau werde auch heute noch erwartet, dass sie sich vorwiegend um die Kindererziehung kümmere, sagt Biffl. „Karrierefrau wird fast wie ein Schimpfwort gebraucht. Und Männer werden danach beurteilt, wie viel Geld sie verdienen, nicht danach, ob sie am Wochenende mit dem Kind spielen. Es ist ein verächtliches System für beide.“

    Zwar liegt der Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile bei über 45 Prozent, doch von einer gleichmäßigen Verteilung der Geschlechter kann keine Rede sein. Frauen arbeiten öfters als Männer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Sie sind häufiger prekär beschäftigt, verdienen nicht genug zum Leben und sind sozial- und arbeitsrechtlich schlechter abgesichert. Im Dienstleistungssektor, wo oft Teilzeit gearbeitet wird, sind Frauen überrepräsentiert. So nehmen sie im Gesundheitswesen 77,3 Prozent und im Beherbergungs- und Gaststättenwesen 64,4 Prozent ein.

    Unflexibler Arbeitsmarkt

    Auch der Wiedereinstieg nach der Karenz ist kein Garant für gleiche Karrierechancen. Fehlende Betriebsjahre für den Aufstieg in der Hierarchie oder fehlende Netzwerke erschweren Frauen den Weg zu den Top-Jobs. Arbeit werde immer noch in Zigarren- und Sportclubs verteilt, zu denen Frauen keinen Zugang haben, sagt Biffl. Das spiegelt sich auch in der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung wider: 71,7 Prozent der Führungskräfte sind männlich. In Großunternehmen hat lediglich jede vierte Frau eine leitende Position. In kleinen Unternehmen allerdings jede Dritte.

    An der Situation von Müttern auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich, dass es dem Arbeitsmarkt an Flexibilität mangelt. Wer von der Norm abweicht oder besondere Unterstützung braucht, hat es auf dem Arbeitsmarkt schwerer als andere. Das bestätigt Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS, dem Beratungszentrum für Selbstbestimmtes Leben. „Menschen mit Behinderungen sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen.“ Tatsächlich sind die Arbeitslosenzahlen dieser Gruppe im letzten Jahr drastisch gestiegen – um 26,3 Prozent. Für Ladstätter ist der Mangel an „vernünftiger Behindertenpolitik“ dafür verantwortlich. Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, je 25 MitarbeiterInnen eine ArbeitnehmerIn mit Behinderung einzustellen. Ansonsten ist eine Ausgleichstaxe zwischen 244 und 364 Euro pro Monat und nicht besetzte Stelle zu zahlen. „Zu gering“, wenn es nach Ladstätter geht. Man solle die Nicht-Beschäftigung zur betriebswirtschaftlich relevanten Größe machen. Der Großteil der Betriebe, aber auch Bundesländer und Interessenvertretungen kommen der erforderlichen Quote nämlich nicht nach. Sie ersparen sich dadurch etwa infrastrukturelle Anpassungen. Doch die Nicht-Einstellung von Menschen mit Behinderung ist auch auf Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen.

    Nutzlose Qualifikationen

    Vorurteile sind ein Problem, das sie letztlich mit Menschen mit Migrationshintergrund teilen. Zahlreiche Studien haben die strukturelle Benachteiligung von MigrantInnen bereits belegt. So werden ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen  wertlos, weil ihre Diplome in Österreich nicht anerkannt werden bzw. dafür langwierige, teure Nostrifizierungsverfahren notwendig sind. Das führt nicht zuletzt dazu, dass sie Jobs annehmen müssen, für die sie überqualifiziert sind. Laut OECD-Studien gehört Österreich zu den Top-5-Ländern, die die Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten brachliegen lassen. Laut Statistik Austria fühlen sich 26 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen, die der ersten MigrantInnen-Generation angehören, für ihren derzeitigen Job überqualifiziert.

    Erst kürzlich wurde eine im Auftrag des Sozialministeriums durchgeführte Studie der Universität Linz veröffentlicht, wonach Menschen mit ausländisch klingenden Namen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert würden. Die Ergebnisse sind deutlich: Wer einen ausländischen Namen hat, muss weit mehr Bewerbungen abschicken, bis er/sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Besonders viel Ablehnung erführen Menschen mit afrikanischen Wurzeln, heißt es in der Studie. KritikerInnen monieren eine Verschwendung von Know-how und Ressourcen. Es ist eine Verschwendung, die jedem Produktivitätsgedanken zuwiderläuft. Vor allem aber wirft sie die Frage auf, wie bezahlte Arbeit in unserer Gesellschaft anders bewertet werden könnte, auf dass sie gerechter verteilt werde.

    Mehr Infos im Web unter:
    tinyurl.com/o3badwd
    tinyurl.com/oxc5lby

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin clara88@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Clara Akinyosoye, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966080 Arbeit wird in Österreich über bestimmte Zirkel verteilt, wer schon von vornherein dazugehört, hat es deutlich einfacher. Andere müssen sich den Zugang hart erarbeiten oder überhaupt draußen bleiben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966096 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874966067 Mit gerechter Verteilung zu Freiheit Am Vorabend des Ersten Weltkrieges besaß das oberste Prozent der Haushalte in Frankreich 60 Prozent des gesamten Vermögens, in Großbritannien sogar fast 70 Prozent, ein Großteil davon war ererbt. Mit diesen und vielen anderen Daten besticht Thomas Piketty in seinem grandiosen Buch „Capital in the Twenty-First Century“, das Anfang Oktober auf Deutsch erscheint (siehe„Das Erbe der Ungleicheit“). Um 1900 erbte die abgehobene Vermögensaristokratie mehr, als der Großteil der Bevölkerung im ganzen Leben durch Erwerbsarbeit – meist als Dienstbotinnen und Dienstboten für die Reichen – verdienen konnte. Diese extreme Ungleichheit äußerte sich in einzementierten sozialen Strukturen, wirtschaftlichem Niedergang und gesellschaftlicher Instabilität.

    Piketty sieht unsere reichen Gesellschaften heute auf ähnliche Probleme zusteuern. Denn die Vermögen der privaten Haushalte werden bald wieder das Fünf- bis Sechsfache der jährlichen Wirtschaftsleistung betragen. So erfreulich dieser rasche Anstieg ist, so gefährlich ist die enorme Konzentration dieses Vermögens: Heute besitzt ein Prozent (37.000 Haushalte) in Österreich bereits wieder 37 Prozent des Vermögens, das heißt etwa 470 von insgesamt 1.250 Milliarden Euro. Die Verteilung der Einkommen ist zwar weniger ungleich als jene der Vermögen, doch in den USA beträgt der Anteil des obersten Prozents aufgrund der enormen Einkommen der Supermanager und Superrentiers bereits wieder ein Viertel – und damit so viel wie vor der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre.

    Schlecht für den Sozialstaat

    Die negativen Folgen zunehmender Ungleichheit sind offensichtlich: Wachsen die Einkommen aus Arbeitsleistung nicht, die leistungslosen Einkommen aus Vermögensbesitz hingegen rasch, entstehen falsche Anreize und der Wohlstand sinkt. Konkret: Sinken die Einkommen jener, die viel konsumieren, dann fehlt die Nachfrage nach Gütern sowie Dienstleistungen und Arbeitslosigkeit entsteht. Nehmen die Einkommen jener zu, die den Großteil sparen, und sind Vermögen stark konzentriert, dann wird risikoreich veranlagt. Das wiederum mündet in spekulative Blasen auf den Finanzmärkten und löst schwere wirtschaftliche Krisen wie in den 1930er-Jahren oder seit dem Jahr 2007 aus. Das ungleiche Wachstum der Einkommen hat auch für den Sozialstaat negative Konsequenzen: Ruht seine Finanzierung primär auf den schwach steigenden Lohneinkommen und nicht auf den stark wachsenden Vermögen, dann ist er gefährdet. Die starke Konzentration der Vermögen führt zu einer Verschiebung der Macht zugunsten einer kleinen Elite, die Medien und öffentliche Meinung kontrolliert und ihre Klientelpolitik in den Hinterzimmern betreibt. Dadurch sind letztlich Demokratie und Freiheit gefährdet.

    Emanzipatorische Kräfte wie Gewerkschaften und soziale Bewegungen müssen der Gefährdung der demokratischen Strukturen und der Freiheit der Einzelnen jetzt entschieden entgegentreten. Das bedeutet zunächst, dass sie sich dafür einsetzen müssen, dass Daten über die Verteilung von Vermögen, Einkommen und Lebenschancen in besserer Qualität vorliegen – und dass diese einfacher zugänglich sind. Vor allem bei den Vermögen arbeiten die Reichen und ihre InteressenvertreterInnen vehement an der Verschleierung: Sie versuchen, den automatischen Informationsaustausch zwischen den europäischen Steuerbehörden in Bezug auf die Kapitaleinkommen zu hintertreiben, das  Bankgeheimnis gegenüber dem Finanzamt aufrechtzuerhalten, an der unzeitgemäßen Bewertung von Immobilien festzuhalten und Vermögenserhebungen wie jene der Oesterreichischen Nationalbank möglichst zu behindern. Transparenz ist die wichtigste Voraussetzung für eine Diskussion auf Faktenbasis. Nur Aufklärung über die Verteilung der Reichtümer schafft Bewusstsein für die Notwendigkeit der Veränderung.

    Milliardenaufkommen

    Der wichtigste Ansatzpunkt der Verteilungspolitik besteht heute in einer Besteuerung hoher Vermögen, Erbschaften und Einkommen. In Zahlen ausgedrückt: Bei einem Vermögen von 1.250 Milliarden Euro, davon 730 Milliarden bei den Millionärshaushalten, bei einem jährlichen Erbvolumen von 20 Milliarden Euro, ganz überwiegend im obersten Zehntel, bei absurd hohen Einkommen des obersten Prozents, das mehr als der Bundespräsident (23.000 Euro pro Monat) verdient, ist mit dieser Besteuerung in jedem Fall ein Milliardenaufkommen erzielbar. Damit ist auch eine deutliche Entlastung der Abgaben für die Masse der ArbeitnehmerInnen finanzierbar.

    Sozialstaat gibt Sicherheit

    Ein zweiter Ansatzpunkt aktiver Verteilungspolitik besteht in der Weiterentwicklung des Sozialstaates. Dieser stellt eine der größten Errungenschaften der Zivilisation dar. Er bietet der arbeitenden Bevölkerung zum ersten Mal einen Teil jener Sicherheit, die sonst nur die Reichen aufgrund ihrer breiten Vermögensbasis genießen. Den großen Herausforderungen unserer Zeit wie die demografische Verschiebung, veränderte Familienstrukturen und zunehmende Ungleichheit der Verteilung der Einkommen kann am wirkungsvollsten mit einem Ausbau sozialer Dienstleistungen begegnet werden. Wir müssen im österreichischen Sozialstaat deshalb das Angebot an Krippen und Kindergärten, Ganztagsschulen und Sozialarbeit, Heimhilfen und Pflegeeinrichtungen ausbauen. Zusammen mit dem sozialen Wohnbau und dem öffentlichen Verkehr sind das jene öffentlichen Leistungen, die die Lebensbedingungen der unteren und mittleren Einkommensgruppen wesentlich verbessern.

    Dabei muss uns ein Grundsatz immer bewusst sein: Gute sozialstaatliche Leistungen sind nur mit einer relativ hohen Abgabenquote finanzierbar. Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder entscheiden wir uns für ein Gesundheits-, Bildungs- und Pensionssystem österreichischer Qualität mit einem hohen Abgabenniveau – oder für ein System wie in Osteuropa mit einem niedrigen Steuerniveau in Kombination mit einem inferioren Sozialsystem. Wir dürfen deshalb keinesfalls in die Falle jener konservativen SteuersenkerInnen gehen, die zunächst auf Senkung der Abgabenlast drängen, um dann die Sozialleistungen wegen Unfinanzierbarkeit kürzen zu können.

    Ein dritter Ansatzpunkt der Verteilungspolitik besteht in einer Verkürzung der Arbeitszeit (siehe auch „Revival für ein Reizthema“). Der Wohlstand in unserer Gesellschaft ist so hoch, dass die Frage berechtigt ist, ob wir die Steigerung der Arbeitsproduktivität in Form von höheren Reallöhnen oder in Form von mehr Freizeit nutzen wollen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit eröffnet mehr Zeit für die Familie, trägt zu besserer Gesundheit bei, schafft höhere Lebensqualität und verwirklicht ein Stück Freiheit in der Arbeitsgesellschaft. Vor allem eine „kurze Vollzeit“ im Ausmaß von etwa 30 Wochenstunden gleichermaßen für Frauen und Männer, wie er als Wunsch in Befragungen immer wieder erhoben wird, könnte einen entscheidenden Anstoß für eine gerechtere Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern bilden.

    Arbeitszeitverkürzung ist eines der wirkungsvollsten Instrumente zur Sicherung von Beschäftigung. Deshalb sind die Vorstöße von PRO-GE und GPA-djp so vorbildhaft, die in den jüngsten Kollektivvertragsabschlüssen in der Elektroindustrie und im Stahl- und Bergbau mit der Freizeitoption genau diese Wahlmöglichkeiten eröffnet haben: Die kollektivvertraglich vereinbarten Lohnerhöhungen können unter gewissen Bedingungen auch in Form kürzerer Arbeitszeit in Anspruch genommen werden. Wir müssen diesem Vorbild in vielen anderen Bereichen folgen, etwa indem Anreize für die Verringerung der enormen Zahl an Überstunden gesetzt werden.

    Der in unserer Gesellschaft erarbeitete Reichtum gibt einer aktiven Verteilungspolitik zugunsten der arbeitenden Bevölkerung, der Kinder und Älteren erheblichen Spielraum. Solidarität zwischen den gut verdienenden Angestellten mit Monatseinkommen in Höhe von mehreren Tausend Euro mit den Jugendlichen, den Frauen und den Durchschnittsverdienern ist ein wesentliches Element des politischen Erfolges. Durchgesetzt muss die Verteilungspolitik aber vor allem gegen die Interessen der Vermögenden und der SpitzenverdienerInnen werden. 

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor markus.marterbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Markus Marterbauer, Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966057 Wachsen die Einkommen aus Arbeitsleistung nicht, die leistungslosen Einkommen aus Vermögensbesitz rasch, sinkt der Wohlstand. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Fri, 15 Aug 2014 00:00:00 +0200 1406874966046 "Die Alarmglocken läuten, aber viele schützen sich mit Ohropax" Zur Person
    Univ.-Prof. Dr. Jörg Flecker
    Ist seit März 2013 Professor für Allgemeine Soziologie am Institut für Soziologie der Universität Wien. Der 1959 in Graz geborene Wissenschafter studierte zunächst Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien und gelangte über einen Postgraduate-Lehrgang am Institut für Höhere Studien zur Soziologie. Zwischen 1991 und 2013 war Flecker Wissenschaftlicher Leiter der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt (FORBA). Seine Schwerpunkte sind der Wandel der Beschäftigungssysteme im internationalen Vergleich, dynamische Vernetzungen von Organisationen und die Qualität der Arbeit, die Transformation öffentlicher Dienstleistungen in europäischen Wohlfahrtsstaaten und Arbeit in transnationalen Wertschöpfungsketten.

    A&W: Ungleichheit und ungerechte Verteilung nehmen weltweit zu. Wird diese Schere noch weiter aufgehen?

    Jörg Flecker: Die Gefahr besteht. Es gibt eine Tendenz zu zunehmender Armut und Umverteilung nach oben. Ohne politische Gegenmaßnahmen und gesellschaftlichen Widerstand könnte es weiter in diese Richtung gehen.

    Wo liegen die Gründe für diese Entwicklungen?

    Das liegt zum einen am Finanzmarkt-kapitalismus seit der Liberalisierung der globalen Finanzmärkte. Der Druck, hohe Renditen zu erzielen, setzt sich in Kürzungen der ArbeitnehmerInnen-Einkommen, der Flexibilisierung der Beschäftigung und einem wachsenden Niedriglohnbereich fort. Der zweite Grund ist die Dominanz neoliberaler Vorstellungen. Der Staat hat durch Privatisierung und Deregulierung Einflussmöglichkeiten abgegeben. Vormals öffentliche Dienstleistungen werden privat erbracht und dabei Profit angestrebt. Hier haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert, die Einkommen sind gesunken. Als dritten Punkt möchte ich das nennen, was Colin Crouch als „Postdemokratie“ bezeichnet hat: Die Demokratien funktionieren nur der Form nach, aber die Entscheidungen sind inhaltlich stark von Lobbyisten und Großunternehmen beeinflusst. Jene, die private Reichtümer haben, bringen ihre Interessen viel stärker durch.

    Wann müssen bei der Ungleichheit von Arbeit und Vermögen die Alarmglocken läuten?

    Sie läuten schon, aber viele schützen sich mit Ohropax dagegen. Eine Studie der Europäischen Zentralbank hat vor Kurzem gezeigt, dass Österreich zu den europäischen Ländern mit der größten Ungleichheit bei der Verteilung des Vermögens gehört. Das Bild einer relativ gleichen Gesellschaft in Österreich, das viele noch im Kopf haben, stimmt also absolut nicht.

    Welche Indikatoren für Ungleichheit gibt es noch?

    Ein weiterer Indikator ist die Lohnquote: Seit Mitte der 1970er-Jahre ist sie kontinuierlich gesunken – von circa 75 Prozent Anteil des ArbeitnehmerInneneinkommens am Volkseinkommen auf unter 65 Prozent. Die Nettolohnquote ist noch stärker gesunken, weil die Steuer- und Abgabenbelastungen auf ArbeitnehmerInneneinkommen höher sind als auf Gewinneinkommen. Zudem gibt es rund 200.000 „Working Poor“ und einen wachsenden Niedriglohnbereich – und das bei steigenden Lebenshaltungskosten. Daran ist deutlich erkennbar, wie sehr die Schere auseinandergeht.

    Ist es Zeit für eine Kehrtwende?

    Ein Grund zur Umkehr wäre zu sagen: Man kann in einem reichen Land Armut aus moralischen Gründen nicht akzeptieren. Auch verlieren bei großer Ungleichheit alle – sogar die Reichen. Oder: Wir können uns die großen privaten Reichtümer und ihr Anwachsen einfach nicht mehr leisten, weil dadurch der Wirtschaft Nachfrage entzogen wird – und das schadet der Konjunktur und führt zu Arbeitslosigkeit.

    Was ist gefährlicher: die reicher werdenden Reichen oder die ärmer werdenden Armen?

    Wir sehen an beiden Enden eine Gefährdung der Demokratie. Kleine Gruppen von reichen und damit mächtigen Personen können politische Entscheidungen bestimmen, die somit der demokratischen Willensbildung entzogen werden. Das führt zum Verlust des Vertrauens in die politischen Institutionen. Die Leute sagen dann: Die da oben richten sich’s ja eh! Da haben wir bereits ein massives Problem. Und dann ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Gefährdung der Demokratie durch Desinteresse oder den Wunsch nach dem sogenannten „starken Mann“, nach autoritären Lösungen.

    Der ÖGB fordert Vermögenssteuern. Wie sollten diese gestaltet sein?

    Österreich hat im OECD-Vergleich eine sehr niedrige Besteuerung von Vermögen. Wenn Umverteilung nach oben läuft, ist es schwer, die Steuereinnahmen nur von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und den Niedrigverdienenden zu bekommen, weil es da an Masse mangelt. Es ist schwierig, an die Vermögen heranzukommen – das verweist wieder auf die Finanzmärkte. Es wäre ein Gesamtpaket nötig, bei dem man nicht nur große Vermögen effektiver besteuert, sondern auch sagt: Die Freizügigkeit des Kapitals, die Deregulierung des globalen Finanzmarktes war ein Irrweg.

    Halten Sie die Senkung des Einkommensteuersatzes für eine sinnvolle und ausreichende Maßnahme gegen Ungleichheit?

    Ändert man etwas an der Besteuerung, betrifft das immer nur die, die genügend Einkommen haben, um Steuern zu zahlen. Die größte Problematik besteht aber bei den ganz niedrigen Einkommen und den Menschen ohne Erwerbseinkommen. Ich denke eher, dass man bei den Mindesteinkommen, also den Kollektivvertragseinkommen, ansetzen muss und auch bei den Transferzahlungen wie Mindestsicherung, Arbeitslosengeld und Pensionen.

    Wäre ein Mindestlohn nach deutschem Vorbild sinnvoll?

    In Deutschland wird der gesetzliche Mindestlohn eingeführt, weil das Tarifvertragssystem löchrig geworden ist und der Anteil derer, die unter einen Branchentarifvertrag fallen, stark zurückgegangen ist. In Österreich ist die Situation eine andere: Für die meisten Beschäftigungsverhältnisse gibt es – solange es wirklich Anstellungsverhältnisse sind, die dem Arbeitsrecht unterliegen – einen kollektivvertraglichen Mindestlohn. Daher wird argumentiert, dass keine Notwendigkeit besteht. Auch gibt es die Befürchtung, dass gesetzliche Mindestlöhne politisch oder von außen und ohne demokratische Legitimation reduziert werden könnten, wie es etwa in Griechenland passiert ist. Eventuell könnte andererseits ein gesetzliches Mindestmaß dazu beitragen, die niedrigeren Kollektivvertragslöhne in die Höhe zu kriegen. Wichtig ist, dass die kollektivvertraglichen Mindestlöhne immer wieder über eine neue Mindestschwelle gehoben werden.

    Was halten Sie von einem bedingungslosen Grundeinkommen?

    Das ist eine berechtigte Forderung in einer Gesellschaft, die grundsätzlich sehr reich ist. Man könnte fragen, warum diejenigen, die in Familien hineingeboren werden, wo es Besitz an Unternehmen, Großgrund etc. gibt, so viel besser gestellt sind als Personen, die in Familien hineingeboren werden, wo es nur Schulden und kein Bildungskapital gibt. Man kann argumentieren: Es braucht eine gesellschaftliche Solidarität, die allen Bürgerinnen und Bürgern einen Anteil an dem von allen erarbeiteten gesellschaftlichen Reichtum sichert.

    Und was spricht dagegen?

    Es spießt sich meist an der Höhe des Grundeinkommens. Einerseits besteht die Gefahr, dass es, wenn es durchgesetzt würde, sehr niedrig wäre. Dann würden die „Überzähligen“, die vom Kapitalismus als Arbeitskräfte und Konsumentinnen und Konsumenten nicht gebraucht werden, gerade noch am Leben gehalten. Bei einem ausreichend hohen Grundeinkommen wird befürchtet, dass sich die Menschen nicht am Produktionsprozess beteiligen. Bei hoher Arbeitslosigkeit ist das aber nicht unser Problem. Außerdem halte ich diese Gefahr für gering, weil Arbeit nicht nur Einkommen, sondern auch soziale Kontakte und gesellschaftliche Anerkennung gewährt. Eine Alternative wäre, die Mindestsicherung stark anzuheben, aber die Verpflichtung, eine Erwerbstätigkeit anzunehmen, aufrechtzuerhalten.

    Hängen die Verteilung von Vermögen und die Verteilung von Arbeit zwangsweise zusammen?

    Nein, im Gegenteil. Es gibt viele extrem reiche Menschen, die nicht arbeiten müssen – das ist das gesellschaftlich akzeptierte arbeitslose Einkommen. Und große Reichtümer kann man nicht erarbeiten. Weniger akzeptiert ist sonderbarerweise das arbeitslose Einkommen der Leute, die keinen Job bekommen – da hat man gleich eine „Sozialschmarotzer“-Diskussion.

    Wie ist das bei den Erwerbstätigen?

    Dort gibt es riesige Bandbreiten. Bei den Selbstständigen gibt es unter anderem Ein-Personen-Unternehmen mit niedrigem Einkommen, die sich trotz sehr viel Arbeit schwer über Wasser halten können. Zu den Unselbstständigen zählen auch die „Working Rich“, etwa Vorstandsmitglieder mit Millioneneinkünften. In Österreich gibt es einen zaghaften Versuch, Jahreseinkommen über 500.000 Euro nicht mehr als Betriebsausgabe anzuerkennen, weil es de facto Anteil am Gewinn ist. Auf der anderen Seite stehen die Niedriglöhne, die Armutslöhne. Und dann ist da noch der große Bereich der Erwerbslosigkeit: Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit seit den 1950er-Jahren.

    Welche Möglichkeiten der Umverteilung gibt es noch?

    Man könnte die Arbeitszeit betrachten. Es liegt nahe, die Arbeitszeit zwischen denen, die sehr lange arbeiten, und denen, die bei der Erwerbsarbeit auf null gesetzt sind, umzuverteilen – also den gesellschaftlichen Reichtum zur Arbeitszeitverkürzung zu nutzen und so in Zeitwohlstand zu verwandeln. Österreich hat insgesamt lange und in Teilbereichen sehr lange Arbeitszeiten. Lange Arbeitszeiten machen krank, das ist arbeitsmedizinisch deutlich nachgewiesen und nicht nur unter dem Gesichtspunkt des menschlichen Leids höchst problematisch, sondern auch in Bezug auf die Kosten, die im Sozial- und Gesundheitssystem entstehen. Insofern sollte man diskutieren, was man für mehr Zeitwohlstand tun kann.

    Wie stellen Sie sich das vor?

    Die Möglichkeit, in Kollektivverträgen für Zeit anstelle von Gehalts- und Lohnerhöhungen zu optieren, ist ein erster Schritt. Man muss sich das aber leisten können. Diejenigen, die Schwierigkeiten haben, ihre Miete zu zahlen und die Wohnungen zu heizen, können das natürlich nicht. Bei denen, die besser verdienen, ist die Präferenz für mehr Zeit aber sehr verbreitet. Es wäre denkbar zu sagen: Wir machen eine spürbare Arbeitszeitverkürzung bei gleichbleibendem Einkommen – und das soll bewusst zu einer Umverteilung von oben nach unten in der Vermögens- und Einkommensskala führen, auch mit begleitenden Umstellungen bei den Steuern und den Sozialabgaben.

    Blickt man nach Lampedusa, nähert sich da die Ungleichheit in menschlicher Form. Stehen wir unter Druck, bei der Umverteilung global zu denken?

    Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir können uns nicht mit Scheuklappen auf Österreich beschränken. Ich würde im ersten Schritt auf Europa schauen: Was hat die Politik hier an Katastrophen verursacht in den sogenannten Krisenländern? Was hat sie mit verursacht an Arbeitslosigkeit, Armut, Verlust von Lebensperspektiven bis hin zum Anstieg von Selbstmordraten? Da braucht es eine europäische Perspektive, eine europäische Solidarität. Die nationalistischen Tendenzen zeigen sich darin, dass in den Medien von „Pleite-Griechen“ geschrieben wurde oder diskutiert wird, ob Menschen aus anderen Mitgliedsstaaten Anspruch auf soziale Leistungen haben sollen. Sie gipfeln in rassistischen Handlungen, wenn wie in Frankreich Roma ausgewiesen werden. Die europäischen und globalen Verflechtungen sind sowohl in wirtschaftlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht so stark, dass es keinen Sinn hat, Ungleichheit nur in einem Land zu betrachten. Für alle Themen gilt: Uns sollte die Situation in Spanien und Griechenland genauso interessieren wie die in Kärnten und Vorarlberg.

    Und die globale Perspektive? Afrika, aber auch der Nahe Osten liegen vor unserer Haustür.

    Die globale Ebene ist auch enorm wichtig, weil im Süden massive Armut zu finden ist und dort die Unterschiede noch viel größer sind. Das wirft wiederum die Frage auf: Welche Effekte haben europäische Politik, Handelspolitik oder die Subventionierung der Landwirtschaft in dem Zusammenhang? Hier werden z. B. in Afrika Lebensgrundlagen zerstört. Viele Menschen, die deshalb mit Booten nach Europa flüchten, lassen auf dem Weg ihr Leben. Und dann wird über Frontex versucht, diese Menschen draußen zu halten – insgesamt also eine zynische Politik.

    Der Zwang zur Gewinnmaximierung scheint weit gediehen zu sein, Konzerne scheinen weiter an Macht zu gewinnen. Herrscht hier nicht schon ein Gefühl der Ohnmacht in der Bevölkerung?

    Natürlich gibt es ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit, weil die großen Konzerne deutlich mehr Macht haben als – vor allem kleinere – Nationalstaaten. Die EU könnte ein Gegengewicht bilden, wenn sie nicht durch Lobbyismus und Einfluss der Konzerne am Gängelband dieser Wirtschaftsinteressen hinge. Es wird aber auch massiver Widerstand gegen weitere Verschlechterungen geleistet, beispielsweise in der Diskussion um TTIP (Anm.: das geplante Freihandelsabkommen mit den USA). Und es gibt einen starken Widerstand der Zivilbevölkerung und einzelner Regierungen, die etwas bewirken können. Man hört jetzt weniger von Protestbewegungen wie Occupy, aber diese Bewegungen haben Zulauf bekommen. Sie sind auch Bewegungen für mehr Demokratie und dafür, dass man das Leben wieder selber in die Hand nehmen kann.

    Wir danken Ihnen für das Gespräch.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at  

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    Das Interview führte Alexandra Rotter für Arbeit&Wirtschaft Arbeit&Wirtschaft 6/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966029 Viele haben das positive Bild im Kopf, wonach Österreich eine relativ gleiche Gesellschaft ist. In der Realität aber stellt der Soziologe Jörg Flecker eine "Tendenz zu mehr Armut und Umverteilung nach oben" fest. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1406874966034 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998672882 Von Bauern und Kaisern Zum Downloaden eine gegenüberstellende Chronologie österreichischer und chinesischer Geschichte, beginnend rund 400 n. Chr. bis heute.

    Zusammengestellt von Klaus-Dieter Mulley, AK Wien.

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    Zusammengestellt von Klaus-Dieter Mulley, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998671528 "Nicht zuletzt" ... Die gelbe Gefahr? Diese enorme Expansion löst viele Sorgen aus, etwa jene der Überschwemmung der europäischen Märkte mit Billigprodukten oder jene der Abwanderung der Unternehmen ins Reich der Mitte. Mit welchen Produkten können wir angesichts unserer hohen Einkommens- und Sozialstandards überhaupt noch gegenüber China konkurrenzfähig sein, wo Hunderte Millionen armer Bauern bereit sind, zu billigen Löhnen in der Industrie zu arbeiten?

    Beeindruckende Erfolge

    Die chinesische Wirtschaftspolitik hat in den letzten Jahrzehnten beeindruckende Erfolge erzielt: Im Gegensatz zu Indien gelang es, Hunger unter der Milliardenbevölkerung zu vermeiden. Auch die weltweite Finanzkrise ist an China beinahe spurlos vorübergegangen.

    Zu diesen Erfolgen hat auch beigetragen, dass China dem westlichen Drängen auf Liberalisierung nicht gefolgt ist. Strikte Kapitalverkehrsbeschränkungen wurden ebenso wie die staatliche Intervention auf dem Reismarkt beibehalten. Dennoch steht China vor enormen Herausforderungen. Sie betreffen die krassen Unterschiede bei Einkommen und sozialen Chancen ebenso wie die gewaltigen Umweltprobleme, die faulen Kredite im Bankensystem oder die Übertragung der enormen Exportüberschüsse in kaufkräftige Inlandsnachfrage.

    Zudem stellt sich die Frage, wann das Fehlen von Demokratie und anderen Menschenrechten die soziale Stabilität gefährdet. Es ist absehbar, dass die Expansion der chinesischen Wirtschaft nicht ungebremst voranschreiten wird. Mit der schrittweisen Öffnung zum kapitalistischen Wirtschaftssystem ist China auch für dessen Krisen anfällig geworden.

    Leistbares durch Billigimporte

    Die dynamische Entwicklung der chinesischen Wirtschaft spiegelt sich auch im österreichischen Außenhandel wider: In den letzten zehn Jahren haben sich die Importe aus China von knapp zwei auf sieben Milliarden Euro pro Jahr mehr als verdreifacht, sie machen bereits fünf Prozent des gesamten heimischen Güterimports aus.

    Die Einfuhr billiger Fertigwaren, vom Plastikspielzeug bis zu Elektronikwaren, steigt kräftig, zunehmend dehnt sich der Handel auf Maschinen aus. Die Billigimporte aus China haben viele Gebrauchsgegenstände bei uns erst leistbar gemacht. Es kommt praktisch nicht vor, dass Produktion aus Österreich abgesiedelt wird und die Produkte dann aus China importiert werden.

    Gleichzeitig benötigt China für sein rasches Wachstum Investitionsgüter wie Maschinen und Elektrogeräte und die rasch wachsende Mittelschicht in den Städten gewinnt an Kaufkraft. Deshalb hat sich auch Österreichs Export ins Reich der Mitte dynamisch entwickelt: Er verdreifachte sich im letzten Jahrzehnt auf mehr als drei Milliarden Euro. Die Handelsbilanz weist dennoch ein Minus von gut drei Milliarden Euro auf. China bildet einen der wichtigsten Wachstumsmärkte für den heimischen Tourismus: Die Zahl der Nächtigungen chinesischer Gäste beträgt etwa eine halbe Million pro Jahr, sie verdoppelt sich alle vier bis fünf Jahre.

    Verteilungsfragen

    Die Wirtschaft Österreichs wie auch jene der EU insgesamt profitieren vom raschen Aufstieg Chinas. Doch die Vorteile sind ungleich verteilt. Während die Gewinne der erfolgreichen Exportunternehmen kräftig steigen, haben viele Menschen in schwachen Konsumgüterindustrien Südeuropas Arbeit und Einkommen verloren. Die entscheidende Frage ist einmal mehr nicht jene nach der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Vielmehr geht es darum, wie der entstehende Wohlstand verteilt wird.

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    Markus Marterbauer, Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998671504 Rück-Blog Die meistgelesenen Beiträge der letzten 30 Tage:

    • Ja zu Vermögenssteuern
    • Duales System als Vorbild
    • Kontraproduktiver Lohndruck
    • Mehr Vielfalt an Unis!

    Ja zu Vermögenssteuern

    Die Debatte, ob Steuerreform ja oder nein, ist voll im Gange, die Aufstellung entlang der wirtschaftlichen Interessen hat schon stattgefunden. Franz Gall analysiert in seinem Beitrag die Argumentation der „Wirtschaftskapitäne“, dass die hohe Abgabenlast dem Standort Österreich schadet. Er zeigt dabei eindrucksvoll, wie günstig die Gewinnbesteuerung in Österreich in Wirklichkeit ist. So kamen in Österreich 2012 5,2 Prozent aller Steuereinnahmen von Gewinnen, der OECD-Schnitt lag mit 8,6 Prozent deutlich höher. Auch die Bankenabgabe wurde gerechtfertigterweise eingeführt, weil die Banken ab 2008 den Staatshaushalt durch die Bankenrettungspakete besonders belasteten. Netto kosteten die Bankenhilfen von 2008 bis April 2013 ganze sieben Milliarden Euro.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/die-wirtschaftskapitaene-und-die-steuern/

    Miriam Rehm befasst sich mit den Angriffen auf jenes Buch, das sich anschickt, die Wirtschaftswissenschaft zu verändern. Thomas Piketty stellt in „Kapital im 21. Jahrhundert“ fest, dass sich die europäischen Länder zunehmend zu einer Gesellschaft wie zu Zeiten der Monarchie entwickeln. Eine winzige Gruppe von Erbaristokratinnen und -aristokraten hielt im 19. Jahrhundert extrem hohe Anteile am Vermögen. Selbst die höchsten Einkommen aus Arbeit konnten nicht den Lebensstil garantieren, den ererbtes Vermögen manchen ermöglichte. Piketty untersucht vor allem europäische Länder, zum Beispiel Frankreich, Großbritannien oder Deutschland. Er weist nach, dass es auch heute langfristige, strukturelle Verschiebungen hin zu Vermögenden gibt. Die Forderung ist also aufrecht: Vermögenssteuern sind der richtige Weg.

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/attacke-piketty/

    Duales System als Vorbild

    Das österreichische Modell der dualen Ausbildung bzw. der Ausbildungsgarantie steht im Zentrum des Beitrages von Silvia Hofbauer, Edith Kugi-Mazza und Lisa Sinowatz. Dieses ist mittlerweile zu einem international diskutierten Good-Practice-Beispiel avanciert. Trotz dieser Entwicklung lagen zur volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nachhaltigkeit bislang keine detaillierteren Forschungen vor. Im Rahmen von Modellberechnungen wurde nun versucht, diese Lücke zu schließen. Unter Berücksichtigung empirischer Datenlage wurde berechnet, welche Einnahmen die öffentliche Hand mittelfristig durch die zusätzliche und bessere Beschäftigung der Jugendlichen nach erfolgter Ausbildung hat. Das positive Ergebnis: Im Idealfall liegt die Höhe der Rückflüsse bereits nach fünf Jahren über den Kosten. Selbst in einem pessimistischen Szenario rechnet sich die Investition nach sieben Jahren.

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    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/erfolgsmodell-ueberbetriebliche-ausbildung-warum-sich-investitionen-lohnen-fuer-jugendliche-und-den-staat/

    Kontraproduktiver Lohndruck

    Am Beispiel Spanien stellt Nacho Álvarez (Bearbeitung Georg Feigl) dar, wie die politischen Eliten das Machtungleichgewicht in der Krise dazu nützen, Druck auf die Löhne zu erzeugen. Die Frage, ob diese Strategie ihre Ziele in Spanien erfüllt hat, verneint Álvarez. Zwar sanken zwischen 2010 und 2013 die Nominallöhne in Relation zur realen Wirtschaftsleistung um fünf Prozent. Diese angebliche Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit war aber in Wirklichkeit auf den starken Rückgang der Nachfrage im Inland zurückzuführen, die zwangsläufig eine verstärkte Orientierung auf externe Märkte bewirkt. Und selbst wenn die Senkung der Lohnstückkosten das Exportwachstum direkt verstärkt hätte, hätte dieser Effekt nicht den Rückgang in der Inlandsnachfrage ausgleichen können. Löhne bestimmen eben nicht nur die Produktionskosten, sondern auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Das bewirkt, dass die Lohnkürzungspolitik das Wachstum untergräbt und den Ausweg aus der Krise verhindert.

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    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/lohnkonkurrenz-als-ausweg-aus-der-krise/

    Mehr Vielfalt an Unis!

    Anfang Mai wurde ein Manifest für mehr Vielfalt in der Wirtschaftswissenschaft von einem Zusammenschluss aus über 40 Studierendengruppierungen aus 19 Ländern veröffentlicht, um sich gegen die neoklassische Vorherrschaft an den Unis zu wehren. Die Gesellschaft für Plurale Ökonomik Wien ist Teil dieser Initiative. Auch Peter Mooslechner, Direktor der Österreichischen Nationalbank, unterstützt die Initiative: „Viele Aspekte der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise haben gezeigt, dass es neuer, innovativer und methodisch breiterer Ansätze in den Wirtschaftswissenschaften bedarf, um eine relevante Wirtschaftspolitik entsprechend zu fundieren. Dafür ist es entscheidend, dass Volkswirtschaftslehre fundamental als multiparadigmatische Wissenschaft verstanden, gelehrt und ‚gelebt‘ wird.“

    Lesen Sie mehr:
    http://blog.arbeit-wirtschaft.at/der-aufstand-der-wirtschaftsstudierenden/

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    Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998672062 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998671441 Einen Ruf zu verlieren „Herr Schmidt, Sie hatten also Kontakt zum verstorbenen Herrn Li Zhen in Shanghai?“

    Der Gerichtssaal war voll, als Friedrich Schmidt wegen mehrfachen Mordes angeklagt wurde. Zeugen, Reporter, alles drängte sich um den Mann, der so viele Menschen in den Tod gerissen hatte. Kameras klickten, es wurde getuschelt.

    „Ja, Herr Richter. Ja, das hatte ich, ich gebe es zu. Aber Sie müssen mich auch verstehen. Ich werde Ihnen die Geschichte erzählen, die ganze Geschichte. Sie müssen wissen, meine Familie hatte seit Generationen ein gut gehendes Kleidergeschäft in der Fußgängerzone. Mein Urgroßvater Jakob kam als armer Schneider nach Wien, eröffnete hier seine Werkstatt und konnte sich im Lauf der Jahre mit seinem Fleiß und seinem Können hocharbeiten. Schon bald bestellten die noblen Herrschaften bei ihm Anzüge und Roben nach Maß. Er konnte rasch erweitern, vergrößern, immer mehr Mitarbeiter einstellen. Mein Großvater Ferdinand stieg ebenfalls nach einer Schneiderlehre in den Familienbetrieb ein, meine Großmutter Julia war Mannequin – ja, das nannte man damals noch so. Die beiden lernten sich bei einer Modenschau kennen, es war die große Liebe, sie begannen eine gemeinsame Zukunft. Meine Großmutter führte weiterhin Kleider vor, die mein Großvater entwarf. Auch über die Kriegsjahre haben die beiden ihr Geschäft gerettet, ja, ich weiß, was Sie fragen wollen – ich kenne die Antwort nicht. Es ist jedoch bei dem einen Geschäft geblieben, und ich kann Ihnen sagen, meine Großeltern waren ehrliche Leute, auch wenn sie sich nicht gegen Hitler zu Wehr gesetzt haben.“

    „Erzählen Sie weiter.“

    „Ich fing selbst nach meiner Ausbildung im Familienbetrieb an, da war er bereits auf einer Talfahrt. Überall gab es immer mehr neumodische Ketten mit billiger Importware. In den letzten Jahren lief unser Geschäft immer schlechter. Unsere Ware war zu teuer, die Kunden verlangten „billig, billig“, ich konnte es nicht mehr hören. Immer leerer war es im Lauf der Zeit zwischen den Kleiderständern und Regalen, auf denen wir die schönsten Röcke, Kleider und Hosen zur Schau stellten, jedes Stück einzigartig. Mit dem Schönheitsfehler, dass heutzutage kaum noch Interesse daran besteht.

    Als mein Vater die Geschäfte endgültig an mich übergab, wurde das Problem zwingend. Mittlerweile hatte ich Familie und einen Kredit für die Wohnung abzuzahlen. Weil ich nicht zahlen konnte, wollten die Lieferanten nicht mehr liefern. Was tut man mit einem leeren Geschäft? Das hat keinen Sinn. Die wenigen Kunden fragten nach diesem oder jenem, und wir mussten sagen, das führen wir derzeit nicht. Würden Sie so ein Geschäft wieder aufsuchen, wenn Sie so eine Antwort öfter bekommen haben? Also ich täte es nicht. Außerdem sollte ich als neuer Inhaber plötzlich die x-fache Miete für den guten Standort zahlen. Ein Ding der Unmöglichkeit. Sie verstehen?“

    Der Richter nickte.

    „Die altbekannte Konkurrenz rundherum ging ein, ein Schicksal, das ich uns, meiner Frau, meiner Tochter und mir ersparen wollte. Wo hätte ich auch sonst zu arbeiten anfangen sollen? Wir hatten einen Ruf zu verlieren, unser Name war bekannt in der Stadt. Ein guter Name, er stand für Qualität. Andere Mitbewerber arbeiteten mit unlauteren Mitteln. So dachte ich zumindest, bis ich mich selbst umhörte, als ich Auswege suchte, suchen musste, um geschäftlich zu überleben. Der Bankrott stand vor der Tür, ungeachtet dessen wollte der Staat immer höhere Steuern und Abgaben von uns. Dazu Schmiergelder und dergleichen mehr, ein Fass ohne Boden. Ich hätte nur noch zusperren können. Ist das die Alternative, die Sie möchten?“

    „Es geht nicht um das, was ich will. Fahren Sie bitte fort, Herr Schmidt.“

    „Ich überlegte also, selbst ins China-Geschäft einzusteigen. Jedoch, Regen-Traufe-Problem, Sie verstehen?“

    Der Richter nickte leicht.

    „Mein guter Freund Joschi, Namen tun doch hoffentlich nichts zur Sache –“

    „Ich muss Sie enttäuschen, wir brauchen den Namen, Herr Schmidt.“

    Das Publikum raunte.

    „Also gut. Da haben Sie den Namen, Josef Bosch, genannt Joschi, hatte die Connections. Er brachte mich mit Li Zhen aus Shanghai zusammen.“

    „Er redet wie ein Touristenheini“, murrte es im Publikum. Der Richter erteilte einen Ordnungsruf.

    „Ich unternahm feine Reisen ins Land der Morgenröte. Keine Spur von Kommunismus, kann ich Sie versichern. Li Zhen war ein vollendeter Gastgeber, seine Tochter Rose zeigte mir die Stadt. Sie war europäisch orientiert, ihr Name wie ihr Gehabe. Ich lernte sie näher kennen, wenn Sie verstehen, was ich meine.“

    Wieder nickte der Richter. „Verbrecher!“, rief jemand unter den Zuschauern. Ein paar standen auf, wollten nach vorne stürmen, wurden aber von den Ordnern davon abgehalten.

    „Ich machte mir in der Folge Hoffnungen, auf diese Weise endlich wieder ins Geschäft zu kommen, Geld zu verdienen. Li Zhen lieferte wie vereinbart zu niedrigen Preisen, die Ware entsprach dem, was Konsumenten heute erwarten, aber nicht mehr. Wer ist denn noch interessiert an Handwerk, an ordentlichen Nähten oder qualitativ hochwertigen Knöpfen? Aber egal. Li Zhens Lieferung erfolgte pünktlich und unproblematisch. Eine Weile lief alles nach Plan. Mein Geschäft – unter neuem Namen wiedereröffnet – war wieder gut besucht, die Kassen klingelten, ich konnte mich endlich entspannen, mit meiner Frau in die Oper gehen, meiner Tochter einen USA-Urlaub zahlen. Ich schöpfte tatsächlich Hoffnung, Herr Richter.

    Doch nach ein paar Monaten fingen die Probleme an. Zuerst schleichend, fast unmerklich. Trotz meiner Zahlungen wurde zum Beispiel zu wenig Ware geliefert oder in anderen als den vereinbarten Farben. Als würden die Chinesen uns den Ramsch schicken, den sie sonst nicht verkaufen konnten. Einmal mussten wegen der giftigen Chemikalien in den Textilien sogar Leute, die bei mir gekauft hatten, ins Spital. Das konnte ich nicht tolerieren und ich beschwerte mich bei Li Zhen. Der jedoch wimmelte mich lächelnd ab. Nichts änderte sich. Schließlich war er gar nicht mehr für mich zu sprechen. Ich lud ihn ein, nach Österreich zu kommen und sich das Problem persönlich anzusehen. Er ging nicht darauf ein. Stattdessen schickte er seine Tochter Rose. Und Rose war überall. Ständig. Nur weil ich einmal mit ihr geschlafen habe, ließ sie mich nicht mehr los. Sie verfolgte mich, tauchte in meiner Straße auf, drohte, alles meiner Familie zu erzählen, sie sagte was von Zeugen.

    Das war zu viel. Ich würde die Probleme mit Li Zhens Fabrik nicht tolerieren, ich würde nicht noch einmal riskieren, dass mir die Kunden davonliefen, dass meine Familie noch einmal in eine Krise geriet. Vielleicht steckte die China-Mafia hinter dem Problem, wie manche meiner Freunde munkelten. Ich musste etwas tun. Ja, ich habe Li Zhens blöde Fabrik angezündet. Ich wollte Ruhe für mich und meine Familie und ein Auskommen. Ich kann nichts dafür, dass es in der Fabrik keine Notausgänge gab. Ich war nur der Auftraggeber, der Rest war Li Zhens Sache. Und die seiner Tochter. Zu dumm, dass beide mit den Arbeiterinnen starben. So können sie nicht mehr als Zeugen aussagen. Aber Sie haben doch sämtliche Belege und Verträge, Herr Richter.“

    Der Richter nickte wieder, das Publikum murrte.

    „Eine Frage noch, Herr Richter. Wie sind Sie auf meine Spur gekommen? Wie sind die Ermittler bei mir gelandet?“

    „Ihre Tochter, Herr Schmidt. Ihre Tochter Emma kam Ihnen auf die Schliche. Sie fand es unverantwortlich, wehrlose Menschen einer dermaßen großen Gefahr auszusetzen, wie sie durch das gelegte Feuer entstand. Wussten Sie nicht, dass sich Ihre Tochter schon länger für die Rechte der Textilarbeiterinnen engagiert?“

    „Nein. Nein, davon hatte ich keine Ahnung, verdammt. Ich habe das doch wegen meiner Familie getan! Das kann Emma doch nicht machen, mich, ihren eigenen Vater, anschwärzen.“

    „Sehen Sie“, der Richter lächelte fein, „jeder hat so seinen Ruf. Auch Väter bei ihren Töchtern. Deshalb hat sie wohl nachgebohrt. Danke, jetzt haben wir Ihr Geständnis.“

    Schmidt nickte. Er musste sich setzen. Es war aus. Aus und vorbei. Alles.

    Anni Bürkl ist Journalistin, (Krimi-)Autorin und Lektorin. Ihr jüngstes Buch trägt den Titel „Göttinnensturz“ und ist Teil einer Krimireihe rund um Teelady Berenike Roither, erschienen im Gmeiner Verlag.

    www.annibuerkl.at

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    Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998670612 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998670617 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670791 Westliche Opiumkrieger und chinesische BoxerInnen Um die Einfuhr von Opium nach China zu erzwingen, führte England verbrecherische Kriege. Die dadurch erschütterte chinesische Herrschaft konnte sich nicht mehr stabilisieren. Innere Unruhen, ökologische Katastrophen und die alliierte Niederschlagung des „Boxeraufstandes“ führten das Land unter Kuratel des westlichen Imperialismus.

    Globaler Handel im 18. Jahrhundert

    China war bereits seit dem 16. Jahrhundert in den globalen Handel eingebunden. Es exportierte Seide, Tee, Keramik, Gewürze und Lacke und erhielt dafür Silberpesos, aber auch europäische Waffen und Manufakturwaren. Im 18. und 19. Jahrhundert erlebte China geradezu einen Boom: Am zentralen chinesischen Handelsplatz stieg die Tonnage ausländischer Schiffe innerhalb von 100 Jahren von rund 2.800 Tonnen im Jahr 1726 auf rund 37.000 Tonnen im Jahr 1833. Nachdem Silber für die Händler als Ware und Tauschmittel immer teurer wurde, begann man, nach Alternativen zu suchen, um die europäische Nachfrage, vor allem nach Tee, befriedigen zu können. Dabei kam man auf Opium, dessen Einfuhr nach China zwar verboten war, das jedoch leicht erzeugt werden konnte, wenig Frachtraum einnahm und Handelsdefizite ausgleichen konnte. Bereits im 17. Jahrhundert begannen englische und holländische Händler, Tabak mit Opium zu versehen, und führten damit die Droge in China ein, die sich bald zunehmender Beliebtheit erfreute. Bereits 1729 verbot der chinesische Kaiserhof den Verkauf von Opium durch ein Edikt, welches immer wieder erneuert werden sollte.

    Opium statt Silber

    Die „Britische Ostindien-Kompanie“ wiederum, damals die größte Handelsgesellschaft der Welt, die wie kaum eine andere den globalen Handel dominierte, sah in der illegalen Einfuhr von Opium nach China bald die Chance, die Kosten ihrer Einkäufe zu minimieren und ihre Profite zu maximieren. Die Einnahmen aus dem illegalen Opiumverkauf überstiegen bald die Ausgaben für die Einkäufe chinesischer Waren. Für China bedeutete dies ein Handelsdefizit und einen zunehmenden Abfluss seiner (Silber-)Währung. Kurz: Statt Silber bekam China für seine Waren volkswirtschaftlich wertloses, gesellschaftspolitisch schädliches Opium. Dies musste in der Folge zu einer Zerrüttung der chinesischen (Silber-)Währung führen, zumal die unter dem Einfluss der englischen und bald auch amerikanischen Händler stehenden chinesischen Distributoren die illegale Opiumeinfuhr mit Silberpesos zu begleichen hatten. Mit den von China bezahlten Silberpesos wurden nicht nur gigantische Profite erwirtschaftet, sondern auch die Anlage von Opiumlatifundien in Indien und anderen Kolonien finanziert, wodurch sich das britische Empire weitgehend durch Grundeinnahmen und auf den Opiumtransport erhaltene Steuern finanzieren konnte. In China nahm die Anzahl der Opiumsüchtigen insbesondere im Bereich des Militärs, der Beamtenschaft und auch innerhalb des Kaiserhofes rasant zu, was zu einer Destabilisierung des politischen Systems führte.

    Als 1839 mit Opium handelnde Ausländer in Kanton interniert wurden und über 1.400 Tonnen nach China geschmuggeltes Opium verbrannt wurden, sandte Großbritannien Truppen, die Landstriche an der südostchinesischen Küste besetzten. Im Friedensdiktat von Nanking 1842, dem ersten der „ungleichen Verträge“, wurde China zu Reparationszahlungen, der Abtretung von Hongkong, der Öffnung von Häfen und zur Akzeptanz eines unbeschränkten Handels verpflichtet. Als China 1856 erneut dem Opiumschmuggel Einhalt zu gebieten suchte, kam es wiederum zu einer militärischen Intervention, diesmal unter der Beteiligung Frankreichs und der USA (2. und 3. Opiumkrieg von 1856 und 1860), die bis zur Einnahme und Plünderung von Peking führte. Die Westmächte erzwangen unter anderem die Legalisierung des Opiumhandels, die Öffnung weiterer Hafenstädte und die Errichtung eines exterritorialen Gesandtschaftsviertels in der bis dahin geschlossenen Stadt Peking.

    Europäische Modernisierung?

    Vielfach wird – völlig zu Unrecht, wie die Berliner Sinologin und Gastprofessorin an chinesischen Universitäten Mechthild Leutner treffend nachweisen kann – der Opiumkrieg abseits von verbrecherischen Kriegen als Einzug der „europäischen Moderne“ in die chinesische Gesellschaft „gefeiert“. Noch immer hält sich die Mär, dass die Chinesen durch den Konfuzianismus das Opiumrauchen besonders geschätzt hätten. Und genau das zielt auf die „Verharmlosung des Aktes der Süchtigmachung signifikanter Bevölkerungsschichten zur Erzielung großer wirtschaftlicher Profite und immenser politischer Macht, nicht durch einzelne Kriminelle, sondern durch gezieltes Agieren ganzer Staaten und Regierungen“, so Mechthild Leutner.

    Die Boxerbewegung

    Der Aufstand von Faustkampfgruppen („Faustkämpfer für Gerechtigkeit und Harmonie“) gegen Ende des 19. Jahrhunderts war zum einen eine Folge der christlichen Missionierung Chinas, die im Norden des Landes die Dorfgemeinschaften zunehmend spaltete. Dazu kam eine durch vorangegangene Aufstände (Taiping- und Nian-Aufstand) und die Niederlage im Chinesisch-Japanischen Krieg 1894/95 geschwächte Administration, welche sich machtlos gegen die durch Unwetter hervorgerufenen ökologischen Katastrophen zeigte. Agierten die westlichen Missionare unter dem Schutz der europäischen Mächte, die jederzeit bereit waren, mit ihren vor der Küste patrouillierenden Kanonenbooten einzugreifen, so stand die einheimische Bevölkerung den Beschlagnahmungen von Gemeindeland für Missionsstationen völlig schutzlos gegenüber. Es waren Faustkämpfervereine, unterstützt durch weibliche Kampfverbände („Leuchtende Rote Laternen“), die sich – inspiriert durch volksreligiöse Mystik – gegen diese Vereinnahmung zu wehren versuchten und in der ländlichen Bevölkerung starken Widerhall fanden: „Die Boxer verteidigen das Land, die Leuchtenden Roten Laternen schlagen die ausländischen Teufel“, heißt es in einem chinesischen Lied um 1900.

    Intervention der „Weltmächte“

    Übergriffe der „BoxerInnen“ auf Missionare, chinesische Christen sowie westliche Einrichtungen und Diplomaten nahmen acht Staaten (Deutsches Reich, Großbritannien, Italien, Japan, Russland, Frankreich, USA und Österreich) Mitte 1900 zum Anlass, um militärisch einzugreifen. Es war die erste gemeinsame Aktion imperialistischer Mächte zur Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Ziele. Nachdem die chinesische Regierung die alliierten Truppen ultimativ aufforderte, das Land zu verlassen, und der deutsche Gesandte in Peking ermordet wurde, hielt der deutsche Kaiser Wilhelm II. bei der Verabschiedung des deutschen Expeditionskorps seine berüchtigte „Hunnenrede“: „Kommt ihr vor den Feind, so wird er geschlagen. Pardon wird nicht gegeben. Gefangene nicht gemacht. (…) Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzl sich einen Namen gemacht, (…) so möge der Name Deutschland in China in solcher Weise bekannt werden, dass niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!“ Im deutschen Reichstag erwiderte der Sozialdemokrat August Bebel: „Nein, kein Kreuzzug ist’s, kein heiliger Krieg; es ist ein ganz gewöhnlicher Eroberungskrieg und Rachezug, und weiter nichts.“ Im August 1900 nahmen alliierte Truppen, darunter auch einige Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee, Peking ein und plünderten und raubten Kulturgüter. Gemeinsam mit der chinesischen Regierung, die sich dem Diktat der Großmächte beugen musste, wurde die „Boxerbewegung“ blutig niedergeschlagen.

    Das „Boxerprotokoll“

    Durch das sogenannte „Boxerprotokoll“ unterwarfen die Alliierten China einem Friedensdiktat. Mechthild Leutner resümiert: „In der Reihe der ungleichen Verträge, die China von den ausländischen Mächten nach 1840 aufgezwungen worden waren, bezeichnete es den Höhepunkt der wirtschaftlichen Ausbeutung des Landes, den Entzug weiterer politischer Hoheitsrechte und die Durchsetzung beispielloser Forderungen nach symbolischer Unterwerfung. Es läutete den letzten Akt des chinesischen Kaiserreiches ein …“. 1911 wurde das chinesische Kaiserreich gestürzt.

    Web-Tipp: In der Zeitschrift Politik & Unterricht finden Sie auf Seite 26 eine detaillierte Karte zur Situation Chinas im 19. Jahrhundert. Download unter: www.politikundunterricht.de/1_08/china.htm

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor klaus.mulley@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Klaus-Dieter Mulley, Institut für Geschichte der Gewerkschaften und AK Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998670607 Im 17. Jahrhundert begannen englische und holländische Händler, Tabak mit Opium zu versehen, und führten damit die Droge in China ein. Diese erfreute sich bald zunehmender Beliebtheit. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670783 West-östlicher Austausch Seinem Arzt die Zunge zu zeigen, das ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin ganz normal. Denn deren Beschaffenheit liefert den Medizinerinnen und Medizinern wertvolle Hinweise auf Veränderungen im Körper. Auch der Puls wird in der TCM nicht einfach nur gemessen, sondern genau beobachtet. 28 verschiedene Pulsqualitäten geben Aufschluss über den Zustand der inneren Organe. Beobachten, riechen, horchen, befragen und betasten – nach der Traditionellen Chinesischen Medizin muss ein Arzt zur Diagnoseerstellung alle fünf Sinne einsetzen. Zungen- und Pulsdiagnostik, Tastbefund sowie eine ausführliche Anamnese nehmen vor al-lem beim ersten Mal wesentlich mehr Zeit in Anspruch als bei einem üblichen Arztbesuch.

    Durchhaltevermögen und Geld

    Das Einnehmen der oft extrem bitter schmeckenden Kräuterzubereitungen sowie die in den meisten Fällen nötige Umstellung der Lebensgewohnheiten erfordern viel Durchhaltevermögen seitens der Patientinnen und Patienten – und auch einigen finanziellen Einsatz. Trotzdem hat sich die Zahl der TCM-Ärztinnen und -Ärzte in den vergangenen 20 Jahren deutlich erhöht. Funktionelle Störungen wie Verdauungsbeschwerden, Schwindel, Tinnitus etc. sind eine Domäne dieser östlichen Heilkunde, aber auch bei chronischen Krankheiten kann sie die Schulmedizin wirkungsvoll unterstützen.

    Patientinnen und Patienten, die dank Akupunktur schwere Operationen bei vollem Bewusstsein erlebten – diese Bilder gingen in den 1970er-Jahren um die Welt. Und obwohl die Schulmedizin für die anästhesierende Wirkung der Nadeln keine Erklärung fand, setzte sich die TCM-Methode Akupunktur hierzulande durch. 1991 wurde das Ärztekammer-Diplom für Akupunktur eingeführt. Ungefähr zu dieser Zeit wurde die Traditionelle Chinesische Medizin als ganzheitliche Heilmethode allmählich auch in Österreich bekannt. Was damals mit einer Handvoll engagierter Ärzte, die ihre Ausbildung in China erworben hatten, begonnen hat, führte unter anderem 2004 zur Gründung der TCM-Privatuniversität Li Shizhen in Wien, die allerdings aus finanziellen Gründen schon 2009 wieder schließen musste. Ebenfalls 2004 hat die Österreichische Ärztekammer das Spezialdiplom „Chinesische Medizin und Arzneitherapie“ eingeführt. Heute bietet eine Reihe spezialisierter Einrichtungen die zweijährige TCM-Ausbildung für das ÖÄK-Diplom1 an. Mehr als 70 Ärztinnen und Ärzte in ganz Österreich haben dieses Diplom bisher erhalten. Angeboten wird TCM allerdings von mehr Medizinerinnen und Medizinern, denn manche besuchen zwar die entsprechenden Kurse, absolvieren aber keine Prüfung. Denn an sich dürfen Ärztinnen und Ärzte auch ohne formelle Prüfungen mit speziellen Methoden wie etwa TCM arbeiten, sie müssen dabei allerdings innerhalb ihres Fachgebietes bleiben.

    Die in der Schulmedizin übliche Unterteilung in Fachgebiete gibt es in der Traditionellen Chinesischen Medizin nicht. Denn bekämpft werden nicht die Symptome, wie Hautprobleme, Kopfschmerzen oder Verdauungsstörungen, sondern das zugrunde liegende energetische Ungleichgewicht. Es gibt zwar Akupunkturpunkte und andere Mittel für die Akutbehandlung bzw. zur Selbstmedikation, aber im Allgemeinen behandeln TCM-Ärztinnen und -Ärzte ihre Patientinnen und Patienten immer individuell – mit Arzneimischungen, Tuina (Massage), Schröpfen, Akupunktur, Moxibustion (Akupunktur plus Wärme) etc. Ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Gesundheitslehre ist die Ernährung, die Fünf-Elemente-Küche ist mittlerweile auch hierzulande ein Begriff. Sie wird auch von Ernährungsberaterinnen und -beratern angeboten und kann unter anderem helfen, bei Alltagsbeschwerden wie beispielsweise Wetterfühligkeit frühzeitig einzugreifen.

    Tradition trifft Moderne

    Die meisten chinesischen Arzneimittel sind seit Jahrtausenden bekannt. Ein bedeutendes Standardwerk wurde vor mehr als 400 Jahren von dem chinesischen Gelehrten Li Shizhen verfasst. Er benötigte fast 27 Jahre, um Tausende Rezepte aufzulisten und deren Bestandteile zu beschreiben. In Europa sind heute mehrere Hundert Rohstoffe gebräuchlich, die meisten davon pflanzlicher Herkunft. Das Geschäft mit TCM läuft gut: Man schätzt, dass 2012 weltweit TCM-Produkte im Wert von 83,1 Mrd. US-Dollar produziert wurden, um 20 Prozent mehr als 20112. Die zunehmende Popularität einer traditionellen Heilmethode, die ursprünglich nur von gut ausgebildeten Heilkundigen praktiziert wurde, hat aber auch Schattenseiten:

    • Durch die stark gesteigerte Nachfrage nach „Modedrogen“ werden die Produktionsbedingungen (Anbaugebiete, verwendete Pflanzenteile etc.) verändert – und dadurch meist auch die Inhaltsstoffe.
    • 2013 wurden bei einer Untersuchung von chinesischen Heilkräutern in 17 von 36 Proben Pestizidrückstände festgestellt, die von der Weltgesundheitsorganisation als extrem gefährlich oder gefährlich eingestuft werden. 26 der 36 Proben wiesen Rückstände oberhalb der in der EU zugelassenen Höchstmengen auf.
    • Durch die nicht sachgemäße Anwendung bzw. Selbstmedikation kam es zu schweren Vergiftungsfällen nach der Einnahme von TCM-Arzneien.
    • Flora und Fauna werden dezimiert, Tiere gequält. Angesichts von illegalen Tierfarmen und Wilderei bringen (vor allem nationale) Verbote zu wenig. Bei Pflanzen gibt es den Trend, vermehrt westliche Kräuter nach TCM-Kriterien zu klassifizieren und einzusetzen.
    • Egal ob Handtaschen, Viagra oder TCM-Arzneien, gesteigerte Nachfrage führt vor allem in asiatischen Ländern zu Fälschungen. Auch Zertifikate für artgemäße Haltung u. Ä. werden gefälscht.

    Bedenkliche (krebserregende) Inhaltsstoffe wurden auch in traditionellen heimischen Heilkräutern wie etwa Huflattich schon entdeckt. Spezielle Züchtungen, aber auch die korrekte Anwendung können derlei Gefahren reduzieren. Außerdem ist fraglich, wie weit der westliche Ansatz, Arzneien vorwiegend zur Symptombekämpfung einzusetzen und nach den quantifizierbaren Inhaltsstoffen zu beurteilen, bei TCM-Arzneien überhaupt sinnvoll ist. Im Grunde handelt es sich bei autochthonen Heilmethoden wie TCM um das geistige Eigentum bestimmter Regionen. Die Frage, wie weit (ungefragt) Teile daraus hier in Europa übernommen und (unreflektiert) kommerzialisiert werden sollten, beschäftigte übrigens auch die WHO. Wie auch immer: Wer TCM-Produkte in der Apotheke und nicht auf dem Wochenmarkt oder im Internet kauft, ist an sich auf der sicheren Seite.

    Wechselvolle Geschichte

    Die TCM wurde jahrtausendelang von Gelehrten ausgeübt, die ihr Wissen nicht als Volksheilkunde sahen, sondern untereinander weitergaben bzw. an speziellen Lehrstätten ausgebildet wurden. Noch heute gibt es TCM-Universitäten und Spitäler. Immer wieder kam es auch zum Austausch etwa mit Japan. Um 1900 kam es in China zu großen Epidemien von Infektionskrankheiten, gegen welche die westliche Medizin mit Desinfektionsmitteln und später Antibiotika wesentlich mehr ausrichten konnte als die TCM. Die kommunistische Regierung unter Mao verbot die TCM zuerst, bemühte sich aber ab den 1950er-Jahren, die alten Traditionen wieder aufzuwerten. Seit 1995 versucht man, die TCM in die Moderne zu integrieren und gezielt zu vermarkten.

    Austausch in beide Richtungen

    Chinesinnen und Chinesen können heute zwischen westlicher und östlicher Medizin wählen, 2009 betrug der TCM-Anteil 18 Prozent (16 Prozent bei den Spitalspatientinnen und -patienten). Der Austausch funktioniert in beide Richtungen: Von 2000 bis 2010 hat sich der Anteil chinesischer Koautorinnen und Koautoren bei internationalen Studien von fünf auf 13 Prozent erhöht. Pharmariesen wie Boehringer Ingelheim oder Bayer melden aus China nicht nur zweistellige Wachstumsraten für ihre Produkte, sie haben auch längst die TCM für sich entdeckt. Im vergangenen März etwa hat Bayer Health Care für kolportierte 587 Mio. US-Dollar die chinesische Dihon Pharmaceutical Group gekauft, die sich auf rezeptfreie Medikamente und TCM-Produkte spezialisiert hat.

    1 Mindestens 500 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten; davon circa zwei Drittel Seminare und Kurse, ein Drittel Praxis.
    2 WHO Traditional Medicine Strategy: 2014–2023.

    Web-Tipps:
    Liste der Ärztinnen und Ärzte mit ÖÄK-Diplom „Chinesische Medizin und Arzneitherapie“: www.praxisplan.at
    Dachverband für TCM & verwandte Gesundheitslehren Österreichs: www.dachverband-tcm.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die  Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669343 Die TCM wurde jahrtausendelang von Gelehrten ausgeübt, die ihr Wissen nicht als Volksheilkunde sahen, sondern untereinander weitergaben. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670777 Bello mit Stäbchen Zum Schicksal einer Sinologin gehöre es, zu jedem Geburtstag ein paar Stäbchen geschenkt zu bekommen. Über vorurteilsgeprägte Geschenke wie dieses schreibt Françoise Hauser in ihrem 2011 erschienenen Buch „Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über China“. Ihren Freundinnen und Freunden gibt die Autorin ironisch folgenden Tipp: Wie wäre es mit einem Säckchen Reis? Denn den essen die Chinesinnen und Chinesen – noch dazu mit Stäbchen. Ach ja, auch Löffel verwenden sie, etwa für die Nudelsuppe. Mit diesem Essbesteck können sich die Aromen nämlich durch gleichzeitiges Einsaugen von Luft voll entfalten – und sie ermöglichen das Schlürfen, das bei einem geselligen Gelage um den traditionell runden Tisch ebenso wenig wegzudenken ist wie das Rülpsen, Aufstoßen und Gelächter. So zumindest lauten die Vorurteile gegenüber der chinesischen Esskultur, die jeder chinakundigen Person den Magen umdrehen werden.

    Wörterbuch der Esskultur

    Um einen differenzierteren Eindruck von der chinesischen Esskultur zu bekommen, empfehlen Sinologinnen und Sinologen „Zhongguo pengren cidian“, das Wörterbuch der chinesischen Ess- und Trinkkultur, das mit seinen rund 20.690 Stichwörtern auch viele Dialektausdrücke und Begriffe mit ein und derselben Bedeutung auflistet. Kulinarisch lässt sich das Gebiet der Volksrepublik China grob in zwei große Regionen unterteilen: das südliche Reis- und das nördliche Nudelland. Im Norden des Jangtse-Flusses sind Reisfelder eine Seltenheit. Ein Schöpflöffel heiße Suppe, ein bisschen Gemüse, ein paar Rindfleischstreifen und eine Handvoll gezogener Weizennudeln sind hier das kulinarische Pendant zur Schale Reis im Süden. Südlich des Jangtse-Flusses, in der Provinz Sichuan und im Jangtse-Delta, wird China seinem Reis-Image gerecht. Hier werden pro Jahr (Weltspitze!) rund 200 Millionen Tonnen Reis produziert.

    Regionalküchen

    Die 23 Provinzen der Volksrepublik China verfügen über jeweils eigene, regionale Küchen. Diese wiederum werden in acht große Regionalküchen unterteilt, darunter etwa die scharfe Xiang-Küche aus Hunan. Die kantonesische Yue-Küche wiederum ist für ihre Ausgewogenheit und Vielfalt, aber auch für ihre ungewöhnlichen Zutaten wie Hundefleisch bekannt. In der würzi-gen Chuan-Küche aus Sichuan wiederum werden gerne Ingwer, Frühlingszwiebeln, Sojasauce und Chili verwendet. Bei einem Spaziergang über den Quinping-Markt von Kanton findet die Autorin Françoise Hauser säckeweise klein geschnittene Hirschgeweihe, getrocknete oder in Alkohol eingelegte Schlangen, Seepferdchen und andere exotische Ingredienzien vor. Artenschutz scheint keine Rolle zu spielen.

    Ein Vorurteil mit dem bekannten Körnchen Wahrheit ist, dass Chinesinnen und Chinesen Hunde essen. Inzwischen gibt es aber einen gegenläufigen Trend: Das Tier als Haustier und Freund. Dies hat solche Ausmaße angenommen, dass einige Städte nunmehr eine Ein-Hund-Regelung erlassen haben. Wer dagegen verstößt, muss beispielsweise in der Provinz Kanton 2.000 Yuan (rund 200 Euro) bezahlen. Dennoch ist die Tierhaltung ein Wirtschaftszweig mit enormen Wachstumsraten. Laufbänder für dicke Hunde gibt es mittlerweile auch in der Volksrepublik. (Bei der Machtergreifung der Kommunistischen Partei im Jahr 1949 war die Haltung von Hunden als Maskottchen als Symbol bourgeoiser Lebensweise verboten worden.) Auch auf anderer Ebene wird versucht, den Fleischverzehr stärker zu regulieren. Während der Olympiade 2008 wurden etwa umstrittene Fleischsorten aus der Stadt verbannt, um ausländische Gäste nicht zu brüskieren. Das klang gut und fiel nicht weiter schwer, denn Hundefleisch gilt als wärmend und ist somit ein traditionelles Winteressen, das im heißen Sommer von Peking ohnehin nur selten angeboten wird. Obwohl die populäre Suchmaschine sohu.com immer noch allein in der Hauptstadt Peking rund 135.000 Ergebnisse für Orte mit verzehrbarem Hundefleisch ausspuckt, wie die China-Expertin Hauser feststellte, ist der Trend zum Verzehr von Bello und Co rückläufig. An die 100 Tierschutzgruppen soll es bereits in China geben, die für das Verbot von Hunde- und Katzenfleisch eintreten.

    Religionenmix

    Sicher ist, dass sich die Touristin bzw. der Tourist freut, wenn ihr/ihm ein Schnappschuss eines schlachtreifen Hundes, einer Katze oder Ratte am Markt gelingt. Warum tun Chinesinnen und Chinesen das? Ganz einfach: Weil sie können, weiß Journalistin Hauser. Der chinesische Religionenmix aus Buddhismus, Daoismus und Ahnenverehrung kennt keine unüberwindbaren Nahrungsmitteltabus. So dürften Buddhisten Tiere zwar nicht töten – aber essen. Doch wer „Exotisches“ sucht, muss nach Südchina, genauer gesagt in die Provinz Kanton fahren. Denn vor allem dort greifen die Köchinnen und Köche zu den für uns spektakulären Zutaten.

    Gründe für unkonventionelles Essen gab es in der Geschichte des Landes ausreichend. Immer wieder war das Kaiserreich von Überschwemmungen, Missernten, Insektenplagen und Hungersnöten heimgesucht worden. Ein weiterer Grund für das chinesische Faible für ungewöhnliche Speisen liegt darin, dass die Grenze zwischen Nahrung und Medizin fließend ist. Jede Zutat ist auch Wirkstoff, jede Mahlzeit hat Auswirkungen auf den Gesundheitszustand. So garantieren Schildkröten ein langes Leben, Haifischflossen sind vorteilhaft für die Haut, Seegurke und Tigerpenis gelten als natürliches Viagra.

    Von Rezepten anderer Art berichtet der chinesische Autor Liao Yiwu in seinem Buch „Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch“. Es ist eine Geschichtensammlung auf Grundlage von Gesprächen mit unterschiedlichsten Personen, darunter eine Tänzerin, ein Säufer, ein Restaurantbesitzer und Zhou Bandan, der Sichuan-Koch. Liao Yiwu wurde 1958 selbst in der Provinz Sichuan geboren und überlebte als Kind knapp die verheerende Hungersnot, die der vom damaligen Machthaber Mao Tse-tung verordnete „Große Sprung nach vorne“ ausgelöst hatte. „Ich danke meinem ersten Lehrmeister, dem Hunger“, sagte Yiwu in einem Interview, „auch wenn es mir heute an nichts fehlt, so brennt der Hunger nach Freiheit heftiger als jeder Hunger des Körpers.“

    In der Geschichte muss der Sichuan-Koch Zhou Bandan sein kleines Restaurant „Schweinefüße mit Sichuan-Pfeffer“ schließen. „Die Gebäude werden immer höher“, sagt er, „die Restaurants immer größer, die Sichuan-Gerichte immer besser und immer mysteriöser.“ Einmal lädt er einen Freund auf ein „richtiges Sichuan-Essen“ ein, sie gehen über einen roten Teppich in das feine Lokal „Mapo-Tofu“. Das Armenessen oder die berühmten Lungenstückchen für Ehepaare und zweimal gebratenes Schweinefleisch gibt es nicht mehr. „Die Sichuan-Gerichte sind wie korrupte Beamte“, meint der Koch, „sie gehen mit der Zeit und verkommen.“

    Schon lange hat der westliche Lebensstil Einzug in die chinesische Küche gehalten. „Man muss kein Feng-Shui-Meister sein, um vorauszusehen, dass in den nächsten Jahrzehnten die USA durch China als Weltmacht abgelöst werden“, prognostiziert der Journalist Christian Y.Schmidt in einer Glosse für die Berliner Tageszeitung „taz“. Die US-Staatsanleihen von 640 Mrd. US-Dollar wirkten sich auf den Lebensstil aus, nach dem Motto: „Was sich die eigenen Schuldner gönnen, können wir uns schon lange leisten.“ Auch daher habe in China in letzter Zeit das LOHAS-Ding (Lifestyle of Health and Sustainability) riesige Dimensionen angenommen. Das chinesische Magazin „happy life“, das sich ausschließlich an Frauen wendet, bringt Nachrichten über Bio-Diesel, High Heels aus Baumwolle und Rezepte aus westlicher und traditioneller chinesischer Küche.

    Chop Suey

    Vielleicht ist Chop Suey „das“ Essen der neuen Zeit. Es war um 1850, zur Zeit des Goldrauschs, da zog es die amerikanischen Schürfer in die Lager der Kulis, um dort einen Bissen zu erhaschen. Da sie mit den Chinesen nicht an einem Tisch sitzen wollten, warteten sie auf die zweite Schicht. Die chinesischen Köchinnen und Köche warfen in einen Topf, was vom Essen der chinesischen Gäste übrig war, schnitten es in kleine Stücke, bis alles „suey“ (in Streifen geschnitten) war. Ach ja, auch das Glücksgebäck kommt in China nicht auf den Tisch. Es wurde von einem schlauen Kleinhändler in San Francisco erfunden.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Gabriele Müller, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669333 Die 23 Provinzen der Volksrepublik China verfügen über jeweils eigene, regionale Küchen. Diese wiederum werden in acht große Regionalküchen unterteilt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669338 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670403 Zeit für ein bisschen Fachchinesisch? Seien wir ehrlich: Europa ist von Wirtschaftskrisen geprägt, von Schulden, Arbeitslosigkeit, Gefahren und Herausforderungen und dem Zweifel daran, für die Zukunft gewappnet zu sein. Wir haben viel zu verlieren. Da liegt es nahe, sein Glück dort zu versuchen, wo es offenbar in Zukunft noch etwas zu holen gibt. Eines dieser Länder ist zweifellos China. Warum also nicht gleich in jungen Jahren dort studieren, um schon mal die Weichen für eine internationale Karriere zu stellen?

    Andrang auf Sinologie

    Immer mehr StudienanfängerInnen scheinen eben diese Überlegung anzustellen. „Noch vor 30 Jahren galt Sinologie als Exotenfach“, kann man auf der Website des Instituts für Sinologie an der Universität Wien lesen. Anfang der 1980er-Jahre haben etwas mehr als 100 Studierende die Studienrichtung belegt. Diese Zahl hat sich inzwischen fast versiebenfacht: Im Wintersemester 2012 gab es 745 Sinologie-Studierende. Woher kommt das? Und wo liegen Unterschiede zu unserem Bildungs- und Unisystem? Qiangang Li kennt beide Welten, denn er hat sowohl in China als auch in Österreich studiert: Den Bachelor in Landschaftsdesign hat er an der Kunstakademie in seiner Geburtsstadt Shanghai absolviert, und vor zwölf Jahren kam er der Liebe wegen nach Wien und machte den Master in Bühnenbild an der Akademie der Bildenden Künste. Schon bei den Aufnahmeprüfungen lernte er die ersten Unterschiede kennen. „Obwohl die Prüfung in China sehr hart und schwierig war, konnten wir uns darauf gut vorbereiten“, erzählt er. Es seien viele Basisübungen gefragt gewesen wie das Abzeichnen einer Skulptur oder das Malen eines Stillleben-Aquarells – Dinge, die man üben kann. In Wien musste er eine Mappe mit eigenen Arbeiten abgeben. Dann gab der Lehrer eine Aufgabe vor, die rasch durchgeführt werden musste – in Lis Fall der Modellbau von Kulissen für ein Theaterstück.

    Ähnlich unterschiedlich gestalteten sich die Studien. Zwar wurde an beiden Hochschulen praktisch gearbeitet, doch in Shanghai gab es mehr Vorlesungen, während Li in Wien möglichst viele Theaterstücke anschauen musste: „Das war eine große Öffnung für meine Augen.“ In Wien sei „sehr viel mehr Spontaneität“ gefragt gewesen. Prinzipiell seien chinesische Unis eher schulisch organisiert und das Leben der Studierenden spiele sich auf dem Campus ab. Das bedeutet, dass zwar viel Disziplin, aber nicht so viel Selbstorganisation gefragt ist wie in Österreich.

    Zulassungsprüfungen in China sind extrem fordernd. Der Leistungsdruck ist enorm. Die Studien selbst sind aber meist gut zu schaffen. Alexandra Wagner, die fünf Jahre lang in China gearbeitet hat und heute beim Österreichischen Austauschdienst (ÖAD) in der Expertenstelle für Anerkennungsfragen Asien beschäftigt ist, sagt: „Man kommt nur sehr schwer in die Unis hinein, aber man fällt im Studium nicht leicht durch.“ Allerdings: „Die Qualität der Unis ist sehr differenziert – fast wie in den USA. Man muss sich sehr lang damit beschäftigen, um zu wissen, wie gut die Ausbildung an einer Uni ist“, sagt Wagner. Von einer sehr hohen Qualität könne man bei den Eliteunis ausgehen, zu diesen zählen etwa die Peking Universität, die Tsinghua Universität oder das Harbin Institute of Technology. Bei der Auswahl des Studiums würden bei den meisten Chinesinnen und Chinesen die Rankings mehr zählen als das eigene Interesse. Wagner: „Sie entscheiden sich lieber für die bessere Uni, auch wenn sie ein anderes Fach an einer schlechteren Uni mehr interessieren würde.“

    Die große Prüfung

    Welchen Bildungsweg Chinesinnen und Chinesen einschlagen können, hängt vom Ergebnis einer Prüfung ab: dem „Gaokao“, der ungefähr unserer Matura entspricht und auf den sich die SchülerInnen jahrelang vorbereiten. Diese Studienzulassungsprüfung findet an einem Tag im Jahr statt und versetzt die Städte, in denen sie absolviert wird, in einen Ausnahmezustand. „Der Zugang zur Hochschule ist in China sehr stark beschränkt“, sagt die Kommunikationswissenschafterin und Sinologin Katja Pessl. Sie hat ein Jahr lang in Peking studiert, unterrichtete vier Jahre lang an chinesischen Universitäten und erarbeitete dort für die Robert Bosch Stiftung Studien zum chinesischen Bildungssystem. „Wer den Gaokao nicht so gut besteht, hat Pech und kann nicht auf eine Eliteuni gehen, sondern muss mit einer Mittelklasseuni oder schlechteren Bildungseinrichtungen Vorlieb nehmen.“

    Dass der Druck so hoch ist, wird verständlich, wenn man weiß, dass selbst Absolventinnen und Absolventen von Eliteuniversitäten am Arbeitsmarkt Schwierigkeiten haben, adäquate Jobs zu finden. Dies führt dazu, dass sie viele weitere Studienabschlüsse anhängen. Wer beim Gaokao schlecht abschneidet, dem bleibt als Alternative zum Beispiel, ein Junior College zu besuchen oder aber eine Ausbildung zum Facharbeiter zu machen – was in Zeiten, wo auch China unter Fachkräftemangel leidet, langsam etwas angesehener wird. Auch ein Studium im Ausland ist für viele eine Alternative. So sind es zum Beispiel die Chinesinnen und Chinesen, die den größten Teil der ausländischen Studierenden in Deutschland ausmachen. Umgekehrt versucht China seit einigen Jahren verstärkt, ausländische Studentinnen und Studenten anzulocken. Es werden immer mehr englischsprachige Studiengänge angeboten und beworben – laut Pessl besonders in Zentralafrika, Russland, im arabischen Raum, Japan und Korea. „China versucht, sich als Bildungsanbieter zu positionieren – zuvor war es eher ein Exporteur“, sagt die Kommunikationswissenschafterin.

    Sprachbarriere

    Ein Studium auf Chinesisch zu absolvieren, das erfordert für jene, die die Sprache nicht beherrschen, im Vorfeld extrem hohen Aufwand. Wer bei chinesischsprachigen Vorlesungen gut mitkommen will, dem raten Sinologinnen und Sinologen, noch vor Studienbeginn ein Jahr lang einen Sprachkurs in China zu besuchen und sich richtig hineinzuknien. Entsprechende Angebote für AusländerInnen gibt es an vielen Universitäten. Besonders die Schrift lasse sich nur mit viel Übung erlernen. Wer sie beherrscht, sollte sich mit den zahlreichen Sprichwörtern und Redewendungen vertraut machen, die in der gehobenen Sprache, zum Beispiel in den besseren Zeitungen oder in der wissenschaftlichen Literatur, verwendet werden.

    Wer gerne eines Tages in China arbeiten oder aber Geschäftsbeziehungen mit Chinesinnen und Chinesen unterhalten möchte, sollte eines keinesfalls tun: nicht in China studieren. „In China ist die Beziehung sehr wichtig“, sagt Lisa Rock, die vor mehr als drei Jahren das Chinazentrum in Wien gegründet und 2013 einen Ableger in Peking eröffnet hat. Angeboten werden Chinesischkurse, Deutschkurse speziell für Chinesinnen und Chinesen, Übersetzungen sowie interkulturelle Trainings für Firmen. Dieses Netzwerk an Beziehungen nennt sich „guanxi“ und sei so etwas wie unser Vitamin B. „Allein dafür lohnt es sich, nach China zu gehen. Wenn ich dort Geschäfte machen will, ist es unumgänglich“, sagt Rock.

    Interkulturelle Missverständnisse sind schwer zu vermeiden, doch wer gar keine Erfahrung im Land gesammelt hat, riskiert im Berufsleben grobe Schnitzer, die auch ein Geschäft platzen lassen können. Lisa Rock nennt ein Beispiel: „Eine europäische Firma hat Differenzen mit einem chinesischen Partner. Der CEO kommt nach China und schreit die Mannschaft zusammen.“ Doch statt die Arbeit zu verbessern, stellt der Partner die Kooperation komplett ein. „In China ist es ein No-Go, Ärger nach außen zu zeigen. Das bedeutet einen Gesichtsverlust und ein Bloßstellen“, sagt Rock. Auch ein klares und deutliches Nein höre man in China selten.

    Vorsicht, Vorurteile!

    Katja Pessl warnt allerdings davor, sich allzu sehr von Vorurteilen leiten zu lassen. Bevor sie an chinesischen Unis unterrichtete, hatte sie beispielsweise geglaubt, chinesische Studierende seien „eher passiv und schüchtern, melden sich nicht zu Wort und nehmen nicht so gern an Aktivitäten teil“. Heute sagt sie: „Alles Humbug. Sie sind interessiert, aktiv und nicht schüchtern.“ Es wäre aber auch nicht verwunderlich, wenn in diesem riesigen Land mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern beide Pole existierten. Schließlich wird China längst nicht mehr nur als Land der Mitte wahrgenommen, sondern immer häufiger als Land der Gegensätze. Und diese Vielfalt, die sich nicht zuletzt aus der einzigartigen Geschichte des Landes ergeben hat, zeigt sich auch beim Versuch, ein komplexes Gebilde wie das chinesische Universitätssystem zu erfassen.

    Web-Tipp: Studieren in China: tinyurl.com/phjnaqq

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin alexandra.rotter@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Alexandra Rotter, Journalistin in Wien Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669322 Welchen Bildungsweg Chinesinnen und Chinesen einschlagen können, hängt vom Ergebnis einer Prüfung ab: dem "Gaokao", der ungefähr unserer Matura entspricht und auf den sich die SchülerInnen jahrelang vorbereiten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670398 Riesige Städte - Riesige Probleme Hoch, höher, China. Im Reich der Mitte recken sich 72 Wolkenkratzer in den Himmel, die mehr als 250 Meter messen – vor dem Jahr 2000 waren es nur schlappe sechs Stück. Zum Vergleich: In den USA finden sich lediglich 43 Gebäude von solch stattlicher Dimension. Kein Zweifel, in China wird kräftig gebaut. Das ist auch notwendig, denn immer mehr Menschen verlassen ländliche Regionen und versuchen ihr Glück im urbanen Raum. Laut Prognosen der Economist Intelligence Unit sollen bis 2030 nahezu eine Milliarde Menschen in Chinas Städten leben. Das entspricht rund 70 Prozent der Gesamtbevölkerung – heute sind es 54 Prozent. Dabei gibt es in China aktuell bereits über 49 Großstädte, in denen mehr als eine Million Menschen leben. In der Metropolregion Shanghai drängen sich an die 25 Millionen BürgerInnen, in Peking und Umgebung wiederum sollen es bis zu 20 Millionen sein – so genau weiß das keiner.

    Was heißt Hukou?

    Bisher konnte die chinesische Führung durch ihre zentral gelenkte Wohnbau- und Siedlungspolitik Slumbildungen verhindern. Mit zunehmender Verstädterung wachsen jedoch die Probleme. Gudrun Wacker, China-Expertin bei der renommierten Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, meint, dass China angesichts der Urbanisierungsbewegung insbesondere vor der Herausforderung stehe, das Hukou-System zu modernisieren. Hukou? Dabei handelt es sich um das offizielle Wohnsitzregister der Volksrepublik. Hier wird eisern festgehalten, wo sich der Wohnort jeder Person in China befindet. Offiziell ist es nicht möglich, diesen Ort zu verlassen und anderswo zu leben bzw. zu arbeiten.

    Überholtes System

    Die Realität hat dieses System allerdings überholt, denn laut amtlichen Zahlen haben bereits 230 Millionen WanderarbeiterInnen ihre Heimat verlassen, andere Schätzungen gehen gut und gerne von 250 Millionen aus. Nun ist wiederum zwischen einem ländlichen und einem städtischen Hukou zu unterscheiden, wobei letzterer Privilegien wie den Zugang zu Sozialleistungen und Bildungseinrichtungen in den Städten bietet. Sprich: Menschen, die mit einem ländlichen Hukou in urbanen Gebieten leben, befinden sich in einer gewissen Grauzone und können zum Beispiel die städtische Krankenversicherung nicht in Anspruch nehmen und ihre Kinder nicht zur Schule schicken. Dabei handelt es sich um kein „Minderheitenproblem“. „Immerhin leben 54 Prozent der Chinesinnen und Chinesen in Städten, aber nur 36 Prozent verfügen über einen städtischen Hukou“, so Christian Göbel vom Institut für Ostasienwissenschaften – Sinologie der Universität Wien.

    Zwar ist es möglich, einen urbanen Hukou zu erwerben, das funktioniert in den großen Metropolen allerdings nur nach einem komplexen Punktesystem. Abhängig davon, wie lange man einen Arbeitsplatz hat, wie hoch der Verdienst ausfällt, ob man eine Wohnung erwirbt etc. werden Punkte vergeben. Erst wenn man eine gewisse Punktezahl erreicht hat, kann ein Hukou beantragt werden. Die Berliner Wissenschafterin Wacker kommentiert: „Die chinesische Politik hat das Problem schon lange erkannt und strebt eine Reform des Systems an. Dabei will man aber unkontrollierten Zuzug unterbinden und vor allem die großen Zentren wie Peking oder Shanghai entlasten. Der Erwerb eines urbanen Hukou ohne Punktesystem soll deshalb nur in kleineren Städten ermöglicht werden.“

    Das führt allerdings gleich zu den nächsten Schwierigkeiten, wobei wir von Städten mit 500.000 bis einer Million Einwohnerinnen und Einwohnern sprechen: „Die kleineren Städte sind oftmals bereits stark verschuldet, die Einbeziehung von Millionen Menschen in die sozialen Leistungen wird die Finanzierung auf lokaler Ebene mit Sicherheit vor Probleme stellen“, warnt die China-Expertin. Somit könnten die Änderungen von Hukou eine Steuerreform notwendig machen, die eine Umverteilung der Geldmittel von der zentralen zur lokalen Ebene ermöglicht.

    Auch Investitionen nötig

    Göbel wiederum weist darauf hin, dass nicht nur Änderungen im Hukou-System und städtebauliche Maßnahmen notwendig sind, sondern auch Investitionen in die Infrastruktur zwischen den Ballungszentren. Bis 2020 sollen alle Städte mit einer EinwohnerInnenzahl von 200.000 und mehr in das Autobahn- und Schienennetzwerk eingebunden sein. Städte mit über einer halben Million Einwohnerinnen und Einwohnern sollen dann mit Hochgeschwindigkeitszügen in Windeseile erreichbar sein. Dass die Umsetzung solcher Pläne ein erkleckliches Sümmchen kostet, liegt auf der Hand.

    Fortschritte für die Umwelt geplant

    Laut dem National Bureau of Statistics of China wurden allein im ersten Halbjahr 2013 umgerechnet über 160 Milliarden Euro in Infrastrukturmaßnahmen gepumpt, das meiste davon in den Straßenbau. Göbel dazu: „Auch der weitere Ausbau wird zweifellos kostspielig. Die Projekte sind aber notwendig, damit Chinas Wirtschaft weiter wachsen kann. Ein Risiko besteht allerdings in der hohen Verschuldung der Lokalregierungen, die so noch erhöht werden wird.“

    Trotz vieler Herausforderungen sieht der China-Spezialist die Städte- und Infrastrukturplanung der Regierung prinzipiell positiv: „Man nützt die Chance, aus den Erfahrungen anderer Länder zu lernen. Auch werden Ziele und Zahlen zwar zentral vorgegeben, die Umsetzung erfolgt aber auf der lokalen Ebene. Das eröffnet die Chance auf einen Wettbewerb der besten Köpfe in den Regionen bzw. fast 3.000 Verwaltungskreisen.“ Fortschritte sind laut dem Experten vor allem im Umweltbereich vorgesehen, die Stadtplanung will auch explizit die Lebensqualität der BürgerInnen verbessern und sieht zum Beispiel die Miteinbeziehung von Parks und anderen Grünflächen vor. 

    24 Quadratmeter

    Wie lebt und wohnt es sich nun eigentlich konkret in Chinas Städten? Davon weiß Dietmar Eberle zu berichten. Er ist Professor an der ETH Zürich sowie Chef des Architekturbüros „be baumschlager eberle“, das in China mehrere Projekte verwirklicht hat.

    „Das Zusammenleben in China unterscheidet sich sehr deutlich von jenem in Europa. Die Menschen leben in ,closed communities‘, die Drei-Generationen-Familie bildet dabei die grundsätzliche Struktur.“ Das habe auch ökonomische Gründe. „Die Leistbarkeit einer Wohnung ist nur aufgrund eben dieser Familienkonstellation möglich“, so der Experte. Die Mehrgenerationenfamilien Chinas leben laut Eberle auf einem Niveau, das mit Europa in den 1950ern vergleichbar ist. In China kommen 24 Quadratmeter Wohnfläche auf eine Person, in Europa sind es heute rund 40 Quadratmeter.

    Das Besondere an China ist im Gegensatz zu Europa laut dem Architektur-Spezialisten ganz grundsätzlich das Besitzverhältnis: „Eigentümer der Grundstücksflächen sind die Kommunen und Städte. Daher kann man kein Eigentum begründen und erhält nur Baurechte. Wichtig ist auch, dass in China nur die Ausrichtung von Baukörpern nach Süden akzeptiert wird und die Belichtungsregelungen vollkommen anders als in Europa sind. Die Höhe der Bauten ist je nach Region von den Erdbebennormen abhängig.“

    Die Herausforderungen sind Eberle zufolge jedenfalls gewaltig: „Energieverschwendung, Umweltverschmutzung und die Unterschätzung der Mobilität führten zu Situationen, die jetzt gelöst werden müssen. Schlüsselelement dafür ist nicht die bisher übliche Ansammlung turm- oder wurmförmiger Wohnhausanlagen, sondern die Versorgung der Bevölkerung mit einer erreichbaren städtischen Infrastruktur.“

    Die Politik scheint den Ernst der Lage erkannt zu haben: Statt architektonische Rekorde anzustreben, sucht man praktische Lösungen. Der Wettlauf um das höchste Gebäude der Welt wird gerne anderen überlassen. Derzeit überragt der Burj Khalifa in Dubai mit 830 Metern die Konkurrenz, es folgt der Tokyo Skytree mit stolzen 634 Metern. In Saudi-Arabien soll in Zukunft der Kingdom Tower als neuer Spitzenreiter die magische Marke von einem Kilometer Höhenunterschied knacken. In China gibt man sich hingegen mit dem Shanghai Tower (632 Meter) als der aktuellen Nummer drei zufrieden.

    Web-Tipps:
    Mehr Infos unter
    www.urbanophil.net
    www.chinadaily.com.cn/business/Urbanization

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Harald Kolerus, Freier Wirtschaftsjournalist Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669317 Die Herausforderungen bei der Stadtplanung: Energieverschwendung, Luftverschmutzung und die bisher unterschätzte Mobilität. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670386 Mitten im Arbeitskampf 1]]> Der letzte Streik ist noch nicht lange her: Im April dieses Jahres legten zwischen 40.000 und 50.000 ArbeiterInnen ihre Arbeit nieder. Schauplatz des Streiks war eine der größten chinesischen Schuhfabriken, gelegen in der südchinesischen Stadt Dongguan. Die Arbeitsniederlegung dauerte etwa zwei Wochen, stellte einen der größten Arbeitskämpfe in der Volksrepublik (VR) China in den letzten mehr als zehn Jahren dar und erlangte daher auch weltweite mediale Aufmerksamkeit. Tatsächlich war die Ende der 1970er-Jahre eingeleitete Integration Chinas in den globalen, neoliberalen Kapitalismus bereits von Beginn an von massiven Protesten der Lohnabhängigen geprägt.

    Vermehrte Proteste

    Offiziellen Statistiken zufolge nahm die Zahl sogenannter „Massenvorfälle“ (quntixing shijian), das heißt größerer Proteste, Demonstrationen und Streiks, zwischen 1993 und 2005 von 11.000 auf 87.000 im Jahr zu. Bis in das Jahr 2010 kam es nach unabhängigen Schätzungen zu einem weiteren Anstieg auf 180.000. Der Anteil von ArbeiterInnenprotesten an diesen Massenvorfällen wird auf etwa 30 Prozent geschätzt. Einen wesentlichen strukturellen Hintergrund für die Entwicklung der Arbeitskämpfe in China in den letzten mehr als 30 Jahren von „Reform und Öffnung“ stellt die Neuzusammensetzung der chinesischen ArbeiterInnenklasse dar. Der Transformationsprozess Chinas ist zum einen durch einen massiven Rückgang der in staatlichen Betrieben beschäftigten ArbeiterInnen und zum anderen durch einen in seinem Ausmaß beispiellosen Proletarisierungsprozess ländlicher Arbeitsmigrantinnen und -migranten gekennzeichnet. Dies spiegelt sich in unterschiedlichen Phasen der Arbeitskämpfe wider: Standen bis Anfang der 2000er-Jahre ArbeiterInnen in staatlichen Betrieben im Zentrum von Protesten, so werden Streiks und andere Formen des Widerstands seit Mitte der 2000er-Jahre in erster Linie von jungen Wanderarbeiterinnen und -arbeitern getragen.

    Obwohl das Streikrecht 1982 aus der bis heute gültigen Verfassung gestrichen worden war, führte die Restrukturierung der staatlichen Industrie bereits in den 1980er-Jahren zu Protesten und Streiks. Der Hintergrund hierfür war die schrittweise durchgeführte Zerschlagung der sogenannten „eisernen Reisschüssel“ (tie fanwan), d. h. die Rücknahme der bis dahin existierenden umfassenden Wohlfahrtsleistungen für ArbeiterInnen in staatlichen Arbeitseinheiten (danwei) wie etwa eine lebenslange Arbeitsplatzgarantie, die Bereitstellung von Wohnungen, medizinische Versorgung sowie Pensionszahlungen. Als ab Mitte der 1990er-Jahre etwa 50 Millionen städtische ArbeiterInnen, darunter vor allem Frauen, im Zuge weitreichender Privatisierungen ihren Arbeitsplatz verloren, erreichten die Auseinandersetzungen ihren Höhepunkt. Vor allem im „Rostgürtel“, dem ehemaligen Zentrum der Schwerindustrie im Nordosten Chinas, gingen mehrere Zehntausend Menschen gegen die Massenentlassungen und die deutliche Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen auf die Straße.

    Spätestens seit Mitte der 2000er-Jahre stehen demgegenüber junge WanderarbeiterInnen (nongmingong; wörtlich: BauernarbeiterInnen) aus dem ländlichen China im Zentrum der sozialen Konflikte: Vor allem die massive Ausweitung des exportorientierten Privatsektors auf Basis ausländlicher Kapitalinvestitionen hat seit Anfang der 1990er-Jahre zu einer in ihrem Ausmaß historisch einzigartigen Zunahme der Binnenmigration geführt. Die meist sehr jungen Menschen migrieren vor allem aus den ökonomisch weniger entwickelten Regionen in West- und Zentralchina in die vom internationalen Kapital erschlossenen Küstenregionen des Landes. Aktuell beträgt die Gesamtzahl dieser Arbeitsmigrantinnen und -migranten zwischen 260 und 280 Millionen. Ihr Anteil an der ArbeiterInnenschaft in der verarbeitenden Industrie und im Bausektor wird auf 68 bzw. 80 Prozent geschätzt, sie befinden sich dabei jedoch in einer doppelt prekären Lage. Aufgrund des sogenannten Systems der Haushaltsregistrierung (hukou) sind WanderarbeiterInnen offiziell als ländliche Bevölkerung gemeldet. Das bedeutet, dass sie sich nur mittels temporärer Genehmigungen in den Städten aufhalten können (siehe „Riesige Städte - Riesige Probleme“). Vor allem aber sind sie Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Trotz beträchtlicher Unterschiede zwischen Sektoren und einzelnen Betrieben sind die Arbeitsverhältnisse insgesamt betrachtet vor allem durch überlange Arbeitszeiten, niedrige bzw. nicht ausbezahlte Löhne, häufige Arbeitsunfälle und nach wie vor oft fehlende Arbeitsverträge gekennzeichnet.

    Wunschziel Stadt

    Insbesondere die mittlerweile zweite und dritte Generation der WanderarbeiterInnen setzten sich in den vergangenen zehn Jahren gegen diese Arbeits- und Lebensbedingungen zur Wehr. Die jungen Migrantinnen und Migranten sind kaum mehr gewillt, in ihre Heimatdörfer zurückzukehren. Im Gegensatz zur Elterngeneration haben sie nicht in der Landwirtschaft gearbeitet und setzen ihre Hoffnungen in ein „modernes“ Leben und somit eine dauerhafte Niederlassung in den Städten Chinas. Ihre veränderten Lebensweisen, Erwartungen und Zukunftsperspektiven erhöhen die Bereitschaft, aktiv für eine Verbesserung der Bedingungen einzutreten. Damit verbunden ist auch eine qualitative Veränderung der Arbeitskämpfe von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern. Während es in der Vergangenheit in der Regel nur im Falle von offensichtlichen Rechtsbrüchen zu Protesten kam, streikten ArbeiterInnen in den letzten Jahren zunehmend auch auf Basis ihrer Erfahrungen und Erwartungen an angemessene und würdevolle Arbeits- und Lebensbedingungen. Vermehrt werden offensive ökonomische Forderungen gestellt, die über den rechtlichen Rahmen hinausgehen. Darüber hinaus machen sich die Arbeitsmigrantinnen und -migranten erfolgreich neuere Kommunikationstechnologien wie etwa Internet-Chatrooms, Blogs oder Weibo (das chinesische Twitter-Pendant) zunutze. Immer häufiger kommt es zu „ansteckenden Streiks“ und Streikwellen wie etwa in der chinesischen Automobilindustrie im Sommer 2010. Vor diesem Hintergrund sind die Löhne in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen – in der Stadt Shenzhen im Perlflussdelta etwa hat sich die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns zwischen 2004 und 2011 verdreifacht.

    Der Anstieg der sozialen Konflikte war ein wesentlicher Beweggrund dafür, dass die chinesische Partei- und Staatsspitze seit 2002/2003 den Aufbau einer „harmonischen Gesellschaft“ proklamierte. Der Fokus staatlicher Reformen lag dabei bisher auf der Verrechtlichung der entstandenen kapitalistischen Arbeitsverhältnisse sowie der Etablierung von Mechanismen für eine institutionalisierte Konfliktaustragung. Den Allchinesischen Gewerkschaftsbund, selbst integraler Bestandteil des chinesischen Staates und der Parteiführung unterstehend, will die Zentralregierung reformieren. Konkret wurden Schritte zur gewerkschaftlichen Integration von Wanderarbeiterinnen und -arbeitern gesetzt, eine Demokratisierung der Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene angestoßen und erste Maßnahmen für die Einführung von Kollektivverhandlungen gesetzt (siehe „In kritischer Solidarität“). Derartige Versuche der Einhegung von Arbeitskämpfen stoßen jedoch an ihre Grenzen. Gewerkschaftsvorsitzende werden weiterhin vorwiegend direkt aus den Reihen der Betriebsleitung rekrutiert, wodurch die Gewerkschaften in Konfliktsituationen in der Regel die Position der Kapitalseite einnehmen.

    Reform oder weiter so?

    Ein Rückgang der Proteste und Streiks ist daher in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. Es wird vielmehr von der Entschlossenheit der jungen WanderarbeiterInnen abhängen, ob das gegenwärtige Billigproduktionsmodell im „Wirtschaftswunderland“ China weiterhin Bestand haben kann – oder ob es stattdessen zu tiefgreifenden Reformen in den Arbeitsbeziehungen kommt.

    1 Der Artikel basiert in wesentlichen Teilen auf Egger, Georg / Fuchs, Daniel / Immervoll, Thomas / Steinmassl, Lydia (2013): „Arbeitskämpfe in China. Eine Einleitung“, in dies. (Hg.): Arbeitskämpfe in China. Berichte von der Werkbank der Welt. Wien: Promedia, 11–22.

    Web-Tipp:
    Forschungskollektiv „Gongchao“: www.gongchao.org

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor daniel.fuchs@univie.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Daniel Fuchs, Universitätsassistent am Institut für Ostasienwissenschaften - Sinologie, Universität Wien Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669305 Spätestens seit Mitte der 2000er-Jahre stehen junge WanderarbeiterInnen (nongmingong; wörtlich: BauernarbeiterInnen) aus dem ländlichen China im Zentrum der sozialen Konflikte. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998672812 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670383 Zahlen, Daten, Fakten China ist riesig - bezüglich Fläche und Bevölkerung. Neben Wirtschaftswachstum werden Umwelt- und soziale Fragen künftig an Bedeutung gewinnen.

    Obwohl China ökonomisch und technisch massiv aufholt, ist es noch ärmer und schlechter versorgt als Europa. Schon 500 Mio. EU-BürgerInnen sind unterschiedlicher, als in wenigen Zahlen darstellbar, umso mehr 1,3 Mrd. Chinesinnen und Chinesen. Für eingeschränkte politische Freiheiten fehlten uns leider gute Statistiken.

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Sepp Zuckerstätter, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670377 Moderne Frauen am Bildschirm Chinesische TV-Serien erleben seit dem letzten Jahrzehnt einen Hype in China: Seit dem Jahr 2000 wurden mehr als 10.000 Episoden produziert. So ist es kaum verwunderlich, dass Chinesinnen und Chinesen geradezu Serienjunkies sind. Ein Pendant der US-Sitcom Friends gibt es ebenso wie eine Serie über eine Premierministerin. Besonders interessant dabei ist die Darstellung der Frauen, denn diese macht ein neues Selbstbewusstsein vieler chinesischer Frauen in der Arbeitswelt sichtbar. Daran ablesbar sind auch die großen Veränderungen der chinesischen Gesellschaft, die mit den umfangreichen Reformen in den 1980er-Jahren begonnen haben.

    Öffnungsepoche

    Der Übergang von der sozialistischen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft hat eine wichtige Öffnungsepoche im Reich der Mitte eingeläutet – mit neuen Chancen für Wirtschaft, Politik und nicht zuletzt für Kultur. Die Reformen seit 1978 haben eine Umwälzung der gesamten chinesischen Gesellschaft in Gang gesetzt.

    Die Bevölkerung hat zunehmendes Interesse an westlicher Konsumkultur entwickelt. Sie wollte neues Wissen, neue Informationen und schaffte Platz für neue Ideale und Lebensstile. Ehrgeizig, städtisch und unabhängig zu sein galt nun als schick. Modernisierung auf vielen Ebenen – per Verordnung von oben. Mit der Ära der „Reformen und Öffnung“ und der Austragung der vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking hat sich auch der soziale Status von Frauen in China verbessert.

    Emanzipation am Bildschirm

    Nach 1978 traten in chinesischen TV-Serien immer mehr Schauspielerinnen auf, die jung, attraktiv, städtisch, selbstbewusst und erfolgreich waren. Eine Diplomarbeit der Universität Iowa aus dem Jahr 2011 untersuchte, wie Frauen in chinesischen Fernsehserien zwischen 1979 und 2008 dargestellt wurden und wie sich ihr beruflicher Status verändert hat. Untersucht wurde dies am Beispiel von 62 Serien. Die meisten Frauencharaktere wurden als unabhängig, optimistisch und selbstbestimmt dargestellt. In allen drei Jahrzehnten war ein Großteil der weiblichen Charaktere unter 39 Jahre alt.

    Die berufliche Darstellung der Schauspielerinnen hat sich innerhalb dieses Zeitraums wesentlich verändert. In den 1980ern übten Frauen haushaltsbezogene Tätigkeiten aus, wurden als familienorientierter dargestellt und weniger in berufliche Entscheidungsprozesse einbezogen als in den Jahrzehnten danach. In den folgenden Jahren wurden Frauen zunehmend als gebildet und wirtschaftlich unabhängig gezeigt, mit einer steigenden Anzahl an Berufen. Weibliche Fernsehcharaktere haben eine höhere Schul- und Universitätsbildung als noch vor dreißig Jahren und stehen auf demselben intellektuellen Niveau wie Männer.

    Insgesamt übten die 298 untersuchten Frauencharaktere 135 unterschiedliche Berufe aus – eine beachtliche Vielfalt, die seit den 1990ern sogar noch ansteigt. Ebenfalls sind seit den 1990er-Jahren Migrantinnen in der Arbeitswelt am Bildschirm zu sehen, wenn auch nur wenige. Frauen aus dem ländlichen Raum bleiben hingegen in der visuellen Bedeutungslosigkeit.

    Der bessere soziale Status, die größere wirtschaftliche Unabhängigkeit und die größere Berufsvielfalt, die das Fernsehen suggeriert, deuten auf eine modernere Position der Frau in der Gesellschaft hin.

    Die Hälfte des Himmels

    Die Gleichstellung von Mann und Frau war ein wesentliches Bestreben im chinesischen Kommunismus. Unter dem Motto „Frauen tragen die Hälfte des Himmels“ hat Mao Tse-tung chinesische Frauen aus dem Haus in das Berufsleben geholt. Sie wurden während der Planwirtschaft in allen Wirtschaftsbereichen eingesetzt und erhielten als Entschädigung für die harte Arbeit Zugang zu Bildung und Politik. Heute stehen 72 Prozent der chinesischen Frauen im Berufsleben. Sie verdienen rund 50 Prozent der privaten Haushaltseinkommen und besetzen knapp die Hälfte der mittleren Managementpositionen in Chinas Unternehmen. Damit liegt das Reich der Mitte weltweit im Spitzenfeld. Die Besserstellung, die der Kommunismus den chinesischen Frauen gebracht hat, lässt sich auch an der Bildung ablesen: 96 Prozent der chinesischen Mädchen besuchen heutzutage eine Schule. Vor der Gründung der Volksrepublik China 1949 waren es nur 20 Prozent. An den Universitäten sind mittlerweile mehr Frauen für Masterstudien eingeschrieben als Männer. Drei Viertel der Absolventinnen streben laut dem Center for Work-Life Policy nach dem Studium eine Führungsposition an. In den USA will das nur die Hälfte der Studentinnen.

    Blinde Flecken

    Das Bild dieser selbstbewussten, ehrgeizigen und unabhängigen Frauen bestimmt auch die Wesenszüge der chinesischen Fernsehfrauen. Die Serienwelt ist jung und dynamisch. Älterwerden wird in chinesischen TV-Serien nicht thematisiert. Finanzielle Probleme, berufliche Diskriminierung oder sexuelle Ausbeutung kommen laut der Studie aus Iowa am Bildschirm nicht vor, ebenso wenig wie Frauen aus dem ländlichen Raum, ungebildete, pessimistische oder geschiedene Frauen. Die Frauen der TV-Serien sind erfolgreich, vor allem wenn sie sowohl Familie und Beruf genug Aufmerksamkeit schenken. Knapp die Hälfte der Frauencharaktere sind Mütter und Ehefrauen. Sie werden nur selten ohne Familienkontext dargestellt. Das sind jene Werte und Normen, die das politische System Chinas landesweit medial verbreiten möchte. Im kulturellen Bereich zieht es noch stark die Fäden. Einstellungen, die den propagierten Werten trotzen, haben im Fernsehen nichts verloren. Mit den systemkonformen Bildern werden auch die blinden Flecken der TV-Welt deutlich. Denn die reale Welt ist trotz zahlreicher kommunistischer Errungenschaften für chinesische Frauen weniger rosig als ihr virtuelles Ideal.

    Von der Fiktion zur Realität

    Nach wie vor gehören Sexismus am Arbeitsplatz, ungleiche Berufschancen und die Zurückdrängung in die familiäre Rolle für viele chinesische Frauen zum Alltag. Von wirtschaftlicher Unabhängigkeit sind gerade die vielen Frauen in ländlichen Gegenden, Migrantinnen und Ältere weit entfernt. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob Frauen in großen Metropolen wie Shanghai oder Peking leben oder auf dem Land. Konfuzianische Traditionen, die Frauen benachteiligen, leben vor allem außerhalb der Städte weiter. Je ärmer die Gegend und je ungebildeter die Frauen, desto größer ist der Widerspruch zwischen Serienwelt und realem Leben. Das wirtschaftlich erfolgreiche und unabhängige Leben, das die Serienfrauen suggerieren, trägt dazu bei, dass immer mehr Frauen aus ländlichen Gegenden ihr Glück in den Städten versuchen, wo sie oftmals für Hungerlöhne ausgebeutet werden.

    Chinas Frauen bekleiden zwar viele Positionen im mittleren Management. In Spitzenpositionen und politischen Ämtern sind sie nach wie vor selten zu finden. In den letzten Jahren hat sich die Situation von Frauen am Arbeitsmarkt verschlechtert. Je nach Umfrage beklagen zwei Drittel bis drei Viertel der chinesischen Frauen geschlechtsspezifische Benachteiligungen in der Arbeit. Nach einer von der chinesischen Regierung veröffentlichten Studie arbeiten Chinas Frauen durchschnittlich um zwei Stunden länger als Männer. Ihr Einkommen liegt jedoch um etwa vierzig Prozent niedriger. Hausarbeit ist auch in China zum Großteil Frauensache. Benachteiligungen von Frauen im Privaten und Beruflichen sind in China nach wie vor genauso Realität wie in den meisten anderen Ländern. Eine chinesische Bloggerin merkt deswegen zynisch an: „Wenn wir Frauen die eine Hälfte des Himmels tragen, wer verdammt noch mal trägt dann die andere Hälfte?“ Fakt ist: Chinas Gesellschaft verändert sich zwar rasant, den Blick dabei nur auf städtische Erfolgsgeschichten zu richten, wäre jedoch einseitig. Auch wenn in chinesischen TV-Serien Frauen die Hälfte des Himmels erreicht haben, ist es in der Realität noch ein weiter Weg bis dorthin.

    Web-Tipp:
    Studie über das Frauenbild in chinesischen TV-Serien zwischen 1979 und 2008 (Englisch):
    tinyurl.com/k7le893

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669297 "Wenn wir Frauen die eine Hälfte des Himmels tragen, wer verdammt noch mal trägt dann die andere Hälfte?", kommentiert eine chinesische Bloggerin die Kluft zwischen Maos Gleichberechtigungsversprechen und der realen Ungleichheit der Geschlechter. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669289 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670360 Aus für Billiglohn-Sklaven Zehn Euro für die Jeans, fünf Euro für das T-Shirt: Mit Tiefpreisen wie diesen versuchen viele namhafte Unternehmen der Textilindustrie immer öfter Kundinnen und Kunden anzulocken. Der Großteil der Textilbekleidung, über 90 Prozent, wird in Entwicklungs- und Transformationsländern hergestellt – vor allem in Asien. Die Arbeitsbedingungen vor Ort sind in vielen Unternehmen nicht menschenwürdig.

    Unmenschliche Arbeitsbedingungen

    In Akkordarbeit und rund 16 Stunden am Tag müssen NäherInnen im Ausland Kleidungsstücke wie am Fließband produzieren. So werden ArbeiterInnen nicht nur durch niedrige Löhne materiell ausgebeutet, sondern auch häufig gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Beißende Chemiegerüche umgeben ArbeiterInnen, sie atmen giftige Stoffe ein, die bei der Bleichung von Textilien wie etwa Jeans entstehen.

    Betriebsärztinnen und Betriebsärzte gibt es nicht, regelmäßige Gesundheitskontrollen finden nicht statt. Gewerkschaftliche Aktivitäten gibt es fast keine oder sie werden unterdrückt. Obwohl inzwischen fast überall auf der Welt Gesetze existieren, die die Gesundheit der Beschäftigten schützen sollen, kommt es immer wieder zu dramatischen, aber vermeidbaren Zwischenfällen. So berichten Betroffene, dass etwa bei Fabrikbränden Notausgänge blockiert werden und Feuerlöscher kaputt sind oder komplett fehlen. Zwischen 1990 und 2012 hat es in asiatischen Textilfabriken mehr als 33 Brandkatastrophen mit mehreren Hundert Toten gegeben. Allein beim Einsturz des Rana Plaza – ein Gebäude in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, in dem mehrere Textilfabriken untergebracht waren – kamen vor knapp einem Jahr 1.133 Menschen ums Leben.

    Kampf bis zum Tod

    Jahrelang galt China als die billigste Werkbank für den Westen. Unternehmen wie Adidas, Nike, H&M und Esprit ließen ihre Produkte dort zu Niedriglöhnen produzieren. Doch immer mehr Beschäftigte wehren sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und fordern mehr Geld und Freizeit.

    Allein im Jahr 2013 gab es eine Reihe von Streiks, die ArbeiterInnen in Zulieferfirmen der internationalen Konzerne legten ihre Arbeit nieder. Auch die Montagebänder des Honda-Zulieferers standen still, gelöst wurde der Konflikt, nachdem die Forderungen der ArbeiterInnen erfüllt wurden. Es war jedoch nicht das erste Mal, dass in China gegen die miserablen Arbeitsbedingungen gestreikt wurde.

    Bereits im Jahr 2010 gerieten die Zulieferfabriken der multinationalen Unternehmen in China in die Schlagzeilen. Mehr als zehn junge Menschen starben oder wurden schwer verletzt, weil sie keinen anderen Ausweg als den Freitod sahen, um auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen beim taiwanesischen Technologiezulieferer Foxconn aufmerksam zu machen. Foxconn beschäftigt 300.000 MitarbeiterInnen in der chinesischen Sonderwirtschaftszone Shenzhen, weltweit sind es 800.000.

    Das Unternehmen beliefert Firmen wie Apple, Dell, Hewlett-Packard, Nintendo, Microsoft, Sony oder Intel. Vorwürfe an das Unternehmen lauten: Löhne, die nicht für das Nötigste reichten, Kontakt mit giftigen Stoffen und 72-Stunden-Wochen. Foxconn-Gründer Terry Gou wies die Anschuldigung zurück, das Unternehmen betreibe „Blut-Schweiß-und-Tränen-Fabriken“.

    Am Pranger

    Die Probleme bei Foxconn werden jedoch immer wieder von verschiedensten Organisationen weltweit angeprangert. Die Organisation China Labor Watch etwa führte eine Befragung der ArbeiterInnen zu den Selbstmorden durch. Die Befragten erklärten: „Wir sind extrem müde, haben ungeheuren Druck.“, „Wir beenden einen Arbeitsvorgang alle sieben Sekunden.“, „In jeder Schicht – zehn Stunden – fertigen wir 4.000 Dell-Computer, alles im Stehen.“.

    Weiters berichteten die ArbeiterInnen, dass sie nur einen Tag pro Woche frei haben, oft Überstunden machen und an unbezahlten Sitzungen teilnehmen müssen. Sie beklagen auch, dass sie ihre wenige Freizeit in Wohnheimen auf dem Werksgelände mit Schlafen verbringen, total isoliert sind und sich untereinander kaum kennen. Nach der Selbstmordserie und dem daraus entstandenen Imageschaden hob das Unternehmen die Bezahlung kräftig an und versprach, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren und weitere 1.000 ArbeiterInnen einzustellen.

    Schluss mit billig

    China ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer riesigen Wirtschaftsmacht geworden. Ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Erfolgsstory ist die Textilindustrie. Das Land produziert ununterbrochen wirtschaftliche Wachstumsraten, von denen viele westliche Industriestaaten nur träumen können. Auch während der Wirtschaftskrise zeigte sich China recht beständig. Laut dem Einkaufsmanagerindex der britischen Großbank HSBC für das herstellende Gewerbe hat sich die Situation chinesischer Unternehmen im Mai 2014 weiter verbessert. Die Verbesserung stütze sich auf neue Aufträge unter anderem für Exporte. Das alles konnte nicht vor den chinesischen Arbeiterinnen und Arbeitern verborgen bleiben. Die Beschäftigten wollen nicht länger als Billiglohn-Sklaven ausgebeutet werden, sondern auch von jenem Wirtschaftswunder profitieren, das sie mit ihren eigenen Händen geschaffen haben.

    Die Preise im Land steigen schneller als die Löhne der ungelernten ArbeiterInnen. Die soziale Ungleichheit hat somit in den letzten Jahren stark zugenommen – vor 30 Jahren waren in China noch fast alle gleich arm. Aus diesem Grund sind viele ArbeiterInnen verärgert und werden mit zunehmender Entwicklung des Landes immer unruhiger. Die Ansprüche der chinesischen ArbeiterInnen wachsen, sie fordern gesetzlich vorgeschriebene Sozialleistungen wie Zuschüsse zur Kranken-, Arbeits- und Pensionsversicherung. Einfache ArbeiterInnen nützen nun vermehrt die Möglichkeit, sich zu vernetzen, der Welt ihre Unzufriedenheit mitzuteilen und auf ihre Situation und Probleme aufmerksam zu machen. Obwohl es in China kein gesetzliches Streikrecht gibt, legen sie immer wieder die Arbeit nieder und kämpfen für das, was ihnen zusteht.

    Früchte der Proteste

    Mittlerweile ist allen klar, dass das neue, seit 2008 geltende, arbeitnehmerfreundliche Arbeitsrecht nicht dazu geeignet ist, die Interessen der Beschäftigten ausreichend zu sichern. Und es zeigt sich, dass kollektive Aktionen zur Durchsetzung von angebrachten Forderungen Erfolg haben. Diese und viele andere Faktoren haben dazu geführt, dass die Löhne in China stark angestiegen sind und sich eine „reiche“ Mittelschicht gebildet hat. Seit China im Jahr 2001 der Welthandelsorganisation WTO beigetreten ist, haben sich die Industrielöhne verdreifacht. Nichtsdestotrotz wuchs die Produktivität in Fabriken stärker als die Löhne. Damals war China als Billigwerkbank noch sehr attraktiv. Mittlerweile hat sich die Situation geändert: Wie die Deutsche Bank mitteilte, stiegen seit 2008 die Löhne stärker als die Produktivität. Somit wurde der Produktionsstandort China für viele internationale Unternehmen immer unattraktiver und zahlreiche Firmen verlagerten ihre Produktion ins günstigere Ausland. Besonders beliebt als Alternative sind derzeit noch Kambodscha, Bangladesch und Vietnam. Doch auch dort sorgt die wirtschaftliche Entwicklung für steigende Löhne. In Vietnam liegt der monatliche Mindestlohn zwischen 66 und 115 Euro, in Kambodscha bei 70 Euro und im billigsten aller Billiglohnländer Bangladesch wurde der Mindestlohn von 28 auf 50 Euro angehoben. Laut Expertinnen und Experten wird die Jagd nach dem billigsten Lohn in Zukunft für viele Unternehmen nicht einfach, denn zahlreiche kleine asiatische Staaten können mit der Produktionskapazität des Riesenreiches China nicht mithalten. Um in diesen Ländern weiter erfolgreich produzieren zu können, werden viele Investitionen notwendig sein, etwa in bessere Feuerschutz- und Sicherheitsstandards sowie Ausbildung. „Um die Arbeitsbedingungen in Bangladesch und anderen Billiglohnländern nachhaltig zu verbessern, ist es auch notwendig, den Druck auf die großen Handelsketten weiter zu erhöhen“, sagte der Vorsitzende der Bekleidungs- und IndustriearbeiterInnen-Föderation (BGIWF), Babul Akhter, bei seinem Besuch in Wien.

    Web-Tipps:
    Aktiv für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelproduktion weltweit: www.cleanclothes.at
    Der entwicklungspolitische Verein im ÖGB: www.weltumspannend-arbeiten.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at
     oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Amela Muratovic, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669273 Made in China: Viele Arbeiterinnen und Arbeiter leiden für den Modegenuss in Europa. Die Beschäftigten beginnen sich gegen die schlechten Arbeitsbedingungen zu wehren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670354 ErfindungsReich Lesen Sie gerade die „Arbeit&Wirtschaft“ in der gedruckten Ausgabe? Genehmigen Sie sich dazu eventuell auch einen leichten Tee? Aus einer Porzellantasse? Oder ist es doch ein Glaserl Wein? Wenn zumindest eine der Annahmen stimmt, dann genießen Sie eine der zahlreichen Erfindungen, die aus China stammen. China ist nicht nur das Land der Mitte oder das Land der aufgehenden Sonne. Es ist vor allem das Land der Erfindungen: Die vier großen Inventionen Papier, Druckkunst, Schießpulver und Magnetkompass revolutionierten das Leben der Menschen nachhaltig. Ohne diese Erfindungen wäre unser Alltag, so wie wir ihn kennen, höchstwahrscheinlich undenkbar.

    Papier: Von China nach Ägypten

    Gemeinhin wird die Erfindung des Papiers den alten Ägyptern zugeschrieben, die aus dem Mark der Papyrusstaude Schriftträger herstellten. Tatsächlich gilt jedoch 105 n. Chr. als das Jahr, in dem das Papier erfunden wurde. Tsai Lun, Beamter der Behörde für Fertigung von Instrumenten und Waffen am chinesischen Kaiserhof, dokumentierte erstmals die Papierherstellung, wie wir sie heute kennen. Dabei wurden verschiedene Pflanzenfasern wie Bambus, Maulbeerbast, Hanf und alte Lumpen mit Wasser vermischt und zu einer breiartigen Masse zerstoßen. Noch einmal mit Wasser verdünnt, wurde danach ein Bogen aus diesem Faserbrei geschöpft und getrocknet. Es dauerte mehr als 1.000 Jahre, bis das Wissen über die Papierherstellung von China über Mittelasien nach Ägypten und schließlich nach Italien gelangte. Erst 1390 wurde in Nürnberg die erste deutsche Papiermühle in Betrieb genommen. Die Herstellung des Papiers in den heutigen Papierfabriken entspricht nach wie vor dem Vorgang, der der ursprünglichen Erfindung zugrunde lag. Zwischen der handwerklichen und der maschinellen Produktion gibt es nur noch einen bedeutenden Unterschied: Während im manuellen Verfahren einzelne Bögen geschöpft wurden, wird in der maschinellen Produktion eine Papierbahn erzeugt.

    Nach der Erfindung des Papiers erscheint es fast schon logisch, dass auch das Papiergeld von den Chinesen stammt. Dieses entstand im 11. Jahrhundert – allerdings nicht als Ergänzung zum Münzgeld, sondern als Ersatz bei einem Mangel an Münzen. Das Konzept, Geldnoten aus Papier zu kreieren, die mit einer Geldreserve als Garantie ausgegeben wurden, konnte sich in Europa jedoch jahrhundertelang nicht durchsetzen. Das erste europäische Papiergeld wurde erst im Jahr 1661 in Schweden in Umlauf gebracht.

    Vom Feuerwerkskörper zur Waffe

    Kaum eine andere Erfindung hat die Kriegsführung mehr verändert als das Schießpulver. Das sogenannte Schwarzpulver, eine Mischung aus Salpeter, Schwefel und Holzkohle, wird gemeinhin dem Freiburger Mönch Berthold Schwarz um 1300 zugeschrieben. Tatsächlich aber entdeckten die Chinesen rund 250 n. Chr. das Schwarzpulver als Sprengstoff, indem sie die Grundzutaten von Schwarzpulver vermischten, erhitzten und dadurch Explosionen verursachen konnten. Später füllten sie eine Pulvermischung in Bambusrohre und entzündeten sie. Anfangs verwendeten die Chinesen die Bambuskracher ausschließlich für rituelle Zwecke, etwa um böse Geister auszutreiben – und für ihre Feuerwerke. Erst viel später wurde das Schießpulver für militärische Zwecke eingesetzt. In Europa wurde das Schwarzpulver Anfang des 14. Jahrhunderts entwickelt und veränderte somit die Kriegsführung.

    Den größten Einfluss auf die Seeschifffahrt hatte die Erfindung des Kompasses. Jahrhundertelang orientierten sich Seefahrer an Sonne und Sternen. Das Problem dabei: Bei Schlechtwetter verlor man die Orientierung. Die Chinesen waren die ersten, die die Bedeutung des Magneten entdeckten. Bereits im 4. Jahrhundert v. Chr. erkannten sie, wie sie den Magneten nutzen konnten, um Himmelsrichtungen zu deuten. Danach entwickelten sie den Magnetkompass, dessen wörtliche Übersetzung „Si’nan“ so viel bedeutet wie „die Südrichtung anzeigen“. Erst im 13. Jahrhundert fand der Magnetkompass seinen Weg nach Europa und schrieb in den Händen von Seefahrern und Entdeckern wie Marco Polo, Kolumbus und Cook (Kolonial-)Geschichte.

    Johannes Gutenberg gilt zwar als Erfinder der Druckkunst, als Vorform gelten jedoch sogenannte chinesische Abklatsche von Steininschriften. Nach der Erfindung des Papiers stellte sich die Frage nach der Reproduzierbarkeit der Schriftzeichen. Seit dem Jahr 175 wurden in China Hauptwerke der klassischen, chinesischen Literatur in Steinplatten geschnitten. Befeuchtetes Papier wurde so auf die Steine gepresst, dass sich die eingeschnittenen Schriftzeichen beim Bürsten des Papiers mit Tusche in weißer Farbe vom geschwärzten Papier abhoben. Diese Methode des „Abklatschens“ ermöglichte eine Verbreitung von Texten und wurde im 7. Jahrhundert vom Holztafeldruck abgelöst. Wie bei einem Stempel wurde das Zeichen seitenverkehrt in einen Holzstock geschnitten, indem das umgebende Holz entfernt wurde. Diese Zeichen wurden eingefärbt und auf Papier abgerieben. Nicht nur Bücher, sondern ganze Enzyklopädien und Literatursammlungen wurden mit dieser Drucktechnik hergestellt, ebenso Spielkarten, Kalender und nicht zuletzt das Papiergeld. Dieses Verfahren wurde teilweise bis zum Ende des 19. Jahrhunderts angewandt. Um 1040 ordnete der Chinese Bi Sheng einzeln hergestellte und bewegliche Keramikdruckstempel auf einer Eisenform zu ganzen Texten. Diese wurden mit Wachs und Harz fixiert und auf Papier gedruckt. 300 Jahre später wurden die ersten Lettern aus Holz hergestellt, später aus Messing, Blei oder Kupfer. Bewegliche Lettern konnten sich in China jedoch nicht durchsetzen, und zwar aus einem einfachen Grund: Die enorme Zahl chinesischer Schriftzeichen verhinderte eine einfache und schnelle Zusammenstellung von Druckplatten aus beweglichen Lettern. Mit dem lateinischen Alphabet hatte es Johannes Gutenberg um einiges einfacher.

    Nicht umsonst heißt Porzellan auf Englisch „China“. Denn dort wurde im Jahr 630 eine der wichtigsten chinesischen Errungenschaften für die Kunst und Kultur erfunden. Das feine Essgeschirr gilt als Vorbild der europäischen Porzellanerzeugung. Da sich das Porzellan einer hohen Beliebtheit erfreute und sehr teuer war, wurden die Zusammensetzung und die Herstellungsverfahren lange Zeit geheim gehalten. Niemand geringerer als Marco Polo brachte um 1300 das Porzellan nach Europa.

    Kulinarische Premieren

    Chinas berühmteste kulinarische Aushängeschilder sind Reis und Tee. Aber dass auch Nudeln, Alkohol und Salz aus dem Land der Mitte stammen, sorgt oft für Erstaunen. Immerhin werden Nudeln heute eher mit Italien assoziiert. In Wirklichkeit jedoch währt ein ewiger Konkurrenzkampf zwischen den Italienern, Arabern und Chinesen, wer nun wirklich die Nudeln erfunden hat. Im Jahr 2005 hat ein Forscherteam der Chinese Academy of Sciences in der Nähe des Gelben Flusses rund 4.000 Jahre alte Nudel-Relikte gefunden. Sie sind dünn, 50 Zentimeter lang und bestanden – im Unterschied zu heutigen italienischen und chinesischen Nudeln, die aus Weizenmehl hergestellt werden – aus Hirse. Auch beim Alkohol kamen die Chinesen den Europäern zuvor. Bereits um 2000 v. Chr. wurde Bier mit einem Alkoholgehalt von rund vier Prozent konsumiert. Die Chinesen entdeckten, dass der Alkoholgehalt während der Fermentation durch verstärkten Zusatz von gekochtem Getreide sogar gesteigert werden konnte.

    Kopiermacht?

    Heute wird China oftmals als „Kopiermacht“ kritisiert. Auf dem Gebiet der Wissenschaft war und ist China der Welt schon seit Jahrtausenden in vielen Bereichen um einiges voraus. Dass die Chinesen sich nach wie vor erfinderisch zeigen, darauf deutet die stetig wachsende Zahl der Patentanmeldungen hin. So erreichte China 2012 Platz drei, hinter Japan und den USA. Aber wer weiß, wie fortschrittlich die Amerikaner heute wären, hätten die Chinesen erst Jahrhunderte später den Magnetkompass entdeckt? Und wer weiß, ob Sie heute die druckfrische Ausgabe der „Arbeit&Wirtschaft“ in der Hand halten könnten?

    Web-Tipp:
    Mehr Infos unter: german.china.org.cn

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Maja Nizamov, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669265 Als in Europa zum ersten Mal etwas gedruckt wurde, kannte man diese Technik im Reich der Mitte schon längst. Abklatschen nennt man die erste Drucktechnik der Chinesen. Von dieser Methode stammt im Übrigen auch die Redewendung "billiger Abklatsch" ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669260 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998670342 Drachenbrückengasse Die Zeitung ist ganze 40 Seiten dick und wer chinesische Schriftzeichen nicht beherrscht, muss sich mit den Bildern begnügen. „Wir behandeln alle Themen, was im ‚Kurier‘ oder in der ‚Kronen Zeitung‘ steht, darüber wird bei uns auch berichtet“, erklärt Herbert Wang, seines Zeichens Herausgeber von „Europe Weekly“. Auf einem Foto sind unschwer die Überschwemmungen in Bosnien erkennbar, und natürlich darf in Zeiten wie diesen auch Conchita Wurst nicht in der Berichterstattung fehlen. „Europe Weekly“ in Wien ist Teil eines größeren Medienhauses, das Zeitungen in ganz Europa herausgibt. Die Wiener Ausgabe richtet sich auch an LeserInnen in 18 Ländern Mittel- und Osteuropas, erklärt Wang.

    Wang ist auch Besitzer des chinesischen Buchgeschäfts in der Kettenbrückengasse im 4. Wiener Gemeindebezirk. „Der Buchladen ist mehr als zehn Jahre alt und er ist der einzige im deutschsprachigen Raum“, sagt er nicht ohne Stolz. Neben der Zeitung kann man dort Bücher und DVDs sowie ein paar andere chinesische Produkte kaufen. Ein weiteres Produkt des Medienhauses ist das Telefonbuch für Chinesinnen und Chinesen in Österreich, das es in der Dicke mit so manchem Bezirksbranchenbuch aufnehmen kann. Viele der darin angeführten Lokale und Geschäfte befinden sich in der Umgebung der Kettenbrückengasse, weshalb man dieses Viertel als Wiens Chinatown bezeichnen könnte. Diese Tatsache war auch vor ein paar Jahren für Herbert Wang Anlass für seine Initiative, die Kettenbrückengasse bei der Wienzeile mit einem chinesischen Eingangstor zu beschmücken. Widerstand war vorprogrammiert, denn in Zeiten, in denen ethnische Communities als „Parallelgesellschaften“ kritisiert werden, will niemand ein neues ethnisches Viertel entstehen sehen. Dabei gibt es im Falle Wiens eine wichtige Einschränkung: „Es ist eigentlich kein chinesisches Viertel, in dem die Chinesen leben, sondern eher ein Business-Viertel“, betont Wang. Insgesamt gebe es rund 50 chinesische Lokale und  Geschäfte. Schon jetzt gehört ein Besuch in der Gegend für chinesische Touristinnen und Touristen fast zum Pflichtprogramm.

    Restaurants seit Ende der 1940er

    Das Chinarestaurant: Vermutlich war jeder Österreicher und jede Österreicherin mindestens schon einmal dort essen, möglicherweise sogar in der Kettenbrückengasse gleich um die Ecke von Wangs Buchhandlung. Doch ist dies wirklich noch das wirtschaftliche Betätigungsfeld von chinesischen Migrantinnen und Migranten? Die Antwort lautet Ja, und dies hat eine längere Geschichte, als man ahnen würde. Schon Ende der 1940er-Jahre entstanden die beiden ersten Chinarestaurants. Fariba Mosleh schreibt in ihrer Diplomarbeit am Wiener Institut für Kultur- und Sozialanthropologie: „Der Goldene Drache in der Porzellangasse 33 im Alsergrund, Wiens 9. Bezirk, wirbt mit dem Slogan, Wiens erstes Chinesische Spezialitäten Restaurant gewesen zu sein.“ Bis heute ist die Gastronomie der wesentliche Wirtschaftszweig, in dem chinesische Migrantinnen und Migranten arbeiten. In den 1980er-Jahren gab es in Österreich 120 chinesische Restaurants, ihre Zahl ist inzwischen auf mehr als 1.000 angestiegen.

    Die Geschichte der chinesischen Einwanderung nach Österreich reicht noch weiter zurück. „In ihren Ursprüngen geht sie schon auf die Monarchie zurück“, hält Gerd Kaminski vom Ludwig Boltzmann-Institut für China- und Südostasienforschung fest. Viel zitiert ist das Schiff Kaunitz der Österreichischen Ostindischen Kompanie, auf dem im Jahr 1780 zwei chinesische Bootsknechte von Triest nach Wien kamen. „Aus eigener Initiative kamen Chinesen erst 1902 nach Österreich“, schreibt Mignan Zhao in einem Dossier des Österreichischen Integrationsfonds. Zugleich seien die damaligen chinesischen Migranten mit massivem Rassismus von konservativen Politikern und Behörden konfrontiert gewesen. Zhao zitiert aus der christlich-sozialen Reichspost: „Das geniert die gelben Söhne der Mitte nicht. In schmieriger chinesischer Tracht oder auch fragwürdiger europäischer Kleidung streichen sie durch die Straßen. (…) Es wäre an der Zeit, daß (sic!) die Behörden diesem Treiben ein Ende setzen.“ Die Konsequenz: Im April 1914 wurden 24 Chinesen aus Wien abgeschoben.

    Migrationswelle in den 1980ern

    Die weitere Geschichte ist wechselhaft: Der Erste Weltkrieg führte zu einem Abbruch der Beziehungen zwischen China und Österreich, in der Zwischenkriegszeit wiederum gründeten chinesische Studenten den „Verein chinesischer Studenten“, der seinen Sitz im Hotel de France an der Wiener Ringstraße hatte. 600 Personen gehörten der chinesischen Community in der Ersten Republik an, sie wurden allerdings mit dem sogenannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland vertrieben, so Zhao. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wanderten wieder Chinesen nach Österreich ein, und zwar Ende der 1940er-Jahre. Es waren chinesische Landbewohner, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen hatten und ihr Glück in der Gastronomie versuchten. Kaminski ergänzt: „Laut den Aufzeichnungen unserer Gesandtschaft haben sich 40 Studenten 1949 angemeldet, um in Österreich zu studieren. Von denen sind die meisten aber wahrscheinlich nicht hergekommen.“

    Bis chinesische Migrantinnen und Migranten in größerer Zahl nach Österreich einwanderten, sollten allerdings noch rund 30 Jahre vergehen. „Die große Einwanderung kam Ende der 1980er-Jahre, als die Reformpolitik  zu wirken begann“, sagt Sinologe Kaminski. Die meisten kamen aus einer bestimmten Region und hatten zum Teil schon Verwandte in Österreich. Der „Löwenanteil“ komme aus der Provinz Zhejiang. Davon kommt eine Gruppe aus dem Landkreis Qingtian, den Kaminski mit dem Burgenland vergleicht: „Es leben wahrscheinlich mehr Leute im Ausland als in Qingtian selbst. Mittlerweile ist das eine blühende Gegend.“ Die andere Gruppe komme aus der „Mehrmillionenstadt“ Wenzhou: „Diese ist bekannt für seine sehr umtriebigen Händler, die die wirtschaftliche Öffnung sofort genützt haben, um durchs Land zu reisen und sehr erfolgreich Geschäfte zu machen.“

    Wandel

    Wie viele Menschen mit chinesischem Migrationshintergrund leben, ist wie bei den meisten anderen MigrantInnengruppen nur schwer zu eruieren. Schätzungen gehen von rund 30.000 Personen aus. Während sich die ältere MigrantInnen-Generation noch sehr eng mit dem Heimatland verbunden fühlt, zeichnet sich in der zweiten und dritten Generation ein Wandel ab. „Die jetzige Einwanderergeneration legt größten Wert auf die Beziehungen zur chinesischen Botschaft. Diese Bindung setzt sich offensichtlich bei den Kindern oder zumindest Enkelkindern nicht fort“, so Kaminski. Einen weiteren Strukturwandel gebe es in Bezug auf den Bildungshintergrund: „Aus Meinungsumfragen geht hervor, dass die Kinder, die hier geboren wurden oder seit jungen Jahren aufgewachsen sind, wenig Animo haben, die Chinarestaurants der Eltern zu übernehmen. Sie studieren Wirtschaft, nicht wenige interessanterweise Sinologie mit Wirtschaft. Dann haben wir Juristen dabei und Leute, die ins Modul gehen.“

    Buchhändler Herbert Wang bedauert, dass sich die jüngere Generation entfernt, und nicht nur weil dadurch natürlich auch seine Klientel kleiner wird. „Ich habe zwei Töchter, diese sprechen mit mir zwar Mandarin, schreiben ist für sie aber schwieriger“, sagt er und ergänzt: „Gott sei Dank gibt es drei chinesische Schulen in Wien.“ Die etwas mehr als 1.000 SchülerInnen nehmen dort Unterricht in Chinesisch oder Kurse in Kalligrafie, Malerei, Tanz oder Kung Fu. Das Buchgeschäft ist immerhin auch für die jüngere Generation eine Möglichkeit, die chinesische Sprache am Leben zu erhalten, und für die ältere Generation bedeutet es, die Bindung an das Heimatland zu bewahren – oder wie es Wang ausdrückt: „Eine Zeitung in der Muttersprache zu lesen, wenn man Heimweh hat.“ Was das chinesische Tor am Anfang der Kettenbrückengasse betrifft, ist Wang pragmatisch: „Es gibt ja nicht nur chinesische Geschäfte hier, wir sind international.“ Deshalb ist nun im Gespräch, die Kettenbrückengasse nach Vorbild der Neubaugasse allgemein zu bewerben. 

    Web-Tipp:
    Mehr Info unter: www.social-europe.eu

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin mail@sonja-fercher.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sonja Fercher, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669250 Der Lili Markt an der Rechten Wienzeile ist eines von mehreren chinesischen Geschäften in der Nähe der Kettenbrückengasse. Die Gegend ist so etwas wie Wiens Chinatown. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669255 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669977 Elende Verhältnisse Julius Tandler wurde 1933 von der chinesischen Regierung als Professor nach Shanghai berufen und sollte außerdem das Medizinstudium neu organisieren. Als er von dem Verbot der Sozialdemokratie im Februar 1934 erfuhr, kehrte er nach Wien zurück, konnte aber nicht helfen – im Gegenteil: Seine Stadtratsfunktion und seine Universitätsprofessur wurden ihm aberkannt. Er ging noch einmal nach China, wo er Mütterberatungsstellen aufbaute und die Möglichkeit medizinischer Versorgung am Land untersuchte. Wieder in Wien, veröffentlichte er 1935 den Bericht über seine Erlebnisse und Erfahrungen in der Broschüre „Volk in China“, aus der der folgende Text über die Lage der Industriearbeiterschaft stammt.

    1935 verließ Tandler Wien endgültig, diesmal in Richtung Moskau, wo er als Berater bei der Reform des Gesundheitswesens gefragt war. Dort starb er 1936.

    Die Industrialisierung Chinas steckt in ihren allerersten Anfängen. … Die Industriearbeiterschaft, … deren gewerkschaftliche Vertretung in bescheidenen Anfängen vorhanden ist, wird im Allgemeinen schlecht bezahlt. … Einrichtungen des Arbeiterschutzes sind minimal, Kranken- und Invaliditätsversicherung gibt es nicht. In dieser sozialpolitisch höchst mangelhaften Atmosphäre leben, nahezu schutzlos gegen die Ausbeutung – vor allem durch fremdkapitalistische Unternehmer – die chinesischen Arbeiter in elenden Verhältnissen.

    Der durchschnittliche Monatsverdienst eines männlichen Arbeiters in einer Spinnerei in Schanghai beträgt 15,17, eines weiblichen 13,59, eines kindlichen 8,58 Silberdollar. … so ergibt sich, wenn man den Durchschnitt der … Löhne nimmt, ein Einkommen von 14,97 Silberdollar pro Monat. Der gewöhnliche Arbeiter in den anderen Betrieben verdient durchschnittlich 12,6 Silberdollar. … Haushaltsrechnungen … ergeben für die fünfgliedrige Familie eines ungelernten Arbeiters eine Minimalausgabe von 21,34 Silberdollar pro Monat. … Dabei ist die Miete unverhältnismäßig hoch. Die Quartiere selbst sind Elendsquartiere. …

    Das Komitee, in welches mich … der Herr Bürgermeister berufen hat, war mit der Aufgabe betraut, eine Serie neuer Wohnbauten in Shanghai zu errichten. … Neben dieser … Aktion gibt es noch eine zweite, auf Selbsthilfe beruhende … Eine kleine, aber äußerst nett und sauber gehaltene Siedlung. Die Inwohner sind fast ausschließlich Werftarbeiter. Sie sind … auf ihren Fortschritt aus eigener Kraft sehr stolz.

    Über die Verfolgung der Kommunistinnen und Kommunisten in China findet sich in Julius Tandlers Bericht nichts, wohl wegen Rücksichtnahme auf die Zensur im Austrofaschismus. China war seit 1912 eine Republik, aber von inneren Kämpfen zerrissen, und seit 1927 regierte der Putsch-General Chiang Kai-shek. 1934 bis 1935, als sich Tandler in China aufhielt, waren 80.000 kommunistische KämpferInnen auf ihrem „Langen Marsch“ in den Norden, um der Vernichtung zu entgehen. 20.000 überlebten. Gleichzeitig bedrängte Japan China aggressiv.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669237 1935 erschien noch in Wien Julius Tandlers China-Bericht, "ein gescheites, engagiertes und überaus menschliches Buch" (Österreichisches Institut für China- und Ostasienforschung 2014). http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669967 vida: Hochwasserhilfe 2014 Nicht nur in Bosnien-Herzegowina stehen die Gewerkschaften den Opfern des Hochwassers zur Seite. Rasch und unbürokratisch stellt die Gewerkschaft vida ihren Mitgliedern mit der „vida-Hochwasserhilfe 2014“ eine Unterstützung zur Verfügung. Um Anspruch zu haben, müssen Betroffene bei Schadenseintritt mindestens zwei Jahre ununterbrochen Mitglied gewesen sein, Anschlussmitglieder sind nicht anspruchsberechtigt. Weitere Voraussetzung: Die Schadenshöhe muss mindestens 700 Euro betragen, bei einem Schaden zwischen 700 und 4.000 Euro unterstützt die vida ihre Mitglieder mit 250 Euro, bei mehr als 4.000 Euro Schaden gibt es 500 Euro.

    Eingereicht werden muss bis spätestens sechs Monate nach Eintritt des Schadens. Alle nach diesem Zeitpunkt eingelangten Meldungen können nicht mehr berücksichtigt werden. Die Unterstützung muss schriftlich beim jeweiligen Landessekretariat beantragt werden. Weitere Voraussetzungen: Die Schadensmeldung muss vollständig ausgefüllt sein. Die Schadenshöhe ist durch Belege oder/und Kostenvoranschläge nachzuweisen. Auf der Schadensmeldung muss eine gemeindeamtliche Bestätigung aufscheinen, dass der Schaden am Hauptwohnsitz entstanden ist. Es können nur Schäden am und im Wohnhaus bzw. an/in der Wohnung anerkannt werden. Schäden an Nebengebäuden, Garagen (auch dann nicht, wenn die Garage direkt an das Wohnhaus angebaut ist), landwirtschaftlichen Geräten  und Maschinen, an Gärten, Gartenmöbeln, Kraftfahrzeugen und dergleichen können leider nicht berücksichtigt werden.

    Weitere Informationen sowie Adressen und Formulare finden vida-Mitglieder unter: tinyurl.com/lxglt4n

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    Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669853 GPA-djp: Das Urlaubsgeld fiel nicht vom Himmel Die SchülerInnen zählen vermutlich bereits die Tage bis zum Schulschluss und auch bei den Beschäftigten sind wohl schon manche in Urlaubsstimmung. Dass ArbeiterInnen und Angestellte ein Recht auf Erholung haben, war lange nicht selbstverständlich, auch Urlaubs- und Weihnachtszahlungen wurden von den Gewerkschaften hart erkämpft. Wer hat denn noch in Erinnerung, dass AK und ÖGB erst 1986 den heute selbstverständlichen Urlaubsanspruch von mindestens fünf Wochen durchgesetzt haben?

    Dass all diese Errungenschaften heute normal sind, ist gut so. Leider werden sie immer wieder in Frage gestellt. Vor diesem Hintergrund gab die GPA-djp beim Meinungsforschungsinstitut Ifes eine Umfrage in Auftrag. Unter anderem fragte das Ifes, wofür Sonderzahlungen verwendet wurden. Urlaubsreisen bleiben konstant an erster Stelle, gefolgt von der Anschaffung von Weihnachtsgeschenken. Im Vergleich zu 2008, als das Ifes die erste Umfrage zu diesem Thema durchführte, werden Sonderzahlungen öfter für Altersversorgung oder spätere Anschaffungen investiert.

    Das 13. und 14. Gehalt ist fixer Bestandteil im persönlichen Budget der Angestellten. Eine Abschaffung würde nicht nur das Ansparen von Reserven gefährden, sondern auch notwendige Anschaffungen und die Deckung der steigenden Lebenshaltungskosten. Fast allen Befragten ist es lieber, wenn die Sonderzahlungen vor dem Sommer und Weihnachten ausbezahlt werden (80 Prozent sind sehr dafür, 14 Prozent eher dafür). Die Finanzierung einer Lohnsteuersenkung durch die Streichung der steuerlichen Begünstigung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds wird von einer klaren Mehrheit abgelehnt. Im Gegenzug befürworten über 80 Prozent der Befragten die Einführung einer Millionärssteuer zur Finanzierung einer Lohnsteuersenkung.

    So weit das Stimmungsbild der traditionell Angestellten. Nach wie vor gibt es aber ArbeitnehmerInnen, die nicht in den Genuss des 13. und 14. Monatsgehalts kommen. Neben den freien Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern gibt es auch Angestelltenbereiche, für die kein Kollektivvertrag gilt und die dadurch auch keine rechtliche Sicherheit bezüglich der Auszahlung der Sonderzahlungen haben. Dies betrifft etwa die Angestellten bei Marketing- und Werbebüros (ausgenommen Wien) oder die Angestellten bei Rechtsanwälten in den Bundesländern Salzburg, Kärnten und Oberösterreich.

    „Österreichs ArbeitnehmerInnen sind durch starke Gewerkschaften in der glücklichen Lage, eine sehr hohe Abdeckung durch Kollektivverträge und daher einen flächendeckenden Anspruch auf Sonderzahlungen zu haben. Es gibt aber noch viel gewerkschaftliche Arbeit in Bereichen, in denen die Beschäftigten keine rechtlich verbindlichen Ansprüche vorfinden“, erklärt Wolfgang Katzian, Chef der GPA-djp.

    Die GPA-djp fordert Sonderzahlungen auch für freie DienstnehmerInnen und wird sich für eine möglichst lückenlose Abdeckung mit Kollektivverträgen und somit für eine rechtliche Basis für die Auszahlung der Sonderzahlungen stark machen.

    Weitere Infos finden Sie unter: www.gpa-djp.at

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    Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669828 ÖGJ Salzburg: Große Hilfsaktion für Flutopfer Über Nacht haben Überschwemmungen viele Regionen in Bosnien-Herzegowina verwüstet. Tausende Häuser stehen unter Wasser, gewaltige Erdrutsche haben ganze Dörfer zerstört. Die Menschen haben ihre ganze Existenz verloren und stehen vor dem Nichts.

    Die ÖGJ Salzburg startete Ende Mai eine Spendenaktion, die sich sehr schnell zu einem Großprojekt entwickelte. „Zu Beginn der Woche war eine Hilfslieferung per Kleinbus angedacht. Innerhalb weniger Tage wurden 18 Tonnen Hilfsgüter gespendet“, erzählt ÖGJ-Sekretär Samed Aksu. Ende der Woche fuhren ein Sattelschlepper und ein Kleinbus nach Orašje in Bosnien, gefüllt unter anderem mit Wasser, Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken und Hygieneartikeln. Die notwendigsten Güter wurden vor Ort von Aksu, PRO-GE-Jugendsekretär Kruno Zuparic, PRO-GE-Sekretär Daniel Mühlberger und ÖGB-Betriebsrat Mihael Zulj an die betroffene Bevölkerung, Krankenhäuser und Flüchtlingsunterkünfte – teils mithilfe von Traktoren und Motorbooten – verteilt.

    „Wir waren total überwältigt von dem Ausmaß der zur Verfügung gestellten Hilfsgüter“, sagt Aksu. Eine große Herausforderung für die ÖGJ Salzburg war es, die vielen Spenden zu sammeln, transportbereit zu machen und auf den Lkw zu laden. Besonders dankbar sind sie dem Transportunternehmen Ebner in Thalgau. „Firmenchef Johann Reissinger hat ohne zu zögern einen 40-Tonnen-Lkw plus zwei Fahrer, Kraftstoff und alle Mautgebühren unentgeltlich zur Verfügung gestellt“, sagt Marco Kern, Vorsitzender der ÖGJ Salzburg.

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    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669819 Arbeiterkammer: Ergebnis der AK-Wahl 2014 in NÖ Als letztes, aber auch größtes Bundesland hat Niederösterreich im Mai den AK-Wahl-Reigen beendet. Am 23. Mai 2014 stand das Endergebnis fest, demnach behält die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) trotz Verlusten die absolute Mehrheit, dazugewonnen haben Freiheitliche und Grüne sowie mit KOMintern und der Liste Perspektive zwei Gruppierungen, die beim letzten Mal nicht dabei waren.

    Das Ergebnis im Detail: FSG 58,96 Prozent (minus 1,6 Prozent), ÖAAB 23,2 Prozent (minus 0,3 Prozent), FA 9,2 Prozent (plus 0,7 Prozent), AUGE/UG 3,3 Prozent (plus 1,2 Prozent), Grüne GewerkschafterInnen NÖ 2,27 Prozent (plus 0,5 Prozent), Bündnis Mosaik 0,7 Prozent (minus 0,8 Prozent), KOMintern 0,9 Prozent (hat 2009 nicht kandidiert), GLB 0,4 Prozent, (minus 0,2 Prozent), Liste Perspektive 1,1 Prozent (hat 2009 nicht kandidiert). In Mandaten heißt das: FSG 67 Mandate (minus zwei), ÖAAB 26 Mandate (gleich), FA zehn Mandate (plus eins), AUGE/UG 3 Mandate (plus eins), Grüne GewerkschafterInnen NÖ zwei Mandate (gleich ), Bündnis Mosaik null Mandate (minus eins), KOMintern ein Mandat (plus eins), GLB null Mandate (gleich), Liste Perspektive ein Mandat (plus eins). Wahlberechtigt waren 432.428 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Abgegeben wurden insgesamt 176.917 Stimmen. Die Wahlbeteiligung ging im Vergleich zur letzten Wahl um mehr als sechs Prozent zurück und lag bei 40,91 Prozent.

    Mehr Info: tinyurl.com/qcq75cq

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    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669811 Schattenseiten der Fußball-WM Zu tödlichen Unfällen bei Bauarbeiten und Zwangsvertreibungen von etwa 250.000 Menschen – wie in Katar – kam es bei den Vorbereitungen zur Fußball-WM in Brasilien. Gewerkschafter Nilson Duarte Costa und Anthropologin Leila Regina da Silva berichteten über ihre Erfahrungen bei einer Veranstaltung im ÖGB.

    Costa organisiert die BauarbeiterInnen am Bau des bekannten Maracanã-Stadions und weiß: „Der Wettbewerb und Profitanspruch einiger Firmen führen dazu, dass Bauunternehmen Kosten reduzieren, indem sie billiges und schlechtes Material kaufen. Das hat negative Auswirkungen auf die Sicherheit der ArbeiterInnen.“ Auch Frauen sind einer hohen Gefahr ausgesetzt. „Viele werden in schlecht bezahlten Jobs ausgenutzt und sexuell ausgebeutet, weil sie im Ausland als touristische Attraktion vermarktet werden“, erzählt da Silva. „Auch sind Frauen von Räumungen im Zuge der WM und Veränderungen im städtischen Raum am stärksten betroffen. Sie sorgen für die soziale Interaktion, treffen sich mit Freundinnen, wechseln sich mit Nachbarinnen in der Kinderbetreuung ab, damit jede die Möglichkeit hat, arbeiten zu gehen.“

    Im Rahmen des Projekts „Nosso Jogo“ setzen sich NGOs, Gewerkschaften und Initiativen dafür ein, dass Fair Play nicht nur auf dem Rasen, sondern auch auf einer globalen, gesellschaftlichen Ebene zu gelten hat. Die Petition „Für bindende Menschenrechtsstandards bei Sportgroßevents“ kann auf www.nossojogo.at unterschrieben werden.

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    Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668706 Die Veranstaltung zeigte, wie wichtig internationale Solidarität ist, um derartige Problemlagen bei sportlichen Großereignissen ans Licht zu bringen und für Veränderungen einzutreten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668714 Internationale Wettkämpfe dürfen keine Plattform für Zwangsumsiedlungen, Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt bieten. Viele Anwesende unterschrieben die Petition. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669799 Standpunkt | Blick ins chinesische Kaleidoskop Als ich klein war, bekamen wir immer wieder Besuch von einem kleinen Herrn, der mich faszinierte. Herr Hu war Gastprofessor aus Peking – und irgendwie roch er schon anders. Das war aber nicht das Einzige, was anders war, wenn er uns beehrte: Immer gab es etwas Exotisches zum Essen, es wurde anderes Geschirr aufgedeckt, und ich lernte, dass man in China nicht mit Messer und Gabel, sondern mit Stäbchen isst. Fasziniert beobachtete ich, wie geschickt er sich dabei anstellte, während ich befürchtete, nie etwas vom Teller in meinen Mund transportieren zu können. Am Tisch wurde noch dazu eine andere Sprache als Deutsch gesprochen. Besonders gut erinnere ich mich an ein Gastgeschenk: Herr Hu überreichte meinem Vater einen Stempel mit verschnörkelten Lettern, die den Namen meines Vaters auf Chinesisch darstellen sollten, wie man mir erklärte. So lernte ich, dass es nicht nur andere Sprachen gibt, sondern auch Länder, in denen man andere Schriftzeichen als hier verwendet.

    Paläste und Terrakotta-Armeen

    Jahre später reiste mein Vater nach China. Erneut war ich fasziniert von den vielen Fotos und Souvenirs, die er mitbrachte. Ich war beeindruckt von den großen Palästen, der Terrakotta-Armee und vom ungewöhnlichen Stadtbild mit den Rad fahrenden Chinesinnen und Chinesen. Zugleich bekam ich mit, dass es ein Land ist, in dem die Menschen nicht sonderlich frei und schon gar nicht sonderlich wohlhabend sind.

    Skepsis und Vorurteile

    Diese kindlichen Erinnerungen wurden wieder wach, als ich die Beiträge dieser Ausgabe las. Seither hat sich in China viel verändert. Man liest und hört von enormen Wachstumszahlen, gigantomanischen Bauprojekten, Billiglohn-Sklaven, Umweltverschmutzung, Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und den Versuchen des Regimes, den Kapitalismus ins Land zu lassen, ohne dabei auch Demokratie zu importieren. Seitdem China an der Vermehrung des Wohlstands arbeitet und dies auch noch in riesigen Schritten tut, ist in Europa die Skepsis erwacht. Diese wiederum lässt auch so manches Vorurteil sprießen: In China kann man ohnehin nur eins, und das ist kopieren. Weil Chinesinnen und Chinesen harmoniebedürftig sind, gibt es keinen nennenswerten Widerstand gegen die Ausbeutung der ArbeiterInnen. Wie alle Länder außerhalb Europas scheren sie sich nur wenig um Umweltschutz.

    In all diesen Vorurteilen stecken natürlich die berühmten Körnchen Wahrheit, an denen es nichts schönzureden gibt. Wir haben uns mit dieser Ausgabe das Ziel gesetzt, China möglichst facettenreich darzustellen. Ähnlich vielfältig wie die Mosaiksteine meines Gedächtnisses sind auch die vielfältigen Artikel dieser Ausgabe: Es geht um das innovative China aus Vergangenheit und Gegenwart, um Geschlechterrollen, Stadtplanung und Umweltfragen, um chinesisches Essen und chinesische Medizin, und es geht um chinesische Migrantinnen und Migranten in Österreich. Wie es sich für eine Gewerkschaftszeitschrift gehört, stehen die chinesischen ArbeitnehmerInnen im Zentrum. Ihnen sowie der Arbeit der chinesischen Gewerkschaften sind gleich mehrere Beiträge gewidmet. Eins gleich vorweg: Es gibt auch positive Nachrichten. Insgesamt ist ein ambivalentes wie vielfältiges Bild eines Landes entstanden, das in der internationalen Politik eine zentrale Rolle spielt.

    Dank und Wünsche

    Zum Abschluss noch eine Anmerkung in eigener Sache: Es ist mir eine große Freude, diese Ausgabe der Arbeit&Wirtschaft zu verantworten. Als Autorin habe ich die Zusammenarbeit mit Katharina Klee bislang sehr geschätzt und möchte ihr auf diesem Weg alles Gute für die Zukunft wünschen. Ihnen wiederum wünsche ich viel Freude beim Eintauchen in unser chinesisches Kaleidoskop. 

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    Sonja Fercher, Chefin vom Dienst Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998668698 Sonja Fercher, Chefin vom Dienst http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669769 Variable Sicherheitskulturen Es war meine erste Reise nach China: Auf Initiative des ÖGB-Vereins „weltumspannend arbeiten“ machte ich gemeinsam mit 21 österreichischen Betriebsrätinnen/Betriebsräten und Gewerkschafterinnen/Gewerkschaftern eine Recherchereise, bei der wir die Begegnung zu Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern in österreichischen Tochterbetrieben in China suchten. Übermüdet und nach einem langen Flug empfing mich Shanghai mit kühlem, trübem Nieselwetter. Die ersten Eindrücke waren durchaus überwältigend: die Fahrt mit dem 300 km/h schnellen Transrapid vom Flughafen in die Stadt, die Kulisse einer modernen Großstadt der Superlative mit atemberaubender Skyline mit rekordverdächtigen Hochhäusern und unzähligen Baukränen entlang des Huangpu-Flusses.

    Entlang der Einkaufsstraßen findet man modernste und hochpreisige Designergeschäfte aller Weltmarken mit großflächigen Werbungen westlicher Prägung. Massenhaft Menschen sind bis spät in die Nacht unterwegs. Die Straßen sind verstopft durch Autokolonnen unzähliger großer Fahrzeuge teurer westlicher Marken. Diese Stadt boomt und trotz des kühlen Wetters war die Überhitzung deutlich spürbar.

    Hinter der Fassade

    Langsam wich die Blendung durch den Glanz und Glamour und gab den Blick frei für die anderen Realitäten dieser Stadt. Rund um die Uhr wachsende Hochhausschluchten, die, kaum fertiggestellt, bereits eigenartig trostlos wirken und entfernt an die Plattenbauten der früheren kommunistischen Länder in Europa erinnern. Dabei handelt es sich nicht um sozialen Wohnbau, erklärte uns unser Reisebegleiter. Derartiger Wohnraum kostet bis zu 5.000 Euro pro m² und ist somit den reichen Menschen in dieser Stadt vorbehalten. Die Fahrten über Stelzenautobahnen gaben immer wieder den Blick auf alte und kleine Häuser frei, die wie Inseln zwischen den Hochhäusern wirkten. Lange Zeit werden diese dem Bauboom wohl nicht mehr trotzen können. Dem Vernehmen nach sind jene Menschen, die eine Alternative finden konnten, bereits abgewandert. Jene, die noch da sind, werden wohl letztlich gewaltsam weichen müssen. Rund um die Stadt liegen die Industrieparks mit den Produktionsstätten namhafter Unternehmen aus aller Welt. Die ArbeiterInnen hier zählen nicht zu den Bewohnerinnen und Bewohnern der Hochhausschluchten. Viele von ihnen wohnen in Wohngemeinschaften, um Geld zu sparen. Ihr Einkommen ist deutlich besser als in den ländlichen Gebieten Chinas. Wie uns unser Reiseleiter informierte, reicht das monatliche Einkommen von ca. 250 Euro für ein „gutes Leben“, aber nicht zum Kauf einer Wohnung.

    Mein besonderes Interesse bei den Betriebsbesuchen galt der Umsetzung von Arbeitssicherheitsstandards österreichischer Unternehmen in den chinesischen Tochterbetrieben. Auch in China gibt es gesetzliche Regelungen zum ArbeitnehmerInnenschutz. Wie in vielen anderen Bereichen wurden von den chinesischen Behörden westliche Standards analysiert und teilweise fast eins zu eins in chinesische Regelwerke übersetzt. Besonderer Wert auf die Einhaltung der Bestimmungen wird bei ausländischen Unternehmen gelegt. Sie werden regelmäßig überprüft. In allen besuchten Betrieben waren daher auch Maßnahmen zum ArbeitnehmerInnenschutz umgesetzt, allerdings auf unterschiedlichem Niveau.

    Ohne Blatt vor dem Mund

    Eines wurde bei allen Betriebsbesuchen klar: Regeln und Gesetze sind das eine, die Beziehung zum Industrieparkmanager ist jedoch das andere. Dieser regelt im Auftrag des Staates alle Details im Industriepark und ist stark mit der Politik vernetzt. Einige unserer Gesprächspartner nahmen sich kein Blatt vor den Mund und berichteten, dass so mancher Parkmanager großen Wert auf die Teilnahme an laufenden Ess- und Trinkritualen oder auf „ordentliche“ Neujahrsgeschenke lege. Wird die Beziehungspflege missachtet, könne es schon vorkommen, dass für den Betrieb verschärfte Prüfungen und Auflagen die Folge sind.

    Sicherheitskultur mit Ausprägungen

    In den besuchten Betrieben erlebte ich unterschiedliche Interpretationen zum Thema Sicherheitskultur. Diese lassen sich in drei Typen einteilen:

    • „Laissez Faire“

    Die notwendigen Schutzmaßnahmen wurden umgesetzt und entsprechende Schutzausrüstung ist vorhanden, aber die Verwendung bleibt den Arbeiterinnen und Arbeitern überlassen. Ob der Zugang zu Löscheinrichtungen durch einen davor aufgebauten Ölbehälter verhindert wird, ist nicht so wichtig. Der Fokus des Managements ist auf die Erhaltung der Produktivität gerichtet, jede Auseinandersetzung mit der Implementierung von Sicherheitskultur wird als Ablenkung vom Wesentlichen abgetan.

    • „Einhaltung von Regeln“

    Nahezu überall im Betrieb werden Sicherheitsmaßnahmen demonstrativ zur Schau gestellt. Poster, Markierungen und Fehlertabellen sind allgegenwärtig. Eine Sicherheitskultur aber ist nicht spürbar. Vielmehr reduziert sich Sicherheit darauf, zu dokumentieren, dass Anweisungen befolgt werden.

    • „Sicheres Verhalten als Unternehmenskultur“

    Sicheres Verhalten ist durch konsequentes Training als Teil der Unternehmenskultur nach europäischem Standard implementiert und verinnerlicht.

    Sie wachsen schnell, die neuen Hochhäuser. Dem enormen Zeitdruck werden so manche Sicherheitsvorkehrungen geopfert. Arbeiter turnen ungesichert auf wackeligen Bambusgerüsten umher, Schweißer machen in großer Höhe akrobatische Verrenkungen, um eine Schweißnaht zu ziehen, und Monteure tauschen mitten im Straßenverkehr mithilfe einer durch die Stromleitung abgestützten Leiter Straßenlampen aus. Hier scheint das Motto zu gelten: Gemacht wird, was notwendig ist, notfalls auch mit unsicheren Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden.

    Ausländische Unternehmen werden häufig durch die Behörden überprüft und weisen unterschiedliche Standards im ArbeitnehmerInnenschutz auf. In vielen Betrieben ist das Niveau nicht mit den europäischen Standorten vergleichbar. In zwei von uns besuchten Betrieben wurde ArbeitnehmerInnenschutz als Teil der Unternehmenskultur auf hohem Niveau umgesetzt. Ob die schlechten Bedingungen auf Baustellen Schlüsse auf chinesische Produktionsbetriebe zulassen, ist unklar. Der Verdacht liegt aber nahe, dass die gesetzlichen Bestimmungen in vielen Fällen nicht vollständig eingehalten werden. Einige Manager in den besuchten Betrieben vertraten die Auffassung, dass chinesische ArbeiterInnen nicht gesundheitsbewusst seien, weshalb die Umsetzung von Schutzmaßnahmen auf Widerstand stoße. Bei aller Kritik an chinesischen Betrieben ist doch eine Parallele auffällig: Auch manche österreichische ManagerInnen neigen dazu, Fragen des ArbeitnehmerInnenschutzes zu vernachlässigen. Hohe Standards sind auch in Österreich oft nur auf die Initiative von Betriebsrätinnen und Betriebsräten sowie Sicherheitsvertrauenspersonen zurückzuführen.

    Resümee

    Soziale Schieflagen in China sind Realität. Manche der Themen sind auch in einer europäischen (Sozial- und) Wirtschaftsunion nicht ganz fremd, wenn auch auf wesentlich höherem Niveau. Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass Kritik an China oft besonders lauthals geübt wird. Annäherung und Begegnung ist nur möglich, wenn es gelingt, sich über die eigenen Klischees hinweg zu öffnen und die stattfindenden Veränderungen vor dem Hintergrund der chinesischen Kultur und der gesellschaftlichen Realität zu sehen und zu beurteilen. Bei aller berechtigten Kritik ist nicht zu übersehen, was China in den letzten Jahren geleistet hat. Immer mehr Menschen profitieren von der Entwicklung und den sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Der Preis dafür ist allerdings beachtlich und für eine Europäerin/einen Europäer vielleicht nicht immer nachvollziehbar oder akzeptierbar. Mein Blick auf dieses Land und seine Menschen ist weiter geworden, einige meiner Fragen haben sich geklärt, aber weit mehr sind entstanden. Es wird nicht meine letzte Reise in dieses beeindruckende Land gewesen sein.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor office@safetycoach.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Rainer Plot, Sicherheitsfachkraft, Koordinator EBR-Netzwerk GPA-djp Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998670599 Rund um die Uhr sind die Arbeiter im Einsatz, um ein Hochhaus nach dem anderen in die Höhe zu ziehen. Dem enormen Zeitdruck wird die Sicherheit der Beschäftigten oft untergeordnet. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998670594 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669755 Der ungezähmte Kapitalismus Früher einmal „schmeckte das Wasser hier süß“, erklärt der chinesische Fischer Li Shuzhong, „nun ist es eine braune Brühe“. Der Abfluss einer Papierfabrik leitet 24 Stunden hindurch Schadstoffe in sein Fischereirevier – in die ehemals klaren Fluten des Flusses Jangtse (mit 6.380 Kilometern ist der Jangtsekiang Chinas längster Fluss, er teilt das Land in Nord- und Südchina). Die Fischer müssen abwandern, um neue Fischgründe zu finden. Für den 54-jährigen Li Shuzhong ist dies nicht das primäre Problem, denn er leidet unter Speiseröhrenkrebs und wiegt mit 35 Kilogramm nur noch die Hälfte seines ehemaligen Körpergewichts. Auf seine Geschichte und die massive Umweltverschmutzung macht die Umweltschutzorganisation Greenpeace (www.greenpeace.org) in einem Video aufmerksam.

    Erde und Wasser

    Laut Greenpeace sind 70 Prozent der Flüsse, Seen und Wasserreservoirs Chinas mit Schadstoffen belastet. Das gilt auch für das Meer – besonders in der Nähe der industriellen Zentren. „Die Smog-Werte der Hauptstadt Peking liegen um das 14-Fache höher als der empfohlene Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO)“, weiß Greenpeace-Expertin Julia Kerschbaumsteiner. Nach einem heuer im April gemeinsam vom chinesischen Umweltschutz- und Landwirtschaftsministerium herausgegebenen Bericht sind 20 Prozent der landwirtschaftlichen Anbauflächen vergiftet, mit stark steigender Tendenz. Das Ackerland ist durch gefährliche Mengen von Schwermetallen wie Cadmium, Zink, Nickel, Blei und Quecksilber sowie durch Pestizide belastet. Die Hauptverursacher dessen sind Bergwerke, Schmelzereien und Fabriken. Häufig gelangen die unbehandelten Industrieabfälle in die Flüsse und von dort in die Bewässerungskanäle. Mit fatalen Folgen: Die Provinz Hunan ist zwar der führende Reisproduzent Chinas, doch in diesem Gebiet gibt es auch den größten Zink- und Bleiabbau, der den Boden in Hunan besonders stark verschmutzt.

    Die offiziellen Umweltstandards sind auch in China hoch, doch die Realität sieht anders aus. „Ein Unternehmen, das Umwelt und Arbeitskräfte besonders ausbeutet, kommt bislang meist ungestraft davon. Also kann es wesentlich billiger produzieren als bei uns“, weiß Wolfgang Müller, Chinaexperte der IG Metall Bayern. Aber auch hier gibt es Unterschiede in den einzelnen Branchen. „Kleinere Textilfabriken oder etwa Jeans-Färbereien können nur durch Niedriglöhne und Belastung der Natur so günstig sein. In Chinas Autoindustrie etwa sind die Verhältnisse anders: Die Produktion hat in der Praxis ähnliche Umweltstandards wie in Europa. Die Lohnkosten liegen bei etwa 25 bis 35 Prozent der Lohnkosten hierzulande“, ergänzt Müller.

    Große europäische Konzerne halten sich in ihren Werken in China peinlich genau an die Umweltstandards, weil sie sonst mit politischem Gegenwind und negativem Image rechnen müssen. Das gilt ebenso für Arbeits- und Sozialstandards. Ein ganz anderes Thema sind allerdings die Zulieferketten. Beispiel Sportschuhe: „Der taiwanesische Schuhkonzern Yue Yuen produziert mit über 40.000 Arbeitern im Perlflussdelta hauptsächlich für Adidas und Nike. Vor Kurzem hat eine riesige Streikwelle alle Yue-Yuen-Werke in Südchina lahmgelegt. Da ging es nicht um die Umwelt, sondern um jahrelang vorenthaltene Sozialbeiträge für die Rentenkassen“, erklärt Müller.

    Doch der Niedriglohnbereich wird immer mehr zurückgedrängt. Seit 2009 steigen die Arbeitskosten überall in China jährlich im zweistelligen Prozentbereich, ebenso die regional unterschiedlichen gesetzlichen Mindestlöhne. In China geht das Angebot an Arbeitskräften insgesamt zurück. Außerdem sind die ArbeiterInnen und vor allem die WanderarbeiterInnen viel selbstbewusster als früher, und sie fordern ihren Anteil am Wirtschaftsaufschwung. Wolfgang Müller: „Diese fortschrittlichen Entwicklungen werden leider in Europa kaum beachtet.“ Branchen mit ausgeprägten Niedriglöhnen suchen deswegen nach neuen Destinationen in Asien – Vietnam, Bangladesch, Philippinen oder Indonesien.

    Krankheiten und Konsequenzen

    „Die Menschen leiden massiv unter Atemwegs- und Augenerkrankungen, unter Herz- und Kreislaufproblemen – das ist direkt auf den Smog und auf die Schadstoffbelastung in der Luft zurückzuführen“, erzählt Julia Kerschbaumsteiner von Greenpeace. Inzwischen machen die Folgekosten der Umweltverschmutzung fast sechs Prozent der Wirtschaftsleistung aus. „Die chinesische Regierung wollte durch Filter die Luftqualität verbessern“, sagt Kerschbaumsteiner. Auch strenge Regularien für die Stahlindustrie sollten Verbesserungen schaffen und die Schadstoffe in der Luft reduzieren. Denn immerhin die Hälfte der weltweit verbrannten Kohle hat China zu verantworten – der Strom der Volksrepublik wird zu 80 Prozent aus dem fossilen Brennstoff gewonnen. „Allein in der chinesischen Provinz Hebei um Peking herum gibt es mehr Kohlekraftwerke als in den USA insgesamt. Nur die allerwenigsten Kraftwerke haben schon die modernsten Standards der Abgasreinigung“, weiß Wolfgang Müller. Zum Vergleich: Die USA liegen beim Kohleverbrauch mit etwa zwölf Prozent an zweiter Stelle. Julia Kerschbaumsteiner: „Doch in Summe haben auch die Filter wenig gebracht, und nun haben sich einige Provinzen durchgerungen, Kohlekraftwerke zu schließen.“ Schon im September 2013 hat der Staatsrat der Volksrepublik einen Aktionsplan zur Verringerung der Luftverschmutzung vorgestellt: Demnach sollen in den Regionen Peking-Tianjin-Hebei, Jangtseflussdelta und Perlflussdelta keine neuen Kohlekraftwerke gebaut werden. Andererseits sieht der chinesische 12. Fünfjahresplan die weitere Errichtung von 16 riesigen Kohlekraftwerken in anderen Regionen vor.

    Zukunft und erneuerbare Energien

    IG-Metall-Experte Müller: „Dass Chinas Umweltverschmutzung nicht nur die Menschen belastet, sondern auch die Wirtschaft, und dass der Dreck und das Gift längerfristig Wachstum kosten, hat Chinas Regierung erkannt. Doch der Umbau von Chinas Wirtschaft dauert. Der extensive Raubbau an Mensch und Natur gehört zum Kapitalismus. China ist mit seiner Entwicklung nach nur 30 Jahren jetzt an einem Punkt angelangt, wo der ungezähmte Kapitalismus die Grund-lagen des Wachstums und der Gesellschaft zerstört.“

    Aber immer mehr Chinesinnen und Chinesen werden selbst gegen Umweltsünder und ungehemmte Industrialisierung aktiv. Große, tagelange Demonstrationen in der Hafenstadt Dalian in Nordostchina und im Perlflussdelta bei Guangzhou haben vor Kurzem zwei riesige Industrieprojekte gestoppt.

    Führender Produzent von Windrädern

    „Ein Nebeneffekt im Kampf gegen die Verschmutzung: Die erneuerbaren Energien sind ein günstiges Geschäftsfeld. So ist China das Land, das die meisten Windräder herstellt, aber auch die meisten zur Energiegewinnung selber betreibt“, sagt Wolfgang Müller. Der ökologische Druck hat zu einem gewissen Umdenken geführt. Wie andere Länder auch, hat China massiv in erneuerbare Energien investiert und mit Staatsgeldern und billigen Krediten die Forschungsanstrengungen und den Aufbau großer Unternehmen forciert.

    Aufgrund der großen Nachfrage nach Solartechnik in Europa und den USA wurden gewaltige Fabriken gebaut, die überwiegend für den Export produzierten. Auch dank niedriger Lohnkosten konnten chinesische Anbieter frühere Weltmarktführer wie die deutsche Q-Cells oder Solarworld in wirtschaftliche Schieflage bringen.

    Auf der Liste der zehn größten Solartechnik-Hersteller der Welt finden sich derzeit fast ausschließlich chinesische Firmen. Allerdings wirken sich die großen Überkapazitäten in der weltweiten Zellproduktion nun auch in China aus – immerhin übertrifft allein die chinesische Produktionskapazität für Solarzellen derzeit die globale Nachfrage um das Doppelte. Deshalb hatten die USA und die EU Strafzölle gegen chinesische Produzenten verhängt, denen Preisdumping vorgeworfen wurde.

    Aufstieg im Ranking

    Es gibt Grund zur leichten Hoffnung: Der Klimaschutz-Index 2014, der China als den größten CO2-Emittenten der Welt ausweist, gibt an, dass die Klimaschutzleistungen gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert wurden. Damit ist China auf Rang 46 (USA Rang 43) von gesamt 61 Ländern gestiegen.

    Web-Tipp: Download der Broschüre „Schmutzige Wäsche – Die Belastung chinesischer Flüsse durch Chemikalien der Textilindustrie“ unter: tinyurl.com/l9h6dmq

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen resei@gmx.de oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sophia Fielhauer-Resei, Christian Resei, Freie JournalistInnen Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669278 Laut Greenpeace sind 70 Prozent der Flüsse, Seen und Wasserreservoirs Chinas mit Schadstoffen belastet. Das gilt auch für das Meer - besonders in der Nähe der industriellen Zentren. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669742 In kritischer Solidarität Der Artikel 4 im Gesetz über die Gewerkschaften der Volksrepublik China lässt keinen Zweifel über den politischen Standort des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes aufkommen. „Die führende Rolle der Kommunistischen Partei“, wie auch „der sozialistische Weg“ und die drei ideologischen Grundsätze des Staates „Marxismus-Leninismus, Mao-Tse-tung-Ideen und Deng-Xiaoping-Gedanken“ bilden das Fundament, auf dem der Einheitsgewerkschaftsbund zu stehen hat.

    Als „Schulen des Kommunismus“ hatte Lenin dereinst die Gewerkschaften in der Sowjetunion bezeichnet. Auch in China zementierte Mao diese für die Vertretung der Werktätigen vorgesehene Rolle. Zu den Aufgaben des bereits 1925 gegründeten Allchinesischen Gewerkschaftsbundes (ACGB) zählte aber nicht nur die ideologische Schulung der breiten Mitgliederschaft, sondern auch die stetige Erhöhung der Produktion, die Kontrolle der Zahlen für den jeweiligen Fünfjahresplan und die Sicherstellung der Einheit von Betriebsführung und Mitarbeitern.

    Jahrzehntelang entsprach der ACGB diesen Anforderungen und erhielt damit unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein – meist nicht zu Unrecht – negatives Bild. Erst die Reformen Ende der 1980er-Jahre führten zu einem Umdenken. Durch das verstärkte Investitionsaufkommen aus dem Ausland, die Errichtung von Joint Ventures sowie später von Sonderwirtschaftszonen wurde der Widerspruch zwischen traditionellem Denken und neuen Herausforderungen zu groß. Erst durch das neue Arbeitsrecht von 1995 und durch Anpassungen des Gewerkschaftsgesetzes konnte er auf die Transformation der Plan- in eine Marktwirtschaft reagieren.

    Notwendige Reformen

    Den Betriebsgewerkschaften wurden mehr Flexibilität und eine beschränkte Unabhängigkeit eingeräumt. Bereits in den 1990er-Jahren gab es mit den ausländischen Firmenbesitzern erste größere Arbeitskonflikte. Um die Investitionen nicht zu gefährden, endeten diese meistens mit der Unterdrückung der rebellischen Belegschaft, der Maßregelung der Gewerkschaften und der Verhaftung der Anführer.

    Heute versucht sich der ACGB ein völlig neues Image als kampferprobte Interessenvertretung aufseiten der ArbeitnehmerInnen zu geben. In den letzten Jahren wurden immer wieder Streiks genehmigt, vor allem bei ausländischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern – und zwar selbst dann, wenn mit der Schließung der Betriebsstandorte gedroht wurde. Die Stärke der rund 230 Millionen Mitglieder zählenden Einheitsgewerkschaft hat hier ihre Vorteile. Die Investoren haben heute grundsätzlich nicht die Wahl, ob sie eine Betriebsgewerkschaft akzeptieren wollen oder nicht. Selbst multinationale Unternehmen wie der US-Konzern Wal-Mart mussten schließlich nach langen Verhandlungen eine Gewerkschaft akzeptieren. Der Betrieb ist mit zwei Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der größte Einzelhandelsbetrieb der Welt und für seine konzessionslose Haltung gegenüber Gewerkschaften bekannt. Als die Belegschaft einer Wal-Mart-Filiale in Kanada vor der Organisierung durch die örtliche Gewerkschaft stand, schloss die Konzernleitung diesen Standort kurzerhand. Anders agierte der Konzern in China, zu verlockend war wohl der chinesische Markt mit seinen bald 1,4 Milliarden Konsumentinnen und Konsumenten. Erstmals in der Geschichte des reaktionären Unternehmens können nun GewerkschafterInnen ihre Arbeit verrichten.

    Neue Aufgaben

    Auch hat der Allchinesische Gewerkschaftsbund ein weiteres lohnendes Tätigkeitsfeld für sich geöffnet: Das Verhandeln von Kollektivverträgen – eine unglaubliche Aufgabe angesichts des immer noch starken staatlichen Eingriffs in die Lohnentwicklung und der nicht vorhandenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Tarifverhandlungen. Dennoch ist es dem ACGB in nur fünf Jahren gelungen, für die Hälfte aller chinesischen Betriebe – immerhin über fünf Millionen – einen Betriebskollektivvertrag auszuhandeln (siehe „Mitten im Arbeitskampf“, S. 26–27). Inzwischen sind die Löhne stark gestiegen. Entlang der Küsten im Osten Chinas müssen Firmen ausgebildeten Industriearbeiterinnen und -arbeitern mittlerweile rund 500 Euro im Monat zahlen, um sie im Betrieb halten zu können. In Peking und Shanghai liegen die Mindestlöhne inzwischen bereits über jenen der EU-Länder Bulgarien und Rumänien. Partei- und Staatschef Xi Jinping will die Rolle der Gewerkschaften stärken. Bei seiner Rede zum 1. Mai 2013 rief er den ACGB auf, noch mehr Innovationskraft zu entwickeln und noch stärker auf die sozialen Veränderungen einzugehen. Auch sollen sich die Gewerkschaften vermehrt um WanderarbeiterInnen kümmern. Die rund 260 Millionen, großteils entrechteten, ArbeiterInnen aus den Provinzen wurden von den Gewerkschaften bisher kaum vertreten.

    Menschen- und Gewerkschaftsrechte

    Trotz des eingeläuteten Wandels hält der ACGB weiterhin an seinem bisherigen Alleinvertretungsanspruch fest. Jährlich wird die Volksrepublik deshalb auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dafür angeklagt. Einzig in den Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao gibt es eine pluralistische Gewerkschaftslandschaft. Oft fühlen sich die ArbeitnehmerInnen vom ACGB nicht ausreichend vertreten und gründen eigene Betriebskomitees. Dies ist sehr riskant, denn in vielen Fällen schreitet die Staatsmacht mit Unterstützung der Einheitsgewerkschaft ein und verbietet diese Basisgruppen schnell. Auch das Recht auf Kampfmaßnahmen bleibt stark reglementiert: Nach wie vor entscheidet in den meisten Fällen die Kommunistische Partei, ob und wo ein Protest stattfinden darf.

    Seine Macht demonstrierte der Staat beispielsweise gegen zwölf ausgegliederte Sicherheitsleute der Universitätsklinik in der südchinesischen Stadt Guangzhou. Die MitarbeiterInnen protestierten für ihre gesetzlich zustehende Versicherung, die ihnen vom Arbeitgeber vorenthalten wurde. Im August 2013 wurden sie wegen Störung der öffentlichen Ordnung verhaftet, seit dem Frühjahr 2014 läuft ihr Prozess vor dem zuständigen Provinzgericht. Trotz dieser Repressalien schicken Tausende Menschen Solidaritätsbriefe und demonstrieren vor dem Gerichtsgebäude für die Einhaltung der sozialen Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

    Im Internationalen Gewerkschaftsbund werden die Beziehungen zu China bei fast jeder Sitzung diskutiert. Pragmatische Zugänge treffen dabei auf die Forderung nach strikter Einhaltung der ILO-Normen über demokratische und soziale Rechte sowie jene von Gewerkschaften. Allerdings treten selbst die schärfsten China-KritikerInnen, die skandinavischen Gewerkschaften, für einen grundsätzlichen Dialog mit dem ACGB ein. Auch der ÖGB hat traditionelle Beziehungen zu den chinesischen Gewerkschaften. Bei den Austauschprogrammen werden Probleme mit chinesischen Investoren in Österreich thematisiert und es wird über österreichische Betriebe in China sowie deren Umgang mit Gewerkschaften diskutiert. Verstärkt geht es auch um Betriebsvereinbarungen und seit Neuestem um Branchenkollektivverträge. Neben dem ÖGB haben auch verschiedene Gewerkschaften direkte Kontakte nach China. Seit dem Jahr 2000 pflegt die Produktionsgewerkschaft (PRO-GE) enge Kontakte zum ACGB. Die GPA-djp hat 2010 eine Absichtserklärung für eine Zusammenarbeit mit der Provinzorganisation Shaanxi des Chinesischen Gewerkschaftsbundes unterschrieben. Sehr intensiv setzt sich auch der entwicklungspolitische Verein des ÖGB „weltumspannend arbeiten“ mit China auseinander. Neben zwei Begegnungsreisen von Betriebsrätinnen und Betriebsräten in die Volksrepublik wurden bisher auch drei Fachbücher zur Kooperation zwischen Österreich und China, Schwerpunkt Gewerkschaften, veröffentlicht.

    Auch wenn die chinesischen Gewerkschaften noch nicht unserem demokratischen Ideal entsprechen, so haben sie in den vergangenen Jahren dennoch viele Veränderungen durchgemacht. Österreichs Gewerkschaften werden daher den kritischen Dialog mit China weiterführen.

    Web-Tipps:
    Entwicklungspolitischer Verein des ÖGB: www.weltumspannend-arbeiten.at
    Allchinesischer Gewerkschaftsbund: www.acftu.org.cn
    China Labour Bulletin – Chinas Gewerkschaften aus Hongkonger Sicht: www.clb.org.hk

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor marcus.strohmeier@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB, Leiter des internationalen Referats Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669242 In Peking und Shanghai liegen die Mindestlöhne inzwischen bereits über jenen der EU-Länder Bulgarien und Rumänien. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sun, 15 Jun 2014 00:00:00 +0200 1399998669732 Arbeitskampf im Reich der Mitte Zur Person
    Dr. Rolf Geffken
    Geboren 1949
    Geschieden, zwei Kinder
    Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
    1967–1972 Studium der Rechtswissenschaften, Universität Hamburg
    1975–1978 Promotion Dr. jur., Universität Bremen
    Seit 1977 Inhaber der Kanzlei RAT & TAT
    1977–1979 Hochschule für Wirtschaft und Politik, Lehrbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter
    2005/06 Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg, ICGS
    2006 Publikation „Labour and Trade Unions in China“ für das Europäische Gewerkschaftsinstitut ETUI
    2008–2010 Lehrauftrag an der Universität Oldenburg
    2008 Gründung des China Competence Centre (CCC) Hamburg

    Arbeit&Wirtschaft: Sie haben zahlreiche Publikationen und Artikel über die soziale, rechtsstaatliche und politische Situation in China verfasst. Wie ist Ihre Affinität zu China entstanden?

    Rolf Geffken: Ich war in den 1980er-Jahren als Anwalt für Seearbeitsrecht tätig und habe viele asiatische Seeleute vertreten. Auf diesem Weg bin ich sozusagen nach China gekommen, das war vor mehr als 15 Jahren. Mein erster Forschungsaufenthalt zu Arbeitsbeziehungen in China, Hongkong und Taiwan war 2003, im selben Jahr habe ich auch erstmals zu diesem Thema publiziert. 2005 habe ich die erste Deutsch-Chinesische Konferenz zum Arbeitsrecht an der Universität Sun Yat-sen in Kanton mitorganisiert.

    Von Forschungsaufenthalten und Kongressen abgesehen: Haben Sie als Anwalt auch praktische Erfahrungen mit dem chinesischen Arbeitsrecht?

    Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine wissenschaftliche Tätigkeit neben meiner Anwaltskanzlei. An Gerichtsverhandlungen in China war ich nicht selbst beteiligt, habe allerdings hier in Hamburg einige deutsche Manager vertreten, die in China gearbeitet haben. Im Übrigen vertreten chinesische Anwälte nur sehr ungern Einzelpersonen. Der Aufwand lohnt sich für sie nicht, denn die Gebühren, die ein normaler Anwalt verrechnen kann, sind sehr niedrig. Diese geringen gesetzlichen Gebühren sind theoretisch sozial günstig, allerdings läuft das in der Praxis darauf hinaus, dass junge, erfolgreiche Anwälte solche Mandanten gar nicht akzeptieren, sondern meist Unternehmen vertreten, die entsprechend zahlen. Der durchschnittliche chinesische Arbeitnehmer nimmt sich dann einen sogenannten Barfuß-Anwalt, das sind zum Teil Autodidakten, die aber nicht unbedingt schlecht arbeiten.

    Die NGO China Labour Bulletin berichtet von fast 1.200 Streiks und Protestaktionen von Mitte 2011 bis Ende 2013. Das passt so gar nicht in unsere Vorstellung von den nach Harmonie strebenden Chinesinnen und Chinesen.

    Dieses Bild hat vermutlich sowieso nie gestimmt, es mag vielleicht gerade noch im privaten Bereich zutreffen. Tatsächlich ist das Selbstbewusstsein der chinesischen Arbeitnehmer im Laufe der Zeit gewachsen. Die Regierung hat das auch gefördert, unter anderem mit einer großen Kampagne zum Arbeitsvertragsgesetz. Dadurch ist das bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch angekommen, dass man seine Rechte aktiv wahrnehmen kann bzw. soll. Hongkonger Wissenschafter haben nachgewiesen, dass sie mittlerweile auf dem Standpunkt stehen: Wenn sich die Unternehmer nicht an das Gesetz halten, dann gehen wir nicht zu den Behörden oder zum Anwalt, sondern wir legen die Arbeit nieder. Der Staat wollte mit der Kampagne eigentlich erreichen, Konflikte zu individualisieren. Tatsächlich sind Arbeitskämpfe aber jetzt weitverbreitet, fast schon Alltag. Vor allem die jüngere Generation ist deutlich konfliktbereiter. Wobei Streiks und Proteste nicht unbedingt gleichbedeutend mit schlechten Arbeitsbedingungen sind. Es gibt ja auch in westlichen Ländern starke und weniger starke Gewerkschaften. Die starken Gewerkschaften erreichen für ihre Klientel viel, die schwachen weniger.

    Welche Sozialleistungen gibt es überhaupt?

    An sich gilt das Sozialversicherungsgesetz landesweit, mit getrennter Kranken- und Pensionsversicherung, außerdem gibt es eine Mutterschaftsversicherung und seit einiger Zeit auch eine Arbeitslosenversicherung. Die praktische Umsetzung funktioniert in manchen Regionen, etwa in Shanghai, gut. Aber das System ist noch im Aufbau und es gibt immer wieder Probleme. Die Sozialversicherungen sind nicht vom öffentlichen Budget getrennt. Korruptionsfälle, Veruntreuung von Geldern kommen immer wieder vor. Außerdem waren von Anfang an nicht alle Berufsgruppen einbezogen, etwa die Wanderarbeiter sowie Angehörige des öffentlichen Dienstes und der großen Staatsunternehmen. Jetzt wird das System allmählich ausgeweitet, zunehmend werden auch die Wanderarbeiter inkludiert. Es gab mehrere Streiks, wo es nicht um Lohnerhöhungen ging, sondern darum, dass Unternehmen entgegen den gesetzlichen Vorschriften keine Sozialabgaben einbezahlt haben.

    Wo liegen die wesentlichen Unterschiede zwischen unserem Sozialsystem und dem chinesischen?

    In China hat sich das Sozialsystem in den vergangenen Jahren sehr weit entwickelt, während hierzulande durch den Neoliberalismus 20 Jahre lang eine Rückentwicklung stattfand. 1995 wurde in China ein Arbeitsgesetz nach neoliberalen Grundsätzen verabschiedet, doch 2008 erfolgte ein Paradigmenwechsel. Obwohl einige der arbeitnehmerfreundlicheren Neuerungen nach Interventionen von Unternehmen teilweise entschärft worden waren, enthielt das neue Arbeitsvertragsgesetz enorme Verbesserungen, etwa auch für Leiharbeiter, die jetzt von Rechts wegen weitaus besser gestellt sind als in Deutschland. Doch es hapert an der Umsetzung. Leicht überspitzt formuliert gibt es bei uns ein gut umgesetztes schlechtes Arbeitsrecht, während in China ein gutes Arbeitsrecht schlecht umgesetzt wird. Ähnliches gilt für andere asiatische Länder, zum Beispiel die Philippinen, wo der Grundsatz „im Zweifel für den Arbeitnehmer“ gilt. In einem Arbeitskampf mit einem Zulieferbetrieb von Adidas mit 40.000 Streikenden hat die chinesische Regierung dem Unternehmen Weisung erteilt, dass das Gesetz vollzogen werden muss. Wal-Mart beispielsweise weigerte sich, eine Betriebsgewerkschaft zu installieren, es folgte ein Aufschrei in der Öffentlichkeit – vor allem im Web, weniger von den Beschäftigten. Jedenfalls gab es schließlich eine Weisung der Regierung und innerhalb von 24 Stunden wurde eine Betriebsgewerkschaft installiert.

    Welche Auswirkungen auf die Arbeitskämpfe haben die modernen Technologien?

    Das ist sehr spannend und tatsächlich typisch chinesisch. Die üblichen Attribute von Arbeitskämpfen wie Jacken mit Logos, Plakate et cetera gibt es nicht. Demonstrationen und Streiks werden rasch und kurzfristig per Smartphone organisiert. Das hat den Vorteil des Überraschungseffekts. Diese Einzelaktionen verlaufen zum Teil sehr fantasievoll und auch erfolgreich, doch natürlich wären Strukturen nötig. Es ist schon vorgekommen, dass bei Streiks die Unternehmer händeringend nach einem Verhandlungspartner suchten, aber es meldete sich niemand, denn die Organisatoren hatten Angst vor negativen Konsequenzen.

    Das geflügelte Wort von den harmonischen Arbeitsbeziehungen ist also heute nur ein frommer Wunsch der Unternehmerseite?

    Ja, ein verzweifelter Appell der Regierung, um kollektives Bewusstsein zu verhindern. Das hat mit der Realität nichts mehr zu tun, das haben inzwischen auch die Unternehmen verstanden. Noch vor zehn Jahren wurde in Seminaren für in China tätige Expats erzählt, Chinesen wären harmoniebedürftig und gingen nicht vor Gericht. Heute macht man sich geradezu lächerlich, wenn man das auch nur ausspricht. Die Konfliktbereitschaft ist weitaus größer als in Westeuropa. Ich kenne selbst einige Unternehmer, die sich in China erstmals damit auseinandersetzen mussten, was denn eigentlich ein Streik ist. Das führt dann zu der Kuriosität, dass allgemeine Prozesse, die bei Streiks ablaufen, als spezifisch chinesisch interpretiert werden.

    China zählt nicht mehr zu den Billiglohnländern, die ArbeitnehmerInnen fordern vehement ihre Rechte, Produktionsstätten werden ins Ausland verlegt. Wie weit ist das Problem Arbeitslosigkeit aktuell?

    China will kein Billiglohnland mehr sein und setzt verstärkt auf qualifizierte Tätigkeiten und moderne Technologien statt Massenproduktion. Noch gibt es kaum sichtbare Arbeitslosigkeit, auch weil Chinesen zum Teil in den informellen Sektor ausweichen. Es gibt zwar an sich eine Arbeitslosenversicherung, aber keine einheitliche Gesetzgebung dazu. Das Land befindet sich in der Übergangsphase von der lohnintensiven zur kapitalintensiven Produktion. Durch weiterhin stagnierendes Wirtschaftswachstum und fortschreitende Produktivitätssteigerung könnte die Arbeitslosenquote bald auch in China steigen. China steht in mehreren Bereichen vor großen Herausforderungen. Schon jetzt herrscht durch die Landflucht in den Großstädten extreme Enge, die Preise fürs Wohnen sind exorbitant hoch. Heiraten ist nur mit einer entsprechenden Wohnmöglichkeit möglich, aber die können sich viele nicht mehr leisten. Selbst Akademiker finden oft keinen adäquaten Job. Eine traditionelle chinesische Familienplanung ist für viele nicht mehr möglich.

    Wie ist die Situation für ArbeitnehmerInnen in den Sonderwirtschaftszonen?

    Die Arbeitsgesetze gelten an sich dort auch, aber wie in allen Sonderwirtschaftszonen auch außerhalb Chinas wird natürlich versucht, dort Sonderrechte zu schaffen und auf unterschiedliche Weise Abhängigkeiten zu schaffen. Das ist der ewige Traum von der billigen Arbeitskraft und der ruhigen Arbeiterschaft. Bekannt ist ja die Methode, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern überteuerte, menschenunwürdige Unterkünfte zur Verfügung stellen. Aber auch außerhalb der Sonderwirtschaftszonen wurde und wird vor allem von den Großunternehmen systematisch versucht, die Gesetze zu umgehen. Foxconn Electronics, mit Hunderttausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in China, arbeitet mit Schulen zusammen und stellt direkt von dort Praktikantinnen und Praktikanten ein. Diese jungen Leute sind von der Schule her ein autoritäres System gewöhnt und der Konzern will sich so billige und willige Arbeitskräfte sichern. Ich bin davon überzeugt, dass die Suizidwelle bei Foxconn vor vier Jahren auf dieses Phänomen zurückzuführen ist. Diese Menschen kamen direkt vom autoritären Schulsystem in ein Unternehmen, das sie rücksichtslos ausbeutete, und sie waren mit den Betriebsstrukturen total überfordert.

    Gibt es geschlechtsspezifische Problemstellungen?

    Die Ausbeutung junger weiblicher Arbeitskräfte ist nach wie vor Alltag. Die typische Textilarbeiterin kommt vom Land oder direkt von der Schule. Es gibt auch noch die typischen Massenquar-tiere (dormitories), vor allem in den Textil- und Schuhfabriken Südchinas. Doch inzwischen sind diese Mädchen vom Lande auch nicht mehr so naiv, das enge Zusammenleben fördert die Solidarisierung zum Teil. Streiks gehen allerdings selten von Frauen bzw. von den wirklich schlecht Bezahlten aus, die treibende Kraft sind häufig die gebildeteren Arbeitnehmer.

    Wie ist aktuell die Situation der chinesischen Gewerkschaften?

    Es gibt den Gewerkschaftsdachverband ACFTU (Englische Abkürzung für den ACGB) mit zehn Teilgewerkschaften. Der ACFTU ist Mitglied beim Weltgewerkschaftsbund WFTU, wird aber vom ITUC nicht anerkannt. Nur sehr selten gibt es – nach vereinzelten Arbeitskämpfen – gewählte Betriebsräte, in der Regel werden sie nach wie vor ernannt. Die Gewerkschaftsfunktionäre agieren wie Beamte und die Gewerkschaft ist organisatorisch an den Staat gebunden. Juristisch und politisch anerkannt werden nur Gewerkschaften, die auch Mitglied im Dachverband ACFTU sind. Manches erinnert an die Situation in Europa Ende des 19. Jahrhunderts, bevor die Gewerkschaften entstanden sind. Denn wie gesagt, die chinesischen Gewerkschaften haben mit dem, was wir hierzulande darunter verstehen, nur sehr wenig zu tun. Die Frage ist, ob Veränderungen friedlich möglich sein werden oder ob das aus dem Ruder läuft. Vor dieser Konsequenz hat der chinesische Staat Angst, das Wort Solidarność geistert als Schreckgespenst in den Köpfen.

    Gibt es Kontakte zwischen chinesischen und unabhängigen Gewerkschaften in Europa oder den USA?

    Ich habe 2011 eine Konferenz in Oldenburg veranstaltet, um mehr Kontakte zu den chinesischen Gewerkschaften zu ermöglichen, und sei es nur mit der Basis. Das ist aber leider nicht gelungen. Es gibt ein Abkommen des US-Dachverbands AFL-CIO mit dem chinesischen Gewerkschaftsdachverband.

    Die USA haben da weniger Berührungsängste. Hier passiert viel zu wenig, es gibt kaum Kontakte und Austausch mit der Basis. Im Hamburger Gewerkschaftshaus klopfen manchmal Gewerkschaftsgruppen auf Europareise an. Oft möchten sie ohnehin nur irgendwelche Einkaufstipps, aber es gibt sehr wohl auch den Wunsch nach Kontakt und Austausch. Finden dann tatsächlich kurzfristig Gespräche statt, sind alle Beteiligten aber so schlecht vorbereitet, dass man ständig aneinander vorbeiredet. Hier besteht Verbesserungsbedarf, vor allem auch wenn man bedenkt, dass Chinesen ja meist nicht nur Deutschland besuchen, sondern gleich durch Europa reisen, wodurch die internationale Vernetzung relativ einfach wäre.

    Wir danken für das Gespräch.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at

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    Das Interview führte Astrid Fadler für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 5/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669221 Dr. Rolf Geffken http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998669232 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998629711 Europa in Flammen! Europa in Flammen“ war das Motto meines Praktikums im ÖGB-Büro in Brüssel 2011. Echte Flammen kamen später. Am Anfang entbrannte mein Herz für die europäische Idee mit ihrer friedenstiftenden Intention. Trotzdem war mir schon damals klar, dass sich die EU in einem organischen Werdungsprozess befindet. Dass es um nationale Integration durch Anerkennung des Prinzips der überindividuellen Autorität der Staatenunion geht. Doch das ist erst die Basis für die wachsende Gestaltung der politischen und sozialen Kräfte. Deshalb war mein Praktikumsziel, zu erkennen, welche Mechanismen uns zur Verfügung stehen, um die Demokratisierung der EU und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Betriebsräte voranzutreiben.

    Als Betriebsrat bin ich täglich mit Interessenkonflikten konfrontiert. Betriebliche Interessenvertretung ist ein Teil der Demokratisierung aller Lebensbereiche. Und diese sind nun einmal maßgeblich von den Entscheidungen in Brüssel beeinflusst, die wiederum viel zu oft von den Interessen internationaler Konzerne begleitet werden. Deshalb war es für mich nur logisch, in das politische Zentrum der Macht aufzubrechen, um diese Mechanismen zu studieren. In der ständigen Vertretung Österreichs sucht man vergeblich nach hemdsärmeligen Klassenkämpferinnen und Klassenkämpfern. Die Arbeit ist analytisch und strategisch – hier werden Kontakte gepflegt, Informationen gesammelt und Allianzen geschlossen. Im ÖGB-Büro geht es darum, frühzeitig Entwicklungen zu erkennen, die unsere Sozialstandards gefährden, und Plattformen für Diskussionen zu schaffen. Mit Lohndumping, „Economic Governance“ und der Finanztransaktionssteuer wurde ich während meiner Arbeit dort bereits konfrontiert, als es diese Themen in Österreich noch nicht auf den großen Radar geschafft hatten.

    Was wir satt haben ...

    Wir Europäischen GewerkschafterInnen haben die unsoziale und antidemokratische Politik ebenso satt wie diskriminierende Angriffe auf sogenannte „Schuldenstaaten“. Wir sehen die Vermögen der wenigen und das Leid von vielen. Vor diesem Hintergrund fällt es leicht, gemeinsam zu diskutieren, zu arbeiten und vor allem Erfahrungen und Ideen auszutauschen.
    Die ABVV/FGTB (Algemeen Belgisch Vakverbond/Fédération Générale du Travail de Belgique) hat mir Gelegenheit gegeben, mit wunderbaren Betriebsrätinnen und Betriebsräten sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern zu arbeiten.

    Die belgische Gewerkschaft verfügt über komplexe, aber effiziente Organisationsstrukturen. Neben den Fachbereichen und politischen Fraktionen gibt es in Belgien auch noch die Unterscheidung der flämischen und wallonischen Teile. Trotzdem gibt es viele Parallelen zu unserer Situation in Österreich. Auch die BelgierInnen haben hohe Sozialstandards zu erhalten und die ArbeitnehmervertreterInnen sind gut in den Betrieben verankert. Viele Aufgaben, die bei uns vom Betriebsrat abgewickelt werden, gehören in Belgien zum Kompetenzbereich der Gewerkschaften.
    Die Themen sind ähnlich wie bei uns: Vom Erhalt und Ausbau sozialer Errungenschaften über den Kampf gegen Lohndumping bis zur Sicherung der Produktionsstandorte. Konzerne delegieren über internationale Grenzen hinweg ihre Zielvorgaben, losgelöst von Sozialpartnerschaft und Betriebskultur. Über allem schwingt das Damoklesschwert der Abwanderung, des Outsourcings und der Betriebsumstrukturierung.

    Dabei ist uns Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern längst klar, wie wir die Zukunft für uns sichern können: Durch die Aufwertung von hochqualifizierten Produktionsstandorten, durch politische und soziale Sicherheit sowie die Stärkung der Kaufkraft – und mit einer geschlossenen Arbeitnehmerschaft, um das Erreichte zu erhalten und neue Standards zu setzen. Darüber waren wir uns einig.
    In Luxemburg, auf der großen Zentralkundgebung des Europäischen Gewerkschaftsbundes, warnten damals im Juni 2011 Zehntausende Menschen aus ganz Europa lautstark vor einem Europa der „Austerität“. Ein Euphemismus für eine knallharte Sparpolitik auf Kosten von Sozialstandards, Arbeitsplätzen und in letzter Konsequenz des Humanismus.
    Vor spektakulären Aktionen wurde nicht zurückgeschreckt und als eine riesige Pappkartonpyramide mit den Logos internationaler Konzerne in Flammen aufging, wusste ich, dass hier etwas wächst und stärker wird. Ein grenzüberschreitender Gedanke, der uns rot blinkend warnt vor der ewigen Hölle, die uns erwartet, wenn wir es zulassen, dass das Materielle über die Liebe gestellt wird.

    INTERVIEW
    Zur Person - Denise Schellemans
    Alter: 53
    Wohnort: Brecht, Belgien
    Erlernter Beruf: Medizinische Laborantin, A1
    Firmenstandort: BASF Antwerpen NV
    Gewerkschaft: LBC-NVK (ACV), http://eng-lbc-nvk.acv-online.be
    Seit wann im (Euro-)BR? 1999

    Wie ist dein Familienstand?
    Ich bin mit Jan verheiratet – er ist im Verkauf tätig. Wir haben einen Sohn im Alter von 28 Jahren, zwei Töchter mit 26 und 24 Jahren und zwei Pflegekinder.

    Was bedeutet dir Arbeit? 
    Arbeit gibt mir eine Einkommensgarantie, sie sorgt für meine sozialen Kontakte und sie gibt mir auch Erfüllung.

    Wie siehst du die Wirtschaft in Belgien?
    Unsere Wirtschaft ist ein Barometer der Wohlfahrt. In Belgien hat das Unterrichtswesen ein hohes Niveau. Wissen und Bildung müssen wir in Europa in Zukunft besonders hochhalten.

    Was bedeutet dir Gewerkschaft?
    Gleichbehandlung und Gerechtigkeit sind mir wichtig. Ich freue mich über die interessanten Kontakte. Und die juristischen Kenntnisse, die man in der Gewerkschaft vermittelt bekommt, sind sehr wertvoll und stärken.

    Was bedeutet dir die EU?
    Das Konkurrenzdenken unter den Mitgliedsstaaten ist meiner Ansicht nach noch zu hoch. Wirtschaftliches Wachstum bleibt notwendig, die Industrie steht zurzeit unter Druck. Neben einer gut ausgebauten Infrastruktur sind Innovationen notwendig. Die Politik muss Möglichkeiten dazu schaffen. Die Regulierung in Europa kommt weltweit unter Druck. Heute kann Europa global sicher mithalten. Eine grundsätzliche Regulierung für den Schutz des Sozialstaates ist auf jeden Fall erforderlich. In Europa dominiert zum Glück eine allgemeine Atmosphäre des Friedens.

    Was bringt der europäische Betriebsrat?
    Ich habe mit dem EBR und dem Betriebsrat im Allgemeinen überwiegend positive Erfahrungen gemacht. Sehr gut ist auf jeden Fall die Zusammenarbeit mit anderen Standorten, also der Kontakt und Austausch innerhalb der BASF-Anlagen in Belgien. Ich bin Vorsitzende und empfinde daher auch die direkten Kontakte mit den Kolleginnen und Kollegen aus anderen europäischen Ländern als bereichernd. Es bleibt natürlich ein Potenzial für Wachstum: Die Transnationalisierung kann auch sehr positiv sein! Das Bild, das die Außenwelt von einem EBR hat, ist vor allem geprägt von Umstrukturierungen und Akquisitionen. Positive Bewegungen und Möglichkeiten innerhalb und durch den EBR müssen gestärkt werden. Unser EBR fällt unter das europäische Gesellschaftsrecht nach Ursprung des deutschen Modells. Nicht alle Kolleginnen und Kollegen haben in ihrem Land die gleichen Rechte. Mein Traum ist, dass in Zukunft Rahmenverträge abgeschlossen werden, die einen Mindestrahmen bieten, die dann lokal verfeinert und angepasst werden können – unter Berücksichtigung der lokalen Gesetzgebung).

    Wie oft machst du Urlaub?
    Einmal jährlich, mit der Familie.

    Was wünscht du dir für deine Zukunft?
    Für mich und meine Lieben vor allem Gesundheit. Und Arbeitsplatzsicherheit – vor allem für die künftige Generation.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor gsg-betriebsrat@stiegl.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Thom Kinberger, Teilnehmer des 60. SOZAK-Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998629723 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624401 "Bis in drei Wochen, Schatz!" Ich lebe mit unseren beiden Kindern in Perth, an der Westküste Australiens. Mein Mann arbeitet in der Nähe von Onslow. Diese 500-Seelen-Gemeinde liegt rund 1.400 Kilometer nördlich von Perth. Mit dem Flugzeug braucht er dorthin knapp drei Stunden. Und so wie alle anderen Frauen und Männer, die auf derselben Großbaustelle arbeiten, kommt er nur alle drei Wochen nach Hause. Dann hat er eine ganze Woche lang frei, zusätzlich zu seinem Jahresurlaub. Diese Art Arbeitsrhythmus an einem abgelegenen Arbeitsort nennt sich „Fly-in fly-out“, kurz FIFO. FIFO zu arbeiten ist in Australien längst keine Ausnahme mehr: In Westaustralien arbeiten mehr als 50.000 Menschen FIFO, Tendenz steigend.

    Westaustralien: reich und weit

    Der Reichtum Westaustraliens gründet sich auf seine Energierohstoffe und Bodenschätze. Es sind dies Öl, Gas und Kohle sowie Bauxit, Eisenerz, Mangan, Gold und Diamanten, um nur die Wichtigsten zu nennen. Westaustralien ist ungefähr siebenmal so groß wie Deutschland, allerdings leben hier nur 2,5 Millionen Menschen.

    Der Bundesstaat ist de facto nur in den Küstenregionen besiedelt, drei Viertel der EinwohnerInnen leben in der Agglomeration von Perth. Die meisten Minen und Fördergebiete sind jedoch irgendwo „in the middle of nowhere“ in diesem riesengroßen Land. Früher zogen die Bergleute und die ArbeiterInnen dorthin, wo es etwas zu holen gab, und wenn eine Mine nichts mehr hergab, zogen sie weiter. Sie hinterließen die Geisterstädte des westaustralischen „Gold Rush“ des 19. Jahrhunderts.

    Das Städtchen Onslow, wo mein Mann arbeitet, liegt im Outback. Rote, staubige Erde, Buschland, Fliegen und Termitenhügel so weit das Auge reicht. Die nächste größere Stadt, Karratha, mit 12.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, ist 300 Kilometer entfernt. Gleich neben Onslow baut ein internationales Firmenkonsortium an einem riesigen Infrastrukturprojekt, das der Gasförderung dient.

    Die Baufirma, für die mein Mann arbeitet, hat allen mitreisenden europäischen Familien Wohnmöglichkeiten in Perth angeboten, nicht jedoch in Onslow. Denn das Angebot an Immobilien in Onslow ist, entsprechend der Größe des Orts, bescheiden. Eigens neue Wohnsiedlungen hochzuziehen wäre zwar möglich, doch damit hat man in Australien keine sehr guten Erfahrungen gemacht. Wenn nämlich mehrere Tausend ArbeiterInnen in eine Kleinstadt ziehen, wo davor gerade einmal fünfhundert Seelen lebten, so stößt eine solche Gemeinde rasch an die Grenzen ihrer Kapazitäten. Es müsste neben Wohnhäusern auch grundlegende Infrastruktur wie Krankenhäuser und Schulen gebaut werden. Doch kleine Gemeinden können eine solche plötzliche Explosion der Einwohnerzahlen auf sozialer Ebene nur schwer verdauen – und auch die Familien der Beschäftigten, die sich mit einem Mal mitten im Outback wiederfinden, sind damit nicht unbedingt glücklich.

    Australische Firmen gingen daher in den letzten Jahrzehnten dazu über, ihre ArbeiterInnen nicht mehr direkt am Arbeitsort anzusiedeln, sondern sie von ihrem Wohnort aus einzufliegen. Das hatte den Vorteil, dass die Familien der Beschäftigten nicht mehr im Outback leben mussten, sondern dort bleiben konnten, wo es gute Infrastruktur gab, z. B. in Perth. Es war außerdem nicht mehr notwendig, in den Outback-Gemeinden neue Stadtteile hochzuziehen. Für die ArbeiterInnen allein stellt man einfach Wohncontainer hin, sogenannte Dongas. Ähnlich einem Motelzimmer bietet eine Donga einen möblierten Schlafraum mit Badezimmer. Aus solchen Dongas entstehen dann Siedlungen für mehrere Tausend ArbeiterInnen. Gegessen wird in einer Kantine, es gibt auch Fitnesscenter und Freizeitangebote sowie medizinische Versorgung.

    Arbeitsplatz-Camps

    Diese „Camps“, wie sie genannt werden, funktionieren de facto wie normale Kleinstädte. Nur dass die Nahrungsmittel ebenso wie der Abfall über Tausende Kilometer weit heran- und wieder weggekarrt werden müssen. Denn ein Hinterland, wo z. B. Gemüse wächst, gibt es nicht. Und die Wohncontainer werden, sobald die Baustelle fertig ist, wieder abgebaut und zur nächsten Baustelle geschafft. Mittlerweile haben sich Firmen nur auf dieses Business spezialisiert: Container aufbauen, Essensversorgung durch Großküchen, Abfallentsorgung.

    Auch wenn es sich wie eine Art Ferienkolonie anhört, ist so ein Camp natürlich mitnichten Urlaub. Dazu trägt nicht nur das rüde Klima der Region bei: Je nach Jahreszeit ist es in Onslow entweder heiß und trocken oder heiß und feucht. Im Sommer hat es um die vierzig Grad, im Winter immer noch knapp dreißig. Wer sein klimatisiertes Büro verlässt, der wird von Fliegen umschwärmt und von Sandfliegen gebissen. Im Sommer – d. h. zwischen Dezember und März – kommt auch öfter mal ein Zyklon bedenklich nahe. Für die möglichen Freizeitaktivitäten bleibt meist wenig Zeit. Nach der Arbeit eine halbe Stunde ins Fitnesscenter, danach Abendessen, vielleicht ein Bier mit den Kollegen und dann früh ins Bett. Denn Arbeitsbeginn ist spätestens um sechs Uhr morgens. Wer einen Drei-eins-Arbeitsplan hat, der/die arbeitet drei Wochen durch, danach hat er/sie eine Woche frei und fliegt nach Hause. Je nach Vertrag, Firma und Baustelle bzw. Mine kann so ein Vertrag auch einen anderen Rhythmus umfassen, von acht-sechs (acht Tage Arbeit, sechs Tage frei) bis vier-eins (vier Wochen, eine Woche) gibt es viele verschiedene Varianten.

    Arbeitsrhythmus mit Nebenwirkungen

    Ein solcher Arbeitsrhythmus ist natürlich nicht frei von Nebenwirkungen. Nicht alle Familien verkraften es gut, einander nur in Intervallen zu sehen. Und die intensiven Arbeitsperioden – denn während der Zeit „on site“ gibt es kaum freie Tage – können sich über die Jahre hinweg zur physischen und auch psychischen Belastung auswachsen. Das bringt oft Probleme mit Drogen oder Alkohol mit sich, gegen die seitens der Arbeitgeber penibel vorgegangen wird, in erster Linie natürlich aus Gründen der Sicherheit am Arbeitsplatz.

    Der Alkoholkonsum in den Camps ist streng limitiert, und alle Beschäftigten werden regelmäßigen Drogentests unterzogen. Wer bei einer Kontrolle mit Drogen im Blut erwischt wird, ist sofort seinen Job los.

    Die Bezahlung stimmt

    Warum ist FIFO trotzdem für die AustralierInnen attraktiv? Eine einfache Antwort: Die Bezahlung stimmt. Wer FIFO arbeitet, verdient deutlich mehr als bei normalen Arbeitsverträgen. Selbst wenig qualifizierte ArbeiterInnen haben hier die Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen.

    Für junge Menschen, die eine Familie gründen wollen, kann es interessant sein, in sagen wir drei Jahren den Gegenwert eines Einfamilienhauses zu verdienen. Das gilt für Männer wie für Frauen, denn FIFO ist keineswegs eine Männerdomäne. Die Frauen in den Camps machen auch nicht bloß die Küchenarbeit, sondern sind ebenso in den qualifizierten Baujobs zu finden.

    Auch jenseits vom gut befüllten Konto ist FIFO wegen der geblockten Freizeit durchaus attraktiv. Viele Singles verbringen ihre freien Tage gerne gleich gar nicht in Perth, sondern im nahe gelegenen Bali beim Surfen oder mit Wellness. Jene, die Familie haben, können sich wirklich intensiv ihren Kindern widmen und an deren Alltag teilnehmen. Dreizehn Wochen Freizeit plus sechs Wochen Jahresurlaub, damit lässt sichs schon leben.

    Wenn mein Mann aus Onslow zurückkommt, ist er erst mal müde und schläft sich aus. Denn drei Wochen durcharbeiten, mit nur einem freien Tag, das schlaucht. Aber dann haben wir viel Zeit füreinander, unternehmen Ausflüge, treiben Sport, profitieren zusammen mit den Kindern von den sehr attraktiven Freizeitmöglichkeiten und dem sonnigen Klima der Region. Für ihn wie für alle seine europäischen Kolleginnen und Kollegen ist das hier eine anstrengende, aber durchaus relevante Berufserfahrung, die niemand missen möchte. Ein Hauch von Abenteuer im wilden Westen? Vielleicht auch. Immerhin, die Baustelle besteht für zwei Jahre. Danach freuen sich die meisten wahrscheinlich doch wieder auf einen „normalen“ Job.

    Ein Jahr in Australien – der Blog: einjahrinaustralien.wordpress.com

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin barbara.lavaud@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

    Barbara Lavaud arbeitet für die Presseabteilung der GPA-djp und verbringt derzeit ein Sabbatjahr in Australien.

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    Barbara Lavaud Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624408 Australische Firmen gingen in den letzten Jahrzehnten dazu über, ihre ArbeiterInnen nicht mehr direkt am Arbeitsort anzusiedeln, sondern sie von ihrem Wohnort aus einzufliegen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624351 Zahlen, Daten, Fakten Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter Sparen meist das Aufbauen von Finanzvermögen verstanden. Diese können die Form von Bankeinlagen, Anleihen, Aktien und Ähnlichem annehmen.
    Dahinter steht aber immer eine Forderung an einen anderen.

    Die Grafiken zeigen, bei wem die einzelnen Sektoren Schulden haben und an wen sie Forderungen haben. Während die Haushalte in Summe Forderungen haben, nutzen die Unternehmen und der Staat diese Finanzmittel, um damit reale Investitionen in Maschinen, Infrastruktur usw. zu finanzieren.

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Sepp Zuckerstätter, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624346 "Nicht zuletzt" ... Sparen, Konsum und Wohlstand Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann sich die Sache allerdings oft anders darstellen.

    Wenn alle privaten Haushalte mehr sparen, dann geht die Konsumnachfrage zurück, damit sinken die Produktion von Gütern und Dienstleistungen und das dabei erzielte Einkommen. Letztendlich werden die Haushalte bei einem geringeren Einkommen weniger sparen können als beabsichtigt. Kommt zum Sparen der Haushalte auch der Versuch der Unternehmen zu sparen, also die Kosten zu senken, und das Bestreben des Staates zu sparen, also das Budgetdefizit zu verringern, dann wird es gesamtwirtschaftlich bedenklich: Das Ergebnis ist ein Einbruch des Wohlstandes und der Beschäftigung, wie derzeit in Griechenland, Spanien, Portugal und anderen Ländern zu beobachten.

    Ausweitung der Investitionen

    Das Sparen der Haushalte kann nur gelingen, wenn die Unternehmen auf eine Ausweitung der Investitionen, also zusätzliche Ausgaben setzen: Sind ihre Absatzerwartungen positiv und nehmen sie Kredite auf, um zu investieren, dann bildet das jenen notwendigen Sog an Güternachfrage, der Beschäftigung und Einkommen schafft und höhere Ersparnisse der Haushalte ermöglicht.

    Ähnlich stellen sich die Bedingungen für den Erfolg der Sparanstrengungen in den südeuropäischen Krisenländern dar. Nur wenn Deutschland, Österreich und Co ihre Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ausweiten, steigen Nachfrage und Produktion in Griechenland, Spanien und Co so stark, dass die Budgetkonsolidierung gelingen kann, ohne zu Massenarbeitslosigkeit zu führen.

    Weniger sparen, mehr konsumieren

    Bei hoher Arbeitslosigkeit und gesamtwirtschaftlicher Unterauslastung ist es sinnvoll, wenn die Haushalte insgesamt weniger sparen und mehr konsumieren. Bei den unteren Einkommensgruppen ist der Spielraum allerdings unmittelbar gering, da ohnehin kaum gespart und das gesamte Einkommen für die notwendigen Konsumgüter ausgegeben wird. Ganz anders sieht es am oberen Ende der Verteilung aus: Hier wird oft der überwiegende Teil des Einkommens gespart und noch dazu risikoreich auf den internationalen Finanzmärkten veranlagt.

    Eine Umverteilung von den Bezieherinnen und Beziehern hoher Vermögenseinkommen zugunsten der unteren und mittleren Einkommensgruppen verringert so insgesamt die Ersparnisse, erhöht die Konsumnachfrage und führt zu mehr Einkommen und Beschäftigung. Ohne griffige Steuern auf Vermögensbestände, Vermögenseinkommen und den Finanzsektor ist diese gesamtwirtschaftlich notwendige Umverteilung nicht zu erreichen.

    Fortschrittliche Antworten gesucht

    Viele sozial Schwächere können dringende Konsumbedürfnisse mangels Einkommen nicht befriedigen. Eine Erhöhung des Konsums führt hier zu einem Wohlstandsgewinn. Insgesamt kann es aber kein sinnvolles Ziel einer emanzipatorischen Wirtschaftspolitik darstellen, nur auf einen möglichst hohen Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen zu drängen, ohne die Frage zu stellen, was und wie produziert und verbraucht wird.

    Gerade bei einem hohen Niveau des Wohlstandes rücken neue Themen in den Vordergrund: Wie sind die Einkommen und Konsummöglichkeiten in der Gesellschaft verteilt? Wie kann die Produktion so organisiert werden, dass der Ressourcenverbrauch verringert wird? In welcher Form wollen wir den Wohlstand nutzen, nur über höhere Realeinkommen und mehr materiellen Konsum oder auch über mehr Freizeit? Das sind die Fragen, auf die fortschrittliche Antworten zu suchen sind.

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    Markus Marterbauer, Leiter Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624329 Rück-Blog Die meistgelesenen Beiträge der letzten 30 Tage:

    • Ist Arbeit zu teuer?
    • Braindrain in Österreich?
    • Arbeit heute: Raues Betriebsklima, hoher Zeitdruck

    Ist Arbeit zu teuer?

    Bettina Csoka zeigt im meistgelesenen Beitrag der letzten 30 Tage auf, wie der in Wirtschaftskreisen vorherrschende isolierte Blick auf die Höhe der Arbeitskosten zu kurzsichtigen Lohnsenkungsfantasien führt. Sie betont, dass nicht die Höhe der Löhne, sondern das Ausmaß der Löhne an der realen Wertschöpfung (= Lohnstückkosten) für internationale Vergleiche relevant ist. Nicht die gesamte Wirtschaft muss sich international messen, sondern vor allem die Produktion, weil eben Güter internationale Absatzfähigkeit suchen – im Gegensatz etwa zu Dienstleistungen, die mit Ausnahme von Grenzregionen keinem internationalen Wettbewerb unterliegen. Ein weiterer Fokus des Artikels liegt auf den Lohnnebenkosten: In Österreich überschreitet der Lohnnebenkostenanteil (26,7 Prozent) an den gesamten Arbeitskosten den Wert im Euroraum leicht. Dass dieser in Dänemark (12,4 Prozent) und Großbritannien (15 Prozent) niedriger ist, liegt an der unterschiedlichen Finanzierungsstruktur sozialer Sicherheit. Während die „Sozialschutz“-Einnahmen in Österreich zu knapp zwei Dritteln aus Sozialbeiträgen und zu rund einem Drittel aus Steuern stammen, kommen in Dänemark drei Viertel aus Steuern und nur knapp ein Viertel stammt aus Sozialbeiträgen. Die Sozialversicherungsbeiträge helfen, die wichtigsten Risiken des Lebens abzusichern: Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter und Unfall. Weniger Lohnnebenkosten bedeuten also weniger Einkommen, weniger bezahlte Freizeit und weniger soziale Sicherheit.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/khsme6n

    BrainDrain in Österreich?

    Diplomvolkswirt Klemens Himpele beschäftigt sich mit der von in- und ausländischen Medien gestellten Frage, ob es in Österreich in den nächsten Jahren vermehrt zu einem Braindrain, sprich zu einer Abwanderung der „geistigen Elite“ kommen wird. Insbesondere die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) folgert, dass „überbordende Regulierungswut“ oder zu hohe Steuern schuld daran wären. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass es in Österreich vielmehr einen „Braingain“ gibt, also eine Nettozuwanderung gut ausgebildeter Menschen. Besonders der Umgang mit den Datenquellen in der NZZ ärgert Himpele: Es wurden z. B. nur Personen mit österreichischer Staatsbürgerschaft berücksichtigt. Auch wandern bei Weitem nicht nur Hochqualifizierte ab. Unterstellt, dass nach Österreich immigrierte AusländerInnen ein „Brain“ haben, kann man nun ziemlich gesichert davon ausgehen, dass Österreich eher aufseiten der GewinnerInnen der Migration Hochqualifizierter zu finden ist: Der Bildungsstand der AusländerInnen in Österreich hat sich allein zwischen 2004 und 2013 erheblich verändert, wie eine Auswertung der Statistik Austria zeigt. Himpele resümiert, dass die Debatte zum Braindrain zudem deshalb so gefährlich sei, weil sie auch im Bereich der Bildung und der Integration den Blick auf die Realitäten verstellt.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/mlmlewu

    Arbeit heute: Raues Betriebsklima, hoher Zeitdruck

    Das Institut für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (ISW) führt jährlich eine Befragung unter allen Betriebsratsvorsitzenden in Oberösterreich zu Veränderungen, Zufriedenheit und Problemen in der Arbeitswelt durch, schreibt Laura Kepplinger. Die Themen, mit denen sich Betriebsrätinnen und Betriebsräte beschäftigen, zeigen indirekt den Anstieg des Drucks auf die ArbeitnehmerInnen. An erster Stelle rangiert die betriebliche Gesundheitsförderung, gefolgt vom ArbeitnehmerInnenschutz sowie von der Erhöhung des innerbetrieblichen Leistungsdrucks und der Verschlechterung des Betriebsklimas. Ziel war es, herauszufinden, ob und wie die Unternehmensstrategie und -führung die tägliche Arbeit der Beschäftigten beeinflusst. Drei Viertel der Befragten geben an, dass die Arbeit in ihrem Betrieb durch Controlling und eine hohe Kennziffernorientierung (68 Prozent) geprägt ist. Gleichzeitig ist ein Großteil der Beschäftigten laut Einschätzung der Betriebsrätinnen und Betriebsräte stolz darauf, in ihrem Betrieb zu arbeiten (69 Prozent). Gerade die emotionale Bindung an den Betrieb, auch trotz widriger Arbeitsbedingungen, deutet auf die Wichtigkeit von Arbeit in der Selbstdefinition der Menschen hin. Umso bedenklicher: Das Klima in den Betrieben wird rauer. Und die ArbeitnehmerInnen leiden darunter. Das Recht auf gute Arbeit ist ein Grund- bzw. Menschenrecht. Somit schlussfolgert die Autorin, dass gute Arbeit bzw. „befriedigende Arbeitsbedingungen“ nicht als „Soft“-Forderung oder „Wohlstandsproblem“ abgetan werden können, sondern dass Arbeit zu haben, die gerne verrichtet wird, ein Fundament einer guten Arbeitsgesellschaft ist.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/kdvqngy

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    Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624307 Das Märchen vom Sparen - eine weitere Stilblüte des Zeitdrachen Auch die einleitenden Worte hier sind kein Trick, der uns darüber hinwegtäuschen soll, dass es sich insgeheim doch um eine Werbeschaltung handelt.

    Der Schriftsteller Mario R. Lackner ist aus dieser Welt der Manipulation und subtilen Verführung ausgestiegen. Er, also ich, braucht nicht marktkonform auf die Asta-Romantrilogie aufmerksam zu machen.
    Die ersten beiden Bände und meine Lese-Shows daraus haben bereits genügend Anklang zwischen Bayern und Bosnien gefunden. „Danke, genug. Ich habe alles, was ich brauche“ – das passt nicht in die vorherrschende Marktlogik, die Idee von ständigem Wirtschaftswachstum.
    Das widerspricht der kapitalistischen Wohlstandsdefinition über materiellen Besitz und Anhäufung von schwarzen Zahlen auf dem Bankkonto.
    Pursuit of happiness – das Streben nach Glück, wie es in der Unabhängigkeitserklärung der USA als zentraler Inhalt einer demokratischen Gesellschaft modernen Typus postuliert wird – kann es auch anders definiert werden als über Geld, Geld und noch mal so viel Geld?
    In den etwas mehr als zwei Jahren seit der Veröffentlichung meines Debütromans „Asta im Winterwald“ und einige Monate nach der Fortsetzung „Asta in den Sommerbergen“ haben der Verlag Berger und ich die Gewinnzone, den Break-even-Point, erreicht – warum ist das, finanzieller Erfolg, eigentlich wichtig? Weshalb muss jedes Projekt mehr Geld einbringen, als dafür ausgegeben wird, um als „erfolgreich“ zu gelten?
    Erfolg und (finanzieller) Reichtum feiern Hoch-Zeit in unseren Köpfen, in denen Ziele umher(schw)irren, die immer weniger Menschen erreichen können.

    In globalisierten Gesellschaften, in denen die Schere zwischen „Arm“ und „Reich“ weiter und weiter auseinanderklafft, geht sich der American Dream einfach für kaum jemanden aus. Er ging sich für die konsumierenden Massen seit der industriellen Revolution in Wirklichkeit nie aus, aber allein schon die Hoffnung, er könnte sich einst für dich und mich bis zur Pension oder zumindest für unsere Kinder oder Enkelkinder ausgehen, macht viele in „Krisenzeiten“ immer noch gefügig für Parolen wie:

    „Wir müssen den Gürtel enger schnallen!“

    „Jetzt gilt es zusammenzustehen. Jede/r muss seinen Beitrag leisten!“

    „Die Zeiten sind hart, aber die einschneidenden Sparmaßnahmen machen uns wieder fit für die Zukunft, ermöglichen neues Wirtschaftswachstum!“

    „Wachstum, Wachstum, Wachstum“, wie es ALDE-Spitzenkandidat Guy Verhofstadt bei der TV-Livedebatte der EU-KommissionspräsidentschaftskandidatInnen im April 2014 auf Euronews zu seinem wichtigsten Ziel für Europa erklärt hat, ist demnach also die universelle Lösung für alle Probleme weltweit.
    Selbst manch sozialdemokratische Partei heftet sich „Wachstum“ auf die Fahnen und schreibt es sich selbst ins Parteiprogramm.
    Das Wort hinterlässt zurzeit auch über Plakate und Facebook-Banner der SPD seine Spuren in unseren Gehirnwindungen. Langsam glaubt das kapitalistische Ammenmärchen ein jedes Kind.

    Doch gerade unsere Kinder sollten etwas anderes von uns als Gutenachtgeschichten erzählt bekommen:
    Mitgefühl, Solidarität, Verantwortungsbewusstsein und Vertrauen. 
    Vertrauen – ist die aktuelle Banken- und Wirtschaftskrise nicht in erster Linie eine globale Vertrauenskrise? Einander blind vertrauen … nichts Böses ahnen und das Gute im Gegenüber vermuten … wer ist bitte noch so naiv?

    Asta. Asta Maria Burat ist es, so die Antwort meiner Romantrilogie, deren Abschlussband „Asta im Jahreszeitenland“ im Herbst erscheinen wird.
    Asta wanderte 1995 in ihrem sechsten Lebensjahr mit ihren Eltern nach Russland aus, wo ihr Vater Wirtschaftskontakte zwischen großen Firmen in Ost und West knüpfen sollte.
    Als ihm die korrupten Machenschaften innerhalb der Konzerne unerträglich wurden, machte er sich mit einem Arbeitskollegen selbstständig, doch so richtig erfolgreich (im kapitalistischen Sinne) ist er nicht dabei. Daher bleibt der Traum, in die Hauptstadt Moskau zu ziehen, ein unerfüllter, sein unerfüllter, denn seine Frau hat sich längst in eine Depression geflüchtet und die Tochter – Asta – lebt in ihrer ganz eigenen Märchenwelt, auch noch 2003, als sie als 13-jährige in einem mysteriösen Wintersturm ohnmächtig wird.
    Das Erwachen – tatsächlich in einer anderen Welt, im Jahreszeitenland, genauer gesagt in der Datscha von Väterchen Frost, am Rande des Winterwaldes.

    „Asta im Winterwald“ – Teil 1 der Trilogie – erzählt die Abenteuer, die das Mädchen dort erlebt, aber auch das Drama seiner Eltern, denn wie verändert das Verschwinden des Kindes die Beziehung zwischen Mann und Frau? Und was hat diese Geschichte voller Motive aus der Mythenwelt Ost- und Westeuropas mit unserer Wirklichkeit zu tun?
    Eine erste Antwort gibt der zweite Teil der Trilogie, der im Herbst 2013 erschienen ist: „Asta in den Sommerbergen“ ist erwachsener, konkreter. Asta ist mittlerweile zur jungen Frau herangewachsen und widmet sich auch dem Zustand unserer Demokratie.
    Eine (Post-)Demokratie, die vielen in Zeiten von Überwachungsprogrammen wie PRISM und TTIP-Geheimverhandlungen als eine leere Worthülse, ein Potemkinsches Dorf erscheint.

    Die gesamte Asta-Trilogie ist nur auf den ersten Blick ein harmloses, faszinierendes Märchen für Erwachsene. Der Romandreiteiler verknüpft Fantasie mit Realität, uralte Legenden mit dem globalen Zerwürfnis hier und jetzt, dem wir insbesondere in modernen Informationsgesellschaften westlicher Prägung ausgesetzt sind. Dank Vormarsch technischer „Hilfsmittel“ wie Computer, Smartphones und Internet wächst der Kontaktverlust mit der Natur, auch mit unserer ureigen menschlichen.
    Unser Weltwirtschaftsfinanzsystem samt globaler Schuldenkrise ist Ausdruck des großen zwischenmenschlichen Mankos unserer Zeit. Es zeigt sich nicht nur durch Post-Demokratie sowie steigenden Kontroll- und Überwachungswahn. Dieses Manko ist auch das Thema, das sich quer durch unsere persönlichen Beziehungen zieht.

    Hier eine gekürzte Passage dazu aus „Asta in den Sommerbergen“:

    Ich liebe die Stille der Nacht, in die sich das stetige Rauschen der Zentralheizung einbettet. Die letzten E-Mails sind versendet, alle Agitationen für Marios gesellschaftspolitische Karriere abgeschlossen. Karriere – ein drolliges Wort mit null Inhalt.

    Klingt wie eine Mischung aus „Karikatur“ und „Habe die Ehre“. Er, also Mario, wird ohne mich gut zurechtkommen, wie auch schon vor unserem Kennenlernen, und ich muss endlich nicht mehr ins unfassbare Internet.

    Der Zeitdrache hat sich auch dort breitgemacht und verführt mich und all die anderen zu gern zum dortigen Verweilen, lenkt von den wirklich wichtigen Dingen ab. […]

    Schaust du nicht auch viel zu oft in den Bildschirm anstatt in die Augen eines Menschen, der dir etwas bedeutet? Bedeutungslos schweift unser Blick bedeutungsschwanger von einer Website zur nächsten. Wie gebannt sind wir und machen uns vor, dass wir das Internet nutzen … dabei nutzt das Internet, genauer gesagt der Zeitdrache, uns. [...]

    Der Zeitdrache ist ein Meister der Strategie, der subtilen Verführung. Ich muss für ihn unsichtbar werden, so wie meine Tochter.

    Ich gehe also offline, entferne die Zeitanzeige auf meinem Computer und nehme mich heraus aus seinem Kontrollsystem. Soziale Netzwerke im Internet, kostenlose E-Mail-Kontos, Fernsehen, Smartphones [...] – sie halten uns in Schach, lenken uns von unserer wahren Schönheit ab, schenken uns eine Illusion von Verbundenheit. [...]

    Möchte ich Teil einer Gesellschaft sein, die den Kontakt zu sich selbst und zum Rundum verloren hat? Eine Welt, in der Vertrauen zu einer leeren Floskel der PR-Maschinerie von Banken und der von ihnen abhängigen Parteien und Firmen geworden ist? Möchtest du das, der/die du diese Zeilen liest?

    Möchten Sie weiterlesen? Keine Antwort an dieser Stelle, denn ansonsten wird das hier doch noch das, was es nicht ist: ein Promo-Artikel,

    meint Mario R. Lackner.

    Mario R. Lackner, geb. im Dezember 1978 in Steyr, aufgewachsen im oberösterreichischen Zentralraum. Er lebt in Langau im Waldviertler Grenzland zu Südmähren und ist Mitgesellschafter des Kreativbetriebes Traumsieberei OG, Karrierecoach für BFI-Kursteilnehmende und Chefredakteur des politischen Online-Magazins GrenzlandDemokratie.

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    Mario R. Lackner Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624441 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624992 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624299 Sparen bei der Bildung Eines vorweg: Die Sparpläne bei der Bildung sind kein Ruhmesblatt für die Regierung. Und dass gerade eine Partei, die im Wahlkampf groß Bildung plakatierte, nun den Sparstift zückt, ist politisch schmerzhaft. Überraschend kam dies aber keineswegs. „Dass bei der Bildung gespart werden muss, rufen seit Jahren die Spatzen von den Dächern“, weiß Stefan Hopmann vom Institut für Bildungswissenschaft. Nun ist es so weit. Obwohl das Bildungsbudget heuer um 185 Millionen Euro höher ist als im Finanzrahmen 2013 vorgesehen, muss die Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) heuer 87 Millionen Euro und nächstes Jahr 90 Millionen Euro bei den Ermessensausgaben einsparen.

    Wo wird gespart?

    Beim Erarbeiten der Sparpläne war die Ministerin äußerst ungeschickt. Ursprünglich wollte sie durch größere Schülergruppen in einzelnen Fächern an den AHS-Oberstufen und Berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, durch weniger Zweitlehrer (Team-teaching) und mehr Kostenwahrheit bei der Abrechnung der Landeslehrer (LandeslehrerInnen-Controlling) sparen. Diese Pläne waren unausgegoren und wirkten eher zufällig ausgewählt als gut durchdacht. Nachdem es sich die Ministerin mit Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern, Eltern, Ländern und Gewerkschaft gleichermaßen zu verscherzen drohte, hat Heinisch-Hosek die Sparpläne am Karfreitag zurückgezogen. Kurz darauf hat die Bildungsministerin neue Pläne vorgestellt: 50 Millionen sollen aus dem Topf der Ganztagsschulen finanziert werden, und zwar durch  jene Mittel, die die Länder in den Jahren 2011 und 2012 nicht für den Ausbau der Ganztagsschulen beansprucht haben. Dieses Geld ist quasi übrig und tut den Länderchefs nicht weh. 2018 sollen diese 50 Millionen wieder in den Topf eingezahlt werden. „Wie vereinbart fließen bis zum Jahr 2018 400 Millionen Euro in den Ausbau der Ganztagsschule. Die Bundesregierung investiert keinen einzigen Cent weniger“, stellt die Ministerin klar. Weitere 18 Millionen Euro will Heinisch-Hosek in der Verwaltung einsparen – weniger Eigenwerbung, weniger Förderungen und weniger Mittel für einzelne Projekte. Auf drei Millionen Euro muss das Bundesinstitut für Bildungsforschung (bifie) verzichten und weitere sieben Millionen Euro sollen bei Schulbauten eingespart werden. Für die noch fehlenden Millionen, um auf das Sparziel von 87 Millionen Euro zu kommen, werden derzeit Vorschläge erarbeitet.

    Kritik an neuen Sparplänen

    „Durch die neuen Sparpläne konnte die Bildungsministerin gerade noch den Kopf aus der Schlinge ziehen. Von einer langfristigen Lösung sind diese Maßnahmen aber weit entfernt“, kommentiert Bildungsforscher Stefan Hopmann die Vorschläge des Bildungsministeriums. Auch Arbeiterkammer und ÖGB sind wenig zufrieden, dass nun die Hand auf den Topf der Ganztagsschulen gelegt wird. Besser wäre es gewesen, so AK-Chef Rudi Kaske, das übrig gebliebene Geld auf jene Bundesländer zu verteilen, die die Mittel für den Ausbau der Ganztagsschulen tatsächlich verwenden. Auch beim LandeslehrerInnen-Controlling und bei den Kleinstschulen hätte sinnvoll gespart werden können.

    Die neue Verordnung zum LandeslehrerInnen-Controlling hätte vorgesehen, dass die Länder künftig für LehrerInnen, die sie über den mit dem Bund vereinbarten Stellenplan hinaus anstellen, mehr Geld als bisher an das Bildungsministerium zurückzahlen müssen. Derzeit streckt der Bund die Gehälter für sogenannte „Überhang-LehrerInnen“ vor, wenn die Länder den mit dem Bund vereinbarten Stellenplan überziehen. Die Länder zahlen jedoch nicht die tatsächlichen Gehälter der LehrerInnen zurück, sondern nur jene der JunglehrerInnen – auch wenn älteres und teureres Personal eingestellt wird. Sich von dieser politischen Altlast zu lösen, hätte dem Bund jährlich 30 Millionen Euro von den Ländern eingebracht und mehr Kostenwahrheit bedeutet. Doch wie schon ihre Vorgängerin Claudia Schmied ist auch Heinisch-Hosek am Widerstand der Länderchefs gescheitert.

    „Initiative Erwachsenenbildung“

    Was es heißt, in der Verwaltung, bei Projekten und Förderungen zu sparen, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Es könnte aber durchaus bedeuten, dass auch Beihilfen wie Studienbeihilfe oder Schülerfreifahrten gekürzt werden oder in der Erwachsenenbildung gespart wird. Damit könnte auch die Finanzierung der „Initiative Erwachsenenbildung“ wackeln.

    Dieses Förderprogramm von Bund und Ländern wurde 2012 gestartet und ermöglicht das kostenlose Nachholen von Basisbildung und Hauptschulabschlüssen. Seither haben mehr als 12.000 Personen an kostenlosen Maßnahmen der Basisbildung teilgenommen, rund 4.000 Personen holen dank dieser Initiative den Pflichtschulabschluss nach. Ob die bis Ende 2014 befristete Initiative nun unbefristet verlängert wird, wie es Arbeiterkammer und ÖGB fordern, wird sich erst entscheiden.

    Laut Bildungsforscher Hopmann wären Einsparungen in diesem Bereich jedenfalls fatal: „Österreichs Bildungssystem hat auch viele Stärken, die keineswegs geschwächt werden dürfen. Bei den Absolventinnen und Absolventen der Sekundarausbildung liegt Österreich im Spitzenfeld. Auch die Erwachsenenbildung ist eine Stärke des österreichischen Bildungssystems. Das, was gut funktioniert, darf nicht gekürzt werden.“

    Strukturreformen notwendig

    Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gibt Österreich zwar nur 3,6 Prozent für Bildung aus und liegt somit unter dem OECD-Durchschnitt von knapp vier Prozent. „Betrachtet man jedoch die Kosten pro SchülerIn, sind wir laut UNESCO das drittteuerste System der Welt“, so der Bildungsforscher Hopmann. Wir leisten uns kleinere Klassen, Kleinschulen mit weniger als 15 SchülerInnen und verhältnismäßig hohe Gehälter für LehrerInnen. Das Geld komme aber bei den Schülerinnen und Schülern nicht an. Warum?

    „Österreich hat ein massives Strukturproblem“, so Hopmann. „Von den acht Milliarden Euro Bildungsbudget sind über 92 Prozent in Fixausgaben, vor allem Personalkosten und Schulerhaltung, gebunden. Und da Gehälter und Mieten jährlich steigen, ist der politische Spielraum für Sparmaßnahmen äußerst gering.“ Die Herausforderung liege nun darin, von diesen extrem hohen Fixkosten herunterzukommen. Andere Länder hätten dies mittels Strukturreformen bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren geschafft, wo Bildungsreformen noch relativ schmerzfrei möglich waren. Österreich ging es damals zu gut, um aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen. Das rächt sich jetzt.

    Laut Hopmann ist das Bildungssystem so nicht länger finanzierbar. Ein Großteil der LehrerInnen werde für Tätigkeiten eingesetzt, die nichts mit ihrer Kernkompetenz zu tun haben. Das sei weder sinnvoll noch finanzierbar. Dass auch im Bildungsbereich gespart werden muss, war also längst absehbar – unabhängig davon, wer gerade für das Bildungsministerium zuständig ist.

    Anfang Juni trifft Bildungsministerin Heinisch-Hosek die Bildungslandesräte sowie einige Landeshauptleute, um Themen wie Kostenwahrheit, Doppelgleisigkeiten und Möglichkeiten für eine effiziente Verwaltung gemeinsam zu diskutieren. Diese Gipfel, die nun regelmäßig stattfinden sollen, sind laut Hopmann ein guter Schritt, greifen aber viel zu kurz. Grundlegende Strukturreformen seien bisher nicht erkennbar. Anstatt mit einem Taschentuch einen Elefanten abdecken zu wollen, sei es nun höchste Zeit für strukturelle Reformen.

    Tacheles reden

    Hopmann plädiert dafür, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und Tacheles reden. Wie sind die Kompetenzen derzeit zwischen Schulen, Ländern und Bund verteilt und macht diese Aufteilung Sinn? Welchen Personalmix benötigen die Schulen? Wie viel Schulautonomie ist notwendig? Nur wenn die Beteiligten auch den Mut haben, sich den unangenehmen Fragen zu stellen und sich an den Elefanten der Fixkosten heranwagen, kann das Bildungsbudget langfristig und relativ schmerzfrei reformiert werden. Auch das pfeifen die Spatzen schon lange und laut von den Dächern.

    Institut für Bildungswissenschaft: bildungswissenschaft.univie.ac.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Redakteurin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624391 Auf drei Millionen Euro muss das Bundesinstitut für Bildungsforschung (bifie) verzichten und weitere sieben Millionen Euro sollen bei Schulbauten eingespart werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624291 Gesunde Lebenswelten Auch in Österreich hat die Wirtschaftskrise dazu geführt, dass schon länger anstehende Umstrukturierungen und mittel- bis langfristig wirksame Veränderungen in Angriff genommen wurden. Zuerst wurden die Krankenkassen saniert, laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vor allem durch Einsparungen auf dem Arzneimittelsektor (Generika-Preisregelung).

    Aktuell meldete der Hauptverband im April 186 Millionen Euro Überschuss, wovon theoretisch für die Gratis-Zahnspange 80 Millionen bald wieder abgezogen werden können. 2010 präsentierte der Hauptverband seinen „Masterplan Gesundheit“ mit zahlreichen konkreten Vorschlägen als Basis für Reformgespräche. Im Sommer 2012 wurden zehn Rahmen-Gesundheitsziele vom Ministerrat und der Bundesgesundheitskommission beschlossen – als „wesentliche Eckpunkte einer Neuorientierung der Gesundheitspolitik“. Vier dieser Ziele wurden mittelfristig priorisiert:

    1. Gesundheitsförderliche Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen durch Kooperation aller Politik- und Gesellschaftsbereiche schaffen – Health in all Policies.
    2. Für gesundheitliche Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und sozioökonomischen Gruppen, unabhängig von der Herkunft, für alle Altersgruppen sorgen.
    3. Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken.
    4. Gesundes Aufwachsen für alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich gestalten und unterstützen.

    15a-Vereinbarung für Gesundheit

    Im Juni 2013 hat die neu geschaffene Bundes-Zielsteuerungskommission den Vertragsparteien Bund, Länder und Sozialversicherung die Beschlussfassung des Bundes-Zielsteuerungsvertrages empfohlen, der sich an den Rahmen-Gesundheitszielen orientiert. Entsprechende Landes-Zielsteuerungsverträge sollen die Gesundheitsreform auch in den Bundesländern „auf Schiene bringen“. Gesamtziel ist, das Gesundheitssystem patienten- und wirkungsorientiert zu modernisieren durch:

    • Sicherung und Weiterentwicklung der Versorgungsqualität: flächendeckend, bundeseinheitlich, bundesländer-, sektoren- und berufsübergreifend.
    • Transparente und überprüfbare Versorgungsqualität: Zur Qualitätsprüfung von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten wurde 2004 von der Ärztekammer die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung & Qualitätsmanagement in der Medizin (ÖQMed) gegründet. Bis Ende 2008 wurden alle Arztordinationen überprüft (Ärztlicher Qualitätsbericht). KritikerInnen bemängeln, dass MedizinerInnen sich damit quasi selbst überprüft haben, da sie erstens den Test selbst ausgefüllt haben und zweitens von der eigenen Kammer getestet wurden. Immerhin wurden Praxen auch durch externe PrüferInnen besucht, 19 Ärztinnen und Ärzte wurden beim Disziplinaranwalt der Ärztekammer angezeigt. Qualitätsprüfungen sollen in Zukunft regelmäßig stattfinden.
    • Ausbau von Prävention und Gesundheitsförderung: Nach Schätzungen des deutschen Sachverständigenrates für das Gesundheitswesen könnte durch ver-stärkte Prävention rund ein Drittel der Gesundheitsausgaben eingespart werden (2001). Derzeit entfallen nur 1,9 Prozent der Ausgaben auf Vorbeugung (EU-27: 2,9 Prozent).
      Die Prävention in Form betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) soll in Zukunft ebenfalls verstärkt werden. Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien: „Der ökonomische Nutzen von BGF ist gut dokumentiert. Internationale Studien zeigen, dass die Investition eines Euros bis zu sechs Euro an betriebswirtschaftlichen Einsparungen bringt. Die Produktivität in den Betrieben steigt um 20 Prozent.“ Die organisatorische Zersplitterung auch im Präventionsbereich führe zu Mehrgleisigkeiten und nur langsamen Veränderungen. „Hier mangelt es an konkreten Vorstellungen über die zukünftige Organisation von Prävention und Gesundheitsförderung. Um breite Wirksamkeit erlangen zu können, müssten die Maßnahmen für alle Präventionsträger verpflichtend sein und finanziell abgesichert werden.“
    • Neues Konzept für die Primärversorgung: Einführung eines telefonischen und webbasierten Erstkontakt- und Beratungsservices für Gesundheitsfragen der Bevölkerung, das Patientinnen und Patienten bei Bedarf zum Best point of Service weitervermittelt. Hier gibt es bereits Pilotprojekte in Vorarlberg und Salzburg, in Wien bietet die Unabhängige Patientinnen- und Patienteninformationsstelle (UPI) einen vergleichbaren Service an. Die Spitalsambulanzen sollen entlastet, AllgemeinmedizinerInnen aufgewertet und vernetzt werden, u. a. um Ordinationszeiten abzustimmen; Aus- und Aufbau von Tageskliniken und Gruppenpraxen (Versorgungszentren), Stärkung von Betreuungsprogrammen für chronisch Kranke. Der AK-Experte ergänzt: „Außerdem könnte die medizinische Hauskrankenpflege verstärkt zur Anwendung kommen, die derzeit deshalb kaum von der Krankenversicherung genehmigt wird, weil die Anstaltspflege diese nach derzeitiger Rechtslage nichts kostet.“ Denn die Krankenkassen zahlen einen fixen Pauschalbeitrag für die Spitäler, die vorwiegend von den Ländern finanziert werden. „Wenn durch die Reform die Spitalsambulanzen tatsächlich entlastet werden, muss man diesen Pauschalbetrag dann entsprechend reduzieren“, so Ivansits.

    Reichlich Reformbedarf

    Derzeit läuft vieles allerdings noch unkoordiniert, doppel- oder mehrgleisig und zu oft ohne Erfolgskontrolle. Bei speziellen Aktionen und Präventionsprogrammen beispielsweise gibt es zwischen den verschiedenen Kassen und Bundesländern häufig keine Vernetzung. Aber auch die Investitionen für das Erarbeiten von Leitlinien (für optimales Vorgehen bei Diagnose und Therapie bei bestimmten Erkrankungen) verpuffen teilweise, wenn die Leitlinien nicht auch tatsächlich Eingang in den medizinischen Alltag finden. Thomas Czypionka, Leiter des Forschungsbereichs Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik (HealthEcon) am IHS, wünscht sich mehr Forschung in Richtung Public Health, Gesundheitsökonomie und Evaluierung: „Wir produzieren das Wissen: Wie behandeln wir eine Krankheit? Wir produzieren nicht das Wissen: Wie setzen wir die Mittel im Gesundheitswesen besser ein?“ Die Universitäten seien zu sehr vom Lehrbetrieb in Anspruch genommen. Forschungsergebnisse (= wissenschaftliche Reputation) werden in internationalen Journals veröffentlicht, die sich kaum für Fallstudien aus Österreich interessieren. Auch die Sozialwissenschaft könnte sich intensiver damit beschäftigen, wie man erreichen kann, dass Menschen ihr Verhalten ändern und gesundheitsbewusster leben.1

    Als unabhängige Instanz zur wissenschaftlichen Entscheidungsunterstützung im Gesundheitswesen bietet das Ludwig Boltzmann Institut Health Technology Assessment (LBI-HTA) seit 2006 die wissenschaftliche Basis für Entscheidungen im Sinne eines effizienten und angemessenen Ressourceneinsatzes. 2008 etwa ergab eine Studie, dass die in den Leitlinien für Rückenschmerzen empfohlene ausführliche Untersuchung inklusive Muskeltests den Ärztinnen und Ärzten finanzielle Einbußen gegenüber der meist nicht sinnvollen Röntgenuntersuchung bringt. Das Institut hat auch berechnet, dass durch Klinikverbünde und korrekte, EU-weite Ausschreibungen etwa bei Implantaten zehn bis 15 Prozent eingespart werden können. Für Ressortleiterin Ingrid Zechmeister-Koss ist Forschung unerlässlich, auch um aufzuzeigen, wie viel Gesundheit anderswo verloren geht, wenn neue, teure Leistungen finanziert werden, deren Vorteil gegenüber bisher eingesetzten Methoden oder Medikamenten eher gering ist. „Entscheidungsträger argumentieren, dass in Österreich die Kosteneffektivität kein Entscheidungskriterium sei, da unser Gesundheitssystem anders funktioniere als anderswo. Aber die Ressourcen sind hier wie dort begrenzt.“ Man könne schließlich jeden Euro nur einmal ausgeben.2

    1 In: Medical Tribune Nr. 49, 4. Dez. 2013.
    2 HTA-Newsletter April 2014, Nr. 126.

    Liste der zertifizierten Praxen: www.oeqm.at/index.php

    Ärztlicher Qualitätsbericht 2012: tinyurl.com/nyvoprv

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624423 Wir bauen um ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624431 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624280 Immer und überall Werbung gehört heute zu unserem Alltag. Werbung gibt es überall: in U-Bahn-Stationen, Flughäfen, im Postkasten, Radio, Fernsehen und auch im Kino. Einige Werbemaßnahmen sprechen die Menschen an, andere wiederum nicht.

    Werbung bestimmt unseren Alltag

    Werbung wird vor allem im Fernsehen auch sehr oft als störend empfunden. Besonders dann, wenn die ZuschauerInnen einen spannenden Film oder eine interessante Diskussion verfolgen und sich durch die ständigen Werbeeinschaltungen genervt fühlen. Das bestätigt auch eine Online-Befragung des deutschen Marktforschungsinstituts MediaAnalyzer. 47 Prozent der Befragten gaben an, dass die Werbeblöcke zu lang und ungewollt sind. Anders betrachtet gibt Werbung dem Publikum jedoch auch die Möglichkeit, kurz ins Badezimmer zu verschwinden oder Popcorn in der Mikrowelle zuzubereiten, ohne dabei etwas Spannendes zu verpassen. Dieses einfache Beispiel zeigt, dass Werbung den Alltag der Menschen prägt. Ob positiv oder negativ, darüber lässt sich streiten. Auf jeden Fall soll jede Werbemaßnahme den gleichen Zweck erfüllen, nämlich die Meinung über ein bestimmtes Produkt zu beeinflussen und den Wunsch nach diesem Produkt zu steigern. In einer Broschüre für Autos zum Beispiel befinden sich ausführliche Beschreibungen über den Aufbau und viele Bilder vom Inneren und Äußeren der Fahrzeuge. Auf der Verpackung eines Fertiggerichts sind immer öfter neue Rezeptideen abgebildet, die mit diesem kombinierbar sind. All diese Informationen könnten als positiv bewertet werden, da sie dem Konsumenten/der Konsumentin auf einen Blick neue Fakten und Bilder liefern, wäre die unbewusste Beeinflussung für kommerzielle Zwecke nicht gegeben – teils durch emotionale, teils durch informelle Botschaften. Vielleicht erscheint jemandem der Kaufpreis des Fahrzeugs gar nicht mehr so hoch, wenn er alle Daten und Leistungen kennt, und er kommt eher in Versuchung, sich seinen Wunsch nach einem Neuwagen zu erfüllen. Vielleicht testet ein anderer das neue, schnelle Rezept an einem Abend aus – die Zutaten sind ja nicht so teuer. Die Tabakwerbung geht sogar einen Schritt weiter: In der Werbung wird oft ein Gefühl der Gelassenheit, der Entspanntheit und der Ruhe vermittelt – für viele RaucherInnen ist das Grund genug, nicht auf Zigaretten zu verzichten. Den kommerziellen Zweck erfüllt die Werbung, aber sie vermittelt dem/der ZuschauerIn auch eine falsche Realität. Es scheint so, als ob eine Zigarette zum Wohlbefinden beiträgt, in Wirklichkeit schadet sie aber der Gesundheit.

    Freude vs. Leid

    „Mama, in der Werbung zeigten sie, dass Telering jetzt ein günstiges Angebot für das Samsung Galaxy S5 hat – nur 15 Euro im Monat. Können wir nicht dieses Mal im Shop vorbeischauen und uns informieren?“, fragte auch die zehnjährige Merisa, nachdem sie die neue Werbung mit dem Inder und dem Bären im TV gesehen hatte. Den „Inder“ kannte Merisa noch aus früheren Werbungen, jedoch hatte dieser an Wirkung verloren. Die neue Idee hat wieder ihr Interesse an einem modernen Smartphone geweckt und an die alten Produkte erinnert. Werbung wird, um nicht in Vergessenheit zu geraten, immer wieder neu erfunden, hat eine eigene Sprache und regt, indem sie den Konsumenten/die Konsumentin auf eine Art und Weise anspricht, dass dieser/diese das oft nicht direkt wahrnimmt, zum Kauf an. Ähnlich verhält es sich mit der Werbekampagne „Geiz ist geil“ der Elektronikhandelskette Saturn. Jahrelang wurde diese in allen Kommunikationsmedien in Österreich, Deutschland und der Schweiz rauf und runter gespielt. Mittlerweile kennen alle – vom Kleinkind bis zum Pensionisten/zur Pensionistin – den Spruch und die dazugehörige Musik. Besonders in Zeiten der Krise und relativ hoher Arbeitslosigkeit und wenn den Menschen nicht viel Netto vom Brutto bleibt, finden viele großen Gefallen an dem Werbeslogan. Die Folge: Das Konsumverhalten verändert sich. So treten Merkmale wie Qualität, Langlebigkeit oder Produktionsbedingungen in den Herstellungsländern in den Hintergrund und nur noch der Preis eines Produkts ist ausschlaggebend für die Kaufentscheidung. Diese und ähnliche Tricks der Werbebranche sind sehr schlau und verleiten Konsumentinnen und Konsumenten zum Kauf, aber warum lassen sich Menschen darauf ein? Vieles spielt sich unbewusst ab, im Fernsehen wird immer wieder das neue Notebook mit all seinen Extrafunktionen gezeigt. Noch dazu ist es etwas billiger als ein anderes, das man letztens im Vorbeigehen gesehen hat, und schon wird überlegt und gerechnet, ob das leistbar ist.

    Kaufen, weil es billig ist

    Fährt man mit dem Auto durch Wiens Straßen, lächeln einem Tausende sympathische Frauen in schönen Sommerkleidern, Bikinis und Jacken von riesigen H&M-Werbeplakaten zu. Wird dann auch noch eines dieser Kleidungsstücke von einer Freundin getragen, dann kann es gar nicht so teuer sein. Am nächsten freien Tag stattet man dem Shop einen Besuch ab und findet zusätzlich viele andere billige Kleidungsstücke im Angebot, die gekauft und nur einmal getragen werden. Danach verliert sich ihre Spur in den Tiefen des Kleiderschranks. Es scheint, als würden heutzutage viele Menschen eher nach dem Motto „Es ist billig“ als „Ich brauche es“ einkaufen gehen. Der Versuchung, sich etwas Neues zu kaufen, das auch noch ermäßigt ist, können viele nicht widerstehen. Oft aus einem einfachen Grund: Sie wollen dazugehören und im „Trend“ sein. Dieser Hype um Billigwaren spielt der Werbebranche in die Hände und diese lässt sich immer wieder aufs Neue etwas einfallen, um die Menschen in Kauflaune zu versetzen. Die Ausgaben für Billigprodukte dürfen nicht unterschätzt werden. Je mehr Produkte gekauft werden, desto mehr spürt es das Bankkonto – und ehe man sichs versieht, fällt der Sommerurlaub ins Wasser oder der Besuch des Fitnesscenters muss gestrichen werden. Die permanente Werbung für billigere Produkte muss von den Konsumentinnen und Konsumenten kritisch betrachtet werden – vor allem dann, wenn diese dazu führt, dass regelmäßig Sachen erworben werden, die im Endeffekt nicht gebraucht werden. Das bringt auf Dauer nicht nur Nachteile für die KäuferInnen. Aufgrund des permanenten Angebots an Billigwaren kommt es auch zum verstärkten Preiswettbewerb, zu aggressiver Marktpolitik, Dumpingpreisen und unfairem Wettbewerb. Was anfangs zu großer Freude bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern führt, sorgt für Kummer bei Kleinbetrieben. Solche Billigangebote sind nur durch industrielle Massenproduktionen möglich, die auf Kosten vieler kleiner HändlerInnen und Werkstätten, die ein geringeres Werbebudget haben, gehen. Sie können mit dem Konkurrenzdruck nicht mithalten und müssen zusperren.

    Mit Emotionen verbunden

    Heutzutage werden klassische Medien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen immer häufiger von den neuen – sogenannten sozialen – Medien wie Facebook oder Twitter abgelöst. Nichtsdestotrotz hat die TV-Werbung immer noch den vergleichsweise höchsten Werbeanteil, weil fast jeder Haushalt mindestens einen Fernseher besitzt und auf diese Weise besonders viele Personen erreicht werden können – vor allem auch Kinder. ForscherInnen gehen davon aus, dass 70 Prozent der (Kauf-)Entscheidungen nicht rational, sondern auf Emotionen beruhend getroffen werden. Neben der emotionalen Ansprache in der Werbung spielt auch die frühkindliche Prägung eine bedeutende Rolle: Was wir als Kinder mochten, mögen wir auch als Erwachsene. Bei einem wissenschaftlichen Blindtest zu Coca-Cola und Pepsi ermittelten die ForscherInnen, dass eine positive Erinnerung für das bessere Abschneiden von Coca-Cola ausschlaggebend war. Auch wenn einiges gegen Werbung spricht, sie wird die Menschen trotzdem ein Leben lang begleiten und hat auch ihre Vorteile. Im Alltag ist sie ein Hilfsmittel geworden, das Konsumentinnen und Konsumenten informiert und aufzeigt, was es alles auf dem Markt gibt. Sie bietet so dem/der VerbraucherIn mehr Vergleichsmöglichkeiten. Und was nicht vergessen werden sollte: Mit dem Boom der Werbebranche wurden zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

    Mehr Infos unter: www.konsument.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Amela Muratovic, Mitarbeiterin in der Kommunikation des ÖGB Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624451 Werbung gehört heute zu unserem Alltag ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624459 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624272 Nachhaltig sparen Nachhaltiger Konsum und Lebensstil schonen nicht nur unsere Umwelt, sondern unterstützen auch die Menschen, die unsere Nahrungsmittel und Güter produzieren – und sparen Geld. „Es stimmt zwar, dass Bio- oder Fair-Trade-Produkte oft mehr kosten“, sagt Dr. Ludger Heidbrink, Professor für Corporate Citizenship und Responsibility (Engagement und Verantwortung von Unternehmen) an der Universität Witten/Herdecke. Er ist Herausgeber des Buches „Die Verantwortung des Konsumenten“: „Durch bewussten Konsum lässt sich jedoch wiederum Geld einsparen – etwa indem ich mir immer wieder die Frage stelle: Brauche ich das wirklich?“

    Ausbeutung von Arbeitskräften

    Billigprodukte wie Kleidung oder Handyangebote verleiten nur allzu oft dazu, Dinge zu kaufen, die wir gar nicht brauchen. Übersehen wird dabei, dass Produkte meist nur deshalb so günstig sein können, weil in der Produktion Menschen ausgebeutet werden, die unter teils unvorstellbaren Bedingungen unsere Waren herstellen. Ein Beispiel ist die Textilindustrie, wo etwa im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu Tausende junge Mädchen in zwangsarbeitsähnlichen Verhältnissen für unsere Kleidung schuften.

    Oft reicht schon ein Blick in den Kleiderschrank, um zu erkennen, dass dort mehr hängt, als wir jemals tragen können. Wenn wir uns dann überlegen, was wirklich zu uns passt, ist der Schritt zum eigenen Modestil nicht mehr weit. Dazu braucht es keine Mode von der Stange, sondern Teile aus dem Secondhandladen geben unserem Look das gewisse Etwas. Bei Tauschbörsen oder Kleidertauschpartys können Einzelstücke sogar kostenlos erstanden werden – der Vorteil daran: Kleider, die nicht mehr gebraucht werden, finden eine neue Besitzerin bzw. einen neuen Besitzer. „Indem ich den Kauf von neuer Kleidung verweigere und stattdessen tausche, protestiere ich auf meine Weise gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen“, erklärt Christina Schröder, Pressesprecherin der Entwicklungsorganisation Südwind und begeisterte Organisatorin von Kleidertauschpartys. Auch in anderen Branchen wie der Handy- und Computerindustrie oder in der Spielzeugproduktion steht Ausbeutung auf der Tagesordnung.

    Tauschen und teilen liegen im Trend: Sharing Economy, Ko-Konsum oder Collaborative Consumption – all diese Bezeichnungen stehen für dieselbe Idee, Dinge gemeinsam zu nutzen statt zu besitzen. Das britische Wirtschafts- und Politikmagazin „The Economist“ bezeichnete 2011 die „Sharing Economy“ als einen der zehn wichtigsten globalen Gesellschafts- und Wirtschaftstrends für das kommende Jahrzehnt. Dank Internet sind dem Tauschen und Teilen kaum noch Grenzen gesetzt: Bücher wechseln bei Bookcrossing ihren Besitzer, Wohnungen beim Couchsurfing, Autos in Form von Carsharing – Sharing-Modelle erleben zurzeit einen Boom sondergleichen. Immer mehr Online-Tauschbörsen bieten Produkte wie Haushaltsgeräte, Lifestyle-Artikel oder Kleider zum Verleih oder Tausch an. Der Gedanke dahinter: Um ein Loch in die Wand zu bohren, brauche ich einen Bohrer – aber muss ich deshalb gleich einen neuen kaufen? Dieselbe Idee hatten auch schon die Baumärkte Baumax, Lagerhaus oder Hornbach: Sie bieten Werkzeuge wie Bohrmaschinen, Fliesenschneider oder große Gartengeräte im hauseigenen Geräteverleih an.

    Selbst wenn es nicht immer möglich ist, dringend benötigte Produkte durch tauschen oder teilen zu erwerben, muss nicht alles neu gekauft werden: Zahlreiche Online-Anbieter wie eBay, willhaben oder flohmarkt.at bieten Waren an, die meist wenig benützt oder sogar neuwertig sind. Auf Flohmärkten und in Secondhandläden kann man Kleidung, Geschirr oder Gebrauchsgegenstände zu Spottpreisen finden. Und wohltätige Organisationen wie die Caritas verkaufen gesammelte Secondhandware für einen guten Zweck. In einigen österreichischen Städten gibt es auch sogenannte Kostnix-Läden: Hier können funktionstüchtige Dinge, die nicht mehr benötigt werden, abgegeben und im Gegenzug Waren mitgenommen werden.

    Reparieren statt neu kaufen

    Sepp Eisenriegler, Geschäftsführer des Reparatur- und Servicezentrums (R.U.S.Z.), geht einen anderen Weg: „Länger nutzen statt öfter kaufen“ lautet das Mission-Statement des R.U.S.Z, Ressourcenschonung und -effizienz ist das übergeordnete Ziel.

    Eisenriegler hat ein Waschmaschinen-Leasing entwickelt. „Wir werden ab August eine Waschmaschine mit dem neu entwickelten Gütezeichen für langlebige, reparaturfreundliche E-Geräte (ONR 192102) zum Leasing anbieten“, erklärt Eisenriegler. „Bei Zustellung sind 200 Euro zu bezahlen, danach 20 Euro pro Monat. Sollte eine Störung auftreten, sind wir verpflichtet, diese innerhalb von drei Werktagen zu beheben oder das Gerät gegen ein gleichwertiges zu tauschen.“ Im Lager des R.U.S.Z. finden sich rund 20.000 gebrauchte Ersatzteile für Haushaltsgeräte, die oft nicht mehr erhältlich sind. Repariert werden hier Fernseher, Computer, Waschmaschinen oder Geschirrspüler. Seit einiger Zeit bietet das R.U.S.Z. auch ein Reparatur-Café an, wo Interessierte unter fachlicher Anleitung und in gemütlicher Atmosphäre Tipps für die Selbstreparatur bekommen (schraube14 – RepCafé).

    Betriebe, die Reparaturen anbieten, finden sich im Reparaturführer für Wien bzw. Österreich; vor allem SchusterInnen oder SchneiderInnen sind im Reparaturführer jedoch nicht immer vertreten. Die schädlichen Auswirkungen des Autofahrens wie CO2-Ausstoß, Feinstaub- und Ozonbelastung sind hinlänglich bekannt. Trotzdem halten viele Menschen an ihrem Auto fest. Zu den beliebtesten Argumenten gehören die Kosten: Viele AutobenutzerInnen sind der Meinung, dass öffentliche Verkehrsmittel zu teuer seien. Werden jedoch alle Kosten für ein Auto zusammengerechnet, wie Anschaffung, Benzin, Öl, Parkplätze, Reparaturen, Steuern, Versicherung und Wartung, sieht es schon anders aus: Bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern kommt man auf Gesamtkosten zwischen 6.000 und 9.000 Euro pro Jahr. So gesehen sind öffentliche Verkehrsmittel geradezu günstig: Eine Jahreskarte bei den Wiener Linien kostet 365 Euro pro Jahr, die ÖBB bieten zahlreiche Vergünstigungen für BahnfahrerInnen wie die Vorteilscard an: Diese kostet 99,90 Euro pro Jahr und bringt 50 Prozent Ermäßigung auf den Fahrpreis. Und auch Fliegen hat seinen Preis: Wenn man die versteckten Kosten für Gepäckmitnahme, Sitzplatzreservierung, Abfertigungs- oder Buchungsgebühren hinzurechnet, sind die Billigflieger gar nicht mehr so günstig. Bei Kurzstreckenflügen fällt zudem das Argument des Zeitsparens weg: Die Zugfahrt von Wien nach München dauert knappe vier Stunden, Tickets gibt es bei den ÖBB ab 29 Euro. Die reine Flugzeit von Wien nach München beträgt zwar nur 50 Minuten, dazu kommt aber die Zeit am Flughafen und der Flughafentransfer – 3,5 Stunden sind auch hier das Minimum. Tickets kosten je nach Angebot zwischen 50 und 100 Euro (One-Way). Apropos Bahnfahren: Beim „Mitbahnen“ können Mitreisende für Bahnfahrten gesucht werden, um die Tarife von Gruppentickets zu teilen.

    Bei Windeln sparen

    Eine weniger bekannte Tatsache ist, dass herkömmliche Windeln das Geldbörserl junger Eltern oft belasten. Österreichs Babys verbrauchen pro Tag eine Million Wegwerfwindeln, ein Baby benötigt pro Tag fünf bis sieben Windeln. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren gerechnet, bedeutet das 1.000 Kilo, also eine Tonne Müll pro Baby. Bei der Verwendung von Wegwerfwindeln fallen zudem über die Jahre bis zu 1.500 Euro an.
    Wiederverwendbare Windeln kommen langfristig gesehen günstiger: Bei waschbaren Mehrwegwindeln kostet zwar die Grundausstattung etwas mehr (rund 250 Euro), für Energie, Wasser und Waschmittel fallen jedoch nur 300 bis 400 Euro an, was Gesamtkosten in der Höhe von maximal 650 Euro ausmacht. Dazu kommen Förderungen, die in den Bundesländern zwischen 50 und 100 Euro betragen.

    Kleidertauschbörsen:
    www.kleiderkreisel.at
    www.topswap.at

    Schreiben Sie Ihre Meinungan die Autorin susannewolf@gmx.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Susanne Wolf, Journalistin und Autorin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624484 Bei Tauschbörsen oder Kleidertauschpartys können Einzelstücke sogar kostenlos erstanden werden ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624489 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998624261 Sparen für Urlaub und Gesellschaft Sie heißen „Gut sa ma“, „Gemütlichkeit“ oder „Tischgesellschaft einig und fröhlich“. Oder sie nennen sich nach dem Lokal, in dem sie sich treffen. Eindeutigere Rückschlüsse auf ihren Zweck lassen Namen wie „Zum letzten Groschen“, „Sparstriezl“ oder „Zum knausrigen Sparer“ zu. Sehr beliebt sind Namen von als fleißig geltenden Tieren wie Biene oder Ameise in verschiedensten Varianten. Ebenfalls populär sind Namen rund um Weihnachten, wo viele Sparvereine die Erträge auszahlen, andere wiederum tragen in ihrem Namen einen anderen beliebten Zweck, für den neben Geschenken traditionell gespart wurde, nämlich den Urlaub.

    Sparen in der Albertgasse

    Auch heute noch gibt es eine Reihe von Sparvereinen, zum Beispiel in Sektionen des Österreichischen Pensionistenverbands. Einer davon ist in der Wiener Josefstadt beheimatet. Er befindet sich im Kellerlokal der SPÖ-Bezirksorganisation in der Albertgasse, jeden Dienstag können SparerInnen von 15 bis 16 Uhr ihr Erspartes dorthin bringen.

    Der Vorsitzende Miroslav Robotka, Kassier Franz Holitzer sowie Schriftführerin Anneliese Reichel sitzen am Eck einer u-förmigen Tischreihe, es gibt Kaffee und Biskuitroulade. Das Gespräch führt vor allem Kassier Holitzer. Er arbeitete bis 2013 als Buchbinder und band unter anderem den jährlichen Sammelband der Arbeit&Wirtschaft. Früher sei der Sparverein größer gewesen, weil auch der Pensionistenverband größer war, meint er. Die Geselligkeit sei bis heute wichtig: „Wir sind eine Familie, nur früher war das eine Großfamilie.“ Von der kleinen Familie kommen nur noch hin und wieder Leute vorbei, um etwas einzuzahlen. Der Vorsitzende Robotka denkt zurück an die Blüte des Sparvereins: „Bis der Euro eingeführt wurde, also 2002, habe ich ein siebenstelliges Konto gehabt. Da hatte ich manchmal 100 bis 200 Schilling in der Woche, manchmal aber auch 5.000 bis 6.000 Schilling.“

    Sparen zur Selbsthilfe

    Dass Sparvereine eng mit der Sozialdemokratie und Gewerkschaften verbunden sind, mag in Zeiten von Sparpaketen und behaupteten Sparzwängen seltsam erscheinen. Von der Geschichte her ergibt es durchaus Sinn.
    Als Vorläufer der Sparvereine gelten die mittelalterlichen Gilden und Zünfte, in denen man für Krisensituationen vorzusorgen begann. Erst mit der industriellen Revolution wurde dieser Gedanke auch von Arbeitern aufgegriffen. Große Bedeutung hatte dabei das 1867 beschlossene Vereinsgesetz, mit dem die Organisation der Arbeiter möglich war. Zunächst wurden arme Mitglieder von manchen Vereinen aus den Mitteln der eigenen Kasse unterstützt, später gründete man eigene Sparvereine.

    Die Selbsthilfe blieb lange Zeit das Ziel der SparerInnen. Anlässlich des 20. Geburtstags des Verbands Österreichischer Sparer (VÖS), der auch heute noch unter dem Dach der Bawag organisiert ist, erschien eine Jubiläumsschrift.
    Darin hält der damalige Präsident des Österreichischen Arbeiterkammertags, Adolf Czettel, fest, dass bei allem Mangel in der Ersten Republik für Arbeiter das Sparen „eine Notwendigkeit“ gewesen sei, „solange eine allgemeine Altersversorgung nicht existierte“. Denn selbst wenn Ende des 19. Jahrhunderts auch in Österreich die Unfall- und Krankenversicherung für Arbeiter eingeführt wurde: Die Arbeitslosenversicherung wurde erst 1920 beschlossen, die Pensionsversicherung erst in der Zweiten Republik eingeführt. Neben diesem individuellen Sparmotiv wird in der Zeitung des VÖS immer wieder die wirtschaftspolitische Bedeutung des Sparens betont.
    So schreibt der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky in der Jubiläumsausgabe: „Sparen ist Voraussetzung für die Finanzierung von Investitionen, die zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und damit auch zur Sicherung der Arbeitsplätze wichtig sind.“ Ähnlich argumentieren der damalige ÖGB-Präsident Anton Benya und Adolf Czettel in unterschiedlichen Beiträgen über die Jahre hinweg.

    Urlaub und Weihnachtsgeschenke

    Seit 1945 haben sich die Motive der SparerInnen stark verändert. Blättert man die Zeitschrift des VÖS seit der Gründung im Jahr 1966 durch, fällt auf: Es gibt unzählige Inserate für Urlaubsreisen. Eines davon wirbt mit dem Spruch „Jeder kann sich seine Traumreise leisten“, auf dem dabei stehenden Schwarz-Weiß-Bild sind ein Flugzeug und ein Kreuzschiff abgebildet.
    Das Sparen für Weihnachtsgeschenke und den Urlaub hat in dieser Zeit an Bedeutung gewonnen. Immerhin erkämpften Gewerkschaft und Sozialdemokratie Urlaubstag um Urlaubstag, erreichten sukzessive Arbeitszeitverkürzungen, die Einführung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds sowie Lohnsteigerungen. Somit gewann die Freizeit an Bedeutung, die Konsumgesellschaft schwang sich zu ihren ersten Höhen auf.
    Vor diesem Hintergrund erlebten auch die Sparvereine einen Aufschwung, allein in den ersten 20 Jahren des Bestehens des VÖS stieg ihre Anzahl von 177 auf 4.323 an, die Zahl der SparerInnen von 23.000 auf 306.000.

    Betrieb, Vereine, Gasthäuser

    In einer Diplomarbeit aus dem Jahr 1984 schreibt Autor Martin Huttarsch: „Die Bawag engagierte sich sehr im Bereich der Betriebssparvereine, wobei sie sich die Eigenschaft, die Bank des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) zu sein, zunutze machte. Sie konnte sich in Großunternehmen, wie der VÖEST Alpine AG, Chemiefaser Lenzing AG, Steyr Daimler Puch AG, Konsum Österreich und Gösser Brauerei, als Geschäftsbank der Betriebssparvereine etablieren.“
    Wie viele Sparvereine es heute in ganz Österreich gibt, dazu gibt es keine Daten, dem VÖS gehören aktuell 2.000 Sparvereine an. Christian Bammer ist in der Bawag für sie zuständig, er schätzt, dass rund 60 Prozent der VÖS-Vereine in Betrieben angesiedelt sind, 20 Prozent in Pensionistenvereinen und weitere 20 Prozent in Gasthäusern.

    Bessere Zinsen (?)

    Gemeinsam bessere Zinsen als allein: Das machte Sparvereine natürlich attraktiv. Die niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren, aber wohl auch das nachlassende Interesse ließ so manchen Sparverein zusperren. Weitere Hürden sind gesetzliche Regulierungen, denn neuerdings müssen sich die SparerInnen der Bank gegenüber ausweisen. Zwar kann die Administration der Verein übernehmen, doch für den ist das oft zu viel. Zugleich akzeptieren dies so manche SparerInnen nicht, wie Holitzer bestätigt: „Das ist mühsam.“

    Zum Thema Zinsen gesteht Bawag-Mitarbeiter Bammer zwar ein, dass die Erträge heute nicht mehr so hoch sind wie früher. Im Vergleich zum individuellen Sparen seien diese aber immer noch besser. Im Sparverein in der Josefstadt ist man dennoch enttäuscht über die geringen Zinsen: „Vor vier Jahren, wie ich angefangen habe, waren es vier Prozent“, meint Holitzer.
    Inzwischen sind die Zinsen auf 0,45 Prozent gesunken. Dennoch findet der Kassier, dass es im Vergleich zum individuellen Sparbuch immer noch gute Konditionen sind, zudem sei das Sparbuch täglich fällig. Ähnlich wie im Pensionistenverband wird auch in den Betrieben das Geld eingesammelt. Anders wiederum funktionierte es in Gasthäusern, dort gab bzw. gibt es zum Teil bis heute sogenannte Sparkästen. Diese sehen aus wie Briefkästen, nur haben sie kleinere Schlitze. Es sind schmucke Stücke, von denen man auch im Internet einige Beispiele findet.

    Doch sind Sparvereine heute überhaupt noch zeitgemäß? Bawag-Mitarbeiter Bammer räumt ein, dass es immer schwieriger werde, Menschen zu finden, die sich in Vereinen engagieren – eine Schwierigkeit, mit der Vereine heutzutage im Allgemeinen zu kämpfen haben. Deshalb versuche man mit der Zeit zu gehen: Die Bawag arbeite an einer App, die auch junge SparerInnen auf den Geschmack des Vereinssparens bringen soll, so der Bawag-Vertreter. Dass Sparvereine auch heute noch sinnvoll sind, davon ist Kassier Holitzer aus Wien-Josefstadt überzeugt. „Ein bisserl einen Notgroschen braucht jeder“, meint er, „zehn Euro in der Woche tun niemandem weh – und daheim spart das keiner.“

    Verband Österreichischer Sparer: tinyurl.com/llom9v2

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    Sonja Fercher, Journalistin und Moderatorin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998624370 In Gasthäusern gibt es zum Teil bis heute sogenannte Sparkästen. Diese sehen aus wie Briefkästen, nur haben sie kleinere Schlitze. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623759 Der Ruf nach der Fesselung der Politik … Der Beitritt zum europäischen Fiskalpakt gehörte zu den meistdiskutierten Themen der Gewerkschaftsbewegung in den letzten Jahren.1 Kein Wunder: Die Proponentinnen und Proponenten dieser „Schuldenbremse“ im Rahmen der EU waren schließlich bisher nicht unbedingt als die größten Fans der Gewerkschaften bekannt.2

    USA: Staatsgrundsatz Schuldenverbot

    Was für Europa als Debatte eher ein Novum darstellte, ist in den USA schon seit langer Zeit als ideeller Wert verankert. Dort galt ein Schuldenverbot zunächst sogar als eine Art Staatsgrundsatz. Bis 1917 musste jede einzelne Anleihe vom Kongress genehmigt werden. Seit dem Ersten Weltkrieg wurde diese mühsame Praxis durch eine automatische (allerdings jährlich anpassbare) Schuldenobergrenze ersetzt. Fast ebenso lange können wir mitverfolgen, wie diese Regelung immer wieder zum Gegenstand von tagespolitischen Scharmützeln wird, während das Land am Rand der Zahlungsunfähigkeit schrammt. Marktradikale Kräfte – wie die AnhängerInnen der Tea-Party-Bewegung – sehen auf diesem Feld einen Startvorteil für sich. Schließlich betrachtet die US-Bevölkerung laut Umfragen das Thema „Defizit und Verschuldung“ als durchaus zentrales Problem.3 Wer Schulden macht, gilt umgekehrt schnell als unpopulär. Das wissen gerade auch jene, die in Europa die Idee der Schuldenbremse als Kampagnenthema für sich entdeckten.

    Mit dem Sparschwein

    Im „Vertrag für Österreich“ forderte die Haider-FPÖ bereits 1995 eine Verfassungsbestimmung, welche die Staatsverschuldung auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festschreiben sollte. In der Schweiz lancierte 2001 ein breites Bündnis aus konservativen, liberalen und weit rechts stehenden Kräften die Forderung nach einer Schuldenbremse. Ein darauf folgendes Referendum bestätigte mit 85 Prozent Zustimmung eine entsprechende Klausel in der Verfassung. Die rechtspopulistische SVP forderte zudem immer wieder deren weitere Verschärfung. In Deutschland führte 2011 die hessische CDU einen ganzen Kommunalwahlkampf zum Thema Schuldenbremse.

    Parallel zu den Wahlen am 27. März 2011 hatte Ministerpräsident Volker Bouffier ein Referendum über eine entsprechende Bestimmung in der Landesverfassung angesetzt. Die Kampagne erwies sich bemerkenswerterweise als wesentlich populärer als Bouffier selbst. Während die CDU fast fünf Prozentpunkte verlor, stimmten 70 Prozent der Bevölkerung Hessens für eine Schuldenbremse. Im selben Jahr machte sich auch der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer am „größten Stammtisch der Welt“ – dem politischen Aschermittwoch der CSU in Passau – für ein solches Referendum stark. Zwei Jahre später gewann seine Partei bei den Landtagswahlen zwar beachtliche 47,7 Prozent. Nicht weniger als 89 Prozent der Bayern stimmten am 15. September 2013 aber gleichzeitig für eine Schuldenbremse in der Landesverfassung.

    Wie dünn der politische Gehalt dieser Kampagnen war, wurde durchaus bemerkt. Im Falle Bayerns schrieb z. B. der „Tagesspiegel“ von „Populismus und Symbolik“ – da entsprechende Bestimmungen ohnehin bereits im deutschen Grundgesetz verankert sind.4 Für Hessen hielt die konservative FAZ vor dem Referendum 2011 fest: „Allein seit der Regierungsübernahme durch eine CDU/FDP-Koalition im Jahr 1999 erhöhte sich der hessische Schuldenstand um 57 Prozent.“5 Ebenso könnten hier die Schuldenberge der FPÖ in Kärnten oder jene, welche die neoliberalen Administrationen der Republikaner in den USA hinterlassen haben, angeführt werden. Bemerkenswert ist es trotzdem, dass PolitikerInnen, die sich selbst als Populisten verstehen6, mit dem Sparschwein auf WählerInnenfang gehen. Doch wo liegt eigentlich das populistische Potenzial der Schuldenbremse?

    Neoliberaler Populismus

    Das erst im letzten Sommer präsentierte Buch „Mythen des Sparens“ befasst sich u. a. mit der Frage, warum diese Mythen in breiten Teilen der Bevölkerung immer wieder gut ankommen können. Im Zentrum stehe demnach eine starke moralische Argumentation, welche erfolgreich an das „Gewissen der BürgerInnen“ – etwa mit „Verweisen auf Sprachbilder des Alltagsverstands“ – appelliert.7 Die Angst vor den Schulden – und nicht um die fehlenden Investitionen – für Enkel und Urenkel. Oder die eingängige, aber falsche Vorstellung, dass ein privater und ein staatlicher Haushalt in der gleichen Art und Weise geführt werden könnten. Auf dieser Klaviatur spielt seit vielen Jahren ein spezifisch neoliberaler Populismus.

    Die Forderung nach einer Schuldenbremse beinhaltet aber nicht nur das Thema Schulden, sondern ebenso den Wunsch nach einer Bremse. Wer (angeblich) gebremst werden soll, wird klar kommuniziert. „Wenn sich schon Odysseus an den Mast binden ließ, um nicht den Gesängen der Sirenen zu erliegen“, argumentierte der Schweizer Finanzminister Kaspar Villiger 2001 blumig, „so ist es gewiss nicht schlecht, wenn sich auch die Politik gegen Verführungen wappnet.“8 Die „Basler Zeitung“ unterlegte damals diesen Ruf mit der angeblichen Stimme des Volkes: „Es ist wahrhaftig nicht mehr länger zu verantworten, dass im Bundeshaus konsumiert wird, als ob dieser Selbstbedienungsmarkt keine Kasse hätte.“9 Diese Idee, nämlich über ein Referendum den Handlungsspielraum „der Politik“ einzuschränken, kam in der Folge offenbar gut an. Und auch PolitikerInnen, die sich selbst fesseln bzw. ausbremsen wollen, gelten unter Umständen als besonders sympathisch. Villigers Ruf wurde 2001 medial jedenfalls als „beharrlich, pragmatisch und beliebt“ beschrieben.10 KritikerInnen von Schuldenbremsen sehen freilich genau hier die größten Gefahren dieses Konzepts.

    Demokratieabbau gut vermarktet

    Marktradikale Ideologen wie Friedrich Hayek fordern schon lange die Begrenzung der fiskalischen „Zwangsgewalt“ von Parlamenten durch übergeordnete Bestimmungen – v. a. um „überbordende“ Umverteilung zu verhindern.11 Demokratie soll somit für einen bestimmten Wirtschaftskurs bzw. zur Verhinderung bestimmter fiskalpolitischer Maßnahmen abgebaut werden. Lukas Oberndorfer von der AK Wien beschreibt daher Schuldenbremsen pointiert auch als Demokratiebremsen.

    Ganz im Sinne Hayeks droht hier eine Begrenzung von Handlungsspielräumen demokratisch gewählter Institutionen für ein fragwürdiges Staatsziel. Strategisch sollen so Vorkehrungen getroffen werden, welche die Unterwerfung gegenüber einem diffusen Sparkurs langfristig absichern: „In dem Moment, in dem die neoliberale Integrationsweise zunehmend ihren Konsens in der Bevölkerung verliert, werden gerade jene Terrains überspielt, auf denen demokratische Kontrolle, die Interessen der ArbeitnehmerInnen und Forderungen der europäischen Bevölkerungen den größten Widerhall finden.“12

    Grenzen der Sparpolitik erreicht

    Trotz dieser autoritären Gefahren zeigt sich somit auch bereits das Licht am Ende des Tunnels. Der neoliberale Konsens wankt momentan tatsächlich. Selbst Manuel Barroso räumte im Vorjahr ein, dass die Sparpolitik „in vieler Hinsicht ihre Grenzen erreicht“ habe.13 Bemerkenswerterweise spiegeln aber gerade auch Entwicklungen in den USA eine veränderte Stimmungslage wider. Das haben auch die VertreterInnen der Tea-Party-Bewegung in der Debatte um die Blockade der Schuldenobergrenze 2014/15 zu spüren bekommen. Auch zahlreiche VertreterInnen der Republikaner sahen sich aufgrund des öffentlichen Drucks gezwungen, ihre Blockadepolitik aufzugeben und einer Neuverschuldung zuzustimmen. Die Partei gilt nun praktisch als gespalten, die Tea Party ist isoliert.

    Aktuelle Umfragen zeigen erhellend den Hintergrund für diese Entwicklung: In der US-Bevölkerung überwiegt nämlich inzwischen die Sorge um das Gesundheitssystem deutlich die Angst vor dem Defizit.14

    1 Gesetzliche Festlegung auf eine jährliche Neuverschuldung von maximal 0,5 Prozent des BIP bzw. eine Gesamtschuldenquote von 60 Prozent des BIP sowie ein Sanktionierungsmechanismus. Vgl.: ÖGB (2012), Europäischer Stabilitätsmechanismus (ESM) & Fiskalpakt, Fragen und Antworten.
    2 Im konkreten Fall v. a. EZB und IWF bzw. CDU und FDP.
    3
    tinyurl.com/ocs9hyy
    4
    tinyurl.com/mn8mowv
    5tinyurl.com/lgac3bp
    6 Vgl.
    tinyurl.com/kgfblrk
    7 Vgl. BEIGEWUM, Mythen des Sparens, HH 2013, S. 13 ff.
    8 Nach:
    www.zeit.de/2011/50/A-Schuldenbremse
    9 Ebenda.
    10 Vgl.
    www.nzz.ch/aktuell/startseite/article7VCF4-1.514427
    11 Vgl. Patrick Schreiner, Die „Schuldenbremse“ als Ausdruck (neo-)liberaler Demokratiefeindlichkeit,
    www.annotazioni.de/post/1016
    12 AK (2012), Infobrief eu&international, in:
    tinyurl.com/ohhpn8g
    13 Vgl.
    tinyurl.com/ln8ya3w
    14 Vgl.
    tinyurl.com/ocs9hyy

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor john.evers@gmx.net  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    John Evers, Erwachsenenbildner und Historiker Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623796 Bemerkenswert ist es trotzdem, dass PolitikerInnen, die sich selbst als Populisten verstehen, mit dem Sparschwein auf WählerInnenfang gehen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623708 Vom Sparen zum Spekulieren und wieder zurück Wie viel Bank braucht der Mensch?“ nennt der deutsche Ökonom Thomas Fricke sein neues Buch. ÖsterreicherInnen wissen darauf eine sichere Antwort: Eine bestimmte Bank hätte man jedenfalls gar nicht gebraucht. Bei der Hypo Alpe-Adria wurden von Geschäftsführungen und Politik so ziemlich alle Fehler gemacht, die man machen kann. Zunächst drehte man jahrelang ohne ausreichende Sicherheiten und Kontrollen am großen Spekulationsrad in Südosteuropa, mit dem Ergebnis riesiger Verluste. Gleichzeitig übernahm das Bundesland Kärnten Haftungen für die Bank, die zum Höhepunkt 2006 dem zwölffachen Landesbudget eines Jahres entsprachen. Nach der Notverstaatlichung der Bank im Jahr 2009 verhandelte die zuständige Bundesministerin fürchterlich schlecht mit der Europäischen Kommission über die Abwicklung und verschleppte die Einrichtung einer Abbaubank über Jahre. All diese Fehlentscheidungen maximieren die Kosten für die SteuerzahlerInnen.

    Hypo: Sittenverfall im Bankgeschäft

    Ähnliche Fälle wie jener der Hypo Alpe-Adria sind in ganz Europa aufgeflogen, viele dürften noch folgen. Sie spiegeln den Verfall der Sitten im Bankgeschäft. Die Kernaufgabe des Bankensystems bildet eigentlich die Vermittlung zwischen Ersparnissen der privaten Haushalte und kreditfinanzierten Investitionen der Unternehmen. Ohne sie kann eine Marktwirtschaft nicht funktionieren. Doch in den 2000er-Jahren ließ sich das große Geld woanders verdienen: in der Spekulation. Diese kann ganz einfach beginnen, wie es das Beispiel österreichischer Banken im In- und Ausland zeigt: Das biedere Geschäft der Vergabe eines Hypothekarkredites zum Erwerb einer Wohnung oder zum Bau eines Hauses wurde zum Spekulationsgeschäft. Empfohlen wurden ein Fremdwährungskredit in Schweizer Franken und ein Tilgungsträger, mit dem auf den Aktienbörsen angelegt wurde, um den endfälligen Kredit zurückzuzahlen. Damit spekulierten die kleinen HäuslbauerInnen gleich zweifach riskant: einmal auf den sehr schwankungsanfälligen Wechselkurs zwischen Euro und Schweizer Franken und dann auf den manisch-depressiven Kursverlauf der Finanzmärkte.

    Die höhere Form der Spekulation ermöglichten die Derivate. Sie wurden ursprünglich als Instrument der Absicherung von realen Geschäften entworfen, indem etwa ein Getreideproduzent bei der Aussaat eine Versicherung bezüglich des später erzielbaren Verkaufspreises abschließt. Doch der Handel mit diesen Finanzinnovationen führte dazu, dass nicht die Absicherung eines realen Grundgeschäftes im Mittelpunkt stand, sondern die organisierte Wette auf das Eintreffen beliebiger Ereignisse. Hinter Derivaten der höheren Art standen gar keine realen Geschäfte, vielfach auch unter Umgehung der Eigenkapitalvorschriften. In den 2000er-Jahren erreichten die weltweiten Derivatmärkte ein Volumen von zigtausend Milliarden Dollar und wurden meist auch außerhalb der Aufsicht auf Börsen abgewickelt. Der Finanzinvestor Warren Buffett bezeichnete diese komplexen Finanzinstrumente schon 2003 als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“.

    Neoliberaler Abbau von Kontrolle

    Der Ankauf langfristiger spekulativer Wertpapiere mit hohen Erträgen wurde oft durch die Aufnahme billiger kurzfristiger Kredite finanziert: ein immenses Geschäft. So dachten zumindest die ManagerInnen von Banken, Pensionsfonds und Versicherungen, die mit den erzielten Gewinnen hohe Bonuszahlungen lukrierten, die den Großteil ihres Gehalts ausmachten. Sie waren die Stars der 2000er-Jahre, meist ohne die Risiken ihrer Geschäfte zu verstehen. In Wahrheit waren sie nur Teil einer Herde, in der alle scheinbar erfolgreich das Gleiche taten.

    Der staatlichen Finanzaufsicht wird heute von neoliberaler Seite gerne vorgeworfen, sie hätte in der Krise versagt. Doch die unbestreitbare Schwäche der Aufsicht war ja gerade die Folge der neoliberalen Ablehnung der Kontrolle von Banken und Finanzmärkten. Denn die Neoliberalen behaupteten, unregulierte Finanzmärkte seien stabil, effizient und wohlstandsfördernd. Diese Ideologie bildete die Basis für den Abbau aller staatlichen Regulierungen der Finanzmärkte. Er wurde in der EU etwa im Rahmen des Aktionsplanes für Finanzdienstleistungen zur Schaffung eines freien Marktes für Kapital von 1999 vorangetrieben.

    Keynes: Gefährliches Herdenverhalten

    Diese neoliberale Theorie hat sich spätestens in der Finanzkrise seit 2007 als falsch herausgestellt. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hatte schon in der Finanzkrise der 1930er-Jahre erkannt, dass unregulierte Finanzmärkte durch ein Herdenverhalten geprägt sind, indem die Kurse steigen, weil alle erwarten, dass alle anderen Spekulanten erwarten, die Kurse würden weiter steigen und umgekehrt, wenn alle pessimistisch sind. Dieses Herdenverhalten führt nicht nur zu starken Schwankungen auf den Finanzmärkten, sondern gefährdet auch die Stabilität der realen Wirtschaft.

    Seit Ausbruch der Finanzkrise werden die Weichen neu gestellt. In den USA und in der EU sind umfassende Regulierungen in Bezug auf das Eigenkapital der Banken, die Ratingagenturen, die Schaffung von Aufsichtsgremien für Banken, Versicherungen und Wertpapiermärkte und die Erhöhung der Transparenz von Hedgefonds und im Handel mit Derivaten gelungen. Zuletzt wurde in der EU mit der Bankenunion ein wichtiger Schritt getan, mit dem die Abwicklung von in Schieflage geratenen Banken unter Heranziehung von Eigentümern und Gläubigern und unter Schonung von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern sowie Sparerinnen und Sparern erfolgen soll.

    Diese Regulierungen sind sinnvoll, aber sie gehen nicht weit genug. Es geht nicht nur um mehr Aufsicht, Transparenz und Eigenkapital, sondern vor allem um eine Verringerung des Anteils des Finanzsektors an der Wirtschaft. Dies ist bislang nicht gelungen. Das hat auch mit der enormen Machtfülle des Banken- und Finanzsektors zu tun. Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat eindrucksvoll die enge Vernetzung der größten Investmentbank Goldman Sachs mit Regierung und Kongress und die starke Abhängigkeit der Parteien von der Finanzierung durch den Finanzsektor in den USA dargestellt. Auch in Deutschland und Österreich haben die großen Banken viel zu hohen Einfluss auf die Finanzpolitik.

    Finanzsektor muss schrumpfen

    Für das notwendige Schrumpfen des Banken- und Finanzsektors gibt es drei Ansatzpunkte: 

    • Verschärfung der Regulierung der Finanzaktivitäten, einschließlich des Verbots vieler Finanzinnovationen und der Verringerung der Möglichkeit, im Finanzsektor Gewinne und absurd hohe Einkommen zu erzielen.
    • Höhere Steuern auf den Finanzsektor, insbesondere die Einführung der Finanztransaktionssteuer und eine in der EU koordinierte Erhöhung von Finanzaktivitätssteuern wie der österreichischen Bankenabgabe, sowie die Besteuerung und Einschränkung von Bonuszahlungen.
    • Am wichtigsten ist es, das Spielkapital des weltweiten Finanzcasinos zu verringern. Dazu muss die Ungleichheit in der Verteilung von Vermögen und Einkommen verringert werden. Denn nur das oberste Prozent der Haushalte verfügt über ganz hohe Ersparnisse, die risikoreich veranlagt werden. In Österreich hält diese Gruppe mehr als ein Drittel des gesamten Vermögens. Der französische Ökonom Thomas Piketty spricht angesichts der Konzentration der Vermögen, die in die nächste Generation vererbt werden, vom Entstehen einer neuen Finanzaristokratie, die die Fundamente einer sozial gerechten und demokratischen Gesellschaft vernichtet. Dieser Gefahr ist nur mit griffigen Steuern auf hohe Vermögen und Erbschaften sowie auf absurd hohe Finanzeinkommen beizukommen.

    Rezension von Thomas Frickes „Wie viel Bank braucht der Mensch?“ auf den Nachdenkseiten: www.nachdenkseiten.de/?p=18966

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor markus.marterbauer@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Markus Marterbauer, AK Wien - Wirtschaftswissenschaft und Statistik Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623784 Riskante Spekulationen ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998625017 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623664 Wirtschaftliche Folgen des Sparens Die Staatsschulden stiegen in der Eurozone zwischen 2008 und 2013 von 70,1 Prozent auf 95,5 Prozent des BIP. Umfangreiche Budgetkonsolidierungsmaßnahmen der Mitgliedsstaaten seien notwendig, um die Staatsverschuldung nachhaltig zu reduzieren – so lautet angesichts dieses Problems der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte die Vorgabe der verantwortlichen EU-Politik. Tatsächlich stiegen die Staatsschulden in den letzten Jahren jedoch immer weiter an – am stärksten in jenen Ländern, welche die schärfste Sparpolitik durchsetzten. Dass Konsolidierungsmaßnahmen die Staatsschuldendynamik verschlimmern, mag auf den ersten Blick paradox erscheinen. Eine Beschäftigung mit den makroökonomischen Folgen der staatlichen Sparanstrengungen, die noch dazu gleichzeitig mit dem Schuldenabbau von privaten Haushalten und Unternehmen erfolgen, erklärt jedoch das Phänomen. Die eingeschlagene Sparpolitik in der Eurozone ist zum Scheitern verurteilt.

    Krisenursache Verschuldung?

    Immer noch greift die falsche Behauptung um sich, die öffentliche Verschuldung sei bereits in den Jahren vor der Krise 2008/2009 untragbar hoch gewesen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Die Staatsschulden gingen zwischen 2004 und 2007 in der Eurozone von 69,7 Prozent auf 66,4 Prozent zurück. Im selben Zeitraum fiel die Staatsverschuldung im späteren Krisenland Spanien von 46,3 Prozent auf 36,3 Prozent des BIP. Auch in Österreich war die Schuldenquote von 64,7 Prozent auf 60,2 Prozent rückläufig. In Irland betrug die Staatsschuldenquote 2007 gerade einmal 24,9 Prozent. Die einzigen späteren Krisenländer der Eurozone, die tatsächlich bereits vor der Krise steigende Staatsschulden verzeichneten, sind Portugal und Griechenland. Der starke Anstieg der Schuldenquoten ab dem Jahr 2008 ist eine Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise: Die hohen Kosten der Bankenrettung, der starke Rückgang der Steuereinnahmen und der wirtschaftliche Einbruch ließen die Staatsschulden quer durch die Eurozone, aber besonders stark in Krisenländern wie Griechenland, Irland oder Spanien, sprunghaft ansteigen.

    Die Darstellung der Staatsschulden als Krisenursache ist nicht nur falsch, sie ignoriert auch die eigentliche Verschuldungsproblematik der Vorkrisenjahre – nämlich den dramatischen Anstieg der Privatverschuldung. Die Verschuldung des Privatsektors, bestehend aus privaten Haushalten und Unternehmen, stieg in Spanien beispielsweise zwischen 2004 und 2007 von 224 Prozent auf 285 Prozent des BIP an. Auch in Irland und Portugal war die Privatverschuldung vor der Krise beinahe dreimal so hoch wie die Wirtschaftsleistung.

    Was sich ab 2008 in weiten Teilen der Eurozone abspielte, kann – wenn man dem japanischen Ökonomen Richard Koo folgt – nur vor dem Hintergrund des akuten Problems der Überschuldung des Privatsektors in einigen Mitgliedsländern verstanden werden. Als in Spanien und Irland die Immobilienblasen platzten, kam es zu einem dramatischen Verfall der Immobilienpreise. Koo beschreibt eine solche Situation mit dem Konzept der „Bilanzrezession“: Die Bilanzen des Privatsektors stehen nach dem Platzen einer Vermögensblase aufgrund der Überschuldung unter Wasser, da die Vermögenswerte stark fallen, während die Verbindlichkeiten weiter bedient werden müssen. Dies führt dazu, dass Unternehmen und Haushalte angestrengt sparen, um ihre Bilanzen zu sanieren. Solange der Schuldenabbau andauert, führt dies zu Nachfragerückgängen, die sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung auswirken.

    Schuldendeflation und Sparparadoxon

    Einsichten in die volkswirtschaftlichen Probleme, die durch den Abbau der privaten Verschuldung in den letzten Jahren im Euroraum entstanden, liefert der amerikanische Ökonom Irving Fisher. Dieser formulierte bereits 1933, geprägt durch die Erfahrungen der Großen Depression, seine Theorie einer Schuldendeflationsspirale. Aufgrund von Überschuldung müssen Haushalte und Unternehmen Vermögenswerte abstoßen. Der Ausverkauf von Vermögenswerten löst Abwärtsdruck auf das allgemeine Preisniveau aus. Aufgrund der sinkenden Preise verschlechtert sich die Nettovermögensposition der Unternehmen; die Profite gehen zurück, Produktion und Beschäftigung fallen.

    Deflationsdruck steigt

    Überschuldung verursacht demnach deflationären Druck, der sich wiederum auf die Verschuldung auswirkt: Sinkende Preise erhöhen die reale Schuldenlast, weil die nominal fixierten Schulden mit steigendem realen Eurowert bedient werden müssen. Wenn die Preise schneller fallen als der Schuldenabbau voranschreiten kann, dann sind die Entschuldungsbemühungen sogar ein Schuss ins eigene Knie: Je mehr die SchuldnerInnen den Schuldenabbau forcieren, desto höher wird aufgrund des entstehenden Deflationsdrucks die Schuldenlast. In der Eurozone lag die Inflation zuletzt durchschnittlich nur noch bei 0,5 Prozent. Spanien und Portugal rutschten in ein Deflationsterrain ab, wo Griechenland bereits seit Längerem vorzufinden ist; Italien könnte bald folgen. Damit sind die von Fisher eindringlich beschriebenen Probleme des erschwerten Schuldenabbaus verbunden.

    Dass verstärkte Sparanstrengungen der privaten Haushalte maßgeblich zur Vertiefung von Wirtschaftskrisen beitragen können, hatte auch der britische Ökonom John Maynard Keynes erkannt. Die Einsicht, dass sich eine Volkswirtschaft selbst ärmer sparen kann, ergibt sich aus dem Sparparadoxon: Gleichzeitiges Sparen einer größeren Gruppe privater Haushalte verringert die Konsumausgaben. Die Unternehmen können weniger Güter und Dienstleistungen absetzen, die Einkommen sinken. Bei niedrigeren Einkommen geht jedoch auch das Sparaufkommen zurück; dadurch kann der ursprüngliche Anstieg der Ersparnisse mehr als zunichtegemacht werden. Abhängig ist dies von den Investitionen, die immer gleich den Ersparnissen sind: Sinken die Investitionen, etwa wegen ungünstiger Absatzerwartungen der Unternehmen, dann wird das Sparparadoxon schlagend: Die erhöhte gleichzeitige Sparanstrengung der privaten Haushalte führt zu sinkenden Ersparnissen – jedoch bei niedrigerer Wirtschaftsleistung und geringerer Beschäftigung.

    Auch die Staaten sparen

    Nicht nur private Haushalte sparten in den letzten Jahren. Auch Mitgliedsstaaten der Eurozone kürzten ihre Ausgaben und erhöhten Steuern – und zwar nicht nur krisengeschüttelte Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien. Selbst Deutschland, Österreich oder die Niederlande setzten – wenngleich in geringerem Ausmaß – Budgetkonsolidierungsmaßnahmen durch. Eine Stabilisierung der Staatsschulden durch simultane Sparpolitik ist jedoch kaum zu bewerkstelligen: Die Konsolidierungsmaßnahmen haben negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung. Aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten im Euroraum, die insbesondere durch enge Handelsbeziehungen gegeben sind, wird es für jedes einzelne Land immer schwieriger, die eigene Staatsverschuldung zu stabilisieren, wenn die anderen Länder ebenfalls sparen und dadurch auch ihre Nachfrage nach Produkten aus anderen Mitgliedsländern reduzieren. Am Ende des gleichzeitigen Sparens stehen aufgrund des wirtschaftlichen Einbruchs höhere Staatsschuldenquoten als zu Beginn, wobei jene Länder mit den größten Sparanstrengungen die stärkste Verschlechterung der Verschuldungsdynamik verzeichnen. Das Problem ließe sich dadurch entschärfen, dass Länder wie Deutschland und Österreich ihre Binnennachfrage stärken. Denn solange private Haushalte und Unternehmen den Schuldenabbau nicht abgeschlossen haben, ist es umso wichtiger, dass jene Staaten, die dazu in der Lage sind, zusätzlich Nachfrage schaffen. Solange jedoch der verfehlte Glaube vorherrscht, eine simultane Austeritätspolitik in der Eurozone würde zu einer Stabilisierung der Staatsschuldenquoten führen, spart sich die Eurozone ärmer.

    Mehr Info unter: social-europe.eu

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    Philipp Heimberger, Student der Volkswirtschaftslehre an der WU Wien Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623678 Der Ausverkauf von Vermögenswerten löst Abwärtsdruck auf das allgemeine Preisniveau aus. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998625004 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623645 Alles, was (un)gerecht ist Schon in der „Politeia“ widmet sich der große Philosoph Platon ganz der Frage der Gerechtigkeit und deren Verwirklichung in einem idealen Staat. In Bezugnahme auf seinen Lehrer Sokrates erklärt Platon, gerecht sei, wenn jeder/jede das macht, was er/sie am besten kann. „Jeder tue das Seine und mische sich nicht in Dinge, die ihn nichts angehen“, heißt es. Analog dazu solle jeder das Seine bekommen, aber auch niemandem das Seine genommen werden. Der Rechtsgelehrte Ulpian erklärte ähnlich lautend: „Gib jedem das Seine!“ An dieser Stelle wollen wir nicht darauf eingehen, dass die Nationalsozialisten den Spruch „Jedem das Seine“ (Inschrift auf dem Eingangstor des Konzentrationslagers Buchenwald) für ihre menschenverachtende Politik instrumentalisiert haben – dafür können die antiken Denker natürlich nichts! Entscheidend ist jedoch, wie bzw. von wem festgestellt wird, wie Güter und Pflichten verteilt werden sollen.

    Ebenen der Gerechtigkeit

    Elisabeth Holzleithner – sie lehrt am Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Uni Wien – meint dazu: „Es kommt darauf an, von welcher Ebene wir sprechen, die von Gerechtigkeit betroffen ist. In der Rechtsetzung ist der parlamentarische Gesetzgeber verantwortlich. Nach klaren Regeln und einem Diskussionsprozess werden Gesetze festgelegt. Es stellt sich natürlich die Frage, wie partizipatorisch diese Entscheidungsfindungen ablaufen, wie weit also die Betroffenen bei der Umsetzung in die Realität einbezogen werden.“ Das wird letztlich in der Praxis entschieden und erfolgt in Österreich bekanntlich durch eine repräsentative Demokratie. In Autokratien findet hingegen keine (oder eine sehr mäßige) Beteiligung eines Großteils der Betroffenen statt, was per se ungerecht ist. Gerechtigkeit ist also immer mit einem Diskurs verbunden.

    Freiheit: der springende Punkt

    Abgesehen vom Verfahren der Gerechtigkeitsfindung bleibt zu klären, ob es eine universelle Gerechtigkeit gibt oder ob diese immer „regional“ bzw. kulturell begrenzt sein muss. Holzleithner hat sich dazu unter anderem in ihrem Buch „Gerechtigkeit“ (ein Band der vom bekannten Philosophen Konrad Paul Liessmann herausgegebenen Reihe „Grundbegriffe der europäischen Geistesgeschichte“) intensiv beschäftigt: „Beim Nachdenken über Gerechtigkeit hat sich ein unhintergehbares Prinzip herausgebildet, nämlich die Vorstellung, dass Personen gleichermaßen frei sind. Jeder soll autonom über sein Leben bestimmen, so weit das möglich ist und nicht mit der gleichen Freiheit anderer kollidiert. Das bedeutet, dass niemand unbesehen zum Objekt degradiert werden darf, über das willkürlich bestimmt wird. Jeder Mensch verdient Achtung und Berücksichtigung.“ Ansonsten werden laut der Expertin Personen und Personengruppen zu „verfügbarem Material“, dem möglicherweise sogar die Existenzberechtigung abgesprochen wird, wie das im Nazi-Regime und anderen Diktaturen der Fall war. Holzleithner meint, dass aufbauend auf dem Grundprinzip der gleichen Freiheit die praktischen (Detail-)Fragen der gerechten Verteilung in Angriff genommen werden sollten.

    Gerechtigkeit und Solidarität

    Das Stichwort der gerechten Verteilung führt uns wiederum zum Begriff der Solidarität. Hier streiten sich Gelehrte, unterschiedliche Interessenvertretungen und politische Parteien darüber, ob Gerechtigkeit mit Solidarität gleichzusetzen ist. So meinte etwa John Rawls (1921–2002), der führende Denker zeitgenössischer Gerechtigkeitstheorie, dass in einer Gesellschaft kooperierender Mitglieder jeder etwas leisten müsse. Menschen, die keinen adäquaten Beitrag beisteuern, seien quasi Trittbrettfahrer, für die wenig Platz in dieser Gemeinschaft sei. Der wirtschaftsliberale Ansatz nach der Schule von Adam Smith oder des österreichischen Wirtschaftsnobelpreisträgers Friedrich August von Hayek hält staatliche Eingriffe in den Wirtschaftskreislauf ohnedies für wenig sinnvoll, ja sogar kontraproduktiv und ungerecht. Staatliche (solidarische) Lenkungsmaßnahmen führten demnach nämlich zu Verzerrungen. Stattdessen solle man die „unsichtbare Hand“ – sprich Selbstregulierung – des Marktes walten lassen.

    Keynes’ „General Theory“

    Viele DenkerInnen sind hier ganz anderer Ansicht, wobei an erster Stelle John Maynard Keynes zu nennen ist. Der britische Ökonom sprach sich in seiner „General Theory“ dafür aus, dass Staaten oder Institutionen wie Zentralbanken mit gezielten finanzpolitischen Maßnahmen die Wirtschaft, vor allem in Krisenzeiten, ankurbeln sollten. So würden die Nachfrage nach Gütern sowie Dienstleistungen, Beschäftigung und letztlich der allgemeine Wohlstand ansteigen. Das sei volkswirtschaftlich sinnvoll und darüber hinaus auch gerecht. Denn aus dem Blickwinkel einer solidarischen Perspektive produziert der freie Markt strukturelle Ungleichheiten, was sich etwa in der Herausbildung von Monopolen und Oligopolen widerspiegelt. Der Anhäufung von Kapital auf der einen Seite stünden auf der anderen verarmte Massen von Arbeiterinnen und Arbeitern gegenüber, weshalb ein soziales Gegensteuern notwenig sei. Oder vielleicht gleich eine Revolution? Diese Meinung vertrat wiederum Karl Marx, der übrigens dem Begriff der Gerechtigkeit prinzipiell sehr skeptisch gegenüberstand. Er hielt ihn für einen Teil des bürgerlichen Überbaues, für ein Scheinargument der Bourgeoisie, um die bestehenden Machtverhältnisse zu legitimieren. Innerhalb der unterdrückerischen kapitalistischen Produktions- und Besitzbedingungen sei Gerechtigkeit laut Marx nicht zu erreichen. Nach der Machtergreifung des Proletariats und der Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft erübrige sich das Problem der Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit dann von selbst. Interessant ist, dass Marx die Prinzipien einer kommunistischen Gesellschaft auch wie folgt formuliert: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ – was wiederum stark an Platon erinnert.

    Von Rousseau zu Marx

    Marx greift übrigens auch aus dem Vollen auf den Schweizer Philosophen Jean-Jacques Rousseau zurück. Dieser meinte schon im 18. Jahrhundert, dass der Privatbesitz die Wurzel allen menschlichen Übels sei, der zu einer Herrschaft der Reichen über die Armen und Schwachen führe. Die Lösung sieht Rousseau in der Errichtung eines Gesellschaftsvertrags, der durch die freie Übereinkunft aller Bürger zustande kommen muss. Hier soll der Wille der Mehrheit über den Interessen einiger weniger Mächtiger stehen. Womit wir wieder bei Diskurs und Gesetzesfindung, wie sie in einer Demokratie üblich sind, angelangt wären. Die Umsetzung ist dann eine Frage der praktischen Auseinandersetzung, die sich aus dem gesellschaftlichen Diskussionsprozess herauskristallisiert. Dass der jeweilige Status quo es allen recht macht, ist dabei unwahrscheinlich – zu unterschiedlich sind die Auffassungen bzw. Interessen. Holzleithner führt weiter aus: „So ist es etwa die Position der Gewerkschaften, dass sozial Schwächere Sozialleistungen beziehen, weil das gerecht ist. Andere meinen wiederum, dass solche Leistungen eher Ausdruck von Großzügigkeit statt von Gerechtigkeit seien.“ Wer hier „recht“ hat, mögen die geneigten LeserInnen selbst entscheiden. Markus Marterbauer, Wirtschaftsexperte der AK Wien, gibt dabei zu bedenken: „Gerechtigkeit ist ein menschliches Anliegen, wobei gerechte Verteilung auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Die Zeiten hoher Prosperität fallen mit dem Ausbau des Sozialstaates zusammen.“ Der Ökonom meint, dass schon allein die Erwartungen in den Sozialstaat stabilisierend wirken: „Das Vertrauen in gewisse Sozialleistungen wie zum Beispiel Arbeitslosenunterstützung oder Gesundheitsversorgung halten vom ‚Angstsparen‘ ab. So bleibt gerade in Krisensituationen Geld im Wirtschaftskreislauf erhalten.“ Anstatt eines harten Sparkurses wünscht sich der Experte deshalb mehr Investitionen in Bildung und Arbeit. Marterbauer abschließend: „Die Finanzierung über eine höhere Belastung von großen Vermögen halte ich dabei für vertretbar und gerecht.“

    Mehr Info unter: www.information-philosophie.de

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Harald Kolerus, Freier Wirtschaftsjournalist Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623653 Jeder soll autonom über sein Leben bestimmen, so weit das möglich ist und nicht mit der gleichen Freiheit anderer kollidiert. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998630615 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623628 Wohlfeilheit und freies Leben Zwischen 1848 und 1867 herrschte in Österreich eine absolute Kaiserdiktatur, die jede Opposition brutal niederhielt. Im Salzkammergut, das als ärarischer Besitz der kaiserlichen Verwaltung direkt unterstand, hatten es RegimegegnerInnen besonders schwer. 1853 hob die Polizei in Goisern einen republikanisch gesinnten Freundeskreis um den Gastwirt und Bäckereiinhaber  Konrad Deubler aus. Der „Haupträdelsführer“ Deubler wurde 1854 nach Iglau/Jihlava gebracht und dort zu zwei Jahren schweren Kerkers nach Brünn abgeurteilt. Der Spielberg/Špielberk, die Festung über Brünn/Brno, galt mit Recht als das brutalste Gefängnis der Monarchie. Auf die zwei Jahre Kerker folgten noch vier Jahre Internierung  in Olmütz/Olomouc. Die Anklageschrift formulierte, worin der Hochverrat des Verurteilten bestanden hatte:

    Hervorhebung des Notstandes der Arbeiter und des Luxus des Hofes, das Drückende der Steuern, der vielen Soldaten, Anpreisung der nordamerikanischen Republik, der Wohlfeilheit der dortigen Regierung und Lebensmittel, des freien Lebens, des leichteren und größeren Verdienstes der Arbeiter. Sein Haus ist der Versammlungsort der Unzufriedenen.

    Der Sohn eines Salzbergmanns, gelernte Müller und Gastwirt war nicht irgendwer. Er hatte sich im Selbststudium großes Wissen angeeignet und genoss unter den linken Intellektuellen einiges Ansehen, er korrespondierte etwa mit Karl Marx und dem Philosophen Ludwig Feuerbach. Das harte Urteil sollte wohl auch signalisieren, dass radikale sozialistische Ideen in Österreich keine Chance hätten. Aber Konrad Deubler ließ sich nicht brechen: Sobald die Diktatur ein wenig gelockert wurde, half er den Salinen- und Forstarbeiterinnen und -arbeitern bei der Gründung ihres Arbeitervereins. Die Gründungsversammlung beschloss auch die Errichtung eines mit dem Arbeiterverein verbundenen Konsumvereins.

    Der Konsumverein machte sich 1869 selbstständig und er wurde unverzichtbar, als den Arbeiterinnen und Arbeitern wenige Jahre später ihre Korn- und Schmalzdeputate gestrichen wurden – zugunsten einer minimalen Lohnerhöhung, die den Verlust nie ausgleichen konnte. Der Verein errichtete eine Bäckerei und eine Fleischerei, kaufte drei Mühlen und stellte so die Versorgung der ArbeiterInnen sicher. Ab 1875 versorgte er auch Obertraun, ab 1912 Traunkirchen und ab 1927 St. Wolfgang. Unter der austrofaschistischen Diktatur wurde seine Tätigkeit stark eingeschränkt, die NS-Herrschaft löste die Konsumvereine 1943 ganz auf. In der Zweiten Republik entstand aus dem Ortsverein die Konsumgenossenschaft Salzkammergut. Den Zusammenschluss zum „Konsum Österreich“ machte die Salzkammergut-Genossenschaft nicht mit. Als eigenständiges Unternehmen überlebte sie dessen Ende 1995 noch um 16 Jahre.

    Konrad Deubler starb 1884. In seinem Testament stiftete er ein Kapital von 3.000 Gulden, deren Zinsen zur Ausgabe von Suppen an solche armen Schulkinder verwandt werden sollen, die täglich einen weiten Weg haben.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623633 "Kerntragweiber" in Hallstatt um 1885. Die meisten Arbeiterfrauen im "Kammergut" verdingten sich damals damit, das rohe Kernsalz vom Berg zum Magazin auf der Seelände zu schleppen. Ihr Beitrag zum Familieneinkommen war unverzichtbar. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623625 Fußball-WM 2022: Gewerkschaften bleiben dran 2022 soll die Fußball-Weltmeisterschaft im arabischen Emirat Katar stattfinden. Katar ist das reichste Land der Erde – und behandelt die Arbeiter – zumeist nepalesische Gastarbeiter, wie Sklaven. Im Vorfeld der WM werden Stadien, Hotels, Hochhäuser und mehr erreichtet. Der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hat bereits vor längerer Zeit auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam gemacht: Die Nepalesen sind praktisch völlig entrechtet, sie können den Arbeitgeber nicht wechseln, das Land nicht verlassen, dürfen sich nicht zu Gewerkschaften zusammen schließen. Der IGB verlangte von Katar umgehend Reformen, oder die FIFA müsste die WM neu vergeben – nach dem Motto: Keine WM ohne Arbeitsrecht.

    Kürzlich hat die Katarische Regierung angekündigt, die Rechte der Bauarbeiter zu verbessern. Es soll, so ein Regierungsvertreter, weitreichende Reformen im Arbeitsrecht geben. Für ausländische Arbeiter soll es künftig leichter sein, innerhalb von Katar den Arbeitgeber zu wechseln oder das Land zu verlassen. Außerdem sollten Geldstrafen für Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern den Pass wegnähmen, erhöht werden.

    Die Arbeitsunfälle von Bauarbeitern sind trotz des internationalen Drucks, den Arbeitsschutz bei seinem 150-Milliarden-US-Dollar-Bauprogramm im Vorfeld der Fußball-WM 2022 zu verbessern, auf Rekordhöhe angestiegen. „Schätzungen zufolge sind im letzten Jahr mehr als 1.000 Beschäftigte bei Stürzen auf dem Bau verletzt worden. Das ist äußerst beunruhigend“, sagt Fiona Murie, die Arbeitsschutzbeauftragte der Bau- und Holzarbeiter-Internationale (BHI). „Das Problem in Katar ist, dass die Beschäftigten kein Mitspracherecht bei Präventivmaßnahmen haben; sie sind nicht geschult, und es fehlt ihnen an der richtigen Ausrüstung.“

    Der ÖGB und die Gewerkschaften unterstützen die Kampagne des IGB: Entweder Arbeitsrechte einhalten, oder keine Fußball-WM. Am 28. April, dem internationalen Gedenktag für verunfallte und verstorbene ArbeitnehmerInnen, machten GewerkschafterInnen mit 1.200 Schutzhelmen auf die hohe Zahl der verstorbenen Bauarbeiter in Katar aufmerksam. Josef Muchitsch, Vorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz: „Solange in Katar täglich Arbeiter sterben, werden wir diesen Wahnsinn mit weiteren Aktionen aufzeigen. Kein Fußballfan oder Profifußballer darf akzeptieren, dass eine Weltmeisterschaft ,auf blutiger Erde‘ ausgetragen wird.“

    www.rerunthevote.org

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    Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623622 Arbeiterkammer: Ergebnis der AK-Wahl 2014 in OÖ Ein Bundesland haben wir beim Verkünden der aktuellen AK-Wahlergebnisse in der „Arbeit&Wirtschaft“ 3/2014 doch glatt übersehen. Verzeiht uns, liebe OberösterreicherInnen, das holen wir jetzt nach.

    Am 4. April 2014 hat die Hauptwahlkommission unter Vorsitz von Univ.-Prof. Dr. Erich Wolny das endgültige Ergebnis der AK-Wahl ermittelt: FSG 65,50 Prozent (plus 6,24 Prozentpunkte), ÖAAB 17,09 Prozent (minus 8,29), FA 10,04 Prozent (minus 0,08), AUGE 5,33 Prozent (plus 1,56), GLB 1,02 (plus 0,16) und Liste Perspektive 1,02 (erstmals angetreten). Das heißt, durch die restlichen Briefwahlstimmen sind lediglich 0,01 Prozent der Stimmen von den Freiheitlichen zur Liste Perspektive gewandert. In Mandaten bedeutet das: FSG 73 (plus 6), ÖAAB 19 (minus 9), FA 11 (gleich), AUGE 5 (plus 1), GLB 1 (plus 1) und Liste Perspektive 1 (plus 1).

     

    Insgesamt haben 216.257 Wahlberechtigte ihre Stimme abgegeben. Damit beträgt die Wahlbeteiligung 42,26 Prozent. Von den abgegebenen Stimmen mussten aus rechtlichen Gründen 4.443 ausgeschieden werden. Gültig waren 211.814 Stimmen. Im 15-köpfigen Vorstand (Präsident und 14 Mitglieder) hat die FSG nun elf Sitze (plus 2), der ÖAAB hat zwei Sitze (minus 2), die FA hat wie zuletzt einen Sitz.

    Die Verteilung der fünf Sitze im Präsidium (Präsident plus vier Vizepräsidenten/-präsidentinnen) bleibt gleich: drei für die FSG, einer für den ÖAAB.

    Mehr Info: tinyurl.com/mex4yj6

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    Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623616 ÖGJ: Genug gespart! Das Finanzministerium steckt viel Geld in die Rettung der Banken, für Bildung bleibt zu wenig übrig. Würden aber die Reichen eine faire Vermögenssteuer zahlen, wäre auch genug Geld für die Bildung da. Die Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) startete daher die Onlinepetition „Genug gespart! Her mit der Vermögenssteuer!“, die man jetzt unterstützen kann.

    „Finanzminister Michael Spindelegger kürzt nach dem Rasenmäherprinzip alle Budgetposten. Wer aber bei der Bildung spart, vergrößert die Ungerechtigkeit unseres Bildungssystems“, sagt ÖGJ-Vorsitzender Sascha Ernszt. Bildung ist derzeit ungerecht verteilt. Nur ein Drittel schafft einen höheren Abschluss als die Eltern – der Grad der Bildung wird also vererbt. Kinder von reichen Eltern brauchen höhere Bildungsbudgets hingegen nicht so dringend – diese Familien haben genug Geld, um mit Nachhilfestunden auszugleichen, was der Staat versäumt.

    Das Budget für die Jahre 2014 und 2015 spiegelt in weiten Bereichen die Bankenrettungen wider. „Die notwendige Rettung der Banken hat den Staat viel Geld gekostet. Weil dadurch aber auch hohe Vermögen gerettet wurden, sollen diese nun zur Sicherung und zum Ausbau staatlicher Aufgaben beitragen“, fordert Ernszt. „Wir wollen eine Vermögenssteuer, weil es uns um Gerechtigkeit geht. Nicht die Schülerinnen und Schüler sollen für das Versagen der Banken zahlen, sondern die Reichen, deren Spekulationen die Bankenkrise mitverursacht haben.“

    Jetzt die Petition unterzeichnen: tinyurl.com/p66r8su

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    Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623581 Freiheit braucht Spielregeln Dort zu leben und zu arbeiten, wo man möchte – das klingt super. Wenn das aber dazu führt, dass ein steirischer Kranführer von einem Kranführer aus dem Ausland abgelöst wird, weil dieser pro Stunde um acht Euro billiger ist, dann kann das nicht im Sinne der europäischen Freizügigkeit sein. Darin waren sich auf dem Podium alle einig.

    Um Unterentlohnung zu stoppen, so Sozialminister Rudolf Hundstorfer, muss es möglich sein, Lohndumping über die Grenzen hinweg zu exekutieren. „Wenn der Kokainhändler quer durch Europa verhaftet werden kann, dann muss auch derjenige europaweit verfolgt werden, der sich brüstet, dass er sich eh nicht an Kollektivverträge halten muss, weil nicht grenzüberschreitend verfolgt wird.“

    ÖGB-Präsident Erich Foglar erinnerte daran, dass es in Österreich bereits ein Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz gibt. „Das ist ein positives Modell, wie die Freizügigkeit funktionieren könnte, und das den Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort gewährleisten kann.“ Darüber hinaus muss europaweit in Beschäftigung investiert werden. „Wenn man in Berlin doppelte Doktoren aus Griechenland trifft, die jetzt in Berlin eine Lehre machen, damit sie danach wenigstens irgendeinen Job kriegen, dann ist das ebenfalls nicht im Sinne der europäischen Freizügigkeit“, sagte Sascha Ernszt, Vorsitzender der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ).

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    Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623591 Christa Markwalder (Vizepräsidentin des schweizerischen Nationalrats) im Gespräch mit Paul Schmidt (Leiter der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik) und Erich Foglar (ÖGB-Präsident). http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623596 Über 100 Menschen waren dabei, als der ÖGB in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik am 22. April 2014 zum 7. Europadialog in Wien lud. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623576 Standpunkt | Spare in der Zeit ... Ich gehöre zur Generation Sparefroh. Sparsamkeit gehört zu den Werten, die mir von klein auf vermittelt worden sind. Früh hatte ich ein Sparschwein und der Weltspartag hatte seinen fixen Platz im alljährlichen Feiertagsreigen – auch wegen der schönen Geschenke. Zu wichtigen Anlässen bekam man manchmal Sparbücher und Bausparverträge, man sparte auf einen Urlaub, ein Moped, ein Auto.

    Sparen hieß aber damals auch Nachhaltigkeit – Kinderkleidung wurde in der Familie weitergegeben, aus Waschmittelverpackungen wurden Papierkörbe gebastelt, ein Zeichenpapier wurde zweiseitig genutzt und meine Mutter konnte aus Restln wahre Festmähler komponieren. Nicht zu sparen wäre ihr wie Frevel vorgekommen. In ihren – aber auch in meinen – Schubladen findet man Gummiringerl, gebrauchtes und wieder zusammengelegtes Geschenkpapier und -bänder und vieles andere, was noch gut zu gebrauchen ist.

    Damals – genauer in den Jahren 1968 bis 1975 – machten Psychologen das berühmte Marshmallow-Experiment. Vierjährigen Kindern wurde eine Süßigkeit angeboten – schafften sie es, ihre Naschlust ein wenig zurückzustellen und zu warten, bekamen sie eine zweite dazu. Diejenigen Kinder, denen diese Impulskontrolle damals gelungen ist, erwiesen sich im späteren Leben als erfolgreicher.

    Und doch werde ich den Verdacht nicht los, dass manche dieser Kinder mittlerweile feststellen mussten, dass ihnen heute oft beide Marshmallows wieder weggenommen werden, dass andere ihre Impulse auch deswegen besser kontrollieren können, weil sie wissen, dass sie über größere, riesige Süßigkeitenvorräte verfügen.

    Sparen kann man von den Reichen lernen, besagt ein Sprichwort – die brauchen den Gürtel aber auch nicht enger zu schnallen: Sie haben Hosenträger. Ersparen können wir uns aber doch einiges: Nämlich dann, wenn wir uns rechtzeitig organisieren und gemeinsam gegen Ungerechtigkeit auftreten. Und indem wir immer wieder die Gelegenheit zur Wahl wahrnehmen und an der richtigen Stelle unsere Kreuzerl machen. Das bringt Zinsen – z. B. am 25. Mai bei der Europawahl.  

    In eigener Sache

    Liebe LeserInnen,

    sechs Jahre lang durfte ich die „Arbeit& Wirtschaft“ leiten. Es war eine sehr gute Zeit, dank all der Menschen, die hinter dieser Zeitschrift stehen. Fachleute aus ÖGB und AK legen hier seit 1923 den „Standpunkt der Arbeit zur Neuregelung der Wirtschaft“ dar. Ich persönlich konnte von so viel Wissen profitieren und Interviews mit so interessanten Männern und Frauen führen. Ich freue mich, dass ich bei vielen Veranstaltungen immer wieder Gelegenheit hatte, Kolleginnen und Kollegen, LeserInnen, persönlich kennenzulernen. Danke dem Redaktionskomitee aus ÖGB und AK – unschätzbar sind die spannenden Diskussionen, die hier stattgefunden haben.

    Der meiste Dank gebührt aber dem Team: Ohne Redaktionsassistentin Sonja Adler läuft nichts. Die Layouter Dietmar Kreutzberger und Walter Schauer beweisen unter Druck vor dem Druck Nerven. Fotograf Paul Sturm war für die spezielle Bildsprache und die wundervollen Cover verantwortlich. Sie alle werden die „A&W“ auch in Zukunft prägen.

    Das Leben erspart einem wenig, und schon gar nicht Abschiede.

    Der „Arbeit&Wirtschaft“ wünsche ich mindestens noch 90 Jahre, unterstützt von den neuen Medien wie dem formidablen Blog, der Facebook-Seite und Twitter. Ich bleibe Fan.

    Ein herzliches Glück auf!
    Katharina Klee

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    Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1384551633021 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623519 Spare in der Zeit - spare an der Zeit? Mit den kleinen grauen Herren hat Michael Ende in seinem Buch „Momo“ ein Sinnbild für sinnloses Zeitsparen geschaffen. Sie überzeugen die BewohnerInnen einer kleinen Stadt, immer mehr Zeit zu sparen – bis schließlich keiner mehr Zeit für irgendwas hat. Schon gar nicht für die schönen Dinge des Lebens. Klingt irgendwie vertraut.

    Immer weniger haben genug Zeit

    Denn eigenartigerweise scheinen in einer Welt, in der alles immer schneller geht, immer weniger Menschen genug Zeit zu haben. Um noch mehr Zeit zu sparen, gibt es alle möglichen technischen Neuerungen für einen müheloseren Haushalt, um schneller von A nach B, C oder D zu kommen, und höhere Übertragungsraten, um (noch) rascher Worte, Bilder und komplexe Dateien rund um die Welt auszutauschen. Auf der Schreibmaschine Briefe tippen und mit der Post losschicken, die Tage später bei den Empfängerin-nen und Empfängern eintrudeln – das war im letzten Jahrtausend. Heute dauert der gleiche Vorgang per E-Mail wenige Sekunden. Eine unfassbare Zeitersparnis.

    Aber es scheint, als hätten die kleinen grauen Herren die frei werdenden Stunden einkassiert. Denn wo eigentlich Freizeit und Muße sein sollten, regiert stattdessen häufig der radikale Mangel an Zeit, vulgo Stress. Irgendwas ist offenbar ordentlich schiefgegangen. Etwa das viel diskutierte Problem der ständigen Verfügbarkeit – so reicht dank Handy, Laptop und Internet der Arm des Arbeitgebers sogar bis auf andere Kontinente, während die Erholung im wahrsten Sinne des Wortes zurückbleibt. Die moderne Technik stellt sicher, dass nicht einmal eine Reise auf die Galapagosinseln Entspannung im Urlaub garantiert.

    Nächste Schwierigkeit: Der Überfluss an Möglichkeiten führt dazu, dass wir uns ständig entscheiden müssen. Selbst wenn wir ganz viel weglassen, wollen wir meistens am Ende trotzdem noch immer zu viel: Sport betreiben, Kultur genießen, Fernsehserien schauen, den Balkon bepflanzen … und einen Beruf und Familie sowieso.

    Dabei stapeln sich diese Aktivitäten auf jene Dinge, die jedenfalls getan werden müssen. Etwa den eigenen Unterhalt durch Erwerbsarbeit verdienen oder Essen einkaufen und kochen, die Wäsche waschen, die Wohnung zusammenräumen und auch einmal putzen und, und, und. Von Kinder versorgen und die kranke Oma besuchen gar nicht zu reden. Das alles braucht Zeit. Unnötig zu ergänzen, dass diese „Pflichtübungen“ zum überwiegenden Teil bei den Frauen angesiedelt sind.

    Grundbedürfnis Wi-Fi

    In unseren Köpfen hat sich offenbar auch etwas verschoben, denn nicht wenige werden unrund, wenn sie einmal nicht den elektronischen Zugriff auf alles und jedes haben. Nicht von ungefähr macht ein Bilderwitz die Runde, auf dem die Maslowsche Bedürfnispyramide zu sehen ist, wo als wichtigstes Grundbedürfnis „Wi-Fi“ dazugezeichnet wurde. Längst trifft das nicht mehr nur auf Jugendliche zu. Immer gibt es noch schnell etwas nachzuschauen oder zu beantworten. Abschalten zu können ist mittlerweile eine Kunst geworden. Die kleinen grauen Herren scheinen ihr Geschäft recht erfolgreich zu betreiben. Denn eigentlich müsste klar sein, dass man Zeit nicht sparen kann, sondern nur anders verwenden.

    Dabei ist zentrale Frage natürlich: Zeit wofür? Der zentrale Wunsch ist, möglichst autonom über die eigene Zeitverwendung zu bestimmen. Diese Regel ist immer dann massiv eingeschränkt, wenn die Bedürfnisse anderer wichtiger sind als die eigenen – ein Umstand, der vor allem Menschen trifft, die sich um Kinder oder hilfsbedürftige Erwachsene kümmern. Dass das vorwiegend Frauen sind, ist hinreichend bekannt.

    Frauen arbeiten mehr

    Beeindruckende 6,7 Millionen Stunden erbringen Frauen in Österreich täglich an Hausarbeit, Kinderbetreuung oder Betreuung von pflegebedürftigen Erwachsenen, wie die letzte Zeitverwendungsstudie zeigt. Männer kommen mit 2,9 Millionen Stunden nicht einmal auf die Hälfte dieses Volumens. Kein Wunder, dass sich die Verhältnisse bei der Erwerbsarbeit umkehren: Hier haben Männer mit 3,1 Millionen Stunden die Nase vorn, bei Frauen sind es „nur“ 2,3 Millionen Stunden. Damit arbeiten Frauen aber insgesamt deutlich mehr als Männer, die es nur auf 60 Prozent des weiblichen – bezahlten und unbezahlten – Arbeitsvolumens bringen.

    Zeitressourcen nützen

    Die Erfindung von Haushaltsgeräten hat geholfen, dramatisch viel Zeit einzusparen. Wer es sich leisten kann, lagert zusätzlich Putzarbeit aus. Damit gewinnen vor allem Frauen wertvolle Zeitressourcen, die meist in die eigene Erwerbstätigkeit investiert werden. Aber den Luxus, Hausarbeit auszulagern, haben nur wenige gut Verdienende. Und wer würde mit seinen Kindern reden, spielen und kuscheln auslagern wollen? Sonst wären wir wieder bei den kleinen grauen Herren, die alle gesparte Zeit aufsaugen und übrig bleibt – nichts.

    Aber bevor hier das Loblied der Erfüllung der Frau bei ihren mütterlichen Pflichten anklingt, muss daran erinnert werden, dass Kinder immer auch Väter haben. Die verbringen ihre Zeit oft mit Überstunden. 300 Millionen werden davon jedes Jahr geleistet, 69 Millionen davon unbezahlt. Allein die unbezahlten zusätzlichen Stunden entsprechen 40.000 Arbeitsplätzen. Die 290.000 Menschen, die 2013 durchschnittlich arbeitslos gemeldet waren, hätten sicher Interesse.

    Zusammenfassend müssen Frauen viel Zeit für Haushalt und Kinderbetreuung aufbringen, während die Männer viel Erwerbsarbeit leisten. Wobei oft viel mehr Zeit in den Job fließt, als gewünscht, während andere Menschen ihre Zeit vor allem mit dem Suchen nach einem ebensolchen verbringen. Womit klar wird: Es geht nicht darum, Zeit zu sparen, sondern sie umzuverteilen.

    Erwerbsarbeitszeiten sollten auf mehr Menschen aufgeteilt und damit im Durchschnitt für die Einzelne/den Einzelnen kürzer werden. Männer sollen sich mehr an Haushalt und Familie beteiligen, Frauen tendenziell mehr Zeit dafür haben, ein Einkommen zu erwerben.

    Entlastung bei Betreuungspflichten

    Bei den Betreuungspflichten braucht es zudem institutionelle Unterstützung: Gut ausgebaute Kinderbetreuung, flächendeckende Ganztagsschulen und bedarfsgerechte Angebote für die Pflege von Erwachsenen sind vonnöten.

    Dabei geht es nicht nur um die zeitliche Entlastung, sondern auch um Qualität. So können gut geschulte Pädagoginnen und Pädagogen eben andere Impulse und Anregungen einbringen als die meisten Eltern – so liebevoll deren Umgang auch ist.

    Auch Pflege ist eine anspruchsvolle und komplexe Tätigkeit, die Unterstützung durch professionell ausgebildete Pflegekräfte kann die betreuenden Familienmitglieder spürbar ent-lasten. Der Familie bleibt so mehr Zeit für einen gemütlichen Plausch oder andere kleine Unternehmungen, die sonst im Alltagsstress nicht oder nicht in dem Ausmaß möglich wären. Genauso, wie eine Ganztagsschule das Familienleben entspannt, weil alle Aufgaben erledigt sind, wenn die Kinder nach Hause kommen. Die Zeit kann dann mit schöneren Dingen gefüllt werden als Ermahnungen, was noch alles für die Schule zu tun ist.

    Mehr Zeit zum Leben

    Mehr Zeitwohlstand für alle zu schaffen wird sich ohne kürzere Erwerbsarbeitszeiten nicht machen lassen. Die Schaffung von Freiräumen durch Phasen von Einkommen ohne Arbeit, z. B. in Form von Sabbaticals und Bildungskarenz, ist eine gute Sache.

    Aber sowohl aus einer Geschlechter- als auch Gesundheitsperspektive muss vor allem die wöchentliche Erwerbsarbeitszeit reduziert werden – und zwar generell für alle und nicht individuell ohne Lohnausgleich in Form weiblicher Teilzeitarbeit, wie es derzeit stattfindet. Damit könnten viele Menschen Arbeit mit Einkommen und Zeit für andere Dinge haben – ohne dabei sparen zu müssen. Ganz im Sinne von: Sparst du noch Zeit oder lebst du schon?

    Der AK-Zeitspeicher: zeitspeicher.arbeiterkammer.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sybille.pirklbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sybille Pirklbauer, Abteilung Frauen-Familie der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623529 Dabei stapeln sich diese Aktivitäten auf jene Dinge, die jedenfalls getan werden müssen. Etwa den eigenen Unterhalt durch Erwerbsarbeit verdienen oder Essen einkaufen und kochen ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623496 Will_sein.com Schließlich habe ich ein Smartphone, bin 32, single und frohgemut. Soeben habe ich meine verbliebene Habe in einen Rucksack gepackt und ein Selfie gepostet. Minimalismus ist für mich ein guter Weg, die Widersprüche des Lebens zu ertragen. Je weniger Dinge ich besitze, desto gelassener werde ich. Loslassen ist das Ding. Je weiter ich mich vom Besitz entferne, umso besser liege ich im Trend. Auf die Chips-Esser aus dem Penny-Markt blicke ich nicht mit Verachtung herab. Soziale Kompetenz ist mir schließlich nicht fremd. Meine Büchersammlung habe ich dem Sozialflohmarkt gespendet. Ich lade CDs und Bücher aus dem Netz. Meine leere Wohnung wartet nach der Rückkehr aus der inneren Einkehr auf mich. Ich bin eine Pionierin der neuen Enthaltsamkeit und ein mediales Konstrukt.

    Konsumverzicht

    Immer häufiger werden Menschen vor den medialen Vorhang gebeten, die durch radikalen Konsumverzicht die Wegwerfgesellschaft kritisch hinterfragen. Minimalismus wird die Haltung genannt, mit möglichst wenig materiellen Gütern auszukommen. Jeder Gegenstand weniger bedeutet, wieder mehr Überblick über das eigene Leben zurückzugewinnen. Aus der steigenden Anzahl von Bloggerinnen und Bloggern im deutschsprachigen Raum wird gerne auf einen Trend geschlossen, der sich, gesamtgesellschaftlich betrachtet, jedoch in Bezug auf die Nachhaltigkeit minimal verhält. Konsumkritik und freiwilliger Verzicht sind vorrangig im sozialen Milieu der „Postmateriellen“ beheimatet. Sie sind zwischen 20 und 50 Jahre alt, vorwiegend weiblich, verfügen über ein mittleres bis hohes Einkommen und weisen das höchste Bildungsniveau in Österreich auf, heißt es in den Working Papers zu „Nachhaltiger Konsum und soziale Ungleichheit“ von Karl-Michael Brunner (Februar 2014), herausgegeben von der AK Wien, Abteilung KonsumentInnenpolitik. Der konsumierende Prototyp dieses Milieus legt Wert auf Freiräume für die individuelle Entfaltung und Selbstverwirklichung. Dieser Typus konsumiert Lebensmittel aus biologischem Anbau, Produkte aus fairem Handel und gibt nachhaltigem Konsum den Vorrang.

    LOHAS

    Dies werde, so die erwähnte AK-Studie, von Markt- und Meinungsforschern auch symbolisch honoriert: Die „Postmateriellen“ gelten als ParadevertreterInnen der LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability). Der Haken an der Sache: Der Verzicht auf bestimmte, als überflüssig erachtete Güter geht nicht unbedingt einher mit umweltverträglicherem Handeln. So wird etwa der positive Effekt nachhaltiger Ernährung mit regionalen Produkten häufig durch die Folgen gesteigerter Mobilität zunichtegemacht. Laut einer Studie des VCÖ (2009) verursachen Österreichs Haushalte des obersten Einkommensviertels durch Alltagsfahrten im Auto und öffentlichen Verkehr fast 4,5-mal so viele CO2-Emissionen wie der unterste Einkommenshaushalt, Flugreisen nicht inkludiert.

    Konsumkapitalismus

    Die Mentalität der Wegwerfgesellschaft ist zunehmend in Kritik geraten. Lange Zeit stand das bipolare Bild – hier der reiche Norden, da der arme Süden – im Zentrum des Nachhaltigkeitsdiskurses. „Im Zuge von Wirtschaftskrise und verschärften Verteilungskonflikten richtet sich der Blick aber zunehmend auch auf die sozialen Ungleichheiten in Industriestaaten und deren Implikationen für nachhaltige Entwicklung“, heißt es in der AK-Studie.

    Nachhaltigkeit ist inzwischen zu einem kollektiven Leitbild geworden, doch bedeutet das nicht unbedingt Konsens über das weitere Vorgehen. So kann der Umstieg auf erneuerbare Energie, wenn er nicht von den entsprechenden politischen Maßnahmen begleitet wird, mit erhöhten Energiepreisen und schlimmen Folgen für die sozial Schwachen einhergehen.

    Vom Konsumkapitalismus zwangsläufig ausgeschlossen zu werden, bedeutet für viele auch ein Leben am Rand der Gesellschaft. Laut einer IFES-Umfrage, die von der AK Wien unter 500 Personen durchgeführt wurde, die im vergangenen Jahr zumindest einmal arbeitslos waren, geraten rund 22 Prozent mit der Miete in Rückstand, 61 Prozent kaufen (ungesunde) Billigangebote. Gespart wird auch an den Ausgaben für Bildung und Freizeit der Kinder.

    Tauschen

    Erna F. hat nach Alternativen gesucht und im Tauschkreis Wien welche gefunden. Als gelernte Friseurin bietet sie Haarschnitt und Stylingberatung. Im Gegenzug holt sie sich die Nachhilfestunden für ihren Sohn und „andere Dinge, die ich mir sonst nicht leisten könnte“. Seit dem Krisenjahr 2008 hat sich die Mitgliederzahl der Tauschbörse auf rund 1.150 verdoppelt. In Griechenland, so berichtet Rudo Grandits, Obmann des österreichischen Tauschkreisverbundes, der mehrere Tauschbörsen im deutschsprachigen Raum vereint, ist die Zahl der Mitglieder sprunghaft gestiegen.

    Doch Tauschkreise sind bei Weitem mehr als momentaner Krisenkitt. Immer mehr Teilnehmende befassen sich mit grundlegenden Fragen des gerechten Austauschs von Waren und Dienstleistungen. Nach dem Motto „Unser aller Lebenszeit ist gleich viel wert“ werden Dienstleistungen und Waren über Stundengutscheine verrechnet – gleich ob Schlagbrunnen-Bohren, Ausmalen, Grabpflege, empathisches Zuhören oder die Dienste als Ersatzoma.

    Die „typischen“ Konsumierenden sind aber weder die Minimalistin, die auf ihrem Blog Anleitung zur Entrümpelung ihres Daseins gibt, noch der Biologiestudent, der das Stutzen von Obstbäumen gegen Haareschneiden tauscht. „Die Verantwortungszuschreibung an die KonsumentInnen vergisst, dass es sehr verschiedene Gruppen gibt, mit jeweils unterschiedlichen Ressourcenausstattungen, lebensweltlichen Orientierungen und Handlungsbedingungen“, schreibt Karl-Michael Brunner in der zitierten Studie. Der typisch Konsumierende ist jünger, hat ein niedrigeres Bildungsniveau und ist vorwiegend männlich. In diesem Milieu dominieren ArbeiterInnen und einfache Angestellte, das Armutsrisiko ist hoch. „Dieses Milieu orientiert sich an den Lebensstandards der breiten Mittelschicht und versucht, über den Konsum gesellschaftlichen Anschluss zu finden.“ Gleichzeitig aber, und das sollte jenen zu denken geben, die sozial Schwachen gelegentlich unverhältnismäßigen Konsum vorwerfen, ist das Konsumniveau niedrig und der ökologische Fußabdruck weniger ausgeprägt als in anderen sozialen Milieus.

    Am Beispiel Energiearmut werde deutlich, dass einkommensschwache Haushalte letztlich eine vergleichsweise niedrig-energetische Lebensweise pflegen. So wäre es gerade unter der Perspektive sozialer Ungleichheit wichtig, dass kollektive Akteure wie Gewerkschaften, Ministerien und Schulen Nachhaltigkeit befördern, anstatt die Verantwortung ausschließlich auf die Konsumentinnen und Konsumenten zu verlagern. Ein wichtiger Motor zur Bekämpfung von Energiearmut und zur Steigerung der Nachhaltigkeit wäre es, die Energieeffizienz von Gebäuden zu erhöhen. Denn, so der Bericht abschließend: „Soziale Ungleichheiten sollten durch nachhaltigkeitsbezogene Maßnahmen nicht verstärkt, sondern reduziert werden.“

    Produktionsbedingungen verbessern

    Wie groß die organisierte Macht der Konsumentinnen und Konsumenten ist, zeigte jedoch unlängst das Beispiel der Zustände in der Textilindustrie in Bangladesch. 31 Firmen unterzeichneten nach verheerenden Fabriksbränden das Abkommen über Gebäudesicherheit und Brandschutz. „Das Verhalten von umwelt- und sozial engagierten Konsumentinnen und Konsumenten allein wird die schlimmen Produktionsbedingungen aber nicht ändern können“, meinte AK-Präsident Johann Kalliauer. Daher fordert die AK Verbesserungen in der Produktion von Konsumgütern in den Entwicklungsländern.

    Info&News:
    Working Papers Verbraucherpolitik, Verbraucherforschung: „Nachhaltiger Konsum und soziale Ungleichheit“ von Karl-Michael Brunner, Februar 2014, ISSN 2218-2764
    tinyurl.com/k57e7mn

    Zum Nachlesen – Sozialpolitik in Diskussion: tinyurl.com/oocj2te Arbeiterkammer – Konsumentenschutz: www.ak-konsumenten.info
    Tauschkreis-Verbund: www.tauschkreis.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Gabriele Müller, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623503 Wie groß die organisierte Macht der Konsumentinnen und Konsumenten ist, zeigte unlängst das Beispiel der Zustände in der Textilindustrie in Bangladesch. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623473 Wer spart, der hat? Reich wird man nicht durch das, was man verdient, sondern durch das, was man nicht ausgibt“, sagte einst Henry Ford. Mit der Diskussion um Vermögenssteuern wirkt der Ausspruch des amerikanischen Großindustriellen aktueller denn je: Von Politikerinnen und Politikern, Wirtschaftstreibenden, Wohlhabenden bis hin zu Internetseiten mit Namen wie „wiewerdeichreich“ wird uns das Bild vermittelt, dass man vor allem durch (Arbeits-)Leistung und Sparwillen reich wird. Hält diese Botschaft der Realität stand? Ein Blick auf die Daten gibt Aufschluss.

    In Österreich wird viel gespart

    Seit 2001 ist das Geldvermögen privater Haushalte laut den Zahlen der österreichischen Nationalbank von etwas über 300 Milliarden Euro auf knapp 500 Milliarden Euro angestiegen. Treibende Kraft hinter dieser massiven Zunahme war die Ersparnisbildung der Haus-halte, da es in Österreich keine nennenswerte Geldvermögensbildung aus Kreditaufnahmen gibt. Laut Eurostat lagen Österreichs Haushalte 2012 mit einer Bruttosparquote von 12,62 Prozent auch klar über dem EU-Schnitt von 11,26 Prozent. Es zeigt sich also: In Österreich wird viel gespart.

    Geändert hat sich allerdings die Art des Sparens. Zwar machten Bargeld und Einlagen (Sichteinlagen, Sparkonten, Bausparverträge) 2013 mit 47 Prozent weiterhin den Großteil des Geldvermögens aus, 1980 lag dieser Anteil jedoch noch bei 69 Prozent. An Bedeutung gewonnen haben seit damals vor allem versicherungstechnische Rückstellungen wie Lebens- und Pensionsversicherungen, deren Anteil von 12 auf 20 Prozent gestiegen ist, und Anteilspapiere (Aktien, Investmentzertifikate, Beteiligungen an GmbHs etc.) mit einem Anstieg von einem auf 12 Prozent.

    Gespart wird dabei in fast allen Haushalten. Die Erhebung zur finanziellen Situation und zum Konsum von Haushalten (HFCS)1 aus dem Jahr 2010 zeigte, dass 87,1 Prozent aller Haushalte Sparkonten und immerhin noch 54,7 Prozent Bausparverträge hatten. Anteilspapiere und Fonds, die knapp 20 Prozent des Geldvermögens ausmachen, hielten jedoch nur zehn Prozent aller österreichischen Haushalte. Während klassische Sparkonten von Haushalten aller Vermögensschichten gehalten werden, kommen riskantere (aber auch ertragreichere) Sparformen wie Anleihen und Aktien in vermögensarmen Haushalten so gut wie gar nicht vor, bei vermögensreichen Haushalten dafür sehr häufig. Wer mehr Geldvermögen hat, kann viel diversifizierter anlegen, das Risiko breiter streuen und in den meisten Fällen auch höhere Renditen erzielen.

    2,7 Sparkonten/ÖsterreicherIn

    Doch auch innerhalb der Sparkonten gibt es große Unterschiede in der Verteilung. Insgesamt gab es 2011 rund 23 Millionen Sparkonten in Österreich oder etwa 2,7 Konten pro Person. Von den gesamt rund 157 Milliarden Euro an Spareinlagen lagen mehr als 80 Prozent auf Konten mit bis zu 10.000 Euro. Auf nur 0,03 Prozent aller Konten lagen Beträge über 500.000 Euro. Dennoch summierten sich darauf Spareinlagen von über acht Milliarden Euro und damit von über fünf Prozent des Gesamtvolumens. Das Sparbuch ist daher nicht nur die Sparform des „kleinen Mannes“.

    Reich durch Sparen?

    Fast alle österreichischen Haushalte sparen und es gibt insgesamt große Ersparnisse. Gibt es daher auch viele reiche Haushalte? Die Antwort ist Nein. Die Erhebung zur finanziellen Situation und zum Konsum von Haushalten (HFCS) hat gezeigt, dass 2010 die Hälfte aller österreichischen Haushalte ein Nettovermögen (also Sachvermögen plus Geldvermögen abzüglich Verschuldung) von maximal 77.000 Euro hatte. 80 Prozent verfügten über maximal 311.000 Euro.

    Erst in den Top fünf Prozent der Haushalte fanden sich Euromillionäre. Diese konnten dafür aber etwa 45 Prozent des Gesamtvermögens auf sich vereinen, während die vermögensarme Hälfte nur vier Prozent des Vermögens besaß. Beim Geldvermögen war diese ungleiche Verteilung noch stärker.

    Auch wenn Reichtum nicht eindeutig definiert werden kann, da es sich vor allem um eine relationale Größe handelt, und die Erhebung auch viele Haushalte umfasst, die erst am Anfang oder in der Mitte ihres Ersparnisaufbaus stehen, zeigen diese Zahlen, dass es in Österreich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung zu größerem Reichtum bringt. Und Sparen allein war wohl für sehr wenige der Weg zum Reichtum. Denn ein wichtiger Teil des Vermögens österreichischer Haushalte – etwa ein Drittel – stammt aus Erbschaften, die bei den sehr vermögenden Haushalten deutlich häufiger und mit höheren Summen anfallen als beim Rest der Bevölkerung.

    Woran liegt’s?

    Sparen allein reicht für den Aufbau von Reichtum meist nicht aus, da viele Haushalte nicht genug Einkommen erzielen, um größere Beträge anzusparen. Laut der Konsumerhebung 2009/10 der Statistik Austria hatten österreichische Haushalte 2010 ein durchschnittliches monatliches Äquivalenznettoeinkommen2 von 2.020 Euro, dem monatliche Äquivalenzausgaben von 1.880 Euro gegenüberstanden. Im Durchschnitt sparten die Haushalte im Monat also 140 Euro oder sieben Prozent des Nettoeinkommens.

    Die Schwierigkeit, durch Arbeit reich zu werden, zeigt auch ein kleines Gedankenspiel der Arbeiterkammer Wien. In ihrer Broschüre „Die Verteilung von Vermögen in Österreich“ stellt sie die Frage, wie viel Vermögen durch unselbstständige Arbeit über ein Erwerbsleben erspart werden kann. Vier beispielhafte Lebensläufe werden nachgezeichnet und ihre Ersparnisse am Ende von 45 Jahren Vollzeitarbeit verglichen. Millionäre werden alle vier nicht. Selbst jene fiktive Person, die durchgängig ein hohes Einkommen erzielt, davon monatlich 15 Prozent zur Seite gelegt und das Ersparnis mit fünf Prozent jährlich verzinst hat, hatte zum Pensionsantritt 2012 gerade einmal 270.000 Euro auf der Kante.

    Neben dem Einkommen spielt die soziale Herkunft eine wichtige Rolle. Wer finanzielle Zuwendungen wie Schenkungen und Erbschaften erhält, kann leichter ein Vermögen aufbauen. Auch der Zugang zu guter Bildung und Ausbildung ist in Österreich einfacher für Kinder wohlhabender Familien. Außerdem haben Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen durchschnittlich deutlich höhere Vermögen als der Rest der Bevölkerung.

    Wer spart, der hat?

    Die Daten zeigen, dass es in Österreich nur ein kleiner Teil der Bevölkerung zu größerem Reichtum bringt. Sparen allein reicht dafür meist nicht aus. Das Einkommen vieler Haushalte, kombiniert mit hohen Lebenskosten, ist zu niedrig, um große Schritte zu tun. Einfacher haben es jene, die in reiche Familien geboren werden, dank Schenkungen, Erbschaften und einem besseren Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. Hinzu kommt, dass Arbeit in Österreich sehr hoch besteuert wird, Vermögen hingegen kaum. Das Versprechen, durch Leistung und Sparen reich werden zu können, wirkt daher hohl. Viel eher dient es dazu, die ungleiche Verteilung von Vermögen zu legitimieren und die Verantwortung für den persönlichen Reichtum zu individualisieren. Wer nicht reich wird, soll die Schuld bei sich selbst suchen und nicht bei den gesellschaftlichen Gegebenheiten. Im öffentlichen Diskurs ist daher mehr Ehrlichkeit nötig – und eine stärkere Umverteilung des gesellschaftlichen Wohlstands.

    1 Die Erhebung zur finanziellen Situation und zum Konsum von Haushalten (HFCS – Household Finance and Consumption Survey) wurde 2010 unter Anleitung der EZB in allen Euro-Staaten von der jeweiligen Zentralbank durchgeführt. Sie gibt erstmals Aufschluss über die Vermögenssituation österreichischer Haushalte.
    2 Äquivalisierung ist eine Methode, um Haushalte unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung vergleichbar zu machen.


    AK Wien: Die Verteilung von Vermögen in Österreich. Download unter: tinyurl.com/pwg2mzf

    Statistik Austria: Konsumerhebung 2009/10: tinyurl.com/nhjggx7

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor manuelmelzer@yahoo.com oder die Redaktion aw@oegb.at 

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    Manuel Melzer, Ökonom und Entwicklungsforscher Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623480 Fast alle österreichischen Haushalte sparen und es gibt insgesamt große Ersparnisse. Gibt es daher auch viele reiche Haushalte? Die Antwort ist Nein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Thu, 15 May 2014 00:00:00 +0200 1399998623453 Vom Sparen und Steuern Zur Person
    Univ.-Prof. Dr. Erich Kirchler

    Geboren am 4. November 1954, Sand in Taufers, Südtirol
    Geschieden, eine Tochter
    Vizedekan der Fakultät für Psychologie an der Universität Wien
    Stv. Vorstand des Instituts für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft
    1973–1975 Architektur-Studium, Studium der Psychologie und Humanbiologie
    1979 Studienabschluss in Psychologie
    1989 Habilitation an der Universität Linz
    Seit 1992 Professor für Angewandte Psychologie an der Universität Wien mit Schwerpunkt Wirtschaftspsychologie
    Forschungsaufenthalte und Gastprofessuren u. a. in Italien, im UK, in den USA und in Australien
    Herausgeber/Mitherausgeber des Journal of Economic Psychology (seit 2003) und der WU International Taxation Research Paper Series (seit 2013)

    Publikationen

    Wirtschaftspsychologie: Individuen, Gruppen, Märkte, Staat. Hogrefe Verlag, Göttingen, 2011
    Erich Kirchler (Hg.): Arbeits- und Organisationspsychologie. Facultas, Wien, 2011
    Weitere Publikationen siehe: homepage.univie.ac.at/erich.kirchler

    Arbeit&Wirtschaft: Herr Professor Kirchler, aus aktuellem Anlass vielleicht ein kurzes Statement zur Budgetrede vom 29. April beziehungsweise zum aktuellen Budget?

    Erich Kirchler: Ich beobachte eine große Unsicherheit. Was derzeit stattfindet, ist eher Krisenmanagement als fundiertes und reflektiertes Handeln zur Gestaltung der Zukunft. Statt strategisch und geplant vorzugehen, wird hauptsächlich repariert.

     Es fehlt der staatsmännische Weitblick?

    Ja, den würde man sich von Politikern und Politikerinnen doch wünschen. Tatsächlich gibt es aber Reparaturpolitik im Sinne von kurzfristigen Reaktionen auf drängende Probleme. Vermutlich liegt es daran, dass die Politik gegenüber der Wirtschaft ins Hintertreffen geraten ist. Politiker sollten eigentlich als eine Art Moderatoren zwischen den Interessen der Bevölkerung und der Wirtschaft fungieren. Aber das können sie nicht mehr ausreichend tun, denn in der Regel hören ihre Möglichkeiten an den nationalen Grenzen auf, während die Wirtschaft wesentlich flexibler und globaler handeln kann.

    PolitikerInnen müssen auf viele Stakeholder Rücksicht nehmen und mit diesen verhandeln, während Unternehmen eindeutig ihre eigenen Interessen verfolgen können.

    Genau. Der Idealzustand wäre, dass alle – Politik und Wirtschaft – im Interesse des Volkes arbeiten. Aber Politiker sehen sich gezwungen, ganz unterschiedliche Interessen unter einen Hut zu bringen und dabei die Verteilungsgerechtigkeit zu optimieren. Die Wirtschaft hingegen zielt darauf ab, zu wachsen. Ich sehe die Politik als moderierende Kraft zwischen den Interessen der Bevölkerung und der Wirtschaft. Wenn die Politik die Aufgaben der Regulation nicht effizient und effektiv wahrnehmen kann, dann wird die Wirtschaft eben ihre eigenen Interessen verfolgen und das kann man ihr eigentlich auch nicht vorwerfen. Jetzt wird versucht, die durch die fehlende regulierende Kraft entstandenen Veränderungen an bestimmten Namen oder Personen festzumachen. Ich denke, die Politik hat in vielen Ländern an Kraft eingebüßt und es bedarf dieser regulierenden Instanz zwischen Interessen des Volkes und der Wirtschaft.

    Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?

    Entweder es erfolgt ein Regulativ aus der Wirtschaft selbst, was schwer zu hoffen wäre, mich aber im Grunde überraschen würde. Oder man erkennt, dass politisches Wirken auf regionaler Ebene nicht mehr effektiv genug ist, um entsprechende Regulationsmaßnahmen zu setzen. Wir müssen uns eingestehen, dass wir in größerem Zusammenhang, auf europäischer und globaler Ebene, politisch tätig werden müssen.

    Das Phänomen ist ja häufig, dass die verschiedenen Interessengruppen bei den großen Zielen oft sogar einig sind: Es muss gespart werden, das Gesundheitssystem muss effizienter werden, strukturelle Reformen sind nötig etc. Bei den konkreten Maßnahmen scheitert es dann aber.

    So ist es, jeder ist für Einsparungen, aber nicht bei sich selbst. Besonders in der Politik verhindern partikuläre Interessen immer wieder, mit vereinten Kräften in eine Richtung zu gehen. So ist es ja auch etwa beim Thema Steuern, wo im Grunde alle einig sind, dass sowohl Vereinfachung der Gesetze als auch mehr Transparenz nötig sind. Aber wirkungsvolle Lösungsansätze gibt es bis heute nicht.

    Was wäre ein Lösungsansatz – Moderatoren, die zwischen den Interessengruppen vermitteln?

    Ja, so könnte man zu integrativen Lösungen kommen. Was versteht man unter integrativen Lösungen im Gegensatz zu Kompromissen? Nehmen wir als einfaches Beispiel die Urlaubsplanung eines Paares: Er will ans Meer, sie in die Berge. Ein möglicher Kompromiss wäre, ein Jahr ans Meer und beim nächsten Mal ins Gebirge zu fahren oder eine Woche dahin und die zweite Woche dorthin. Allerdings wäre dann vermutlich immer ein Partner unzufrieden. Forscht man aber genauer nach, dann stellt sich vielleicht heraus, dass es dem einen um die Nähe zum Wasser an sich geht und dem anderen um die frische Luft. Also könnte ein Bergsee eine integrative Lösung darstellen. Integrative Lösungen zu finden kostet auf den ersten Blick vielleicht viel Zeit, sie können aber Konflikte, Frust und Fehlinvestitionen ersparen.

    Sie haben sich auch intensiv mit dem Themenkreis Steuern, Steuermoral und Steuersparen beschäftigt. Was kann der Staat tun, damit die Compliance verbessert wird, dass vor allem Unternehmen einen gerechten Anteil leisten?

    Viel, sehr viel. Selbst als Psychologe ist mir bewusst, dass Kontrollen und Strafen nötig sind. Aber wie diese Machtinstrumente des Staatsapparates eingesetzt werden, wie und in welchem Vertrauensklima das passiert, ist essenziell. Ob SteuerzahlerInnen kooperieren wollen oder laufend versuchen, aus der Steuerpflicht irgendwie rauszukommen, hängt von vielen Faktoren ab. Im Allgemeinen ist die Steuermoral in Österreich ganz okay. Die Leute zahlen ihre Steuern, zwar nicht gern, aber doch großteils ehrlich. Das große Problem sind die Unternehmen, die ganz legal Steuervermeidung betreiben und Schlupflöcher nutzen. Hier kommen Sie mit Kontrollen und Strafen nicht weiter. Denn Sie können Firmen wie Starbucks, Google, Apple etc. kontrollieren und Sie werden feststellen, es ist völlig legal, dass ein großes Unternehmen vielleicht gerade einmal ein bis drei Prozent Steuer zahlt. Da wurden superclevere Konstruktionen entwickelt, man kommt ihnen mit den üblichen Gesetzen und Sanktionen nicht bei. Ich kann in dieser Situation also nur eines tun: auf den Goodwill pochen, auf wechselseitige Kooperation setzen, einen Vertrag für Fair Play entwerfen. Durch „Verhandlungen auf Augenhöhe“ und kooperatives Vorgehen zwischen Finanz und Unternehmen kann eine Vertrauensbasis entstehen. In den Niederlanden etwa wird dies in Form des sogenannten Horizontal Monitoring seit 2005 angewandt. Die begleitende zeitnahe „Konsultation“ alternativ zur traditionellen vergangenheitsorientierten Betriebsprüfung im Nachhinein kommt bei den Unternehmen gut an. Sie erhalten Rechtssicherheit, können planen, ersparen sich aufwendige Verfahren und Dokumentationen. Im Gegenzug zahlen sie ehrlich ihre Steuern. In Österreich gibt es das Horizontal Monitoring seit 2011 als Pilotprojekt mit einigen Unternehmen.

    Eine Win-win-Situation?

    Immer mehr Finanzministerien und Firmen setzen auf diesen Paradigmenwechsel, sie wollen auf Vertrauensbasis zusammenarbeiten und nicht Räuber und Gendarm „spielen“. Das ist für mich die Zukunft. Wir leben nicht in einem Staat, in dem wir einander bekriegen müssen. Das Unternehmen kann planen, weiß, was es an Steuerzahlungen zu erwarten hat. Derzeit müssen Unternehmen mit Steuerprüfungen bis zu sieben Jahre im Nachhinein rechnen. Da wird dann hin und her diskutiert, verhandelt und gedeutelt, nicht zuletzt weil man an der Vergangenheit doch nichts mehr ändern kann. Es geht um Fair Play auf beiden Seiten. Feinddenken im Sinne von „Wir sind hier die Behörde und da draußen sind die Bösen“ bringt nichts.

    Steuergesetze sind ein komplexes Gefüge, nicht immer ist alles klar, das heißt, Verständnis ist ein entscheidender Faktor. Was bedeuten Steuern, wie verhalte ich mich richtig? Was passiert mit dem Steuergeld? Das muss den Menschen vermittelt werden. Dafür gibt es viele Wege, auch die Medien spielen hier eine Rolle. Es muss klargemacht werden, dass wir nicht in einem Land von Steuerhinterziehern leben, dass die Mehrheit ihre Steuern entrichtet. Das heißt, die soziale Norm ist „ehrlich zahlen“. Vertrauen bilden, das bedeutet, für Gerechtigkeit zu sorgen. Ich muss verstehen, warum ich meine Belastungen und Steuervorteile habe und andere ihre (distributive Gerechtigkeit). Noch wichtiger ist die prozedurale Gerechtigkeit: Verfahren müssen transparent sein, ethisch vertretbar. Dann sind die Steuerbehörden Experten, die mich beraten und mir helfen, die Gesetze einzuhalten. Wenn sich jemand unter diesen Bedingungen noch immer nicht an die Gesetze hält, dann sind empfindliche Strafen nötig.

    Hat Steuerhinterziehung überhaupt etwas mit Sparsamkeit zu tun?

    Man könnte vermuten, dass diejenigen, die ihr Geld mühsam erarbeitet haben, sich damit schwerer tun, dem Staat davon etwas abzugeben, als jene, die es leicht verdient haben. Tatsächlich hat sich bei Erhebungen in mehreren Ländern herausgestellt, dass leicht verdientes Geld, das etwa durch Glück beim Spekulieren verdient wurde, eher hinterzogen wird. Nach dem Motto „Wie gewonnen, so zerronnen“ sind Menschen mit leicht verdientem Geld deutlich risikofreudiger.

    Wie weit ist Sparsamkeit heute überhaupt noch angesagt?

    Die Bereitschaft, Kredite aufzunehmen, ist in letzter Zeit gestiegen, es wird weniger gespart. Vielleicht auch weil die Möglichkeiten geringer geworden sind, weil mehr Leute ihr gesamtes Einkommen zum Leben brauchen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die Sparquote sinkt. Aber wir leben heute auch in einer hedonistischen Zeit, genießen die Gratifikationen des Konsums lieber gleich als später. Die Motive fürs Sparen können ganz unterschiedlich sein: vorsorgen, auf ein bestimmtes Gut hinsparen, Absicherung für die Zukunft oder um Werte weiterzugeben. Sparen kann ein Gefühl der Autonomie und Sicherheit vermitteln, man fühlt sich besser gerüstet für die Zukunft.

    Und wie verhält es sich mit dem Schuldenmachen? Man kann ja heute fast alles auf Kredit kaufen.

    Auch bei uns wird es immer akzeptabler, für Autos, Laptops oder Urlaube Schulden zu machen. Uns hat vor allem interessiert, wie weit die Leute verstehen, was mit einem Kredit tatsächlich auf sie zukommt, welche zukünftige Belastung ansteht. Und da vermute ich, dass das angestrebte Gut sehr blendet. Wer etwa für eine Urlaubsreise einen Kredit aufnimmt, der muss womöglich selbst dann noch Raten abstottern, wenn er schon längst wieder zu Hause und der Erholungseffekt schon lange vorbei ist. Wenn man sich aufgrund eines Kaufes auf Kredit auch in Zukunft noch lange einschränken muss, dann bekommt man möglicherweise das Gefühl, dass man sich nichts mehr leisten kann oder zumindest weniger als die Nachbarn. Das führt dann unter Umständen dazu, dass der nächste Kredit aufgenommen wird. Wer fähig ist, auf sofortige Gratifikation zu verzichten, Belohnungen aufzuschieben, also zu sparen, der kann dann das Gut tatsächlich genießen. Aber dieses Aufschieben scheint in letzter Zeit immer weniger attraktiv zu sein.

    Dann gibt es noch den gegensätzlichen Trend, nachhaltig zu leben, Gebrauchtes wiederzuverwerten und Ressourcen zu sparen.

    Ja, auf der einen Seite gibt es diejenigen, die alles möglichst sofort haben möchten – aus den unterschiedlichsten Gründen: aus reinem Hedonismus oder weil man durch den Erwerb von Konsumgütern Anerkennung und Status erlangen möchte. Andere wollen beim Shopping Symbole erwerben, die ihr soziales Selbst definieren oder ergänzen. Auf der anderen Seite gibt es eine Gruppe, die auf Nachhaltigkeit setzt. Für sie ist Bescheidenheit ein wertvolles Gut, mit dem sie ihre soziale Freiheit gewinnt. Ich denke, dass Nachhaltigkeit für junge Leute ein wichtiges Thema ist. Wir erzeugen Müll in erschreckenden Mengen. Würden wir konsequent nachhaltig oder sagen wir sparsam leben, also weniger konsumieren bzw. wegwerfen, dann könnten wir vielleicht unsere Arbeitszeit reduzieren. Diese Art von Sparsamkeit wird vielleicht für die nächste Generation wichtiger werden als für unsere.

    Aber gefährdet das nicht das Wirtschaftswachstum?

    Diese Argumentation habe ich noch nie verstanden, die Wirtschaft ist doch kein Organismus, der sich freut oder leidet. Ich habe noch nie gehört, dass die Wirtschaft blutet oder Kopfweh hat. Was soll das heißen, wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut? Solche Slogans sollte man schon hinterfragen. Ist für mehr Freizeit und mehr Lebensqualität Wirtschaftswachstum nötig?

    Geld macht also nicht unbedingt glücklich?

    Trotz des enormen Wirtschaftswachstums seit den 1950er-Jahren ist die allgemeine Lebenszufriedenheit zum Beispiel in den USA nicht gestiegen. Selbstverständlich müssen die Grundbedürfnisse erfüllt sein, aber dann gibt es sehr viele Variable im Leben eines Menschen, die wesentlich wichtiger für seine Zufriedenheit sind als Geld. Mit entscheidend ist etwa der relative Wohlstand. Wenn der Nachbar sich deutlich mehr leisten kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit für Unzufriedenheit relativ groß. Je größer die Einkommensunterschiede in einem Staat sind, desto unglücklicher ist die Bevölkerung. So gesehen wäre es sinnvoll, Steuern hoch progressiv zu gestalten, um die Einkommensunterschiede zu nivellieren, weil das die Gesellschaft glücklicher macht. Laut einer internationalen Studie verhält sich die Höhe der Steuerprogression proportional zum nationalen Glück. Steuerpolitik kann also nicht nur beeinflussen, wie viel Geld der Staat zur Verfügung hat, sondern durch Umverteilung auch die Zufriedenheit der Bevölkerung beeinflussen.

    Wir danken für das Gespräch.

    Mehr Info zu Erich Kirchler und dem Institut „Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft“: homepage.univie.ac.at/erich.kirchler

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    Das Interview führte Astrid Fadler für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 4/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1399998623460 Erich Kirchler: "Würden wir konsequent nachhaltig oder sagen wir sparsam leben, also weniger konsumieren bzw. wegwerfen, dann könnten wir vielleicht unsere Arbeitszeit reduzieren." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350769 Das Bohren harter Bretter Grundsätzlich ähnelt die Arbeit einer Gewerkschafterin im Europäischen Parlament durchaus der alltäglichen Arbeit von Gewerkschaften. Man muss seine Standpunkte vertreten, Allianzen finden, Netzwerke knüpfen und die besseren Argumente für die richtige Sache haben. Bei der aktuellen Sitzverteilung ist das nicht immer ein leichtes Unterfangen.

    Thematisch war es vor allem ein Ereignis, das die zu Ende gehende Legislaturperiode im Europäischen Parlament – aber selbstverständlich nicht nur da – geprägt hat: die Finanzkrise. Ausgehend von einem unregulierten Finanzmarkt, hat sie sich in eine Wirtschaftskrise ungeahnten Ausmaßes entwickelt. Letztendlich hat diese zu einer hohen Arbeitslosigkeit und einer Nivellierung von ArbeitnehmerInnenstandards und Gewerkschaftsrechten nach unten in vielen Staaten geführt. Besonders massiv sind die Einschnitte in jenen Ländern, die von Finanzhilfe abhängig waren und sind. Die Vorgaben der Troika, bestehend aus Internationalem Währungsfonds, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank, haben gezeigt, dass diese nicht den Weg aus der Krise bereiten konnten. Sondern ganz im Gegenteil: Sie haben diese teilweise noch verschärft.

    Es ist das Bohren harter Bretter, wenn man etwas verändern will, und es ist die normative Kraft der besseren Argumente. So ist es gelungen, den einen oder anderen entscheidenden Schritt zu setzen, etwa im Bereich der Finanzinstitute. Mit der gemeinsamen Bankenaufsicht für Großbanken, die dem Europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten eine weitgehende Mitbestimmung einräumt, sind die ersten Lehren aus der Finanzkrise gezogen worden. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, dass in einer Bank faule Kredite vor sich hingären und Finanzinstitute auch in anderen Ländern ins Wanken bringen. Mit der zweiten Säule, den gemeinsamen Regeln zur Bankenabwicklung, sind wir unserem Ziel, dass diejenigen, die eine Krise verursachen, auch dafür aufkommen sollen, näher gerückt. Mit dem aus Bankenabgaben finanzierten Fonds sollen in Zukunft im Falle einer Pleite nicht mehr vorrangig SteuerzahlerInnen, sondern Eigentümer und Bankgläubiger herangezogen werden.

    Eine umfassende Banken- und Finanzmarktregulierung muss aber darüber hinausgehen. Unter anderem besteht die Notwendigkeit eines Trennbankensystems. Nur rund ein Viertel der gesamten Bankaktivitäten macht bei klassischen Kreditinstituten das Einlage- und Kreditgeschäft aus. Der Rest fällt auf Spekulationen. Eine strikte Trennung der beiden Bereiche minimiert die Gefahr des „Verzockens“ der Einlagen der SparerInnen.

    Jugendgarantie

    Im Mittelpunkt des Interesses und des Handelns müssen die Menschen stehen. Es kann nicht sein, dass einige Banken als systemrelevant angesehen werden, während dasselbe für mehr als 5,5 Mio. Jugendliche in Europa ohne Job nicht gilt. Mehr als 50 Prozent arbeitslose Jugendliche in Spanien oder Griechenland zeigen deutlich, wer zu den Hauptverlierern der gegenwärtigen Krise zählt. Es war die beständige Forderung, hier Unterstützung anzubieten, um die Gefahr einer verlorenen Generation möglichst zu bannen, die schließlich zum Erfolg geführt hat. Die Europäische Jugendgarantie, die jeder/jedem Jugendlichen spätestens vier Monate nach Verlust des Arbeitsplatzes oder dem Schulabschluss eine qualitativ hochwertige Arbeits- oder Ausbildungsstelle vermittelt, ist mit sechs Milliarden Euro für 2014 und 2015 dotiert. Noch bei Weitem nicht genug, aber die Richtung stimmt. Das Stichwort in diesem Zusammenhang ist „qualitativ hochwertig“. Damit werden die Mitgliedsstaaten in ihren nationalen Bemühungen unterstützt. Österreich dient hier mit der Ausbildungsgarantie als europäisches Vorbild und hat sich mit seinem Einsatz sowohl auf Ebene des EU-Rates als auch im Europäischen Parlament besonders ausgezeichnet.

    Finanztransaktionssteuer

    Enttäuschend hingegen ist der Entwicklungsstand bei einem weiteren herausragenden Projekt, das von Österreich federführend vorangetrieben wurde – die Finanztransaktionssteuer. Laut Umfragen sind in Europa rund 64 Prozent der Menschen für einen gerechten Beitrag des Bankensektors an der Aufarbeitung und Überwindung der Finanzkrise. Auch die große Mehrheit des Europäischen Parlaments und die Europäische Kommission haben sich für die rasche Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausgesprochen. Doch hier sind die Bretter, die es zu bohren gilt, besonders dick. Denn die Bankenlobby unternimmt alles, um die Einführung zu verhindern. Elf Staaten hatten sich im EU-Rat bereits darauf geeinigt, die Finanztransaktionssteuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit einzuführen. Doch als es galt, die konkrete Umsetzung festzumachen, scherten einige der Staaten wieder aus.

    Griechenland und Spanien wollen eine Verteuerung der Staatsanleihen verhindern, Deutschland und Frankreich wollen den Geltungsbereich durch die Ausnahme von Pensionsfonds einschränken. Die Einführung mit breiter Bemessungsgrundlage bleibt aber weiterhin ein Muss. Auch hier sind es die faktischen Argumente, die eigentlich überzeugen müssen. Es ist nur gerecht, wenn das Geld, das zur Überwindung der Krise in den Finanzsektor investiert wurde, wieder zurückfließt. Die Einführung der Steuer würde das Ausmaß von Spekulationen eindämmen. Nicht zuletzt wird das Geld benötigt, um dringende Investitionen in Wachstum und Beschäftigung bereitstellen zu können.

    Sklaverei im 21. Jahrhundert

    Europaweit gilt es, Schwarzarbeit und damit verbundenes Lohndumping zu verhindern. Oder, wie es Martin Schulz, der europaweite Spitzenkandidat der Europäischen Sozialdemokratie, beim Wahlkampfauftakt in Wien kürzlich formuliert hat: „Die Personenfreizügigkeit ist nicht das Problem, aber die Tatsache, dass es Menschen gibt, die zu uns kommen und in einem Schlachthof für 2,80 Euro als Scheinselbstständige arbeiten müssen. Und von diesen 2,80 Euro auch noch für den Verschlag, in dem sie untergebracht sind, Miete zahlen sollen. Das hat nichts mit Sozialtourismus zu tun. Das ist Sklaverei im 21. Jahrhundert und dagegen muss Europa vorgehen.“

    Ein entscheidendes Thema, gerade auch für eine Gewerkschafterin im Europäischen Parlament. Dafür wurden in der vergangenen Legislaturperiode effizientere Kontrollen beschlossen und gefordert, dass die Arbeitsinspektorate auch mit den nötigen Ressourcen ausgestattet werden sollen. Eine weitere Verbesserung konnte auch für SaisonarbeiterInnen erreicht werden. In diesem Zusammenhang konnten auch kontrollierbare Regeln zu ordentlichen Unterkünften und angemessene Mieten vereinbart werden.

    Soziales Wohnen nach Wiener Art

    Apropos Mieten: Zuletzt war auch der soziale Wohnbau verstärkt unter Druck geraten. In Österreich – und hier vor allem in Wien – ist der soziale Wohnbau ein erfolgreiches Modell, um das uns ganz Europa beneidet. Eine der Säulen des sozialen Wohnbaus in Österreich ist seine Durchlässigkeit für verschiedene Gesellschafts- und Einkommensgruppen. Nicht zuletzt dadurch war es gelungen, Ghettobildungen in Wien zu verhindern und eine soziale Durchmischung der Bevölkerung zu erreichen. Eine Ausbreitung dieses Modells in anderen Ländern Europas wäre ein großer Erfolg. Mit dem Vorstoß einiger Mitgliedsstaaten besteht jedoch die Gefahr, dass dieses Modell zu einem Auslaufmodell wird. In den Niederlanden zeigt sich bereits, dass 300.000 Menschen kein Anrecht mehr auf eine sozial ausgestaltete Unterkunft hatten. Eine Vereinheitlichung in diesem Sinne ist daher nicht wünschenswert. Besonders beim wichtigen Thema Wohnen gilt es, das Subsidiaritätsprinzip zu achten und den Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit zu überlassen. Die SPÖ Wien hat kürzlich die Unterschriftenaktion „Für den sozialen Wohnbau in Europa“ gestartet, um die Relevanz von Sozialwohnungen in allen Mitgliedsstaaten besser zu verdeutlichen und auch, um das erfolgreiche österreichische und vor allem Wiener Modell zu promoten.

    Der Rückblick über die vergangenen fünf Jahre zeigt die Herausforderungen, aber auch die Erfolge, die man mit beständigem Nachdruck erreichen kann. Wohin der weitere Weg führt, zeigt sich am 25. Mai.

    Evelyn Regner kandidiert für die SPÖ neuerlich fürs EU-Parlament:
    evelyn-regner.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin evelyn.regner@europarl.europa.eu 
    oder die Redaktion
    aw@oegb.at

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    Evelyn Regner, Europaabgeordnete Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349067 In Österreich - und hier vor allem in Wien - ist der soziale Wohnbau ein erfolgreiches Modell, um das uns ganz Europa beneidet. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350657 "Nicht zuletzt" ... Höchste Zeit für die rote Karte! Doch wer glaubt, das sei ungerecht und die Menschen verstünden „unser Europa“ nur nicht richtig, irrt gewaltig. Denn der Unmut ist gerechtfertigt, nur sollten wir vorher nachdenken, wer die richtige Adresse für einen „Denkzettel“ bei den EU-Wahlen ist.

    Verheerende soziale Situation

    Die soziale Lage der Menschen in der EU verschlechtert sich dramatisch. Die Politik der EU scheint gescheitert, es ist höchste Zeit für einen Kurswechsel. Denn nicht nur die Arbeitslosigkeit steigt auf Rekordhöhen, auch die übrigen sozialen Kennzahlen sind alarmierend:

    • Die Armut hat inzwischen einen Sechsjahreshöchststand erreicht: Nahezu 25 Prozent der Menschen, also jede/r vierte (!) EU-Bürgerin/EU-Bürger ist akut von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Seit der Verabschiedung der neuen Europa-2020-Strategie im Jahr 2010 hat sich die Situation nicht verbessert, sondern nochmals massiv verschlechtert: Seitdem leben 6,6 Mio. Menschen mehr in Armut als zuvor.
    • In einer Reihe von EU-Staaten ist eine steigende „materielle Unterversorgung“ zu verzeichnen. Dies heißt im Klartext, dass diese Menschen nicht einmal mehr ihre Grundbedürfnisse befriedigen können. Gleichzeitig steigt die Einkommensungleichheit sowohl im Ländervergleich als auch innerhalb der Mitgliedsstaaten an, in denen die Arbeitslosigkeit am stärksten zugenommen hat.

    Desaströse Bilanz der EU-Kommission

    Die Politik des konservativen Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, seit nunmehr zehn Jahren an der Spitze der Kommission, steht nicht nur für eine Dekade des Stillstands, sondern seit der Krise auch für eine Dekade der ökonomischen und sozialen Verwerfungen in der EU. Die noch amtierende EU-Kommission ist aber weder in der Lage noch hat sie den Willen, ihren verfehlten wirtschaftspolitischen Kurs grundlegend zu ändern. Sie hat zwar eine Vielzahl neuer Instrumente geschaffen, um auf die Krise zu reagieren, insbesondere das Europäische Semester und den Jahreswachstumsbericht im Rahmen der Economic Governance. Diese neuen Instrumente beruhen aber vor allem auf einer harten Sparpolitik und neoliberalen Strukturreformen. Dagegen sind die richtigen Ziele der EU-2020-Strategie, vor allem die Erhöhung der Beschäftigungsquote und die Reduzierung der Armut, diesen neuen Instrumenten bis heute untergeordnet.

    Zeit für Neuanfang

    Die soziale Entwicklung in der EU zeigt auch eine gefährliche und sich vertiefende Kluft zwischen den Mitgliedsstaaten. Die zahlreichen Erweiterungen haben also leider bislang nicht zu einer Annäherung der Lebensbedingungen in der EU geführt. Diese Entwicklung, vor der ÖGB und AK lange gewarnt haben, führt logischerweise zu einem weiteren Verlust der Akzeptanz der EU bei den Menschen. Doch die Kommission scheint daraus nicht gelernt zu haben, im Gegenteil: Der für Erweiterung zuständige EU-Kommissar Stefan Füle befürwortet allen Ernstes bereits eine Aufnahme der Ukraine in die EU. Ein Beitritt habe eine „beispiellos verändernde und stabilisierende Kraft“, so Füle in der Tageszeitung „Die Welt“.

    All dies zeigt: Dieser Kommission gehört dringend die rote Karte gezeigt. Am 25. Mai wird schließlich nicht nur das EU-Parlament gewählt, sondern indirekt auch über den nächsten Kommissionspräsidenten entschieden. Und neben Jean-Claude Juncker, einem Parteifreund von Barroso, steht mit Martin Schulz als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokratie auch ein politischer Neuanfang zur Wahl.

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    Amir Ghoreishi, AK Europabüro und Oliver Röpke, ÖGB Europabüro Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350648 Rück-Blog Die meistgelesenen Beiträge der letzten 30 Tage:

    • „Das neoliberale Modell: Gewinne ohne Investitionen“ (Nikolaus Kowall)
    • „EU-weiter Mindestlohn für alle?“ (Bettina Csoka)
    • „Der soziale Wohnbau und das EU-Wettbewerbsrecht“ (Nadja Shah)

    Das neoliberale Modell: Gewinne ohne Investitionen

    Der Ökonom Nikolaus Kowall zeigt im Top-Beitrag der letzten Tage auf, wie die zunehmende „Finanzialisierung“ – darunter versteht man im Wesentlichen die starke Ausdehnung des Finanzsektors, den Aufstieg der Finanzwirtschaft zur Leitindustrie und die stufenweise Unterwerfung aller anderen Wirtschaftsbereiche unter die Logik der Finanzbranche – die  Wirtschaft schwächt. Kowall veranschaulicht, dass dem gewaltigen Anwachsen der Finanzvermögen seit den 1980er-Jahren kein entsprechendes Wachstum von Gütern und Dienstleistungen gegenübersteht. Kurzfristige Renditen wurden lukrativer, langfristige Investitionen hingegen unattraktiver. Der Ökonom geht in seinem Beitrag neben der „Finanzialisierung“ auch auf einen zweiten Trend des Neoliberalismus ein, die Umverteilung der Einkommen von Arbeit zu Kapital und innerhalb der Arbeitseinkommen von Arm zu Reich (Polarisierung des Einkommens). Das habe einerseits zu einer Anhäufung von Kapital zur Veranlagung auf den Finanzmärkten geführt, andererseits aber auch zu einer Verschuldung sowohl des privaten als auch des Staatssektors. Diese dem neoliberalen Modell inhärente steigende Verschuldung sei die Ursache für die Finanzkrise 2007/2008 und die darauffolgende Rezession.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/nfkykyc

    EU-weiter Mindestlohn für alle?

    Bettina Csoka, Volkswirtin und Referentin für Verteilungspolitik in der AK Oberösterreich, greift die Diskussion um einen EU-weiten Mindestlohn auf. Verbindliche Lohnuntergrenzen schützen Beschäftigte vor Niedriglöhnen sowie Unternehmen vor der „Billigkonkurrenz“, aber die Einmischung seitens der EU ist nicht unumstritten. Zwar hat die EU keine direkten Befugnisse im Bereich der Lohn- und Kollektivvertragspolitik, aber europäische Institutionen können unter dem Titel des „Schuldenabbaus“ Vorgaben zum Sozialabbau (niedrigere Löhne und weniger Schutzbestimmungen) setzen. Bei Nichtbefolgung droht den Staaten die Vorenthaltung von benötigten Krediten bzw. finanzielle Strafen. Im Lichte dieser Diskussion hat sich der europäische Gewerkschaftsbund (EGB) zum Ziel gesetzt, die lohnpolitische Koordinierung unter Federführung der Gewerkschaften in der EU zu forcieren, hier hätte laut Csoka auch das Thema Mindestlöhne seine Berechtigung. In Österreich wären von einem Mindestlohn, der bei 60 Prozent des jeweiligen nationalen Medianeinkommens liegen würde, jede fünfte Arbeitnehmerin und jeder zehnte Arbeitnehmer positiv betroffen. Csoka führt weiters auch aus, warum sich Mindestlöhne wirtschaftlich rechnen. Zudem hätte man bei Mindestlöhnen auch die Chance, kollektivvertragsfreie Bereiche zu beseitigen und den Einkommensschutz auf alle ArbeitnehmerInnen, also auch freie DienstnehmerInnen, auszudehnen.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/q7r8nxy

    Der soziale Wohnbau und das EU-Wettbewerbsrecht

    Die Juristin und Bundesgeschäftsführerin der Mietervereinigung Österreichs Nadja Shah berichtet über Aktivitäten bzw. Entscheidungen der EU – als Reaktion auf Beschwerden von VermieterInnenverbänden – mit dem Ziel, den sozialen Wohnbau in den Mitgliedsstaaten zurückzudrängen. Sprich das Angebot zu verringern, den Zugang auf sogenannte „sozial benachteiligte Gruppen“ zu beschränken und die Förderung von sozialem Wohnbau durch Gebietskörperschaften weitestgehend zu unterbinden. Grundsätzlich liegen Wohnungsbau und -vermietung in der autonomen Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten, leider ist dem aber faktisch nicht (immer) so. Am Beispiel von Schweden und den Niederlanden illustriert Shah die Auswirkungen der Einmischung der EU-Kommission im Namen des Wettbewerbsrechts auf den sozialen Wohnbau und damit auch auf die Mietpreise für die Menschen generell.

    Aufgrund dieser besorgniserregenden Entwicklungen haben 27 BürgermeisterInnen europäischer Großstädte zusammen eine „gemeinsame Resolution für die Stärkung des sozialen Wohnbaus“ veröffentlicht. Zentrale Forderungen sind die autonome Entscheidung über Definition und Gestaltung des sozialen Wohnbaus durch die Mitgliedsstaaten und ihre Gebietskörperschaften sowie die rechtliche Unabhängigkeit vom EU-Wettbewerbsrecht.

    Lesen Sie mehr: tinyurl.com/kr6crxx

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    Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350542 Das Land der Griechen mit der Seele suchen ... Nach etwa einer Stunde Autofahrt deutete der 68-jährige Taxifahrer mit seiner zittrigen Hand in Richtung meines Hotels, er könne mich nicht direkt hinfahren, da heute Markttag sei und die Bauern aus dem Athener Umland ihre Waren anbieten würden. Die Fahrt kostete mich 15 Euro und einen überraschten Blick, als er mir mit einem kleinen Gerät eine Rechnung ausdruckte.

    Einladung zum Essen

    Im Hotel wurde ich überfreundlich empfangen, als ob ich jedes Wochenende zu Besuch kommen würde und die Besitzer mich schon eine Ewigkeit kennen würden. Ich packte meine Koffer aus, genoss den Ausblick über Athen, um mich anschließend auf den Weg zu machen und meine Umgebung zu erkunden. Es war gerade 14 Uhr, als ich in einer gemütlichen Taverne saß und an meinem Bericht schrieb, als mich ein Mann in einem sehr schönen Anzug ansprach und in perfektem Englisch fragte, ob ich ihm einen Kugelschreiber abkaufen würde. Ich lud ihn ein, mit mir zu essen, ich würde bezahlen, wenn er mir dafür seine Geschichte erzählt. Ich merkte, dass es ihm unangenehm war, doch offenbar war sein Hunger größer als sein schlechtes Gefühl. Er habe vor einer Woche noch in einer großen Logistikfirma gearbeitet, 15 Jahre war er dort tätig, dann haben sie ihn gekündigt, weil er zu teuer geworden ist und die Finanzkrise von allen Opfer verlangt – sagte ihm sein Chef. Abfertigung habe er keine bekommen, obwohl ihm eine zugestanden wäre, weil sein Unternehmen durch die Finanzkrise alle Rückstellungen aufbrauchen musste, und so könne der Chef ihm keine Abfertigung auszahlen. Die Gewerkschaft ist gegen die „Einsparungsargumentation“ der Finanzkrise machtlos, die die meisten Unternehmen nun verwenden, um bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sparen. Da es kein Bilanzoffenlegungsgesetz gibt, können die Firmen nun ohne weiteres behaupten, sie hätten kein Geld und so Abfertigungen oder sogar Gehälter nicht ausbezahlen. Jetzt bekomme er etwa 322 Euro Arbeitslosengeld, für ein Jahr, danach sei Schluss mit staatlichen Sozialleistungen, da diese im Februar 2012 mit dem vierten Referendum abgeschafft wurden. Drei Tage nach seiner Kündigung habe er erfahren, dass nun ein Mann um die 20 seine Stelle übernommen hat. Das sei logisch, sagte der Mann, da auch der Generalkollektivvertrag (welcher einer der besten in Europa war) von den Arbeitgebern gekündigt wurde, müssen diese nur noch den Mindestlohn bezahlen und da sind unter 25-Jährige um etwa 60 Euro günstiger. Später habe ich erfahren, dass die Gewerkschaft gegen dieses altersdiskriminierende Gesetz beim Europäischen Gerichtshof mit der Argumentation „Tut uns leid, Griechenland befindet sich in einer Ausnahmesituation“ abgeblitzt ist. Wie es weitergehen sollte, wisse er nicht, er versuche nun bei den Eltern seiner Frau unterzukommen. Seine drei Kinder sind zum Glück schon vor einem Jahr alle nach Deutschland ausgewandert, da sie in Griechenland keine Arbeit gefunden haben, obwohl sie alle fertig studiert haben. Überall in Athen sieht man Zu-verkaufen-Schilder, egal ob Wohnungen oder Geschäftslokale. Jeder versucht, sich irgendwie durchzukämpfen – ob mit dem Verkauf von Kugelschreibern, Taschentüchern oder Feuerzeugen. 140.000 Menschen leben in Athen bereits auf der Straße. Kinder müssen in den Schulen vor dem Unterricht mit Milch oder einem Stück Brot versorgt werden, da sie durch die mangelnde Nahrungsaufnahme oft zusammenbrechen. Die Prostitution in Athen ist um etwa 4.000 Prozent gestiegen, fünf Euro – eine halbe Stunde. Selbstmordraten der älteren Bevölkerung sind rapide gestiegen, durch die Senkung der Pensionen können sie ihre Kinder nicht mehr unterstützen und wollen sie nicht zusätzlich belasten. Diejenigen, die ohnehin immer brav ihre Steuern bezahlt haben, werden noch mehr ausgepresst und die, die ohnehin nie Steuern gezahlt haben, ihr Geld auch früh genug in Steueroasen wie Österreich gebracht haben, werden kaum zur Kasse gebeten. 

    Griechenland heute

    Er werde weiter kämpfen, versuchen zu überleben, denn was solle man schon machen? Das waren seine letzten Worte, bevor er ging, bezahlen musste ich nichts, denn er hatte nur ein Glas Wasser bestellt. So war es doch nicht sein Hunger, der ihn zum Bleiben brachte, sondern nur sein Wunsch, jemandem vom heutigen in Europa befindlichen Griechenland zu erzählen.

    INTERVIEW
    Zur Person - Nikos PAIZIS
    Alter: 57
    Wohnort:  Piraeus, Athens, Greece
    Erlernter Beruf: Mathematiklehrer und Bildungsforscher
    Beruf: Wissenschaftlicher Berater der griechischen gewerkschaftlichen Bildungsorganisation KANEP/GSEE

    Wie ist dein Familienstand?
    Ich war verheiratet und bin geschieden.

    Hast du Kinder? Und was machen die beruflich?
    Anna ist 31 Jahre alt und Volksschullehrerin, sie hat ein Pädagogik-Studium abgeschlossen, und Olga ist 29 Jahre alt, hat ein Management-Studium abgeschlossen und ist in einer Führungsposition in einem Unternehmen.

    Arbeitsplatz:
    Ich unterrichte an einem Privatgymnasium.

    Gewerkschaft:
    Ich bin Vizepräsident der griechischen PrivatschullehrerInnen-Gewerkschaft OIELE.

    Verrätst du uns bitte dein Einkommen und deine Lebenshaltungskosten?
    Mein Nettoeinkommen als Lehrer beträgt 1.545 Euro, aus Networking, also Vernetzungsarbeit, als Forscher verdiene ich monatlich netto zusätzliche 1.200 Euro. Das reicht gerade, um meine Basiskosten abzudecken und meine alten Eltern und meine Töchter ein wenig zu unterstützen.  

    Was bedeutet dir Arbeit?
    Mein Leben und permanenter Stimulus für meine Kreativität und Kommunikationsfähigkeiten. 

    Wie denkst du über die Wirtschaftslage in Griechenland?
    Nur das Allerschlimmste.

    Was bedeutet dir Gewerkschaft?
    Die einzige Antwort auf die Bedürfnisse der Gesellschaft.

    Was bedeutet dir die Europäische Union?
    Sie ist zur größten Bedrohung für den sozialen Zusammenhalt geworden.

    Was ist dein Lieblingsland in Europa und warum?
    Italien – dort habe ich viele Verwandte und Freunde.

    Wie verbringst du deinen Urlaub?
    Ich fahre einmal im Jahr zehn Tage auf meine Heimatinsel.

    Was wünschst du dir für die Zukunft?
    Endlich Licht am Ende des Tunnels …

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor rene.pauly@bfi-stmk.at
    oder die Redaktion aw@oegb.at

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    René Pauly, Teilnehmer des 62. SOZAK-Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227351876 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350486 "Einer von uns" will ganz an die Spitze der EU Der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz, derzeit Präsident des Europäischen Parlaments, möchte nach der Europawahl Chef der Kommission in Brüssel werden. Den egoistischen Regierungschefs könnte er mehr denn je Paroli bieten.

    Den Kaffee holt sich Martin Schulz selbst. Artig stellt er sich beim Buffet an. An einem der Stehtische plaudert er kurz mit einigen Besuchern. Ein paar Schnappschüsse mit dem prominenten Gast gehen sich auch noch aus. Bereitwillig, beinah Wange an Wange mit einer Anhängerin, lächelt er in die Kamera, zeigt sein breites Grinsen und die blitzweißen Zähne inmitten des Vollbartes.

    Berührungsängste mit Leuten aus den Reihen unterhalb der Promiriege hat der Präsident des größten demokratischen Parlaments der Welt keineswegs. Stets versucht er den Menschen das Gefühl zu geben: „Er ist einer von uns.“ Arroganz oder gar Starallüren kennt der höchste Vertreter des EU-Parlaments – und damit der einzigen direkt gewählten europäischen Institution – nicht.

    Bei seinem Wien-Besuch Ende März wirkt Martin Schulz schon etwas müde von den Strapazen der Werbung für den Urnengang Ende Mai. Schließlich versucht er ja, einen europaweiten Wahlkampf in allen 28 EU-Ländern zu führen. Hinter seiner Brille ahnt man dieser Tage noch dickere Tränensäcke. Zuallererst werde er sich nach der EU-Wahl ausschlafen, antwortet Schulz dann reflexartig auf eine entsprechende Frage der Moderatorin. Auch das ist typisch: Aus seinem Herzen pflegt der Deutsche keine Mördergrube zu machen, er sagt, was er sich denkt, ohne Umschweife, manchmal vielleicht zu direkt und undiplomatisch. Ehrliche Antworten bekommt auch das Wiener Publikum.

    Die Kampagne „Relaunching Europe“ macht Station im Museumsquartier. Die Initiative geht zurück auf Hannes Swoboda, den bisherigen Präsidenten der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament. Sie tourt seit einem Jahr ebenfalls quer durch Europa.

    Ziel von „Europa wiederbeleben“ ist es, den Menschen zu Hause in ihren Ländern ebenso eine Plattform zu bieten, damit sie mitreden können, wie man die EU künftig gestalten und ändern könnte. Und wenn in diesem Rahmen Martin Schulz gefragt wird, wie man eine europäische Öffentlichkeit herstellen könnte, sagt er klipp und klar: „Wenn ich sage, ich habe keine Strategie, habe ich im Internet einen Shitstorm.“ Fragt man ihn, was die EU bisher gegen die Totalüberwachung durch US-Unternehmen unternimmt, gesteht er selbstkritisch: „Nicht viel!“ Warum sollte er den Bürgerinnen und Bürgern Sand in die Augen streuen?

    Da, wo Martin Schulz herkommt, kennt praktisch jeder jeden: Das westdeutsche Würselen in Nordrhein-Westfalen – dem bevölkerungsreichsten deutschen Bundesland (17,6 Mio.) – ist mit knapp 40.000 Einwohnern ungefähr so groß wie Steyr in Oberösterreich. Acht Kilometer entfernt liegt die Stadt Aachen, die seit 1950 jedes Jahr den renommierten „Karlspreis“ für Verdienste um Europa und die europäische Einigung vergibt.

    1955 wird Martin Schulz geboren. Er hat vier ältere Geschwister und wächst im europäischen Dreiländereck Belgien-Niederlande-Deutschland, eine Viertelstunde Autofahrt von der Staatsgrenze entfernt, auf. Für den kleinen Martin ist es ganz normal, mit drei Geldbörsen und drei Währungen über die Grenze einkaufen oder tanken zu fahren. Er hat offensichtlich den europäischen Gedanken in die Wiege gelegt bekommen. Die politische Karriere wird sich der Rheinländer erarbeiten. Martin Schulz besuchte ein katholisches Gymnasium. Doch er beendet die Schule bereits nach der Mittleren Reife.

    Seinen Berufswunsch, Profi-Fußballer zu werden, muss er aufgrund einer schweren Knieverletzung an den Nagel hängen. Schulz absolviert eine Lehre zum Buchhändler. Er wird alkoholkrank, verliert Freunde, Wohnung und Job. Er macht eine Entziehungskur durch – und trinkt seither keinen Tropfen Alkohol mehr.

    Seit 1974 ist der junge Schulz Mitglied der SPD. Keine 28 Jahre alt, macht er sich in seiner Heimatstadt mit einer eigenen Buchhandlung selbstständig, die er bis 1994 führen wird. Gleichzeitig ist er Bürgermeister von Würselen seit 1987. Das kleine Geschäft im dunkelbraunen Klinkergebäude nahe dem Rathaus existiert bis heute. Geführt wird es von seiner ehemaligen Mitarbeiterin Martina Schillings-Dumke, die mit Andreas Dumke, dem SPD-Chef von Würselen, verheiratet ist.

    Weniger sei er stolz darauf, Europäer zu sein, „denn dafür habe ich nichts getan“, wird Martin Schulz später in seinem eigenen Buch „Der gefesselte Riese. Europas letzte Chance“ (erschienen 2013) schreiben. Sondern er ist u. a. stolz „auf den Buchladen, den ich als junger Mann aufgebaut habe“.

    1994 – Österreich ist gerade eines der jüngsten EU-Mitglieder geworden – wechselt Martin Schulz von der kommunalen Ebene direkt auf die europäische Ebene und wird ins EU-Parlament gewählt. Noch weitere vier Jahre ist er Bürgermeister in Würselen. 2004 wird er Chef der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament. Dem geht ein öffentlicher Eklat in Brüssel mit dem damaligen italienischen Regierungschef, dem „Selfmademan“ Silvio Berlusconi, voraus. Auf Schulz’ Kritik an Berlusconis Politik hatte dieser mit einem umstrittenen Nazi-Vergleich geantwortet.

    Keine Frage: Martin Schulz ist ein Arbeitstier – aber auch impulsiv und Liebhaber rheinischer Kraftausdrücke. Dem Vernehmen nach bezeichnet er jemanden, der Blödsinn redet, gerne mal als „Eierkopp“. Erleichtert sind viele seiner Abgeordneten-Kollegen in der sozialdemokratischen EU-Fraktion, als der Wiener Hannes Swoboda ihr Präsident wird. Denn Schulz schafft 2012 – unter tatkräftiger Mithilfe von Swoboda im Hintergrund – den Sprung ins Amt des EU-Parlamentspräsidenten und ist somit Europas oberster Volksvertreter.  

    Jetzt möchte Martin Schulz Chef der mächtigen EU-Kommission, quasi der „EU-Regierung“, werden. Bei der Europawahl am 25. Mai bestimmen die Bürgerinnen und Bürger zunächst ihre nationalen Europaparlamentarier. Erreichen EU-weit die Sozialdemokraten insgesamt die meisten Mandate, stellen sie den nächsten Kommissionspräsidenten. Dass dazu das Ergebnis der Europawahl zu berücksichtigen ist, legt nämlich der aktuelle Vertrag von Lissabon, so etwas wie die „Verfassung“ der EU, fest.

    Schulz selbst hat daher das Rennen früh eröffnet. Wenn es nicht er gewinnt, heißt der neue Chef der EU-Exekutive Jean-Claude Juncker von den Konservativen. Lediglich Außenseiterchancen hat Guy Verhofstadt von den belgischen Liberalen. Juncker, zwar viele Jahre der Parade-Europäer unter den EU-Regierungschefs, wurde im Vorjahr eine Geheimdienst-Affäre als Luxemburger Premierminister (1995–2013) zum Verhängnis.

    Die Sozialdemokraten und die Christdemokraten stellen im EU-Parlament die mit Abstand größten Fraktionen. Das wird wohl auch nach den Wahlen Ende Mai so sein – selbst wenn viele einer rechts- oder linksextremen Partei eine Proteststimme geben mögen.

    Das Match heißt Martin Schulz gegen Jean-Claude Juncker. Juncker stammt aus einem oft zitierten „Steuerparadies“. Er mag freundlicher und zurückhaltender sein als Schulz. Vor allem aber steht Jean-Claude Juncker, studierter Jurist und von Anfang an Berufspolitiker, den Interessen des EU-Rates, also den Regierungen, nahe.

    Die EU-Kommission muss aber ausschließlich dem Gemeinschaftsgedanken verpflichtet sein. Und im Sinne der Gewaltenteilung insbesondere zwischen Exekutive und Legislative – was auf EU-Ebene noch weiterzuentwickeln sein wird – sollte der Kommissionspräsident kein ehemaliger Regierungschef sein.

    Wird Martin Schulz im Herbst Chef der EU-Kommission, will er den Regierungschefs den Kampf ansagen. Unter seiner Führung hat das Europäische Parlament mehr als je zuvor die Muskeln spielen lassen.

    „Mehr Demokratie wagen“ lautete schließlich der Anspruch des SPD-Übervaters Willy Brandt. Das bedeutet auch, mehr Streit zu wagen – und könnte der Europäischen Union guttun.

    Ein Porträt über Martin Schulz, von Heike Hausensteiner.

    Heike Hausensteiner ist freie Journalistin, Autorin und Vortragende.
    Sie publiziert u. a. für Die Presse, Der Standard, Salzburger Nachrichten, Der Österreichische Journalist, Profil, Falter, Die Furche, Solidarität.
    Hausensteiner ist Autorin des Buches „Im Maschinenraum Europas – Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament“.
    Mehr über Heike Hausensteiner unter: www.spitzefeder.at

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    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350468 Konflikt statt Kooperation In Kroatien finden die Lohnverhandlungen auf dezentraler Ebene statt, die Steuerungsfähigkeit der Sozialpartner ist schwach und die Beziehungen zwischen Gewerkschaften und Regierung sind instabil und von Konflikten geprägt. Wieso weicht der kroatische Entwicklungspfad der Arbeitsbeziehungen trotz des gemeinsamen jugoslawischen Erbes stark vom benachbarten Slowenien ab?

    In der Übergangsphase Anfang der 1990er-Jahre waren die kroatischen Gewerkschaften noch gut organisiert und einflussreich, zweifellos ein Erbe des jugoslawischen Systems von betrieblicher Selbstverwaltung und „gesellschaftlichem Eigentum“ an den Betrieben. Dominanter politischer Akteur war die nationalistisch-populistische Partei HDZ, deren Parteiführer Franjo Tudjman von 1990 bis 1999 erster Präsident Kroatiens war und die Politik des Landes halbautoritär lenkte. Sowohl die HDZ als auch der Gewerkschaftsdachverband SSSH sahen sich als legitime Vertretung der Arbeitnehmerschaft. Ein Konflikt war unausweichlich, zumal die Regierung nicht zu Kompromissen geneigt war.

    Die bedeutendsten Konfliktfelder waren die Privatisierung und die Lohnpolitik. Von der Privatisierung profitierten v. a. HDZ-Gefolgsleute, und per Dekret setzten die HDZ-Regierungen eine Lohnpolitik durch, welche den Beschäftigten Reallohneinbußen bescherte. Diese Niederlagen schwächten die Gewerkschaftsbewegung wesentlich.

    Alles in allem waren die Beziehungen zwischen Regierung und Gewerkschaften in den 1990er-Jahren durch Konflikte geprägt. Die HDZ schloss die Gewerkschaften von den politischen Entscheidungsprozessen aus, eine Institutionalisierung der Arbeitsbeziehungen durch KV etc. unterblieb weitgehend. Im Jahr 2000 erfolgte der Machtwechsel von der HDZ zu einer Mitte-Links-Koalition. Diese suchte Ende 2001 einen Konsens mit den Sozialpartnern über den wirtschafts- und sozialpolitischen Kurs. Doch bald darauf wurden nicht vorweg abgestimmte Entwürfe der Regierung über Arbeitsmarktderegulierung und einschränkende Lohnpolitik bekannt. Die Gewerkschaften kündigten daraufhin den Sozialpakt auf, der Versuch einer konsensualen Politik war gescheitert. Die Konfrontation zwischen Gewerkschaften und Regierung hielt weiter an, geprägt von den Konflikten über die Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik.

    Gewerkschaften

    Die kroatische Gewerkschaftsbewegung zeichnet sich heute organisatorisch durch Zersplitterung, Konkurrenz und geringe Kompetenzen der Verbände aus. Es bestehen fünf große, offiziell als repräsentativ anerkannte Gewerkschaftsdachverbände, auf die rund 90 Prozent der Mitglieder entfallen. Die meisten Gewerkschaften sind Betriebsgewerkschaften. Die Mindestzahl für die Gründung einer Betriebsgewerkschaft beträgt zehn Beschäftigte. Die Dachverbände konkurrieren um die Mitgliedschaft der Betriebsgewerkschaften. Diese Konkurrenz führt zu Konflikten. Wechsel von einem Verband zu einem anderen sind häufig. Die Dachorganisationen sind daher instabil.

    Der Zentralisierungsgrad der Dachverbände ist gering, die Einzelgewerkschaften verfügen also über ein hohes Maß an Autonomie, auch in finanzieller Hinsicht. Aus Pluralität, Konkurrenz und schwacher verbandlicher Autorität der Dachorganisationen resultiert eine geringe Steuerungsfähigkeit der Gewerkschaftsbewegung insgesamt. Wie in fast allen EU-Ländern ging auch in Kroatien der Organisationsgrad der Gewerkschaften in den letzten beiden Jahrzehnten zurück. 1995 hatte er noch 65 Prozent betragen, aber aufgrund der Konflikte mit den Regierungen, des geringen Einflusses auf wichtige politische Entscheidungen, der innergewerkschaftlichen Auseinandersetzungen und der wirtschaftlichen Probleme des Landes fiel er deutlich auf zuletzt rund 35 Prozent. Damit weist Kroatien allerdings nach wie vor einen erheblich über dem Durchschnitt der EU-28 (rund 23 Prozent) liegenden Organisationsgrad auf. Die wichtigste Verhandlungsebene im privaten Sektor ist die Betriebsebene. 2009 bestanden zehn Branchen-KV, von denen acht allgemeinverbindlich erklärt wurden. Da jährliche Neuaushandlungen nicht die Regel sind, haben die Lohnbestimmungen mancher Branchen-KV keine praktische Bedeutung mehr. Branchenübergreifende nationale KV existieren keine. Der Deckungsgrad der KV wird auf 55–60 Prozent geschätzt und liegt damit etwas unter dem Durchschnitt der EU-28 von 66 Prozent.

    Das 2010 beschlossene Arbeitsgesetz hat neue Voraussetzungen für die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Branchen-KV durch den Arbeitsminister festgelegt: Erstens muss eine dreiseitige Kommission bestätigen, dass die Erstreckung des Branchen-KV im öffentlichen Interesse liegt, und zweitens muss der KV durch die Gewerkschaft und den Arbeitgeberverband mit dem jeweils höchsten Organisationsgrad abgeschlossen worden sein. Die wichtigsten Inhalte der Firmen-KV sind Lohn- und Arbeitszeitregelungen. In Bezug auf andere Themen wiederholen viele KV nur die entsprechenden Regelungen des Arbeitsgesetzes. Für die KV gilt das Günstigkeitsprinzip (d. h. nur für die Beschäftigten günstigere Regelungen als im Gesetz sind legal). KV sind rechtlich bindend, und sie sind gültig auch für die Beschäftigten ohne Mitgliedschaft bei der abschließenden Gewerkschaft (Außenseiterwirkung).

    Die Regelungseffektivität des KV-Systems insgesamt ist aufgrund der genannten Schwächen und der Probleme der Nichteinhaltung als gering anzusehen. Seit 1996 besteht der „Wirtschafts- und Sozialrat“ (GSV) als Gremium des sozialen Dialogs auf nationaler Ebene zwischen den repräsentativen Gewerkschaftsdachorganisationen, dem Arbeitgeberdachverband HUP und der Regierung. Als Plattform des Informationsaustauschs, der Anhörung der Sozialpartner und der Beratung der Regierung im Bereich der Wirtschafts- und Sozialpolitik hat sich der GSV seit 2000 bewährt, nicht aber als Gremium sozialpartnerschaftlicher Politiksteuerung: Abgesehen von dem erwähnten Sozialpakt Ende 2001 kam kein formales dreiseitiges Abkommen zustande. Der soziale Dialog leidet darunter, dass das gegenseitige Vertrauen gering ist und die Mechanismen der Konfliktlösung wenig wirksam sind. Einen Beleg für die Ineffektivität des KV-Systems stellt die Tatsache dar, dass verspätete bzw. irreguläre Lohnauszahlung weitverbreitet und im GSV ein wichtiges Thema ist.

    Betriebsrat

    Wie Österreich zählt Kroatien zu den Ländern mit einer dualen betrieblichen Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen. Der Betriebsrat wurde 1996 eingeführt. Der Anteil der im Unternehmen durch Betriebsrat und/oder Gewerkschaft vertretenen Beschäftigten beläuft sich auf etwa 50 Prozent. Dank der Betriebsräte gehört Kroatien unter den mittelosteuropäischen Ländern zu jenen mit hohem Vertretungsgrad. Die Mindestgröße der Belegschaft für die Bildung eines Betriebsrats beträgt 20 Beschäftigte. Gegründet werden kann ein Betriebsrat auf Betreiben von zehn Prozent der Belegschaft oder der Betriebsgewerkschaft. Gewählt wird der Betriebsrat von der gesamten Belegschaft. Er verfügt über Informations-, Anhörungs- und Mitbestimmungsrechte. Das Recht zum Abschluss eines Betriebs-KV haben ausschließlich die Gewerkschaften. In Betrieben ohne Betriebsrat kann die Betriebsgewerkschaft die Funktionen des Betriebsrats übernehmen. Während in fast allen Großunternehmen ein Betriebsrat besteht, gilt dies nur für weniger als die Hälfte der KMU.

    Mindestlohn

    Kroatien führte mit 1. Juli 2008 einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Das Mindestlohngesetz schreibt die jährliche Anpassung der Lohnhöhe vor und sieht ein Berechnungsverfahren vor, welches sicherstellen soll, dass die Relation zwischen Mindestlohn und Durchschnittslohn jedenfalls gewahrt bleibt und sich bei realem Wirtschaftswachstum verbessert. In den letzten Jahren betrug der Mindestlohn 36 bis 40 Prozent des Durchschnittslohns. Derzeit beläuft sich der monatliche Mindestlohn eines Vollzeitbeschäftigten auf rund 400 Euro.

    Friedrich-Ebert-Stiftung: Die Gewerkschaften in Kroatien: tinyurl.com/lsoemal

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor michael.mesch@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Michael Mesch, Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, Geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift "Wirtschaft und Gesellschaft" Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349809 Wieso weicht der kroatische Entwicklungspfad der Arbeitsbeziehungen trotz des gemeinsamen jugoslawischen Erbes stark vom benachbarten Slowenien ab? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349828 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350447 Spar- und Wettbewerbs-EU am Ende? Mitten in der Phase der wirtschaftlichen Erholung nach der „großen Rezession“ wurden die Eckpfeiler der Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik eingeschlagen. Diese orientierten sich jedoch weder an den Krisenursachen noch an den Stabilisierungsmaßnahmen der öffentlichen Hand in Form von Konjunkturpaketen oder Kurzarbeit. Vielmehr wurde das alte „euroliberale“ Programm wiederbelebt, das bereits nach der Rekordarbeitslosigkeit Anfang der 1990er als Lösung propagiert wurde: Radikale Sparpolitik und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, vor allem durch Lohnsenkung. Diesmal war es die einsetzende Unsicherheit rund um die Kreditwürdigkeit Griechenlands Anfang 2010, die unter dem Schlagwort „neue europäische wirtschaftspolitische Steuerung“ weitere Reformen in Richtung Spar- und Wettbewerbsunion einleitete.

    Arbeitslosigkeit und falsche Politik

    Vier Jahre später sind die Ergebnisse dieser Politik, die sich aufgrund der deutlich tiefergehenden wirtschaftspolitischen Integration vor allem auf die Eurozone konzentrierte, verheerend. Die Zahl der Arbeitslosen stieg in der Eurozone gegenüber dem Vorkrisenniveau in zwei Schritten um über sieben Millionen auf einen neuen Rekord von mehr als 19 Mio. Der erste Anstieg von unter acht auf gut zehn Prozent im Jahr 2010 ist dem Wirtschaftseinbruch bzw. den unzureichenden öffentlichen Maßnahmen gegen die Krise geschuldet. Nach einer Stagnation der Arbeitslosenrate 2011 folgte der zweite Anstieg auf über zwölf Prozent, der vor allem auf die überzogene europäische Spar- und Wettbewerbsorientierung zurückzuführen ist.

    Das wird besonders deutlich, wenn man die Entwicklung der Eurozone mit jener in den USA vergleicht: Nach einem ähnlich starken Wirtschaftseinbruch reagierte man dort mit anhaltend hohen öffentlichen Defiziten zur Stabilisierung der Lage. Somit konnte die Arbeitslosenrate von ebenfalls knapp zehn Prozent im Jahr 2010 auf unter sieben Prozent gesenkt werden. Ähnliches gilt für die Wirtschaftsleistung: Während 2013 in der Eurozone die Wirtschaftsleistung immer noch um etwa zwei Prozent unter dem Vorkrisenniveau lag, wuchs sie in den USA um sechs Prozent. Das ist mehr als in Deutschland (plus vier Prozent) und Österreich (plus drei Prozent), wo man sich den fatalen Konsequenzen der von ihnen eingeforderten europäischen Sparpolitik nur zum Teil entziehen konnte.

    Mit den Hilfskrediten der Eurozone für Griechenland wurde kompromisslose Sparpolitik zum Hauptziel der europäischen Wirtschaftspolitik. Im Falle von Griechenland und später Irland, Portugal und Zypern waren diese Kredite das unmittelbare Instrument zur Durchsetzung der europäischen Vorgaben, indem die Auszahlung an die ständig wachsende Anzahl an Sparauflagen geknüpft wurde. Diese Auflagen wurden jedoch nicht demokratisch – beispielsweise im Europäischen Parlament – legitimiert, sondern von der extra dafür geschaffenen Troika ausverhandelt, die sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds zusammensetzt.

    „Näher dem Abgrund“

    Statt die Länder auf solide neue Beine zu stellen, wurden diese „näher an den Abgrund getrieben“, wie es Wolfgang Kowalsky vom Europäischen Gewerkschaftsbund formulierte. Selbst im angeblichen „Sanierungserfolgsland“ Irland ist die Bilanz ernüchternd: Die Arbeitslosenquote liegt trotz starker Auswanderung und einem besonders niedrigen Ausgangsniveau immer noch bei 12 Prozent; die Wirtschaftsleistung beträgt nur noch 93 Prozent des Vorkrisenniveaus. Besonders schlimm ist die Lage in Griechenland: Die Wirtschaft ist ähnlich stark eingebrochen wie in Österreich während der großen Depression in den 1930ern, und die Arbeitslosenrate erreicht unvorstellbare 27,5 Prozent.

    Parallel zum Troika-Regime wurde eine Reform des – in orwellscher Weise Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) genannten – EU-Budgetregelwerks ausgearbeitet, das alle Länder der Eurozone unter Androhung empfindlicher finanzieller Sanktionen zur Sparpolitik zwingt. Diese Reform trat in zwei Schritten Anfang 2012 bzw. Ende 2013 in Kraft und taucht seither unter der Bezeichnung „Six-Pack“ und „Two-Pack“ immer wieder in der öffentlichen Diskussion auf. Damit nicht genug, unterzeichneten alle Mitgliedsstaaten (mit Ausnahme von Großbritannien und Tschechien) 2013 den sogenannten Fiskalpakt, der insbesondere die Verankerung der Regelungen des SWP in den nationalen Verfassungen vorsieht.

    Das konservative Ziel der Einengung budgetpolitischer Handlungsfähigkeit wurde so weitgehend erreicht. Das Ergebnis ist ein im internationalen Vergleich besonders geringes Defizit der Eurozone – allerdings um den Preis von Rekordarbeitslosigkeit, Deflationsgefahr und realen Einkommensverlusten für die meisten EuropäerInnen. Selbst Organisationen wie die OECD kommen nun zum Schluss, dass die einseitige Sparpolitik negative Verteilungswirkung hatte.

    Zweite Priorität: Jede/r gegen jede/n

    In dem Maß wie die Verantwortlichen in der Europäischen Kommission bzw. im Rat die immer offensichtlicheren Schattenseiten ihrer Sparpolitik nicht mehr leugnen konnten, wurde der Zwang zu Strukturreformen zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit als zweite Säule der europäischen Wirtschaftspolitik ausgebaut. Beginnend mit dem von der deutschen Regierung vorangetriebenen Euro-Plus-Pakt sollte vor allem Arbeit verbilligt werden, sei es durch Abbau von Arbeitsplatzqualität und -standards, Schwächung der Gewerkschaften und/oder niedrigeren Löhnen. Die damit verbundene Hoffnung: Durch Exporte soll Europa wieder zu Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum kommen. Leider wurde „übersehen“, dass die Exporte der Eurozone nach wie vor nur etwa ein Fünftel der Gesamtnachfrage betragen. Selbst wenn dieser Teil nun stärker wächst, so kann damit rein rechnerisch insgesamt kein positiver Beitrag entstehen, wenn die Spar- und Lohnsenkungsstrategie zu Lasten der anderen vier Fünftel – nämlich der Konsum- und Investitionsnachfrage in der Eurozone selbst – geht.

    Die Resultate dieser Politik sind durchaus sichtbar. Erstmalig seit dem Zweiten Weltkrieg sanken die real verfügbaren Einkommen der Haushalte in der Eurozone fünf Jahre in Folge. Unerwünschter Nebeneffekt: Die Verschuldungsquoten der privaten wie öffentlichen Haushalte steigt und somit wird ihre Rückzahlungsfähigkeit geschwächt. Gleichzeitig fördert das Mantra des Wettbewerbs zwischen Volkswirtschaften und ihren Akteuren die Konflikte untereinander. Die solidarische Zusammenarbeit zur Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Menschen in Europa weicht dem Wettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten um Marktanteile „ihrer“ Unternehmen und die größten Einsparungen bzw. zwischen den Arbeitslosen um die wenigen verbliebenen Jobs.

    Kurswechsel gefragt

    Alternativen sind nicht nur gefragt, sondern liegen auf der Hand (vgl. Beitrag von Markus Marterbauer, Das verflixte siebte Jahr). Sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene muss der Abbau der Arbeitslosigkeit in den Mittelpunkt gerückt werden. Das würde nicht nur den Betroffenen helfen, sondern auch den Druck auf die Standards der Beschäftigten lindern. Zugleich würde damit mittelfristig zur Sanierung der öffentlichen Haushalte beigetragen werden, die sich einnahmenseitig in ganz Europa vor allem aus Steuern und Abgaben auf den Faktor Arbeit speisen und auch ausgabenseitig von hoher Arbeitslosigkeit geschwächt werden. Diese positiven Effekte fürs Budget ergeben sich selbst dann, wenn kurzfristig Geld für ökosoziale Investitionen in die Hand genommen werden muss.

    Kurswechsel einschlagen

    Die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament zählen zu den wenigen Gelegenheiten, wo die Mehrheit der Menschen in der EU den Kurs der Wirtschaftspolitik beeinflussen kann. Von deren Ausgang wird abhängen, ob die Spar- und Wettbewerbspolitik weiter verschärft wird oder ob ein Kurswechsel für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse eingeschlagen wird.

    Blogbeitrag zur Krise in Spanien: tinyurl.com/qxrllys
    Blogbeitrag über öffentliche Investitionen: tinyurl.com/nfzx3gh

    Blogbeitrag über Alternativen zur Massenarbeitslosigkeit in der EU: tinyurl.com/lkbmkq4

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor georg.feigl@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Georg Feigl, Referent für öffentliche Haushalte in der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349777 Spar- und Wettbewerbs-EU am Ende? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350415 Krisenpolitik des EU-Institutionengefüges und der Troika Ende März peitschte die griechische Regierung aus Nea Dimokratika (Konservative) und der „sozialistischen“ PASOK ein 600-seitiges Omnibusgesetz durch das Parlament. Obwohl es weitere tiefe Einschnitte im Bereich öffentlicher und sozialer Infrastruktur und eine verschärfte Flexibilisierung des Arbeitsrechts vorsieht, erhielten die Abgeordneten den Entwurf dazu erst in der Nacht vor der Abstimmung. Mit dieser legistischen Technik werden unterschiedlichste Aspekte zu einem einzigen Antrag verwoben, um im Parlament auch Mehrheiten gegen die Überzeugung des Großteils der Abgeordneten zu organisieren. Im Gegenzug gab die Euro-Gruppe, bestehend aus den Finanzministern der achtzehn Euro-Länder, die sich zu die-sem Zweck in Athen traf, eine weitere Tranche „Rettungsgelder“ frei. Alle Demonstrationen gegen das Treffen der Euro-Gruppe wurden verboten.

    „Marktkonforme Mitbestimmung“

    Damit bestätigte sich ein Muster, das die bisherige Krisenpolitik prägt: Neoliberale Wirtschaftspolitik wird zunehmend durch Entdemokratisierung und die Aufhebung von Grundrechten durchgesetzt. Niemand hat diese Politik treffender auf den Punkt gebracht als Angela Merkel: Es gehe darum, „die parlamentarische Mitbestimmung so [zu gestalten], dass sie trotzdem auch marktkonform ist“1. Die beiden Leitplanken der Krisenpolitik, so die deutsche Bundeskanzlerin in ihrer Rede vor dem Davoser Wirtschaftsforum, seien Austerität und Wettbewerbsfähigkeit. Das bedeutet nichts anderes als Sparen bei öffentlichen Dienstleistungen und Reduktion von Arbeitsrecht und Löhnen. Eine solche Politik, die nur einigen wenigen gesteigerte Profite und vergrößerte Kapitalanlagemöglichkeiten durch Liberalisierung und Privatisierung bringt, lässt sich demokratisch kaum durchsetzen.

    Entsprechend breit ist die Palette von marktkonformen Beschränkungen und Durchbrechungen der Demokratie in den Krisenländern: Sparmaßnahmen werden auf Druck der Europäischen Zentralbank (EZB) mittels Notstandsverordnungen beschlossen oder im Schnellverfahren durch die Parlamente gepeitscht, Streikende durch Dienstverpflichtung und die Polizei zur Arbeit gezwungen. Und das Recht auf Versammlungs- und Meinungsäußerungsfreiheit wird von Verboten, Verwaltungsstrafen oder durch Zwangsmaßnahmen grundrechtswidrig eingeschränkt.2

    So gelingt es, jene Politik durchzusetzen, die durch die Troika den Programmländern vorgeschrieben wird. Dabei handelt es sich um jene Länder, die sich aufgrund der Krise nicht mehr auf den Finanzmärkten refinanzieren konnten: Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern. In diesem Zusammenhang konnten die Staatschefs der Programmländer Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen und „Reformen“ im Bereich von Lohnpolitik, Arbeitsrecht und Sozialsystemen durchsetzen, die bisher am Widerstand der Gewerkschaften und sozialer Bewegungen gescheitert waren.

    Neoliberales „Reformbündnis“

    Bei der Lohnpolitik kam es zur Reduktion bzw. zur Einfrierung von Mindestlöhnen, zur Abschaffung, Aussetzung oder zeitlichen Limitierung von Kollektivverträgen (KV) und zur Verlagerung der KV-Verhandlungen auf die Betriebsebene. Bei den Pensionen wurde das Antrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt, die Beitragszeiten massiv verlängert und die Höhe der Zahlungen gekürzt. Und im Arbeitsrecht setzte das neoliberale „Reform-Bündnis“ aus Unternehmerverbänden, Finanzindustrie, EU-Kommission, neoliberalen Staatschefs und der EZB Erleichterung von Kündigungen, Verlängerungen der Wochenarbeitszeit und Ausbau von befristeter Beschäftigung und Zeitarbeit durch.3 Und auch im Gesundheitsbereich kam es etwa in Griechenland zu einer drastischen Reduktion der Ausgaben von rund 40 Prozent – dies obwohl am Peloponnes schon zuvor wesentlich weniger öffentliche Gelder für Gesundheit aufgewandt wurden als etwa in Deutschland.4

    Die Erfahrungen zeigen, dass nicht jene Strukturen einer Reform unterzogen werden, die für die Wirtschaftskrise verantwortlich sind. So kam es in keinem der betroffenen Länder zu einer merklich verstärkten Besteuerung von Vermögen, hohen Einkommen und Unternehmensgewinnen. Genauso wenig wurde die Monopolisierung wirtschaftlicher Entscheidungen durch eine Demokratisierung aufgebrochen. Im Gegenteil, die Ungleichheit in der Verteilung und die Entdemokratisierung der Wirtschaft(spolitik) spitzt sich weiter zu – zumal die Gelder aus dem EU-Rettungsschirm nicht den Arbeitslosen und Armen zugutekommen. Vielfach werden sie zur Rettung von Banken eingesetzt, die nicht selten aus den „Geberländern“ stammen.

    Fatale Folgen

    Die Folgen dieser Politik sind fatal: Wer in einer Krise dafür sorgt, dass neben den Unternehmen auch noch die öffentliche Hand weniger investiert (Austerität) und die ArbeitnehmerInnen weniger Geld zur Verfügung haben (Wettbewerbsfähigkeit durch Sozialdumping), sorgt dafür, dass alle Säulen der Nachfrage gleichzeitig geschwächt werden. Die Wirtschaft gerät in eine Abwärtsspirale. Es überrascht daher nicht, dass in Griechenland und Spanien die Arbeitslosigkeit mittlerweile mehr als 25 Prozent – unter Jugendlichen sogar 55 Prozent – beträgt. Werte, die selbst in der Zwischenkriegszeit nur kurzfristig übertroffen wurden. Eine Studie zu den gesundheitlichen Folgen der Krisenpolitik kommt zu erschütternden Ergebnissen: In weniger als fünf Jahren stiegen in Griechenland die Säuglingssterblichkeit um 43 Prozent, Selbstmorde um 50 Prozent und die Anzahl schwerer Depressionen verdoppelte sich. Weil Präventionsprogramme eingestellt wurden, kehren längst verbannte Krankheiten auf den europäischen Kontinent zurück: Malaria und Denguefieber.

    Wer hat diese Politik beschlossen? Ist allein die Troika, die aus der Europäischen Kommission, der EZB und dem Internationalen Währungsfonds besteht, verantwortlich? Ein Blick auf den rechtlichen Aufbau der Rettungsschirme und der EU zeigt auf, dass allen Akteuren des europäischen Institutionengefüges Verantwortung zukommt: Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist, wie die bisherigen Rettungsschirme, außerhalb des Europarechts errichtet worden. Dennoch schließt die Europäische Kommission mit den Programmländern die „Verträge“ (über Auflagen sogenannter Memoranda of Understanding) im Namen des ESM ab. Der Troika kommt daher genau besehen nur die Aufgabe zu, die Auflagen zu verhandeln und ihre Umsetzung zu überprüfen. In weiterer Folge muss der Gouverneursrat des ESM, in dem alle Finanzminister der Euro-Staaten vertreten sind, die Verträge einstimmig (!) genehmigen. Die bisherigen Auflagen der Krisenpolitik hätten daher durch jedes Geberland verhindert werden können. Und natürlich tragen auch Programmländer Verantwortung, wenn sie Auflagen der Austerität und der Wettbewerbsfähigkeit umsetzen, anstatt die Schließung von Steuerschlupflöchern und die Besteuerung von Vermögen in Angriff zu nehmen.

    Dass diese politische und rechtliche Verantwortung für die Krisenpolitik und ihre Folgen auch eine grundrechtliche Dimension hat, zeigt nun eine Studie von Andreas Fischer Lescano, welche die AK gemeinsam mit ÖGB und Europäischem Gewerkschaftsbund in Auftrag gegeben haben. Der Studienautor weist darin nach, dass die Europäische Kommission aufgrund der europäischen Verträge an die Beachtung der Menschenrechte gebunden ist. Auch dann, wenn sie für völkerrechtliche Gebilde wie den ESM tätig wird. Indem die Kommission Memoranda of Understanding abgeschlossen hat, die etwa zu einer Verlagerung der Kollektivvertragsverhandlungen auf die betriebliche Ebene verpflichten oder eine drastische Einsparung von Krankenhäusern vorsehen, greift sie unverhältnismäßig in Grundrechte wie jene auf Tarifautonomie und Gesundheit ein.

    Wahrung der Menschenrechte

    Dies gilt allerdings auch für alle anderen Akteure des europäischen Institutionengefüges, die sich an der gegenwärtigen Krisenpolitik beteiligen. Denn auch die Programm- und Geberländer sind als staatliche Akteure genauso wie die Europäische Kommission an die Wahrung der Menschenrechte gebunden.

    1www.nachdenkseiten.de/?p=10611 (14. Februar 2014)
    2 Siehe für eine nähere Darstellung und entsprechende Belege Caceres/Oberndorfer: Verlangt das Gesetz der bürgerlichen Sicherheit die Einschränkung der politischen Freiheiten? – Spanien und die Neuzusammensetzung von Zwang und Konsens im autoritären Wettbewerbsetatismus. juridikum 2013, 453.
    3 Hermann: Die Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf Sozialstaaten. infobrief eu & international 5/2012, 1.
    4 Die Studie und weitere Hintergrundmaterialien lassen sich in einem eigenen Bereich zu „Demokratie und Europa/recht in der Krise“ auf der Website der Arbeiterkammer abrufen: bit.ly/1dydnf6.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor lukas.oberndorfer@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Lukas Oberndorfer, Experte für Europafragen in der Abteilung EU & Internationales der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349146 Damit bestätigte sich ein Muster, das die bisherige Krisenpolitik prägt: Neoliberale Wirtschaftspolitik wird zunehmend durch Entdemokratisierung und die Aufhebung von Grundrechten durchgesetzt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350380 Kapitalgedeckte Pensionen sind keine Alternative Pensionsfonds und VermögensberaterInnen nutzen die Angstmache um das öffentliche Pensionssystem aus und empfehlen zur „Absicherung“ oder gar als Ersatz des öffentlichen Pensionssystems kapitalgedeckte Pensionen. Um diese Diskussion richtig zu bewerten, empfiehlt sich der Blick über die Grenze: Welche Erfahrungen haben denn andere Länder mit privaten Pensionssystemen gemacht?

    Individuelle Ansparpläne

    Unter kapitalgedeckten Pensionen versteht man individuelle Ansparpläne für die Pension. Anders als im Umlageverfahren werden Pensionsbeiträge der heute Aktiven nicht unmittelbar an die heutigen Pensionistinnen und Pensionisten ausbezahlt, sondern die Beiträge werden am Markt veranlagt, in der Hoffnung, dass das Geld „arbeiten“ möge.

    Dabei können die Pensionsbeiträge direkt vom Lohn abgezogen werden, wobei in manchen Fällen der Arbeitgeber noch etwas dazulegt (berufsbezogene Pensionen), oder es handelt sich um persönliche, private Ansparpläne. In manchen Ländern ist es verpflichtend, sich über eine kapitalgedeckte Pensionsversicherung abzusichern: In den Niederlanden etwa gibt es verpflichtende berufsbezogene Pensionen, in Polen hat man versucht, ein verpflichtendes privates System einzuführen.

    In anderen Ländern ist es freiwillig: Ein typisches Beispiel für berufsbezogene freiwillige Pensionssparpläne sind die sogenannten 401(k) Pläne in den USA, in Deutschland wiederum gibt es mit der Riester-Rente eine freiwillige, persönliche Pensionsversicherung.

    Sehr unterschiedliche Systeme – gibt es da vielleicht eines, das den anderen überlegen ist, das tatsächlich eine gute Altersabsicherung ermöglicht? Ein Ländervergleich zeigt eindeutig: Nein, kapitalgedeckte Systeme kommen der Allgemeinheit nicht billiger und sie garantieren vor allem auch keine vertrauenswürdige Altersabsicherung. Werfen wir dafür einen kurzen Blick auf die einzelnen Länder: Das niederländische Pensionssystem hat seit vielen Jahrzehnten ein verpflichtendes Betriebspensionssystem mit starker Beteiligung der Sozialpartner.

    Instabilitäten des Systems

    Bereits vor der großen Rezession wurden Instabilitäten des Systems sichtbar. Die Finanzkrise und ihre Folgewirkungen haben dann den Großteil der Fonds langfristig unter Wasser gesetzt – zum einen aufgrund der Verluste auf der Vermögensseite, zum anderen aufgrund der niedrigen Zinsstruktur, die die zukünftigen Verbindlichkeiten massiv verteuert.

    Als Folge kam es zu Einschnitten bei den Leistungszusagen – über Beitragserhöhungen und Anhebungen des Pensionsalters einerseits und das Aussetzen der jährlichen Anpassungen (wodurch die angesparten Beträge deutlich weniger wert werden) andererseits. Heute aktive NiederländerInnen müssen mit deutlichen Einbußen ihrer zukünftigen Pensionen rechnen. Im Frühjahr 2013 wurden dann auch ausbezahlte Pensionen um teilweise über fünf Prozent gekürzt, was das Vertrauen in das System schwächte und gleichzeitig auch kontraktiv auf die ohnehin schon schwächelnde niederländische Wirtschaft wirkte.

    USA: Oft Betriebspensionen

    In den USA sind neben der gesetzlichen Pensionsversicherung (Social Security) Betriebspensionen weitverbreitet: Eine immer wichtigere Rolle spielen dabei die beitragsbezogenen, steuerlich geförderten Betriebspensionsansparpläne 401(k). 40 Prozent der amerikanischen Haushalte sind im Besitz derartiger Fonds, 3.500 Mrd. US-Dollar sind in 401(k) Plänen veranlagt. Die AnlegerInnen können selbst entscheiden, wie viel und in welchen Fonds er/sie veranlagen will – begründet wird dies mit der Eigenverantwortung der Menschen.

    Bereits vor der Krise war allerdings klar, dass die Menschen viel zu geringe Beträge in diesen Ansparplänen für eine adäquate Lebensstandardsicherung im Alter veranlagt haben. Der Traum von der wunderbaren Geldvermehrung, der durch den Aktienboom der Neunzigerjahre ausgelöst worden war, war geplatzt …

    In der Krise kam es zu Vermögenseinbrüchen in den Ansparplänen, vor allem aber zwang die unsichere Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage viele Erwerbstätige, Gelder aus den Fonds zu entnehmen oder ihre Einzahlungen noch weiter zu reduzieren. Eine deutliche Erhöhung der Altersarmut in den USA in den kommenden Jahrzehnten scheint vorprogrammiert zu sein.

    In Polen wurde 1999 das Pensionssystem von Grund auf reformiert: Unter dem Einfluss der Chicago Boys und aufgrund budgetärer Nöte im öffentlichen System wurde das Umlagesystem auf ein fiktives Beitragssystem umgestellt und als zweite Säule ein verpflichtendes Privatpensionssystem etabliert. Beiträge, die bislang in das Umlagesystem flossen, wurden nun dem Privatpensionssystem zugeführt.

    Viel mehr Personen als erwartet stiegen auf dieses neue System um, gleichzeitig blieben sehr großzügige Frühpensionierungsregeln aufrecht. Die Folge: Bereits vor der Krise war das öffentliche System hoch defizitär geworden.

    In der Krise performten dann die privaten Pensionsfonds, die in ihren Aktivitäten noch dazu nur auf den polnischen Kapitalmarkt beschränkt waren, sehr schlecht, sodass 2011 eine Re-Reform durchgeführt wurde: Es wurde wieder ein höherer Anteil der Beitragszahlungen dem öffentlichen System zugeführt.

    Polnisches Experiment gescheitert

    Die derzeitige Regierung stellt das System insgesamt in Frage und hat große Teile der Pensionsfonds wieder verstaatlicht. Insgesamt ist das polnische Experiment somit in all seinen Ambitionen gescheitert: Die öffentlichen Haushalte wurden nicht entlastet, die Pensionssicherheit wurde nicht erhöht, im Gegenteil, es droht Polen eine erhebliche Altersarmut und auch der polnische Kapitalmarkt leidet unter der mangelnden Planungssicherheit des Systems.

    In Deutschland wurde die Riester-Rente Anfang der Nullerjahre als freiwillige Pensionszusatzversicherung eingeführt. Sie wird zu mehr als 45 Prozent subventioniert, in der Hoffnung, dass vor allem NiedrigeinkommensbezieherInnen so vermehrt für ihr Alter ansparen. Es konnte zwar die Sparquote tatsächlich gesteigert werden und der Verbreitungsgrad in den unteren Einkommensschichten ist gestiegen, aber von der sehr hohen steuerlichen Förderung profitierten vor allem auch die oberen Einkommensgruppen.

    Riester-Rente kein Erfolgsmodell

    Heute zeigt sich: Vermögensverluste während der Krise und die auf Dauer niedrige Zinslandschaft dürften zu massiven Enttäuschungen im Alter führen und auch die Riester-Rente nicht als Erfolgsmodell dastehen lassen.

    Zudem ist der Markt über Riester-Produkte unübersichtlich und in seiner Komplexität für Menschen mit durchschnittlicher finanzieller Kompetenz nicht zu durchschauen. Das führt dazu, dass unterm Strich suboptimal wenig für die Riester-Rente angespart wird und gleichzeitig sowohl das Risiko als auch die Beitragsbelastung völlig einseitig auf die ArbeitnehmerInnen verschoben wurden.

    Damit lässt sich die eingangs gestellte Frage klar beantworten: Faktum ist, dass in allen diesen Systemen der Finanzierungsbedarf von Pensionssystemen aus dem öffentlichen Kollektiv in die individuelle Verantwortung verlagert und damit nicht geringer wird, ja sogar oft steigt: Trotz gleich hoher Beiträge wie in Umlagesystemen wurde es spätestens in der Krise notwendig, entweder bei den Beiträgen nachzuschießen oder geringere Leistungen in Kauf zu nehmen. Da die erhofften Markt-Renditen ausblieben, reichen die angesparten Beträge bei Weitem nicht aus, um eine anständige Alterssicherung zu gewähren: In Polen, den USA, aber auch in Deutschland droht Altersarmut.

    Wichtig dabei: Die hier (in aller Kürze) dargestellten Entwicklungen hängen nicht nur mit der Krise zusammen. Auch in Nichtkrisenzeiten gilt – und ist inzwischen von mehreren Nobelpreisträgern belegt: Es gibt niemanden, der bei Finanzveranlagungen dauerhaft und systematisch überdurchschnittlich hohe Renditen erzielt.

    Es ist daher wie beim Roulette: Im Regelfall gewinnt die Bank, es kann sich niemand darauf verlassen, mit Gewinnen auszusteigen. Das ist kein System, auf dem jemand seine Alterssicherung aufbauen sollte!

    Agnes Streissler: Kapitalgedeckte Pensionssysteme – Niederlande, USA, Polen und Deutschland im Vergleich. Im Internet: tinyurl.com/p78l25o

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin as@agnesstreissler.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Agnes Streissler-Führer, Wirtschaftspolitische Projektberatung e. U. Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349141 Es ist wie beim Roulette: Im Regelfall gewinnt die Bank, es kann sich niemand darauf verlassen, mit Gewinnen auszusteigen. Das ist kein System, auf dem jemand seine Alterssicherung aufbauen sollte! http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350330 EU-Gesundheitspolitik: Gefahr in Verzug? Gesundheitspolitik in der Europäischen Union war lange Zeit alleinige Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten. Entsprechend verschieden sind auch bis heute die Gesundheitssysteme der einzelnen Länder. Sie unterscheiden sich in der Art der Finanzierung, der Organisation und der Qualität der Versorgung genauso wie im Grad der Privatisierung. Bis heute hat die EU im Bereich der Gesundheit nur koordinierende und keine rechtsetzende Kompetenz.

    Trend zur Europäisierung

    Die ökonomische Integration ist dennoch an den Gesundheitssystemen der Mitgliedsländer nicht völlig spurlos vorübergegangen. Es zeichnet sich vielmehr längst ein eindeutiger Trend zur Europäisierung ab. Auch wenn die Kommission über nahezu keine Kompetenzen in diesem Bereich verfügt, so ist sie doch sehr geschickt darin, diese aus anderen Politikfeldern abzuleiten. Das führt schließlich dazu, dass sich die ökonomische Integration ganz konkret auf nationale Sozial- und Gesundheitspolitiken auswirkt. Die Gesundheitssysteme in der EU befinden sich zunehmend in einem Wettbewerb: Immer mehr Dienstleistungen werden grenzüberschreitend angeboten. Große Konzerne haben längst die Potenziale des „Gesundheitsmarktes“ erkannt und lobbyieren auf allen Ebenen für mehr Marktöffnung. In der Folge geraten Gesundheitsdienstleistungen zunehmend unter Liberalisierungsdruck. Andererseits zwingen die budgetären Vorgaben der EU die einzelnen Mitgliedsstaaten, die staatlichen Ausgaben bei der Gesundheit zu reduzieren. Besonders dramatische Auswirkungen hat das derzeit in Griechenland. Auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes der letzten 15 Jahre legen nahe, dass die vier Freiheiten des Binnenmarktes auch im Gesundheitsbereich konsequent angewendet werden. Schon 1998 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH)1 entschieden, dass die im Ausland erworbene Brille bzw. der Zahnersatz von der nationalen Krankenkasse zu erstatten sei, da sonst eine unzulässige Beschränkung des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs vorliege. Weitere Entscheide gingen in eine ähnliche Richtung. Indem der Europäische Gerichtshof konsequent die vier Marktfreiheiten im Gesundheitsbereich einforderte, gestaltete er die EU-Gesundheitssysteme mit.

    Patientinnen-/Patientenmobilität

    Als Reaktion auf diese Entwicklungen startete die Kommission daher 2002 einen Diskussionsprozess zum Thema Patientinnen-/Patientenmobilität, mit dem Ziel, medizinische Versorgung im Ausland zu erleichtern und ohne vorherige Genehmigung der Krankenkasse zu ermöglichen. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde 2011 im Europäischen Parlament schließlich die „Richtlinie zur Ausübung von Patientenrechten in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ beschlossen. Patientinnen und Patienten können sich in Zukunft auch im Ausland behandeln lassen, vorausgesetzt, sie hätten auf diese Behandlung auch im Heimatland Anspruch. Die Kosten dafür müssen sie vorstrecken und erhalten sie bis zu der Höhe erstattet, die die Behandlung auch im Inland gekostet hätte.

    Die Reaktionen auf den Kompromiss sind gemischt: Man erhofft sich einerseits mehr Klarheit für Patientinnen und Patienten. KritikerInnen befürchten allerdings auch einen verstärkten Trend zur Zweiklassenmedizin. Sprich: Wer es sich leisten kann, fährt dorthin, wo sie/er sich die beste Behandlung erhofft. Umgekehrt könnte es vor allem in Grenzräumen dazu kommen, dass die Krankenkassen Patientinnen und Patienten nahelegen, sich im Ausland behandeln zu lassen, um Kosten zu sparen.

    Brisant ist diese Debatte im Übrigen nicht, weil damit zu rechnen wäre, dass es in Zukunft Millionen Gesundheitstouristinnen und -touristen in der EU geben könnte. Es geht vielmehr darum, wie viel Wettbewerb es im Gesundheitsbereich zukünftig geben wird.

    Mehrwertsteuerreform

    Wie andere Politikfelder die Gesundheitspolitik beeinflussen, zeigt sich aktuell auch an der Debatte um eine Mehrwertsteuerreform. Die Europäische Union ist für die Koordination der nationalen Mehrwertsteuersysteme im Rahmen des Binnenmarktes zuständig. Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll das europäische Mehrwertsteuersystem nun reformiert werden. Zu den Überlegungen gehört auch, Steuerbefreiungen sowie steuerliche Ermäßigungen weitgehend zu beschränken.

    Die unterschiedlichen Medikamentenpreise in Europa lassen sich zu einem großen Teil durch die unterschiedliche Höhe der Mehrwertsteuersätze erklären, die auf die Preise der einzelnen Medikamente erhoben werden. So verlangt Dänemark in Europa die höchste Mehrwertsteuer mit 25 Prozent, Bulgarien liegt an zweiter Stelle und Deutschland an dritter Stelle mit 19 Prozent. Frankreichs Mehrwertsteuersatz liegt bei 2,1 Prozent für erstattungsfähige und bei sieben Prozent für nicht erstattungsfähige Arzneimittel und ist somit deutlich niedriger als in den meisten anderen EU-Ländern. Für unsere deutschen Nachbarn lohnt es sich also, in den meisten angrenzenden Ländern ihre nicht verschreibungspflichtigen Medikamente zu kaufen: in den Niederlanden, in der Schweiz, in Belgien, Österreich und Polen. In Frankreich können Deutsche oft bis zu 50 Prozent und mehr sparen, zum Beispiel bei Aspirin und der Antibabypille.

    Die Beseitigung von Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer würde in Deutschland, im Gegensatz zu Österreich, wo seit 2010 ein ermäßigter Steuersatz von zehn Prozent auf Medikamente gilt, Arzneimittel nicht betreffen. Aber es geht nicht nur um die Medikamentenpreise. Denn bislang unterliegen in Deutschland gesetzliche Gesundheitsdienstleistungen zu einem großen Teil nicht der Mehrwertsteuer oder nur einem ermäßigten Steuersatz. So sind beispielsweise die ärztliche Heilbehandlung sowie die Krankenhausbehandlung grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit.

    Bei einer Mehrwertsteuer-Harmonisierung würde bei gleichen Gesundheitsleistungen eine Mehrbelastung von rund 34 Mrd. Euro pro Jahr für die deutsche Sozialversicherung entstehen. Die Folge wäre, dass der Beitragssatz zur Sozialversicherung insgesamt um mehr als drei Prozentpunkte steigen müsste. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, die letztes Jahr von der Deutschen Rentenversicherung Bund, dem GKV-Spitzenverband, den Verbänden der Kranken- und Pflegekassen auf Bundesebene sowie von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung durchgeführt wurde.

    Betroffen wären nicht nur die Krankenversicherungen, sondern auch die gesetzliche Renten- und Unfallversicherung in ihrer Funktion als Rehabilitationsträger. Steigt in einem Sozialversicherungszweig der Beitragssatz, würde dies zudem zu Mehrkosten in anderen Sozialversicherungszweigen überall dort führen, wo diese Beiträge für ihre Versicherten übernehmen. So zahlt die deutsche Rentenversicherung beispielsweise für RentnerInnen einen Teil der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung.

    Auswirkungen auf Österreich

    Welche Auswirkungen diese Pläne auf Österreich haben, scheint noch nicht absehbar zu sein. Nach dem Gesund-heits- und Sozialbereich-Beihilfengesetz (GSBG) bekommen die Sozialversicherungsträger hierzulande die ihnen von den Vertragspartnern in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer zur Gänze in Form einer Beihilfe ersetzt. Diese Eins-zu-eins-Abdeckung beträgt circa 500 Mio. Euro pro Jahr. Allerdings sind Umsätze innerhalb der SV-Träger komplett steuerfrei.

    Würde die Mehrwertsteuer auf Medikamente statt zehn Prozent nun 20 Prozent betragen bzw. würden auch die Bereiche Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenanstalten und die Eigenumsätze der SV-Träger diesem Steuersatz unterworfen, so würde sich die Mehrbelastung auf etwa 2,2 Mrd. Euro belaufen. Wer das dann zu bezahlen hätte, wäre, wie so vieles, Verhandlungssache.

    Lobbying in Brüssel

    Die GPA-djp setzt sich daher gemeinsam mit Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen aus Deutschland dafür ein, Mehrwertsteuerbefreiungen und ermäßigte Mehrwertsteuersätze im Gesundheitsbereich beizubehalten, um zusätzliche Kosten für Sozialversicherungen sowie Patientinnen und Patienten zu vermeiden.

    1 Rechtssache Kholl (C-158/96), Rechtssache Decker (C-120/95). 

    EU-Politik bei der GPA-djp: euinfo.gpa-djp.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen martin.bolkovac@gpa-djp.at
    lucia.bauer@gpa-djp.at  oder die Redaktion
    aw@oegb.at

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    Lucia Bauer, GPA-djp, Büro des Vorsitzenden und Martin Bolkovac, GPA-djp, Grundlagenabteilung Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349125 Die GPA-djp setzt sich gemeinsam mit Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen aus Deutschland dafür ein, Mehrwertsteuerbefreiungen und ermäßigte Mehrwertsteuersätze im Gesundheitsbereich beizubehalten ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227350222 Wirtschaftskrise und Qualität der Arbeit?

    Die Schaffung von Arbeitsplätzen ist seit der Europäischen Beschäftigungsstrategie 1997 ein immer wieder als wichtig formuliertes Ziel europäischer Politik. Es wurde im Jahr 2000 in der „Lissabon-Strategie“ auf die berühmte Formel „mehr und bessere Arbeitsplätze“ gebracht. Bis 2007 waren in Europa Beschäftigungszuwächse zu verzeichnen. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise ist davon nicht viel geblieben, denn sie hatte folgenschwere Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte: eine rückläufige Entwicklung der Beschäftigung und einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Laut EUROSTAT lag die saisonbereinigte Arbeitslosenquote Ende 2013 im Euroraum (ER-18) bei 12 Prozent, in Griechenland bei 28 Prozent, in Spanien bei knapp 26 Prozent und in Kroatien bei knapp 19 Prozent. Besonders dramatisch gestiegen ist die Jugendarbeitslosigkeit (unter 25-Jährige), die in Griechenland 59 Prozent, in Spanien knapp 55 Prozent, in Kroatien knapp 50 Prozent und in Italien 42 Prozent erreichte. Insgesamt waren im Jänner 2014 in der EU-28 über 26 Mio. Menschen ohne Erwerbsarbeit.

    Vor diesem Hintergrund veranstaltete die AK Wien im Mai 2013 eine Fachtagung, in der die Frage im Zentrum stand, wie es angesichts dieser Entwicklungen um die Qualität der Arbeit steht. Dabei wurden Ergebnisse aus drei Forschungsprojekten präsentiert.

    „Job Quality Index“

    Der vom Europäischen Gewerkschaftsinstitut (EGI/ETUI) entwickelte „Job Quality Index“1 erlaubt einen differenzierten Blick auf die Frage nach der Qualität der Arbeit in den EU-Ländern. Er analysiert die Arbeitsqualität in sechs Dimensionen: dem Niveau und der Verteilung von Löhnen und Gehältern, dem Ausmaß unfreiwilliger befristeter Beschäftigung und Teilzeitarbeit, den Arbeitszeitregelungen in Verbindung mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, den Arbeitsbedingungen, den individuellen Chancen, sich beruflich weiterzuentwickeln und den Möglichkeiten kollektiven Handelns auf betrieblicher Ebene.

    Die Analysen des Job Quality Index stützen sich auf Daten des Zeitraums von 2005 bis 2010. Darin sind auch die Krisenjahre enthalten. In den Jahren vor der Finanz- und Wirtschaftskrise herrschte in manchen EU-Ländern ein Wirtschaftsboom. Dessen ungeachtet zeigen die Ergebnisse, dass insgesamt die Qualität der Arbeit in der EU-27 – wenn auch bisher leicht – gesunken ist. Im Detail wird sichtbar, dass ein Kaufkraftverlust bei den Durchschnittslöhnen und eine ungleichere Verteilung der Löhne eingetreten sind. Noch deutlicher fallen der Anstieg atypischer Beschäftigung und der Anzahl jener Menschen aus, die unfreiwillig diesen Beschäftigungen nachgehen müssen. Hier ist der klarste krisenbedingte Zusammenhang erkennbar. Auch die Zahl der Beschäftigten, die fürchten ihren Arbeitsplatz zu verlieren, hat sich signifikant erhöht. Dem gegenüber steht eine partielle Verbesserung der Arbeitsqualität, weil überlange Arbeitszeiten reduziert wurden und sich in einigen Bereichen die Arbeitsintensität verbessert hat. Diese gestiegene Autonomie am Arbeitsplatz dürfte aber ihren Grund im überdurchschnittlichen Abbau von Arbeitsplätzen mit wenig Autonomie haben (z. B. am Bau). Das Ausmaß der Krise und die allgemeine Entwicklung der Arbeitsqualität in Europa zeigen im Rahmen des Job Quality Index einen statistischen Zusammenhang, der jedoch nicht sehr ausgeprägt ist. Grundsätzlich ist das Niveau der Arbeitsplatzqualität europaweit nach wie vor extrem unterschiedlich. Da die jüngste Untersuchung im Rahmen des Job Quality Index auf Daten aus dem Jahr 2010 beruht, ist davon auszugehen, dass viele Folgen der Krise für die Arbeitsplatzqualität ihren Niederschlag noch nicht in den statistischen Daten gefunden haben. Umso wichtiger ist es daher, die Qualität von Arbeitsplätzen auch in Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren.

    Bericht der EU-Kommission

    Wie brisant die Frage nach der Qualität der Arbeit tatsächlich ist, belegt der aktuelle Bericht der EU-Kommission „Beschäftigung und soziale Entwicklungen in Europa 2013“2. Darin wird als gravierendste Folgewirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise der starke Anstieg der Armut(sgefährdung) in der EU ausgewiesen. Dieser ist zum einen auf die hohe Erwerbslosigkeit zurückzuführen. Zum anderen sichert aber selbst ein Arbeitsplatz kein Entrinnen aus der Armut: Wie die EU-Kommission in ihrer Analyse betont, ist ein neuer Arbeitsplatz nur für die Hälfte der Betroffenen auch ein Weg aus der Armut. Dies ist u. a. auf prekäre Arbeitsbedingungen in Form von geringen Löhnen/Gehältern, unfreiwilliger Teilzeitarbeit und befristeter Arbeit zurückzuführen. Letzteres Problem betrifft insbesondere junge Menschen.3

    Arbeitslosigkeit in Rekordhöhe

    Obwohl Österreich im Hinblick auf die Entwicklung am Arbeitsmarkt deutlich günstiger abschneidet als andere EU-Länder, besteht auch hier kein Anlass zum Jubeln: Einerseits erreicht die Arbeitslosigkeit traurige Rekordhöhen – Ende Februar 2014 waren in Österreich knapp 440.800 Menschen arbeitslos gemeldet (356.700) oder in Schulung (84.100) –, dem standen gleichzeitig knapp 24.600 gemeldete offene Stellen gegenüber.4/5 Andererseits hat der österreichische Arbeitsmarkt – und das zeigt der von der AK Wien in Kooperation mit dem WIFO entwickelte Arbeitsmarktmonitor eindrücklich – ungeachtet der vergleichsweise günstigen Gesamtentwicklung hartnäckige Schwächen. Dazu zählen neben der relativ schlechten Beschäftigungsintegration von über 55-Jährigen und den deutlich geringeren Beschäftigungsquoten von Frauen auch die großen Unterschiede im Hinblick auf die Einkommen von Frauen und Männern sowie das mangelhafte Angebot an institutionalisierter Kinderbetreuung, v. a. für Kinder unter drei Jahren.

    Folglich besteht auch in Österreich ein weitreichender Handlungsbedarf: Er reicht von der Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze über Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bis hin zur Beseitigung struktureller Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Dazu zählen aber auch Maßnahmen zur Verkürzung überlanger Arbeitszeiten und zur Eindämmung des gesundheitlichen Verschleißes am Arbeitsplatz.

    „Gute Arbeit“ schaffen

    Den Handlungsbedarf zur Schaffung von „guter Arbeit“ sowohl auf Ebene der EU wie auch in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat das von der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt6 (FORBA) zwischen 2009 und 2012 durchgeführte Forschungsprojekt „walqing“7 gezeigt. Untersuchungsgegenstand des Projekts waren Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten in wachsenden Branchen im Niedriglohn- und Niedrigqualifikationsbereich in der EU. Dabei sind Fallbeispiele in fünf Branchen (Reinigungsgewerbe, Abfallwirtschaft, Bauwirtschaft, mobile Altenpflege und Catering) in elf europäischen Ländern8 untersucht worden. Die Arbeit in diesen Branchen ist häufig geprägt von intensivem Kostenwettbewerb, der sich unmittelbar u. a. in erhöhtem Arbeitsdruck und prekären Arbeitsverhältnissen niederschlägt. Das bedeutet oft geringe Entlohnung, schwere körperliche Arbeit, niedrige oder nicht anerkannte Qualifikationen, geringe berufliche Perspektiven und geringe Möglichkeiten der Interessenvertretung – und dies ungeachtet dessen, dass die Arbeit in diesen Branchen von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung ist.

    Das heißt nicht, dass es keinen Spielraum für eine positive Ausgestaltung von Lohn, Arbeitsqualität und Qualifikation in diesen Branchen gäbe. Es erfordert allerdings ein gebündeltes Handeln unterschiedlicher Akteure auf Ebene der Politik, der Sozialpartnerschaft und der Betriebe.

    1 Link:tinyurl.com/ozsykdk
    2 Link:tinyurl.com/ofz9n6t
    3 Press points – Employment and Social Developments in Europe 2013; Download: tinyurl.com/nkxqdse
    4 Quelle: AMS-Daten, Monatsfolder Arbeitsmarkt aktuell:tinyurl.com/nnn543b; Download: 12.3.2014
    5  In: Ertl/Filipicˇ (Hg.), Die Qualität der Arbeit auf dem Prüfstand: Der Einfluss der Arbeitsmarktlage auf die Arbeitsqualität (= Schriftenreihe Sozialpolitik in Diskussion, Band 15), S. 4; Download: tinyurl.com/oocj2te; 12.3.2014
    6www.forba.at
    7 Link: www.walqing.eu
    8 Österreich, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Spanien, Deutschland, Ungarn, Italien, Litauen, Norwegen und Großbritannien

    Die Dokumentation der Tagung ist in der Schriftenreihe „Sozialpolitik in Diskussion“, Band 15, „Die Qualität der Arbeit auf dem Prüfstand“ erschienen: tinyurl.com/oocj2te

    Die Print-Ausgabe kann für einen Druckkostenbeitrag von zehn Euro beim ÖGB-Verlag bestellt werden: fachbuchhandlung@oegbverlag.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen sonja.ertl@akwien.at  ursula.filipic@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sonja Ertl, Referentin in der Abt. Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien und Ursula Filipic, Referentin in der Abt. Sozialpolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349117 Die gestiegene Autonomie am Arbeitsplatz dürfte aber ihren Grund im überdurchschnittlichen Abbau von Arbeitsplätzen mit wenig Autonomie haben (z. B. am Bau). http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348925 Zahlen, Daten, Fakten Triste „Sozialbilanz“ in der EU: rund zehn Millionen mehr Arbeitslose im Vergleich zu 2008, Jobverluste, sich verschlechternde Arbeitsbedingungen sowie steigende Ungleichheit!

    Angesichts dieser sozialen Verwerfungen und des Scheiterns des bisherigen neoliberalen „Krisenlösungsmodus“ (z. B. Massenarbeitslosigkeit und Nicht-Erreichung der EU-2020-Ziele) sollte endlich klar sein, dass es einen Kurswechsel braucht, der die soziale Frage in Europa auch mit „sozialen“ Antworten adressiert!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Adi Buxbaum, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348631 Arbeiterkammer: Wahlen 2014 Historischer FSG-Erfolg in Kärnten
    Das endgültige Ergebnis der AK-Wahl 2014 in Kärnten steht seit 13. März 2014 fest und bestätigt mit 76,9 Prozent (2009: 66,8) den historischen Erfolg der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen unter Günther Goach, die damit einen Spitzenwert bei den AK-Wahlen in der Zweiten Republik in Kärnten erreichten. Nach Auszählung aller Wahlkarten ergibt sich die Platzierung der weiteren vier Fraktionen wie folgt: Freiheitliche Arbeitnehmer 8,5 Prozent (2009: 2,7), Grüne und unabhängige GewerkschafterInnen 5,4 Prozent (2009: 3,4), ÖAAB – Christliche GewerkschafterInnen 5,2 Prozent (2009: 6,6) und BZÖ-Arbeitnehmer 4,0 Prozent (2009: 20,0). Die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen stellt künftig 56 VertreterInnen (2009: 48) in der 70 Sitze umfassenden Vollversammlung, die Freiheitlichen Arbeitnehmer erhalten sechs Sitze (2009: 2), die Grünen drei (2009: 2), der ÖAAB drei (2009: 4) und das BZÖ zwei Kammerräte (2009: 14). Laut Wahlkommissär Gerhard Jesernig haben von den insgesamt 159.551 Wahlberechtigten diesmal 65.137 ihre Stimmen abgegeben.

    FSG-Stimmenausbau in Wien
    Nach Einlangen von 7.066 Wahlkarten lag am 28. März 2014 auch das Endergebnis der Wiener AK-Wahl vor. Die Sozial-demokratischen GewerkschafterInnen (FSG) konnten ihr Ergebnis gegenüber 2009 auch in absoluten Stimmen ausbauen. Wahlberechtigt waren 680.356 ArbeitnehmerInnen. Abgegeben wurden insgesamt 262.500 Stimmen. Die Wahlbeteiligung beträgt damit 38,58 Prozent. Für die Listen bedeutet das endgültige Ergebnis: Die FSG steigert mit dem amtierenden Präsidenten Rudi Kaske ihr Ergebnis von 56,4 auf 58,73 Prozent der Stimmen und konnte ihr Ergebnis gegenüber 2009 auch in absoluten Stimmen ausbauen (2009: 148.079, 2014: 150.349). Verluste erleiden der ÖAAB-FCG und die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA). Der ÖAAB-FCG liegt beim endgültigen Ergebnis bei 10,34 Prozent, die Freiheitlichen bei 9,03 Prozent. Die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen legen gegenüber 2009 leicht zu und erreichen 7,93 Prozent. Zugewinne erreichen fast alle der weiteren sieben kleinen Listen, lediglich das Bündnis Mosaik verpasst den Wiedereinzug in die Vollversammlung der AK Wien. Insgesamt werden im kommenden „Parlament der ArbeitnehmerInnen“ elf Listen vertreten sein.

    FSG-Zugewinn im Burgenland
    Im Burgenland hatte die Auszählung der 568 Briefwahlstimmen keine Auswirkungen auf den Mandatsstand. Die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen (FSG) gewannen zwei Mandate dazu und halten in der Vollversammlung künftig 38 von 50 Sitzen. Die FSG kam laut dem am 13. April veröffentlichten Endergebnis auf 72,15 Prozent der Stimmen (+1,71 Prozentpunkte). Der ÖAAB/FCG verlor 5,12 Prozentpunkte und kam auf 16,83 Prozent. Die ChristgewerkschafterInnen büßten damit drei Sitze ein und halten nun bei acht. Die Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) erreichten 7,01 Prozent und gewannen 1,41 Prozentpunkte sowie ein Mandat dazu. Weiterhin mit einem Mandatar sind die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG) vertreten, die 3,10 Prozent (+1,09 Prozentpunkte) erreichten. Für den Gewerkschaftlichen Linksblock, der erstmals seit 1989 wieder bei einer Arbeiterkammerwahl im Burgenland angetreten war, votierten 0,91 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag unter Berücksichtigung der Briefwahlstimmen bei 44,36 Prozent. 2009 hatten 50,07 Prozent an dem Urnengang teilgenommen. Insgesamt wurden bei der AK-Wahl 2014 im Burgenland 34.659 Stimmen abgegeben, davon waren 33.869 gültig.

    Steiermark: Rot und Schwarz verlieren
    Laut am Sonntag, den 13. April 2014, veröffentlichtem Endergebnis kam in der Steiermark die Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen (FSG) auf 57,7 Prozent der Stimmen (–8,1 Prozentpunkte) und der ÖAAB-FCG auf 17,1 (–3,2 Prozentpunkte). Während SPÖ und ÖVP – im Land die sogenannten „Reformpartner“ – also Einbußen hinnehmen mussten, legten alle anderen Parteien zu:  Die Freiheitlichen (FA) kamen auf 14,5 Prozent (+7,1 Prozentpunkte), die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen/Unabhängige GewerkschafterInnen (AUGE/UG) auf 5,7 Prozent (+2,0 Prozentpunkte), der Gewerkschaftliche Linksblock (GLB) auf 4,1 Prozent (+2,2 Prozentpunkte). Erstmals in die Vollversammlung gewählt wurde die Liste des Grazer Uni-Angestellten Dieter Kaltenbeck mit 0,9 Prozent der Stimmen (+0,3 Prozentpunkte). In Mandaten bedeutet dies wie schon beim vorläufigen Ergebnis, dass die FSG auf 64 (2009: 74) Mandate kommt, der ÖAAB/FCG auf 19 (22) Mandate, die Freiheitlichen auf 16 (8), die AUGE auf 6 (4), der GLB auf 4 (2) sowie die Liste Kaltenbeck auf 1 Mandat. Die Wahlbeteiligung betrug 38,3 Prozent (2009: 39,97 Prozent).
    Acht der neun Arbeiterkammer-Wahlen sind geschlagen und die Trends sind vor dem abschließenden Urnengang in Niederösterreich eindeutig. Die Landespräsidenten bauten ihre Vormachtstellung bei geringer Wahlbeteiligung aus, was vor allem für die ChristgewerkschafterInnen dramatische Ergebnisse brachte. Ein Ausnahmefall bleibt die Steiermark, wo Rot und Schwarz wohl für die Landespolitik abgestraft wurden. Was allen Bundesländern gemein war, ist die Wahlbeteiligung. Sie ging überall zurück und ist nunmehr nirgends mehr über 50 Prozent. Besonders dramatisch ist das Ergebnis in Salzburg mit 35,1 und in Vorarlberg mit 36,4 Prozent Beteiligung. Eine Chance, gegen den Trend zu schwimmen, gibt es bloß noch in Niederösterreich, wo erst von 6.–19. Mai gewählt wird, ein Urnengang nicht ohne Brisanz. Wie in der Steiermark muss sich auch in Niederösterreich mit Markus Wieser ein neuer FSG-Präsident erstmals versuchen. Das VP-Ergebnis wird wiederum für ÖAAB-Obfrau Johanna Mikl-Leitner zum Gradmesser, wird doch zum Abschluss in ihrem Heimatbundesland gewählt.

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    Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348489 Das verflixte siebte Jahr Zehn Millionen Arbeitslose mehr als vor Beginn der Finanzkrise; eine Arbeitslosenquote unter Jugendlichen von im Durchschnitt 24 Prozent, mit einer Spitze von fast 60 Prozent in Griechenland und Spanien; drastische Zunahme von Armut und sozialer Ausgrenzung; Wirtschaftsleistung und Realeinkommen noch immer unter dem Niveau von 2007; Abbau von Sozialleistungen gerade zu jenem Zeitpunkt, zu dem sie besonders dringend gebraucht würden: Die Europäische Union befindet sich trotz der jüngsten Konjunkturerholung im siebten Krisenjahr.

    Tiefste Krise seit den 1930er-Jahren

    In den besonders schwer von der Krise betroffenen Ländern gibt es jeweils spezifische Ursachen. Doch für die gesamte Union ist die Verantwortung für die tiefste Krise seit den 1930er-Jahren klar:

    • Der neoliberale Abbau staatlicher Regulierungen von Banken und Finanzmärkten hat zunächst zur Eröffnung eines spekulativen Casinokapitalismus geführt, dessen Spielkapital vom rasch wachsenden Vermögen einer kleinen Oberschicht stammt.
    • Der Zusammenbruch des Finanzcasinos hat einen Einbruch der realen Wirtschaftsleistung bewirkt, den vor allem ArbeitnehmerInnen und kleine Gewerbebetriebe bezahlt haben.
    • Mitten in der Krise wurden unter der Führung des liberalen EU-Wirtschaftskommissars Olli Rehn und der konservativen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel die öffentlichen Sozial- und Personalausgaben gekürzt, Massensteuern erhöht und Löhne gesenkt. Das hat die verfügbaren Einkommen gesenkt, die Konsumnachfrage und somit auch Produktion und Beschäftigung verringert. Die EU-Politik hat damit die Arbeitslosigkeit drastisch erhöht.
    • Liberale und Konservative haben mit ihrer falschen Politik die Krise verursacht und verschärft. Nun nutzen sie die verheerende Lage auf dem Arbeitsmarkt und im Staatshaushalt, um ihre politische Agenda voranzutreiben: den Abbau des Sozialstaates und die Schwächung der Gewerkschaften. In Spanien, Portugal und Irland sind sie dabei weit vorangekommen. Es wäre eine Illusion, zu glauben, dies hätte keine Folgen für uns in Österreich.

    Auf fortschrittlicher Seite gibt es zwei Reaktionen auf die Vorherrschaft der Neoliberalen in der EU:

    • Die einen erwarten sich von der Rückkehr in den nationalen Wohlfahrtsstaat neue Handlungsspielräume in der Wirtschafts- und Sozialpolitik und plädieren für ein Ende des Euro. Doch kann sich ein einzelnes Land gegen den internationalen Steuerwettbewerb bei Gewinn- und Vermögenssteuern stemmen, der die Finanzierung des Sozialstaates gefährdet? Hat ein einzelnes Land die Möglichkeit, den riesigen spekulativen Kapitalverkehr einzudämmen?
    • Die anderen sind der Meinung, eine Regulierung der Finanzmärkte könne – wenn überhaupt – nur durch verstärkte Zusammenarbeit erreicht werden. Sie treten deshalb für eine demokratische Verfassung, das Prinzip der Sozialstaatlichkeit und eine starke Wirtschaftspolitik zur Eingrenzung von Banken und Finanzmärkten auf europäischer Ebene ein.

    Das unmittelbarste Anliegen

    Der unmittelbare Ansatzpunkt fortschrittlicher Wirtschaftspolitik in der EU ist der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. Wir in Österreich müssen ein dringendes Interesse an der Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, Griechenland, Portugal und allen anderen Ländern haben: Weil wir mit den Opfern der Finanzkrise fühlen, weil wir die verheerenden Wirkungen von Langzeitarbeitslosigkeit auf Gesellschaft und Demokratie kennen, weil Arbeitslosigkeit bei unseren Handelspartnern auch bei uns zunehmend auf Löhne und ArbeitnehmerInnenrechte drückt.

    Für eine Verringerung der Arbeitslosigkeit müssen viele Faktoren zusammenspielen. Unmittelbar müssen Ausgabenkürzungen und Lohnsenkungen in den Krisenländern gestoppt werden, um Spielraum für eine Erholung von Investitionen und Konsum zu schaffen. Die europäischen Gewerkschaften fordern ein koordiniertes Investitionsprogramm für Infrastruktur und ökologischen Umbau der Wirtschaft. Für kommunale Beschäftigungs- und Ausbildungsprogramme zugunsten der Jugend wären in den nächsten Jahren Finanzmittel im Umfang von 40 bis 60 Mrd. Euro notwendig.

    Viel Geld, aber wenig in Relation zu den 630 Mrd. Euro, die die Banken als Mitverursacher der Krise bislang aus Staatsgeldern bekommen haben. Dennoch stellt sich die Frage der Finanzierung. Die Staatschulden sind angesichts der enormen Kosten von Bankenrettungen und krisenbedingten Einnahmenentfällen seit 2007 sprunghaft auf ein langfristig nicht tragfähiges Niveau gestiegen. Zusätzliche öffentliche Investitionen können deshalb in den meisten Ländern mittelfristig nicht durch höhere Budgetdefizite finanziert werden.

    Vermögenskonzentration verringern

    Die großen sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen der EU sind nicht ohne ein hohes Niveau öffentlicher Abgaben bewältigbar. Die Mittel für eine Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und eine Stärkung des sozialen Ausgleichs müssen von einer koordinierten Erhöhung vor allem von Vermögenssteuern kommen.

    Die obersten fünf Prozent der Haushalte verfügen über die Hälfte des gesamten Vermögens. Es ist eine Frage der wirtschaftlichen Effizienz, der sozialen Stabilität und der Sicherung der Demokratie, diese Vermögenskonzentration zu verringern. Steuern auf sehr hohe Vermögen, ein Spitzensteuersatz für sehr hohe Einkommen, die Finanztransaktionssteuer und höhere Finanzaktivitätssteuern, ein Mindestsatz für die Körperschaftssteuer, die Erhöhung der Besteuerung von Kapitalerträgen und die Bekämpfung von Steuerflucht durch den vollen Informationsaustausch über Kapitalerträge bilden dabei die wichtigsten Elemente.

    Demokratisch und sozial

    Die entscheidende Herausforderung für ein soziales Projekt auf EU-Ebene besteht darin, die großen Errungenschaften des Nationalstaates in der Entwicklung von Demokratie und Sozialstaat über dessen nationale Grenzen hinaus zu bewahren. Dies ist nur dann möglich, wenn auf europäischer Ebene handlungsfähige und demokratisch legitimierte Strukturen entwickelt werden, die jene politischen Kräfte stärken, die für eine soziale EU eintreten. Die Stärkung des Europäischen Parlaments muss dabei im Mittelpunkt stehen.

    Unmittelbar wäre es fatal, neoliberal orientierten Institutionen die Verwirklichung einer europäischen Sozialunion zu übertragen. Wichtig ist aber, darüber nachzudenken, in welchen Bereichen und mit welchen Instrumenten Schritte in Richtung des europäischen sozialen Projekts gemacht werden könnten. Dabei muss der soziale Ausgleich über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg auf die EU-Ebene ausgedehnt werden, etwa durch eine Stärkung des Sozialfonds und der Regionalpolitik und ein höheres EU-Budget, finanziert durch eigene Einnahmen.

    Die Arbeitslosenversicherung bildet auf nationalstaatlicher Ebene ein wichtiges Element des sozialen Ausgleichs zwischen beschäftigten Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern und den Arbeitslosen.

    Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie Teile davon auf europäische Ebene transformiert werden können, etwa indem eine Grundabsicherung für Arbeitslose aus den EU-Budgets über eigenständige EU-Steuern finanziert wird und die Lebensstandardsicherung über ein Versicherungssystem auf nationalstaatlicher Ebene erfolgt.

    Soziales Projekt weiterentwickeln

    Die tiefe soziale und wirtschaftliche Krise hat zu schärferen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geführt. Es ist völlig offen, welches politische Projekt sich auf europäischer Ebene durchsetzt. Die entscheidende Frage ist, ob die fortschrittlichen Kräfte Europas in der Lage sind, die EU von ihrer Strategie der autoritären Austeritäts- und Wettbewerbspolitik zu lösen, das traditionelle nationalstaatliche soziale Projekt auf europäischer Ebene weiterzuentwickeln.

    Broschüre im Internet: „Europa in unsere Hände nehmen – AK Forderungen für die Wahlen zum Europäischen Parlament“

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor markus.marterbauer@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Markus Marterbauer, AK Wien - Wirtschaftswissenschaft und Statistik Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349106 Die obersten fünf Prozent der Haushalte verfügen über die Hälfte des gesamten Vermögens. Es ist eine Frage der wirtschaftlichen Effizienz, der sozialen Stabilität und der Sicherung der Demokratie, diese Vermögenskonzentration zu verringern. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348452 EU-Kommission mit zweifelhaftem Gewissen Im Vorfeld der EU-Parlamentswahl 2014 ist oft vom „sozialen Europa“ die Rede – vonseiten wahlwerbender Parteien, aber auch anderer EU-Institutionen, insbesondere der EU-Kommission (EK). Wie sieht aber ein „soziales Europa“ überhaupt aus? Gibt es hier eine realistische Perspektive?

    Fünf Mindestkriterien

    Über Details mag man sich trefflich streiten, die Zielrichtung ist jedoch klar definiert. Ein soziales Europa muss jedenfalls mindestens fünf Kriterien erfüllen, um seinem Namen gerecht zu werden: Vollbeschäftigung als wirtschaftspolitische Zielvorgabe, Gleichstellung nicht nur zwischen den Geschlechtern, existenzsichernde Lebensbedingungen über den Lebenszyklus unabhängig vom ökonomischen Status, realistische Perspektiven für eine angemessene Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt und ein wertschätzendes Menschenbild. Angesichts der tatsächlichen Politik, die seit gut zwei Jahrzehnten verfolgt wird, stellt sich die brennende Frage: Kann Europa diesen Anforderungen überhaupt gerecht werden?

    Vor der Analyse des aktuellen Status quo in Europa muss vorangestellt werden, dass auch in Jahren mit guten konjunkturellen Rahmenbedingungen und einem (realen) jährlichen Wirtschaftswachstum über drei Prozent (z. B. 2006, 2007) rund 17 Mio. arbeitslose Menschen in der EU gelebt haben und weder soziale Ungleichgewichte abgebaut, noch glaubwürdige Antworten auf die sozialen Schieflagen gesucht wurden. Auf den Punkt gebracht: Bereits im „Vorkrisen-Modus“ versagte der wirtschaftsliberale EU-Kommissionskurs; die soziale Frage wurde leider nie auf Augenhöhe diskutiert und stets verharmlost.

    Seitens der EU-Kommission wurde im Hinblick auf eine Verbesserung der sozialen Lage in Europa in erster Linie das Prinzip „Hoffnung“ verfolgt und gepredigt. Daher mag es kaum überraschen, dass auch während bzw. im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise keine probaten Antworten auf die zunehmende Zuspitzung der sozialen Frage in weiten Teilen Europas gefunden wurden. Im Gegenteil: Ein sozial verwerfliches und wirtschaftlich desaströses Spar- und Kürzungsregime wurde immer mehr Mitgliedsstaaten aufoktroyiert und im Rahmen neuer Regelungen zur sogenannten wirtschaftspolitischen Steuerung z. T. sogar unter Umgehung von EU- und Menschenrecht zwischenstaatlich „einbetoniert“ (z. B. „Fiskalpakt“).

    Statistiken bestätigen Scheitern

    Dass sich die soziale Lage insgesamt in Europa auch 2013 und im Frühjahr 2014, also mehr als fünf Jahre nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise, keineswegs entspannt hat, belegen auch die neuesten Daten aus dem Beschäftigungs- und Sozialbericht1 für Europa – im Gegenteil: rund zehn Millionen mehr Arbeitslose im Vergleich zu 2008, zunehmende prekäre und damit oft kaum existenzsichernde Beschäftigung sowie steigende Ungleichheit! Nur in vier Ländern konnte die Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung zwischen 2008 und 2012 verringert werden, in acht Ländern blieb die Armutssituation „stabil“ – was immer das für die Betroffenen heißen mag – und in insgesamt 16 Ländern der EU-28, insbesondere in Ländern des europäischen Südens und der Peripherie, stiegen die ohnedies gegebenen Gefährdungslagen gar noch weiter an.

    Dass auch die „Zwischenbilanz“ zur Umsetzung2 der EU-2020-Ziele entsprechend schlecht ausfällt, ist daher wenig überraschend. Allen Beobachtern ist heute klar, dass vor dem Hintergrund der ungebremst durchgezogenen Prämissen zur austeritätsorientierten Krisenbewältigung die bis 2020 formulierten Zielvorgaben weder für die Beschäftigung noch für die Armutsbekämpfung zu erreichen sein werden. Die Kommission selbst gesteht dies ein. Ihr ist somit mittlerweile zugutezuhalten, dass die Transparenz über die soziale Lage in Europa eine größere geworden ist. Ein Beleg dafür sind die vorhandenen „Standard-Reports“ und Monitoring-Berichte.

    Angesichts dieser geradezu offiziellen Bestätigung des Scheiterns des bisherigen neoliberalen „Krisenlösungsmodus“ würde man fundamentale Konsequenzen hinsichtlich der künftigen Politikgestaltung erwarten, so auch die Bereitschaft zu einem Kurswechsel, der die soziale Frage in Europa auch mit „sozialen“ Antworten adressiert.

    Und in der Tat scheint in den EU-Institutionen selbst ein Umdenken einzusetzen. Der bisherige Weg, durch radikales Sparen und Sozialabbau die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und quasi automatisch Wachstum zu generieren, ist gescheitert. Als wichtiger Schritt in diese Richtung kann die Vorlage eines Sozialinvestitionspaketes durch die EU-Kommission angesehen werden.3

    Erstmals ist eine Art Paradigmenwechsel zu erkennen: Investitionen in den Sozialstaat nicht nur als Kostenfaktor, sondern v. a. auch als Investitionen in die Zukunft zu sehen, die sich auch gesamtwirtschaftlich und budgetär rechnen. Sie stärken nicht nur den Sozialstaat, sondern erhöhen mittel- und langfristig die Beschäftigungsquote, Teilhabemöglichkeiten von am Arbeitsmarkt benachteiligten Gruppen und sind somit auch ökonomisch sinnvoll.

    Über erste Absichtserklärungen ist die europäische Politik hier jedoch nicht hinausgekommen. Kaum überraschend daher, dass sowohl der EGB als auch der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) im Rahmen eines groß angelegten Investitionsprogramms auch ambitionierte Ziele bei der Investition in die soziale Infrastruktur Europas fordern.

    Vorschläge des EWSA

    In Stellungnahmen des EWSA4 werden, wie auch von der AK seit Längerem unterstrichen, die mehrfach positiven Wirkungsketten sozialer Investitionen dargelegt:

    • Die Ausweitung sozialer Dienste deckt nicht nur gesellschaftliche Bedürfnisse, sie trägt europaweit auch mehr zur Beschäftigung bei als jede andere Form öffentlicher Ausgaben;
    • Investitionen in den Wohlfahrtsstaat bringen aber nicht nur sozialen Fortschritt, sondern „rechnen sich“ auch ökonomisch und fiskalisch. Sie können dauerhaft öffentliche Haushalte entlasten und stehen somit keinesfalls in Konkurrenz zur Haushaltskonsolidierung;
    • Gerade „Nicht-Handeln“ im Sozialbereich hat seinen „Preis“, d. h. Folgekosten unterlassener sozialer Investitionen fallen vielfach höher aus.

    Aus Sicht des EWSA ist aber auch klar, dass ein glaubhafter Kurswechsel zu (präventiven) sozialen Investitionen mit der Abkehr von einseitiger Sparpolitik verbunden sein muss. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Vorschlag des EWSA zu sehen, im Sinne der goldenen Finanzierungsregel („golden rule“) auch Sozialinvestitionen im Kontext des fiskalischen Regelwerks der Wirtschafts- und Währungsunion als Zukunftsinvestitionen aus der Berechnung staatlicher Nettodefizite auszunehmen, um zu vermeiden, dass Investitionen mit langfristigen Nettogewinnen unterbleiben. Und ebenso ist klar: Ohne finanzielle Sicherstellung sind die Potenziale sozialer Investitionen nicht auszuschöpfen. Bei anstehenden Haushalts-konsolidierungen ist daher auch die Erschließung neuer Einnahmequellen unumgänglich. Hierbei sind neue Einnahmequellen heranzuziehen, die auch eine entsprechend vorteilhafte Verteilungswirkung haben, wie insbesondere Vermögenssteuern und -abgaben, aber auch die Bekämpfung von Steuerdumping, Steuerflucht und Steuerhinterziehung, die Einführung EU-weiter Mindestsätze für Unternehmenssteuern und die Finanztransaktionssteuer.

    Die Kommission und die Regierungen in den EU-Ländern sind also gefordert, hoffnungsvollen Worten nun auch gewissenhafte Taten folgen zu lassen.

    1 Vgl. Europäische Kommission (2014A), Employment and Social Development in Europe 2013, Brüssel, tinyurl.com/ns7r55t.
    2 Vgl. Europäische Kommission (2014B), COM(2014) 130 – vorläufige Fassung, Kommissionsmitteilung: Bestandsaufnahme der Strategie Europa 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum, Brüssel, tinyurl.com/oclhvwj.
    3 Kommissionsmitteilung COM(2013) 83 final vom 20. Februar 2013.
    4 Siehe zwei Stellungnahmen des EWSA zum Sozialinvestitionspaket: SOC 481: „Stellungnahme zum Sozialinvestitionspaket der Kommission“ (2013, Berichterstatter: Oliver Röpke) und SOC 496: „Auswirkungen von Sozialinvestitionen auf die Beschäftigung und die öffentlichen Haushalte“ (2014, Berichterstatter: Wolfgang Greif).

    Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA): www.eesc.europa.eu/?i=portal.de.home

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autoren wolfgang.greif@gpa-djp.at adi.buxbaum@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Adi Buxbaum, Abteilung Sozialpolitik der AK Wien und Wolfgang Greif, Abteilung Europa, Konzerne & Internationale Beziehungen der GPA-djp, Mitglied im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349101 Ein soziales Europa muss jedenfalls mindestens fünf Kriterien erfüllen, um seinem Namen gerecht zu werden ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348411 Information ist in Brüssel alles Es ist so: AK und ÖGB sind schon länger in der EU als die Republik Österreich. Denn als das Land 1995 beigetreten ist, da waren die ArbeitnehmerInnenorganisationen bereits mit eigenen Büros in Brüssel vertreten. Die Arbeit ist seitdem nicht weniger geworden: „Im heutigen Europa müssen Gewerkschaften jeden Tag aufs Neue die Rechte der ArbeitnehmerInnen verteidigen“, schrieben Amir Ghoreishi und Oliver Röpke, die Chefs der Brüssel-Niederlassungen von AK und ÖGB.1 In dieser Ausgabe wirft Arbeit&Wirtschaft nun einen Blick darauf, wie das im Detail vor sich geht.

    „Besser direkt vor Ort“

    Kann man die EU nicht auch aus der Entfernung bearbeiten? „80 Prozent aller Entscheidungen, die Österreich betreffen, fallen in Brüssel, deshalb ist es besser, direkt vor Ort zu sein, als nur von Wien aus zu versuchen, Einfluss zu nehmen“, stellt Christof Cesnovar klar, der für die AK Themen wie Sozial- und Arbeitsmarktpolitik betreut. ÖGB und AK haben nicht einfach nur irgendein Büro gemietet. Alle Sozialpartner und auch die Industriellenvereinigung sind in der „Ständigen Vertretung“, also der offiziellen Botschaft der Republik Österreich in der EU, untergebracht. „Das ist europaweit einzigartig und ein großer Vorteil, denn in diesem Haus sitzen auch die VertreterInnen der einzelnen Ministerien. Weil wir hier untergebracht sind, haben wir durch die vereinfachte Zusammenarbeit einen Informationsvorsprung – und Information ist in Brüssel alles“, betont Cesnovar.

    Wer Infos hat und über Kontakte verfügt, der kommt in Brüssel durch. Ein Beispiel: das Pensionssystem, zu dem sich die Kommission oft äußert, obwohl Pensionen eigentlich nicht in ihrer Kompetenz liegen, sondern in derjenigen der Mitgliedsstaaten. Die Kommission sähe das gesetzliche Pensionsantrittsalter gerne von 65 auf 67 Jahre erhöht, damit das System langfristig finanzierbar bleibt. AK und ÖGB finden hingegen die Beschäftigungspolitik viel wesentlicher, denn wenn mehr Menschen arbeiten, dann fließen auch mehr Beiträge in die Pensionsversicherung. Cesnovar: „Das ist die entscheidende Frage. Und wir konnten mit guter Expertise schließlich auch die Kommission davon überzeugen, dass das ein wichtiger Punkt ist. Sie hat dann unsere Berechnungen und auch unsere Einschätzung übernommen – was vorher noch nie vorgekommen ist!“

    ÖGB-VertreterInnen sitzen auch in offiziellen Gremien wie dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), der die Kommission berät. Mindestens so wichtig sind aber in der EU die innoffiziellen Kontakte – Stichwort Vernetzung. Der ÖGB ist ständig in Kontakt mit den Gewerkschaftsbünden der anderen EU-Länder, einerseits in den Gremien und Arbeitsgruppen des EGB, anderseits auch in regelmäßigen Abstimmungssitzungen der Brüssel-Büros der verschiedenen Gewerkschaften, wo Positionen abgeklärt und Strategien entwickelt werden. Neva Löw, die für den ÖGB unter anderem die Bereiche Handel, Verkehr und öffentliche Dienste betreut: „Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem DGB, allein schon wegen der gemeinsamen Sprache, aber auch mit Gewerkschaften aus anderen Ländern organisieren wir regelmäßig Veranstaltungen.“

    Vernetzungstreffen

    Bei vielen informellen Treffen versuchen die AK- und ÖGB-Expertinnen und -Experten die Position der ArbeitnehmerInnen einzubringen, zum Beispiel mit Abgeordneten zum EU-Parlament (EP), aus Österreich vor allem mit Evelyn Regner. ÖGB und AK versuchen aber auch, mit detaillierten Abstimmungsempfehlungen das EP von der Position der ArbeitnehmerInnen zu überzeugen. Diese werden schriftlich an die Abgeordneten entweder eines bestimmten Ausschusses oder des gesamten Plenums versendet.

    Und es gibt Vernetzungstreffen, wo sich Gewerkschaften mit NGOs aus den verschiedensten Bereichen zu themenspezifischen Allianzen auf Zeit zusammenschließen. Ein aktuelles Beispiel ist das Handelsabkommen TTIP, das gerade zwischen der EU-Kommission und den USA ausgehandelt wird. Hier versuchen die unterschiedlichsten Akteurinnen und Akteure, eine gemeinsame Position zu finden, wie man das Handelsabkommen beeinflussen kann. Gewerkschaften aus Europa und Amerika sehen Arbeitsrechte gefährdet, fürchten, dass Arbeitsplätze verloren gehen. KonsumentenschützerInnen warnen davor, dass auf Lebensmitteln nicht mehr draufstehen muss, was drin ist. Andere sehen die Gesundheit durch gentechnisch veränderte Zutaten oder durch chemisch bearbeitete Lebensmittel gefährdet. Löw: „Stärker aufgestellt ist die Wirtschaft – wohl 80 Prozent der InteressenvertreterInnen bzw. Lobbyistinnen und Lobbyisten, die hier vor Ort sind, vertreten die Wirtschaft bzw. Unternehmen. Weil die Verhältnisse prinzipiell zu Ungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stehen, müssen wir uns mit anderen Akteuren vernetzen, die auf unserer Seite stehen.“

    Ein Unterschied besteht zur in Österreich etablierten Stellung der Sozialpartner: „Wir müssen uns hier erst Gehör verschaffen und unsere Stellung erkämpfen“, so Christof Cesnovar, „denn es ist nicht so wie in Österreich, dass wir quasi automatisch jeden Gesetzesentwurf zur Begutachtung bekommen. Trotzdem sind wir in Brüssel personell viel schwächer aufgestellt als in Wien, wir arbeiten also intensiv mit den Fachabteilungen sowie Expertinnen und Experten in Österreich zusammen.“

    Regelmäßige Podiumsdiskussionen

    Ein wichtiger Teil der Vernetzungsarbeit: „Im Schnitt organisieren ÖGB und AK alle zwei Wochen Podiumsdiskussionen und andere Veranstaltungen, oft auch gemeinsam mit anderen Sozialpartnern oder Institutionen wie dem Wien-Haus oder der Vertretung von Hessen. Im März etwa zum Thema Troika-Politik in Griechenland, mit fast 200 Gästen“, sagt Stefanie Kadenbach, die für die administrativen Belange im ÖGB-Europabüro zuständig ist. Dazu gehören auch die vielen Gruppen von Betriebsrätinnen und Betriebsräten sowie GewerkschaftsschülerInnen – Kadenbach kümmert sich darum, dass deren Brüssel-Aufenthalt reibungslos durchorganisiert wird, „von den Vorträgen in den Büros von ÖGB und AK über die Besuche im EU-Parlament bis hin zu banalen, aber auch nicht unwichtigen Dingen wie Unterkunft und Essen“.

    Neben Interessenvertretung und Vernetzung ist nämlich die Vermittlung der EU an die Mitglieder in Österreich die dritte Hauptaufgabe der Brüsseler Sozialpartnerbüros. Frida Kieninger kümmert sich darum, dass das EU-Büro regelmäßig Lebenszeichen in die Heimat versendet: „Jeden Freitag wird ein Newsletter mit den wichtigsten aktuellen Dingen aus der EU verschickt; auf www.oegb-eu.at und www.ak-europa.eu sind die aus ArbeitnehmerInnensicht wesentlichen Nachrichten immer aktuell zu finden.“ Als Ansprechpartner in allen EU-Belangen sind die ÖGB- und AK-Europabüros bei den Kolleginnen und Kollegen in Wien und den Bundesländern stets gefragt. „Alles, was man in Brüssel kriegen kann, können wir vermitteln“, meint Stefanie Kadenbach, zum Beispiel Dokumente, die oft nur auf Englisch oder Französisch vorliegen: „Wir haben die Kontakte und können sie dann manchmal doch auch auf Deutsch auftreiben.“ Oder sogar selbst übersetzen, wenn es gerade notwendig ist. Was man für die Arbeit hier unbedingt braucht, sind Fremdsprachen: „Englisch sprechen wir ständig und ohne Französisch kommt man nur schlecht durch in Brüssel.“ Auch der umgekehrte Weg wird mitunter beschritten, wenn zum Beispiel eine Gewerkschaft eines ihrer Anliegen auch in Brüssel bekannt machen will. Heuer war zum Beispiel Bau-Holz-Vorsitzender Beppo Muchitsch in Brüssel, um bei einem vom ÖGB-Büro arrangierten Treffen (einer sogenannten Lunchdebatte) mit Abgeordneten das Programm „Umwelt und Bauen“ zu präsentieren.

    EU, Bier, Schokolade und Kunst

    Was hat Brüssel außer EU, Bier und Schokolade (um kein Klischee auszulassen) noch zu bieten? Überaus gepflegte Parks, große Lebensmittel- und Flohmärkte, teure Restaurants und viel Kultur. Auch dabei stößt man gelegentlich auf gewerkschaftliche Spuren: Im Magritte-Museum sind auch Plakatentwürfe zu sehen, die der belgische Surrealist einst für die TextilarbeiterInnen-Gewerkschaft entworfen hat.

    1A&W 1/2014, Seite 45. Außer den hier namentlich Zitierten arbeiten in den Brüsseler AK- und ÖGB-Büros derzeit Gudrun Kainz, Wally Birnbach, Margarita Steinacher, Andrea Casamenti, Martin Konecny, David Hafner und Jakob Luger.

    ÖGB-Europabüro: www.oegb-eu.at
    AK-Europabüro: www.akeuropa.eu

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Florian Kräftner, Referat Kommunikation im ÖGB Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349072 Ein Unterschied besteht zur in Österreich etablierten Stellung der Sozialpartner: "Wir müssen uns hier erst Gehör verschaffen und unsere Stellung erkämpfen", so Christof Cesnovar. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348325 Gewerkschaftsrechte und Europa Nach harten Kämpfen gelang es den Gewerkschaften, der Arbeitgeberseite ein Recht auf Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen abzutrotzen. Das erklärt, weshalb der Zusammenschluss zum Zweck der Interessenvertretung – die „Koalitionsfreiheit“ – in vielen europäischen Staaten als Grundrecht in der Verfassung abgesichert und auch durch europäische und internationale Rechtsquellen als Menschenrecht geschützt ist. Damit verband sich aber häufig eine weitgehende „Verrechtlichung“ und damit Einengung des gewerkschaftlichen Handlungsspielraumes. Das gilt zum Beispiel für Deutschland, wo sich eine umfangreiche Rechtsprechung und verfestigte Rechtsmeinung zur rechtlichen Garantie des Grundgesetzes1, etwa zu den Grenzen der Zulässigkeit von Arbeitskämpfen, entwickelte.

    Grundrecht und Koalitionsfreiheit

    In Österreich verzichtete man auf ein durch die Verfassung garantiertes Grundrecht der ArbeitnehmerInnen auf Koalition. Die Koalitionsfreiheit ist lediglich im Rahmen der allgemeinen Vereinigungsfreiheit geschützt. Deshalb gibt es bis heute auch kaum Rechtsprechung zu den Spielräumen gewerkschaftlichen Handelns und fast keine Beschäftigung der Rechtswissenschaft mit dem Thema. Das führte aber keineswegs zu einer untergeordneten Rolle der Gewerkschaften – im Gegenteil: In kaum einem anderen Land nehmen sie eine so zentrale Rolle bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen ein. Der Gesetzgeber kann nämlich die Bedeutung der Gewerkschaften auch ohne verfassungsrechtliche Verankerung anerkennen, Gewerkschaftsfreiheit und umfangreiche Mitbestimmungsrechte zugestehen. Letzteres geschah in Österreich in erster Linie durch das Arbeitsverfassungsgesetz.2 Somit bestand bis jetzt wenig Notwendigkeit einer Verfassungsregelung.

    Schutz in Krisenzeiten

    Diese Situation ist aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Würde man – wie in Deutschland – davon ausgehen, dass alle gewerkschaftlichen Aktivitäten außerhalb des Grundrechtsschutzes automatisch beschränkt werden können, würde dies tatsächlich einen Rückschritt gegenüber einer bloßen Gewerkschaftsfreiheit bedeuten. Der eigentliche Zweck von Grundrechten ist aber ein anderer. Grundrechte sollen einen Schutzbereich gegenüber dem Gesetzgeber garantieren, nicht den Gewerkschaften, sondern dem Gesetzgeber sollen damit Grenzen gesetzt werden. Vor allem in Krisenzeiten, in denen die Rolle von Gewerkschaften regelmäßig infrage gestellt wird, ist es von entscheidender Bedeutung, ob die Gewerkschaftsrechte bloß ein vom Gesetzgeber jederzeit widerrufbares Recht sind oder ob es sich um ein verfassungsrechtlich abgesichertes Grundrecht handelt, das Schutz vor Eingriffen des Gesetzgebers genießt. Es sei hier nur auf die aktuelle Situation in Griechenland verwiesen. Die verfassungsrechtliche Verankerung von Gewerkschaftsrechten soll also einen Mindestschutz garantieren, aber dem Gesetzgeber bleibt es natürlich unbenommen, darüber hinaus Freiräume für gewerkschaftliche Betätigung zu lassen und volle Gewerkschaftsfreiheit zu garantieren. Entscheidend sind das politische Umfeld und die allgemeine Einstellung des Staates zu den Gewerkschaften. Insofern erscheint es durchaus sinnvoll, sich auch in Österreich mit der Rechtslage für Gewerkschaftsarbeit auseinanderzusetzen. Darüber hinaus werden mittlerweile die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen großteils durch die Europäische Union gestaltet. Das Kräfteverhältnis zwischen den EU-Institutionen und den Gewerkschaften ist freilich ein gänzlich anderes als auf nationaler Ebene. Deshalb gewinnt das internationale und vor allem europäische Recht für die gewerkschaftliche Tätigkeit zunehmend an Bedeutung. Das gilt besonders für die (grund)rechtliche Verankerung gewerkschaftlicher Interessenvertretung, die hier eine ungleich wichtigere Rolle spielt. Davon bleibt jedoch auch das nationale Rechtsverständnis nicht unberührt.

    Es bleibt zu hoffen, dass von der gesetzlichen Anerkennung von Gewerkschaftsrechten als Grundrechte positive Impulse im Sinne einer Stärkung der Mitbestimmungsrechte vor allem auf EU-Ebene ausgehen könnten. Denn dies scheint besonders notwendig, um ein Gegengewicht zur (derzeit) rein wirtschaftlichen (oder besser wirtschaftsliberalen) Ausrichtung der Union zu bilden. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen beweist die Existenz einer solchen Schieflage. Sie brachte unzweifelhaft zum Ausdruck, dass die Grundfreiheiten als Basis für den Standortwettbewerb einen höheren Stellenwert genießen als das Interesse der ArbeitnehmerInnen – das wird nicht nur in Kauf genommen, sondern gefördert.

    Die Verankerung von Gewerkschaftsrechten in der Europäischen Grundrechtecharta3 und ein Schwenk in der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte können aber als Gegenpol einen wichtigen Beitrag leisten. Vielleicht bringt diese Entwicklung auch wieder Schwung in die Diskussion um ein echtes transnationales Mitspracherecht der ArbeitnehmerInnenschaft bei der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen.

    Europa-KV ist möglich

    Es geht um die Einführung eines Europäischen Kollektivvertrags, ein Projekt, um das es in den letzten Jahren wieder still geworden ist. Unüberwindbare nationale Systemunterschiede und die vorgebliche mangelnde Kompetenz der EU zur rechtlichen Ausgestaltung dieses Instruments wurden dagegen ins Treffen geführt.

    Beide Argumente vermögen aber letztlich nicht zu überzeugen. Die Herausforderung, unterschiedliche rechtliche Systeme unter einen Hut zu bringen, stellt sich fast in jedem Rechtsbereich und die Union hat längst unterschiedliche Herangehensweisen entwickelt, um diesem Problem zu begegnen. Auch das Fehlen einer rechtlichen Regelungskompetenz der EU ist keineswegs eindeutig: Laut Vertrag über die Arbeitsweisen der Europäischen Union (AEUV) unterstützt und ergänzt die Union die Tätigkeit der Mitgliedsstaaten auf dem Gebiet der Vertretung und kollektiven Wahrnehmung der ArbeitnehmerInnen- und Arbeitgeberinteressen einschließlich der Mitbestimmung.4 Gegen eine Kompetenz im Bereich des KV-Rechts könnte allenfalls sprechen, dass der AEUV das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht ausdrücklich von einer EU-weiten Regelung ausnimmt. Gerade die österreichische Situation belegt allerdings, dass das Fehlen von solchen Regelungen keinen Hinderungsgrund darstellt. Darüber hinaus ließe sich die Bestimmung im Artikel 28 der Europäischen Grundrechtecharta, dass die dort verbrieften Rechte „nach dem Gemeinschaftsrecht“ zustehen, zumindest auf das Recht beziehen, „Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und abzuschließen“. Die Entscheidung, welche Wirkungen ein solcher Europäischer Kollektivvertrag entfalten kann, auf welcher Ebene er gelten soll und wer ihn abschließen darf, ist freilich eine andere Frage. Ihre Klärung bedarf intensiver juristischer, aber vor allem auch politischer Diskussion. Die Initiative dazu sollte von den Gewerkschaften ausgehen, um endlich ein effektives Instrument auf EU-Ebene zu erhalten. Ein mühevoller Weg, der aber von den Gewerkschaften auf nationaler Ebene bereits im 19. Jahrhundert beschritten worden ist.

    1 Paragraph 9 Absatz 3 Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Das Grundgesetz ist die deutsche Verfassung.
    2 Bundesgesetz vom 14. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz ArbVG). In: Bundesgesetzblatt (BGBl) 1974/22, 393–434.
    3 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in Kraft seit 2009.
    4 Gemäß Artikel 153 Absatz 1 Ziffer f AEUV.

    Info&News
    Der Artikel fasst wichtige Aussagen aus Elias Feltens Aufsatz „Im Spannungsfeld zwischen Gewerkschaftsfreiheit und Gewerkschaftsrecht. Zur Rechtsstellung der Gewerkschaften im kollektiven Arbeitsrecht“ aus dem zum ÖGB-Kongress 2013 erschienenen Band „Wissenschaft über Gewerkschaft“ zusammen. Hier setzen sich WissenschafterInnen verschiedener Fachrichtungen mit Positionen über und von Gewerkschaften im Lauf ihrer Entwicklung auseinander und fragen nach der Rolle der Gewerkschaft im 21. Jahrhundert. A&W publiziert Kurzfassungen wichtiger Beiträge in unregelmäßigen Abständen.

    Alle Beiträge aus „Wissenschaft über Gewerkschaft“ finden Sie unter: www.wissenschaft-gewerkschaft.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor elias.felten@sbg.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Elias Felten, Rechtswissenschafter, Universität Salzburg Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349062 Es bleibt zu hoffen, dass von der gesetzlichen Anerkennung von Gewerkschaftsrechten als Grundrechte positive Impulse im Sinne einer Stärkung der Mitbestimmungsrechte vor allem auf EU-Ebene ausgehen könnten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348202 Europäisch durchwachsen Im Jahr 2014 besteht die europäische Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung aus Organisationen mit höchst unterschiedlichen Traditionen und Strategien. Aber die Tatsache, dass es sie überhaupt gibt, ist durch enge wechselseitige Einflüsse über Staatsgrenzen hinweg begründet. Handwerksgesellen wanderten noch vor 140 Jahren auf Arbeitssuche durch halb Europa, kamen dabei oft mit der Arbeiterbewegung in Berührung und trugen deren Ideen weiter – wie zum Beispiel Emil Kralik.

    Kralik, einer der Pioniere der österreichischen Buchdruckergewerkschaft und später sozialdemokratischer Journalist, begann 1881 seine Wanderung. Sie führte ihn zunächst durch Italien, die Schweiz und Frankreich bis nach Paris, wo er zwei Jahre lang arbeitete. Nach seinem Militärdienst ging er nach Kopenhagen und arbeitete in einer sozialdemokratischen Druckerei. 

    Gesellen, die sich den jungen sozialdemokratischen Vereinen angeschlossen hatten und deshalb in der Habsburgermonarchie und in Deutschland verfolgt wurden, transportierten ebenfalls Ideen und Verbindungen über den Kontinent. Manche blieben für immer oder zumindest für lange Zeit weg, hielten aber oft noch Kontakt mit der alten Heimat, wie Johann Most und Andreas Scheu.

    Der Augsburger Buchbindergeselle Johann Most zog ab 1863 auf der Walz durch Deutschland, Ungarn und die Schweiz und kam dabei mit der Arbeiterbewegung in Kontakt. In Wien organisierten er, der Ver-golder Andreas Scheu und andere 1869 die große und erfolgreiche Demonstration für Koalitionsfreiheit.

    Als „Rädelsführer“ verurteilt, wurden die Organisatoren zwar bald amnestiert, aber Most schob man nach Deutschland ab, das ihn dann ebenfalls vertrieb. Er ging nach London, gab dort ab 1879 die Zeitung „Freiheit“ heraus und wendete sich schließlich dem Anarchismus zu. Scheu floh nach einer neuerlichen Verhaftung in Prag ebenfalls nach England.

    Er schrieb dort für die damals noch nicht anarchistische „Freiheit“, die illegal in das Habsburgerreich eingeschmuggelt wurde. Als Mitbegründer der „Socialist  League“ seines Freundes, des Malers und Designers William Morris, zählt er zu den Pionieren der Labour Party.

    Franz Domes, Vorsitzender des Metallarbeiterverbands und der Gewerkschaftskommission und erster Arbeiterkammerpräsident in Wien, durchquerte Europa ebenfalls auf der Flucht vor Verfolgung, bevor er die Wiener MetallarbeiterInnen organisierte:

    Die große Sozialistenverfolgung trieb mich … ins Ausland, ich ging auf Wanderschaft und bereiste als Handwerksbursche Oberösterreich, Salzburg, Bayern, die Schweiz, kam bis Paris, … ging nach Norditalien, Mailand und Venedig. Auch dort konnte ich Arbeit nicht finden, ging über Südtirol wieder nach Triest, Kroatien, Ungarn, Mähren, Böhmen bis Warschau, wo ich Arbeit fand. … Von dort aus ging die Reise nach Preußen und Sachsen, nach fast 18-monatiger Wanderschaft kam ich wieder nach Wien.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at 

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349057 Die Titelseite des Grundsatzprogramms der "Socialist League" von 1885 mit dem Aufruf "Verbreitet die Idee einer sozial gerechten Gesellschaft - Organisiert euch!" Der Österreicher Andreas Scheu war an der Beschlussfassung maßgeblich beteiligt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348136 ÖGB: Es geht eh nur um Gurken ... „Die EU kostet uns zu viel.“
    Zum Vergleich: Um die jährlichen Steuern an den Staat zu zahlen, müssen BürgerInnen in den meisten Ländern bis weit ins Frühjahr oder in den Sommer hinein arbeiten. Erst dann fließt das Geld in die eigene Tasche. Für den Beitrag zum EU-Haushalt müssen EU-BürgerInnen hingegen nur vier Tage zahlen.

    „Österreich zahlt nur ein.“
    Falsch! Österreich gehört zu jenen EU-Ländern, die viele Förderungen erhalten, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Forschung.

    „Österreich muss für Griechenland und Co. zahlen.“
    Richtig ist: Österreich zahlt an kein Land direkt Geld. Als Teil der Solidargemeinschaft EU hat auch Österreich einen bestimmten Betrag in Form von Haftungen zugesagt. Hier handelt es sich aber um eine Form eines Kredits. Ein Austritt Griechenlands hätte zu einem Zerfall der Eurozone führen können, und damit zum Abbau von Tausenden Arbeitsplätzen in Österreich.

    „Das kleine Österreich hat in der EU nichts zu melden.“
    Falsch! Österreichische VertreterInnen sind in allen wichtigen Gremien präsent. Außerdem hat Österreich als kleiner Staat verhältnismäßig mehr Abgeordnete als zum Beispiel Deutschland. Österreich hat nach der Wahl 18 Abgeordnete, das zehn Mal größere Deutschland hat 96.

    „Das EU-Parlament kann eh nichts entscheiden.“
    Falsch! Mittlerweile geht ohne das Parlament nichts mehr: Seit dem Vertrag von Lissabon muss es fast allen Gesetzesvorlagen zustimmen. Ist das Parlament nicht einverstanden, macht es Änderungsvorschläge und es wird ein Kompromiss gesucht. Neu bei dieser Wahl: Die Parlamentswahl ist indirekt auch die Wahl des/der Kommissionspräsidenten/-präsidentin. Die Parteien stellen jeweils eine Spitzenkandidatin/einen Spitzenkandidaten europaweit auf. Die stärkste Partei stellt auch die Spitze der Kommission.

    „Der Euro ist ein Teuro – zurück zum Schilling wäre besser.“
    Stimmt nicht. Vor dem Euro hatte Österreich teils wesentlich höhere Inflationsraten als jetzt. Ein Austritt aus der Eurozone würde für uns Währungsschwankungen, sinkende Exporte und damit mehr Arbeitslosigkeit bedeuten.

    „EU-Regulierungswut: Sogar die Gurken werden genormt.“
    Richtig ist: In Österreich gab es bereits 20 Jahre vor der EU-Verordnung ein Gesetz über die Gurkenkrümmung. Diese und ähnliche Regelungen gehen auf internationale Vereinbarungen zurück und werden von der EU nur übernommen.

    „AusländerInnen fluten unseren Arbeitsmarkt und drücken die Löhne.“
    Richtig ist: Der erwartete Ansturm aus den mittel- und osteuropäischen EU-Beitrittsländern ist ausgeblieben. Außerdem müssen ArbeitnehmerInnen, egal woher, in der EU nach den jeweils geltenden nationalen Regelungen entlohnt werden. In Österreich ist also zumindest nach KV zu bezahlen. Seit seit 2011 gilt das Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping, Unterentlohnung ist strafbar.

    „AusländerInnen nutzen unsere Sozialsysteme aus.“
    Falsch! Die Fakten des Sozialministeriums beweisen das Gegenteil: Der Anteil von Sozialhilfebezieherinnen und -beziehern ist bei Österreicherinnen und Österreichern höher als bei in anderen Ländern geborenen Menschen. AusländerInnen sind auch kürzer arbeitslos als österreichische StaatsbürgerInnen – insgesamt zahlen sie netto mehr in die Sozialsysteme ein, als sie herausbekommen.

    Mehr Info: tinyurl.com/qem85sl

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    Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348111 Willkommen in Zell am See Am 27. und 28. März 2014 lud die Österreichische Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht zur alljährlichen wissenschaftlichen Tagung, um aktuelle Problemkreise aus den Themenfeldern zu erörtern. Rund 500 TeilnehmerInnen aus Wissenschaft und Praxis fanden sich heuer im Ferry Porsche Congress Center in Zell am See ein.

    Neben dem traditionellen Tagungsprogramm wurde auch ein praxisorientiertes Seminar angeboten, diesmal referierte Dr. Christoph Klein von der AK Wien zum Thema „Aktuelle Fragen des Urlaubsrechts“. Zum zweiten Mal fand auch das „Nachwuchsforum“ statt, in dem jungen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern die Gelegenheit geboten wurde, ihre aktuellen Forschungsarbeiten einem breiten Fachpublikum zu präsentieren. Gleich im Anschluss gab es weitere Gelegenheit zum Austausch: Der ÖGB-Verlag lud auch heuer wieder zum traditionellen Empfang in Zell am See und über 200 Gäste aus Universitäten, Gerichten, Institutionen, AK, ÖGB und Gewerkschaften folgten der Einladung.

    Mag.a Iris Kraßnitzer, Mitglied der Geschäftsleitung, und Jasmin Fichtinger, Assistentin der Geschäftsleitung und Organisatorin des Empfangs, sprachen mit Mag.a Ursula Strohmayer, Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Johanna Naderhirn, Univ.-Prof. Dr. Reinhard Resch sowie mit Mag. Bernhard Achitz über aktuelle Buchprojekte, die Zielsetzungen im Bereich Information und Kommunikation und die politischen Schwerpunkte des ÖGB.

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    Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349038 Der ÖGB-Verlag präsentierte unter anderem seine aktuellen Neuerscheinungen: Seit Mitte Jänner 2014 wurden 19 neue Titel veröffentlicht. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349043 Der Präsident der Gesellschaft für Arbeitsrecht und Sozialrecht, Rudolf Mosler, im Gespräch mit Sieglinde Gahleitner (Richterin am VfGH) und Bernhard Achitz (Leitender Sekretär des ÖGB). http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348100 Standpunkt | Europa und der Stier Sie stammte aus Asien, die schöne Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa: Europa, „die Frau mit der weiten Sicht“, was der Name im Altgriechischen bedeutet. Der Göttervater Zeus begehrte sie und näherte sich ihr – auch seiner eifersüchtigen Frau Hera wegen – in Gestalt eines Stieres. Europa, die mit ihren Gefährtinnen am Strand spielte, gefiel das zutrauliche Tier, sie schmückte es mit Blumen, packte den Stier schließlich bei den Hörnern und kletterte auf seinen Rücken. Da entführte er sie übers Meer nach Kreta. Dort nahm er wieder göttliche Gestalt an und zeugte mit Europa drei Söhne: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Die Liebesgöttin Aphrodite benannte schließlich den Erdteil nach ihr. Schriftlich überliefert wurde die Sage ab dem 6. Jahrhundert vor Christus.

    Verführung oder Entführung?

    Der Geograf und Historiker Herodot verbindet damals als erster den Erdteil mit der Prinzessin: „Von Europa aber weiß kein Mensch, ob es vom Meer umflossen oder wonach es benannt ist, auch nicht, wer ihm den Namen Europa gegeben hat, wenn wir nicht annehmen wollen, dass von der Tyrierin Europa das Land den Namen bekommen hat. Vorher war es natürlich namenlos wie die anderen.“ Eine schöne Geschichte, die unserem Europa zum Taufgeschenk gemacht wurde, erzählt und illustriert von den gern zitierten „alten Griechen und den Römern“ und wohl auch den Frauen. Es war also Liebe auf den ersten Blick, liest man bei Ovid und den anderen, und dass die schöne Königstochter den Stier freiwillig bestiegen hat, vermitteln die meisten Bilder.  Erst in späterer Tradierung wurde aus der Verführung eine Entführung, ein Raub gar, erst hier kommt Gewalt ins Spiel. Ob die Täuschung des Göttervaters für die junge Frau dann zur Enttäuschung wurde, ist nicht übermittelt. Die meisten HistorikerInnen sind sich einig, dass die phönizische Königstochter, die am Anfang Europas steht, Symbol ist für den Einfluss des orientalischen Kulturkreises – Ägypten, Mesopotamien, Anatolien – auf den Westen, auf das von Herodot beschriebene diffuse Europa. Kein echter Kontinent, mehr eine Idee, ein Mythos, so sahen es schon früh einige.

    Entmystifiziert sehen es heute viele. Was aus dem „Mythos Europa“ geworden ist, kann man gerade in Griechenland gut beobachten. Viele fühlen sich ent- oder getäuscht oder gar verführt. Da sitzt sie nun, die Königstochter mit ihrer Kinderschar, und der Göttervater hat sich längst wieder aus dem Staub gemacht. Aus dem Stier ist ein Bulle geworden, der die Aktienkurse nach oben treibt. Europa hat die Krise.

    Handeln. Mitmachen. Bewegen.

    Ich habe zu den ziemlich genau zwei Dritteln ÖsterreicherInnen gehört, die vor zwanzig Jahren für einen Beitritt unseres Landes zur Europäischen Union gestimmt haben. Wir haben den Stier bei den Hörnern gepackt und sind aufgebrochen in eine ungewisse Zukunft. Ein Aufbruch, der sich gelohnt hat. Grenzen sind verschwunden, Möglichkeiten haben sich eröffnet. Doch damit uns der Stier nicht einfach entführt, müssen wir ihn lenken und steuern. Um seine Kraft zu nützen, müssen wir die richtigen, wichtigen Impulse setzen und dürfen uns nicht von neoliberalen Bullen und Bären blenden lassen. Wir müssen aufpassen, dass der Stier nicht zu weit nach rechts abdriftet. Und wir müssen ihn auch ein wenig lieben, den Stier, seine Schönheit erkennen und ihn nicht von hinten aufzäumen. Dann wird er uns weit tragen und uns mit seiner Kraft nützen.

    Um das zu erreichen, muss man immer wieder den Stier bei den Hörnern fassen. Am besten indem man zur Wahl zum Europäischen Parlament geht – am 25. Mai 2014. Handeln. Mitmachen. Bewegen.

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    Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1384551633021 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348088 Profitieren, ohne zu investieren? 1]]> Das Schlimmste der Krise liegt jetzt vielleicht hinter uns“, verkündete kürzlich der EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. Was die Konjunktur betrifft, hat er – vielleicht, wie er selber sagt – recht, schließlich gab es bisher in jeder Wirtschaftskrise einen unteren Wendepunkt. Doch die seit Jahren andauernde tiefe Depression hat vor allem in einigen südeuropäischen Ländern soziale Verwüstungen angerichtet. Das Schlimmste wird uns also noch einige Zeit begleiten.

    Wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen hat die Krisenpolitik der EU-Kommission, die seit 2010 nicht zuletzt auf Betreiben der deutschen Bundesregierungen forciert (und auch von österreichischen Regierungen zumeist unterstützt) wird. Die „deutschen Interessen“, mit denen dies gerechtfertigt wird, sind jedoch nicht die Interessen der Mehrheit der deutschen Bevölkerung.

    Die Fiskaldiktatur

    In der neuen Wirtschaftssteuerung der EU spielt die Bekämpfung von Haushaltsdefiziten und Staatsschulden der Mitgliedsländer eine Schlüsselrolle. Doch die Staatsschulden sind ja infolge der Krise in die Höhe geschossen – insbesondere durch die Bankenrettung. Wenn aber die Folge zur Ursache erklärt wird, erklärt man das Opfer zum Täter. Länder, die Finanzhilfen für die Bewältigung akuter Haushaltskrisen bekommen, werden auf Kürzungsprogramme verpflichtet. Verknüpft werden diese mit sogenannten „Strukturreformen“, die der Erhöhung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit primär durch Senkung der Arbeitskosten dienen sollen. Die in Spanien beschlossenen „Reformprogramme“ beispielsweise enthalten neben diversen Kürzungen im Staatshaushalt und im Sozialsystem solche Maßnahmen wie die Lockerung des Kündigungsschutzes durch Ausschaltung der Konsultation mit dem Betriebsrat, den Vorrang von Firmentarifverträgen vor Flächentarifverträgen, die Aufgabe der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen sowie das Einfrieren des gesetzlichen Mindestlohns in der Privatwirtschaft. In Griechenland wurde sogar der Mindestlohn in der Privatwirtschaft um 22 Prozent gesenkt. Dieser Kurs hinterlässt langfristig nachwirkende Flurschäden auf den Arbeitsmärkten, im Sozialgefüge und in den Interessenvertretungsstrukturen.

    Kein Zweifel: In den betroffenen Ländern – und nicht nur dort – liegt vieles ganz erheblich im Argen. Doch die „Strukturreformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“ haben nicht das Geringste mit dem tatsächlich vorhandenen Reformbedarf zu tun. Das kann man schon daran erkennen, dass es in jedem dieser Länder ganz spezifische Fehlentwicklungen waren, die der Krise den Boden bereiteten: das auf Schattenbanken und das Anziehen von ausländischen Direktinvestitionen fokussierte Modell Irlands; der mit hoher privater Verschuldung einhergehende und zudem die Umwelt zerstörende Immobilienboom in Spanien; eine extrem schwache Steuerbasis in Griechenland bei gleichzeitiger Abwesenheit irgend eines wirtschaftlichen Entwicklungskonzepts; und in Italien eine „wachstumsbehindernde Vetternwirtschaft, Korruption und bürokratische Ineffizienz“ zusammen mit dem Fehlen jeglicher Industriepolitik und einer ausgeprägt starken Kombination von „Steuervermeidung, Steuerflucht und Steuersenkungen“.

    Was aber häufig übersehen wird: Die andere Seite derselben Medaille sind die Fehlentwicklungen im deutschen Wirtschafts- und Sozialmodell. Hinter der EU-Politik der deutschen Regierungen steckt die Illusion, man könne profitieren, ohne in den gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum zu investieren. Die deutsche Wirtschaft ist die größte Europas, aber sie ist über die Maßen vom Export abhängig. Die Exporterfolge der deutschen Industrie haben ihre stärksten Fundamente in der hohen Spezialisierung und Produktqualität, der Serviceorientierung der Unternehmen und der Qualifikation der Beschäftigten. Es würde sicher niemandem dienen, diese weltweit anerkannten Stärken außer Kraft zu setzen. Doch seit der Einführung des Euro wurden die produktbezogenen Stärken erstmals in diesem Ausmaß durch eine Senkung der Lohnstückkosten im Verhältnis zu den übrigen EU-Ländern ergänzt. Von 2000 bis 2010 gingen die durchschnittlichen Reallöhne pro Kopf in Deutschland um vier Prozent zurück – ein völliger Ausreißer innerhalb der EU.

    „Arbeitsmarktreformen“

    Diese von neoliberalen Ökonomen als „Lohnmäßigung“ gerühmte Besonderheit war wesentlich auf die Ausbreitung des Niedriglohnsektors zurückzuführen. Dahinter stecken vor allem die in den zurückliegenden zehn bis 15 Jahren durchgesetzten Strukturbrüche auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Verschiedenste „Arbeitsmarktreformen“ öffneten die Schleusen zu einem Boom von Leiharbeit und Minijobs. Die sogenannten Hartz-Gesetze zwangen die Arbeitssuchenden, Jobs auch zu sehr schlechten Bedingungen anzunehmen. Das Tarifvertragssystem, das ohnehin bereits seit den 1990er-Jahren durch abnehmende Mitgliederzahlen von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geschwächt war, verlor durch politischen Druck zusätzlich an Einfluss auf die Entwicklung der tatsächlichen Einkommen. All dies zog die durchschnittlichen Löhne nach unten. Gleichzeitig wurden durch Steuerreformen hohe Einkommen und Gewinne erheblich entlastet. Beeindruckendster Ausdruck dieses fragwürdigen Erfolgs war der dramatische Anstieg der Leistungsbilanzüberschüsse wenige Jahre nach der Einführung des Euro.

    Diese Fehlentwicklung hatte zwei Folgen, die der Krise den Boden bereiteten und die immer noch nicht aus der Welt geschafft sind: Erstens reduzierten sich durch die Stagnation des deutschen Binnenmarkts die Exportmöglichkeiten anderer Länder in die größte euro-päische Volkswirtschaft. Die Kritik, Deutschland exportiere zu viel, verstellt deshalb eher den Blick auf die eigentlich entscheidende andere Seite derselben Medaille: Deutschland importiert zu wenig. Das binnenwirtschaftliche Ungleichgewicht in Deutschland wurde zur wichtigsten Quelle der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte, die auch weiterhin wie ein Bleigewicht an der Eurozone hängen. Und zweitens spielten die durch massive Umverteilung in Deutschland geförderten Gewinne und Kapitaleinkommen in den Finanzmarkt- und Immobilienblasen anderer Länder eine wichtige Rolle.

    Nicht nachhaltige Wachstumsmodelle

    Es war eine Symbiose nicht nachhaltiger Wachstumsmodelle, die Europa und die Währungsunion in die Krise geführt haben. Die Lehren daraus sind noch nicht gezogen. Eine Gesundung der Eurozone erfordert radikale Kurskorrekturen bei allen Hauptbeteiligten. Neue sozial-ökologische Entwicklungsmodelle werden nicht nur in Südeuropa gebraucht, sondern auch in Deutschland. Der deutsche Arbeitsmarkt muss neu reguliert werden, damit die soziale Ungleichheit zurückgedrängt wird. Die Politik muss die deutsche Wirtschaft sowohl zwingen als auch anregen, zum Motor der Energie- und Ressourcenwende zu werden. Die deutsche Gesellschaft braucht große öffentliche Investitionen vor allem im kommunalen Bereich, und sie braucht einen Boom sozialer Dienstleistungen – von Kitas und Schulen bis zur Altenpflege. Das ist unabdingbar für die Gleichstellung der Geschlechter und die Bewältigung des demografischen Wandels, aber es geht nicht ohne große Steuerreformen, mit denen vor allem Kapitaleinkommen und Vermögen gesellschaftlich nutzbar gemacht werden.

    Dies wäre gut für Deutschland, aber auch für seine Partnerländer in der Eurozone – so wie die Schäden, die durch verfehlte „Reformen“ in Deutschland angerichtet wurden, den Nachbarländern zum Schaden gereicht haben.

    1 Das Folgende beruht auf Aufsätzen in dem von mir herausgegebenen Buch „Ein Triumph gescheiterter Ideen: Die Fortsetzung. Zehn Länderstudien zur spaltenden Integration Europas“, das im Mai im Hamburger VSA-Verlag erscheint.

    Institut für Arbeit und Qualifikation: tinyurl.com/nr6v2md

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor steffen.lehndorff@uni-due.de oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Steffen Lehndorff, Leiter der Forschungsabteilung "Arbeitszeit und Arbeitsorganisation" im Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg/Essen Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349850 Die Exporterfolge der deutschen Industrie haben ihre stärksten Fundamente in der hohen Spezialisierung und Produktqualität, der Serviceorientierung der Unternehmen und der Qualifikation der Beschäftigten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349862 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227348022 EU-Verbraucherschutzpolitik: Blick nach vorn In den vergangenen beinahe 40 Jahren hat sich die EU-Verbraucherschutzpolitik zu einer klaren „Erfolgsstory“ entwickelt und wirkt sich – in der Überzahl der Maßnahmen – positiv auf das tagtägliche Leben der BürgerInnen aus. 

    Auch in Österreich: Denken wir nur an die Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von sechs Monaten auf zwei Jahre durch die 1999 erlassene EU-Richtlinie, an die Neueinführung der EU-Fluggastrechte 2004, an die Verbraucherkreditrichtlinie, um nur einige Beispiele zu nennen.  

    Europäische Verbraucherorganisation

    Im Mai dieses Jahres wählen die EuropäerInnen ein neues Parlament. Aus Sicht der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC kann sich die Bilanz des EU-Parlamentes für den Verbraucherschutz durchaus sehen lassen. BEUC agiert in Brüssel als Stimme der europäischen VerbraucherInnen. Der 1962 gegründete Verband umfasst heute 41 Mitgliedsorganisationen, die wichtigsten Verbraucherschutzorganisationen aus jedem EU-Mitgliedsland sowie aus Norwegen, Island, der Schweiz und Mazedonien. In Österreich sind der Verein für Konsumenteninformation VKI und die Arbeiterkammer BEUC-Mitglieder. 

    BEUC vertritt die Interessen der VerbraucherInnen gegenüber allen EU-Institutionen, konzentriert sich aber auf das EU-Parlament, das ja die Interessen der BürgerInnen vertritt und daher dem Verbraucherschutz besonders offen gegenübersteht – oder wenigstens stehen sollte.

    Auch in der Legislaturperiode von Juni 2009 bis Mai 2014 sind viele Richtlinien und Verordnungen verabschiedet worden, die die VerbraucherInneninteressen stark betreffen. Einige dieser Gesetze kann man als Meilensteine der EU-Verbraucherpolitik bezeichnen. Andere Initiativen blieben hinter den Erwartungen zurück und werden wohl kaum die von den Verbraucherorganisationen erhofften Resultate erbringen.

    Zu den wesentlichsten Leistungen des EU-Parlaments für europäische VerbraucherInnen zählen zum Beispiel:

    • Die „Verbraucherrechterichtlinie“: Durch das Europäische Parlament wurde der ursprünglich unzulängliche Gesetzesentwurf der Europäischen Kommission doch noch in ein nützliches Instrument zum Schutz für VerbraucherInnen beim Online-Einkauf umgewandelt.
    • Bei der Hypothekarkreditrichtlinie wurden die vorvertraglichen Informationspflichten verbessert und ein allgemeines Recht auf die Rückzahlung von Krediten vor dem Fälligkeitsdatum eingeführt.
    • Das Europäische Parlament führte strengere Maßnahmen zur Verbesserung der Marktaufsicht für Arzneimittel ein. So wird die Sicherheit von Arzneimitteln erhöht und die Verbraucherinformationen über die Vorteile und Risiken von Arzneimitteln werden verbessert.
    • Die neue, vom Europäischen Parlament wesentlich verbesserte Energieeffizienzrichtlinie hilft VerbraucherInnen, mehr über ihren eigenen Energieverbrauch zu erfahren. So können sie diesen reduzieren, das bringt langfristig deutliche finanzielle Einsparungen mit sich.
    • Die Maßnahmen zur Einführung von nationalen außergerichtlichen Streitbeilegungszentren in allen EU-Ländern und eine EU-Online-Plattform zur Vernetzung solcher Stellen optimiert den Zugang zum Recht für VerbraucherInnen, besonders bei grenzüberschreitenden Beschwerden.
    • Im Lebensmittelbereich ist nur teilweise eine Erfolgsbilanz zu ziehen. So ist zwar die Kennzeichnung bestimmter Nahrungsmittelinformationen verpflichtend eingeführt und es sind klarere Bestimmungen über die Lesbarkeit solcher Informationen geschaffen worden. Leider aber hat das Parlament eine verbindliche Nahrungskennzeichnung durch das sogenannte Ampelsystem, für das BEUC sich eingesetzt hatte, auf der Vorderseite der Verpackung abgelehnt. 

    Auf der negativen Seite dieser Bilanz muss doch angeführt werden, dass das Europäische Parlament einer „optionalen“ Regelung von Verbraucherrechten zugestimmt hat – im sogenannten Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht. BEUC lehnt dies ab, da den Unternehmerinnen und Unternehmern die Wahl überlassen würde, welche Verbraucherschutzstandards (nationale oder europäische) sie beim Online-Verkauf respektieren müssen.

    Prioritäten des BEUC

    Gerade auch im Hinblick auf den derzeit weitverbreiteten EU-Skeptizismus könnte und sollte die EU-Verbraucherpolitik eindeutige positive Antworten liefern. BEUC fordert die zukünftigen EU-Parlamentarier auf, unter anderem in den folgenden Bereichen für besseren Verbraucherschutz zu sorgen:

    Lebensmittel und Ernährung: Das Vertrauen der VerbraucherInnen in Lebensmittel, insbesondere in Fleisch, ist derzeit sehr niedrig. Im Laufe der nächsten fünf Jahre sollte das Europäische Parlament konkrete Schritte dagegen unternehmen. Dazu gehören eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung bei der Verwendung von Fleisch als Zutat in verarbeiteten Nahrungsmitteln sowie ein Verbot von Nahrungsmitteln aus geklonten Tieren, falls nicht durchführbar, eine klare Kennzeichnung. Zudem sollte ein Verbot der Nutzung von Antibiotika, welche in der Humanmedizin als essenziell gelten, bei Tieren erlassen werden.

    Die Gewährleistungsrechte der VerbraucherInnen, die Austausch, Reparatur oder Rückerstattung des Kaufpreises bei einem mangelhaften Produkt garantieren, bestehen allzu oft nur auf dem Papier. Hier müssen bessere Regelungen geschaffen werden, die es Verbraucherinnen und Verbrauchern leichter machen, zu ihrem Recht zu kommen, so z. B. durch eine längere Umkehr der Beweislast. Darüber hinaus haben VerbraucherInnen in den meisten EU-Ländern bereits zwei Jahre nach Kauf des Produktes keinen Gewährleistungsanspruch mehr. Das ist besonders bei langlebigen Produkten (wie Haushalts- und Kommunikationsgeräten) nicht zufriedenstellend und steht der Förderung eines nachhaltigeren Lebensstils entgegen. Das Parlament sollte die Kommission auffordern, Vorschläge zur Verbesserung gesetzlicher Gewährleistung und der Haltbarkeit von Produkten auszuarbeiten.

    Um die Vorteile der digitalen Ära nutzen zu können, muss der Zugang zu Telekomnetzen und Dienstleistungen gewährleistet werden. VerbraucherInnen werden sowohl beim Zugang zu digitalen Inhalten (viele Online-Shops sind nur in einem Land zugänglich) als auch im Hinblick auf deren Nutzung (Verbot der Übertragung legal erworbenen Inhalts eines digitalen Produktes auf ein anderes Gerät) schlechtergestellt als in der „Offline“-Umgebung. Die Modernisierung der EU-Gesetze zu Urheberrecht und Datenschutz ist das zentrale Thema des nächsten Parlamentes. Die Finanzkrise hat deutlich gezeigt, was dem Finanzsektor fehlt: ein Angebot an Produkten und Dienstleistungen, die VerbraucherInnen wirklich benötigen. Die Menschen haben ernsthafte Bedenken im Hinblick auf die Zukunftssicherheit ihrer Darlehen, Ersparnisse und Pensionen. Mehr Kontrolle durch Aufsichtsbehörden, ein breites Angebot unabhängiger Beratung für VerbraucherInnen und EU-Maßnahmen gegen Überschuldung und gegen aggressive Verkaufspraktiken der Banken sollten geschaffen werden.

    Nachhaltigkeit

    Die Wirtschaftskrise ist auch eine Chance für dringend notwendige Veränderungen in Richtung nachhaltigerer Produktions- und Konsumaktivitäten. BEUC fordert, dass „grüne“ Einkaufsentscheidungen nicht das Vorrecht der Wohlhabenden und Gebildeten sein sollten, sondern dass solche Produkte generell einfach zugänglicher und erschwinglich werden sollten.
    Innerhalb von fünf Jahren können bedeutende Maßnahmen zur Veränderung des Alltages der VerbraucherInnen erzielt werden. Bis 2019 haben die EU-ParlamentarierInnen Zeit, diese von uns vorgeschlagenen Initiativen umzusetzen.

    INFO & NEWS
    Transatlantisches Freihandelsabkommen
    Während der nächsten Legislaturperiode wird das Europäische Parlament auch das „Transatlantische Freihandelsabkommen“ (TTIP) mit den USA ratifizieren. Falls das Abkommen schlussendlich zu einer Verminderung von europäischem Verbraucherschutz und/oder Umweltschutz führen könnte, könnte das Parlament von seinem Vetorecht gegen ein solches Abkommen Gebrauch machen.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin ursula.pachl@beuc.eu  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Ursula Pachl, Stv. Generaldirektorin der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349130 Das Vertrauen der VerbraucherInnen in Lebensmittel, insbesondere in Fleisch, ist derzeit sehr niedrig. Im Laufe der nächsten fünf Jahre sollte das Europäische Parlament konkrete Schritte dagegen unternehmen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Tue, 15 Apr 2014 00:00:00 +0200 1395227347456 Langfristig müssen die Menschen gewinnen Zur Person
    Bernadette Ségol
    Generalsekretärin des EGB
    Geboren in Luzech, Frankreich, 1949, vier Kinder
    1972: Master in Philosophie, Universität Toulouse
    Beruflicher Werdegang:
    Mai 2011: Wahl zur Generalsekretärin des EGB bei dessen Konferenz in Athen
    2000–2011: Vorsitzende von UNI Europa (Europäischer Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften; vertritt 330 Mitgliedsverbände und insgesamt sieben Millionen ArbeitnehmerInnen)
    1985–2000: Euro-FIET (eine der Vorgängerorganisationen von UNI Europa, die 2000 aus einer Fusion mehrerer Dachverbände entstand)
    1985–2011: Mitglied des EGB-Exekutivkomitees
    1974–2000: Assistentin des Generalsekretärs des Internationalen Textilarbeiterverbandes
    Gewerkschaftspolitische Highlights:
    Ségol trug zur Revision der Dienstleistungsrichtlinie bei, kämpfte für gesetzliche Regelungen von Zeitarbeit, unterstützte die Gründung von über 200 Europäischen Betriebsräten, schuf elf Plattformen des Sozialen Dialogs, Teil ihrer Aufgaben sind Verhandlungen mit Arbeitgeberverbänden, ist aktiv im Prozess der Regulierung der Finanzmärkte engagiert, kämpft für Chancengleichheit in Europa.

    Arbeit&Wirtschaft: Die EU steckt immer noch tief in der Krise – was läuft denn aus Sicht des EGB falsch?

    Bernadette Ségol: Die mehr als fünf Jahre andauernde Krise hat zu einer großen Kluft in Europa geführt. Die ArbeiterInnen stehen nicht mehr zur EU, die EU ist ihnen egal. Dabei ist das europäische Projekt doch eines des Zusammenwachsens. Aber nach diesen fünf Jahren sind soziale Ungleichheiten und die Arbeitslosigkeit enorm gestiegen. Diese Politik, die bisher zur Bewältigung der Krise gemacht wurde, ist unserer Meinung nach gescheitert: Die Schulden sind nicht gesunken, die Arbeitslosigkeit ist nicht gesunken, sie steigt und steigt monatlich. Der permanente Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit ist eine direkte Folge dieser falschen Politik. Die jungen Menschen sind die ersten Betroffenen, weil sie gerade erst in den Arbeitsmarkt eintreten. Das ist natürlich nicht die Erklärung der EU-Spitzen, aber das ist es für uns. Seit Jahren machen sie diese Politik – ich frage mich, wann sie sich bewusst werden, dass es ihre Politik ist, die gescheitert ist, dass ihr Weg kein guter war. 

    Wie lange wird es denn noch dauern, bis die aktuelle EU-Führung ihren falschen Kurs und ihr Scheitern einsieht? 

    Einige Staatschefs sind sich des Ernstes der Lage durchaus bewusst, einige wissen, dass wir ein Niveau erreicht haben, das sozial nicht mehr erträglich ist. Andere hoffen immer noch darauf, dass sich die Arbeitslosigkeit stabilisiert und dass die Wirtschaft wieder anspringt. Und es gibt auch einige, die die Gelegenheit nutzen wollen, um das, was wir das soziale Modell nennen, zu schwächen und um das europäische Modell insgesamt zu ändern. Ich glaube aber dennoch, dass sich ein Bewusstseinswandel bemerkbar macht. Es gibt das Bewusstsein bei manchen, aber es sind noch zu wenige, um jetzt endlich einen Schritt nach vorne zu machen. Für uns besteht dieser Schritt nach vorne in Investitionen – wir brauchen Investitionen für Wachstum.

    Wird das mit den aktuellen Akteuren – EZB, IWF, Finanzlobby etc. – funktionieren?

    Schwer zu sagen, der IWF war in letzter Zeit sehr viel kritischer gegenüber der Sparpolitik als so manche europäische Regierung – wobei der IWF natürlich keine revolutionäre Organisation ist. Aber die Experten dort, wie auch die in anderen Organisationen, OECD zum Beispiel, haben erkannt, dass Sparpolitik in Zeiten von Rezession schlecht ist. Die EZB hat eine Funktion, die sich nur auf die Geldpolitik beschränkt. Wenn man Herrn Draghi trifft, wird er erklären: ‚Wir kümmern uns nicht um den Arbeitsmarkt, wir kümmern uns darum, dass die Geldpolitik funktioniert.‘ Ich glaube also, dass es bei dieser Frage viel mehr um den Willen der Regierungen und der Staats- und Regierungschefs geht.

    Muss man dann die Rolle der EZB ändern?

    Das ist sehr schwierig. Die EZB hat schon einige Initiativen unternommen: Die Banken können zu sehr niedrigen Zinsen Geld ausborgen. Das Problem derzeit ist offenbar nicht, dass es zu wenig Liquidität in der Wirtschaft gibt, sondern dass das Geld nicht investiert wird. Man muss aber das Kapital mobilisieren, um es in die Realwirtschaft zu pumpen, so könnte man europäische Investitionspolitik machen. 

    Wäre die Einführung der Finanztransaktionssteuer nicht auch eine gute Möglichkeit, Geld in die Realwirtschaft zu pumpen?

    Also, zuerst hat man uns gesagt, so eine Steuer ist absolut unmöglich. Jetzt liegt sie auf dem Tisch, elf EU-Staaten würden sie einführen. Aber im Moment ist sie derart verwässert, dass man sich fragt, wie sie der Wirtschaft nutzen soll. Man muss aber Schluss machen mit dieser Ungleichbehandlung der Ärmsten und der Reichsten. Das ist eine unerträgliche Schande für unsere Gesellschaft und es ist vollkommen inakzeptabel für die ArbeitnehmerInnen in der EU. Die Finanztransaktionssteuer muss Wirklichkeit werden.

    Zur Jugendarbeitslosigkeit. Es gab Vorschläge, junge arbeitslose Spanier oder Griechen sollen doch nach Deutschland oder Österreich arbeiten kommen – eine gute Idee?

    Ich sage nicht, dass es eine schlechte Idee ist, wenn junge Menschen in anderen Ländern arbeiten, ein Austausch ist immer gut und man lernt viel dabei. Aber Mobilität als Lösung für die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland oder Spanien zu präsentieren ist gefährlich. Man kann nicht jungen Griechen oder Spaniern die Emigration als Lösung ihrer Probleme präsentieren. Das löst auch die Probleme des Landes nicht, und schlimmer noch: Es beraubt das Land seiner Zukunft. Das ist in den baltischen Staaten ein Problem, da sind viele junge Menschen ausgewandert. Wenn man einem Land die Dynamik der Jugend entzieht, dann wird es verarmen. Es nimmt auch den jungen Menschen in Österreich oder Deutschland ihre Jobchancen – diese Idee ist nur zum Vorteil der Unternehmen.

    Was wird Europas Jugend wählen, wenn keine klaren Zeichen und konkreten Schritte gesetzt werden?

    Das ist eine wirklich schwerwiegende Frage, und man muss die Staatschefs rechtzeitig darauf aufmerksam machen, und darauf, dass viel auf dem Spiel steht. In wenigen Wochen sind Wahlen – was werden die Staats- und Regierungschefs den Jungen, die wählen können, sagen, damit sie proeuropäische Parteien wählen und nicht Rechte oder Populisten? Im Moment ist da eine Leere und ich fürchte den Anstieg von Populismus, das ist eine Realität in Europa. Die Folgen einer erstarkten europäischen Rechten sind klar: Sie werden die Grenzen ihrer Staaten für ArbeitnehmerInnen aus anderen Ländern dicht machen. Das ist allerdings keine Lösung für mehr Arbeitsplätze – das muss man sagen. Man soll nichts schönreden und man muss ganz deutlich sagen, dass es ein Problem mit der Arbeitslosigkeit gibt und dass man es lösen will. Zu glauben, dass sich etwas verbessert, wenn man Grenzen für Beschäftigte aus anderen Ländern dicht macht, ist aber purer Unsinn. Jetzt ist gerade Österreich ein Land, das besser dasteht als andere, aber die Wirtschaft Österreichs ist sehr abhängig von den anderen europäischen Ländern. Wenn man die Möglichkeit für ein Land einschränkt, mit den anderen Wirtschaft zu treiben, dann wird auch hier die Arbeitslosigkeit steigen. Ich sehe hier eine große Verantwortung bei den Staats- und Regierungschefs. 

    Nach der vielen Kritik – gibt es nicht auch Dinge in der EU, die positiv sind?

    Ja natürlich, es gibt viele Dinge, die selbstverständlich sind, die nie wieder zur Sprache gebracht werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass man sich frei bewegen kann, oder dass man das Recht hat, überall zu arbeiten. Im Grunde, wenn Sie nach Frankreich kommen und da arbeiten wollen, dann geht das, Sie haben keine Probleme damit. Es gibt auch einige europäische Gesetze, die funktionieren, zum Beispiel bei der Gleichbehandlung bzw. beim Verbot der Diskriminierung. Das hat in vielen Ländern dazu beigetragen, die Situation zu verbessern. Beim ArbeitnehmerInnenschutz hat es Verbesserungen gegeben, von denen ArbeitnehmerInnen in vielen EU-Ländern profitieren. Oder die Verbesserungen beim Thema Information und Konsultation der Beschäftigten – die waren ein gewerkschaftlicher Erfolg. Die Regelung zur Elternkarenz hat in vielen Ländern Verbesserungen gebracht. Beim Thema Teilzeit und befristete Arbeit hat die Gleichstellung mit anderen Arbeitsverhältnissen ebenfalls in vielen Ländern Fortschritte gebracht. Es kommt immer wieder Gutes aus der EU, das muss man den Menschen unbedingt auch sagen, man soll sie ja nicht zur Verzweiflung bringen. Oberste Priorität für die Gewerkschaften sind gute Arbeitsplätze. Es stimmt, dass die europäische Politik im Moment nicht funktioniert, dass sie gescheitert ist. Das muss man zwar sagen, wir müssen als Gewerkschaften aber auch die Mitglieder ermutigen, konstruktive Diskussionen zu führen. Der EGB kann nicht, will nicht alles machen, wir können nicht die griechischen oder österreichischen Probleme lösen. Wir können Rahmenbedingungen schaffen. Wichtig ist aber, dass die Menschen selbst Lösungen finden, die Lösungen fallen ja nicht vom Himmel.

    Ist die Grenze zwischen Schönreden und Miesmacherei nicht sehr schmal?

    Man soll nicht das, was erreicht wurde, unter den Tisch fallen lassen oder kleinreden. Es gibt zum Beispiel eine hohe Akzeptanz was den Sozialen Dialog betrifft – ihr kennt das hier in Österreich, ihr seid das absolute Nummer-eins-Land was die Sozialpartnerschaft anbelangt. Das ist bei euch eine Realität, die im alltäglichen Arbeitsleben funktioniert. Auf EU-Ebene wird viel vom Sozialen Dialog gesprochen, und der EGB ist in Brüssel auch anerkannt als Sozialpartner. Das Problem liegt aber in der Realität des Sozialen Dialogs in manchen Staaten. Zum Beispiel hat die Troika soziale Beziehungen in Spanien, Griechenland und Portugal geschwächt. Wir sind also sehr einverstanden, wenn die Politik uns sagt, wir müssen den Sozialen Dialog stärken – aber wir antworten darauf: Ihr könnt das nicht in Brüssel sagen und so tun, als würde es in allen Ländern funktionieren.

    Wie soll das Zusammenspiel zwischen EU und Staaten funktionieren, wenn doch alle Länder ihre Eigenheiten haben?

    Wir wollen soziale Mindeststandards, damit man sagen kann: Bitte sehr, in der EU haben wir zumindest ein gewisses Sicherheitsnetz. Zum Beispiel ist das Gesetz zur Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz so ein Mindeststandard. Wenn ihr in Österreich strengere Regeln haben wollt, geht das natürlich, aber es braucht zumindest Mindeststandards. Oder: Der EGB verlangt Mindestlöhne – die wären natürlich nicht die gleichen in allen EU-Ländern, weil es zum Beispiel große Unterschiede zwischen Bulgarien und Österreich gibt. Aber für diese Mindestlöhne müsste es gewisse einheitliche Prinzipien geben, zum Beispiel müssten sie deutlich über der jeweiligen Armutsgrenze liegen.

    Wer wird in der EU gewinnen – die Menschen oder das Geld, die Demokratie oder der Markt?

    Ich glaube, dass langfristig die Menschen gewinnen werden. Denn es sind die Menschen, die schlussendlich eine Gesellschaft zum Funktionieren bringen. Wenn man in der Geschichte ein bisschen zurückgeht und an die kommunistischen Gesellschaften denkt, da hat sich auch niemand vorstellen können, dass sich etwas bewegen wird, dass dieser Block sich ändern wird. Es waren aber die Menschen, die die Veränderung bewirkt haben. Ich habe auch noch genug Optimismus in mir, um zu glauben, dass die Menschen Dinge verändern können, auch mit uns Gewerkschaften. Es gibt etwas, das sich politische Ökonomie nennt. Das heißt für mich, Wirtschaft sind nicht nur die Zahlen, die man in eine Reihe bringt. Es gibt eine wichtige Variable dabei, und das sind die Menschen. Oft kommen Veränderungen nur mittel- oder langfristig, aber sie kommen. Wenn man nicht daran glaubt, dann kann man gleich im Bett liegen bleiben und nichts tun. Natürlich gibt es auch Frustrationen und das Gefühl des Scheiterns, und wenn ich Kollegen aus Spanien oder Griechenland treffe, dann spüre ich schon das Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Bei Eltern, die sehen, dass ihre Kinder keine Perspektiven haben, zum Beispiel. Wir brauchen daher endlich Signale und Handlungen.

    Der EGB führt immer wieder auch Gespräche mit Regierungschefs und fordert Handlungen ein – wird er gehört?

    Vom britischen Premier Cameron eindeutig nicht. Ich war in Spanien bei Premierminister Mariano Rajoy, er ist natürlich nicht auf unserer Seite, aber wir hatten zu einigen dringenden Themen einen guten Austausch. Das heißt nicht, dass wir uns in allen Punkten einig waren, das ist klar. Ich bin aber überzeugt davon, dass es wichtig ist, dass die Regierungschefs unsere Botschaften hören müssen. Manchmal sind wir uns in der europäischen Gewerkschaftsbewegung der Stärke des Netzwerks, das wir haben, gar nicht bewusst. Wenn wir dieses Netzwerk auf europäischer Ebene stärker ins Spiel bringen würden, dann wären wir eine beachtliche Macht. Die Regierungschefs sehen uns schon als wichtige Kraft in der EU und begreifen, welche Macht wir haben können. Wir könnten die Macht, die wir alle gemeinsam haben, noch viel besser einsetzen, wir haben großes Potenzial.

    Was sind jetzt, knapp vor der EU-Wahl, die wichtigsten Themen für den EGB?

    Wir müssen die soziale Gerechtigkeit verbessern, die Rechte der ArbeitnehmerInnen ausbauen, die demokratische Verantwortung der EU stärken und die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen. Die EU kann in den kommenden fünf Jahren stärker werden, wenn sie die richtigen Maßnahmen für nachhaltige wirtschaftliche Erholung trifft, und zwar mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und mit breiter demokratischer Unterstützung. Europäerinnen und Europäer: Geht und wählt!

    Wir danken für das Gespräch.

    Mehr Infos unter:
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    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at

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    Das Interview führte Nani Kauer, Leiterin der ÖGB-Kommunikation, für Arbeit&Wirtschaft Arbeit&Wirtschaft 3/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1395227349049 Es gibt viele gute Dinge in der EU, die inzwischen selbstverständlich sind und nie mehr zur Sprache kommen. Das muss man auch sagen, die Menschen sollen ja nicht verzweifeln. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170416 "Nicht zuletzt" ... Arbeit anders bewerten und verteilen Lange Zeit waren die Emanzipationsbestrebungen davon geprägt, dass der Schlüssel zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bildung liegt. Am Arbeitsmarkt hat das zwar auch etwas gebracht, aber bei Weitem nicht so viel, wie ursprünglich erwartet.

    Positiv hat sich die Bildungsexpansion auf eine stärkere Präsenz von Frauen am Arbeitsmarkt ausgewirkt, aber viele der von Frauen besetzten Arbeitsplätze bieten kein ausreichendes Einkommen, um davon leben zu können. Dabei wird viel wertvolle Arbeit geleistet – Arbeit, die belastet, mit hoher Verantwortung, organisatorischen oder kommunikativen Fähigkeiten etc. verbunden ist, aber nicht entsprechend honoriert wird. Ebenso ist eine Umverteilung von Arbeit und das Aufbrechen von Rollenmustern und -zwängen zwischen den Geschlechtern nötig.

    Wert von Arbeit muss sichtbar werden

    Für eine Aufwertung von Frauenarbeit müssen die damit verbundenen Herausforderungen und die Bezahlung sichtbar werden. Belastende Arbeitsbedingungen wie etwa permanenter KundInnenkontakt, emotionale Herausforderungen bei der Betreuung und Pflege von älteren Menschen, der Lärmpegel von Kindern, organisatorische und kommunikative Anforderungen an die Sekretariatstätigkeit, körperlich anstrengende Reinigungsarbeiten werden zu wenig wahrgenommen und oft nicht entsprechend entlohnt. In der Schweiz gab es vor Jahren eine Aktion von Gewerkschaften, auf Bierdeckeln die Gehälter der Bediensteten in der Gastronomie sichtbar zu machen. Die Gäste sollten erfahren, welchen Stundenlohn Beschäftigte, die sie bedienen, bekommen.

    Faire Einkommen

    Für eine gerechte Bewertung von Arbeit braucht es einen breiten gesellschaftlichen Konsens, dass qualitätsvolle Pflege, Bildung oder Frühförderung etwas kostet und dafür von der öffentlichen Hand auch ausreichend Geld bereitgestellt werden muss. Und es braucht faire Einkommen für Beschäftigte, die sich um pflegebedürftige Menschen kümmern, die uns im Gasthaus das Essen und Trinken bringen, die dafür sorgen, dass unser Arbeitsplatz sauber ist, die unentwegt Waren über die Scannerkasse ziehen oder die uns die Haare schneiden und föhnen.

    In der Phase der Familiengründung passieren Weichenstellungen bei der Verteilung von bezahlter als auch unbezahlter Arbeit. Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung und Schule, die Teilzeit begünstigen, Barrieren für eine Erhöhung der Arbeitszeit aufgrund eines hohen Eingangssteuersatzes oder des „Alleinverdienerbonus“ machen diese Arbeitsteilung für Paare ökonomisch sinnvoll. Die Folge ist, dass die Mehrzahl der Paare das 1,5-Verdiener-Modell, sprich Vollzeit des Partners und Teilzeit der Partnerin, wählen.

    Beruf und Kinder

    Zunehmend wird auch die Identifikation von Männern über Erwerbsarbeit brüchig, viele Väter wollen Zeit mit der Familie verbringen, das Heranwachsen ihrer Kinder bewusst miterleben. Frauen wollen sich nicht zwischen Beruf und Kinderbetreuung entscheiden müssen, sie wollen beides, ohne dabei auszubrennen oder das Gefühl zu haben, beide Bereiche und vor allem sie selbst kommen zu kurz.

    In Schweden wird eine ausgewogene Verteilung der Arbeitszeit zwischen Partnern gefördert, in Deutschland wird eine Lohnersatzleistung bei Familienarbeitszeit diskutiert, um eine gleichmäßigere Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit zu unterstützen. Auch in Österreich ist es an der Zeit, mit dem Umbau der Förderung des Ernährer- bzw. Zuverdienermodells zugunsten einer partnerschaftlichen Teilung zu beginnen.

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    Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen - Familie in der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170407 Rück-Blog Die meistgelesenen Beiträge der letzten 30 Tage:

    • „Als Österreich Griechenland war: Krisenpolitik damals und heute“ (Valentin Schwarz)
    • „Deutsche ‚Agenda 2010‘-Politik führte zu Wachstums- und Beschäftigungsverlusten“ (Rudolf Zwiener)
    • „Steigender Wohlstand für wen?“ (Sarah Godar)

    Über die Parallelen zwischen 1934 und heute

    Der junge Journalist und Historiker Valentin Schwarz zeigt im meistgelesenen Beitrag des Monats sowohl die politischen wie auch die wirtschaftlichen Parallelen von Österreich in der Zwischenkriegszeit mit dem Griechenland von heute auf. Er verweist auf die großen Ähnlichkeiten bei der Entwicklung von Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit.

    Als Konsequenz wurden damals wie heute die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung stark gekürzt, genauso wie die öffentlichen Investitionen. In beiden Fällen gab und gibt es daher keinen Spielraum für antizyklische wirtschaftspolitische Maßnahmen, wodurch sich die Krise weiter verschärft(e).

    Schwarz zieht einen weiten, aber sehr gut nachvollziehbaren, Bogen von der Bankenrettung über den ökonomischen Mainstream Anfang der 1930er-Jahre und heute, bis hin zum Druck auf das ursprünglich demokratische System, das in Österreich spätestens 1934 bekanntermaßen in der faschistischen Diktatur geendet hat und dessen Zukunft in Griechenland ungewiss ist.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/povjkpc

    Die „Agenda 2010“ war ein Fehlschlag

    Im Beitrag von Rudolf Zwiener, Referatsleiter am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, wird auf die oft als großer Erfolg ausgewiesene deutsche Angebotspolitik der „Agenda 2010“ eingegangen.

    Zwiener argumentiert dabei, dass die Agenda nicht nur kein großer Erfolg, sondern tatsächlich ein Fehlschlag war, in dessen Folge sowohl Wirtschaftswachstum als auch Beschäftigung geringer waren, als dies bei einer stärker nachfrageorientierten Politik möglich gewesen wäre. Zwiener führt aus, dass die mit der „Agenda 2010“ verbundene Politik von Lohn-, Sozialausgaben- und Steuerkürzungen zu leeren öffentlichen Kassen und einem starken Einbruch der Binnenkonjunktur in Deutschland geführt hat.

    Dieser Einbruch war in der Folge nur durch die Erwirtschaftung hoher Exportüberschüsse einigermaßen zu kompensieren, was stark zulasten der anderen EU-Staaten gegangen ist und einen wesentlichen Beitrag zu den großen gesamtwirtschaftlichen Ungleichgewichten im Euroraum geleistet hat.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/l7wvjyd

    Es braucht eine andere Lohnpolitik

    Zu einem ähnlichen Thema schreibt die junge Ökonomin Sarah Godar. Sie argumentiert, dass das Wirtschaftswachstum nur geringe Aussagekraft für die Wohlstandsentwicklung hat und dass Produktivitätszuwächse in immer geringerem Ausmaß den ArbeitnehmerInnen zugute kommen. Stattdessen kommt es in Österreich seit Mitte der 1990er-Jahre zu einem überproportionalen Anstieg der Gewinn- und Besitzeinkommen.

    Die Abkehr von der bekannten „Benya-Formel“ des Anstiegs der realen Einkommen am langfristigen Produktivitätswachstum zugunsten einer angebotsseitigen Wirtschaftspolitik, die auch schon Rudolf Zwiener in seinem Beitrag beschreibt, ist als Folge der sich verschiebenden gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verstehen.

    ArbeitnehmerInnen werden zu einem Reallohnverzicht im Namen des Standortwettbewerbs genötigt, bei gleichzeitig steigenden Gewinnausschüttungen.

    Da Kapitaleinkommen jedoch weit ungleicher verteilt sind als Arbeitseinkommen und so eine Umverteilung von unten nach oben befördern, plädiert Godar für die Rückkehr zu einer solidarischen Lohnpolitik.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/no8gaxb

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    Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170401 Kein Patentrezept Im Rahmen der SOZAK bekamen wir die Möglichkeit, ein Europapraktikum zu absolvieren. Ich habe mich nach reiflicher Überlegung für Schweden entschieden, um einen Einblick in die Frauenpolitik zu bekommen und die gewerkschaftliche Organisation kennenzulernen. Vergleichbar mit dem ÖGB gibt es in Schweden drei Dachorganisationen. Das sind SACO – die Vertretung der AkademikerInnen mit ca. 300.000 Mitgliedern –, TCO – die Dachorganisation der Angestellten mit ca. 1,1 Mio. Mitgliedern – und LO – der Dachverband der ArbeiterInnen mit ca. 1,5 Mio. Mitgliedern. Die Führungsebenen der Dachorganisationen werden alle vier Jahre im Rahmen eines Kongresses von den Delegierten gewählt. Die Dachverbände arbeiten hauptsächlich auf politischer Ebene und koordinieren die Bedürfnisse der Fachgewerkschaften.

    IF Metall: 380.000 Mitglieder

    Mein Hauptaugenmerk galt der IF Metall. Diese ist vergleichbar mit der Gewerkschaft PRO-GE in Österreich. Die IF Metall in ihrer derzeitigen Form gibt es seit 2006. Es werden ca. 380.000 Mitglieder aus den Branchen Maschinenbau-, Kunststoff- und Bauindustrie, Bergbau, Arzneimittelindustrie, Eisen und Glashütten, Textilindustrie und Kfz-Werkstätten vertreten. Die IF Metall betreut auch eine Organisation zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen und zur Integration von beeinträchtigten Personen. Anders als bei uns, läuft in Schweden die Absicherung bei Arbeitslosigkeit ebenfalls über die Gewerkschaft.
    Während meines Aufenthaltes war ein Themenschwerpunkt Mitgliederwerbung. Dort wird die Meinung vertreten, das persönliche Gespräch mit gut ausgebildeten Funktionärinnen und Funktionären bringt Mitglieder, die hinter der Gewerkschaft stehen. Beeindruckend fand ich auch die Einstellung zu internationaler Gewerkschaftsarbeit. Wie wichtig diese ist, ist dort für alle, mit denen ich sprechen konnte, selbstverständlich.
    Das zeigt sich in der Tatsache, dass einige Konzerne in Schweden ansässig sind, die sich mit den Gewerkschaftsvertreterinnen und -vertretern zu einem Weltbetriebsrat bekannten, z. B. SKF und Volvo Trucks. Diese Vereinbarungen sind außerhalb der gesetzlichen Regelungen entstanden und werden von beiden Seiten anerkannt und vertreten.

    Als ich Einblick in die Situation der Frauen in Schweden bekam, merkte ich, dass es auch dort Einkommensunterschiede gibt und die Hauptlast der unentgeltlichen Arbeit bei den Frauen liegt. Im Gegensatz zu Österreich gibt es in den Gewerkschaften keine eigenen Frauenabteilungen. Die Abteilung für Genderangelegenheiten wird von einem Mann geführt. Die Kolleginnen in der IF Metall sagen, dass dieses System gut funktioniert und sie in den Kollegen starke Mitstreiter haben. Dennoch konnte ich nicht mit dem Geheimrezept für Frauenpolitik nach Hause zurückfahren. Wir glauben oft, die nordischen Staaten seien uns so weit voraus, aber die heile Welt gibt es auch dort nicht und die Gewerkschaften kämpfen mit denselben Problemen wie wir.
    Um Einkommensunterschieden von ca. sieben Prozent entgegenzuwirken, setzt die IF Metall auf verstärkte Aus- und Weiterbildung für Frauen. Auch dort gibt es Kampagnen, Männer zur Hausarbeit zu bewegen und unentgeltliche Arbeit aufzuteilen. Die Forderung, die Karenzzeit von derzeit 13 Monaten (plus ein Papamonat nach Bedarf) zu verlängern, soll mit einer Teilung verbunden sein. Der Wunsch wäre fünf Monate für die Frau, fünf Monate für den Mann und weitere fünf Monate frei wählbar. Bessere Bedingungen finden Familien im Bereich der Kinderbetreuung vor. Fast flächendeckend ist es möglich, nach der Karenzzeit einen Betreuungsplatz für sein Kind zu bekommen.
    Aufgefallen ist mir auch, dass Gewerkschaften innerhalb der Gesellschaft sehr positiv gesehen werden und die Zusammenarbeit bzw. die Akzeptanz durch die Arbeitgeber sehr hoch ist. In vielen Gesprächen konnte ich heraushören, dass es natürlich auch um mehr Profite für Unternehmen geht, aber von Arbeitgeberseite die Wertschätzung entgegengebracht wird, die man sich als ArbeitnehmervertreterIn manchmal wünscht.

    Vorsprung in Sachen Toleranz

    Auch wenn ich nicht mit dem Patentrezept für soziale Gerechtigkeit und Verantwortung zurückgekommen bin, kann ich dennoch behaupten, dass uns die Menschen in Schweden in Sachen Toleranz und Offenheit voraus sind. Vielleicht ist ein Grund dafür, dass bis 2006 die Regierungen traditionell arbeitnehmerfreundlich waren?

    INTERVIEW
    Zur Person
    - Ulla-Britt Thor
    Alter: 50
    Wohnort:  Schweden
    Erlernter Beruf: Verkäuferin
    Firma: KappAhl
    Gewerkschaft: Handel
    Internet: handels.se

    Wie ist dein Familienstand?
    Ich bin mit Kent Thor verheiratet, er ist Lkw-Fahrer. Wir haben ein Eigenheim. Wir haben drei Kinder:  Anders, 21 Jahre, Lisette, 23 Jahre und Niklas, 25 Jahre alt.

    Seit wann bist du im Eurobetriebsrat?  
    Seit 2010. 

    Was bedeutet dir Arbeit?
    Ich möchte eine Arbeit haben, die mich herausfordert. Wenn ich für die Gewerkschaft arbeite, weiß ich, ich kann was bewirken. Und natürlich brauche ich – wie wir alle – das Geld zum Leben. 

    Wie denkst du über die Wirtschaft in Irland?
    Im Augenblick geht es der Wirtschaft in meinem Land nicht so gut. Viele Menschen sind arbeitslos und für die könnte die Regierung mehr tun. Viele Leute haben nicht viel Geld zum Leben.

    Was bedeutet dir Gewerkschaft?
    Die Gewerkschaft ist sehr wichtig für mich. Ich bekomme Hilfe, wenn ich sie brauche. Ich habe Zugang zu interessanter Fort- und Weiterbildung. Und – he, ich kenne meine Rechte.

    Was bedeutet dir die Europäische Union?
    Wir haben eine Menge gemeinsam. Und wenn wir im selben europäischen Konzern arbeiten, können wir uns unterstützen.

    Was kann der Europäische Betriebsrat (EBR)?
    Das Beste ist, dass man sieht, wie andere arbeiten, und dass wir voneinander lernen können.

    Wie verbringst du deinen Urlaub?
    Wir fahren im Wohnwagen durch Schweden.

    Was wünschst du dir für die Zukunft?
    Ich wünsche mir, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Zeit für sich haben, und Löhne, von denen man leben kann.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin elfriede.schober@miba.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Elfriede Schober, Teilnehmerin des 61. SOZAK-Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104177439 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170376 Von Rollenbildern und "Männerfallen" Eigentlich ziemlich naheliegend, dass ich mich in einem Krimi endlich mit Rollenbildern und allem, was dazugehört, beschäftige. Auf der anderen Seite: Gerade das, was einem nah ist, lässt sich oft nicht so leicht zu einem lockeren und spannenden und ordentlich geschriebenen Buch verarbeiten. Noch dazu, wo ich davon ausgehe, dass in einem Roman der erhobene Zeigefinger und apodiktische politische Botschaften nichts verloren haben. Aber irgendwann war es eben doch so weit. Das hatte mehrere Gründe.

    Zum einen sind mir in den letzten Jahren immer wieder Menschen – nicht nur Männer – untergekommen, die doch tatsächlich behaupten, Männer würden in letzter Zeit unterdrückt und Frauen hätten es in jeder Beziehung leichter. Zum anderen gibt es Mega-Bestseller, die mit uralten Rollenklischees arbeiten. Wenn da dann noch eine gehörige Portion Sex dazu kommt, scheint die Sache perfekt. Älterer erfolgreicher Mann trifft auf junge unsichere Frau, öffnet sie in jeder Beziehung und nach vielen, schwülen Abenteuern darf sie ihn dann sogar heiraten. Uff. Apropos „UFF“: So hat der Verein geheißen, mit dem wir 1997 das Österreichische Frauen Volksbegehren gestartet haben. Unabhängiges Frauen Forum. Vielleicht weiß ich auch deswegen, dass Frauen – selbst feministische Frauen – nicht automatisch Heldinnen und nahezu fehlerfrei sind. Wäre ja auch langweilig. Und so sollte weder das Leben noch ein Krimi sein.

    In meinem Krimi jedenfalls gibt es einen Mann, der einen internationalen Bestseller geschrieben hat: „Sei ein MANN!“ Männer werden unterdrückt und müssen sich endlich in jeder Beziehung wieder durchsetzen. Mit dieser provokanten These und der Unterstützung seiner ehrgeizigen Verlegerin begeistert Thomas Pauer auch viele Frauen. Kann das damit zusammenhängen, dass der ehemalige Sportmoderator eines kleinen Berliner Privatsenders ziemlich attraktiv ist und eine Menge markiger Sprüche über Sex drauf hat?

    Auf alle Fälle soll Mira Valensky ihn vor seinem Auftritt im Wiener Museumsquartier interviewen. Aber da sind so viele Fans, dass sie nicht durchkommt. Man werde sie abholen, meint die Verlagschefin. Jetzt steht sie unter einem Plakat von „Sei ein MANN!“ und wartet auf ihren Fotografen …

     „Traust du dich nicht hin?“
    Ich fahre herum. Der Leiter der Fotoredaktion grinst mich an.

    „Scheint ziemlich was los zu sein hier.“
    „Ich dachte, du bist schon drin“, antworte ich.

    „Hast du nicht gecheckt, wie wir reinkommen?“
    Ich sehe ihn ein wenig spöttisch an. „Das haben wir Frauen schon drauf. Wir werden von einer Mitarbeiterin der Verlagschefin abgeholt.“

    „Höre ich da diesen Wir-Frauen-machen-es-jedenfalls-besser-Ton raus?“
    „Mit denen da hab ich jedenfalls wenig gemeinsam“, antworte ich und deute auf die Fangemeinde im Hof.

     „Klar, die sind eben keine Chefreporterinnen. Nicht alle haben Haare auf den Zähnen.“
    „Fotografier lieber. Dafür wirst du bezahlt.“

    „Sagt er ja: So weit ist es mit uns gekommen. Uns wird bloß befohlen und wir müssen springen.“ Er grinst.
    „Sag nicht, dass du das Buch schon gelesen hast.“

    „Nein, aber über das Buch konnte man ja jede Menge lesen.“
    „Und es gefällt dir.“

    „Sorry, Mira. Ich weiß, du willst das nicht hören, aber: ja. Es gefällt mir. Warum bitte müssen wir uns ständig dafür entschuldigen, Männer zu sein?“
    „Ach, ist das so?“ Ich schenke ihm ein mitleidiges Lächeln. „Und warum bist du dann Chef der Fotoredaktion und nicht Regina?“

    „Weil sie kürzer da ist, weil ich mehr Erfahrung habe. – Und außerdem: Warum bist du Chefreporterin und nicht … zum Beispiel Christof?“
    „Du willst mich wirklich mit Christof vergleichen? Ich packe es nicht. Der schaut bei jeder Geschichte, ob sie den Freunden in seiner Studentenverbindung passt. Ganz abgesehen davon, dass ich eben bewiesen habe, dass ich gute Storys liefere.“

    „Also ist auch die angeblich ach so mächtige Studentenverbindung nicht imstande, ihm diesen Job zu besorgen.“
    Schön langsam werde ich wütend. Wie der die Realität verdreht …
    „Und was ist mit dem Umstand, dass Frauen um die Hälfte weniger verdienen?“

    „Bleib cool, Mira. Ist ja kein Angriff auf dich. Du bist echt gut, ich gestehe Frauen so was zu. Nur dass sie es uns nicht zugestehen, nervt mich. Und: Du hast als Chefreporterin einen ziemlich guten Vertrag.“
    „Du bist angestellt. Ich nicht. Du verdienst mehr.“

    „Das kann man nicht vergleichen. Außerdem: Seit wann willst du angestellt sein?“
    Ach Mist, das ist heute nicht mein Tag. Es stimmt, ich arbeite gern mit einem fixen freien Vertrag. Macht mich irgendwie unabhängiger, zumindest mag ich das Gefühl, dass das so sein könnte.

    „Und dass Frauen nicht die Hälfte verdienen, weißt du ganz genau“, fährt mein Fotograf fort. „Sie arbeiten einfach weniger lang. Und in den falschen Branchen. Das ist alles.“
    „Ach ja, so wie deine Frau: Die arbeitet nur halbtags, weil ihr zwei kleine Kinder habt und weil der Herr Fotograf natürlich keine Zeit für die hat.“

    Er schluckt. Jetzt ist auch er wütend. Gut so. „Sissi ist total zufrieden so, das kannst du als kinderlose Emanze nicht begreifen. Es geht eben nicht allen Frauen um den Egotrip!“
    Ich atme durch. Ich muss mich auf so einen Schwachsinn nicht einlassen.
    Möglichst ruhig sage ich: „Sei so gut und fotografier einfach. Okay? Mach deinen Job. Sonst muss ich dich bitten zu gehen.“
    „Ist doch typisch! Genau so, wie er schreibt: Frauen glauben, alles bestimmen zu können, und sind dabei auch noch wehleidig.“
    Er grinst.
    „Kann es sein, dass du zu wenig Sex hast?“

    Ich hole tief Luft. „Ich fürchte, du hast Wichtigeres zu tun, als mit einer kinderlosen Emanze hier auf den neuen Messias zu warten. Also: Tut mir leid, ich brauche dich nicht bei diesem Interview.“

    Der Chef der Fotoredaktion starrt mich fassungslos an, Mund halb offen, jetzt muss ich mir ein Grinsen verkneifen. Ist schon ganz schön, manchmal ein wenig Macht auszuüben.
    „Das hat ein Nachspiel“, sagt er dann. „Ich bin der Leiter der Fotoredaktion …“

    „Und das ist meine Reportage.“ Ich sage es ganz ruhig, sehe mich um. Wo ist die Verlagsfrau? Wäre dumm, wenn man mich hängen ließe. Ganz besonders nach diesem Auftritt. Als ich mich wieder zum Fotografen umdrehe, ist er verschwunden. Auch recht. Zu wenig Sex. Kinderlose Emanze. Man packt es nicht. Ist es jetzt schon ein Makel, keine Kinder zu haben? Ich habe Gismo, meine Katze. Schon ziemlich betagt inzwischen, aber gut drauf. Lässt sich nicht vergleichen, klar.

    Und ich habe Oskar. Samt Liebesleben. Keine Klagen diesbezüglich. Auch wenn wir natürlich älter werden und nicht immer so viel Zeit ist. Und überhaupt: Kann es nicht einfach so sein, dass wir alle leben dürfen, wie es uns passt?

    Jemand tippt mir auf die Schulter. Ich zucke zusammen. Dieser idiotische Fotograf … ich werde ihm … aber es ist eine junge Frau, die mich ansieht.

     „Frau Valensky? Frau Seifried hat gesagt, ich soll Sie abholen, ich bin aus der Presseabteilung von Alpha Books.“

    Wenig später sitze ich ihm gegenüber. Natürlich ist Thomas Pauer ein Typ, den viele attraktiv finden. Ende vierzig, muskulös, blonde, nicht ganz kurz geschnittene Haare, blaue Augen, voller Mund, kantiges Gesicht, leicht gebräunt.

    Mir ist er irgendwie zu hübsch. Erinnert mich an die Typen aus der Fernsehwerbung. – Würde ich diesem Mann einen Gebrauchtwagen abkaufen? Vielleicht eine Tube Zahnpasta. Seine Zähne sind wirklich weiß, fast etwas zu weiß und ebenmäßig. Er lächelt und ich lächle zurück. Das also ist der neue Retter der Männlichkeit. Knistern tut da gar nichts. Null Sexappeal, stelle ich fest. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. „Guten Tag, Frau Valensky, wir haben leider nur mehr zwanzig Minuten“, sagt die Verlagschefin und klappt ihren Laptop zu. Dann Stirnrunzeln.

    „Haben Sie keinen Fotografen mit?“

    Eva Rossmann,1962 geboren, lebt im Weinviertel. Verfassungsjuristin, politische Journalistin, ab 1994 freie Autorin. 1997 war sie Mitinitiatorin des Österreichischen Frauenvolksbegehrens. Seit ihrem Krimi „Ausgekocht“ auch Köchin in Buchingers Gasthaus „Zur Alten Schule“. Drehbücher, Gastgeberin der ORF-TV-Talk-Sendung „Club 2“. Zahlreiche Sachbücher vor allem zu Frauenthemen sowie das Kochbuch „Mira kocht“ und den Weinviertel-Verführer „Auf ins Weinviertel“. „Russen kommen“ wurde 2009 zum Österreichischen Buchliebling gewählt. 2013 „Großer Josef Krainer Preis der Steiermark für Literatur“.

    www.evarossmann.at

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    Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170386 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170567 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170357 Frauen im Arabischen Frühling In seinem Buch „Frauenpower auf Arabisch“ erzählt der Journalist Karim El-Gawhary aus dem Leben arabischer Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er porträtiert Pionierinnen, Kämpferinnen und Verliererinnen und lässt die Frauen dabei oftmals selbst zu Wort kommen. El-Gawhary versucht aufzuzeigen, dass das in Europa verbreitete Bild von der ohnmächtigen unterdrückten und unterworfenen Araberin, schlicht und ergreifend nicht dem entsprach, was er auf seinen unzähligen Reisen in der arabischen Welt erlebte. Er verfasst beeindruckende Porträts von Frauen, die sich unter schwierigen Rahmenbedingungen wie Krieg, Flucht und sozialer Verelendung behaupten müssen und dennoch sehr viel „Power“ beweisen in einer keineswegs schönzuredenden patriarchalen Gesellschaft.

    Rückzug der Linken

    Mir erscheint dieser Zusammenhang besonders wichtig, da mit der Schwächung der Linken in Europa, dem Rückzug linker Ideologien in den letzten dreißig Jahren und dem Vormarsch rechtskonservativer Bewegungen die Frage sozialer Gegensätze immer mehr in den Hintergrund tritt und durch eine Frage der Gegensätze von Kulturen ersetzt wird. Aus dem Klassenkampf ist ein Kampf der Kulturen geworden, der die Fragen der sozialen Stellung von Frauen in der Gesellschaft, der sozialen Sicherheit, des Zugangs zu Bildung und Gesundheit und der ArbeitnehmerInnenrechte ausklammert. Gesellschaftliche Probleme werden zunehmend aus dem Diskurs verdrängt, während die Konflikte zwischen Traditionen und Kulturen mehr und mehr betont werden.Die Linke befindet sich in der Defensive, während sich die Rechte auf der Grundlage eben dieser genannten Thesen immer mehr in der Gesellschaft ausbreitet.

    „Staatsfeminismus“ und Reaktion

    Lange Zeit nahm man fälschlicherweise an, dass die arabische Welt nicht demokratiefähig und autoritäre Strukturen eine Eigenheit dieser Region mit 200 Mio. Menschen seien. Heute meinen manche, die Umbrüche bringen per se nur Rückschritte für die Frauen der Region. Die arabischen Diktatoren gaben sich oftmals säkular, um im Westen zu punkten. Gleichzeitig haben sie der religiös-kulturellen Unterwanderung der Gesellschaft durch islamistische Bewegungen Vorschub geleistet, im Glauben, sie könnten ihnen damit das Wasser abgraben. Die Bilder von arabischen Diktatoren von Ben Ali bis Saddam Hussein, die ihre Pilgerfahrten nach Mekka medial inszenierten, gingen um die Welt. Religiös-politische Bewegungen haben sich in den arabischen Gesellschaften als demokratische Opponenten zu autoritären Regimen präsentiert – weil sich die arabischen Staaten aus ihrer sozialen Verantwortung herausgenommen haben. Spitäler, Schulen, soziale Fürsorge für die Armen und Ärmsten wurden von karitativ-religiösen Bewegungen ersetzt. Die Politik der Privatisierung des öffentlichen Sektors, die diesen Staaten von den internationalen Finanzinstitutionen für die Gewährung von Krediten abverlangt wurde, hatte genau jene Entwicklung in den betroffenen Ländern hervorgebracht.

    Während in vielen arabischen Staaten der Feminismus ein von oben angeordneter Staatsfeminismus war – Diktatoren und ihre Ehegattinnen bestimmten, wie viel Frauenrechte ihre Gesellschaft verträgt –, haben sich – beispielsweise in Tunesien – Frauen sehr früh gegen diese „paternalistische Bevormundung“ gewehrt und mit der Gründung der AFTD (Association de Femmes Tunisiennes Démocrates) bewiesen, dass Frauen am besten selbst für ihre Rechte eintreten.

    Die Tunesierinnen schätzen die Meilensteine, welche Gründervater Habib Bourguiba nach der Gründung der Republik Tunesiens 1957 mit der Abschaffung der Polygamie, des ehelichen Verstoßes, der Zwangsehe, des männlichen Vormundes, der Einführung der Zivilehe und der Anhebung des Heiratsalters, für die Frauen gesetzt hatte. Familienplanung und kostenlose Pille folgten in den 1960er-Jahren. Die Grundsteine dieser stark von der tunesischen Gewerkschaftsbewegung beeinflussten Frauenpolitik haben Männer gelegt, die überzeugt waren, dass es ohne die Befreiung der Frau keinen Fortschritt in der Gesellschaft geben kann. Trotzdem demonstrierten Tunesierinnen bereits seit den 1970er-Jahren für die Bildung von demokratischen und unabhängigen Frauenbewegungen. Diese Bewegungen wurden zensuriert und hatten sehr lange wenig Aktionsradius in der tunesischen Gesellschaft. Nach dem Sturz Ben Alis haben die Moslembrüder in freien Wahlen einen Wahlsieg errungen. Die Frauen sahen sich plötzlich mit einer öffentlichen Infragestellung von für selbstverständlich gehaltenen Errungenschaften konfrontiert.

    Die Demokratie in Tunesien hat die Zivilgesellschaft belebt. Eine Unzahl an Frauenorganisationen und Frauenvereinen sind entstanden, die sehr engagiert die Auseinandersetzung mit konservativen politischen Gruppen aufgenommen haben. Es ist ein Trugschluss zu denken, dass demokratische Transformationen in der arabischen Welt nur reaktionäre Kräfte hervorgebracht haben. Nein, Demokratie bringt die Vielfalt der Gesellschaft mit all ihren Facetten und ihren verschiedenen politischen Bewegungen und Parteien zum Vorschein. Damit beginnt erst der Wettstreit in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Das ist für Frauenbewegungen eine Herausforderung, gleichzeitig aber ein politischer Auftrag, den die Frauen in der arabischen Welt schon längst angenommen haben.

    Wandel zieht nicht spurlos vorüber

    Während die Revolten in vielen arabischen Staaten wie in Libyen, Tunesien und Ägypten zum Sturz der jeweiligen Regime führten, ist die „Arabellion“ in anderen arabischen Staaten nicht spurlos vorübergezogen. Marokko beschreitet langsam, aber doch den Weg zur konstitutionellen Monarchie.

    Das Parlament wurde bereits gestärkt. König Mohammed VI. hat die Frauenfrage schon mit Beginn seiner Regentschaft auf seine politische Agenda gesetzt. Der aufgeklärte absolute Monarch gilt als Modernisierer des Landes und Frauenrechtler. Während seiner Antrittsrede sprach er die häusliche Gewalt gegen Frauen an. 2004 folgte eine umfassende Personenstandsrechtsreform, welche die Polygamie derart einschränkte, dass sie de facto nicht mehr praktizierbar ist. Frauen profitieren auch von den Reformen des Landes und der Stärkung der parlamentarischen Institutionen.

    Jordanien: Emanzipation nur für Rania

    Jordanien, im Westen durch die schöne Königin Rania, eine hochgebildete und emanzipierte Frau, bekannt, vermittelt den Eindruck von Offenheit und Aufgeschlossenheit. Dabei liegen der autochthonen jordanischen Gesellschaft starke tribale Strukturen zugrunde, welche die Weiterentwicklung von Frauenrechten oftmals erschweren. Die königliche Monarchie gehört zu den arabischen Ländern, die bereits in den 1970er-Jahren als Bollwerk gegen den sowjetischen Einfluss auf die arabische Welt mit Unterstützung der USA der Muslimbrüderschaft weitgehende Rechte im Land einräumten. Dadurch sollten linke Kräfte verdrängt werden. Das Engagement der Muslimbruderschaft, z. B. die Führung eigener karitativer Institutionen, der Bau von Spitälern und Schulen, aber auch der Einfluss im Bereich der Bildung und im Bildungsministerium, hat in den vergangenen dreißig Jahren zu einer markanten Veränderung der jordanischen Gesellschaft geführt. Frauenbewegungen agieren hier äußerst elitär und isoliert. Ein feministisches Bewusstsein ist nur schwach ausgeprägt.

    Frauenpolitik ist Entwicklungspolitik

    Es sind neue Dynamiken in der arabischen Welt entstanden, welche die Frauenfrage wieder in den Vordergrund rücken. Das sind einerseits politisch religiös-konservative Kräfte, die mittels der Zurückdrängung von Frauen aus dem öffentlichen Leben ihren eigenen Gesellschaftsentwurf durchzusetzen versuchen.

    Eine Gesellschaft die letztlich auch Männer entmündigt, indem auch sie einem religiös-autoritären Diktat unterworfen werden. Doch andererseits sind es die zahlreichen Frauenorganisationen, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die in jedem noch so kleinen Fortschritt für Frauen einen gesellschaftlichen Fortschritt sehen; die progressive Frauenpolitik auch als Entwicklungspolitik betrachten und sich in diesem Sinne engagieren.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin muna.duzdar@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Muna Duzdar; Rechtsanwältin, Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170364 Es sind neue Dynamiken in der arabischen Welt entstanden, welche die Frauenfrage wieder in den Vordergrund rücken. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170556 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104170337 Ein Viertel ist nicht genug! Männer machen Filme. Frauen machen Frauenfilme. So denkt man in Österreich noch. Ein Befund in Anekdoten: Regisseurinnen, die ständig nach ihrem weiblichen Zugang gefragt werden.
    Das Filmfestival, das eine Nebenschiene „Five Women“ nennt (das Hauptprogramm natürlich nicht „70 Men“). Die Kamerafrau, die gefragt wird, ob ihr die Kamera nicht zu schwer ist („mein Kind ist schwerer!“). Alteingesessene Produzenten, die erklären, Frauen könnten keine Spielfilme drehen, allenfalls Dokus über Themen, die ihnen emotional liegen.
    Frauen, die sich ihr Mentoring im Ausland suchen, weil sie es im Inland nicht finden. Arbeit, die von Frauen geleistet wird, Podien und Nachspanne, auf denen sie nicht zu finden sind. Männliche Kollegen, die höhere Gagen bekommen.
    Frauen, die während des Studiums in ihrem Fach keine einzige Lehrende zu Gesicht bekamen. Sie alle sind keine Einzelfälle.

    Traditionelle Rollenverteilung

    Waren 2011 nur bei vier von 35 Spielfilmen von Frauen (11,4 Prozent), stieg der Anteil 2012 bei den Spielfilmen 2012 auf 27,3 Prozent, bei Dokumentarfilmen blieb er mit 2,1 Prozent in etwa gleich.  Es gilt: Je größer, sprich teurer die Produktion, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau Produzentin ist, Regie führt oder das Drehbuch geschrieben hat.

    Alle 14 im Filmbericht gelisteten Filmverleihe werden von Männern geleitet. In der zweiten Reihe – also im Bereich Presse und Marketing – ist der Frauenanteil hoch. Bei den zwei Produktionsverbänden in Österreich gestaltet sich das Geschlechterverhältnis unterschiedlich: Bei den 20 Mitgliederfirmen von „Film Austria“ sind insgesamt vier Frauen in Führungspositionen tätig, nur eine davon ist auf der Firmenhomepage auch als Produzentin gelistet.

    Pionierinnen wären wichtig

    Traditionell ist dieser Verband besser im gut budgetierten Spielfilmbereich von über drei Mio. Euro vertreten als die Mitglieder der „association of austrian film producers“, bei dem vor allem die jüngere Generation vertreten ist. Hier sind von 41 Mitgliederfirmen immerhin bei 16 Frauen in der Geschäftsführung oder als Produzentin tätig.

    Frauen im österreichischen Film arbeiten in der Produktion zumeist im niedrig budgetierten Bereich, im höher budgetierten allenfalls in der Regie, auch hier gibt es nur eine kleine Zahl an Vorreiterinnen.
    Dabei wären Frauen im Produktionsbereich als Pionierinnen wichtig, hier sind Geld (Budget) und somit Macht konzentriert. Die Produktionsassistenz und auch die Produktionsleitung sind hingegen oft in weiblicher Hand – die gläserne Decke ist in der Branche allgegenwärtig.

    Die Zahlen bei den Absolventinnen und Absolventen der österreichischen Filmakademie sprechen eine andere Sprache: Seit 2005 sind von 107 Absolventinnen und Absolventen 51 Frauen (im Fach Drehbuch 11 von 20, Produktion 13 von 22, Regie 10 von 25). Das ändert allerdings an den Unistrukturen wenig: Nur eine der sieben Professuren (keine künstlerisches Fach) ist mit einer Frau besetzt, sie sind vor allem im Mittelbau zu finden.

    Auch sobald es um die Filmförderung geht, sind die Männer am Zug – und das liegt interessanterweise nicht an den Einreichungen oder den Jury-Entscheidungen.

    „Bei den Einreichungen in der Sparte Regie lag der Frauenanteil 2013 bei 26 Prozent, bei den genehmigten Projekten bei 27 Prozent (2012: 36 und 35 Prozent, wie „Die Presse“ berichtete. Zwischen Studium und Beruf verschwinden die Frauen, sei es durch fehlende Vorbilder, fehlende Vernetzung und veraltete Strukturen.

    Vereinbarkeitsfrage

    Gern propagiert wird auch, dass es unmöglich ist, einen Filmberuf mit Kindern zu vereinbaren. Die Probleme werden individualisiert und nicht als struktureller Nachteil erkannt. Insgesamt ist die kleine österreichische Filmbranche hoch kompetitiv – wenn Frauen aufgrund fehlender Strukturen diese Selektion nicht bestehen, wird das als natürliche Selektion einer harten Branche missinterpretiert.

    Um eine strukturelle Verbesserung kümmert sich der Verband „FC Gloria Frauen Vernetzung Film“: Man unterstützt weibliche Filmschaffende aktiv, bietet eine Datenbank von Fachfrauen sowie ein Mentoring-Programm. Europaweit agiert EWA, das „european women’s audivisual network“.

    Hollywood, Cannes und der ganze Rest

    Auch die Zahlen aus Hollywood sind erschreckend. Kathryn Bigelow war (seit 1929!) die erste Frau, die mit „The Hurt Locker“ einen Oscar für die „Beste Regie“ gewann.

    Auch in Cannes, Venedig und Berlin räumen bei den Preisen so gut wie nie Frauen ab (auch hier herrscht der Mythos von der natürlichen Selektion). Die New York Film Academy zählte bei den Top-250-Filmen 2013 ein Geschlechterverhältnis von 6:1 in der Branche, 2012 waren nur neun Pro-zent der Filme von Filmemacherinnen, 15 Prozent hatten Drehbuchautorinnen.

    Wenn gewitzelt wird, dass Frauen doch keine eigenen Filmfestivals brauchen, weil es die für Männer auch nicht gibt, entspricht das nicht den Tatsachen: Die meisten bedeutenden Filmfestivals sind fest in männlicher Hand.

    In Österreich ist die Situation besser: Das Crossing Europe Filmfestival liegt mit einem Frauenanteil von im Schnitt 40–50 Prozent vor der Diagonale (heuer in etwa 57 Prozent Män-ner, 43 Prozent Frauen), Schlusslicht ist die Viennale mit einem Verhältnis von 75,5 Prozent zu 24,3 Prozent (ohne die Berücksichtigung der Retrospektiven).

    Frauen sind Mainstream!

    Cate Blanchett widmete ihren Oscar als Beste Darstellerin heuer „jenen in der Branche, die noch immer der einfältigen Ansicht sind, Filme über Frauen seien eine Randerscheinung. Das sind sie nicht. Es gibt ein Publikum, das sie sehen will. Sie spielen Geld ein. Die Erde ist eine Kugel, Leute!“
    Der Verzicht auf weibliche Filmstoffe ist bei 50 Prozent Kinobesucherinnen eine dumme Geschäftsentscheidung – wichtige Ergebnisse liefert hier die Untersuchung des British Film Institute („BFI report on female writers and directors of UK film“): Bei den wirtschaftlich erfolgreichsten Independent-Produktionen stieg der Anteil von Drehbuchautorinnen um fast das Doppelte.
    KinogeherInnen bevorzugen – wer hätte das gedacht! – offenbar eine ausgewogene Sicht auf die Welt.

    1 Alle Zahlen entstammen dem Filmwirtschaftsbericht Österreich 2013, ab 2004 abrufbar. tinyurl.com/poc6hjl

    2 Exemplarisch aufgeschlüsselt werden die Top 100 deutschen Kinofilme 2013 hier: „Kein Jahr für Regisseurinnen“ tinyurl.com/nfvqolg, für Österreich gibt es keine offiziellen Zahlen.

    Info&News
    Die Filmwirtschaft in Österreich:
    … hatte 2011 Umsätze in Höhe von 834,1 Mio. Euro und beschäftigt rund 7.000 MitarbeiterInnen, davon 4.835 unselbständig Beschäftigte. In Summe sind es 2.205 Unternehmen, die ihren Schwerpunkt in der Filmwirtschaft angeben. Zwei Drittel davon sind Produktionsunternehmen im Bereich Kino- und TV-Film. Die Filmwirtschaft hat 0,12 Prozent der Gesamtumsätze, allerdings 0,25 Prozent der Beschäftigten und 0,71 Prozent der Unternehmen.

    Links&Termine
    www.fc-gloria.at
    www.ewawomen.com
    tinyurl.com/6jdrcns
    Gegründet von Melissa Silverstein, (@melsil auf Twitter)
    www.frauenfilmtage.at
    Von 6. bis 13. März in Wien und den Bundesländern
    www.trickywomen.at
    International Animation Filmfestival. 12.–16. März

    Über „New Strategies of Empowerment“ sprechen Vertreterinnen von FC Gloria mit Bloggerin und Autorin Melissa Silverstein.
    14. März 2014, 16 Uhr, Haydn Kino, Eintritt frei.
    Beim
    Crossing Europe Film Festival findet ein Gespräch zum Thema „Women in Film Business and Gender Equality in Europe“ statt.
    27. April 2014, 16 Uhr, OK | Mediendeck, 4020 Linz, Eintritt frei.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin julia.puehringer@tele.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Julia Pühringer, Filmjournalistin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170344 Lag der Frauenanteil 2011 nur bei vier von 35 Spielfilmen, stieg er bei den Spielfilmen 2012 auf 27,3 Prozent, bei Dokumentarfilmen auf 24,1 Prozent. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166631 Geschlechtertrennung im Kinderzimmer In fast jedem Bereich der Gesellschaft spielt der Gender-Gap, die Kluft zwischen den Geschlechtern, eine Rolle. Besorgniserregend ist jener, der in einem frühen und prägenden Stadium der persönlichen Entwicklung stattfindet: beim Spielzeug. Dass beim Angebot an Spielwaren etwas massiv schief läuft, fällt mitunter den Kindern selbst auf. Seit Ende Jänner sorgt ein Brief von Charlotte Benjamin aus den USA an den Spielzeughersteller Lego für Aufsehen. Darin schreibt die Siebenjährige: „Heute war ich in einem Laden und sah Lego in zwei Abteilungen: rosa für die Mädchen und blau für die Buben. Alles, was die Lego-Mädchen taten, war zu Hause sitzen, an den Strand oder einkaufen gehen und sie haben keine Berufe. Die Buben aber erlebten Abenteuer, arbeiteten, retteten Menschen und hatten Jobs, ja schwammen sogar mit Haien.“ Ein Blick in Spielzeugkataloge, Spielwarenläden oder Kinderzimmer gibt der Siebenjährigen Recht.

    Fashion, Fantasy und ganz viel rosa

    Spielzeug wird in Spielwarenläden mittlerweile nicht nur nach Alter getrennt, sondern auch strikt nach Geschlecht. So können Mädchen aus Puppen Top-Models oder Prinzessinnen machen, Schmuck basteln oder Cupcakes backen. Wer trotz des vielen rosa und Glitzer auf den Verpackungen noch Zweifel an der Zielgruppe hat, räumt diese dank unmissverständlicher Bildsprachen und Zusätze wie „Fantasy“, „Style“, „Fashion“ oder seit Kurzem „speziell für Mädchen“ bald aus. Abenteuersuchende werden eine Abteilung weiter fündig – dort, wo in meist blauen oder schwarzen Verpackungen um die Gunst der Jungs geworben wird. Auch beim Durchblättern der Kataloge von Playmobil, Lego oder Toys“R“us wird schnell klar: Es gibt Spielwaren speziell für Mädchen und es gibt Spielwaren speziell für Burschen. Die beiden Erfahrungswelten könnten unterschiedlicher nicht sein. Dabei ist die Trennung nach Geschlechtern und somit nach Farben bei Spielzeug ein relativ junges Phänomen, das erst in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat.

    Die Genderforscherin Elisabeth Ponocny-Seliger verortet diesen Trend im „Gender Marketing“ der Spielzeugindustrie. Der Markt sei bereits so übersättigt, dass es notwendig geworden ist, die Zielgruppen noch genauer zu definieren. „Mit geschlechtsspezifischem Marketing lässt sich eben mehr Umsatz machen“, so Ponocny-Seliger. Expertinnen und Experten des Gender Marketing argumentieren in diesem Zusammenhang gerne mit der Natur von Mädchen und Buben. „Ab einem gewissen Alter unterscheiden sich die Neigungen von Jungen und Mädchen zum Teil erheblich“, behauptet die Pressesprecherin von Lego und beruft sich dabei auf interne Untersuchungen: „Vier Jahre Marktforschung zeigen, dass es das ist, was Mädchen wollen.“ So ist die Serie „Lego-Friends“ exklusiv für Mädchen entstanden, in der fünf Freundinnen in ihrer Stadt allerhand erleben – vom Besuch im Hundesalon bis zum gemeinsamen Trinken von Milchshakes. Auch Playmobil antwortet auf das vermeintlich integrativere und sozialere Spielverhalten von Mädchen mit einem rosa Ferienhotel – Girls only!

    Sind Mädchen anders?

    Die Ansicht von der „natürlichen“ Andersartigkeit von Mädchen hat auch in den Spielwarengeschäften Einzug gehalten. „Wenn bei uns jemand Spielzeug kaufen möchte, fragen wir zunächst, wie alt das Kind ist und ob es für einen Buben oder ein Mädchen sein soll“, erzählt eine Spielwarenverkäuferin in Wien. „Buben und Mädchen sind eben unterschiedlich, das ist halt so.“ Eltern wird damit eine Entscheidungshilfe geboten, die laut Ponocny-Seliger den Alltag erleichtert. Denn in Kategorien zu denken sei einfacher, das könne man Konsumentinnen und Konsumenten nicht vorwerfen. Mit Biologie habe das aber wenig zu tun. Die Hirnforscherin Lise Eliot stellt in ihrem Buch „Pink Brain, Blue Brain“ (rosa Hirn, blaues Hirn) klar, dass kleine Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei der Geburt im Laufe der Zeit durch Eltern, LehrerInnen und das soziokulturelle Umfeld verstärkt werden. Erst dadurch entstehen Geschlechterstereotypen. Das heißt nicht, dass es nicht eigene Produkte für Mädchen und für Buben geben könne. Sich vom anderen Geschlecht abzugrenzen, sei laut Ponocny-Seliger in einer gewissen Phase durchaus wichtig, um die eigene Identität herauszubilden. Wenn dann Mädchen lieber mit dem Teddy kuscheln und Burschen miteinander raufen, sei das völlig in Ordnung. Nur muss der Teddy tatsächlich noch ein rosa Mascherl tragen? „Viel wichtiger“, so die Genderforscherin, „ist eine große Vielfalt beim Spielzeug. Kinder sollen mit Unterschiedlichem experimentieren können und selbst herausfinden, was ihnen zusagt und was nicht.“ Der Trend geht jedoch in eine andere Richtung – mit nachhaltigen Folgen. „Spielen ist Lernen und Arbeit für Kinder. Die Art des Spielwerkzeuges ist wesentlich für die weitere Entwicklung“, so Ponocny-Seliger. Das nach Buben und Mädchen getrennte Angebot an Spielwaren schränke die Kreativität und den Lernprozess der Kinder unglaublich ein. Mädchen trainieren etwa viel weniger ihr räumliches Vorstellungsvermögen, weil in ihren Kinderzimmern weniger Bauspiele sind. Dieses Nicht-Training wirke sich langfristig auf das räumliche Vorstellungsvermögen aus, mit allen Konsequenzen bis zur Berufs- oder Studienwahl.

    Rosa Legosteine, na und?

    Was gibt es nun an rosa Legosteinen konkret auszusetzen? Wenn sie Mädchen dazu bringen, sich mit Bauen auseinanderzusetzen und helfen, die räumliche Vorstellung zu trainieren, sind Lego-Serien für Mädchen doch sehr schlau? „Das ist alles gut und schön, wären da nicht diese Einschränkungen“, wie die Genderforscherin anmerkt. Derzeit lässt die Geschlechtertrennung beim Spielzeug wenig Raum für Interpretationen. Die Botschaften sind eindeutig: Die Welt der Mädchen ist zu Hause, die der Buben ist draußen. Frauen sind passiv, Männer aktiv. Bei den meisten Spielwaren kümmern sich Frauen um Kinder, Heim und Tiere und warten auf die Männer, die in der Zwischenzeit arbeiten oder die Welt retten.

    Mit den „speziell für Mädchen“-Serien bekommen Mädchen nun mehr Aufmerksamkeit. Aber eben nur dort, wohin sie verwiesen werden: in ihre eigene rosa Glitzerwelt, in der Buben nichts zu suchen haben und sie sich im Gegenzug von dem Reich herkömmlicher Lego-Serien fernhalten. Zudem sind die Bauanforderungen bei Mädchen-Serien oft deutlich anspruchsloser. Gut, dass Lego zahlreiche Produkte für unterschiedliche Levels anbietet. Aber warum sind die Produkte für Mädchen immer am unteren Level?

    Altersgerechtes Spielzeug

    Charlotte hat allen Grund zur Beschwerde. Die Spielzeugwelt ist durchgegendert und schreibt längst überholte Geschlechterrollen fort. Vielleicht würde sich Charlotte in Schweden wohler fühlen. Vor zwei Jahren brachte dort ein Spielwarenerzeuger einen geschlechtsneutralen Spielwarenkatalog heraus. Darin spielen Mädchen mit Waffen und Jungs schieben im Batman-Kostüm einen Kinderwagen. Aber ist die ganze Aufregung um Kinderspielzeug nicht ein wenig übertrieben?

    Auch aus uns sind keine lebenden Barbies und Raufbolde geworden, trotz Puppen- und Waffenspielen in unserer Kindheit. „Kinder sollten Kinder sein dürfen und damit spielen, worauf sie Lust haben“, so Ponocny-Seliger. Uns müsse aber klar sein, dass der Trend, alles zu gendern und dabei solche Rollenbilder zu produzieren, die Entwicklung der Kinder mehr einschränkt als fördert. Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen haben die Wahl, denn es gibt Spielzeug, das beide Geschlechter anspricht. Die Frage ist, wie lange noch. In erster Linie sollte Spielzeug daher altersgerecht sein, nicht geschlechtsspezifisch. Oder in den Worten von KritikerInnen der Lego-Mädchenserien: „Lego für Mädchen gibt es schon lange – es heißt Lego!“

    Doing-Gender und Kinderspielzeug:
    Eine systematische Analyse der gendermäßigen Präsentation von Kinderspielzeug vom Institut „Gender Research“: tinyurl.com/o2bqjjn

    Historische Perspektive auf die Entwicklung der Geschlechterrollen bei Lego: thinkingbrickly.blogspot.co.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Freie Redakteurin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170324 "Viel wichtiger", so die Genderforscherin, "ist eine große Vielfalt beim Spielzeug. Kinder sollen mit Unterschiedlichem experimentieren können und selbst herausfinden, was ihnen zusagt und was nicht." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104170588 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166614 #aufschrei gegen Sexismus Am Anfang standen zwei junge deutsche Journalistinnen, die über ihre Erfahrungen mit Sexismus von Politikern berichteten. Berühmtheit erlangt hat vor allem das Porträt der Stern-Journalistin Laura Himmelreich über den FDP-Politiker Rainer Brüderle. Unter dem Titel „Der Herrenwitz“ schilderte sie unter anderem sexistische Belästigungen, die sich der Politiker ihr gegenüber geleistet hatte. Sie lieferten den Auftakt für einen #aufschrei gegen Sexismus, der zunächst auf Twitter erschallte und bald auch von fast allen deutschsprachigen Mainstream-Medien aufgegriffen wurde.

    Großer Leidensdruck

    Die Raute in Verbindung mit einem Stichwort wie #aufschrei ist der sogenannte Hashtag, so etwas wie ein Anker. Diesen kann man auf Twitter seinen Meldungen zuordnen, damit sie wie in einer Suchmaschine leichter gefunden werden können. Den Begriff Aufschrei hatte die Digitalstrategin Anne Wizorek in die Runde geworfen – und er wurde dankbar aufgenommen. Auf Twitter schilderten unzählige Frauen ihre Erlebnisse – von „harmlosen“, wenn auch für die Personen nicht minder demütigenden, sexistischen Äußerungen bis hin zu sexuellen Übergriffen. Wizorek selbst war von den Wellen überrascht, die diese Twitter-Diskussion geschlagen hat. Viele Frauen berichteten auf Twitter mit Namen über sexistische Erlebnisse: Innerhalb von nur zwei Wochen seien 60.000 Beiträge zu diesem Thema auf Twitter gepostet worden, schreibt Wizorek anlässlich des Jahrestags.

    60.000 Tweets

    #aufschrei zeigte deutlich, wie groß der Leidensdruck bei vielen Frauen gewesen sein muss. Die Diskussion schien ihnen nun endlich ein Ventil geboten zu haben, über das sie sich Luft verschaffen konnten. Viele BeobachterInnen nahmen mit Erstaunen zur Kenntnis, wie präsent Sexismus in unserer Gesellschaft nach wie vor ist. Haben die Debatten über Väterkarenz oder Quoten für Frauen in Führungspositionen den Blick auf dieses Problem verstellt? Ina Freudenschuss relativiert: „Ich glaube in der Tat, dass #aufschrei in einer nicht-befassten Öffentlichkeit gezeigt hat: Hoppala, da gibt es ja wirklich noch ganz viele Missstände. Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass Frauen immer noch so behandelt werden.“ Die Leiterin von dieStandard.at, dem feministischen Online-Ressort der Tageszeitung „Der Standard“, will allerdings zwischen dem Mainstream und feministischen Öffentlichkeiten unterschieden wissen. Denn in feministischen Öffentlichkeiten sei sexuelle Belästigung „natürlich immer, immer ein Thema“ gewesen. Die österreichische Netzfeministin und Gender-Forscherin Brigitte Theiß ergänzt einen weiteren Gedanken: „Es gibt diesen Diskurs, dass die Gesellschaftsstrukturen eh schon so wären, dass es in der Verantwortung der Frauen selbst liege, sich selbst zu verwirklichen. Das ist schon sehr stark verankert und deswegen wollen sich viele nicht als Betroffene von Diskriminierungen sehen. Immerhin wird einem damit die Handlungsmacht entzogen.“

    Dass #aufschrei ein so großes mediales Echo bekam, ist für die Journalistin Freudenschuss fast schon logisch: „Mainstream-Medien wie ‚Die Zeit‘ schienen direkt froh gewesen zu sein, dass sie einen Aufhänger hatten, um sexuelle Belästigung zum Thema machen zu können.“ Zu dem großen Twitter-Echo komme „ein Stück Entblößung“, das moderne feministische Protestformen charakterisiere, so Freudenschuss: „Frauen erzählen, wie sie sexuell belästigt werden. Das hat etwas Privates, Persönliches und das ist für Mainstream-Medien einfach per se schon interessant. Und dann hat es noch dazu mit Sex zu tun. Das war sozusagen eine Traumkombination.“

    Alles nur „Tugendfuror“?

    Die vielen, differenzierten Berichte und Kommentare in den unterschiedlichen Medien erweckten in der Tat fast den Eindruck, als hätten auch die RedakteurInnen geradezu auf dieses Ventil gewartet, um sie wieder einmal schreiben zu können. #aufschrei wurde allerdings auch kritisch rezipiert, der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck verwendete gar den Begriff Tugendfuror. Bisweilen nahm die Debatte über Sexismus selbst sexistische Züge an: Journalistin Himmelreich wurde unterstellt, vom Stern zum Zwecke der Skandalisierung missbraucht worden zu sein. Auch dies zeigte auf, dass sich manche immer noch damit schwer tun, sich Frauen als autonom agierende Subjekte vorzustellen statt nur als Objekte. Journalistin Freudenschuss schließt sich dieser Kritik an. Zugleich sieht sie den Wert der Diskussion gerade darin, dass sie so tabulos geführt wurde: „Das fand ich ganz erfrischend. Dann weiß man wenigstens, wo die Grenzen eigentlich liegen, die Verunsicherungen oder das Problem. Dann löst das im besten Fall einen Bewusstseinswandel aus.“

    Mobbingform sexuelle Belästigung

    Sandra Konstatzky weiß nur zu gut, dass sexuelle Belästigungen oder Diskriminierungen von Frauen nach wie vor sehr präsent in der Gesellschaft sind. Die Juristin arbeitet in der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Wie man dem Tätigkeitsbericht der Einrichtung entnehmen kann, die sich mit Diskriminierungen beschäftigt und Betroffene berät, sind sexuelle oder geschlechtsspezifische Diskriminierungen das zweithäufigste Thema bei den Beratungen. „Ich glaube, dass sexuelle Belästigung heute ein bisschen subtiler ist“, meint Konstatzky. „Und dieser Machtübergriff – denn das ist untechnisch beschrieben, was sexuelle Belästigung ist – geht immer noch eher von Männern gegen Frauen aus, weil diese eher die Macht haben.“ Die zunehmenden Belastungen und knappen Ressourcen in der Arbeitswelt wiederum würden dazu führen, „dass sich wieder sexuelle Belästigung als eine mögliche Mobbingform häuft.“ Ebenso wie die beiden anderen Interviewpartnerinnen will Konstatzky nicht, dass der Blick bei den Einzelfällen hängen bleibt: „Wir haben nach wie vor extrem hierarchisierte und auch sexualisierte Machtstrukturen“, hält sie fest. Allerdings sei das Bewusstsein dafür in der Gesellschaft nur wenig ausgeprägt. Aber nicht nur das: Wenn sich Frauen gegen Sexismus – in welcher Form auch immer – zu wehren versuchten, müssten sie damit rechnen, nicht nur als „Spielverderberinnen“ dazustehen, wie es Netzfeministin Brigitte Theiß ausdrückt. Gleichbehandlungsanwältin Konstatzky beobachtet außerdem, dass es den Frauen sogar passieren könnte, dass sie am Ende als Täterinnen dastehen.

    Auch abseits der Debatten um #aufschrei gibt es Beispiele, wie schwierig es nach wie vor ist, beim Thema sexuelle Belästigung voranzukommen. So hatte die damalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek noch vor #aufschrei einen Vorstoß unternommen, das sogenannte Pograpschen als Straftatbestand aufzunehmen – und war damit abgeblitzt.

    Verniedlichung: „Pograpschen“

    Dagegen ins Feld geführt wurden vor allem juristische Argumente, erinnert sich dieStandard.at-Leiterin Freudenschuss. Zugleich aber sei das Thema auch verharmlost worden, die Journalistin zählt einzelne Argumente auf, die dagegen vorgebracht wurden: „Das ist doch kleinlich. Pograpschen ist doch nicht so tragisch. Da stellen sich die Frauen wieder als die großen Opfer dar.“ Gleichbehandlungsanwältin Konstatzky stört schon allein der Begriff: „Das ist lustig und wir müssen auch alle ein bisschen grinsen. Es wird also ein Wort verwendet, mit dem das Ganze verniedlicht, verharmlost wird.“ Wenn es um sexuelle Übergriffe gehe, würden diese „auf eine ganz perfide Art und Weise sexualisiert“, kritisiert Konstatzky: „Wenn ein Mann seine Frau umbringt, wird er als ‚der Eifersüchtige‘ bezeichnet. Es wird immer eine Geschichte von Leiden und Sexualität und Liebe erzählt und nicht das Ding beim Namen genannt: Gewalt.“ Solange verharmlost werde und Täter die Möglichkeit hätten, für ihr Verhalten von der Gesellschaft entschuldigt zu werden, würde sich auch nur wenig ändern. „Insofern hat ein Artikel oder so eine Benennung von was natürlich eine Wahnsinns-Kraft“, kommentiert Gleichbehandlungsanwältin Konstatzky die #aufschrei-Debatte.

    Doch was bleibt von der Debatte? Die Herausforderung, dass die Logik der Medien die Diskussion über strukturelle Ursachen schwer macht – diese anzugehen aber die einzige Lösung ist. Und die Feststellung, dass die Aufgabe noch vor unserer Gesellschaft liegt, den „Code zwischen den Geschlechtern“, in denen beide gleichberechtigt sind, wie es Ina Freudenschuss ausdrückt, neu zu schreiben.

    #aufschrei auf Twitter: twitter.com/hashtag/aufschrei

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sonja.fercher@chello.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sonja Fercher, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104166621 #aufschrei zeigte deutlich, wie groß der Leidensdruck bei vielen Frauen gewesen sein muss. Die Diskussion schien ihnen nun endlich ein Ventil geboten zu haben, über das sie sich Luft verschaffen konnten. Viele BeobachterInnen nahmen mit Erstaunen... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166584 Mama kommt heut später Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nach wie vor eine wesentliche gesellschafts- und gleichstellungspolitische Herausforderung, die trotz Trend in Richtung aktive Vaterschaft und Papamonat noch immer vorwiegend Frauen betrifft. In einer nun vorliegenden Studie von L&R Sozialforschung im Auftrag der AK wird erstmalig die gelebte Praxis auf betrieblicher Ebene untersucht und in Beziehung mit der intrapartnerschaftlichen Einkommens- und Arbeitsteilung gesetzt.

    Große Unterschiede

    Der deutliche Unterschied zwischen Männern und Frauen bei der Erwerbsintegration und der Einkommenssituation ist bekannt. Auch in dieser Studie zeigt sich, dass das Eineinhalb-Verdiener-Modell in Haushalten, in denen beide Elternteile arbeiten, die Norm ist: Bei 70 Prozent dieser erwerbstätigen Paare ist dies der Fall, wobei in der Regel die Frau in Teilzeit beschäftigt ist, während der Mann eine Vollzeit-Tätigkeit ausübt. Bei näherer Betrachtung der Arbeitszeiten wird die Kluft zwischen den Geschlechtern noch größer: Bei Müttern sind Teilzeit-Modelle mit weniger als 20 Stunden wöchentlich dominierend, bei Vätern überlange Arbeitszeiten durch regelmäßige Überstundenleistung, besonders stark bei jenen, deren Partnerin nicht erwerbstätig ist. Das verstärkt die bestehenden Einkommensunterschiede zusätzlich: Fast die Hälfte der befragten Frauen gab an, nicht mehr als 1.300 Euro monatlich zu verdienen, während dies auf lediglich vier Prozent der befragten Männer zutraf. Die Unterschiede sind jedoch nicht ausschließlich durch die Teilzeit verursacht, denn auch acht Prozent der vollzeitbeschäftigten Frauen müssen mit diesem niedrigen Verdienst das Auslangen finden.

    Das wiederum hat weitreichende Auswirkungen auf die Aufteilung von Betreuungs- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen in der Partnerschaft aber auch weitreichende sozialpolitische Auswirkungen, insbesondere in Bezug auf die Pensionen. Daher braucht es eine Umgestaltung der Anreizsysteme, um partnerschaftliche Modelle attraktiv und lebbar zu machen.

    Betriebliche Rahmenbedingungen haben starken Einfluss auf die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuungspflichten. Erstmals wurden in dieser Studie diese bewusst für Frauen und Männer mit Kindern bis 12 Jahre unter die Lupe genommen. Vereinbarkeit ist für beide Eltern eine Herausforderung, auch wenn in den meisten Fällen noch immer die Frauen den Großteil der Verantwortung dafür tragen. Wesentlich ist, inwieweit berufstätige Eltern ihre Arbeitszeiten auf das Familienleben abstimmen können. Hier gibt es den größten Handlungsbedarf. Weniger als die Hälfte der befragten Eltern stuft die Familienfreundlichkeit der Arbeitszeitpolitik als sehr zufriedenstellend ein. Vor allem sollte die Überstundenunkultur, die Männer sehr stark betrifft, angegangen werden. Instrumente wie die Elternteilzeit, die den ArbeitnehmerInnen Gestaltungsspielräume bei der Arbeitszeit ermöglichen, sollten ausgebaut werden, indem der Rechtsanspruch auf Elternteilzeit auch in Kleinbetrieben gelten soll. Sehr positiv sehen die Befragten die Möglichkeit, Beginn und Ende des Arbeitstages flexibel gestalten zu können. So können sie jederzeit kurzfristig auf Kinderbetreuungspflichten reagieren. Die Hälfte gibt an, diese Möglichkeit zu haben, allerdings mit großen Unterschieden je nach Branche und Betriebsgröße.

    Betriebliche Fördermaßnahmen

    Abgefragt wurden auch konkrete betriebliche Fördermaßnahmen, wie Betriebskindergärten, finanzielle Hilfen oder Angebote des Betriebsrats. Solche Maßnahmen gibt es häufiger in Betrieben mit Betriebsrat sowie in Großbetrieben mit über 500 Beschäftigten. Da verstärkt Männer in diesen Betrieben arbeiten ist es nicht weiter verwunderlich, dass jeder vierte vollzeitbeschäftigte Mann (96 Prozent der befragten Männer arbeiten in Vollzeit) angibt, in einem Betrieb mit diesen Förderangeboten zu arbeiten, aber nur jede sechste teilzeitbeschäftigte Frau (62 Prozent der befragten Frauen arbeiten in Teilzeit). Vor dem Hintergrund, dass Frauen den Großteil der Betreuungsarbeit leisten, ist die Tatsache, dass Männer betriebliche Fördermaßnahmen in größerem Ausmaß nutzen können, ein doch bemerkenswertes Ergebnis.

    Nicht unwesentlich ist, dass betriebliche Fördermaßnahmen – wie sich weiters in der Studie zeigt – eine vereinbarkeitsfreundliche Betriebs- und Organisationskultur positiv beeinflussen, zum Beispiel in Form einer familienfreundlichen Arbeitszeit- und Urlaubspolitik oder eines kollegialen Klimas.

    Ganztagsbetreuung

    In der Studie wurde auch die Organisation der Kinderbetreuung erhoben. Diese setzt sich in den meisten Fällen aus privaten (Betreuung durch den/die PartnerIn, Verwandte, Bekannte sowie Tagesmutter und Au-pair) und institutionellen Arrangements zusammen (Kindergärten, schulische Nachmittagsbetreuung, Ganztagsschule). In den Ergebnissen widerspiegelt sich sowohl das sehr geringe Angebot an Ganztagsbetreuungsplätzen – nur acht Prozent der Befragten haben eine Ganztagsbetreuung für ihr Kind – als auch der große Bedarf danach. Denn mehr als jede dritte erwerbstätige Person, die Kinder zwischen 0 und 12 Jahren hat, wünscht sich explizit ein ganztägiges Betreuungsangebot.

    In den Ferienzeiten verlagert sich die Betreuungsorganisation noch deutlich stärker in den privaten Bereich, weil viele Einrichtungen geschlossen sind. Die unzureichende Bedarfsdeckung in den Zeiten der Schulferien zwingt Eltern dazu, sich Urlaubstage zur Überbrückung von Betreuungslücken zu nehmen.

    AlleinerzieherInnen

    In der Studie fielen Alleinerzieherinnen1 quer über alle untersuchten Themengebiete als eine Gruppe auf, die den größten Bedarf an mehr Unterstützung hat. Sie arbeiten öfter Vollzeit, können aber weniger bis gar nicht auf einen Partner zurückgreifen, der Betreuungsaufgaben übernehmen kann. Gleichzeitig sind sie mit den ungünstigsten Rahmenbedingungen konfrontiert. Sie können viel weniger auf kurzfristige Kinderbetreuungspflichten reagieren, sind weniger flexibel in der Arbeitszeitgestaltung und wünschen sich zu einem deutlich höheren Anteil als berufstätige Eltern in Partnerschaften eine Ganztagsbetreuungsmöglichkeit für ihr Kind. Insbesondere für diese Gruppe wären betriebliche und institutionelle Lösungsansätze besonders wichtig.

    Die derzeitigen Rahmenbedingungen haben nicht nur Auswirkungen auf die Aushandlungsprozesse auf Elternebene, sondern beeinflussen auch die Verhandlungssituation mit dem/der ArbeitgeberIn. Um die Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuungspflichten vor allem für Frauen zu verbessern, muss an verschiedenen Punkten angesetzt werden. Einerseits muss ein hochwertiges und flächendeckendes Angebot an sozialer Infrastruktur geschaffen werden, das Vollzeitarbeit ermöglicht.

    Um die Verteilung der Arbeitszeit zwischen Müttern und Vätern egalitärer zu gestalten, muss auch die Väterbeteiligung an der Betreuungsarbeit gefördert werden, beispielsweise durch gesetzliche Anreize wie in Schweden. Hier bekommen Eltern, die die Elternzeit gleichwertig untereinander aufteilen, einen „Gleichstellungsbonus“ zusätzlich zum Elterngeld. Aber auch auf betrieblicher Ebene gibt es Möglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer besser zu gestalten. So sollte die Väterbeteiligung an der Betreuungsarbeit stärker gefördert werden („Papamonat“, Väterkarenz, Elternteilzeit) und familienfreundlichere Arbeitszeitmodelle mit besseren Gestaltungsspielräumen für ArbeitnehmerInnen existenzsichernde Beschäftigung und Zeit für die Kinder für beide Elternteile ermöglichen.

    1 In der Studie wurde nur die Gruppe der Alleinerzieherinnen betrachtet, da Männer mit Kindern fast ausschließlich in partnerschaftlichen Kontexten leben.

    Webtipp: studie der Arbeiterkammer zur Vereinbarkeit: tinyurl.com/qf7kpxv

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen gerlinde.hauer@akwien.at charlotte.reiff@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at               

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    Charlotte Reiff, Mitarbeiterin der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien | Gerlinde Hauer, Mitarbeiterin der Abteilung Frauen und Familie der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104166604 Die unzureichende Bedarfsdeckung in den Schulferien zwingt Eltern dazu, sich Urlaubstage zur Überbrückung von Betreuungslücken zu nehmen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166576 Zahlen, Daten, Fakten Frauen sind mittlerweile exzellent gebildet und haben bei den höheren Abschlüssen die Männer bereits deutlich überholt. Sie sind auch immer stärker am Arbeitsmarkt aktiv.

    Allerdings schlägt sich das noch nicht im selben Ausmaß bei den Einkommen nieder, wo Frauen noch immer deutlich schlechter entlohnt werden. Das wirkt sich auch nachteilig auf die soziale Absicherung aus. Frauen bekommen 19 Prozent weniger Arbeitslosengeld, 21 Prozent weniger Notstandshilfe, 43 Prozent weniger Invaliditätspension und 53 Prozent weniger Alterspension - ein gar nicht kleiner Unterschied!

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Sybille Pirklbauer und Christina Wieser, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166560 Im Reich der Männer Nicht Ausbildung und Wissen bestimmen, ob der Sprung in den Aufsichtsrat gelingt, vielmehr entscheidet das ein umtriebiges Männernetzwerk bei den Salzburger Festspielen, beim Jagdausflug in Irdning oder zwanglosen Abenden in Wiener Zigarrenklubs. Frauen exklusive. Denn Netzwerke können nicht unabhängig von Macht gedacht werden und die ist in der Hand der Männer. Netzwerkforscher Harald Katzmair vergleicht die männliche Machtlogik mit einer Beutegemeinschaft, die auf dem Prinzip wechselseitigen Nutzens beruht. Die Berufung in den Aufsichtsrat ermöglicht großes Ansehen und Prestige, kommt gewissermaßen einem Ritterschlag gleich. Die Übernahme eines oder sogar mehrerer Mandate ist gleichzusetzen mit Machtsteigerung. Je mehr Mandate jemand hält, umso mehr Federn im Häuptlingsschmuck und umso mehr Potenzsymbole kann er vorweisen, resümiert die Aufsichtsratsstudie „Blick in den erlauchten Kreis“. Angesichts dieser Systematik überrascht es nicht, dass ein überschaubarer, elitärer und blitzlichterprobter Männerzirkel die Zügel der österreichischen Unternehmensführung fest in der Hand hält.

    Geschlossene Reihen

    Der Frauen.Management.Report.2014 der AK Wien zeigt, dass die Repräsentanz von Frauen an der Unternehmensspitze (Geschäftsführung, Aufsichtsrat) in den letzten Jahren konstant auf niedrigem Niveau bleibt und die oberste Führungsebene weitgehend von Männern dominiert wird: In den Aufsichtsräten der umsatzstärksten Top 200 Unternehmen des Landes stieg der Frauenanteil von 2013 auf 2014 um marginale 0,5 Prozentpunkte auf 13,9 Prozent.

    Nur zehn der untersuchten Aufsichtsratsgremien erreichen derzeit den angestrebten Zielwert von 40 Prozent und mehr Frauen. In fast einem Drittel der Top 200 Unternehmen sind noch immer sämtliche Spitzenpositionen in Geschäftsführung und Aufsichtsrat mit Männern besetzt. Im Gegensatz dazu sind Frauen nur in 25 Unternehmen sowohl im Aufsichtsrat als auch in der Geschäftsführung vertreten. Die Schlüsselrolle der Aufsichtsratsvorsitzenden ist lediglich in elf Unternehmen weiblich besetzt, diese Frauen stammen zumeist selbst aus einflussreichen Unternehmerdynastien wie Mathilde Umdasch oder Heidegunde Senger-Weiss.

    Macht bleibt männlich

    Frauenkarrieren finden ihr Ende zumeist in der zweiten oder dritten Führungsebene, dann verwehrt die gläserne Decke den Durchlass an die Spitze: In den Top 200 Unternehmen sind von insgesamt 606 Geschäftsführungen nur 34 weiblich besetzt (5,6 Prozent). Bei den meisten österreichischen Unternehmen ist eine Frau im Vorstand oder gar als Vorsitzende noch immer undenkbar. Top-Managerinnen finden sich eher in Tochterunternehmen internationaler Konzerne wie Tatjana Oppitz bei IBM oder Claudia Oszwald bei H&M.

    In den börsennotierten Unternehmen hat sich der Anteil von Frauen in Vorstandspositionen sogar rückläufig entwickelt und ist auf 3,1 Prozent gesunken. So sind (nach dem Ausscheiden von Ulrike Baumgartner-Gabitzer aus der börsennotierten Verbund AG) überhaupt nur mehr sechs statt sieben Frauen in den Vorständen vertreten, im vergangenen Jahr hat es nicht eine Neubesetzung gegeben. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen hat sich trotz zahlreicher Initiativen der Wirtschaft im Jahr 2014 nur leicht erhöht und liegt mit 12 Prozent unter dem Ergebnis der Top 200 Unternehmen (13,9 Prozent). Freiwillige Berichtspflichten und Empfehlungen des Corporate Governance Kodex für börsennotierte Gesellschaften bleiben wirkungslos.

    Öffentliche Unternehmen als Vorbild

    Die staatsnahen Unternehmen erzielten zuletzt spürbare Fortschritte, die auf die Quotenregelung aus dem Jahr 2011 zurückzuführen sind (Stufenplan: 25 Prozent bis 2013, 35 Prozent bis 2013): Unter den 285 vom Bund entsandten Aufsichtsratsmitgliedern sind laut jüngsten Zahlen bereits mehr als ein Drittel Frauen vertreten (2011: 26 Prozent). Die Regelung umfasst jene 55 Unternehmen, an denen der Staat mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Bei 19 dieser Betriebe beträgt der Frauenanteil sogar mehr als 50 Prozent. Als Positivbeispiel ist hier die ASFINAG AG zu nennen: Trotz einer vergleichsweise niedrigen Frauenbeschäftigung von 19,7 Prozent sind im Jänner 2014 die Hälfte der AufsichtsrätInnen Frauen. Mit Claudia Kahr führt eine Vorsitzende den Aufsichtsrat an.

    Öffentliche Unternehmen nehmen also eine Vorreiterrolle ein, die Privatwirtschaft und dabei besonders die Kapitalmarktunternehmen hinken bei der geschlechtergerechten Besetzung von Spitzenpositionen deutlich nach. Insgesamt ist es den österreichischen Unternehmen damit ein weiteres Jahr nicht gelungen, die männliche Dominanz im Top-Management aufzubrechen, dazu ist die Dynamik zu gering und das Ausgangsniveau zu niedrig.

    EU-Vergleich: Österreich auf Rang 23

    Mit dem niedrigen Frauenanteil in Führungspositionen bleibt Österreich deutlich hinter dem EU-Schnitt (17 Prozent) zurück: Die wichtigsten Impulse kommen europaweit aus jenen Staaten (z. B. Frankreich, Niederlande, Italien), die verbindliche Ziele verankert haben. Den höchsten Frauenanteil in den obersten Leitungsorganen der europäischen Wirtschaft halten laut Daten der EU-Kommission Island (49 Prozent) und Norwegen (42 Prozent).

    Während Österreich seit Jahren auf der Stelle tritt, ist der Frauenanteil in Frankreich dank Quote von 12 Prozent im Jahr 2011 auf 27 Prozent im Jahr 2013 gestiegen. Diesem Beispiel folgt auch Deutschland, wo das Regierungsabkommen vom November 2013 eine verbindliche Quote von 30 Prozent Aufsichtsrätinnen in börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen ab 2016 vorsieht.

    Kein Ziel- oder Zeitplan

    Zur selben Zeit hat das EU-Parlament einen Richtlinienvorschlag ohne konkrete Zielvorgabe beschlossen: Kernstück der Richtlinie ist es, den Einstellungsprozess nach transparenten und geschlechtsneutralen Kriterien zu gestalten, bei gleicher Qualifikation soll dann das unterrepräsentierte Geschlecht bevorzugt werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob es auf diesem Weg gelingt, für mehr Frauen in Führungspositionen zu sorgen. Nun liegt es am Rat und damit an den einzelnen Mitgliedstaaten die Richtlinie mit einer verbindlichen Zielvereinbarung zu schärfen. 

    Das österreichische Regierungsprogramm 2013-2018 sieht im Gegensatz zum Koalitionsabkommen in Deutschland keinen konkreten Ziel- und Zeitplan zur Steigerung des Frauenanteils in Aufsichtsräten vor. Es bleibt einmal mehr bei der vagen Ankündigung von „Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils in Spitzenpositionen“. Freiwillige Maßnahmen und wohlmeinende Absichtserklärungen der Wirtschaft sichern Österreich schon jetzt einen abgeschlagenen Platz im Europa-Ranking.

    Die Hüter der gläsernen Decke haben die heimischen Führungsetagen fest im Griff, Frauen bleiben die absolute Ausnahme. Deshalb braucht es dringend ein entsprechendes Gesetz, das die Zielgröße von 40 Prozent Frauen für den Aufsichtsrat vorsieht, empfindliche Sanktionen bei Nichterfüllung inklusive.

    Mehr Geschlechtergerechtigkeit im Top-Management trägt dazu bei eine vielversprechende, neue Unternehmenskultur einzuläuten, aus dem Quotenpionierland Norwegen berichtet dazu die Vorstandsvorsitzende Torhild Barlaup: „Bei uns gilt die Grundregel: Kein Meeting mehr nach vier Uhr. Denn die meisten sind dann bereits unterwegs, ihre Kinder abzuholen. Frauen wie Männer.“ Übrigens: Unternehmen ohne Frauen im Aufsichtsrat gelten in Norwegen als konservativ, altmodisch und verschlafen. Aufwachen, Österreich!

    Info&News

    AK-Zahlen zu Frauen in Führungspositionen:
    Frauen.Management.Report.2014
    Diesen Report können Sie downloaden unter: tinyurl.com/o4rfkuk

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin christina.wieser@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christina Wieser, AK Wien - Betriebswirtschaft Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104166570 Netzwerkforscher Harald Katzmair vergleicht die männliche Machtlogik mit einer Beutegemeinschaft, die auf dem Prinzip wechselseitigen Nutzens beruht. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104166543 Von schlauen Frauen In den letzten drei Jahrzehnten haben Frauen in Sachen Bildung einen enormen Schub gemacht. Das zeigt sich an beiden Enden der Qualifikationsstufen. Auf der einen Seite ist der Anteil an Frauen mit höchstens Pflichtschulabschluss in den letzten Jahren von der Hälfte auf nunmehr ein Fünftel geschrumpft. Auf der anderen Seite haben Frauen bei der höheren Bildung die Männer klar überholt: Der Anteil an Maturantinnen hat sich auf 19 Prozent mehr als verdoppelt, der Anteil an Hochschulabsolventinnen und -absolventen hat sich auf 16 Prozent sogar vervierfacht! Von den Männern können dagegen „nur“ 15 Prozent Matura und weitere 14 Prozent einen Hochschulabschluss vorweisen. Die Lehre bleibt allerdings eine Männerdomäne So verfügten im Jahr 2010 knapp die Hälfte der Männer, aber weniger als ein Drittel der Frauen über einen Lehrabschluss. Das wird sich auch künftig nicht ändern, denn nur ein Drittel aller Lehrstellen wird mit Mädchen besetzt.

    Mehr Frauen erwerbstätig

    Mit der höheren Bildung ist auch die Erwerbsbeteiligung der Frauen deutlich angestiegen, während die der Männer fast unverändert blieb. Damit ist der Unterschied in der Erwerbstätigenquote deutlich gesunken. Heute sind 88 Prozent der Männer und 67 Prozent der Frauen im Erwerbsalter erwerbstätig. Der Dienstleistungssektor ist schon seit vielen Jahren der wichtigste Beschäftigungsbereich für Frauen. Allerdings gab es innerhalb des Sektors bemerkenswerte Verschiebungen. So war vor dreißig Jahren im Bereich der „einfachen“ Dienstleistungen („Grundversorgung“ wie z. B. Handel, Beherbergungs- und Gaststättenwesen) mit einem Drittel ein ähnlich hoher Anteil von Frauen beschäftigt wie bei wissensbasierten Dienstleistungen (wie öffentliche und private Verwaltung, Forschung oder Management). 2010 zeigt sich ein deutlich anderes Bild: Mehr als jede zweite Frau ist dem Bereich der wissensbasierten Dienstleistungen zuzuordnen, womit diese zum eindeutig wichtigsten Beschäftigungsbereich geworden sind.

    Teilzeitquote angestiegen

    Die steigende Zahl von erwerbstätigen Frauen ist aber nicht mit einer entsprechenden Ausweitung der Arbeitsstunden einhergegangen – die Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit war mit einem enormen Anstieg der Teilzeitquote von Frauen verbunden: von 16 Prozent (1981) auf 45 Prozent (2012) – das sind über 870.000 teilzeitbeschäftigte Frauen im Jahr 2012. Für Frauen mit Betreuungspflichten ist Teilzeit überhaupt zur deutlich dominierenden Beschäftigungsform angewachsen: Mittlerweile sind sieben von zehn Frauen mit Kindern unter 15 Jahren teilzeitbeschäftigt. Bei den Männern bleibt diese Beschäftigungsform ein Programm für eine kleine Minderheit: Nur neun Prozent haben einen Teilzeitjob. Höhere Bildung heißt nicht, dass Frauen und Männer die gleichen Ausbildungswege beschreiten. Noch immer wählen junge Menschen Fachrichtungen, die „typisch“ für das jeweilige Geschlecht sind. Acht von zehn SchülerInnen in wirtschafts- und sozialberuflichen Schulen sind Mädchen. Umgekehrt ist fast ein gleich hoher Anteil an technisch-gewerblichen Schulen (HTL) männlich.

    Geringere Einkommenschancen

    Das schlägt sich in deutlich geringeren Einkommenschancen für Frauen nieder. So ist Handel der von Frauen am häufigsten gewählte Lehrberuf. Hier verdienen aber nur drei Prozent der Frauen nach Ende der Ausbildung zumindest 1.800 Euro brutto. Anders die jungen Männer: Bei einem „typischen“ Lehrabschluss in Maschinenbau und Metallverarbeitung geht mehr als die Hälfte beim ersten Job mit einem Lohn von 1.800 Euro oder mehr nach Hause.

    Einen schulischen oder beruflichen Abschluss zu haben, ist ein Vorteil am Arbeitsmarkt, trotzdem ist damit nicht zwangsläufig auch eine entsprechende Beschäftigung verbunden: Nur zwei Drittel der Erwerbspersonen sind im Jahr 2010 „bildungsadäquat“ beschäftigt (2,5 von etwa 4 Mio. Erwerbspersonen); 22 Prozent sind unter ihrem Bildungs- bzw. Qualifikationsniveau beschäftigt. Bei MigrantInnen stehen die Chancen auf eine adäquate Tätigkeit noch schlechter: Hier sind sogar 33 Prozent unter ihrem Bildungsniveau beschäftigt.

    Oberflächlich betrachtet, trifft das für Frauen und Männer im gleichen Ausmaß zu. Allerdings zeigen sich wesentliche Unterschiede nach Abschluss.

    Überqualifiziert

    Mit einem mittleren Abschluss finden Frauen häufiger eine Beschäftigung entsprechend ihrem Ausbildungsniveau als Männer. So finden sich Absolventinnen einer Berufsbildenden Mittleren Schule (BMS) nur zu neun Prozent in einer Tätigkeit unter ihrer formalen Qualifikation, während das für 20 Prozent der Absolventen der Fall ist.

    Auch Frauen mit Lehrabschluss werden deutlich weniger oft unter ihrem Ausbildungsniveau eingesetzt (17 Prozent, Männer 24 Prozent). Dieser Befund ist jedoch mit Vorsicht zu genießen: Frauen haben nur etwa halb so oft einen Lehrabschluss und sind aufgrund der geschlechterstereotypen Lehrstellenwahl sehr stark in den Dienstleistungsberufen Einzelhandel, Friseurin, Gastronomie zu finden. Eine Tätigkeit, die ein höheres Ausbildungsniveau erfordert, geht bei Frauen daher nicht automatisch mit einem höheren Entgelt einher: So verdienen Frauen, die einen Lehrabschluss haben und in ihrem Beruf arbeiten, wie etwa eine ausgebildete Einzelhandelskauffrau, 9,50 Euro brutto in der Stunde, während ein un- oder angelernter Hilfsarbeiter durchschnittlich einen Stundenlohn von 10,30 Euro erhält (Statistik Austria, Verdienststrukturerhebung 2010).

    Für MaturantInnen beiderlei Geschlechts ist es am schwierigsten, eine ihrer Ausbildung entsprechende Arbeitsstelle zu finden. Frauen mit Matura müssen sich mehrheitlich(!) mit einer Beschäftigung begnügen, die nicht ihrem Qualifikationsniveau entspricht: Sowohl für je rund 57 Prozent der AHS- als auch BHS-Absolventinnen ist das der Fall. Männer mit einem AHS-Abschluss sind dahingegen mit 48 Prozent stark, aber deutlich weniger davon betroffen. Jene mit einer BHS-Matura nur zu 30 Prozent – was vermutlich die größere Nachfrage am Arbeitsmarkt nach technischen Ausbildungen widerspiegelt.

    Höhere Ausbildung lohnt sich

    Jene Arbeitsplätze, die formal eine akademische Ausbildung verlangen, werden zu 85 Prozent mit einer Person mit entsprechendem Abschluss besetzt. Das trifft ebenso für technische und gleichrangige nicht-technische Berufe zu.

    Umgekehrt ist ein nicht geringer Anteil von Beschäftigten mit einem hohen Ausbildungsniveau in einer Tätigkeit mit geringeren formalen Anforderungen zu finden, was daran liegt, dass diese Berufe die Spitze der Karrierepyramide darstellen. Auch AkademikerInnen sind für bestimmte Phasen damit konfrontiert, dass sie gerade keinen adäquaten Arbeitsplatz finden und sie daher „nach unten“ ausweichen müssen. Frauen sind von diesem Phänomen besonders betroffen: Mehr als ein Drittel der Akademikerinnen (35 Prozent) hatte 2010 eine solche Arbeitsstelle, bei den Männern ist es ein Viertel (26 Prozent) und damit deutlich weniger.

    Dennoch lohnt sich die höhere Ausbildung, denn AbsolventInnen einer Hoch- oder Fachhochschule haben quer durch alle Tätigkeiten die höchsten Einkommen. Frauen profitieren allerdings nicht im gleichen Ausmaß davon, denn der Abstand zu den Männern ist in dieser Stufe besonders hoch (25 Prozent). Dennoch verdienen sie mehr als ihre Geschlechtsgenossinnen in allen anderen Ausbildungsstufen.

    Keine Gleichstellung am Arbeitsmarkt

    Insgesamt kann gesagt werden, dass hinsichtlich des formalen Bildungsniveaus mittlerweile weitgehend Gleichstellung erreicht wurde. Am Arbeitsmarkt selbst kann von Gleichstellung noch keine Rede sein.

    Die Ursachen liegen nicht nur in den Bildungswegen und der Verwertbarkeit der Abschlüsse, sondern auch in traditionellen Rollenbildern und in der ungleichen Verteilung von unbezahlter Haus- und Versorgungsarbeit. Es braucht daher Maßnahmen in unterschiedlichsten Bereichen – aber auch im Bildungssystem.

    Mehr Infos unter: tinyurl.com/k72w8hm

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen sybille.pirklbauer@akwien.at petra.voelkerer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Sybille Pirklbauer, Abteilung Frauen-Familie der AK Wien | Petra Völkerer, Abteilung Bildungspolitik der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104166553 Noch immer wählen junge Menschen Fachrichtungen, die "typisch" für das jeweilige Geschlecht sind. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163889 Einäugige Wirtschaftspolitik

    Österreich zählt mit seiner verfassungsmäßigen Verankerung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Jahr 2009 als Vorbildland. Das Erfordernis, die Budgets gemäß den Bedürfnissen der Frauen und Männer auszurichten, wird Gender Budgeting genannt.

    Es ist mitunter ein schwieriges, jedenfalls aber ein lohnendes Unterfangen. Schließlich haben Budgets das Ziel, die Lebensverhältnisse der Menschen zu verbessern.

    Verteilung, Steuerung, Kontrolle

    Budgets sind zentrale wirtschaftspolitische Instrumente der Verteilung, Steuerung und Kontrolle. Mittels Haushalten werden somit entscheidende Weichenstellungen hinsichtlich der Ausrichtung von Wirtschaftspolitik und der Verteilung von Ressourcen getroffen.

    Insofern ist das Budget in Zahlen gegossene Gesellschaftspolitik. Es reflektiert also die ökonomischen, sozialen und gesellschaftlichen Prioritäten eines Staates und bildet so die Machtverhältnisse einer Gesellschaft ab. Nicht umsonst wird im Französischen das Wort „État“ für Staat und Budget synonym verwendet.

    Während Budgets formal gesehen Gegenüberstellungen von Einnahmen und Ausgaben sind, ist die Ausgestaltung und Wirkung dieser Einnahmen und Ausgaben allerdings alles andere als „neutral“. Mit Einführung der sogenannten wirkungsorientierten Haushaltsführung auf Bundesebene ist in Österreich mittlerweile jedes Ministerium verpflichtet, Gleichstellungs-Ziele, -Maßnahmen und -Projekte zu formulieren. Aber auch auf Länder- und Gemeindeebene gibt es Initiativen, wie beispielsweise in Oberösterreich, Wien, Tulln oder Klosterneuburg.

    BürgerInnen bestimmen mit

    Weltweit werden zwischen 60 und 70 Gender-Budgeting-Initiativen gezählt. Die Erfahrungen zeigen deutlich, dass – trotz einiger Hürden und Probleme – Gender Budgeting großes emanzipatorisches Potenzial hat, indem es die demokratischen Einflussmöglichkeiten auf Budgets erweitern und Budgetpolitik so umgestalten will, dass Geschlechtergleichstellung und Empowerment von Frauen und Männern forciert werden.

    Hierfür braucht es ein demokratisches wirtschaftspolitisches System, indem Budgets transparent, rechenschaftspflichtig und partizipativ sind und soziale Bewegungen und BürgerInnen die Möglichkeit der Beteiligung an wirtschaftspolitischen Entscheidungsprozessen bekommen.

    Dass dies nicht utopisch ist, zeigen regionale und lokale Initiativen in Brasilien, Spanien, Deutschland und Großbritannien, wo BürgerInnen über wichtige Budgetfragen abstimmen können. Es muss davon abgekommen werden, dass Budgets als neutrale Instrumente dargestellt werden, die eine diffizile technische Angelegenheit sind und daher besser den „Expertinnen“ und „Experten“ überlassen werden sollten.

    Frauen in Entscheidungspositionen

    Gender Budgeting wendet sich auch gegen die engen Fiskalregeln, die zurzeit auf EU-Ebene erlassen werden und die demokratischen Mitspracheregeln des Souveräns einengen.

    Insbesondere nationale Parlamente verlieren durch die Verschiebungen hin zu regelgebundenen, bürokratischen Verfahren an Einfluss, was wesentliche Auswirkungen auf die Repräsentation und den Einfluss von Frauen auf Entscheidungsprozesse hat. Während der Anteil von Frauen und ihr Einfluss in demokratischen Institutionen über die letzten Jahrzehnte langsam, aber stetig zugenommen hat, hat sich die tatsächliche Entscheidungsmacht auf ausgewählte EU-Institutionen und andere internationale Institutionen, wie den Internationalen Währungsfonds, multinationale Unternehmen sowie Finanz-institutionen und -märkte, verschoben, wo männliche Normen dominieren.

    Es geht dabei nicht nur darum, dass in diesen Institutionen in Entscheidungspositionen fast ausschließlich Männer zu finden sind, sondern auch darum, dass in den Institutionen, Strukturen und Verfahren selbst traditionelle Männlichkeitsbilder und Wertvorstellungen vertreten werden.

    Es geht um politisches Umsteuern

    Aber es ist nicht nur die demokratische Einbindung, sondern auch das politische Umsteuern zugunsten geschlechtergerechter Verteilung öffentlicher Mittel ein Kernanliegen von Gender Budgeting.

    Ziel von Gender Budgeting ist zu untersuchen, inwieweit öffentliche Haushalte Geschlechtergerechtigkeit fördern oder verhindern können oder sie unverändert lassen. Dabei geht Gender Budgeting weiter als übliche Analysen, weil es in seiner Betrachtungsweise auch die Auswirkung auf die unbezahlte Arbeit miteinbezieht. Der Fokus auf unbezahlte Arbeit ist der Schlüsselaspekt, der Gender-Budget-Initiativen von anderen Budget-Initiativen unterscheidet oder unterscheiden sollte. Die Auswirkung eines Budgets auf die soziale Gleichstellung von Frauen und Männern zeigt sich in seinem Effekt auf das Maß an unbezahlter Arbeit, die erbracht werden muss.

    Frauen sind in der Regel stärker von den Zweitrundeneffekten von Krisen betroffen. Analysen der Austeritätspolitik in den jeweiligen Staaten zeigen, dass Ausgabenkürzungen insbesondere bei öffentlichen Dienstleistungen und Sozialleistungen gemacht werden, die im großen Maße Frauen treffen, beispielsweise Leistungen für AlleinerzieherInnen, Leistungen für Kinder und andere Sozialleistungen1. Derartige Kürzungen machen es auch schwieriger für Frauen, Betreuungspflichten mit bezahlter Arbeit zu vereinbaren.

    Sparpakete werden in Zeiten angespannter wirtschaftlicher und sozialer Situationen geschnürt und es entstehen dabei soziale Kosten, die nirgends dokumentiert werden.

    So sind die Auswirkungen der Krise, der Konjunkturprogramme und der Konsolidierungs- und Sparpolitiken nur dann wirklich erfasst, wenn untersucht wurde, wie sich die unbezahlt geleistete Arbeit damit geändert hat. Deren Wert variiert je nach Schätzung, nach Berechnung und Wohlfahrtsstaatsmodell.

    Für die Schweiz hat Mascha Madörin2 ein Plus von 70 Prozent des BIP errechnet. In einem erweiterten BIP wäre ihren Berechnungen nach das Verhältnis von unbezahltem Sektor zu bezahltem Sektor 41 Prozent zu 59 Prozent. Die Hausarbeit hätte den höchsten Wertschöpfungsanteil von 29 Prozent des BIP, der Industrie- und Gewerbeproduktion kämen hingegen nur elf Prozent zu.

    „Airbag“-Funktion

    Frauen übernehmen mit ihrer unbezahlten Arbeit auch eine „Airbag“-Funktion in der Gesellschaft, sie versuchen die Anpassungslasten von Krisenpolitiken abzufedern und zu kompensieren. Diese stabilisierende Rolle wird in der Krisenpolitik und bei den Krisenmaßnahmen nie berücksichtigt. Die Wirtschaftspolitik bleibt damit weiterhin auf einem Auge blind.

    1 European Parliament, Gender aspects of the effects of the economic downturn and financial crisis on welfare systems (2013),
    tinyurl.com/bwqbfrd
    2 Madörin, Mascha (2007): Neoliberalismus und die Reorganisation der Care-Ökonomie, eine Forschungsskizze, in Denknetz Jahrbuch 2007, 141–162.

    Webtipps:
    Intraministerielle Arbeitsgruppe für Gender Mainstreaming/Budgeting: tinyurl.com/qbfachy

    AK Wien Gender Budgeting: tinyurl.com/pncf566

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorinnen christa.schlager@akwien.at katharina.mader@wu.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Katharina Mader, Habilitationsassistentin an der WU Wien | Christa Schlager, Mitarbeiterin der Abteilung Wirtschaftswissenschaft in der AK-Wien Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104166530 Es geht nicht nur darum, dass in diesen Institutionen in Entscheidungspositionen fast ausschließlich Männer zu finden sind ... http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104176511 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163881 Was will die Frau? Die Frau soll zu jedem Beruf berechtigt sein“ – Mit ihrer Rede vor dem „Wiener Frauenerwerbsverein“ forderte Marianne Hainisch, eine der Leitfiguren der österreichischen Frauenbewegung, 1870 das Recht auf höhere Bildung auch für Mädchen.

    Was heute harmlos klingt, war damals ein aberwitziges und radikales Ansinnen. Koedukation, das bedeutete Sittenverfall – und ohnehin wäre das Frauenhirn größeren Anstrengungen nicht gewachsen.1

    „In brüderlicher (!) Einigkeit“

    Während die sozialistische Frauenbewegung vor allem für das Wahlrecht kämpfte und überzeugt war, dass in brüderlicher (!) Einigkeit zuerst die bestehende Gesellschaftsordnung revolutioniert werden müsste, konnten sich die bürgerlichen Frauenrechtlerinnen – in der Regel unbehelligt vom Kampf um das tägliche Brot – voll auf ihre Anliegen (Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen) konzentrieren.

    1866 hatten Iduna Laube, Ehefrau des späteren Burgtheaterdirektors und die Schriftstellerin Auguste Littrow-Bischoff den „Wiener Frauenerwerbsverein“ gegründet, um vor allem Krieger-Witwen und Waisen Ausbildungsmöglichkeiten zu bieten. Begonnen wurde traditionell mit einer Weißnähschule, 1867 folgte die Handelsschule.

    Zölibat für Lehrerinnen

    Bis dahin waren Lehrerinnenbildungsanstalten für Frauen die einzige Quelle höherer Bildung im Sinne von Ausbildung. Allerdings verdienten Lehrerinnen nicht nur um ein Drittel weniger als ihre männlichen Kollegen, sie waren auch zum Zölibat verurteilt. Im Falle einer Heirat verloren sie die Stelle samt allen Pensionsansprüchen.

    1871 entstand der erste Arbeiterinnen-Bildungsverein, er löste sich jedoch relativ bald wieder auf. 1890 wurde der Verein mit Unterstützung von Victor Adler neu gegründet und bildete die Wurzel der sozialdemokratischen Frauenbewegung. Er verlor allerdings durch die neu gegründeten Gewerkschaftsorganisationen bald wieder an Bedeutung.

    Die negativen Auswirkungen der industriellen Revolution und des amerikanischen Bürgerkriegs (1861–1865) waren in fast allen Gesellschaftsschichten spürbar. Die Baumwoll-Lieferungen blieben aus, zahlreiche kleine Betriebe gingen bankrott. Väter konnten ihre Familien nicht mehr ernähren. Eine der Betroffenen war die spätere Frauenrechtlerin und Sozialistin Adelheid Popp (1869–1939), geb. Dworak, deren Vater, ein Weber, nach dem Aufkommen der mechanischen Webstühle seine Familie kaum ernähren konnte. Die Familie mit mehreren Kindern lebte in einem einzigen Raum. Adelheid arbeitete schon als Kind zwölf Stunden täglich in der Fabrik – so lange, bis sie irgendwann, erschöpft und unterernährt, ohnmächtig wurde, fantasierte und in die Psychiatrie kam. Das Personal dort pflegte sie liebevoll und versorgte sie mit Büchern. Später bezeichnete Adelheid Popp den Aufenthalt als die schönste Zeit ihrer Kindheit. Mit nur drei Jahren Volksschule erarbeitete sie sich ihre Bildung weitgehend selbst – auch noch als Redakteurin der Arbeiterinnen-Zeitung im Arbeiter-Bildungsheim, wo die Frau von Victor Adler (die aus einer liberal-jüdischen Unternehmer-Familie stammte) Kurse abhielt.

    Reife Mädchen

    1892 wurde in Wien mit privaten Mitteln die erste gymnasiale Mädchenschule gegründet. Als die ersten fünf Mädchen zur Reifeprüfung antraten, fielen sie alle durch. Eine von ihnen stürzte sich aus Verzweiflung in die Donau, konnte aber gerettet werden. Danach traten die fünf Mädchen in Prag zur Wiederholungsprüfung an – alle fünf bestanden mit Auszeichnung.

    Erst ab 1897 durften Frauen in Österreich-Ungarn als ordentliche Hörerinnen studieren – vorerst nur an der philosophischen Fakultät. Drei Jahre später folgte die medizinische Fakultät. Die juridische Fakultät und die TU ermöglichten Frauen erst 1919 das reguläre Studium. Zwar war Frauen das Studium nirgends ausdrücklich verboten, aber die traditionelle Zuweisung der Geschlechterrollen und die männerbündischen Strukturen der Universitäten ließen schon den Gedanken an ein formales Studium von Frauen unmöglich erscheinen. Als erste deutschsprachige Hochschule hat die Universität Zürich ordentliche Studentinnen zugelassen, ambitionierte Frauen aus vielen Ländern waren dort inskribiert. 1867 promovierte dort die Russin Nadeschda Suslova als erste Frau im deutschen Sprachraum.

    Das erste Mal

    Erste Professorin in Österreich: 1905 wurde Elise Richter (1865–1943) an der Philosophischen Fakultät habilitiert, 1921 wurde sie außerordentlicher Professor. 1922 gründete sie den „Verband der akademischen Frauen Österreichs“. Obwohl ihr sprachwissenschaftliches Werk international große Beachtung fand, wurde ihr die ordentliche Professur versagt.

    Erste Nobelpreisträgerin: Marie Curie (1867–1934) verließ ihre Heimat, das heutige Polen, um 1891 in Paris ein Studium zu beginnen. Sie studierte und arbeitete unter schwierigsten Bedingungen. 1903 erhielt sie gemeinsam mit Henri Becquerel und ihrem Mann Pierre den Nobelpreis für Physik für die Erforschung der Radioaktivität. Als bisher einzige Frau ist sie zweifache Nobelpreisträgerin (1911 Nobelpreis für Chemie). Curie war die erste Frau, die an der Sorbonne lehrte. 24 Jahre danach erhielt ihre Tochter Irène Joliot-Curie den Chemie-Nobelpreis. Die beiden sind damit das bislang einzige Mutter-Tochter-Gespann unter den Preisträgerinnen. Mehrere Jahre nach ihrem ersten Nobelpreis bewarb sich Marie Curie um einen Platz in der französischen Akademie der Wissenschaften und wurde abgelehnt. Die gesamte Presse nahm an diesem Vorgang regen Anteil, konservative und rechte Medien höhnten unter anderem, „man solle nicht versuchen, die Frau dem Manne gleichzumachen.“

    Erst 1962, mehr als 50 Jahre später, wurde mit Marguerite Perey eine Frau in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Erstes weibliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften war 1973 die Physikerin Berta Karlik (1904–1990).

    Nach der Einführung des Frauen-Wahlrechts 1918 zogen 1919 acht weibliche Abgeordnete ins Parlament ein: Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch für die Sozialdemokraten sowie Hildegard Burjan für die Christlichsoziale Partei. Die erste Ministerin war Sozialministerin Grete Rehor (ÖVP) von 1966 bis 1970. Sie richtete eine eigene Frauenabteilung im Ministerium ein.

    Erste ÖGB-Vizepräsidentin: 1979 Maria Metzker (1916–2010), damals wurde festgelegt, dass eine der VizepräsidentInnen eine Frau sein muss.

    Die erste Österreicherin, die mit Polizeiaufgaben betraut wurde, begann ihren Dienst im Juli 1909 in Wien als „Polizeiassistentin für Jugendfragen“:  Franziska Wessely hatte eine pädagogische Ausbildung und war seit 1904 in der Verwaltung der Polizeidirektion Wien beschäftigt.

    Die ersten österreichischen Soldatinnen wurden 1998 angelobt. Leicht haben es Soldatinnen dort vermutlich bis heute nicht, 2010 ergab eine Studie, dass weibliche Soldaten mehr als drei Mal häufiger gemobbt wurden als männliche.

    Am großen Sprung

    Amelia Earhart (1897–1937) war die erste Frau, die einen Pilotenschein des internationalen Luftsportverbandes FAI (Fédération Aéronautique Internationale) erhielt. Sie überquerte 1932, fünf Jahre nach Charles Lindbergh, als erste Frau den Atlantik im Alleinflug. Die erste Frau, die sich in die Lüfte erhob, war übrigens die Opernsängerin Élisabeth Thible. Im Juni 1784 unternahm sie in Lyon eine 45-Minuten-Ballon-Fahrt vor den Augen des Königs von Schweden. Sie war als Minerva verkleidet, um ihre Angst zu überdecken, sang sie die ganze Zeit lang Arien. Im Cockpit moderner Linienflugzeuge sitzen Frauen etwa bei der Lufthansa seit 1988, allerdings bis zum Jahr 2000 nur als Kopilotinnen.

    Und selbst heute noch gibt es männliche Bastionen zu erobern, so durften etwa in Sotschi erstmals auch weibliche Skispringerinnen um Olympia-Medaillen kämpfen. 

    1 Thea Leitner (1991): Fürstin, Dame, Armes Weib – Ungewöhnliche Frauen im Wien der Jahrhundertwende, R. Piper, München.

    Frauenforschungsprojekt der Österreichischen Nationalbibliothek: tinyurl.com/obqu44p

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104163872 Staaten, die ein weibliches Staatsoberhaupt oder/und einen weiblichen Regierungschef haben, sind rotorange eingefärbt; Staaten, die bereits ein weibliches Staatsoberhaupt oder/und einen weiblichen Regierungschef hatten, sind in hellem Orange eingefärbt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163853 Feminismus - was steckt dahinter? Das Wort Feminismus löst die verschiedensten Reaktionen aus. Einst wurde es mit Kampf, Aktionen und Demonstrationen für Gerechtigkeit assoziiert, doch wie steht es heute um den Begriff „Feminismus“ und wer gilt überhaupt noch als Feministin? Feminismus geht mit Emanzipation einher. Wie kommt es, dass der Inbegriff der Eigenständigkeit heute oftmals negativ konnotiert ist?

    Hausfrau und Mutter

    Der Widerstand einer patriarchalen Gesellschaft gegen das Erstarken von Frauen – und wir dürfen nicht vergessen, dass es noch gar nicht so lange her ist, dass der Ehemann noch die Entscheidungsmacht über das Thema Erwerbstätigkeit der Frau hatte – ist eine vollkommen natürliche Reaktion.

    Wenn Sie folgende Zahlen lesen, an welches Jahr denken Sie? Mehr als jede zweite Frau (55 Prozent) „möchte [ausschließlich] Hausfrau sein und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern“. 77 Prozent – Frauen und Männer – sind der Meinung, dass unter Dreijährige untertags hauptsächlich von den Eltern betreut werden sollen, bei unter Sechsjährigen sind 31 Prozent dieser Meinung. Die Zahlen stammen nicht aus den 70ern oder 80ern des letzten Jahrhunderts, sondern spiegeln die Meinung der 14- bis 24-Jährigen aus dem Jahr 2011 wider. Allerdings ist hier auch interessant zu erwähnen, dass auch 34 Prozent der jungen Männer sich ein Leben als Hausmann vorstellen können, wenn die Partnerin so viel verdient, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Trennung und Pension spielen dabei keine Rolle.

    So schockierend der Wert bei den jungen Frauen ausfällt, umso erstaunlicher scheint der prozentuelle Anteil jener jungen Männer, die anscheinend wirklich ausschließlich Haus- und Kinderbetreuungsarbeit leisten wollen würden, gäbe es keine finanziellen Einschränkungen.1

    Die Krux bei der Sache liegt vermutlich wie so oft an der Fragestellung. Natürlich, wenn Geld keine Rolle spielt, warum freiwillig eine Dreifachbelastung in Kauf nehmen, wenn Mensch sich selbst keine Gedanken um die Arbeitsplatzsituation machen muss und ein anderer für die finanzielle Absicherung beider arbeiten gehen kann? Die Ausgangsfrage einfach so in den Raum zu stellen ist leicht, doch wäre es nicht viel interessanter, zu ermitteln, wo der Ursprung dieser Einstellung liegt?

    Fürs Leben lernen

    Wir leben in einer Zeit, in der ältere ArbeitnehmerInnen immer öfter den Job verlieren und in der es auch für junge Menschen nicht leicht ist, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Unbezahlte oder schlecht bezahlte Praktika, schlechte Ausbildungsverhältnisse, (unbezahlte) Überstunden, am besten immer verfügbar sein und Probleme, eine richtige Anstellung zu finden, prägen den schwierigen Berufseinstieg der jungen Generation. Die Jungen und die jüngeren Erwachsenen sind in und mit der Leistungs- und Spaßgesellschaft aufgewachsen. Uns wurde daher mitgegeben, dass wir nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen, dass Bildung das Wichtigste überhaupt ist, um einen guten Job zu finden, und vor allem, dass alles möglich ist, was mensch sich vornimmt, wenn mensch nur hart genug dafür arbeitet. Hinzu kommt auch noch, dass Arbeit am besten immer Spaß macht, sonst hat der Mensch selbst in der Lebensplanung bereits versagt.

    Mehr als ein Quäntchen Glück

    Wir wurden von unseren Eltern teilweise auf eine Welt vorbereitet, die nicht mehr in dieser Form existiert, als zu jener Zeit, in der unsere Eltern in unserem Alter waren. Wir befinden uns in einer Zeit, in der es mehr als nur ein Quäntchen Glück braucht, um genau in jener Branche und genau in jenem Job arbeiten zu dürfen, in dem wir uns wohlfühlen, der wie für uns gemacht scheint, und dem wir mit Leidenschaft und Spaß an der Sache nachgehen können.

    Dürfen ist zugleich Zauberwort und Damoklesschwert. Wir leben auch in einer Zeit, in der wir uns dessen bewusst sind, dass die wenigsten von uns für immer einen gesicherten Arbeitsplatz haben. Befinden wir uns (endlich) in einem annehmbaren Beschäftigungsverhältnis oder denken, wir hätten zumindest Aussicht auf ein solches, so setzen wir alles daran, dass wir in diesem bleiben. ArbeitnehmerInnen leisten (unbezahlte) Überstunden, gehen Beschäftigungsformen ein, die ihnen Bauchweh bereiten, doch weniger ein ungutes Gefühl auslösen, als die Vorstellung, gar keinen Job zu finden, und verschieben die persönliche Belastungsgrenze so weit, bis der Körper irgendwann aufgibt.

    Die Folgen sind in den Statistiken sichtbar: Die Meldung weniger Krankenstandstage zu verzeichnen mag zwar volkswirtschaftlich gesehen Euphorie auslösen, in der Realität schleppen sich jedoch viele ArbeitnehmerInnen aufgrund der Sorge um den Arbeitsplatz auch im kranken Zustand in die Betriebe.

    Es werden körperliche Symptome unterdrückt, um der Leistungsgesellschaft und den mit ihr einhergehenden Anforderungen und dem „Ideal“ der „Ressource Mensch“ für die Wirtschaft gerecht zu werden.

    „Ressource Mensch“

    Eines darf nicht außer Acht gelassen werden, wenn wir von Menschen und den Arbeitsbedingungen sprechen: Menschen sind noch immer Menschen und keine Maschinen. Menschen „funktionieren“ nicht jeden Tag gleich.

    Einer der wichtigsten Punkte im Umgang mit Menschen ist die Wertschätzung. Das Gefühl, eine sinnvolle Arbeit zu verrichten, welche auch von anderen Menschen – vor allem auch von Vorgesetzten – als solche wahrgenommen und kommuniziert wird, ist vermutlich einer der Grundpfeiler, welcher mit dazu führt, gerne in die Arbeit zu kommen und länger gesund zu bleiben.

    Schiefe Zähne oder Muttermal

    Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie auf der Suche nach einem Vollzeitjob sind, sich für eine solche Stelle auch bewerben und beim Vorstellungsgespräch plötzlich erfahren, dass es sich doch nur um eine Teilzeitstelle handelt?

    Und wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie danach durch Zufall erfahren, dass es nach Ihrer Absage aufgrund der nicht gewollten Teilzeit plötzlich für jemand anderen doch eine Vollzeitstelle gab, weil dieser Mensch keine schiefen Zähne hat? Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie dieselbe Ausbildung, dieselben Fort- und Weiterbildungen genossen haben wie weitere Mitbewerbende und Sie aufgrund eines Muttermals im Gesicht 15 Prozent weniger Lohn bekommen würden? Oder aufgrund der Augenfarbe eine schlechtere Einstufung erhalten?

    Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie aufgrund persönlicher Umstände temporär weniger arbeiten wollen würden und plötzlich andere Arbeiten verrichten müssten, für die Sie überqualifiziert sind? Oder erst recht so viele (unbezahlte) Überstunden machen müssen, dass sie gar nicht reduzieren hätten müssen? Und nun setzen Sie bitte für alle angeführten körperlichen Merkmale zwei X-Chromosomen ein.

    Brot und Rosen

    Geschätzte LeserInnen, Sie fragen sich vielleicht, wie Feminismus mit all jenen Dingen zusammenhängt, die bis jetzt angesprochen wurden, und warum so selten das Wort „Frau“ oder „Mann“ vorkam.

    Es ist nicht der Feminismus in der Krise, sondern die gesamte Gesellschaft. Es geht um Gerechtigkeit, es geht um Wertschätzung, gleiche Chancen für alle und Respekt. Kurz: Es geht um Menschen. Wie Johanna Dohnal einst sagte: „Die Vision des Feminismus ist nicht eine ‚weibliche Zukunft‘. Es ist eine menschliche Zukunft.“2 Daher setzen wir ÖGB-Frauen uns für Brot (gerechten Lohn) und Rosen (menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen) ein.

    1 Vgl. BMWFJ (2011): Der neue Jugendmonitor. 4. Welle: Meinungen und Einstellungen der Jugend zur Familie.

    2 Dohnal, Johanna (22. März 2004): Gastvortrag an der Technischen Universität Wien, WIT-Kolloqium.

    ÖGB-Frauenabteilung: www.oegb.at/frauen

    Frauenpolitische Abteilung der Bundesarbeitskammer: tinyurl.com/p9obyvn

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin isabella.guzi@oegb.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Isabella Guzi, ÖGB-Frauenabteilung Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104163863 Mehr als jede zweite Frau (55 Prozent) "möchte [ausschließlich] Hausfrau sein und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern". http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163820 Mit 19 gegen die Männerbastion In der Wohnung ihres Vaters, eines Schusters, trafen sich in den 1880er-Jahren Aktivisten der damals verbotenen und in den Untergrund gedrängten frühen Arbeiterbewegung.

    Maria und ihre Schwester Minna, die später die Buchbinderinnen organisieren sollte, waren dabei. Im Arbeiterinnen-Bildungsverein und im Wahlverein (Parteien im modernen Sinn waren nicht erlaubt) erhielt die junge Textilarbeiterin ihre Schulung als Agitatorin. Und mit 19 Jahren schickte sie der Arbeiterinnen-Bildungsverein als Sprecherin für die Frauen in den Weihnachtsfeiertagen 1893 zum ersten Gewerkschaftskongress. Die männlichen Delegierten, die sie belächelten und von denen viele sie nicht für voll nahmen, konfrontierte sie mit Schein und Wirklichkeit der behaupteten Gleichberechtigung der Frauen in den Gewerkschaftsvereinen:

    Aus der Statistik ersehen wir, dass es Branchen gibt, wo hauptsächlich Frauen sind, und dass die Vereine nicht einmal Frauen aufnehmen, während solche, die sie aufnehmen, keine weiblichen Mitglieder haben. Wir ersehen zum Beispiel, dass der Verein der Schneider und Schneiderinnen in Bozen und Innsbruck kein weibliches Mitglied besitzt, sich aber doch Verein der Schneider und Schneiderinnen nennt. Bei den Schuhmachern sind ebenfalls sehr viele Frauen beschäftigt, bei den Eisen- und Metallarbeitern ebenfalls ... Das sind lauter Gewerkschaften, die keine weiblichen Mitglieder zählen. Die Genossen machen immer die Einwendung, ja, wenn die Frauen kommen werden, werden wir sie aufnehmen.  Ich will keine lange Agitationsrede halten. Sie wissen ganz gut, dass es verschiedene Gewerbe gibt, wo die Frau an Stelle des Mannes um bedeutend niedrigeren Lohn arbeitet, wo wir also … um so mehr trachten müssen, die Frauen in die Organisation einzubeziehen. 

    Würden wir … alle ein Hauptgewicht darauf legen, die weiblichen Arbeiter zu organisieren, so wäre es möglich. In den Debatten wurde dies bisher nur als Nebenzweck besprochen. 

    Es genügt nicht, dass wir nur politisch bedacht sind, eine gesunde, kräftige Frauenbewegung zu haben … Damit dass wir sagen, wir haben so viele gewerkschaftlich gut organisierte Genossen, damit ist nicht gedient.

    Wir müssen auch auf die Arbeiterinnen hinweisen. Ebenso wie wir im politischen Kampfe sagen, die Männer werden nie etwas erreichen, wenn die Frauen nicht dabei sind, so ist es auch im gewerkschaftlichen Kampfe: die Männer allein werden nie gewerkschaftlich etwas erreichen.

    Kurz nach dem ersten Gewerkschaftskongress wurde Maria Krasa Herausgeberin der Arbeiterinnen-Zeitung und behielt diese Funktion bis 1900. Sie zog sich dann aus der „großen Politik“ zurück, heiratete und bekam acht Kinder, von denen fünf überlebten.

    Bis zu ihrem Tod 1911 setzte sie sich aber für die gewerkschaftliche Organisation der Heimarbeiterinnen ein. Sie starb an der „Proletarierkrankheit“ Lungentuberkulose.

    Ausgewählt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104163838 Maria Krasas http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163817 vida: Frauen vor Gewalt im Beruf schützen „Wenn bereits über 60 Mio. Frauen in der EU Opfer von Gewalt sind, dann läuten die Alarmglocken“, sagt Elisabeth Vondrasek, Vorsitzende der Abteilung Frauen in der Gewerkschaft vida, vor dem Hintergrund der aktuellen Studie der EU-Grundrechte-Agentur (FRA) zum Thema des Internationalen Frauentages am 8. März. Vondrasek nimmt dies zum Anlass, um auf die von der Gewerkschaft ins Leben gerufene Plattform „Tatort Arbeitsplatz“ hinzuweisen. „Diese Plattform haben wir initialisiert, um insbesondere der Gewalt am Arbeitsplatz keine Chance zu geben.“ Die Gewerkschaft wolle damit einerseits Bewusstsein für das Thema schaffen, biete aber auch konkrete Hilfestellungen zur Gewaltprävention  sowie Serviceleistungen für Betroffene und speziell auch für Frauen an, so Vondrasek. Diese Plattform sei auch gegründet worden, da die von der vida vertretenen Beschäftigten in den Dienstleistungs- und Verkehrsberufen in ihren unterschiedlichen und mitunter schnell wechselnden Arbeitsumgebungen besonders häufig von Konfliktsituationen und somit von Gewalt am Arbeitsplatz betroffen seien, so Vondrasek: „Der erste wichtige Schritt ist, Gewalt oder Einschüchterung im Job nicht einfach hinzunehmen, sondern nicht wegzuschauen und offen darüber zu reden.“

     

    Auf der vida-Plattform findet sich ein Bündel an Informationen, das von Definitionen von Gewalt über Maßnahmen und konkrete Hinweise für ArbeitnehmerInnen bis hin zu weiterführenden Link-Tipps reicht. Folgen von Gewalt für Betroffene werden genauso beschrieben wie auch Auskünfte zur rechtlichen Lage in Österreich und in der Europäischen Union (ArbeitnehmerInnenschutz) vorhanden sind.

    Die Internetplattform lädt aber auch dazu ein, selbst gegen Gewalt aktiv zu werden bzw. die Initiative zu unterstützen, und vermittelt Beratungen für Betroffene. Für Gewerkschaftsmitglieder sowie Betriebsrätinnen und Betriebsräte stehen spezielle Seminarangebote zum Thema zur Verfügung.

    Alle Infos unter: www.tatortarbeitsplatz.at

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    Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163804 Arbeiterkammer: Deine Idee, dein Europa! Deine Idee ist gefragt!

    Wie kann/soll in den nächsten Jahren ein gemeinsames Miteinander in der EU aussehen? Wie kann ein Europa der Zukunft lebenswerter gemacht werden? Was kann getan werden, um näher zusammenzurücken? Was liegt DIR am Herzen?

    Was wir erwarten?

    Wir wollen, dass du dich kritisch/kreativ mit dem Thema Europa/Europäische Union auseinandersetzt, Probleme identifizierst und Verbesserungen beziehungsweise nötige Entwicklungen aufzeigst, die die Europäische Union braucht, um mehr Akzeptanz zu erhalten.

    Die Aufgabe

    Konstruktive Inputs/Ideen, Vorstellungen, Änderungsvorschläge, Denkanstöße … zum Thema Europa/Europäische Union. Deine Idee soll schriftlich ausgearbeitet werden, wobei alle Textformen erlaubt sind. Die Gedanken können in max. 2.500 Zeichen (inkl. Leerzeichen) als Gedicht, Kommentar, Rap, Essay, Kurzgeschichte ... eingereicht werden. Lass deiner Kreativität einfach freien Lauf!

    Wir suchen dich!

    Hoffnungslose/r OptimistIn, zukunftsträchtige/r UtopistIn, kreative/r KritikerIn, PionierIn, IdealistIn, IllusionistIn, mutige/r HimmelsstürmerIn, zuversichtliche/r FantastIn, bejahende/r WeltverbessererIn, TagträumerIn …

    … kurz gesagt: JEDE/N zwischen 16 und 30 Jahren mit einer konstruktiven Idee zur Verbesserung unseres EUROPAS!

    Die Teilnahme ist als Einzelperson oder in Zweier-Teams möglich!

    Was ihr davon habt?

    Neben der Möglichkeit, die Ideen vor einer hochkarätigen Fachjury aus Europa-Experten zu präsentieren und gemeinsam über die Gedanken zu diskutieren, reisen die Autorinnen und Autoren der besten drei Beiträge von 9. bis 11. Mai 2014 zum Europäischen Jugendevent EYE (European Youth Event) des Europäischen Parlaments nach Straßburg. Dort gibt es die Möglichkeit, Jugendliche aus ganz Europa kennenzulernen, die eigenen Ideen einzubringen und gemeinsam mit europäischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern sowie Vortragenden Gedanken und Perspektiven auszutauschen und weitere Ideen für eine gemeinsame Zukunft zu erarbeiten.

    Hard Facts

    • Start: 3. März 2014
    • Einreichfrist: 31. März 2014
    • Präsentation der Ideen und anschließendes Get-together mit der Jury am 7. April 2014 in Wien.

    Wohin mit meiner Idee?

    Einreichung unter „Europa, was ist jetzt?“ oder per E-Mail an: europa@wasistjetzt.eu

    Die vier österreichischen Sozialpartner Bundesarbeitskammer (BAK), Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) und Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) führen gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) eine EU-Informationsoffensive für junge Menschen zur Europawahl 2014 durch. Der Dialog mit den Jugendlichen findet via Homepage www.wasistjetzt.eu, Facebook-Plattform „EUROPA was ist jetzt?“, www.facebook.com/wasistjetzt, statt. Hier können Fragen und Diskussionsbeiträge zu Europa und der Europawahl 2014 gepostet werden. Zusätzlich kann man über die Plattform bei diversen Aktionen und Gewinnspielen teilnehmen sowie via Live Tracking bei ausgewählten Veranstaltungen mitmachen.

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    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104163773 Brot und Rosen „Frauen wollen Brot und Rosen“, unter diesem Motto stand für die ÖGB-Frauen der heurige Frauentag. „Brot steht für ein eigenständiges Leben der Frauen, mit einem Arbeitsplatz, der ihrer Qualifikation entspricht, und einem gerechten Einkommen. Rosen stehen für die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben“, erklärt die ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende und Vizepräsidentin Sabine Oberhauser.

    In Wien verteilten die ÖGB-Frauen am 7. März im Wiener Stadion Center Rosen an die Beschäftigten und Kundinnen.
    Verteilaktionen fanden in ganz Österreich statt. „Der internationale Frauentag ist immer ein Zeitpunkt einerseits Bilanz zu ziehen und unser Arbeitsprogramm neu auszurichten, aber auch Danke zu sagen für das tägliche Engagement der Frauen sowohl im Beruf als auch in den Familien. Als Frauen haben wir in den vergangenen Jahren einiges erreicht, neue Herausforderungen wie zum Beispiel das Thema der steigenden Arbeitsbelastung kommen aber dazu“, stellt Oberhauser fest. Ein wichtiges Thema ist daher die Diskussion, was Vollzeitarbeit im Jahr 2014 heißt.  Während einige gesundheitsgefährdend viel arbeiten, arbeiten noch immer viele Frauen Teilzeit. Längere Phasen von Teilzeit, aber auch Unterbrechungen der Erwerbsarbeit aufgrund von Betreuungspflichten und das oft niedrigere Lohnniveau in „typischen Frauenberufen“ halten die Einkommensschere noch immer viel zu weit offen. Viele Frauen werden ganz einfach in die Teilzeit gedrängt.

    Mehr Infos unter: www.oegb.at/frauen

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    Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104163782 Wien: ÖGB-Bundesfrauenvorsitzende und Vizepräsidentin Sabine Oberhauser und ihr Team stellten sich im Wiener Stadion Center mit den Rosen ein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104163787 Vorarlberg: In Bregenz stellten sich ÖGB-Landesfrauensekretärin Sabine Rudigier, Elke Zimmermann (BRV KH Bludenz) und ÖGB-Landesfrauenvorsitzende Doris Pfeiffer mit Brot, Rosen und Informationen ein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104161457 Standpunkt | Alles Rosen, oder was? Internationaler Frauentag: Sympathische Geste mit Tradition – Wir lieben Floristik“ – Facebook meint, das könnte mir gefallen an diesem 8. März 2014. Oh ja, das stimmt schon. Eine sympathische Geste ist es, dass wir Frauen an diesem einen Tag in allen Medien gefeiert werden. Die Tiroler Tageszeitung widmet uns z. B. gleich vier rosa unterlegte Seiten. „Von Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt“, lese ich. Und dass in Tiroler Gemeinderäten nur 16 Prozent Frauen sitzen. Im Österreichschnitt schaut das nicht viel besser aus: Nur etwa ein Fünftel beträgt der Frauenanteil. Noch trauriger schaut es – wie auch in der Privatwirtschaft – in den Führungsgremien aus. Nur 132 der 2.353 Gemeinden in Österreich – ohne Wien – haben eine Bürgermeisterin. Ich fürchte, das macht das seit 2009 in der Verfassung verankerte Gender Budgeting noch ein wenig schwieriger. Und die Geste mehr zur Geste.

    Seit mehr als 100 Jahren

    Auch das mit der Tradition hat was. Seit über 100 Jahren, seit dem 19. März 1911, gibt es einen Frauentag: Für das Wahlrecht gingen damals die Frauen auf die Straße – und Männer mit ihnen. 20.000 Menschen versammelten sich damals auf der Wiener Ringstraße. Während der NS-Zeit wurde der Frauentag durch den Muttertag ersetzt. Im internationalen Jahr der Frau 1975 richteten die Vereinten Nationen erstmals am 8. März eine Feier aus. Seitdem weiß man nicht immer recht, wie mit der Tradition umzugehen sei. Die einen verteilen Blumen, die anderen veranstalten Konzerte. Großer Frauenpolitikerinnen wird gedacht und „Frauenthemen“ beherrschen alljährlich Anfang März die Medien. Da oder dort wird auch Woman’s Day Sale daraus mit dem 1. Gebot: „Du sollst jeden Tag himmlisch duften.“

    Es wundert mich nicht, wenn sich Frauen wie EU-Kommissärin Viviane Reding gegen das „Feigenblatt eines symbolhaften Tages“ aussprechen. Und doch bin ich davon überzeugt, dass wir noch weit davon entfernt sind, solche Tage nicht mehr zu brauchen. Noch verdienen Frauen 23,7 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Damit liegen wir weit hinter dem EU-Schnitt von 16,2 Prozent. Und das obwohl wir eine hohe Erwerbstätigenquote haben. Aber mehr denn je arbeiten Frauen im Alter von 15 bis 64 Jahren Teilzeit. Weit beunruhigender als diese Zahlen ist die Studie der Grundrechte-Agentur FRA im Auftrag des EU-Parlaments, bei der insgesamt 42.000 Frauen im Alter zwischen 18 und 74 Jahren zu ihren Gewalterfahrungen befragt wurden. 33 Prozent dieser Frauen gaben an, dass sie mindestens einmal im Leben körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Jede fünfte Frau wurde bereits am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Interessant dabei: 75 Prozent der weiblichen Top-Managerinnen waren schon Opfer solcher Angriffe, offenbar eine beliebte Ellbogentechnik im Karrierekampf.

    Alltäglicher Sexismus

    Der nach wie vor alltägliche Sexismus ist mit schuld an diesem gewaltigen Problem, das keines der Frauen allein, sondern der ganzen Gesellschaft ist. Solange sich das Frauenbild in Medien, Werbeagenturen, im Kino und im Internet nicht ändert, wird alles beim Alten bleiben. Doch es gibt sie, die Frauen, die sich 365 Tage im Jahr gegen Diskriminierung und überkommene Rollenbilder wehren, die sich für Frauen- und damit Menschenrechte einsetzen, die riskieren, deshalb angegriffen zu werden, als humorlos, spießig oder verbiestert zu gelten, und die stolz darauf sind, Feministinnen zu sein.

    Uns Frauen wünsche ich nicht nur zum Frauentag: Brot (ein Einkommen zum Auskommen) und Rosen (ein erfülltes, schönes Leben)! Wir lieben Floristik, oder?

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    Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1384551633021 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104161442 Soziale Ungleichheit als Forschungsaufgabe 2011 gründete die Universitätsprofessorin Dr. Edith Saurer einen Fonds, der nach ihrem Wunsch bei der Wiener Arbeiterkammer angesiedelt wurde. Aus den Mitteln des Fonds, der sich aus ihrem nachgelassenen Vermögen zusammensetzt, werden 2014 erstmals Forschungsstipendien zur historischen Erforschung sozialer Ungleichheit vergeben.

    Edith Saurer

    Edith Saurer (20.8.1942–5.4.2011) war Universitätsprofessorin für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien. Sie war nicht nur eine der Initiatorinnen der feministischen Geschichtsforschung in Österreich, sondern vielmehr eine Kämpferin für Gerechtigkeit und gegen jede Form von Diskriminierung. Nach ihrer Dissertation über Kirche und Staat in der Habsburgermonarchie (1960) und weiteren kirchenpolitischen Forschungen in Italien widmete sie sich der Geschichte der materiellen Kultur, der Grenzen, des Steuerwesens und der Kriminalität. In den genannten Themenbereichen gelang es ihr, österreichische und italienische Regionen vergleichend durch historisch-anthropologische Zugänge eine Verbindung von Sozial-, Kultur- und Institutionengeschichte und bald auch Geschlechtergeschichte herzustellen. Die Universität Wien stellte denn auch fest: „Edith Saurer hat es stets verstanden, den Studierenden zu vermitteln, dass Geschichte gerade dort faszinierend und besonders erkenntnisreich wird, wo Schnittstellen zwischen Rechts- und Politikgeschichte, zwischen materieller Kultur und anthropologischen Fragen gesucht und die Erfahrungen von Frauen und Männern in den Fokus gerückt werden.“

    Frauen- und Geschlechtergeschichte

    In den 1980er-Jahren wandte sich Edith Saurer (ab 1983 Dozentin und ab 1992 Universitätsprofessorin am Institut für Geschichte der Universität Wien) verstärkt der Frauen- und Geschlechtergeschichte zu. 1982 gründete sie die „Arbeitsgruppe Frauengeschichte“, die später in „Arbeitsgruppe Frauen- und Geschlechtergeschichte“ unbenannt wurde. Im Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) konzipierte sie 1986 die Tagung „Institutionalisierung historischer Frauenforschung“ und war an zahlreichen Veranstaltungen, Workshops und Forschungsprojekten beteiligt. 1990 gründete sie die Zeitschrift „L’homme“ als „Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft“, die heute zu einer der führenden wissenschaftlichen Zeitschriften in diesem Fachgebiet zählt und in deren Herausgeberinnenteam zwanzig Wissenschafterinnen aus acht Ländern vertreten sind. 1995 wurde die Zeitschrift durch die Herausgabe einer Buchreihe ergänzt. Edith Saurer legte 1989 auch den Grundstein für die „Sammlung Frauennachlässe“ am Institut für Geschichte, deren Ziel es ist, (auto-)biografische Dokumente von Frauen, von Paaren, von Kindern und Verwandten, Freundinnen und Freunden der Frauen zu sammeln, systematisch zu ordnen, zu archivieren und für die wissenschaftliche Benutzung zugänglich zu machen. Die Sammlung ist in der Zwischenzeit weit über die Grenzen Österreichs bekannt und geschätzt und eine unentbehrliche Hilfe historischer Genderforschung. Seit dem Jahr 2006 leitete Edith Saurer die Forschungsplattform „Neuverortung der Frauen- und Geschlechtergeschichte im veränderten europäischen Kontext“ an der Universität Wien. 1991 wurde Edith Saurer mit dem damals erstmals vergebenen „Käthe-Leichter-Preis“, 1997 mit dem „Gabriele Possanner-Staatspreis“ und 2010 mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Stadt Wien ausgezeichnet. Mit Edith Saurer verloren Österreich, die internationale feministische Bewegung und die wissenschaftliche Frauenforschung eine engagierte Kämpferin, die es verstand, gesellschaftspolitische Anliegen mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre zu verbinden. Ihre von höchster Qualität getragene wissenschaftliche Arbeit war in emanzipatorischer Absicht immer von tiefem demokratischem Engagement getragen.

    Vor wenigen Wochen erschien posthum das von Margareth Lanzinger herausgegebene Buch „Edith Saurer: Liebe und Arbeit. Geschlechterbeziehungen im 19. und 20. Jahrhundert“ im Böhlau Verlag. Während „Arbeit“ immer schon im Zentrum ökonomischer und sozialgeschichtlicher Forschungen stand und „Liebe“ meist nur in der Literatur thematisiert wurde, wird nun erstmals das Verhältnis von Liebe und Arbeit aus einer europäischen Perspektive dargestellt und mit gesellschafts- und diskursprägenden politischen und sozialen, rechtlichen und kulturellen Phänomenen des 19. und 20. Jahrhunderts verbunden: „Als Ergebnis zeigt sich, dass einerseits Arbeit ein zentrales Orientierungsmoment darstellt und dass andererseits die Geschlechterliebe an oberster Stelle der Hierarchie der sozialen Beziehungen steht.“

    Der Edith Saurer Fonds

    Gegen Ende des Jahres 2010 schrieb Edith Saurer an den damaligen AK-Präsidenten Herbert Tumpel: „Da ich mich den Kammern für Arbeiter und Angestellte verbunden fühle und deren sozialwissenschaftliche Tradition immer geschätzt habe, würde es mich sehr freuen, wenn der Fonds ähnlich dem Theodor Körner Fonds bei der Arbeiterkammer Wien angesiedelt werden kann. Damit wäre nicht nur eine Kontinuität in der Geschäftsführung, sondern auch die in meinem Sinne liegende inhaltliche Ausrichtung gewährleistet.“ Der Präsident sagte die Übernahme der Geschäftsführung des Fonds mit den Worten zu: „Ihr Ansinnen ehrt die Kammer für Arbeiter und Angestellte sowohl durch Ihr Vertrauen in unsere Institution wie auch durch die damit verbundene inhaltlich-wissenschaftliche Wertschätzung ArbeitnehmerInnen orientierter Forschung.“ Konnte in der Folge von Edith Saurer die Satzung des Fonds noch selbst formuliert und die Ersteinlage vorgenommen werden, so wurde nach ihrem Ableben nach ihren Wünschen die Geschäftsführung im „Geschichtsinstitut von AK und ÖGB“ eingerichtet und der Vorstand (Univ.-Prof. Dr. Josef Ehmer – Vorsitz, Dipl.-Kff. Wilhelmine Goldmann und der Verf.) sowie der Wissenschaftliche Beirat (Univ.-Prof.in Dr.in Ruth Wodak – Vorsitzende, Univ.-Prof.in Dr.in Angiolina Arru, Univ.-Prof. Dr. Gerhard Botz, Univ.-Prof. Dr. Josef Ehmer, Univ.-Prof.in Dr.in Margareth Lanzinger, Univ.-Prof. Dr. Meinrad Ziegler) konstituiert. Der bislang ausschließlich aus dem nachgelassenen Vermögen von Edith Saurer gespeiste Fonds vergibt ab 2013 jährlich an eine/n oder mehrere AntragstellerInnen ein einmaliges Forschungsstipendium zwischen 5.000 und 20.000 Euro. Die Ausschreibung richtet sich an in- und ausländische promovierte WissenschafterInnen. Das Forschungsstipendium wird für noch nicht abgeschlossene Projekte mit dem Fokus auf folgende Kriterien vergeben:

    • Fragen sozialer Ungleichheit in einem breiten Zusammenhang unter den Aspekten von
    • Geschlecht, Klasse, Lebensstil, Ethnizität und Religionszugehörigkeit,
    • schwerpunktmäßig Europa von der frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert,
    • komparative und internationale Studien.

    35 Ansuchen 2013/14

    Nach Erstellung der Homepage www.edithsaurerfonds.at sind durch die bis Ende des Jahres 2013 laufende Ausschreibung 35 Bewerbungen zu für die Geschichtswissenschaft interessanten und überwiegend innovativen Forschungsprojekten eingelangt, die in den nächsten Wochen vom Wissenschaftlichen Beirat geprüft und auf die Förderungswürdigkeit beurteilt werden. Die feierliche Überreichung der Forschungsstipendien wird im Mai 2014 in der Bibliothek der Arbeiterkammer Wien stattfinden. Die Fokussierung auf die historische Erforschung einer (zunehmend) ungleichen Verteilung materieller und immaterieller Güter im Kapitalismus in Hinblick auf Geschlecht, Klasse, Lebensstil, Ethnizität und Religionszugehörigkeit wird nicht nur den kritischen Diskurs über Verteilungsgerechtigkeit fördern, sondern wird im Sinne von Edith Saurer einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Etablierung einer fairen und gerechten Gesellschaft leisten.

    Mehr Infos unter: www.edithsaurerfonds.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor klaus.mulley@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Klaus-Dieter Mulley, Institut zur Erforschung der Geschichte der Gewerkschaften und Arbeiterkammern Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161433 Edith Saurer war nicht nur eine der Initiatorinnen der feministischen Geschichtsforschung in Österreich, sondern vielmehr eine Kämpferin für Gerechtigkeit und gegen jede Form von Diskriminierung. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161450 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104161417 Wer hat Zeit? Die Lebensläufe von Frauen und Männern unterscheiden sich – abseits geschlechtsspezifischer Ausbildungs- und Berufswahl – zu einem hohen Grad durch die Verteilung der bezahlten Erwerbs- und der unbezahlten Versorgungsarbeit. In Österreich ist die Ungleichverteilung zwischen diesen beiden Arbeitssphären nach wie vor sehr ausgeprägt: Frauen leisten rund 66 Prozent der unbezahlten Arbeit und Männer 34 Prozent, während sich das Verhältnis bei der Leistung bezahlter Arbeit umkehrt. 39 Prozent der bezahlten Arbeit wird von Frauen und 61 Prozent von Männern geleistet (vgl. Statistik Austria 2009).

    Ob Kinder oder keine …

    Mit der Übernahme von Versorgungspflichten für Kinder findet im Normalfall eine Umschichtung der bezahlten und unbezahlten Arbeit von Männern zu Frauen statt. Auch wenn ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden hat, mit dem und durch den eine verstärkte Einbindung von Frauen in die Erwerbsarbeit einhergegangen ist, hat sich an der grundsätzlichen Zuständigkeit von Frauen für die Versorgungsarbeit wenig geändert. Eine aktuelle Studie im Auftrag der Arbeiterkammer Wien zeigt, dass außerdem für viele Beschäftigte Arbeitszeitbedingungen bestehen, die eine Vereinbarkeit erschweren. Überlange Arbeitszeiten bedingt durch Über- und Mehrstunden stellen speziell für Männer ein Hindernis dar (vgl. Bergmann et al. 2014). In Österreich besteht eine hohe Verbreitung der Vollzeit/Teilzeit-Haushalte mit vollzeitbeschäftigten Männern und teilzeitbeschäftigten Frauen: Gibt es zwei Erwerbseinkommen in einer elterlichen Partnerschaft, beträgt dieser Anteil 71 Prozent, in 25 Prozent der DoppelverdienerInnenhaushalte arbeiten beide PartnerInnen Vollzeit und dass beide teilzeitbeschäftigt sind, ist nur bei vier Prozent der Fall (Bergmann et al.: 91)1. Die Arbeitszeitkultur in Betrieben, das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern, das immer noch unzureichende Angebot an Kinderbetreuung und die geschlechtsspezifischen Rollenzuschreibungen sind für andere Formen der Aufteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit wenig förderlich.

    Die häufigste Arbeitszeitform geschlechtsspezifischer Prägung ist Teilzeitarbeit. In dieser kommen die Widersprüche der verstärkten Einbindung von Frauen in den Arbeitsmarkt und ihrer nach wie vor bestehenden Zuständigkeit für Versorgungsarbeit zum Ausdruck. Die Analyse der Zahlen im Zeitverlauf belegt einen stetigen Anstieg der vorwiegend weiblichen Teilzeitbeschäftigten sowohl in absoluten Zahlen als auch in Relation zur Gesamtbeschäftigung. Die Teilzeitquote der unselbstständig erwerbstätigen Frauen hat sich im Zeitraum 1995 bis 2012 von 27,2 Prozent auf 45,4 Prozent erhöht (Statistik Austria 2014). In den letzten Jahrzehnten wurde die Beschäftigungszunahme bei den Frauen ausschließlich durch die Zunahme der Teilzeitbeschäftigung getragen, während sich die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze seit 1995 reduziert hat. Ohne diese stattfindende Arbeitszeitverkürzung auf individueller Ebene wäre der Anstieg der weiblichen Erwerbsarbeit bei gleichzeitiger Beibehaltung der männlichen Vollzeitarbeit in dieser Breite gar nicht möglich gewesen. Denn selbst der geringe Anstieg der teilzeitbeschäftigten Männer (mit einer Teilzeitquote von 7,7 Prozent) verweist nur zu einem minimalen Anteil auf einen Anstieg der Teilnahme an Versorgungsarbeit: Männer, die sich in einer Teilzeitbeschäftigung befinden, sind in der Tendenz jung, kinderlos und tun dies neben einer Ausbildung (vgl. Sorger 2012, Sorger 2014). Werden nur die Zahlen der Erwerbstätigen mit Kindern unter 15 Jahren im Haushalt herangezogen, dann beträgt die Teilzeitquote der Männer vier Prozent, während von den Frauen 62 Prozent teilzeitbeschäftigt sind (vgl. Statistik Austria 2011).

    Frauen zahlen einen hohen Preis

    Dafür, dass Frauen Erwerbsarbeit und unbezahlte Versorgungsarbeit parallel leisten können bzw. müssen, zahlen sie einen hohen Preis. Dieser besteht in einer überdurchschnittlichen Beschäftigung in niedriger qualifizierten Tätigkeiten mit geringem Einkommen. Und das hat wesentlichen Einfluss auf die stark ausgeprägten Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern (vgl. Bergmann et al. 2009). Der rasante Anstieg der Teilzeitbeschäftigung in den letzten Jahrzehnten bedeutet eine De-facto-Arbeitszeitverkürzung auf individueller Ebene ohne Lohnausgleich, die fast ausschließlich zu Lasten der Frauen ging. In derselben Zeit stagnierten Bestrebungen in Richtung einer generellen Arbeitszeitverkürzung. Ein weiteres geschlechtsspezifisches Kennzeichen der Arbeitszeitstruktur des österreichischen Arbeitsmarktes ist bei den geleisteten Überstunden zu finden.

    Männer, deren Erwerbsbiografien durch Vollzeitarbeit dominiert sind, weisen zusätzlich auch noch die meisten Überstunden auf, wodurch sich der Gender-Gap in der Anzahl der Arbeitsstunden weiter verschärft. Regelmäßig über die Normalarbeitszeit hinaus arbeiteten im Jahr 2011 rund 26 Prozent der männlichen und rund 12 Prozent der weiblichen unselbstständig Beschäftigten (Statistik Austria 2012). Werden nur jene betrachtet, die mehr als neun wöchentliche Überstunden aufweisen, verstärkt sich der Gender-Gap, mit 9,6 Prozent bei Männern und 3,7 Prozent bei Frauen. 75,4  Prozent der Frauen mit Überstunden erbringen bis zu neun Überstunden pro Woche, von den Männern sind es in dieser Kategorie bedeutend weniger mit 62,8 Prozent. Das bedeutet, dass 37 Prozent aller überstundenleistenden Männer mehr als 10 Stunden über ihrer festgelegten Arbeitszeit arbeiten, während dieser Anteil bei Frauen 24,6 Prozent beträgt (Statistik Austria 2012).

    Emanzipatorische Arbeitszeitpolitik

    Auch wenn sich unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise die überlangen Zeiten etwas reduziert haben, bleibt das Grundproblem der Ungleichverteilung der Arbeitszeit bestehen. Dass es auch anders geht, zeigt etwa das Beispiel Schweden, wo die Arbeitszeitreduktion beider Elternteile zur gerechteren Aufteilung der Kinderbetreuungspflichten in Form eines Steuerbonus finanziell unterstützt wird (vgl. Scambor et al. 2013). In Österreich hingegen sind kaum Initiativen zu verzeichnen, die eine egalitäre Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Frauen und Männern anpeilen. In der Arbeitszeitdiskussion der letzten Jahrzehnte dominierten Fragen der Flexibilisierung und Ausweitung der Arbeitszeit (vgl. Sorger 2014).

    Was wir brauchen, ist ein neues Leitbild in der Arbeitszeit und für die Arbeitszeitpolitik. Denn Vollzeit für alle (auf Basis von 40 oder mehr Wochenstunden) kann angesichts der angespannten Situation am Arbeitsmarkt, der Bedeutung von Stress für die Gesundheit und der Bereitschaft und dem Bedürfnis von immer mehr Frauen und Männern nach einer partnerschaftlichen Aufteilung der Versorgungsarbeit kein erstrebenswertes Modell sein. Ein neues Arbeitszeitregime, das einen Ausgleich zwischen kurzen und überlangen Arbeitszeiten herstellt, würde einen wesentlichen Beitrag zu einer egalitäreren Verteilung der Arbeitszeit zwischen Frauen und Männern leisten.

    1 Im Rahmen dieser Studie wurden unselbstständige Erwerbstätige befragt, die mit Kindern im Alter von 0–12 Jahren in einem Haushalt leben.

    Webtipp: Claudia Sorger: Geschlechterrollen und gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik: tinyurl.com/orptjo8

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sorger@lrsocialresearch.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

    Info&News

    Sorger, Claudia (2014): Wer dreht an der Uhr? Geschlechtergerechtigkeit und gewerkschaftliche Arbeitszeitpolitik. Münster: Westfälisches Dampfboot

    Sonstige Quellen:
    Bergmann, Nadja, Papouschek, Ulrike & Sorger, Claudia (2010): Qualität von Teilzeitbeschäftigung und Verbesserung der Position der Frauen am Arbeitsmarkt – Analyse und Umsetzungsbeispiele. Wien: Studie im Auftrag des Bundeskanzleramts Österreich, Bundesministerin für Frauen und öffentlicher Dienst

    Bergmann, Nadja, Danzer, Lisa & Schmatz, Susanne (2014): Vereinbarkeit von Beruf und Kinderbetreuung – betriebliche Rahmenbedingungen aus Sicht berufstätiger Eltern. Wien: Studie im Auftrag der AK Wien

    Scambor, Elli, Wojnicka, Kassia & Bergmann, Nadja (Hrsg., 2013): The Role of Men in Gender Equality – European strategies & insights. Luxembourg: Publications Office of the European Union

    Statistik Austria (2011): Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Modul der Arbeitskräfteerhebung 2010. Wien

    Statistik Austria (2012): Arbeitskräfteerhebung. Ergebnisse des Mikrozensus 2011. Wien

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    Claudia Sorger, L&R Sozialforschung Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161425 39 Prozent der bezahlten Arbeit wird von Frauen und 61 Prozent von Männern geleistet (vgl. Statistik Austria 2009). http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104161393 Vom Binnen-I zur Mann Eine davon ist Horst Simon, Professor für historische Sprachwissenschaft an der freien Universität Berlin. Vor seinen Studierenden bezeichnet er sich gerne als Linguistin. Eine allgemeine Bezeichnung, die im Vorjahr für Aufsehen sorgte. Hatte doch die Universität Leipzig (ebenso wie die Uni Potsdam zuvor) im Sommer 2013 das „generische Femininum“ in ihrer Verfassung verankert. In allen offiziellen Schreiben der beiden Bildungseinrichtungen wird nunmehr ausschließlich die weibliche Form verwendet, um Personen zu benennen. Frauen seien an dieser Einrichtung schließlich in der Mehrheit, lautete die Begründung. Doch dürften sich Männer durchaus mitgemeint fühlen. „Irrsinn an der Universität“, betitelte Bild-Online den ketzerischen Schritt.

    Das amüsiere ihn, kommentierte Horst Simon. Beim feministischen Sprachgebrauch zeigten vor allem Männer immer wieder Furcht, ihre Pfründe zu verlieren. „Wenn man nicht glaubt, dass Männer die Normalos unter den Menschen sind und Frauen nur Sonderfälle, muss man dies auch sprachlich sichtbar machen.“ Schließlich zeigen Studien, vor allem bei Kindern, dass nicht alle sich angesprochen fühlen, wenn etwa von „fünf Professoren“ die Rede ist.

    Sprachliche Burka

    Sprache bildet die Wirklichkeit nicht nur ab, sie konstruiert sie auch mit, das ist mittlerweile nicht nur in der Sprachwissenschaft bekannt. Im Deutschen vermag es das „generische Maskulinum“ (d. h. ein grammatikalisch männliches Substantiv bezeichnet beide Geschlechter) Frauen sprachlich zum Verschwinden zu bringen. „Es macht jede Frau besser als jede Burka unsichtbar, nämlich scharenweise“, schrieb die Sprachwissenschafterin Luise F. Pusch in ihrem Pionierwerk (1984) „Das Deutsch als Männersprache: Aufsätze und Glossen zur feministischen Linguistik“.

    Seit dem von Pusch zum Klassiker gemachten Satz „Die Menstruation ist bei jedem anders“ weist die Emanzipation der deutschen Sprache durchaus Erfolge auf. In Österreich sind geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen seit 1985 verboten, 1990 wurde die sprachliche Gleichbehandlung im Bundesrecht verabschiedet, seit 2001 wird geschlechtergerechter Sprachgebrauch in der gesamten Bundesverwaltung angeordnet. Der ÖGB hatte im Jahr 2004 beschlossen, Gender Mainstreaming auch sprachlich umzusetzen. „Die deutsche Sprache bietet genug Möglichkeiten, um auszudrücken, dass es zwei Geschlechter gibt“, heißt es dazu etwa in der Broschüre „Ich Tarzan – Du Jane: Anleitung zur gendergerechten Mediengestaltung“.

    Binnen-I

    In der feministischen Linguistik ist das Binnen-I eine der am weitest verbreiteten Methoden zur Demokratisierung der deutschen Sprache. 1984 eingeführt von der Zürcher Wochenzeitung WoZ, fand es über die deutsche Tageszeitung taz Eingang in die offiziellen Leitfäden zu geschlechtergerechter Sprache. 

    Nach neutralen Umschreibungen als zweitbeste aller Lösungen bezeichnete die deutsche Journalistin Ute Scheub die Binnen-Majuskel bereits 1983 in einem Vortrag über den Marsch des „I“s durch (alternative) Medien und Institutionen. Mittlerweile wird es aber auch von Frauen kaum noch in der taz verwendet. „Entweder, um nicht als ‚Feministin‘ zu gelten“, meint Scheub. „Oder, falls es sich um eine Feministin handelt, um nicht als ‚altbacken‘ zu erscheinen.“

    Seit den „linguistischen Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau im öffentlichen Raum“, 1988 vom damaligen Arbeitsministerium in Österreich herausgegeben, wurde gendergerechte Sprache stets weiterentwickelt. Die Generalklausel „personenbezogene Ausdrücke erfassen Frauen und Männer gleichermaßen“ sind (eigentlich) von gestern. Grauenhafte Ableitungen und Aufzählungen oder die „Holzfällermethode“ durch Schrägstriche, die jede/n Sprachempfindliche/n schmerzen und bei ihm/ihr das Gegenteil zu bewirken imstande sind, gehören eher den Anfängen bzw. dem sprachlichen Instrumentarium von behäbigen Behörden an. Ute Scheub etwa hat das Wort „jede/r“ aus ihrem Wortschatz gestrichen und es durch „alle“ ersetzt.

    Künstliche Konstruktion

    In seinem Aufsatz „Wort und Wirklichkeit: Kann Sprache diskriminieren?“, stellt der Sprachwissenschafter Anatol Stefanowitsch die grundsätzliche Frage nach der Bedeutung der Differenzierung der Geschlechter in Texten. „Diese Unterscheidungen kommen uns natürlich vor, aber sie haben tatsächlich nichts mit objektiver Realität zu tun, sondern werden durch die Sprache überhaupt erst konstruiert.“ Ungeachtet dessen muss weiterhin daran gearbeitet werden, die gesellschaftliche Realität auch in der Sprache abzubilden. Denn, so etwa die Literaturwissenschafterin Anna Babka: „Es geht immer um Sichtbarmachen und um Symmetrie. Indem man Frauen über die Sprache sichtbar macht, verändert man ihre Realität. Weil Sprache performativ ist und das, was sie beschreibt, auch hervorbringt.“

    Die Idee, in geschlechtsabstrahierenden Zusammenhängen oder bei gemischtgeschlechtlichen Personengruppen das Femininum zu verwenden, stammt, ebenso wie der Fachbegriff „generisches Femininum“, aus Luise F. Puschs 1988 erschienenem Aufsatz „Totale Feminisierung: Überlegungen zum umfassenden Femininum“. „Dass diese Idee und die Bezeichnung dafür es in nur fünfundzwanzig Jahren in die Satzung einer großen deutschen Universität und in Deutschlands auflagenstärkste Zeitung geschafft haben, ist ein beeindruckendes Zeugnis für Puschs Reichweite. Und für die Unaufhaltsamkeit ihrer Ideen“, schreibt Anatol Stefanowitsch in seinem Aufsatz zum „Maskulinum, Femininum und darüber hinaus“, der in der Festschrift „Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen“ heuer erschienen ist.

    Nicht das Gelbe vom Ei

    Das Aufleben der Bewegung gegen Sexismus in der Sprache, die Emma-Kampagne gegen Prostitution bis hin zur institutionellen Verwendung der weiblichen Form in offiziellen Schreiben: 2013 gilt unter den Pionierinnen und emanzipatorischen Linguistinnen als Jahr der Erfolge.

    „Mir war, als würde plötzlich eine Ernte eingefahren nach Jahrzehnten des Ackerns“, schreibt Luise F. Pusch im Vorwort ihres 2014 erschienenen Buches „Gerecht und Geschlecht: Neue sprachkritische Glossen“. Das Resultat unserer Bemühungen, meint Ilse F. Pusch, die in den 70er-Jahren gemeinsam mit Senta Trömel-Plötz die feministische Linguistik begründet hatte, „wird zusammengefasst in dem Slogan: Das Maskulinum ist nicht mehr das, was es einmal war“. Es habe seine Unmarkiertheit verloren, die Möglichkeit, per se für beide Geschlechter stehen zu können.

    Gerne erinnert die streitbare 70-Jährige in diesem Zusammenhang auch an ihren Vorschlag, den sie vor rund 30 Jahren erstmals zur Sprache brachte: „Was wäre“, sagte sie damals, „für all jene Mitteilungszusammenhänge, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt, das Neutrum zu verwenden? Gesucht würde demnach ein Professor, das sich in feministischer Theorie auskennt.“ Zwar ist es schon einige Jahrtausende her, dass sich das männliche Geschlecht asymmetrisch in der Sprache niedergelassen hat und rein nach dem Rotationsprinzip wäre es an der Zeit für eine kleine Übung in Empathie. Doch ist das irgendwie Mitgemeint-sein vielleicht auch nicht ganz das Gelbe vom Ei?

    Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit trat Ende 2013 das Tiroler Kinder- und Jugendwohlfahrtsgesetz in weiblicher Form in Kraft. Zu vermuten ist, dass Ähnliches im Falle der sprachlichen Gleichbehandlung etwa von Aufsichtsrätinnen Aufruhr verursachen würde.

    Webtipp: Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren und eine diskriminierungsfreie Bildsprache: tinyurl.com/nc8tjwh

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin gabriele.mueller@utanet.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Gabriele Müller, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161381 Sprache bildet die Wirklichkeit nicht nur ab, sie konstruiert sie auch mit, das ist mittlerweile nicht nur in der Sprachwissenschaft bekannt. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161400 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Mar 2014 00:00:00 +0100 1394104161363 Frauen, es ist gut und richtig, was ihr tut. Zur Person
    Barbara Prammer
    Geboren am 11. Jänner 1954, Ottnang am Hausruck, zwei Kinder
    Präsidentin des Nationalrates, Soziologin
    1968–1973 Handelsakademie in Vöcklabruck
    1973–1978 Standesbeamtin am Gemeindeamt Ottnang am Hausruck
    1978–1986 Studium der Soziologie an der Universität Linz (Mag. rer. soc. oec.)
    1986–1989 Sozial- und Berufspädagogin im Beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum (BBRZ) Linz
    Seit 1989 beschäftigt beim Arbeitsmarktservice Oberösterreich
    Politische Funktionen:
    1991–1995 Abgeordnete zum OÖ Landtag
    1991–1995 2. Präsidentin des OÖ Landtages
    1995–1997 Landesrätin der OÖ Landesregierung
    10.5.2004–31.1.2005 Mitglied des Österreich-Konvents
    1990–2005 Landesfrauenvorsitzende der SPÖ Oberösterreich
    1991 Landesparteivorsitzender-Stellvertreterin der SPÖ OÖ
    seit 1995 Stv. Bundesparteivorsitzende der SPÖ
    seit 1997–2009 Bundesfrauenvorsitzende der SPÖ
    28.1.1997–4.2.2000 Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz
    seit 1999 Abgeordnete zum Nationalrat (XXI.–XXIV. GP), SPÖ
    2000–2004 Stv. Klubvorsitzende der Sozialdemokratischen Parlamentsfraktion – Klub der sozialdemokratischen Abgeordneten zum Nationalrat, Bundesrat und Europäischen Parlament
    16.6.2004–30.10.2006 Zweite Präsidentin des Nationalrates
    2005–2012 Vizepräsidentin SIW (Socialist International Women)
    seit 2006 Präsidentin des Nationalrates 

    Arbeit&Wirtschaft: Femme geniale nennen wir unser Heft zum Schwerpunktthema Feminismus. Sie sind deklarierte Feministin. Als Nationalratspräsidentin sind Sie die formal mächtigste Frau im Land. Empfinden Sie sich als mächtig?   

    Barbara Prammer: Ich weiß gar nicht, ob man sich so fühlen kann. Es ist mir bewusst, dass die Funktion der Nationalratspräsidentin wirklich wichtig ist. Man wächst in ein solches Amt hinein, fühlt nicht ständig nach. Ich weiß aber, dass ich eine der wenigen Frauen in so einer Position bin und dass wir Frauen einen enormen Weg hinter uns gelegt haben, um dorthin zu gelangen. Insofern ist mir das bewusst, alles andere kommt mir gar nicht in den Sinn.  

    Haben Frauen einen anderen Zugang zum Begriff Macht, wie gerne behauptet wird? 

    Oh, ich habe einen positiven Zugang zur Macht. Wer nicht Macht haben will, hat schon verloren und kann nicht mächtig sein. Wer etwas verändern und bewegen will, muss Macht haben. Sonst geht das nicht. Macht hat nichts mit Machtmissbrauch zu tun, das wird oft verwechselt. Ich glaube, es ist wichtig, dass man gerade diesen Unterschied Frauen immer wieder nahebringen muss, gerade jungen Frauen. 

    Auch weil es eine demokratisch legitimierte Macht ist? Sie versuchen ja mit ihrem Buch vor allem jungen Leuten das Thema Demokratie nahezubringen.

    Das ist ein steiniger Weg. Uns allen war lange nicht bewusst, wie notwendig der ist. Je länger wir uns in einer Demokratie befinden, umso selbstverständlicher wird alles und umso gefährdeter zugleich. Junge Menschen machen sich vorerst nicht automatisch Gedanken über das, was verloren gehen könnte, oder darüber, dass sie plötzlich in einer ganz anderen Situation leben könnten oder müssten. Daher ist es notwendig, darauf hinzuweisen, was Demokratie ist oder sein kann. Und dass Demokratie nur funktioniert, wenn möglichst viele – am besten alle – daran teilhaben.  

    Wie sind Sie eigentlich Feministin geworden?

    Ich hatte Glück: Ich bin in einer zwar sehr traditionellen Familie in Oberösterreich aufgewachsen – wir waren vier Kinder, die Mutter war immer Hausfrau. Aber sie war immer die technisch Versierte in der Familie, die mit Hausverstand und goldenen Handwerkerhänden, sie hat das Geld verwaltet etc. Ganz ungewöhnlich im Grunde genommen. Für uns war selbstverständlich, dass meine Mutter das alles macht. Mein Vater war politisch sehr engagiert. Meine Mutter auch – aber mit vier Kindern?  

    Vor allen Dingen war es aber meinen Eltern sehr wichtig, dass wir Kinder, drei Mädchen und ein Bub, alle Bildungschancen haben. Wir waren eine klassische Arbeiterfamilie. Bis heute wird in Österreich der Bildungsstand vererbt. Da waren wir auch eine Ausnahme. Meine Eltern haben immer gewusst, das Wertvollste, das sie ihren Kindern mitgeben können, ist gute Bildung und Ausbildung.  Also hatte ich doppeltes Glück.

    Aber dann ist es losgegangen: Immerhin war ich kurz vor der Matura schwanger. Ab dieser Zeit habe ich – erst vielleicht unbewusst – die Positionen des Feminismus ergriffen. Als junger, lediger Mutter am Land hat man es mir nicht leicht gemacht. Im ersten Job habe ich dann auch schnell die gläserne Decke gespürt. Daher war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich das alles auch formulieren konnte. Irgendwann zieht man aus dem, was man erlebt hat, aus dem, was Überzeugungen sind, den Schluss: Ich bin Feministin.   

    Und ich wehre mich jetzt? 

    Das war für mich soundso immer das Grundprinzip. Nicht nur mich zu wehren, sondern auch für andere einzutreten. Geschimpft ist schnell. Ich verlange von den Menschen, dass sie an die Demokratie nicht nur ihre Anliegen stellen, ihre Rechte einfordern, sondern, dass sie auch ihre Pflichten wahrnehmen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten – manche haben mehr, manche weniger. Es geht darum, auch für die anderen einzustehen. Der wichtige Begriff Solidarität gehört immer wieder neu in den Mittelpunkt gerückt. 

    Ist der Feminismus für junge Frauen heute noch zeitgemäß?

    Ich glaube, es hat sich gar nicht so viel verändert, nur verschoben. Als ich ein junges Mädchen war, machten wir früher als heute negative Erfahrungen. Die jungen Frauen haben statistisch betrachtet die höhere Ausbildung und kommen später in die Situation, möglicherweise Diskriminierung zu erfahren. 
    Natürlich kann man mit den jungen Frauen reden und sie warnen – es nützt oft nur wenig. Ich glaube, dass viele die eigene Erfahrung machen müssen, um das zu begreifen. Es tut zwar weh, das zu sehen, aber es war bei uns nicht anders. 
    Politisch kann man nur daran arbeiten, so selten wie möglich Situationen zu schaffen, in denen Frauen solche Erfahrungen machen. Das ist die Herausforderung. 

    Sie setzen auch große Hoffnung in die Zivilgesellschaft. Hat Feminismus Platz im Netz?

    Auch da muss man sehr aufpassen. Vielen neuen, auch politischen Bewegungen ist z. B. Quote völlig egal. Da sitzen wieder nur Männer in Leitungspositionen. Vieles erscheint da nicht mehr wichtig. Das macht mir Sorgen. Es ist zwar schön, wenn man merkt, da wehrt sich auch jemand. Aber die große Gefahr ist der Schlendrian bei vielen jungen Menschen, dieses „nicht genau Hinsehen“. Vielleicht ist es sogar schwieriger geworden, sich zu organisieren, so absurd es scheint.   

    Es gäbe alle Möglichkeiten, aber letztlich brauchen wir wirklich jemanden, dem wir die Hand geben können. Es reicht nicht, auf eine Taste zu drücken. Das sind die Herausforderungen, die natürlich vor allem die jungen Menschen bewältigen müssen.
    Es ist schon eine sehr fragile Zeit, in der wir leben. Ich bin aber nicht von vorneherein pessimistisch.

    Glauben Sie, dass so etwas wie das Frauenvolksbegehren heute noch einmal möglich wäre? Oder wäre es gar nicht mehr notwendig? 

    Notwendig ist es immer, für die Rechte und Anliegen von Frauen, gegen Benachteiligungen einzutreten. Wir sind noch lange nicht am Ziel. Da muss ich mir nur die Einkommensschere ansehen oder was alles noch zu tun ist, um Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen usw. Die Liste ist lang. Man darf auch nicht übersehen, was inzwischen geschehen ist. Ich war 1997 zur Zeit des Frauenvolksbegehrens Frauenministerin. Wir haben damals von einem einigermaßen flächendeckenden Netz von Kinderbetreuungseinrichtungen geträumt. Heute reden wir „nur noch“ von den Öffnungszeiten. Kaum jemand würde heute noch die Sinnhaftigkeit dieser Entwicklung ernsthaft hinterfragen. Da sind auch andere Zugänge: Einen Kindergarten brauche ich ja nicht nur, um berufstätig zu sein, sondern um meinem Kind das Beste mit auf den Weg zu geben.  

    Es ist viel passiert: Es ist natürlich großartig, dass die Frauen den höheren Bildungsgrad erreichen. Nur müssen sie dann auch die Chance haben, etwas daraus machen zu können. Und da fehlt es noch, an diesen Chancen. 

    Seit 2009 ist Gender Budgeting in der Verfassung verankert – woran merkt man das?   

    Ich halte Gender Budgeting für wichtig. Aber da ist noch sehr viel Lernbedarf da. Ich bin ja selbst ein „haushaltsführendes Organ“, wie man so schön sagt, wie eine Ministerin, ein Minister. Ich muss natürlich auch Gender Budgeting für das Parlamentsbudget umsetzen. Und das ist wirklich nicht leicht. 

    Man muss sich von vorneherein überlegen: Wie messe ich, was will ich messen? Wir müssen eine bestimmte Anzahl von Haushaltsansätzen vorweisen, die „gegendert“ sind. Eigentlich müssten wir jede Zahl überprüfen. Ich habe mir das selbst einfacher vorgestellt. Es gibt immer wieder Irrtümer. Manche glauben, wenn wir ein „Frauenprojekt“ machen, ist das schon Gender Budgeting. Das ist es natürlich nicht.   

    Aber das ist genau das Positive daran: Jetzt müssen alle genau hinsehen und sich anstrengen. Auch wenn es nicht immer gleich gelingt: Wir müssen uns anstrengen und nachdenken. Das ist die große Veränderung. 

    Ist Gender Budgeting die logische Folge von Gender Mainstreaming? 

    Was Gender Mainstreaming betrifft, war ich immer auch ein wenig skeptisch. Als vor etwa 15 Jahren Gender Mainstreaming eingeführt wurde, hat die Gefahr bestanden, dass es die klassische Frauenpolitik verdrängen könnte. Das hätte ich für falsch erachtet. Das hat sich dann aber nicht so entwickelt, weil es immer sorgfältig prüfende und kritische Frauen gibt. Mir ist es aber lieber, es wird strikte Frauenpolitik gemacht und man definiert zwei, drei Ansätze als die wirklich großen Herausforderungen. Wenn man alles gleichermaßen im Blick hat, bleibt man überall oberflächlich.

    Konkrete Frauenpolitik, aber es gibt kein eigenes Frauenministerium mehr?  

    Wir haben eine Frauenministerin und einen Wissenschaftsminister. Natürlich sind Symbole wichtig. Aber es gibt auch die Macht des Faktischen dahinter. Es hat meines Erachtens noch nie so eine mächtige Frauenministerin gegeben wie heute, mit einem derart großen Ressort, mit so vielen Einflussmöglichkeiten. Das wird sich auf die Frauenpolitik auswirken – und davon bin ich überzeugt, weil Gabi Heinisch-Hosek auch sorgfältig genug sein wird. Und wenn man noch dazu das Unterrichtsressort betrachtet: Die Lehrerinnen sind klar die Mehrheit. Es ist das also eine gute Kombination der Ressorts. 

    Eine positive Entwicklung also? 

    Wir kennen die Geschichte: Zuerst war das Staatssekretariat, dann kam sehr spät eine Frauenministerin – kein Frauenministerium – im Bundeskanzleramt angesiedelt. Erst zu meiner Zeit – und ich war die dritte Frauenministerin – ist das erste Mal im Bundeskanzleramt eine Frauensektion entstanden. Vorher mussten irgendwelche Sektionen Frauenangelegenheiten irgendwie mitbearbeiten. Dass z. B. ich aber damals Konsumentenschutz dazubekommen habe, war die Chance schlechthin. Ein eigenständiges Frauenministerium ist nicht machbar, da lügt man sich in die Tasche. Das macht keinen Sinn, wenn man die Strukturen kennt. Eine Frauenministerin muss ein Standing haben, das auch im zugeteilten Ressort gründet. Sie muss gehört werden und sie muss so viel wie möglich Macht und Einfluss haben. Und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg. 

    Manchmal wird vergessen, dass Frauenpolitik mehr ist als das oft angefeindete Binnen-I. Wie wichtig ist gegenderte Sprache? 

    Sehr wichtig. Wenn ich im Parlament den Vorsitz habe, höre ich nach wie vor oft: Frau Präsident. Ich kann es nicht ständig einfordern. Aber das wird noch immer gerne vernachlässigt. Die lustigste Geschichte in diesem Zusammenhang war, als ich zweite Nationalratspräsidentin wurde, wurde gerade die Website des Parlaments umgestellt. Natürlich wollte man alles – wie gehabt – männlich formulieren. Andreas Khol, damals Nationalratspräsident, war da aber vorsichtig. Er wollte sich zu Recht keine Flanke aufmachen. So hat er die Beamten damals zu mir geschickt. Die haben mir erklärt, dass „gendern“ unmöglich ginge: Beide Geschlechter gingen nicht, das große I schon gar nicht. „Dann nehmen wir halt die weibliche Form und die Sache ist erledigt“, war mein Vorschlag. Und plötzlich wurde eine Lösung gefunden. 

    Leider wird die Sichtbarmachung durch die Sprache nach wie vor unterschätzt. Es gibt mittlerweile viele Frauen, die sensibel sind und sich fragen, warum muss ich mich mit der männlichen Form ansprechen lassen.  

    Was sind die dringlichsten Probleme der Frauen in Österreich 2014?

    Die Einkommensfrage ist das Wichtigste. Und der katastrophale Umstand, dass es in Österreich so viele Frauen gibt, die Teilzeit arbeiten – freiwillig oder unfreiwillig. Das ist die Armutsfalle pur. Beschäftigung und Einkommen sind meiner Ansicht nach zentrale Fragen. Unabhängigkeit und eigenes Einkommen bewirken, dass Frauen sich auch gegen Gewalt schützen können, dass sie andere Wege einschlagen können usw. Daher muss darauf der größte Wert gelegt werden. Da sind wir nicht gut in Österreich, das muss man ehrlich sagen. 

    Ich glaube, den Frauen muss immer wieder der Rücken gestärkt werden: Sie vergeben sich nichts, wenn sie einen Teil der Hausarbeit oder der Kinderbetreuung abgeben, ihren Rucksack ein Stück weit leeren und den der anderen ein bisschen füllen. Daher ist es so wichtig, eine Frauenministerin zu haben. Es muss immer jemanden geben, der sagt: Frauen, es ist gut und richtig, was ihr tut. 

    Was für eine Welt wünschen Sie sich für Ihre Enkeltochter? 

    Ich wünsche mir und ihr eine Welt, die Perspektiven hat, die Möglichkeiten eröffnet anstatt Türen schließt. Das ist das Wichtigste, was man heute den Kindern und den jungen Menschen wünschen muss. Während unsere Eltern noch sehr beruhigt sein konnten, dass ihre Kinder in eine bessere Welt gehen, können wir das für unsere Kinder und Enkelkinder nicht mehr so sehen. Daran müssen wir arbeiten.

    Wir danken für das Gespräch.

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    Das Interview führte Katharina Klee für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 2/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1394104161376 Barbara Prammer: "Oh, ich habe einen positiven Zugang zur Macht. Wer nicht Macht haben will, hat schon verloren und kann nicht mächtig sein. Wer etwas verändern und bewegen will, muss Macht haben. Sonst geht das nicht." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820811068 Faymann-Spindelegger, Forts. Wir haben eine nicht besonders aufregende Regierung. Geschenkt. Aber das allgemeine Lamento darüber wird langsam ein bisschen öd. (…) Und irgendetwas müssen die Koalitionäre auch in der Vergangenheit richtig gemacht haben, sonst stünde das Land nicht vergleichsweise so gut da. Wir jammern auf hohem Niveau.“ (Barbara Coudenhove-Kalergi)

    114 Seiten an Vorhaben

    Geht es nach Medien und Stammtischen, dann hat die Neuauflage der Regierung Faymann-Spindelegger einen katastrophalen Start hingelegt. Das Koalitionsprogramm – nichts als Langeweile, Feigheit und Ideenlosigkeit. Revolutionen sind natürlich keine enthalten, das liegt in der Natur des Kompromisses zwischen zwei Parteien, die ideologisch so unterschiedlich aufgestellt sind wie SPÖ und ÖVP. Doch wenn man sich die Mühe macht, sich anzusehen, was wirklich in den 114 Seiten an Vorhaben drinsteht, wie das die Expertinnen und Experten von AK und ÖGB gemacht haben, findet man einiges, was durchaus im Interesse der ArbeitnehmerInnen ist, und so manche AK-/ÖGB-Forderung hat Eingang in die To-do-Liste der Bundesregierung gefunden.

    Es wird Verbesserungen bei Arbeitsverträgen geben. Vor allem All-in-Verträge müssen künftig ausweisen, wie viel Geld für wie viele Stunden gedacht ist. Kollektivvertragliche Mindestlöhne/-gehälter können somit nicht mehr so leicht umgangen werden. Die sechste Urlaubswoche soll für alle ArbeiterInnen und Angestellen leichter erreichbar sein. Schrittweise wird ein Bonus-Malus-System aufgebaut: Firmen, die mehr ältere Beschäftigte auf ihren Gehaltslisten haben als im Branchendurchschnitt, werden einen Bonus bekommen, die darunter liegenden einen Malus. „Wir werden alles, was an Positivem für die Beschäftigten enthalten ist, rasch vorantreiben“, drängt ÖGB-Präsident Erich Foglar auf Tempo bei der Umsetzung.

    Laut AK-Präsident Rudi Kaske gibt es Betriebe mit mehr als hundert Beschäftigten, die keine einzige Person über 55 beschäftigen: „Das ist absolut inakzeptabel. Es braucht alternsgerechte Arbeitsplätze und Gesundheitsförderung in den Betrieben. Das von der Regierung angekündigte Bonus-Malus-Modell muss rasch realisiert werden, damit Ältere tatsächlich eine Chance auf für sie passende Arbeitsplätze haben. Die Unternehmen sind gefordert.“

    Auch für die Jüngsten im Berufsleben hat sich die Regierung etwas ausgedacht, nämlich die Zukunftsgarantie: Niemand unter 18 Jahren soll mehr ohne Ausbildung sein – also jede/r entweder in einer Lehre, einer Ausbildungseinrichtung oder in der Schule. Jugendliche HilfsarbeiterInnen sollen somit der Vergangenheit angehören. Die dafür nötigen Ausbildungsplätze kosten zwar Geld, das ist aber eine gute Investition, denn wenn die betroffenen 10.000 Jugendlichen jedes Jahrgangs erst einmal ein paar Jahre mit Nichtstun verbracht haben, dann würde es erst richtig teuer, sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Und: Je schlechter die Ausbildung, desto größer das Risiko, irgendwann arbeitslos zu werden – und es lange zu bleiben.

    Solche Investitionen, die heute getätigt werden müssen, morgen aber Rendite bringen, sind einige im Regierungsprogramm vorgesehen: Geld für Kinderbildungseinrichtungen, Nachmittagsbetreuung an den Schulen, Pflege und Betreuung sowie Wohnbau schaffen langfristig Arbeitsplätze und kurbeln die Konjunktur an. Beim Thema Wohnen müsste die Regierung aber mehr tun, meint Rudi Kaske: „Wohnen muss leistbar sein. Daher brauchen wir dringend eine Senkung der Wohnkosten und mehr sozialen Wohnbau, um die Menschen zu entlasten“, sagt der AK-Präsident: „Es muss mehr gebaut werden. Wir brauchen in den nächsten Jahren 50.000 neue Wohnungen pro Jahr, rund 35.000 davon gefördert.“

    Wir brauchen eine Steuerreform

    Bei den Steuern fällt das Urteil der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen zwiespältig aus: Einerseits hat die Regierung ÖGB-/AK-Forderungen übernommen, zum Beispiel einen niedrigeren Eingangssteuersatz oder dass Managereinkommen von mehr als 500.000 Euro im Jahr nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden können. Auch Steuervermeidungsmöglichkeiten von international operierenden Konzernen werden eingeschränkt, Stichwort Gruppenbesteuerung.

    Erhöht werden Normverbrauchsabgabe, motorbezogene Versicherungssteuer, Alkohol- und Tabaksteuern. Damit werden zwar gesellschaftlich unerwünschte Verhaltensweisen besteuert, allerdings müssen dadurch wieder einmal die ArbeitnehmerInnen für die Budgetkonsolidierung aufkommen. Von der immer wieder geforderten Erhöhung der Mehrwertsteuer würden sie aber viel schlimmer getroffen werden. Offen ist, wann der Eingangssteuersatz in Richtung 25 Prozent gesenkt werden soll. „Die steuerliche Entlastung der ArbeitnehmerInnen ist nach wie vor wichtig. Mir wäre es am liebsten, wenn die Steuerentlastung so schnell wie möglich kommt. Aber ich bin Realist: Wenn man nicht nur Kosmetik betreibt, wird man Zeit brauchen. Und wir brauchen eine umfassende Steuerreform“, sagt ÖGB-Präsident Foglar.

    Was im Steuerkapitel des Regierungsprogramms schmerzt, sind manche Lücken: Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer sind nicht vorgesehen. Dabei wäre das nicht nur ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit; die Einnahmen daraus würden eine Steuerstrukturreform möglich machen. Kaske dazu: „Spielräume gibt es, wenn man Spielräume schafft.“

    Auf die Umsetzung kommt es an

    Viele der Punkte des Regierungsübereinkommens sind sehr unkonkret formuliert – es kommt darauf an, wie sie dann in Gesetzestexte gegossen werden. Foglar: „Bei der Umsetzung wird sich der ÖGB – wie schon in den Verhandlungen – für die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen.“ Dass Vorsicht durchaus angebracht ist, konnte man am ersten Gesetzesentwurf sehen, der vom Finanzministerium zur Begutachtung ausgeschickt worden ist. Wie im Regierungsprogramm ausgemacht, wurden damit diverse Steuern erhöht und Steuervermeidungsmöglichkeiten der Wirtschaft eingeschränkt. Ebenfalls vorgesehen war die Abschaffung der steuerlichen Begünstigung sogenannter Golden Handshakes, mit dem Ziel, ältere Beschäftigte länger im Arbeitsleben zu belassen. Davon weiterhin ausgenommen bleiben sollten aber Sozialpläne und bis zu drei Monatsgehälter freiwillige Abfertigung. Im Gesetzesentwurf stand dann aber etwas anderes: Auch Kündigungsentschädigungen und Vergleichszahlungen sollen voll versteuert werden. Kaske: „Kommt nicht infrage.“ Foglar: „In wesentlichen Punkten inakzeptabel.“

    Kündigungsentschädigungen sind nämlich mit gutem Grund steuerbegünstigt: Sie werden an ArbeitnehmerInnen gezahlt, die ohne Einhaltung der Kündigungsfristen gekündigt wurden, oder Beschäftigte, deren Arbeitgeber insolvent sind. 80 Prozent davon sind voll zu versteuern, der Rest ist steuerfrei, weil damit anteilsmäßig Urlaubs- und Weihnachtsgeld abgegolten werden, also das steuerbegünstigte Jahressechstel. Würde man diese Steuerbegünstigungen abschaffen, träfe das genau diejenigen, die es sich am wenigsten leisten können: Menschen, die gerade ihren Job verloren haben. Auf Druck von ÖGB und AK hat die Regierung mittlerweile angekündigt, den Entwurf zu entschärfen.

    Im Regierungsprogramm gibt es noch weitere Punkte, bei denen die Expertinnen und Experten in AK und ÖGB ein scharfes Auge auf die Umsetzung haben werden. Ein Beispiel: Arbeitszeiten mit einem Anteil an aktiver Reisezeit sollen bis zu zwölf Stunden dauern dürfen. Zwölf Stunden täglich sollen auch bei Gleitzeit möglich sein und damit längere Freizeitblöcke ermöglicht werden. Die wöchentliche Höchstarbeitszeit muss dabei eingehalten werden. Bei der gesetzlichen Umsetzung kommt es darauf an, Missbrauch auszuschließen, damit nicht die Normalarbeitszeit schleichend ausgeweitet wird.

    Verhindern ist nicht immer schlecht

    Manche Punkte fehlen schmerzlich im Regierungsprogramm, bei anderen kann man aus Sicht der ArbeitnehmerInnen nur froh sein, dass sie herausverhandelt wurden. Eine kleine Auswahl der Dinge, die WirtschaftsvertreterInnen gerne gehabt hätten: Anhebung des Pensionsantrittsalters, vor allem für Frauen, Erhöhung der Mehrwertsteuer, Kürzungen bei der Notstandshilfe, Verschlechterungen bei der Altersteilzeit, Teilkrankenstand, allgemeiner Zwölf-Stunden-Arbeitstag, Privatisierungen. Manchmal ist es nicht das Schlechteste, als Verhinderer dazustehen.

    Regierungsprogramm:
    www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264

    ÖGB-Bewertung des Regierungsprogramms:
    tinyurl.com/nc2rorp

    AK-Forderungen an die Regierung:
    tinyurl.com/onnxdz7

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor florian.kraeftner@oegb.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Florian Kräftner, ÖGB-Kommunikation Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810736 Arbeitszeiten mit einem Anteil an aktiver Reisezeit sollen bis zu zwölf Stunden dauern dürfen. Zwölf Stunden täglich sollen auch bei Gleitzeit möglich sein, damit längere Freizeitblöcke ermöglicht werden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810768 Zahlen, Daten, Fakten Die EU-Nachbarstaaten sowie die Mittelmeeranrainerstaaten haben ein geringeres Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf. Sie sind also im Durchschnitt ärmer als Zentraleuropa.
    Der Anteil an unter 25-Jährigen an der Bevölkerung ist höher; sie sind also auch im Mittel jünger.
    Vor allem im Nahen Osten geben die Länder gemessen an der Wirtschaftsleistung deutlich mehr fürs Militär aus, wobei aber auch in der EU die Unterschiede beträchtlich sind.
    Und die meisten der EU-Nachbarstaaten geben ebenfalls gemessen an der schon geringeren Wirtschaftsleistung weniger für Gesundheit aus.

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    Ausgewählt und zusammengestellt von Sepp Zuckerstätter, AK Wien. Arbeit&Wirtschaft 01/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810747 "Nicht zuletzt" ... Ein starkes Team für Europa Aber die EU, der Österreich 1995 mit maßgeblicher Unterstützung von ÖGB und AK beigetreten ist, sieht heute ganz anders aus. Der Fall der Berliner Mauer, die Erweiterung der EU um die mittel- und osteuropäischen Länder, Globalisierung und Finanzkapitalismus haben Europa von Grund auf verändert. Im heutigen Europa müssen Gewerkschaften jeden Tag aufs Neue die Rechte der ArbeitnehmerInnen verteidigen.

    Diese EU ist parteiisch

    Das Europa, dem Österreich beigetreten ist, hat das Grundprinzip noch respektiert, dass die EU im Interessenkonflikt zwischen Arbeit und Kapital um jeden Preis neutral bleiben muss. Dieses Prinzip wurde aber, vor allem im Zuge der Krisenbewältigung, nach und nach über Bord geworfen. Die Dienstleistungsrichtlinie war der erste unverhohlene Frontalangriff der EU auf die Gewerkschaften, und sogar der Europäische Gerichtshof schreckte in einer Reihe von Urteilen nicht davor zurück, das in der Grundrechtecharta der EU verankerte Streikrecht infrage zu stellen. Den Gewerkschaften war damit bewusst geworden, dass diese EU parteiisch geworden war. Diese Ereignisse hatten tief greifende Auswirkungen auf die Arbeit der Brüsseler Büros von ÖGB und AK, in vielen Fragen standen der ÖGB und die AK an vorderster Front in Abwehrkämpfen.

    ÖGB und AK haben die neue Realität in Europa akzeptiert. Auch sie sind, so wie unzählige andere Akteure, gezwungen, aktiv Mehrheiten für ihre politischen Vorhaben zu organisieren. Noch dazu unter denkbar ungünstigen politischen Mehrheitsverhältnissen: Seit über 30 Jahren werden alle wichtigen politischen Institutionen der EU von neoliberalen Parteien beherrscht. Kein Wunder, dass ArbeitnehmerInneninteressen auf der Tagesordnung ganz unten stehen – und hier haben ÖGB und AK in Brüssel wichtige Aufgaben.

    Jahr für Jahr entstehen in Brüssel Hunderte, für den Normalbürger unverständliche Gesetzestexte. Eine der unverzichtbaren Aufgaben von ÖGB und AK besteht darin, die Spreu vom Weizen zu trennen und ständig auf der Hut zu sein, damit nichts übersehen wird, von dem sich letztlich herausstellt, dass es den Interessen der ArbeitnehmerInnen sowie der Konsumentinnen und Konsumenten schadet. Hier hat die Wirtschaft beträchtliche Vorteile, da sie über erheblich mehr Mittel verfügt und auf bestens organisierte europäische Branchenverbände mit hochbezahlten Lobbyistinnen und Lobbyisten zurückgreift. Der noch immer nicht ausreichend geregelte Lobbydschungel in Brüssel ist aus Sicht von ÖGB und AK ein weiteres sehr ernst zu nehmendes Problem, das sie strukturell benachteiligt. Deshalb ist es aus Sicht von ÖGB und AK eine strategische Priorität, sich im Verbund mit NGOs und anderen nachhaltig für faires und transparentes Lobbying einzusetzen.

    Einzigartige Stärke

    Bei allen unleugbaren Herausforderungen muss aber eine einzigartige Stärke von ÖGB und AK, um die sie in der europäischen Gewerkschaftsbewegung von vielen beneidet werden, positiv hervorgehoben werden. Zusätzlich zu den Expertinnen und Experten in den Gewerkschaften kann die österreichische, und mit ihr auch die europäische Gewerkschaftsbewegung auch auf die umfassende und weithin anerkannte fachliche Expertise der Kolleginnen und Kollegen aus den Arbeiterkammern zurückgreifen. Fundiertes, handlungsrelevantes Wissen aus Gewerkschaftssicht, das alle arbeitnehmerrelevanten Politikbereiche abdeckt. Dazu kommt, dass Gewerkschaften und Arbeiterkammern vor einigen Jahren einen umfassenden Modernisierungsprozess angestoßen haben.

    Die AK-Expertise wird heute nicht nur für die nationale, sondern auch für die europäische politische Debatte genutzt. Ein Beleg dafür, dass die strategische Bedeutung der Europapolitik von der österreichischen Gewerkschaftsbewegung erkannt und gelebt wird.

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    Amir Ghoreishi, Oliver Röpke Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1366956643535 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810726 Rück-Blog Die meistgelesenen Beiträge der letzten 30 Tage:

    • Mythos: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt“ (BEIGEWUM)
    • Das gefährliche Ungeheuer heißt Deflation – nicht Inflation (Silvia Angelo)
    • Ökonomische Ungleichheit spaltet nicht nur Gesellschaften, sondern auch die Wirtschaftswissenschaften (Matthias Schnetzer)

    Haben wir alle über unsere Verhältnisse gelebt?

    In seinem aktuellen Buch „Mythen des Sparens“ widmet sich der Beirat für gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitische Alternativen – kurz BEIGEWUM – zum wiederholten Male wirtschaftspolitischen Dogmen. Einzelne Kapitel erschienen nun in gekürzter Form am blog.arbeit-wirtschaft.at. Darunter ein Mythos, den wir in den letzten Jahren von konservativer oder wirtschaftsliberaler Seite nicht nur einmal zu hören bekamen: „Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt!“ Unterstellt wird dabei, dass sowohl öffentliche als auch private Schulden aus einem moralischen Fehlverhalten entstehen. Die daraus resultierende Konsequenz ist so drastisch wie wohlbekannt, sie lautet: Sparen, sparen, sparen. Wir können uns den Sozialstaat nicht mehr leisten und müssen die öffentlichen Ausgaben senken, aber auch privat gilt es, „den Gürtel enger zu schnallen“.

    Der BEIGEWUM stellt diesen Behauptungen eine differenzierte Argumentation, die sich auf Zahlen und Fakten stützt, entgegen. Es wird gezeigt, dass zu wenig privates Sparen weder die Ursache noch der Auslöser der aktuellen Krise gewesen ist. Vielmehr liegen die systemischen Ursachen in wachsender Ungleichheit und mangelnder Regulierung. Der Versuch, die Krisenkosten durch Einsparungen, etwa im Sozialstaat, zu begleichen, ist daher zum Scheitern verurteilt. Denn sie können die ursächlichen Probleme nicht lösen, sondern im Gegenteil: Sie vergrößern sie.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/mswvybf

    Das gefährliche Ungeheuer heißt Deflation – nicht Inflation

    Silvia Angelo widmet sich in ihrem Beitrag der Geldpolitik. Sie widerspricht jenen, die in der Niedrigzinspolitik der EZB stets die Gefahr einer galoppierenden Inflation sehen und dabei sogar von Enteignung sprechen. Tatsächlich liegt die Gefahr aktuell nicht in der Inflation, sondern im Gegenteil. Deflation ist für das kapitalistische System systemgefährdend. Ist das Geld morgen mehr wert als heute, so ist es stets attraktiver, erst morgen statt heute zu investieren. Die Folge ist das Horten von Geld und ein realer Anstieg der Schulden.

    Das mangelnde Verständnis für die Gefahren, die von Deflation ausgehen, liegt aber wohl nicht zuletzt am selektiven Gedächtnis der wirtschaftspolitischen Eliten im deutschsprachigen Raum. So fürchtet man stets die Hyperinflation der 1920er-Jahre, vergisst aber darauf, welche Rolle die Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre und deren soziale Verwerfungen für das Erstarken des Faschismus gespielt haben.

    Umso dramatischer, dass es nun die deutschen Ökonominnen und Ökonomen sind, die ganz Europa in Geiselhaft ihrer wirtschaftspolitischen Ansichten halten. Gepredigt werden Austeritätsprogramme, Wettbewerbspakte und Lohnzurückhaltung. Diese Form einer deflationären Politik kann und wird dramatische Folgen für die EU haben. Es wird uns jedenfalls Wohlstand kosten, kann am Ende aber auch das Ende der Währungsunion bedeuten.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/m2u62vf

    Ökonomische Ungleichheit spaltet nicht nur Gesellschaften, sondern auch die Wirtschaftswissenschaften

    Matthias Schnetzer gibt in seinem Beitrag der ökonomischen Ungleichheit auch eine geografische Determinante und beleuchtet die Rolle von Ungleichheit in der Ökonomie als Wissenschaft. Die dort dominierende neoliberale Denkweise sieht ökonomische Ungleichheit als notwendig an. Dies wird damit gerechtfertigt, dass Ungleichheit zu härterer Arbeit, höherer Produktivität und größeren Investitionen anspornt und so zu mehr Wachstum und Wohlstand führt. Der Autor hält dem entgegen, dass tatsächlich das Gegenteil der Fall ist.

    Die zunehmende Spreizung von Einkommen führt auf der einen Seite zu mangelnder Konsumnachfrage und auf der anderen Seite zur Anhäufung von Kapital auf den Finanzmärkten. Die Folge sind mangelnde Nachfrage in der Realwirtschaft und aufgeblähte Finanzmärkte. Dabei hat eine gleichere Verteilung nicht nur ökonomisch positive Effekte, sondern wirkt sich auch positiv auf die Lebensqualität aus. Dies betrifft Gesundheit, Bildung, Sicherheit und natürlich auch die politische Stabilität in einem Land.

    Lesen Sie nach: tinyurl.com/pdaazq6

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    Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810588 Europapraktikum in Irland Irland ist von der Größe, der Population sowie vom gewerkschaftlichen Organisationsgrad her mit Österreich vergleichbar. Das war auch ein Grund, mein Praktikum dort zu absolvieren. Es war mir vergönnt, einen Monat die irische Handelsgewerkschaft Mandate von innen zu beobachten. In Dublin angekommen, lernte ich schnell die gewerkschaftliche Vielfalt – in Irland gibt es 52 Fachgewerkschaften – kennen. Die Zusammenarbeit ist dabei nicht immer einfach. Alle irischen Gewerkschaften versammeln sich im ICTU (Irish Congress of Trade Unions) – dieser ist aber nicht wirklich mit unserem ÖGB vergleichbar, da er viel kleiner ist. In diesem Monat erfuhr ich unter anderem viel über die Unterschiede des irischen Arbeitsrechtes im Vergleich zum österreichischen. Vor allem die „Schlichtungsstellen“ haben einen sehr hohen Stellenwert. Die meisten Fälle werden von sozialpartnerschaftlich eingerichteten Stellen behandelt und entschieden bzw. geben diese Empfehlungen ab. Nur wenige Fälle landen dann in den regulären Gerichtsinstanzen.

    Kein Kündigungsschutz für Betriebsrat

    Größte Verwunderung löste ich aus, als ich den Kolleginnen und Kollegen unser Arbeitsverfassungsgesetz erklärte. Rechtliche Absicherung eines Betriebsrates, Mitwirkungsrechte, Kündigungsschutz, Bildungsfreistellung etc. – im irischen Arbeitsrecht ist das alles unbekannt. Ein „Shop Steward“ wird in Irland zwar auch von der Belegschaft gewählt, aber das war es schon mit den Gemeinsamkeiten. Wenn ein Shop Steward, ein Betriebsrat, gekündigt wird, kann sich dieser nur mithilfe der Beschäftigten und der Gewerkschaft durch Androhung von Kampfmaßnahmen wehren, rechtlichen Schutz gibt es keinen! Die Wirtschaftskrise hat zu einem Umdenken in den irischen Gewerkschaften geführt. Viele staatliche Förderungen, vor allem im Bildungsbereich, wurden gestrichen. Ein Großteil der gewerkschaftlichen Bildungsmaßnahmen wurde bis dahin durch staatliche Zuschüsse finanziert. Die Konsequenz war, dass eine Bündelung der Ressourcen unumgänglich wurde, um den Standard zu erhalten. Das Ergebnis war ein erstes gemeinsames Bildungsprogramm. Eine neue Dimension von Kooperationen war auch bei öffentlichen Aktionen sichtbar. Demonstrationen, Veranstaltungen und Kundgebungen wurden von verschiedenen Gruppierungen organisiert. Es entstand eine Zusammenarbeit, die es ohne die sehr schwierige wirtschaftliche Situation im Land vermutlich nie gegeben hätte. Einen der schwersten Rückschläge erlitten die Irinnen und Iren bei den Gehaltsverhandlungen. In regelmäßigen Abständen (meist zwei Jahre) wurde ein „Generalkollektivvertrag“ abgeschlossen. Arbeitgeber, Staat und Gewerkschaft verhandelten dabei über Lohn- und Gehaltserhöhungen. Dabei wurden allerdings keine Mindestlöhne besprochen, sondern ausschließlich eine Ist-Erhöhung auf alle bestehenden Gehälter vereinbart. Das heißt auch, dass ein Wechsel eines langjährigen Arbeitsplatzes meist mit massiven Einkommensverlusten verbunden ist. Man könnte wieder auf Grundlage des staatlichen Mindesteinkommens beschäftigt werden. Seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise fanden allerdings keine Verhandlungen mehr statt. Als Grund dafür wurde vonseiten des Staates und der Arbeitgeber die Krise vorgeschoben. Stagnation im Einkommensbereich ist die Folge. Ein Spaziergang durch Dublin zeigt, wie das Land mit der Krise zu kämpfen hat. Wo man hinsieht, findet man Baustellen ohne Bauarbeiter. Wann und ob diese Baustellen jemals fertiggestellt werden, weiß niemand. Schnell fallen auch die unzähligen Verkaufsschilder vor den Häusern auf. Villen, welche vor zehn Jahren mehrere 100.000 Euro wert waren, können heute um ein Zehntel des ursprünglichen Preises gekauft werden. Das Problem dabei: Niemand kauft sie.

    Neue Maßnahmen in neuen Zeiten

    Die Zeiten des keltischen Tigers sind eindeutig vorbei. Viele Irinnen und Iren schicken ihre Kinder in andere Länder, damit sie Arbeit finden. Die Perspektivenlosigkeit lässt ihnen keine Wahl. Meine Zeit bei der Gewerkschaft Mandate war mit vielen tollen Erlebnissen verbunden. Faszinierend ist, dass der gewerkschaftliche Organisationsgrad trotz Hindernissen zirka gleich hoch ist wie jener in Österreich. Neue Formen der Organisierung, wie das amerikanische Organizing, werden derzeit höchst erfolgreich in allen Gewerkschaften umgesetzt. Neue Zeiten erfordern neue Maßnahmen.

    INTERVIEW
    Zur Person - Owen Roberts
    Alter: 46
    Erlernter Beruf: Verkäufer
    Firma: Tesco Ireland
    Firmenstandort: Killarney
    Gewerkschaft: Mandate Trade Union, www.mandate.ie

    Wie ist dein Familienstand? 
    Ich bin mit Margaret Cronin Roberts verheiratet. Sie hat ebenfalls Verkauf gelernt. Wir haben keine Kinder.

    Seit wann bist du im Eurobetriebsrat?
    Seit 2010. 

    Dürfen wir dich nach deinem Einkommen fragen?
    Ich verdiene 2.000 Euro. 

    Was bedeutet dir Arbeit? 
    Ich muss arbeiten, um meine Rechnungen zu bezahlen. 

    Wie denkst du über die Wirtschaft in Irland? 
    Sie ist noch immer im Krankenhaus, man muss sich noch immer Sorgen machen. 

    Was bedeutet dir Gewerkschaft?
    Sie bringt die ArbeitnehmerInnen zusammen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und ein sicheres Arbeitsumfeld zu gestalten.

    Was bedeutet dir die Europäische Union?
    Die EU bringt die Menschen zusammen, um gemeinsam eine bessere Zukunft für die arbeitenden Menschen in Europa zu schaffen.

    Was ist dein Lieblingsland in Europa und warum?
    Spanien, wegen dem Wein.

    Was kann der Europäische Betriebsrat (EBR)?
    Er ist auch eine Willenseinigung von Menschen, die das Ziel haben, dass ArbeitnehmerInnen in Europa bei allen Themen mitentscheiden können.

    Wie viel Urlaub hast du und wie nützt du ihn
    Ich habe dreimal im Jahr Urlaub. Im Sommer fahre ich gerne in die Sonne und im Winter schaue ich mir gerne europäische Städte an. Ich versuche, mich über die verschiedensten Kulturen vor Ort zu informieren. Und dann muss noch ein wenig Zeit für mein Hobby, das Angeln, bleiben.

    Was wünscht du dir für die Zukunft?
    Ich möchte – wie hoffentlich möglichst viele Gleichgesinnte – meinen ökologischen Fußabdruck reduzieren.

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    Michael Huber, Teilnehmer des 60. SOZAK-Lehrgangs Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1378462060916 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810645 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820813602 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810463 Omers Abschied Mende, ich kann dein Winken nicht mehr sehen. Heute gehe ich nicht mehr in dieses Lokal, ich putze nicht mehr die Aborte, um dir eine halbe Stunde nahe zu sein, verzeih mir. Ich hätte dein Winken gar nicht sehen dürfen. Es wäre besser gewesen, ich hätte nie die Gelegenheit bekommen, das Internet zu benutzen. Dann wäre bis zu meinem Tod das Bild von dir in mir gewesen, wie du Nawal und Abdel umarmst, an dich drückst, mit einem Lächeln so traurig und zuversichtlich zugleich, dass mein Herz wie eine Antilope jagte.

    Ein Mann schwarzer Hautfarbe klettert unter einem Blätter-Karton-Dach hervor. Sein Blick saugt sich an der Sonne fest, die zwischen den schwarzen Silhouetten von Pinien und Korkeichen aufgeht.

    Dein Winken, Mende, das ein Greifen ist, als würdest du die Blüten des Napier streicheln wollen. Dein Winken, das nichts anderes als dein Fortgehen aus dieser Welt ist, weil dich die Salven eines Gewehrs in Stücke gerissen haben.

    Dem Mann rinnen Tränen die Wangen hinunter. Er beachtet sie nicht, geht vielmehr in die Hocke und lässt die hellbraune Erde durch seine Finger bröseln.

    Du bist ein Star, Mende, weißt du das? Drei Millionen Aufrufe in nur 37 Stunden. Immer wieder der Mann mit dem Gewehr, der den Zipfel deiner Hose unter dem ausgebrannten Autowrack entdeckt. Der den anderen Mörder zu sich ruft. Der das Wrack umstößt. Du, wie du aufstehst, Nawal und Abdel hinter dich schiebst, so wie früher, wenn Ali unseren Sohn verprügeln wollte, weil Abdel mit dem Fahrrad durch eine Pfütze gefahren und deshalb Ali angespritzt hatte. Ja, Millionen von Menschen sehen, wie du unsere Kinder aus der Sicht bringen, mit deinem Körper beschützen willst. Was dir nicht gelingt, weil sie inzwischen viel zu groß sind. Was auch keinen Sinn hat, weil sich die Männer mit den Gewehren von dir und deinem wütenden Schreien nicht abhalten lassen. Und dann winkst du, die letzte Bewegung einer Leiche über den blutigen Resten von zwei wunderschönen jungen Menschen.

    Feinsäuberlich faltet der Mann die Kartons seiner Behausung zusammen. Mit dem Daumen fährt er über den Schriftzug La Tentación dulce und die lachende Erdbeere darüber.

    Ja, du bist ein Star, Mende. Dein Tod macht dich zu dem, was du nie sein wolltest, was du an Nawal nie verstehen konntest – die Sehnsucht unserer Tochter nach der Glitzerwelt. Ich will ihr nicht Schuld geben, unserer kleinen Tänzerin, aber ihre traurigen Augen beim Gedanken an all die Schulen und Theater in Europa waren Sandkörner in der Schale der Entscheidung.

    Nur zwei Körner in der vollen Schale Aufbruch, durchdrungen von der Gewissheit, ich schaffe es, denn ich bin anders als die anderen, von denen man nichts mehr hört.

    Keines dieser tapsigen Jungtiere, die keine Chance haben, weil einem Ali das Dorf gehört, einem Muhammad die Stadt und einem Umar das ganze Land. Nein, einem Xiabo, einem Yong-Li und einem Xi-Tao. Oder einem François und einem John und einem Heinz?

    Ich bin verwirrt, ich weiß es nicht mehr. Genauso verwirrt wie diese Jungtiere, die denken, die Länder der neuen Herrscher warten nur auf sie. Wo es so reiche Leute gibt, gibt es auch Arbeit.

    Mit einem Blick auf einen etwas entfernten, flackernden Punkt legt der Mann die Kartons neben die Eiche, an die seine Behausung gebaut war. Dann zertritt er die übriggebliebenen Äste und Stämme.

    Ich bin Lehrer, ich kann etwas. Ich bin anders. Ja, Mende, so dachte ich, verlassen von jeglicher Demut. Nach einem schwierigen Beginn werde ich meinen Platz finden und euch holen können. Weg von den anderen, die nicht verstehen, dass wir alle an denselben Gott glauben. Dass wir auf dieselbe Art unsere Kinder zeugen, gebären, ernähren, ja, dass wir alle die gleiche Scheiße von uns geben. Und dessen bin ich mir ganz sicher, seit Muhammads Schergen mich in die ihre gedrückt haben.

    Aber was ist schon ein stinkender brauner Haufen im Vergleich zur Rettung unseres Sohnes. Sie würden es genauso sehen, wenn ihre Kinder verschleppt werden sollten. Was ich ihnen nicht wünsche. Ich sehe noch immer deine Augen mit dem ungläubigen Blick vor mir, als ich das erste Mal sagte, ich will keine Rache. Du bist der Löwe in unserem Rudel.

    Der Mann geht einige Schritte zum flackernden Licht. Zwei Männer sitzen an einem Feuer. In ihrer Nähe befinden sich ähnliche Behausungen wie jene, die der Mann gerade zerstört hat.

    Ich hätte dir alles schreiben sollen. Von den Dornen in den Füßen auf dem Weg zum Meer, von dem Gestank in dem kleinen Schiff, weil zu viele Angst hatten, ihre Notdurft über dem Wasser zu verrichten, von dem großen Schiff, das an uns vorbeigefahren ist, von dem Schiff mit bewaffneten Männern, von meiner Verzweiflung, als ich zwei Tage und eine Nacht zum Ufer geschwommen bin, von dem Leben als Tier, das im Müll der anderen nach Essen sucht.

    Nein, ich habe dir nur von diesem Mann erzählt, der mich aufgelesen, mir Kleidung gegeben, mich über Berge und Küsten in das Land gebracht hat, wo meinesgleichen Geld verdienen kann. Und ich habe dir von der Arbeit auf den Plantagen berichtet. Wenn man auf die Berge steigt, werden sie zu einem silbernen See. Ich habe gern die schwere Arbeit in den Bergen verrichtet, denn der Silbersee hat mich an unsere Reise zum al-Bahr al-ahmar erinnert. An dich. Doch nichts erzählt habe ich von der Hitze, die so anders ist als bei uns, von den Schmerzen, weil die roten Beeren nur am Boden wachsen.

    Der Mann winkt den Gestalten am Feuer zu und wendet sich wieder ab. Er reißt von einem Pinienast, der am Boden liegt, ein paar Nadeln ab, zerreibt sie zwischen den Fingern und riecht daran.

    Ich habe dir nichts von den Prügeln erzählt, die mir zwei Männer in der Stadt verabreicht haben, einfach so. Nichts davon, dass plötzlich Weiße kamen, die meine Beeren pflückten, weil sie in ihrem Land, weit fort, wo die Sonne aufgeht, keine Arbeit mehr hatten. Wie ich zurück in den Wald musste, bald mit diesen Platzräubern gemeinsam, weil nun die Männer aus der Stadt die roten Beeren pflücken wollten.

    Der Mann geht zu seiner Eiche zurück, legt sein Hemd ab, dann seine Hose. Er zieht den Gürtel aus den Schlaufen.

    Meine Mende, ich hätte dir das alles schreiben sollen. Meine Scham ist nichts im Vergleich zu deinem Tod. Ich hätte zurückkehren, dich und die Kinder beschützen müssen. Ich werde jetzt zu dir gehen, Mende, und dich bitten, mir zu verzeihen.

    Omer klettert auf den Baum, schlingt den Gürtel über den Ast oberhalb von ihm, steckt den Kopf durch die Schlaufe und lässt sich fallen.

    Zur Autorin:
    Sabina Naber arbeitete nach ihrem Studium in Wien unter anderem am Theater, als Journalistin und Drehbuchautorin. Ihr mittlerweile sechster Kriminalroman mit Maria Kouba, „Die Spielmacher“, erschien 2011 bei Rotbuch/Berlin.
    2013 startete sie eine zweite Serie rund um das Team Mayer & Katz mit dem Roman „Marathonduell“ (Gmeiner-Verlag, nominiert für den Leo-Perutz-Preis 2013 der Stadt Wien).
    Sie gibt auch Kurzgeschichtenanthologien heraus. 2007 erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis für die beste Kurzgeschichte.
    Sabina Naber ist auch Trainerin in den Bereichen Sprechen und Schreiben: www.giblautwerdedu.at

    Details siehe www.sabinanaber.at

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    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810406 Mehr Konzernrechte - weniger Demokratie? EU-Handelskommissar De Gucht hat scheinbar die Notbremse gezogen und für Ende März eine öffentliche Konsultation angekündigt. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit es US-amerikanischen Multis mittels Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren ermöglicht werden soll, die Regulierungs-kompetenz der EU sowie jene ihrer Mitgliedsstaaten zu beschränken.

    Investor-Staat-Streitbelegung

    Der vorläufige Verhandlungsstopp bezieht sich auf Investitionsschutzbestimmungen in dem in Verhandlung stehenden Abkommen der EU mit den USA (TTIP)1. Diese versprechen ausländischen Investoren stabile und vorhersehbare Rahmenbedingungen und ermächtigen Multis, bei vermeintlichen Verletzungen den Gaststaat direkt vor privaten Ad-hoc-Schiedsgerichten auf Schadenersatz zu verklagen (Investor-Staat-Streitbeilegung = ISDS).

    Mögliche Klagegründe sind nicht nur direkte Enteignung, sondern auch Entwertung von bestehenden Eigentumstiteln unter der Annahme, dass geplante Gewinne geschmälert werden. Neue Gesetze oder sonstige Regulierungen im Gesundheits- und Umweltschutz oder in der Sozial- und Wirtschaftspolitik können als indirekte Enteignung ausgelegt werden. Deutschland zum Beispiel wurde bereits zweimal vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall verklagt. Jüngst auf Entschädigungszahlungen in Höhe von 3,2 Mrd. Euro, weil kraft des nationalen Atomausstiegs Vattenfall seine zwei Atommeiler in Zehnjahresfrist stillzulegen hat.

    Private Schiedsgerichte

    Die für Klagen zuständigen Ad-hoc-Schiedsgerichte bauen auf sehr vage formulierten Investitionsschutzbestimmungen wie „gerechte und billige Behandlung“ oder „umfassender Schutz und Sicherheit“ auf. Diese werden im jedem Fall neu auslegt, wobei die Schiedsrichter nicht den nationalen Gesetzen oder dem Völkerrecht verpflichtet sind. Das Schiedsgericht setzt sich aus drei von den Parteien gewählten Vertretern, meist Anwältinnen und Anwälten, zusammen. Die Schiedssprüche sind oft inkonsistent, womit das internationale Investitionsrecht zu einem Hazardspiel für verklagte Staaten wird.

    Weltweit haben Multis bis heute mindestens 81 Staaten mehr als 400-mal verklagt. Die bekannten Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs, weil die meisten Schiedsgerichte sehr diskret unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeiten.

    Mit der Gründung der NAFTA2 1994 wurde das „entwicklungspolitische“ Instrument ISDS ein integraler Bestandteil der nordamerikanischen Freihandelszone, um ursprünglich Investoren vor dem politischen Risiko – beispielsweise einer Enteignung in Mexiko – zu schützen. Bis 2011 haben nordamerikanische Investoren Mexiko 19-mal verklagt. Aber auch die Industrieländer, die jahrzehntelang keine Notwendigkeit gesehen haben, ihren kapitalexportierenden Unternehmen durch das ISDS-Privileg einen besonderen Schutz zu gewähren, sahen sich plötzlich Klagen gegenüber: Die überwiegende Zahl der Klagen waren gegen Kanada und die USA gerichtet (29 Fälle)! Das ISDS zwischen Industriestaaten hatte für multinationale Unternehmen eine zusätzliche Bedeutung als effektives Abwehr- und Abschreckungsinstrument gegen neue gesetzliche Maßnahmen im Gesundheits-, Umwelt- und Sozialbereich etc. erlangt.

    2,5 Mio. Entschädigungsforderung

    Analysiert man die bekannten Klagen US-amerikanischer Multis gegen Kanada, so kann man sich ein Bild davon machen, was die EU-Mitgliedsstaaten in einem TTIP erwarten könnte: Gegen Kanada wurden mehr als 20 Klagen mit 2,5 Mrd. Dollar Entschädigungsforderungen eingereicht. Gegenstand der Klagen waren Gesetze im öffentlichen Interesse, wie beispielsweise Verbot von Fracking (Schiefergas-Exploration), Pharma-Patentregelungen, Chemikalienverbote, Schadstoffreduktionen und Sozialprogramme für die indigenen BewohnerInnen in Bergbaugebieten. In Kanada, aber auch in den USA, hat sich eine breite Bewegung gegen Investitionsschutzstandards und insbesondere gegen das Klageprivileg von Multis formiert. Australien hat in die laufenden Verhandlungen zu einer Freihandelszone mit den NAFTA-Staaten die ISDS-Bestimmungen erst gar nicht aufgenommen.

    Mit dem Privileg, den Staat unmittelbar klagen zu können, wird der nationale politische Handlungsspielraum, auch in Zukunft Regulierungen im öffentlichen Interesse zu ergreifen, empfindlich eingeschränkt. Bereits Klagsdrohungen verfehlen ihre Wirkung nicht. Zu befürchten ist, dass Staaten neue Gesetze im Interesse der Allgemeinheit nicht oder sehr zögerlich in Angriff nehmen, wenn sie Entschädigungszahlungen an Multis zu fürchten haben.

    Mit folgenden Argumenten werden daher Investitionsschutzstandards und insbesondere die ISDS-Klausel im TTIP, aber auch in allen anderen Handels- und Investitionsabkommen der EU, abgelehnt:

    Die europäischen Mitgliedsstaaten haben ein gut funktionierendes Rechtssystem, das jeder/jedem ein faires Verfahren sowie Berufung gegen Entscheidungen garantiert. Die Möglichkeit, nationale Gerichte zu umgehen und private Ad-hoc-Schiedsgerichte anzurufen, untergräbt das zentrale europäische Prinzip der demokratisch legitimierten Rechtsstaatlichkeit.

    Unbestimmte Investitionsschutzformulierungen wie „faire und gerechte Behandlung“, „legitimes öffentliches Interesse“ oder „indirekte Formen der Enteignung“ werden von Multis mit dem Ziel hoher Entschädigungszahlungen genutzt. Dies eröffnet privaten Schiedsgerichten großen Interpretationsspielraum und führt zu inkonsistenter Rechtsprechung. Ein Großteil der bisherigen Konzernklagen baut allein auf der Bestimmung „faire und gerechte Behandlung“ auf.

    Von den kostenaufwendigen Schiedsverfahren (oft acht Mio. Euro und mehr) profitieren auch einige große Anwaltskanzleien, aus denen meist die SchiedsrichterInnen kommen und die Gutachten schreiben. Die Kanzleien lobbyieren gemeinsam mit den Multis auf europäischer Ebene, das intransparente System beizubehalten. BranchenkennerInnen sprechen von undurchsichtigen „Insidergeschäften“.

    Wer trägt das Investitionsrisiko?

    Europäische Unternehmen können keine Schadenersatzklagen wegen entgangener zukünftiger Gewinne anstregen. Das wäre allein den US-amerikanischen Tochterfirmen in Europa vorbehalten. Zu dieser Inländerdiskriminierung kommt hinzu, dass sich das „Quasi-Anrecht“ ausländischer Investoren auf Gewinne grundsätzlich von der volkswirtschaftlichen Sicht unterscheidet, dass das Investitionsrisiko (inklusive des politischen Risikos) natürlich auch zu Verlusten führen kann!

    Mit der öffentlichen Konsultation will die Kommission BürgerInnennähe und Diskussionsbereitschaft signalisieren. Auch soll eine potenziell europakritische Diskussion den EU-Wahlkampf nicht stören. Es ist aber höchst fraglich, ob die von De Gucht angekündigte Nachdenkpause dazu führen wird, dass diese Argumente auch in den Regierungen der Mitgliedsstaaten mehr Gehör finden.

    1 Siehe hierzu den Artikel „Transatlantische Partnerschaft der Konzerne?“ in dieser Ausgabe.
    2 NAFTA ist das Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen den USA, Kanada und Mexiko.

    INFO & NEWS
    Fallbeispiele zu indirekter Enteignung
    Ein prominenter Fall ist die Klage des amerikanischen Medienkonzerns Lauder gegen Tschechien. Lauder argumentierte, dass eine Entscheidung der tschechischen Medienregulierungsbehörde zu einem Wertverlust seiner erworbenen Lizenzen geführt habe. Das Schiedsgericht erkannte Lauder eine Entschädigungszahlung von 300 Mio. Euro zu (entspricht zirka dem jährlichen Sozialbudget). Anlass der noch nicht entschiedenen Klage des amerikanischen Tabakmultis Philip Morris gegen Uruguay war ein Gesetz, das unter anderem Gesundheitswarnungen auf Zigarettenpackungen vorschreibt, die zumindest 80 Prozent der Vorder- und der Rückseite der Packung einnehmen müssen. Der Multi verlangt nun Entschädigung für zukünftige entgangene Gewinne, da er seine gesetzlich geschützte Marke nicht im erwarteten Umfang nutzen kann. Eine vergleichbare Klage hat Philip Morris gegen Australien angestrengt. Die Entschädigungsforderungen bewegen sich – so wird kolportiert – in Milliarden-Dollar-Höhe.


     

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die AutorInnen bellak@wu.ac.at elisabeth.beer@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Christian Bellak, a.o. Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien | Elisabeth Beer, Abteilung EU & Internationales der AK Wien Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810415 Anlass der noch nicht entschiedenen Klage des amerikanischen Tabakmultis Philip Morris gegen Uruguay war ein Gesetz, das u.a. Gesundheitswarnungen vorschreibt, die zumindest 80 Prozent der Vorder- und der Rückseite der Packung einnehmen müssen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810360 Transatlantische Partnerschaft der Konzerne? Für die Europäische Kommission soll es das Prestigeprojekt der Außenhandels- und Investitionspolitik der EU werden. Seit Beginn der Diskussionen um ein umfassendes transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA, über das seit Juli 2013 verhandelt wird, rührt die Brüsseler Behörde die Werbetrommel: Der Abbau überflüssiger Hindernisse für Handel und Investitionen über den Atlantik werde die Wirtschaft ankurbeln und Millionen neuer Jobs schaffen. Doch trotz der wohlklingenden Versprechungen werden die Kritik an den intransparenten Verhandlungen und die geäußerten Bedenken zu den Verhandlungsinhalten nicht leiser. Im Gegenteil: Immer mehr kritische Stimmen – nicht zuletzt seitens der ArbeitnehmerInnenvertretungen – melden sich zu Wort, die im Zuge des Handelspaktes Deregulierung von wichtigen Standards und Regeln sowie privilegierten Schutz für transnationale Konzerne befürchten. Der Kampf um die Deutungshoheit hat daher längst begonnen.

    Bisher drei Verhandlungsrunden

    Worum geht es also bei den Verhandlungen zur transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und welche Gefahren bergen die Verhandlungen? Bislang haben die VertreterInnen der EU-Kommission und der US-Regierung drei Verhandlungsrunden hinter sich gebracht. Auf dem Programm stehen die weitreichende Liberalisierung des Handels mit Industriegütern, landwirtschaftlichen Gütern und Dienstleistungen und der Vergabe öffentlicher Aufträge sowie die Verbesserung des Marktzugangs und des Schutzes ausländischer Investitionen. Auch der Schutz geistiger Eigentumsrechte soll mit dem Abkommen vorangetrieben werden.

    Fragwürdige Wachstumsversprechen

    All das soll laut einer von der EU-Kommission in Auftrag gegebenen Studie in einem Zeitraum von zehn Jahren zu einem Anstieg der Wirtschaftsleistung (BIP) in der EU von 0,5 Prozentpunkten führen – im optimistischen Szenario. Für das realistischere „weniger ambitionierte“ Szenario bleiben lediglich 0,27 Prozentpunkte übrig, was einem jährlichen BIP-Anstieg in diesem Zeitraum von nüchternen 0,027 Prozentpunkten entspricht.1 Von einer aussagekräftigen Prognose sind diese minimalen Zahlen ebenso weit entfernt wie vom versprochenen Wirtschaftsmotor. Doch selbst diese Ergebnisse sind aufgrund der fragwürdigen Annahmen, die den verwendeten ökonomischen Modellen zugrunde liegen, mit Vorsicht zu genießen.

    Im Vergleich zu den zu hinterfragenden volkswirtschaftlichen Effekten sehen die Interessen der Unternehmen ungleich handfester aus. Da die durchschnittlichen Zölle zwischen der EU und den USA in den meisten Sektoren ohnehin relativ niedrig sind, liegt der Schwerpunkt der Liberalisierungsbemühungen auf den sogenannten nichttarifären Handelshemmnissen. Hierbei geht es vor allem um Unterschiede bei Regulierungen sowie Produkt- und Verfahrensstandards in den beiden Wirtschaftsräumen, die aus der Sicht der VerhandlerInnen „unnötige“ Kosten für Unternehmen erzeugen. Dies reicht etwa von unterschiedlichen Sicherheits- und Abgasnormen in der Autoproduktion und Testerfordernissen von Medikamenten über abweichende Regulierungen von Chemikalien bis hin zu Unterschieden bei Lebensmittelstandards. Auf das bevorstehende Feilschen um Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung von unterschiedlichen Regeln haben sich Großunternehmen und ihre Lobbygruppen auf beiden Seiten des Atlantiks bereits mit umfangreichen Forderungen vorbereitet. Zu befürchten ist, dass wichtige Schutzbestimmungen für ArbeitnehmerInnen, Konsumentinnen und Konsumenten sowie Umwelt ins Fadenkreuz der Deregulierung fallen werden.

    In vielen Bereichen könnten die in den beiden Wirtschaftsräumen vorherrschenden Regulierungsansätze kaum unterschiedlicher sein. Besonders der Lebensmittelbereich ist hochsensibel, hier waren die transatlantischen Beziehungen bereits bisher von Handelsstreitigkeiten geprägt. So sind beispielsweise in den USA – im Gegensatz zur EU – der Einsatz von Wachstumshormonen bei Rindern und der Verkauf von Gentechnik-Produkten ohne Kennzeichnung erlaubt.

    Geht es nach den Plänen der Kommission, sollen Unterschiede bei Regulierungen nicht nur bis zum Abschluss des Abkommens im Fokus der Handelspartner stehen, sondern auch darüber hinaus. So soll ein neu zu schaffender Rat zur regulatorischen Zusammenarbeit nach Inkrafttreten des Abkom-mens laufend überprüfen, wie die Übereinstimmung von bestehenden und künftigen regulatorischen Maßnahmen zwischen der EU und den USA vorangetrieben werden kann. Dies entspricht ganz dem Motto eines „lebenden Abkommens“, das auch nach seiner Beschlussfassung kontinuierliche Verhandlungen vorsieht.

    Öffentliche Interessen in Gefahr

    Massive Kritik entzündet sich auch an den geplanten Bestimmungen zum Investitionsschutz, durch die ausländische Investoren Staaten klagen könnten, wenn etwa ihre erwarteten Gewinne durch politische Maßnahmen geschmälert werden.2 Ende Jänner kündigte EU-Handelskommissar Karel De Gucht an, die Verhandlungen über diesen Teilbereich vorerst auszusetzen und eine dreimonatige öffentliche Konsultation zu dem Thema durchzuführen – die Kommission wird hier also vor den Wahlen zum EU-Parlament auf Zeit spielen.

    Ob die VerhandlerInnen den gleichen Einsatz wie beim Abbau von Unternehmenskosten auch für die verpflichtende Einhaltung von international anerkannten Arbeitsstandards zeigen, um Lohn- und Sozialdumping zu verhindern, wird sich zeigen. Handlungsbedarf gibt es genug, haben die Vereinigten Staaten doch lediglich zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert – ausständig ist etwa die Ratifizierung der ILO-Konventionen zur freien Gründung von Gewerkschaften und der Kollektivvertragsfreiheit. Dass die Ratifizierung und Einhaltung von Arbeitsstandards in Handelsabkommen einklagbar sein muss, ist eine Kernforderung der ArbeitnehmerInnenbewegung.

    Druck auf die Verhandlungen ist auch nötig, um sicherzustellen, dass Dienstleistungen der Daseinsvorsorge – wie etwa Bildung, Gesundheits- und soziale Dienstleistungen, Abwasser- und Müllentsorgung, Energie, Verkehr, kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen und Wasserversorgung – keinesfalls vom geplanten Abkommen erfasst werden.

    Geheime Verhandlungen

    Angesichts der vielen Gefahren, die die Verhandlungen bereithalten, ist eine breite öffentliche Diskussion dringend notwendig. Die Verhandlungen finden jedoch derzeit hinter verschlossenen Türen statt; sowohl das Verhandlungsmandat, das der Kommission die Richtlinien für die Handelsgespräche vorgibt, als auch die relevanten Verhandlungsdokumente werden als geheim eingestuft. Solange nicht alle EU-Verhandlungsdokumente der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, kann von einer umfassenden Einbindung der Bevölkerung keine Rede sein. Schließlich ist auch die Einbeziehung von Interessengruppen extrem ungleich: Auf der Grundlage einer Dokumentenanfrage der NGO Corporate Europe Observatory wurde im September 2013 bekannt, dass 93 Prozent der von der Kommission angegebenen Treffen mit Interessengruppen zum Thema des EU-USA-Abkommens mit Vertreterinnen und Vertretern von Großkonzernen und deren Lobbys stattgefunden haben.

    Nach Abschluss der Verhandlungen müssen auf EU-Seite die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament dem Vertragswerk zustimmen, und – wenn es Kompetenzen der Mitgliedsstaaten berührt – auch die nationalen Parlamente. Dabei können die gewählten ParlamentarierInnen jedoch keine Änderungen am Vertragstext vorschlagen, sondern lediglich das Gesamtpaket annehmen oder ablehnen. Das EU-Parlament hat bereits einmal ein Handelsabkommen abgelehnt: Zum umstrittenen Anti-Piraterie-Abkommen ACTA haben die Mandatarinnen und Mandatare 2012 die Rote Karte gezeigt.

    1 Theurl, Simon (2014): Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP). Eine kritische Orientierungshilfe zur wirtschaftlichen Folgenabschätzung des Handels- und Investitionsabkommens zwischen der EU und den USA.

    2 Siehe Artikel "Mehr Konzernrechte - weniger Demokratie?" in dieser Ausgabe.

    AK-Positionspapier zum TTIP: tinyurl.com/mx6degy

    Kritische Orientierungshilfe zur wirtschaftlichen Folgenabschätzung des TTIP:
    tinyurl.com/m3mnueq

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor nikolai.soukup@akwien.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Nikolai Soukup, Abteilung EU und Internationales, AK Wien Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810389 In vielen Bereichen könnten die in den beiden Wirtschaftsräumen vorherrschenden Regulierungsansätze kaum unterschiedlicher sein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810180 Voll-Gas für Europa? Die 2007 verabschiedeten gemeinsamen Grundlagen für die EU-Außenbeziehungen1 gehen von der Annahme aus, dass die EU bis 2030 bis zu 70 Prozent ihres Energiebedarfs mithilfe von Importen decken muss. Bisher konzentrierte sich der Import von Gas oder Öl auf zum Teil politisch instabile Länder oder autoritär geführte Staaten, bei denen die Gefahr von Lieferausfällen und von Anschlägen auf Produktionsanlagen oder Pipelines durchaus real sind.

    Die Abhängigkeit von russischem Gas wurde während der sogenannten Gaskriege Russlands mit der Ukraine im Winter 2005/2006 und Weißrussland ein Jahr später sehr deutlich. Dies lässt die EU nach neuen Energiequellen Ausschau halten.

    EU-Energiepolitik

    Die Energieimporte setzten sich für das Jahr 2010 wie folgt zusammen: Russland 35 Prozent, Norwegen 27 Prozent, Algerien 14 Prozent, Katar acht Prozent, Libyen und Nigeria je drei und zehn Prozent von anderen. Bei den Energieträgern steht somit die Kernenergie mit 28 Prozent immer noch an erster Stelle, gefolgt von erneuerbaren Energien (20 Prozent) und Kohle (20 Prozent) sowie Erdgas (19 Prozent).

    Die Herausforderungen für die EU-Energiepolitik sind die wachsende Energienachfrage der sogenannten Schwellenländer sowie die Abhängigkeit von Energieimporten. Außerdem bestimmen Klimaschutz, Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit die EU-Energieaußenpolitik (EAP).

    Global betrachtet könnten die USA ab 2015 aufgrund der dortigen Schellgasfunde und verbesserter Technologien zu einem Exportland für Erdgas werden. Gleichzeitig stehen der wachsenden Nachfrage aus den Schwellenländern neue Gasproduzenten in Ostafrika gegenüber. Schon heute beteiligen sich asiatische Unternehmen dort mit umfangreichen Investitionen. Kanada und Australien produzieren ebenfalls Schellgas2 in großem Umfang. Der zunehmende Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Produzenten dürfte schnell zu einem Preisverfall führen.

    Konzentration auf den Binnenmarkt

    Der EU mangelt es hingegen im Hinblick auf ihre EAP nach wie vor an einer koordinierten Herangehensweise. Die bisherigen Reformen konzentrierten sich vor allem auf den Energiebinnenmarkt, während Länder wie z.B. Deutschland sich immer noch auf nationale Lösungen beschränken. Dem soll die 2010 verabschiedete Erdgasbinnenmarktrichtlinie3 entgegenwirken, die auf koordinierte Gaseinkäufe und langfristige Lieferverträge abzielt. Um die Transparenz bei bilateralen Lieferverträgen zu erhöhen, wurde im September 2012 eine neue Strategie zur Verbesserung des Informationsaustausches innerhalb der EU eingeführt, die vor allem eine Konsultation mit der Kommission vorsieht.

    Die Gasfunde vor Zyperns Küste befinden sich in der Nähe der beiden israelischen Gasfelder Leviathan und Tamar, wo zudem Erdöl vermutet wird. Für die Förderung des Gases und dessen Verkauf gibt es politische und wirtschaftliche Hindernisse. Die größte Hürde dürfte das Zypernproblem sein.

    Der Zypernkonflikt

    Die Türkei beansprucht einen beträchtlichen Teil von Zyperns „Ausschließlicher Wirtschaftszone“ (AWZ) und somit auch Nutzungsrechte an den dortigen Ressourcen und sieht sich als Interessensvermittlerin der international nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern.

    Die Republik Zypern vertritt jedoch völkerrechtlich auch diese türkischen Zypriotinnen und Zyprioten. Denn offiziell ist auch der Nordteil der Insel im Jahr 2008 der EU beigetreten, wobei jedoch der Acquis communautaire bis zu einer Lösung des Zypernproblems im Norden ausgesetzt ist. Mögliche Einnahmen aus den Gasfunden stehen also beiden Bevölkerungsgruppen zu. Bei den Vertragsabschlüssen mit den an der zukünftigen Gasförderung beteiligten Energieunternehmen waren die türkischen Zypriotinnen und Zyprioten jedoch nicht beteiligt. Diese völkerrechtlich komplizierte Situation mag auch ein Grund dafür sein, dass sich die EU bisher zurückgehalten hat, zumal die Türkei schon ihre Marine vor der Südküste Zyperns aufkreuzen ließ.

    Zum anderen sorgt die geopolitische Lage im östlichen Mittelmeer für Schwierigkeiten. Um das Erdgas kosteneffizient zu fördern, müssen alle Anrainerstaaten zusammenarbeiten.

    Fördervarianten

    Seit März 2013 befindet sich Zypern unter der Kontrolle der Troika bestehend aus dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank. Das Defizit liegt derzeit bei 6,3 Prozent, die Arbeitslosigkeit bei 17,1 Prozent. Der IWF erwartet, dass die zypriotische Wirtschaft 2013 um 8,7 Prozent und 2014 um 3,9 Prozent schrumpfen wird. Angesichts der desolaten wirtschaftli-chen Situation der Insel hegen viele Zypriotinnen und Zyprioten die Hoffnung, dass mögliche Gaseinnahmen das Land aus der wirtschaftlichen Rezession herausholen.

    Bei einer Flüssigerdgas-(LNG-)Anlage rechnen sich Investitionen erst ab einem Gasvorkommen von sechs Tcf (trillion cubic feet). Die von der US-Energiefirma Noble durchgeführten Tests lassen jedoch darauf schließen, dass im untersuchten Feld lediglich ca. 3,6 bis sechs Tcf Erdgas mit einem mittleren Wert von zirka fünf Tcf vorhanden sind. Der genaue Umfang der Gasvorkommen kann mit Sicherheit jedoch erst in ein bis zwei Jahren festgestellt werden.

    Bei einer LNG-Anlage müsste sich Zypern nicht an das bestehende Pipeline-Netz, das bereits israelisches Gas in die Türkei liefert, anschließen und könnte somit unabhängig von der Türkei das Gas vertreiben. Auf der Insel würden permanente Arbeitsplätze im technischen und logistischen Bereich geschaffen. Der bankrotte zypriotische Staat müsste sich nach privaten Investoren umsehen. Wegen der erwarteten Überkapazitäten auf dem weltweiten Gasmarkt und der damit verbundenen fallenden Gaspreise ist eine solche Investition in eine LNG-Anlage bei einer Fertigstellung frühestens 2020 zumindest zum jetztigen Zeitpunkt wirtschaftlich fragwürdig. Eine Gasverflüssigungsanlage würde sich erst rentieren, wenn sie zusammen mit anderen Anrainerstaaten betrieben würde.

    Sogenannte Floating-LNG-(FLNG-)Anlagen, d. h. schwimmende Anlagen, wären eine Alternative. Sie könnten schneller gebaut werden und somit schneller Gewinne abwerfen. Langfristig würden jedoch keine Arbeitsplätze für die Zypriotinnen und Zyprioten geschaffen, obwohl für Zypern die Einnahmen schneller fließen würden. Die Strompreise, die zu den höchsten innerhalb der EU zählen, dürften drastisch sinken und somit die EndverbraucherInnen finanziell entlasten.

    Lieferant für die EU

    Um Gas zu exportieren, müsste sich Zypern am europäischen Markt orientieren. Das Land könnte als EU-Mitgliedsland ein geografisch naher und zuverlässiger Lieferant für die EU sein. Zudem sieht die 2015 in Kraft tretende Konvention der Internationalen Schifffahrtsorganisation (International Maritime Organisation – IMO) für den CO2-Ausstoß eine drastische Reduktion vor. Das bedeutet mittel- bis langfristig das Aus für schwere Treibstoffe.

    Chancen und Möglichkeiten

    Zur Forcierung der Umstellung will Deutschland grenzüberschreitende Pilotprojekte unterstützen und LNG als Alternative zum Schweröl attraktiver machen. Hier könnte das im östlichen Mittelmeer geförderte Gas eine wichtige Rolle spielen.

    Für Zypern ergäbe die langfristige Umstellung in der Schifffahrt auch die Möglichkeit, einen sicheren Bunkerhafen für die im östlichen Mittelmeer verkehrenden Schiffe zu errichten und Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes mit einer LNG-Infrastruktur im Mittelmeer zu werden. Für die EU könnte sich eine nachhaltige Energiepartnerschaft entwickeln. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch die Einigung der beiden Bevölkerungsgruppen über eine Lösung des Zypernproblems.

    1 Berliner Erklärung vom 25. März 2007.
    2 Schiefergas, sogenanntes „unkonventionelles“, in Tonsteinen gespeichertes Erdgas.
    3 Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt (Erdgasbinnenmarktrichtlinie; Bestandteil des Dritten Energiebinnenmarktpakets).

    Gastbeitrag zum Thema von Hugh Pope in der „Zeit“ vom  24. September 2013:
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    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin  boeros@cytanet.com.cy  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Ute Boeros, Freischaffende Mitarbeiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung, Zypern Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810218 Die Energieimporte setzten sich für das Jahr 2010 wie folgt zusammen: Russland 35 Prozent, Norwegen 27 Prozent, Algerien 14 Prozent, Katar acht Prozent, Libyen und Nigeria je drei und zehn Prozent von anderen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810044 Gedanken im Gedenkjahr Das Gedenkjahr 1914 überschattet die Tatsache, dass für die Bevölkerung der Balkanhalbinsel der Krieg schon zwei Jahre früher begann. Die erfolgreiche albanische Revolte von 1912 zeigte die Schwächen des Osmanischen Reiches; gegen Ende des selben Jahres begannen die jungen Nationalstaaten Montenegro, Serbien, Bulgarien und Griechenland sich im Ersten Balkankrieg die Reste der türkischen Herrschaft in Südosteuropa anzueignen. Im darauf folgenden Zweiten Balkankrieg, im Sommer 1913, stritten sich die Sieger um das erbeutete Mazedonien. Während man im Frühsommer 1914 angeblich in Wien schöne Tage erleben konnte, braute sich in Bosnien und Herzegowina, welches 1908 von Österreich-Ungarn annektiert worden war, jenes Gewitter zusammen, das sich am Veitstag im Attentat von Sarajevo entlud und zum Auslöser des Ersten Weltkrieges wurde.

    Titos „Brüderlichkeit und Einheit“

    Auf eine Periode der autoritären Integration der Westbalkanländer in das Königreich Jugoslawien folgten blutige Abrechnungen während des Zweiten Weltkrieges mit Vernichtungslagern und Todesmärschen. Nach einem weiteren Versuch, die Staaten am Westbalkan in Titos zweitem Jugoslawien unter der Devise „Brüderlichkeit und Einheit“ zusammenzuführen, kam es nach dem Tode des Diktators zu einer Reihe bewaffneter Konflikte im Ungeist der „ethnischen Säuberung“, die sich über die gesamten 1990er-Jahre bis hin zum vergleichsweise harmlosen albanischen Aufstand in Mazedonien 2001 zogen. Das sogenannte „Versprechen von Thessaloniki“ vom Europäischen Gipfeltreffen im Sommer 2003 eröffnete den Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien die Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union. Es wäre das erste Mal, dass sich diesen Ländern eine friedliche Form der Integration anböte.

    Eine der ärmsten Gegenden Europas

    Die von der Natur mit viel karger Schönheit versehene, gebirgige Balkanhalbinsel gehört seit jeher zu den ärmsten Gegenden Europas. Die oft steinigen Böden lassen eine effizient geführte Landwirtschaft nur bedingt zu und müssen dennoch breiten Bevölkerungsschichten zur Subsistenzwirtschaft reichen. Weite Landstriche sind noch immer von moderner Transportinfrastruktur und leistungsstarken Energienetzen abgeschnitten und konnten auch deshalb kaum verarbeitende Industrie anziehen; falls überhaupt, existieren meist nur Rohstoffindustrie und Lohnarbeit. Ansätze zur breitgefächerten Industrialisierung sind bislang immer an der Abhängigkeit von ausländischem Kapital gescheitert.

    Historische Daten zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu Kaufkraftparitäten zeigen, dass im Vergleich zum materiellen Wohlstandsniveau in Deutschland, das auch für diese Region als technologie- und produktivitätsführend angenommen werden darf, letztendlich kaum ein nennenswertes wirtschaftliches Aufholen der Westbalkan-länder über sechs Jahrzehnte hinweg festzustellen war. Zu Beginn der 1950er-Jahre lagen die Westbalkanländer in einer Spanne von 15 Prozent (Kosovo) bis 30 Prozent (Mazedonien) des deutschen BIP pro Kopf.

    In den 1960er- und 1970er-Jahren brachte eine Phase der zunehmend auslandsfinanzierten Industrialisierung einen Aufholprozess. Ende der 1970er-Jahre hatten Mazedonien und Serbien fast die Hälfte des deutschen Wohlstandsniveaus erreicht und auch Montenegro und Bosnien und Herzegowina immerhin ein Drittel. Die zweite Ölkrise 1979 brachte durch einen starken Anstieg der Zinssätze den Aufholprozess schließlich zum Erliegen.

    Die Jugoslawienkriege in den 1990ern

    Das Folgejahrzehnt bedeutete für alle Länder des Westbalkans eine Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs mit radikalen politischen Folgen, die in eine allgemeine Desintegration am Anfang der 1990er-Jahre mündeten. Das Wohlstandsniveau fiel im Zuge der Jugoslawienkriege auf fünf Prozent (Bosnien und Herzegowina) bis 25 Prozent (Mazedonien) von jenem Deutschlands. Ein neuerlicher, von ausländischen Direktinvestitionen und Krediten finanzierter Aufschwung in den 2000er-Jahren führte die Westbalkanstaaten zuletzt auf ein BIP pro Kopf im Bereich von einem Viertel (Kosovo) bis zu einem Drittel (Serbien) des deutschen Niveaus. Der Trend ist allerdings seit Ausbruch der jüngsten Weltwirtschaftskrise wieder negativ.

    Wie für so viele Länder der europäischen Peripherie, deren Produktion zu gering ist, um mit eigenen Güterexporten die benötigten Güterimporte zu erwirtschaften, sind auch für die Westbalkanländer GastarbeiterInnen einer der wichtigsten Ausfuhrartikel. Die schon seit Jahrzehnten traditionelle Arbeitsmigration speist sich aus dem gewaltigen Heer der Arbeitslosen und prekär Beschäftigten. Die Arbeitslosenrate liegt zurzeit bei etwa 15 Prozent (Albanien) bis 30 Prozent (Mazedonien), der Anteil der selbstständig Beschäftigten bewegt sich zwischen rund 20 Prozent (Montenegro) und 60 Prozent (Albanien). Der Anteil der Gastarbeiterüberweisungen am BIP ist enorm, zuletzt reichte er von vier Prozent in Mazedonien bis zu 16 Prozent im Kosovo.

    Die Anwerbeabkommen der 1960er

    Spätestens seit den Unterzeichnungen von Anwerbeabkommen zwischen Jugoslawien und Österreich (1966) sowie Jugoslawien und Deutschland (1968) erstreckt sich der Arbeitsmarkt für die Menschen der Region über ganz Mitteleuropa und darüber hinaus. Die Möglichkeit der Migration bleibt ein wichtiges Überlaufventil, welches auch erklärt, warum es bei so hohen Arbeitslosenraten zu keinerlei größeren sozialen Auseinandersetzungen kommt. Sicher sind die Menschen auch der Konflikte müde, die in der Vergangenheit einen überwiegend nationalistischen Anstrich hatten. Das Vertrauen in die eigenen Regierungen ist in der ganzen Region gering. Die Hoffnungen ruhen in vielerlei Hinsicht auf der EU, die laut Eurobarometer-Umfragen ein weitaus höheres Vertrauen in der Region genießt.

    Am Weg nach Europa

    Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, dass die EU als institutioneller Anker dient: Jene Westbalkanstaaten, deren Fortschritt im Integrationsprozess am weitesten gediehen ist, haben in der Regel auch bessere Institutionen. So belegen beispielsweise Mazedonien und Montenegro beim Korruptionsindex von Transparency International im Vergleich zu den anderen Westbalkanstaaten bessere Plätze. Mazedonien war das erste Land der Region, welches 2005 den offiziellen EU-Kandidatenstatus erlangt hatte. Aufgrund des Streites mit Griechenland um den Namen Mazedonien haben die Beitrittsverhandlungen mit der EU aber bislang nicht beginnen können. Gestartet haben diese für Montenegro als erstes Westbalkanland im Jahre 2012. Noch ist das Erreichen westlicher Standards auch in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit und Mitspracherechte der BürgerInnen ein fernes Ziel. Nichtsdestoweniger sind in allen Ländern in den letzten Jahren wichtige Verbesserungen geschehen, welche ohne den Gruppenzwang des Beitrittsprozesses wohl kaum zustande gekommen wären.

    Zum anderen hoffen die Menschen am Westbalkan auf Unterstützung aus den Förderfonds der europäischen Regionalpolitik. Diese sollten unter anderem helfen, die Infrastruktur zu verbessern und an die transeuropäischen Netze anzubinden, um damit eine Industrialisierung breiter Wirtschaftsbereiche wahrscheinlicher zu machen. Eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere der verarbeitenden Industrie, ist notwendig, um die Länder sowohl von den sprunghaften Entwicklungen auf den internationalen Kapitalmärkten als auch von den beständigeren Gastarbeiterüberweisungen unabhängiger zu machen. Selbst wenn die Unterstützungen es nicht schaffen sollten, die Leistungsbilanzen der Westbalkanstaaten dauerhaft zu verbessern, können die Fördermittel auch als Kompensation für die uneingeschränkte Öffnung der lokalen Märkte für die Produkte aus dem hochindustrialisierten Kern der EU angesehen werden.

    Eine faire Chance

    Aus Eigeninteresse wie auch in Anbetracht der historischen Tragweite sollte, entgegen der aktuellen Erweiterungsmüdigkeit, das Versprechen von Thessalo-niki durch die EU erneuert und den Westbalkanländern eine faire Chance zur Mitgliedschaft in der EU geboten werden.

    Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche:
    www.wiiw.ac.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor holzner@wiiw.ac.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Mario Holzner, Deputy Director, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810075 Letztendlich war kaum ein nennenswertes wirtschaftliches Aufholen der Westbalkanländer über sechs Jahrzehnte hinweg festzustellen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820810021 Ankunft in Europa? Als 2004 zehn mittel- und osteuropäische Länder der Europäischen Union beigetreten sind, wollten die meisten davon vor allem eines: als moderne, westeuropäische Demokratie mit Marktwirtschaft wahrgenommen werden“, erzählt Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Im Mai 2014, zehn Jahre nach der großen Erweiterungsrunde, ist dies zum Teil gelungen. Vollständig erreicht ist das Ziel jedoch nicht. Der Weg dorthin ist von enttäuschten Erwartungen und falschen Hoffnungen geprägt. Gegangen werden muss er trotzdem, sind Expertinnen und Experten überzeugt.

    Steiniger Weg durch die Krise

    „Bis 2008 waren die Entwicklungen in den Ländern der großen Osterweiterung eigentlich sehr positiv“, erinnert sich Wirtschaftsexperte Havlik. Das Wirtschaftswachstum war hoch und auch die Arbeitslosigkeit ist in den Jahren davor gesunken. Die Finanzkrise 2008 bedeutete einen herben Rückschlag für alle Länder Europas, besonders aber für die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL). Die Krise hat die positiven Entwicklungen der Jahre zuvor in diesen Ländern stark überschattet. Viele ausländische Banken, die in den MOEL tätig sind, haben während der Krise ihr Geld zurückgezogen. Das hat sich unmittelbar auf die Finanzierung von Investitionen und Projekten ausgewirkt und die Krise zusätzlich verschärft. Seit 2008 sind die jüngsten EU-Länder wirtschaftlich kaum an den europäischen Durchschnitt herangekommen. Auch in den kommenden Jahren sind laut dem Wirtschaftsinstitut wiiw keine großen Sprünge zu erwarten. Einzig das Wirtschaftswunder Polen hat während der Krise keine negativen Wachstumsraten verzeichnet.

    Musterschüler Polen

    „Dass Polen trotz europaweiter Wirtschaftskrise einen Aufschwung erlebt, ist nicht zuletzt der politisch klügeren Reaktion auf die Krise zu verdanken“, so Havlik. Als Polen 2004 der EU beigetreten ist, befürchteten viele Bauern, sich gegenüber der industrialisierten Landwirtschaft des Westens nicht behaupten zu können. Heute ist Polens Landwirtschaft beispielhaft für den Erfolg einer EU-Mitgliedschaft. Dank Strukturförderungen aus den EU-Fördertöpfen stehen hochmoderne Fabriken im Land, zahlreiche Jobs wurden geschaffen. Ähnlich positiv sind die Entwicklungen in Industrie und Gewerbe. Seit dem EU-Beitritt sind das Einkommen der Bauern und die Kaufkraft der Bevölkerung um rund 50 Prozent gestiegen.

    Dass sich gerade das stark agrarisch geprägte Polen zum Musterschüler entwickeln würde, hätte vor der Erweiterungsrunde kaum jemand für möglich gehalten. Polen hat rasch gelernt, sich die neuen Strukturen der EU eigen zu machen. Es schöpft einen großen Teil der ihm zur Verfügung stehenden EU-Fördergelder ab, während die meisten anderen mittel- und osteuropäischen Länder nur rund 50 Prozent der Fördertöpfe leeren. Rumänien und Bulgarien sogar nur 20 bis 30 Prozent.

    Ausbau der Infrastrukturen

    Ein beachtlicher Teil des Budgets für die MOEL bleibt unangetastet in Brüssel liegen. „Diese sogenannte Absorptionsfähigkeit ist ein echtes Problem. Man muss sich auskennen in diesem ganzen Förderdschungel, und da haben die neuen EU-Mitgliedsländer in der Regel sehr große Schwierigkeiten“, berichtet Havlik. Dennoch haben laut dem Wirtschaftsexperten alle EU-Mitgliedsstaaten sehr von den EU-Transferleistungen profitiert: „Wer durch die mittel- und osteuropäischen Länder fährt, kann mit freiem Auge sehen, was sich verändert hat.“ Es wurden Straßen renoviert, neue Verkehrswege erschlossen, Schulen und Kläranlagen gebaut, Eisenbahnen modernisiert und Umweltschutzmaßnahmen ergriffen. Allein nach Ungarn sind zwischen 2007 und 2013 mehr als 25 Mrd. Euro an EU-Fördergeldern geflossen, vor allem in den Ausbau der Infrastruktur. Havlik ist überzeugt: „Ohne EU-Mitgliedschaft wären diese Investitionen ausgeblieben. Die Wirtschaft hat sich in den Ländern Mittel- und Osteuropas dank Europäischer Union umstrukturiert und modernisiert. Heute werden viel mehr elektrotechnische Waren und Maschinen exportiert als noch vor zehn, 15 Jahren.“

    Viel Hoffnung, viel Illusion

    In Ländern wie Ungarn oder Slowenien hätten hingegen schwere Fehler in der eigenen Wirtschaftspolitik zur Verschärfung der Krise beigetragen. Die ungarische Bevölkerung hatte vor dem EU-Beitritt hohe Erwartungen an die EU-Mitgliedschaft, wie auch die anderen mittel- und osteuropäischen Länder. „Nach der Wende in den 1990er-Jahren war die EU so etwas wie ein ‚point of reference‘, ein Referenzpunkt, der vieles zum Guten wendet: besseres Einkommen, moderne Wirtschaft und mehr Lebensqualität“, erinnert sich Karoly György, Internationaler Sekretär des Dachverbands der Ungarischen Gewerkschaften MSZOSZ. Heute hingegen sind die Staatsschulden gestiegen, ausländische Unternehmen ziehen Gewinne ab und im Land grassiert Korruption. „Dass es nach zehn Jahren EU-Mitgliedschaft in Ungarn nicht rosig ist, hat nichts mit der EU zu tun. Das liegt an der eigenen Politik“, ist György überzeugt. Die Beschäftigungspolitik in Ungarn sei zum Beispiel ein seit Langem bekanntes, strukturelles Problem. Dass die Bevölkerung unzufrieden ist, liegt auf der Hand. Wie in anderen jüngeren EU-Ländern fehlt es an Kaufkraft und Inlandsnachfrage.

    Bei einem durchschnittlichen Gehalt in Ungarn von 750 Euro und Preisen auf dem Niveau des EU-Durchschnitts kann von Anpassung an den westeuropäischen Lebensstandard keine Rede sein. Konsequenz dieser Entwicklungen: Viele Menschen aus den mittel- und osteuropäischen Ländern sind von der EU-Integration enttäuscht. Sie haben sich mehr erwartet. Zu viel, wie Havlik meint. Die Hoffnung, in wenigen Jahren nach dem Beitritt so wie in Deutschland oder Schweden zu leben, sei von Beginn an eine Illusion gewesen. Seit der Krise ist der Aufholprozess der MOEL ins Stocken geraten. Bis Ungarn oder Tschechien auf dem Niveau von Österreich sind, dauere es laut Havlik mindestens zehn Jahre, wenn nicht länger.

    Die Zukunft heißt Europa

    Europa wächst in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situationen der EU-Mitgliedsländer unterscheiden sich so sehr wie ihr Nutzen von der EU-Mitgliedschaft. Ihre Gemeinsamkeit besteht zu einem großen Teil in einer hoffnungsreichen Europa-Euphorie vor dem EU-Beitritt. Dass bei der „Rückkehr nach Europa“ auch der eigene Rucksack selbst getragen werden muss und immer wieder unerwartete Hürden am Weg auftauchen, missfällt vielen Ländern. Dennoch warnen Experten wie Havlik oder György vor Rückschritten. Den Weg nach Europa weiterzugehen, daran führe nichts vorbei. Gerade in Zeiten, in denen extremistische und rechtspopulistische Parteien in verschiedenen europäischen Ländern verstärkt auftreten, braucht es laut Havlik die Europäische Union, um diese Bewegungen im Zaum zu halten. Denn die EU ist mehr als eine Wirtschaftsgemeinschaft.

    Ein Demokratieprojekt

    „Für die mittel- und osteuropäischen Länder ist die Europäische Union vor allem ein Demokratieprojekt“, betont der ungarische Gewerkschafter Karoly György. Es gäbe zwar ein Leben außerhalb von Europa. Dieses wäre aber ein Leben geprägt von Isolation, Verarmung und noch höherer Arbeitslosigkeit, ist György überzeugt. Trotz vieler Probleme im eigenen Land steht er der Europäischen Union positiv gegenüber: „Unsere Zukunft ist in der Europäischen Gemeinschaft, nicht nur wirtschaftlich, auch sozial, kulturell und demokratiepolitisch. Ungarn kommt nun zurück, wo es eigentlich schon immer war. Hier ist unser Platz.“

    Info&News
    In der fünften und bisher größten Erweiterungsrunde im Jahr 2004 sind die Länder Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern der Europäischen Union beigetreten. 2007 kamen Bulgarien und Rumänien hinzu. Als jüngstes Mitgliedsland ist Kroatien seit 2013 bei der EU.


     

    Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche:
    www.wiiw.ac.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Irene Steindl, Alexander Franz, Freie Redakteurin, Freier Redakteur Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820811007 Dank Strukturförderungen aus den EU-Fördertöpfen stehen hochmoderne Fabriken im Land, zahlreiche Jobs wurden geschaffen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820809997 Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn Tonnen von Papier werden jedes Jahr von hochbezahlten Spezialistinnen und Spezialisten zum Thema Weiterentwicklung der europäischen Integration produziert. Und dann wird darüber in den europäischen Institutionen, aber auch in den Regierungsstellen europäischer Hauptstädte nachgedacht und diskutiert.

    Dabei entsteht auch die eine oder andere gute und umsetzbare Idee. Wenn es aber um die tatsächliche Realisierung konkreter europäischer Zusammenarbeit geht, dann braucht es vor allem jene, die sie tagtäglich in die Tat umsetzen, jene, die Europa schon gelebt haben, lange bevor die EU 28 Mitgliedsstaaten hatte. Das sind in diesem Fall die vielen GewerkschafterInnen, die seit Jahrzehnten über die Grenze geschaut haben, jene Menschen, die stets offen auf die Kolleginnen und Kollegen im Nachbarland, in der Nachbarregion zugegangen sind. Dafür brauchten sie auch keine theoretischen Abhandlungen: Es war und ist diesen Kolleginnen und Kollegen klar, dass die Welt nicht an einer Grenzmarkierung endet, und selbst der lange existierende Eiserne Vorhang stellte im nachbarschaftlichen Dialog kein unüberwindliches Hindernis dar. Ein schöner spätherbstlicher Tag im slowenischen Ort Slovenj Gradec, die Blätter sind schon fast alle von den Bäumen gefallen und die spärlichen Sonnenstrahlen erhellen das kleine Wirtshaus. So schäbig es von außen wirkt, so schön und wohlig ist es in der Gaststube. Es ist das Stammlokal der Arbeiterschaft und wie einst, hängt noch immer wachsam blickend ein Bild von Präsident Tito über der Schank.

    Hier treffen sich die slowenischen Gewerkschaftsregionalsekretäre Loize und Romana mit ihren Kollegen vom ÖGB, Heinrich und Martin, sowie dem Triester Gewerkschaftssekretär Roberto. Die Begrüßung verläuft betont freundlich, man umarmt sich und küsst, man verwendet ein paar Brocken von der Sprache des jeweils anderen und beginnt die Sitzung mit einem Espresso.

    Gemeinsame Ideen und Lösungen

    „Unsere Bauarbeiter haben Probleme mit ihren Kärntner und steirischen Arbeitgebern“, beginnt Kollegin Romana, „vor allem glauben wir, dass euer Kollektivvertrag nicht respektiert wird. Auch müssen immer wieder Arbeitnehmer lange auf ihre Gehälter warten. Wir ersuchen euch um Beratung für unsere Leute.“ Sofort reagiert der Kärntner Kollege: „Wir haben schon von diesen Problemen durch unsere Baugewerkschaft gehört. In vielen Fällen könnten wir helfen, es gibt aber leider oft ein Sprachproblem“, meint Martin, um gleich mit einem konkreten Vorschlag fortzufahren: „Würdet ihr mithelfen wenn wir eine kurze Information über Grundlagen des Arbeits- und Sozialrechts sowie einen Überblick über den Kollektivvertrag für slowenische Bauarbeiter in Österreich produzieren würden?“ Romanas Antwort kommt sofort und frei von Zweifel: „Natürlich!“ In den ständig wechselnden Verhandlungssprachen Deutsch und Englisch werden an diesem Nachmittag noch viele andere Ideen und konkrete Lösungen besprochen. So wollen sich auch die italienischen Kolleginnen und Kollegen an einer solchen Broschüre beteiligen. Auch in Triest und seinem Umland steigt seit Beginn der Wirtschaftskrise in Slowenien die Zahl der Arbeitsuchenden aus dem Nachbarland. Die italienische Regionalregierung erkennt die Wichtigkeit des Interregionalen Gewerkschaftsrates (IGR) zwischen der Region Friaul-Venetien und der slowenischen Seite und unterstützt die Aktivitäten mit jährlich immerhin 40.000 Euro. „Davon“, meint der steirische Kollege, „können wir nur träumen.“

    Interregionales Handeln

    Beim erwähnten Treffen in Slowenien waren drei verschiedene Interregionale Gewerkschaftsräte dabei. Neben dem italienisch-slowenischen waren es noch die IGR Steiermark/Podravje-Pomurje und Kärnten/Gorenjska-Koroska. In ganz Europa gibt es knapp 50 dieser vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) anerkannten Gremien. Geografisch finden sich die IGR vom südlichsten Rat zwischen Sizilien und Malta bis hinauf an den Polarkreis, wo die finnischen, schwedischen und norwegischen GewerkschafterInnen kooperieren. Österreich ist mit seinen neun IGR „Europameister“. Jedes Bundesland mit Ausnahme Wiens hat eine permanente grenzüberschreitende Gewerkschaftskooperation.

    Wie die Arbeit in den Gremien auszusehen hat, ist nicht genau geregelt. Manche IGR geben sich ambitionierte Jahresarbeitsprogramme, andere treffen sich einfach fallweise. Für alle IGR gilt allerdings, dass die persönlichen Kontakte ausschlaggebend sind. Wie immer haben die zwischenmenschlichen Beziehungen star-ken Einfluss auf die Intensität der Zusammenarbeit auch im gewerkschaftlichen Bereich. Beim Treffen in Slowenien konnte man spüren, wie gut sich die Personen kennen, und vor allem, mit welchem Enthusiasmus sie sich neuen Herausforderungen stellen.

    Szenenwechsel: Blicken wir nach Norden. Die Zusammenarbeit zwischen den tschechischen Gewerkschaften Südmährens und jenen in Niederösterreich gab es schon lange vor der Öffnung der Grenzen. Auch der Kommunismus konnte den guten Beziehungen nichts anhaben. Darauf angesprochen meint Stanislava, die Landessekretärin der Tschechisch-Mährischen Konföderation der Gewerkschaften (ČMKOS): „Auf beiden Seiten sind es vor allem Weingebiete, die den Regionen einen Stempel aufgedrückt haben. Und es ist ja auch kein Geheimnis, dass der Wein einen sehr verbindenden Charakter hat.“

    So einfach ist es natürlich nicht. Hinter den engen Kooperationen stecken viel Arbeit und zahlreiche EU-geförderte Projekte, die Niederösterreich und Südmähren in den letzten zehn bis zwölf Jahren einander noch näher gebracht haben. Da gab es große Kooperationsvorhaben unter bezeichnenden Namen wie „Gemeinsam erweitern“ (vor dem EU-Beitritt Tschechiens), „Grenzraum aktiv“ oder „Zukunftsraum Wien-Niederösterreich-Südmähren“. Dabei wurden unzählige Seminare, Konferenzen, Betriebsbesuche, Branchentreffen, Sprachkurse, Lehrlingswettbewerbe und nicht zuletzt eine sehr effektive Rechtsberatung in tschechischer Sprache durchgeführt. Gerade die rechtliche Hilfeleistung für tschechische ArbeitnehmerInnen in ihrer Muttersprache hatte sich bewährt. Nachdem keine Fördergelder mehr zur Verfügung standen, musste sie allerdings nach fünf Jahren eingestellt werden. In diesem Zeitraum konnte mindestens 6.000 Tschechinnen und Tschechen geholfen werden. Sei es, um ihre Rechtsansprüche in Österreich geltend zu machen oder sie einfach nur vor Arbeitsantritt in Österreich über die bestehende Rechtssituation zu informieren. Hunderte Menschen konnten aus der Schwarzarbeit herausgeführt werden und ebenso viele falsche Kollektivvertragseinstufungen wurden – nach Urgenz durch den ÖGB – korrigiert. Angesprochen auf die Frage, wie es ohne EU-Förderungen weitergehen soll, zeichnet der niederösterreichische Gewerkschaftssekretär Norbert ein dennoch optimistisches Bild: „Wir werden auf keinen Fall die Zusammenarbeit über die Grenze abbrechen. Zu viel steht für beide Seiten auf dem Spiel. Die Region ist schon längst zu einer gemeinsamen geworden, denn der Raum zwischen Brünn und Wien kennt heute keine Hindernisse mehr. Wir geben daher nicht auf und planen für 2015 wieder ein gemeinsames Projekt.“

    Positive Stimmung

    Die durchwegs positive Stimmung herrscht in den meisten IGR vor. Während man in Brüssel oft ratlos über Europas Zukunft diskutiert, pessimistisch vom Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten und nationaler Unterschiede philosophiert, sind die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in unseren Grenzregionen in ihrem Handeln ganz zielbewusst. Sie müssen „ihr“ Europa nicht erst suchen, es liegt nämlich vor ihrer Haustür. Für sie gibt es schon längst keine Grenzen mehr und nur ein, nämlich unser gemeinsames, Europa.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor marcus.strohmeier@oegb.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB, Leiter des internationalen Referats Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820810007 Es war und ist diesen Kolleginnen und Kollegen klar, dass die Welt nicht an einer Grenzmarkierung endet, und selbst der an vielen Orten lange existierende Eiserne Vorhang stellte im nachbarschaftlichen Dialog kein unüberwindliches Hindernis dar. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820809056 Die traurige Saga von Oltchim Bukarest/Ramnicu Valcea – es ist ein sonniger Herbstmittag am Fuß der Karpaten, ein kalter Wind weht über das alte Industriegelände. Die erste Schicht verlässt die Fabrik. „Wieder haben wir acht Stunden lang die Maschinen poliert und den Staub gewischt“, lacht Andrei, einer der Mitarbeiter, der seinen Nachnamen nicht preisgeben will. Ein paar Meter weiter warten einige Busse, groß und klein. Sie fahren ins Stadtzentrum und in die benachbarten Dörfer, wo ein Teil der Belegschaft wohnt. Ein Plakat in der Haltestelle informiert, dass die gleiche Firma auch regelmäßige Fahrten nach Italien bietet. Dort arbeiten seit Jahren fast eine Million Rumäninnen und Rumänen.

    Seit 2012 Zahlungsschwierigkeiten

    Oltchim, das größte Chemieunternehmen in Rumänien, ist seit einem Jahr insolvent. „Bald werden wir mit diesen Bussen nicht mehr ins Werk, sondern direkt nach Rom oder Berlin fahren“, meint Andrei sarkastisch. Der gelernte Chemieoperator ist 47 und wurde hier in Ramnicu Valcea geboren. „Die Stadt bot damals, kurz vor der Wende, gute Ausbildungschancen. Die Berufsschulen arbeiteten mit dem Unternehmen zusammen. Eine Einstellung bei Oltchim galt als sicher“, erinnert er sich

    Heute gilt für die rund 100.000 EinwohnerInnen der Stadt nichts mehr als sicher. Mehr als 3.300 von ihnen arbeiteten bis vor Kurzem oder arbeiten noch in der Chemiefabrik. Bereits seit 2012 steckt das staatliche Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten. Insgesamt 800 Mio. Euro betragen die angehäuften Schulden. Hinzu kommen 200 weitere Mio., die laut EU-Vorschriften bereits in Umweltschutzanlagen hätten investiert werden müssen.

    Reizthema Oltchim

    Oltchim ist ein Reizthema in Rumänien. Das 1966 gegründete Unternehmen gehörte jahrelang zu den besten und bekanntesten Arbeitgebern im Lande. Seine Produkte waren bis vor Kurzem zu 80 Prozent für den Export bestimmt. Vor allem auf dem europäischen Markt galten etwa das rohe PVC-Pulver, die Natronlauge oder das Propylenglykol von Oltchim als sehr begehrt. Westeuropäische Unternehmen fanden dann für diese Stoffe zahlreiche Anwendungen im industriellen oder Alltagsbereich.

    Doch seit den 1990er-Jahren ging es langsam bergab. Der Staat konnte fällige Investitionen und Modernisierungen nicht mehr finanzieren. „Unsere Produkte verkauften sich gut, doch die Schulden wurden immer größer“, erinnert sich Oltchim-Gewerkschaftschef Corneliu Cernev. „Der Staat tolerierte jahrelang die schlechte Zahlungsmoral seiner eigenen Unternehmen, weil die Politik wusste, dass alles andere unrealistisch wäre“, erklärt auch der Bukarester Wirtschaftsexperte Cristian Orgonas. „Meistens handelte es sich bei den angehäuften Schulden um Fälligkeiten gegenüber anderen staatlichen Unternehmen oder den Steuer- und Sozialversicherungskassen. So blutete die Wirtschaftssubstanz langsam aus.“

    Das Paradoxe: Oltchim könnte durchaus rentabel werden, wenn jemand die entsprechenden Investitionssummen in die Hand nehmen würde. Für die linksliberale Regierung von Premier Victor Ponta ist der Fall mehr als brisant. Kurz vor den Parlamentswahlen im Dezember 2012 galt es, eine Insolvenz um jeden Preis zu vermeiden. Das linke Lager hatte die Sparmaßnahmen und Stellenkürzungen, die früher von ihren wirtschaftsliberalen Gegnern durchgesetzt wurden, heftig kritisiert; Entlassungen konnte es sich nicht leisten. Ein Antrag auf die Genehmigung von Staatshilfen scheiterte am „Nein“ der EU-Kommission, die darin eine Verletzung der europäischen Wettbewerbsregeln sah.

    Höchstgebot: 45 Mio. Euro

    Der IWF erhöhte den Druck auf die rumänische Regierung. Es folgte eine lange Privatisierungssaga. Interessiert zeigte sich vor allem der deutsche Chemiekonzern PCC, der bereits vor ein paar Jahren ein Minderheitspaket der Aktiengesellschaft Oltchim erworben hatte. Doch dann passierte eine Überraschung: Der Fernsehmoderator Dan Diaconescu brachte sich selbst als Käufer ins Spiel. Mit 45 Mio. Euro bot er viermal so viel wie die PCC in ihren Offerten.

    Der 44-jährige Journalist mit grauen Haaren und Designerschuhen ist Inhaber des Trash-Senders OTV, dem die Sendelizenz aufgrund gravierender Verstöße gegen die Regeln der Berichterstattung mittlerweile entzogen wurde. Als Meistbieter musste Diaconescu eingeladen werden, den Kaufvertrag zu unterschreiben. Das geschah nicht, seine Anwälte beriefen sich auf formale Fehler.

    Diaconescus schlechte Telenovela

    Ministerpräsident Ponta sprach von der „Fortsetzung einer schlechten Telenovela“. Er und Wirtschaftsminister Daniel Chitoiu bezweifelten öffentlich, dass Diaconescu die Summe aufbringen könne. Sie erklärten den Privatisierungsanlauf für gescheitert und riefen die Staatsanwaltschaft auf, ein Verfahren wegen Betrugs einzuleiten. Doch die Justiz blieb tatenlos, während Diaconescu vor laufender Kamera seine angebliche Zahlungsfähigkeit unter Beweis stellte: Er schleppte Säcke, angeblich voller Geld, zum Wirtschaftsministerium. Was tatsächlich darin war, ist unklar. Die öffentlichkeitswirksame Aktion fand abends nach Dienstschluss statt. Beim Ministerium war nur noch der Pförtner da.

    Heute steht die Regierung, aber vor allem die Belegschaft vor einem Haufen Scherben. Die Insolvenz konnte nicht mehr vermieden werden. Beinahe die Hälfte der Beschäftigten verloren seitdem ihre Arbeitsplätze – eine Änderung des Arbeitsgesetzbuchs durch die frühere wirtschaftsliberale Regierung erlaubt, während des Insolvenzverfahrens Stellen abzubauen, um Unternehmen „gesundzuschrumpfen“.

    Die übrigen MitarbeiterInnen haben Angst vor einer endgültigen Schließung. Doch auch eine Übernahme des Unternehmens durch ausländische Investoren wie PCC ist nicht unbedingt gerne gesehen. „Viel zu oft haben nach der Privatisierung die neuen Eigentümer nur Bruchteile der Fabriken behalten und alles andere als Altmetall verkauft“, sagt Gewerkschaftschef Cernev. „Der Investor braucht nicht nur Geld, sondern auch einen nachhaltigen Plan, der auch umgesetzt wird. Wir hoffen, dass der Staat bald eine Lösung findet und wir die Arbeit wieder aufnehmen können.“

    Zeit der Populisten

    Mittlerweile wächst erneut der Druck vom IWF. Erst vor Kurzem verkündete der neue Wirtschaftsminister Andrei Gerea, dass sein Haus an einem neuen Restrukturierungsplan arbeitet. Cernev befürchtet noch mehr Entlassungen.

    „Wir werden nicht mehr von Bukarest regiert, sondern von der EU, vom IWF und von dieser Angela Merkel. Die wollen nicht, dass wir unsere eigene Industrie haben, sondern nur alles möglichst billig kaufen“, empört sich Ion Burcea, der 24 Jahre als Arbeiter bei der Chemiefabrik Oltchim beschäftigt war. Inzwischen fährt er in Ramnicu Valcea Taxi. Der deutschen Kanzlerin nimmt Burcea, wie auch viele andere Rumäninnen und Rumänen, die Einmischung in die Bukarester Politik und die Unterstützung für die drastischen Sparprogramme übel.

    Politische Analysten warnen vor einer Eskalation und vor der Gefahr populistischer Diskurse. In der Tat: Taxifahrer Burcea hat vergangenes Jahr die Volkspartei PPDD des Fernsehmoderators Diaconescu gewählt – wie knapp 15 Prozent seiner Landsleute. Die Partei wurde so zur drittstärksten Kraft im Parlament. Diaconescu ist für viele Rumäninnen und Rumänen der ersehnte Gegenspieler zu den beiden großen politischen Lagern. Vor wenigen Wochen erklärte der Moderator, dass er sich an allen geplanten Privatisierungen beteiligen will. „Wir wollen alles kaufen, um die Unternehmen vor gierigen ausländischen Investoren zu retten“, beteuert der Moderator.

    „Die spinnen doch alle“

    Demnächst ist Diaconescu wieder zu Besuch bei Oltchim, um mit den Mitarbeitern vor laufenden Kameras zu sprechen.

    In Ramnicu Valcea ist vielen klar, dass es ihm um politisches Kapital geht. Vor dem Eingangstor der Chemiefabrik stehen vier Geldautomaten. Die ArbeiterInnen prüfen hier jeden Tag nach ihrer Schicht, ob ihr Gehalt inzwischen eingetroffen ist. Ende Oktober waren die Julilöhne endlich auf den Konten. „Die spinnen doch alle“, schimpft ein älterer Arbeiter.

    Andere Reportagen des Autors:
    www.silviumihai.de

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor silviumihai@gmail.com  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Silviu Mihai, Osteuropa-Korrespondent Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820809064 Am Geldautomaten vor dem Eingangstor prüfen die Mitarbeiter jeden Tag, ob die seit Monaten fälligen Löhne endlich ausgezahlt wurden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820809024 Zwischen jetzt und dort - zwischen hier und später Wissen Sie, woher „Ihre“ Haushälterin, Putzfrau, Raumpflegerin, Babysitterin, „Perle“ oder schlicht bezeichnet Hausarbeiterin stammt? Wissen Sie, ob sie zu versorgende Kinder hat? Wissen Sie, wie sie ihre Arztrechnungen bezahlt? Oder welche Ausbildung sie hat? Wann haben Sie ihr zum letzten Mal eine Gehaltserhöhung angeboten? Entsprechend Ihren eigenen Biennalsprüngen?

    Das sind Fragen an Haushalte, die es sich finanziell leisten können, das Konfliktfeld „Wer soll aufräumen?“ auszulagern. Das sind auch Fragen, die auf den ersten Blick moralisierend daherkommen, aber auf den zweiten Blick ein weites Feld struktureller Ungleichheiten und erstaunlicher Biografien zu Tage bringen. Vor dem Hintergrund dieses Beitrags1, der der transnationalen Haushaltsorganisation ukrainischer Migrantinnen zwischen ihrem Herkunftskontext und diversen Wiener Haushalten auf den Grund geht, können Sie diese Fragen vielleicht unter einem veränderten Blickwinkel betrachten.

    Die Haushalte der Haushälterinnen

    Migrantinnen sind als bezahlte Hausarbeiterinnen wesentliche Akteurinnen in der Aufrechterhaltung von Haushalten an unterschiedlichen Orten. Einerseits tragen sie als Lohnarbeiterinnen zur sozialen Reproduktion europäischer Privathaushalte bei. Die Arbeitsverhältnisse in privaten Haushalten sind meistens informell, das heißt ohne sozialversicherungsrechtliche Ansprüche und mit eingeschränkten kollektiven Durchsetzungsmöglichkeiten.2 In Zusammenhang steht diese Prekarität mit der Unsicherheit des aufenthalts- oder beschäftigungsrechtlichen Status der Migrantinnen, mit dem ungleichen Zugang zu sozialer Absicherung und sozialen Leistungen und mit der ungleichen Anerkennung von Qualifikationen.

    Andererseits sind sie als „female breadwinners“ für die Finanzierung des Haushalts in ihrem Herkunftsland verantwortlich. Bezahlte Haushaltsarbeit als Einkommensquelle von Migrantinnen ist ein relevanter Faktor der Reproduktion ihrer eigenen Haushalte im Herkunftsland. Mit dem daraus verdienten Geld werden Ausbildungen, die Renovierung von Häusern, gesundheitliche Dienstleistungen oder eine Hausarbeiterin bezahlt, die sich um die unmittelbare Versorgung des Haushalts und der Kinder kümmert.

    Strukturelle Ungleichheiten

    Die Bedingungen ökonomischer, sozialer und biologischer Reproduktion zwischen denen, die die Haushaltsdienstleistungen anbieten und jenen, die sie nachfragen, sind äußerst ungleich.3 Seien es Arbeitsbedingungen, Arbeitsmarktsegregation, soziale oder politische Rechte, Migrantinnen und Migranten sind gegenüber Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern mehrfach benachteiligt. Ein besonderes Paradox ist jenes der notwendig grenzüberschreitenden Haushaltsorganisation von Migrantinnen: Während Migrantinnen zur Reproduktion der nachfolgenden Generation in jenen Ländern, wo sie als Haushaltsarbeiterin oder als Krankenschwester tätig sind, beitragen, sind sie gleichzeitig formell-rechtlichen Beschränkungen unterworfen, ihre eigenen Familien zusammenzuführen.

    Familie oder Arbeit

    Verfügt eine Migrantin über eine Aufenthaltserlaubnis für sich selbst, bedeutet das nicht, dass ihre Kinder oder nächsten Verwandten mit einreisen oder nachreisen könnten. Entsprechend gibt es für sie meist nur die Wahl zwischen gemeinsamem Familienleben oder Arbeit im Ausland ohne Familienzusammenführung: Die grenzüberschreitende Organisation ihrer Haushalte und der Kinderversorgung bleibt damit alternativlos.

    Transnationale Mutterschaft

    Die Abwesenheit derjenigen, die bis dato die (unbezahlte) Reproduktionsarbeit im Herkunftsland geleistet hat, führt dazu, dass sich Haushalte personell neu zusammensetzen und auch „nicht familiäre“ Mitglieder, z. B. bezahlte Hausarbeiterinnen, Teil des Haushaltsarrangements werden bzw. andere Haushaltsmitglieder wie Großeltern, Kinder oder gar Männer die Reproduktionsarbeit übernehmen. Die einen Protagonistinnen dieser Arrangements sind jene Migrantinnen, die als „wirkmächtige Abwesende“ sowohl ökonomisch als auch sozial und emotional intervenieren, obwohl sie physisch nicht anwesend sind. Man nennt dieses Phänomen transnationale Mutterschaft.4

    Es bedeutet die Organisation von Fürsorge, die praktische und ideologische Neuordnung von Mutterschaft vor dem Hintergrund der zeitlichen und räumlichen Trennung der Mütter von ihren Kindern und der Alternativlosigkeit dieses Arrangements angesichts der Migration der Mütter. Transnationale Mutterschaft impliziert auch eine stetige Reorganisation und Planung der Versorgung des Herkunftshaushaltes. Dieses Arrangement formiert auch neue oder zusätzliche Bedeutungen von Mutterschaft. Die neue Rollenzuschreibung an Mütter, vor allem für das materielle Wohlergehen der Kinder zuständig zu sein, steht in Kontrast zu ihren Ansprüchen, in vielfältiger Weise zu sorgen. Aufgrund ihrer Abwesenheit können andere Rollen nicht mehr erfüllt werden: Sie alleine ist nicht mehr die vertrauensvolle Freundin, die Entscheidungsträgerin der Familie, die tröstende und körperlich nahe Bezugsperson, die unmittelbare Autorität und „Schatzmeisterin“ der Familie. Auch wenn aufgrund der kontinuierlichen Kontakthaltung zwischen Müttern und ihren Kindern durch Briefe, Telefonate und Videos, die gegenseitig geschickt werden, wichtige Informationen ausgetauscht werden und versucht wird, eine Vertrauensbasis aufrechtzuerhalten, impliziert die räumliche Distanz zwischen den Familienmitgliedern doch auch eine emotionale Distanz. Olga beschreibt ihr temporäres Ankommen in der Ukraine nach einem längeren Aufenthalt in Österreich:

    „Die Kinder sind mir immer weiter entfernt. Ich spüre, dass es keine so nahe Beziehung mehr zu den Kindern gibt. Als ich in die Ukraine gekommen bin, habe ich gesehen, dass meine Mutter meine Kinder besser kennt als ich. Meine Kinder erzählen ihr alle ihre Probleme. Sie gehen mit ihren Problemen zu meiner Mutter, auch wenn ich dort bin. Aber in den ersten Tagen haben sie sich sehr gefreut. Wir haben alle geweint.“ Frauen manövrieren zwischen dem Trennungsschmerz von ihren Kindern und ihrer Familie und der Angst, Kontrolle und Einfluss über das Leben der Kinder zu verlieren und ihren eigenen Lebensweg hintanstellen zu müssen, der sich mittlerweile durch mehrere Orte schlängelt: Wien muss kein temporärer Aufenthaltsort bleiben; auch hier gibt es einen Alltag jenseits von Putzen und Kinderbetreuung, den man trotz der Entbehrungen nicht missen will und schätzen gelernt hat.

    Verbindliche Gehaltserhöhung

    Der öffentliche Diskurs über das Phänomen der Arbeitsmigration von Personen mit Betreuungspflichten verhandelt meist vollkommen unzureichend die zwiespältigen, schmerzhaften, aber auch befreienden Verarbeitungsstrategien der abwesenden und gleichzeitig großen Einfluss auf Ökonomie, Haushalt, Familie und Gesellschaft nehmenden Migrantinnen.

    Die Betroffenheit über das Schicksal von transnationalen Familien ist meistens groß. Besser wäre eine verbindliche Gehaltserhöhung.

    1 Bettina Haidinger (2013): Hausfrau für zwei Länder sein. Zur Reproduktion des transnationalen Haushalts. Münster.

    2 Arbeitskreis Undokumentiert Arbeiten/AK Wien (2013): Arbeiten ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte. Wien.

    3 Rhacel Salazar Parreñas (2005): Children of Global Migration. Stanford.

    4 Pierrette Hondagneu-Sotelo und Ernestine Avila (1997): „I’m here, but I’m there“: The Meanings of Latina Transnational Motherhood. In: Gender and Society 11/1997.

    Arbeitskreis Undokumentiert Arbeiten/AK Wien (2013):
    Arbeiten ohne Papiere, aber nicht ohne Rechte - tinyurl.com/lvtyy9g

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin haidinger@forba.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Bettina Haidinger, Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, Wien Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820809042 Wissen Sie, woher "Ihre" Haushälterin, Putzfrau, Raumpflegerin, Babysitterin, "Perle" oder schlicht bezeichnet Hausarbeiterin stammt? http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820809037 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820809008 Volksvertretung für 500 Millionen Seit der Gründung 1952 wurden die Kompetenzen des Europäischen Parlaments schrittweise immer weiter ausgebaut. Durch den im Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon sollten unter anderem die Entscheidungsfindungen und Beschlüsse der EU-Gremien transparenter und demokratischer werden.

    Die drei wichtigsten Aufgabenbereiche des Europäischen Parlaments sind:

    1. Erörterung und Verabschiedung von EU-Rechtsvorschriften: In Zusammenarbeit mit dem Rat der EU ist das Parlament jetzt in den meisten Politikbereichen für die Gesetzgebung verantwortlich. Nur bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik sowie in der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) werden die wichtigsten Entscheidungen weiterhin im Rat getroffen. Allerdings ist die Zustimmung des Parlaments zu Erweiterungen der EU und zu den meisten internationalen Abkommen erforderlich. So hat das Parlament etwa eine Reihe von Finanzprotokollen mit Drittländern unter Hinweis auf die Menschenrechte abgelehnt.
    2. Kontrolle anderer EU-Institutionen, insbesondere der Kommission, um eine demokratische Arbeitsweise zu gewährleisten: Wenn eine neue Kommission bestellt wird, muss das Parlament zustimmen. Der Kommissionspräsident wird von den Regierungen – auf Basis der Ergebnisse von EU-Wahlen – vorgeschlagen und vom Parlament gewählt.
    3. Erörterung und Verabschiedung des EU-Haushalts in Zusammenarbeit mit dem Rat: Schon vor 2009 hatte das EU-Parlament das Budgetrecht, allerdings mit Ausnahme der Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik, die mehr als 40 Prozent des Etats ausmachten. Durch die Einbeziehung des Agrarsektors entscheidet das Parlament heute gemeinsam mit dem Rat über den Haushaltsplan der EU.

    Trilog mit Rat und Kommission

    Mehr als 2.000 Rechtsakte wurden im Jahr 2012 von Rat, Parlament und Kommission bearbeitet – die meisten im Rahmen des sogenannten ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens: Die EU-Kommission hat das alleinige Initiativrecht, nur sie kann dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Entwurf für einen Rechtsakt vorlegen. Danach folgen die Lesungen inklusive Abänderungen des Entwurfs im Parlament und im Rat. Stimmt der Rat den Änderungsvorschlägen des Parlaments nach der zweiten Lesung nicht zu, dann wird der Entwurf einem Vermittlungsausschuss mit Delegierten von Rat und Parlament übermittelt. Nach diesem Einigungsverfahren folgt die dritte Lesung. Wenn diese Abstimmung negativ ausfällt, aber auch wenn das Einigungsverfahren kein Ergebnis bringt, ist das Verfahren beendet. In der Praxis gibt es meist schon vor der offiziellen Vorlage informelle Treffen zwischen der Kommission, den zuständigen Ausschüssen des Parlaments und dem Rat (= Trilog), so dass die meisten Entscheidungen relativ bald fallen.

    Die Kommission schlägt vor

    Gesetzesinitiativen erfolgen also immer durch die Kommission, allerdings können das Parlament und der Rat die Kommission auffordern, einen bestimmten Vorschlag zu unterbreiten. Evelyn Regner, seit 2009 Abgeordnete im Europäischen Parlament (Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten), nennt die Finanztransaktionssteuer als Beispiel für eine solche parlamentarische Initiative: „Insgesamt kann man sagen, dass das Parlament trotz einer konservativen Mehrheit immer eher auf der Seite der ArbeitnehmerInnen und des Mittelstands ist.“ Im Übrigen wurde mit der Kommission vereinbart, dass Initiativvorschläge mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit von der Kommission immer als Gesetzesvorlage eingebracht werden. „Im Grunde können wir eigentlich immer wesentlich mitgestalten“, so Regner, „denn die Kommissionsvorschläge können ja vom Parlament verändert werden. Manchmal gibt es mehr als 1.000 Abänderungsanträge pro Gesetzesvorlage.“

    Gelbe Karte für die EU

    Am Beginn jedes Legislativverfahrens werden die Texte auch den nationalen Parlamenten übermittelt, die ihr Statement dazu abgeben können. Der jeweils zuständige parlamentarische Ausschuss prüft vor allem, ob das Vorhaben mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Dieses geht davon aus, dass die EU nur dann tätig wird, wenn die Ziele der geplanten Maßnahme nicht ausreichend auf nationaler oder lokaler Ebene verwirklicht werden können. Einspruch erhebt ein Parlament, indem es innerhalb von acht Wochen eine begründete Stellungnahme beschließt (Subsidiaritätsrüge). Jeder Mitgliedsstaat hat in diesem Verfahren zwei Stimmen, in Österreich werden diese auf Bundesrat und Nationalrat aufgeteilt. Sobald mehr als ein Drittel der Stimmen der nationalen Parlamente gegen einen Legislativvorschlag Einspruch erhebt, muss dieser erneut geprüft werden (Gelbe Karte). Es besteht für die EU aber keine Verpflichtung, den Vorschlag tatsächlich zu verändern. Erst wenn mehr als die Hälfte der Mitgliedsstaaten negative Stellungnahmen abgibt (Orange Karte), muss die Kommission begründen, warum ihr Vorschlag mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang steht. Erstmalig zeigten die nationalen Parlamente die Gelbe Karte 2012 bei der geplanten „Monti-II-Verordnung“, mit der die Kommission Streikrechte mit der Begründung der wirtschaftlichen Marktfreiheiten des Binnenmarktes einschränken wollte.

    Evelyn Regner erinnert sich aber auch an den umgekehrten Fall: „Beim Thema Frauenquoten waren nationale Parlamente der Meinung, das wäre keine EU-Angelegenheit. Mit der Begründung, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen seit Jahrzehnten zwar theoretisch per Gesetz durchgesetzt, aber bis dato in der Realität nicht in allen Bereichen vollzogen wurde, verlief die Subsidiaritätsrüge ergebnislos.“

    Internetplattform IPEX

    Für eine bessere interparlamentarische Zusammenarbeit in EU-Angelegenheiten wurde 2006 die Internet-Plattform für Informationsaustausch in EU-Angelegenheiten (IPEX) eingerichtet. Hier können alle Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten, der Beitrittskandidatenländer sowie das Europäische Parlament Informationen veröffentlichen. Auf diese Weise können auch die entsprechenden Mehrheiten für Subsidiaritätsrügen leichter und zeitgerecht gefunden werden.

    In Richtung „Sozialunion“

    Mit dem Lissabon-Vertrag hat sich einiges in der EU verändert, unter anderem hat sich die EU in Richtung „Sozialunion“ entwickelt und beschränkt sich längst nicht mehr auf die Kernbereiche Wirtschaft und Landwirtschaft.

    Der Politikwissenschafter und EU-Experte Andreas Maurer gibt allerdings zu bedenken, dass es auch mehr oder minder deutliche Versuche gebe, die Position des EU-Parlaments zu schwächen, etwa „wenn gefordert wird, dass nur die Euro-Länder bei Euro-Themen abstimmen dürfen, dann ist das eine deutliche Benachteiligung jener Länder, die in Kürze ihre Währung umstellen und mit diesen Beschlüssen dann leben müssen“.

    Zahlen & Fakten
    Nach den Wahlen im Mai wird sich das EU-Parlament aus 750 Parlamentarierinnen und Parlamentariern plus dem für 2,5 Jahre gewählten Parlamentspräsidenten (seit Jänner 2012 Martin Schulz) zusammensetzen. Es gibt rund 20 parlamentarische Ausschüsse zu den verschiedenen Themenbereichen. Die Zahl der Abgeordneten pro Mitgliedsstaat variiert je nach Bevölkerungszahl zwischen sechs und 96 Delegierten, Österreich wird nach den Wahlen 19 statt wie bisher 18 Abgeordnete stellen. Zur Gründung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel der Mitgliedsstaaten erforderlich.
    Im April 2012 wurde als Instrument der politischen Teilhabe die Europäische Bürgerinitiative etabliert. Dafür müssen in zwölf Monaten eine Million gültige Unterstützungserklärungen in einem Viertel aller EU-Mitgliedsstaaten gesammelt werden, um die Kommission aufzufordern, für ein bestimmtes Anliegen einen neuen Rechtsakt auszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen.


    Europäisches Parlament – Informationsbüro für Österreich:
    www.europarl.at

    Grundlegende und aktuelle Infos, Dokumente, EPTV mit Live-Streams von Ausschuss-Sitzungen und Plenartagungen:
    www.europarl.europa.eu

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin afadler@aon.at  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Astrid Fadler, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820809018 Schon vor 2009 hatte das EU-Parlament das Budgetrecht, allerdings mit Ausnahme der Ausgaben für die Gemeinsame Agrarpolitik, die mehr als 40 Prozent des Etats ausmachten. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808991 Späte Chance auf Gewerkschaft Europa und seine Nachbarn an der Südküste des Mittelmeers verbindet eine lange – manchmal kriegerische, manchmal friedliche – Geschichte. Aber in den vergangenen 200 Jahren war dieser große Kulturraum, der Europas Entwicklung entscheidend beeinflusst hatte, nur mehr eine Ansammlung von Kolonien europäischer Mächte. War es schon für die ArbeitnehmerInnen in den europäischen Staaten alles andere als leicht, sich Gewerkschaften zu erkämpfen, so hatten es die Einheimischen in den Kolonien noch viel schwerer, die bestehenden Koalitionsverbote zu unterlaufen. Selbst die eingewanderten EuropäerInnen mussten bei Gewerkschaftsgründungen mit Widerstand seitens der Kolonialbehörden rechnen. Trotzdem gelangen sie in Ägypten und Algerien schon vor 1900. In Ägypten waren einheimische Tabak-, Hafen- und Straßenarbeiter die Pioniere, in Algerien legten französische Buchdrucker den Grundstein zum Gewerkschaftsaufbau. Einheimische algerische Arbeiter und Angestellte konnten den Gewerkschaften nicht beitreten, erst nach 1900 und vor allem nach dem Ersten Weltkrieg änderte sich dies. In Marokko verbot die Kolonialverwaltung bis 1914 jede Gewerkschaftsgründung. Bei Kriegsbeginn erhielten dann die französischen ArbeiterInnen das Koalitionsrecht, die MarokkanerInnen mussten darauf bis 1937 warten. Ebenfalls zwischen den beiden Weltkriegen entstanden die ersten Gewerkschaften in Tunesien.

    Unter den Bedingungen der Kolonialherrschaft konnte sich die Gewerkschaftsbewegung nur langsam weiterentwickeln, in Ägypten bestanden aber zum Beispiel 1919 immerhin 42 kleinere Organisationen. Organisiert waren hauptsächlich landwirtschaftliche ArbeiterInnen, ArbeiterInnen in der Textilindustrie und im Bergbau sowie TransportarbeiterInnen. Etwas bessere Rahmenbedingungen wurden geschaffen, als in England und Frankreich PolitikerInnen aus Arbeiterparteien an den Regierungen beteiligt wurden. Das französische Gesetz über die Gewerkschaftsfreiheit in den Kolonien von 1937 hatte allerdings vorerst noch keine praktische Bedeutung, da die Eroberung Frankreichs durch Hitler-Deutschland und das mit den Nazis zusammenarbeitende rechte Pétain-Regime seine Umsetzung verhinderten. Dazu kam es erst 1952. Im britischen Bereich förderte die Regierung zunächst die Beschäftigung organisierter englischer ArbeitnehmerInnen in den Kolonien. 1940 folgte dann das Gesetz, das auch einheimischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Gewerkschaftsfreiheit zusicherte. Die anderen wichtigen Kolonialmächte ließen dagegen weiter keine Gewerkschaften zu.

    In den Unabhängigkeitskriegen Nordafrikas nach 1945 spielten die Gewerkschaften eine bedeutende Rolle. Das galt besonders für Tunesien, wo sich die Organisation auch nicht so stark von den folgenden neuen Diktaturen vereinnahmen ließ wie die Gewerkschaften in den benachbarten Staaten. 2011 erreichte in Tunesien ein Generalstreik das Ende der Diktatur.

    Zusammengestellt und kommentiert von Brigitte Pellar
    brigitte.pellar@aon.at

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    Brigitte Pellar Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808996 Demonstration marokkanischer Eisenbahner beim Aktionstag der Internationalen Transportarbeiterföderation (ITF) 2006. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808988 Veranstaltungstermin: Forschungsfreie Zone? Zum Stellenwert der Wissenschaft in Österreich „Wissenschaft hat einen enormen Vorteil, den die Gesellschaft heute dringend benötigt, nämlich den einer langfristigen Perspektive. Es ist diese Zuversicht […], die enorm wertvoll ist […] in einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Verhältnisse brüchig und kurzlebig geworden sind.“ (Spektrum 15. 8. 2012)

    Helga Nowotny ist Professorin emerita für Wissenschaftsforschung der ETH Zürich und Gründungsmitglied des European Research Council, des europäischen Forschungsrates. 2007 wurde sie zur Vizepräsidentin des ERC ernannt und war von 2010 bis 2013 dessen Präsidentin. Helga Nowotny erwarb ein Doktorat in Rechtswissenschaften der Universität Wien (Dr. iur.) und ein Ph.D. in Soziologie an der Columbia University, New York. Ihre derzeitige Gastinstitution ist der WWTF, der Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds. Sie war und ist Vorsitzende und Mitglied wissenschaftlicher Beiräte von Forschungsinstitutionen und Beratungsgremien in verschiedenen Ländern Europas. Von 2005 bis 2011 war sie Vorsitzende des International Advisory Board der Universität Wien. Helga Nowotny ist unter anderem Mitglied der Academia Europaea und Auswärtiges Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften sowie Trägerin verschiedenster Ehrungen, Ehrendoktorate und anderer Auszeichnungen. Im Herbst 2013 erhielt sie das Ehrendoktorat des Weizmann Institute in Rehovot, Israel.

    Helga Nowotny hat über 300 Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Ihre letzten Bücher, die alle in Übersetzung vorliegen, sind: „Auf der Suche nach Exzellenz. Wie viel Evaluierung verträgt das Wissenschaftssystem?“, 2010, „Die gläsernen Gene. Die Erfindung des Individuums im molekularen Zeitalter“ (mit Giuseppe Testa), 2009, „Unersättliche Neugier, Innovation in einer fragilen Zukunft“, 2008, und „Wissenschaft neu denken. Wissen und Öffentlichkeit in einem Zeitalter der Ungewissheit“, 2004.

    Mittwoch, 19. Februar 2014, 19 Uhr, AK Wien, Bildungszentrum, Großer Saal, Theresianumgasse 16–18, 1040 Wien

    Eine Veranstaltung der AK Wien und der Stadtzeitung Falter.
    Eintritt frei    
    Um Anmeldung wird gebeten: stadtgespraech@akwien.at
    Telefon 01/501 65-28 82  

    Mehr Infos:
    www.wienerstadtgespraech.at/aktuell
    www.facebook.com/wienerstadtgespraech

     

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    Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808982 ÖGB: Petition - Gegen Lohnsklaverei in Indien In der indischen Textilbranche werden junge Frauen vor allem von Baumwollfirmen angeworben, um sich ihre eigene Mitgift zu erarbeiten – unter dem Namen „Sumangali“. Eine Sumangali ist eine glücklich verheiratete Frau, nur verheiratete Frauen sind gesellschaftlich anerkannt. Den Frauen wird viel Geld versprochen, die Realität sieht jedoch so aus: 12-Stunden-Schichten, kein Wochenende, kein Urlaub, ständige Überwachung, Gewalt und Demütigungen, unzureichender Arbeitsschutz und notdürftige medizinische Versorgung. Lebenslange Gesundheitsschäden sind die Folge. Die meisten werden noch vor Ablauf der Verträge gekündigt und fallen um ihr Geld um.

    Die unabhängige Organisation Vaan Muhil unterstützt die Sumangali-Frauen. Gemeinsam mit anderen NGOs und Gewerkschaften hat Vaan Muhil eine Unterschriftenkampagne zur Abschaffung des Sumangali-Systems gestartet. Ihr Ziel: Lohnsklaverei muss verboten werden. Die UnterstützerInnen lehnen die herrschenden Produktionsbedingungen in der indischen Textilbranche ab. Jene Frauen, die unsere Kleidung produzieren, haben ein Recht auf ordentliche Arbeitsbedingungen und auf gerechte Löhne. Die katholische Frauenbewegung (kfb) hat eine Kampagne gegen diese Lohnsklaverei gestartet, der ÖGB, weltumspannend arbeiten, die Clean Clothes Kampagne, DKA, KABÖ und die Frauensolidarität unterstützen die Aktion. In einer Petition an den Arbeitsminister des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu, K. T. Pachamal, fordern sie ein Verbot des Sumangali-Systems.

    Mehr Informationen über die Aktion und die Petition gibt es unter: www.teilen.at

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    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808979 AK-Wahl: Auftakt im Westen Das Wahljahr 2014 hat mit den Arbeiterkammerwahlen in den drei westlichen Bundesländern begonnen. Vom 27. Jänner bis zum 6. bzw. 7. Februar 2014 waren die ArbeitnehmerInnen in Vorarlberg und Salzburg aufgerufen ihre Vertretung zu wählen.

    Vorarlberg: ÖAAB/FCG 51,76 Prozent

    Überraschungen gab es keine. Bis Drucklegung lagen erst die vorläufigen Endergebnisse vor: In Vorarlberg konnte die ÖAAB/FCG-Liste mit AK-Präsident Hubert Hämmerle an der Spitze ihre absolute Mehrheit verteidigen und erreichte 51,76 Prozent (2009: 52,82) der Stimmen, die FSG blieb zweitstärkste Kraft mit 26,99 Prozent (2009: 29,16) Stimmenanteil. Auf Platz drei rückten die Freiheitlichen Gewerkschafter (FA) vor, die mit 8,31 Prozent (2009: 5,98) der Stimmen die migrantisch geprägte „Neue Bewegung für die Zukunft“ (NBZ) (5,47 Prozent; 2009: 6,08) überholen konnten. Die grün-nahe Liste „Gemeinsam“ schaffte einen Stimmenanteil von 6,53 Prozent (2009: 5,50). Der „Gewerkschaftliche Linksblock“ (GLB) verpasste abermals den Einzug in das Kammerparlament (0,94 Prozent, 2009: 0,47 Prozent). Bei 121.064 Wahlberechtigten lag die Wahlbeteiligung bei 35,53 Prozent. Sie nahm damit gegenüber 2009 (41,66 Prozent) um 6,13 Prozentpunkte ab.

    Tirol: Liste Zangerl 63,95 Prozent

    Bei der Tiroler AK-Wahl konnte die AAB-FCG-Liste von Präsident Erwin Zangerl ihre Position weiter ausbauen. Die ChristgewerkschafterInnen kamen auf 63,95 Prozent (2009: 63,02 Prozent) und haben mit 47 Mandaten eines mehr als bisher.

    Die FSG erreichte 18,51 Prozent (minus 1,33 Prozentpunkte). Die Grünen gewannen ein Mandat von der Liste SOLI, die damit nicht mehr in der AK-Vollversammlung vertreten ist. Sie legten um 1,24 Prozentpunkte auf 8,03 Prozent zu. Die Liste 4 (Freiheitliche Arbeitnehmer) hält bei 5,72 Prozent (minus 0,18 Prozentpunkte).

    Die Liste Zangerl stellt neben dem AK-Präsidenten auch alle drei Vizepräsidenten und weitere vier Vorstandsmitglieder. Die FSG bleibt mit zwei Mitgliedern im Vorstand vertreten. Die Grünen stellen erstmals ein Vorstandsmitglied. Die Freiheitlichen hielten trotz Stimmenverlusten ihre vier Mandate. Nicht mehr vertreten ist die Liste SOLI-Tirol. Die übrigen drei Listen (GLB, KOMintern und LP) verfehlten den Einzug in die Kammervollversammlung. Die Wahlbeteiligung sank auf 41,3 Prozent. 2009 lag sie noch bei 52,95 Prozent.

    Salzburg: FSG 70,74 Prozent

    Bei der Salzburger AK-Wahl haben die Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen (FSG) ihre Vormachtstellung weiter ausgebaut. Nach dem vorläufigen Endergebnis erreicht die FSG 70,74 Prozent der Stimmen (2009: 67,92 Prozent). Die Freiheitlichen Arbeitnehmer kommen auf 11,22 Prozent und überholen ÖAAB-FCG. Die VP-GewerkschafterInnen mussten dagegen eine herbe Niederlage einstecken: Sie verloren rund fünf Prozentpunkte und kommen nur mehr auf 10,54 Prozent. Die grünen GewerkschafterInnen konnten um rund einen Prozentpunkt auf 6,65 Prozent zulegen, ihr Mandatsstand bleibt mit vier Sitzen im Arbeitnehmerparlament unverändert. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 36 Prozent und damit nur leicht unter jener von 2009.

    Die nächsten Wahltermine sind: Kärnten 3. bis 12. März 2014, Wien 11. bis 24. März, Oberösterreich 18. bis 31. März , Steiermark 27. März bis 9. April, Burgenland 31. März bis 9. April und Niederösterreich wählt vom 6. bis zum 19. Mai.

    Machen Sie Ihr Kreuzerl: tinyurl.com/pq3v5ms

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    Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808953 EU: Soziales Gegenmodell „Bei der Europawahl im Mai können wir darüber entscheiden, welchen Weg die EU in Zukunft gehen soll“, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar in Brüssel beim Neujahrsempfang der Büros von ÖGB und AK in Brüssel. „Wir brauchen dringend einen politischen Kurswechsel, weil wir an das Projekt Europa glauben. Viele Fehlentwicklungen hätten das Vertrauen der Menschen in die EU erschüttert“, so Foglar. „Wir brauchen ein soziales Gegenmodell, das sich auf eine wesentliche Kernforderung zuspitzen lässt: ein soziales Fortschrittsprotokoll im EU-Primärrecht, das den sozialen Grundrechten Vorrang vor den Marktfreiheiten gibt. Im Vorfeld der EU-Wahlen im kommenden Mai werden wir diese Forderung des ÖGB und der gesamten Europäischen Gewerkschaftsbewegung deutlich vertreten. Wer das Europäische Parlament stärken möchte, muss zur Wahl gehen.“

    Beim ÖGB-/AK-Neujahrsempfang kamen auch die österreichischen EU-Abgeordneten Othmar Karas und Evelyn Regner zu Wort. Beide Sprachen sich für eine Richtungsänderung in der europäischen Politik aus. Othmar Karas war die stärkere Einbindung der Bürgerinnen und Bürger ein besonderes Anliegen. Das Europäische Parlament werde dafür sorgen, dass es keine Entscheidungen gegen die Bürgerbefragungen geben werde. Evelyn Regner forderte eine stärkere soziale Gewichtung: „Wir brauchen ein soziales Europa und eine echte soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion.“

    Mehr Info: www.oegb-eu.at

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    Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808968 EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ) sprach sich für die Stärkung der sozialen Gewichtung in der EU aus, die Wirtschafts- und Währungsunion brauche eine echte soziale Dimension. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808963 EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek (Grüne) war ebenfalls Gast beim ÖGB-/AK-Neujahrsempfang, nach dem offiziellen Teil wurde angeregt weiter diskutiert. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808939 Standpunkt | Fern von Europa Fern von Europa“ ist der Titel einer Schmähschrift von Carl Techet auf meine Tiroler Heimat. 1909 waren die „kurzen Geschichten aus finsteren Breiten“ ein Skandal, der Autor musste aus Tirol fliehen. In meiner Jugend war der kleine Band ein Kultbuch. Unter dem Pseudonym Sepp Schluiferer attestierte der Lehrer Teutz meinen Landsleuten tiefste dumpfe Provinzialität und Unverständnis für die große Welt: Europa. Ein Europa großer, mächtiger Kolonialreiche und Monarchien am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Es waren schwere Zeiten damals. Vorarlberger, Tiroler und Schweizer Kinder wurden seit Jahrhunderten als Saisonarbeitskräfte ins Schwabenland verschickt und auf Kindermärkten verkauft. Überall in Europa zogen Menschen der Arbeit nach. Schon damals zählten Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus zu den Problemen der Zeit. Mit der billigen Arbeitskraft jener, die man fern von Europa glaubte, ließen sich schon damals gute Geschäfte machen.

    Europa nach zwei Weltkriegen

    Zwei Weltkriege und so vieles mehr haben Europa verändert. Kein Eiserner Vorhang trennt uns mehr von den Nachbarn, den Balkanländern, den Donaustaaten. Länder wie Rumänien und Bulgarien sind uns näher gerückt seit sie EU-Mitglieder sind und haben jetzt endlich vollen Zugang zu unserem Arbeitsmarkt. Doch sie sind längst da. Nur nicht mehr unsichtbar. Z. B. jene SaisonarbeiterInnen, die ich oft auf den Feldern nahe meinem Elternhaus in der prallen Hitze schuften gesehen habe. Ihre Heimat erscheint vielen „fern von Europa“. Jahrelang hatten sie schlecht bezahlt und unter miesen Arbeitsbedingungen auf den Tiroler Feldern Gemüse geerntet. Mit Hilfe der Arbeiterkammer und des ÖGB kamen sie letztendlich zu ihrem Recht. Jetzt sind sie angekommen in Europa, in dem es auch soziale Gerechtigkeit gibt. Und viele TellerwäscherInnen, Pflegekräfte, Reinigungsfrauen und -männer mit ihnen.

    Und wieder werden andere die Billigjobs übernehmen. Diejenigen, denen es wirtschaftlich noch schlechter geht; die, die noch nicht dazugehören. Wie Serbien z. B., das Ende Jänner die Beitrittsverhandlungen aufgenommen hat oder wie die Türkei, die ebenfalls verhandelt. In anderen Ländern wie eben in Bosnien und der Ukraine treiben Arbeitslosigkeit, Korruption und Armut die Menschen auf die Straße. Direkt vor der Nase haben sie das reiche Europa, so nah und doch so fern.

    Woanders macht man die Schotten dicht – die SchweizerInnen, mittendrin und doch nicht dabei – haben sich für eine Einführung von Zuwanderungsquoten entschieden. Reich und neutral im Herzen Europas haben sie sich entschlossen, dieser Idee ein wenig ferner zu rücken. Schuld daran sind die von rechter Seite erfolgreich geschürten Ängste vor „Masseneinwanderung“ und Lohndumping.

    Sozialer Frieden

    Ängste, die auch uns nicht fremd sind und die immer wieder genutzt werden, um gegen jene mobil zu machen, die von weit her kommen, auf der Flucht vor Gewalt und Armut, auf der Suche nach Frieden und Hoffnung. Nach wie vor stranden Boote und Schiffe aus Nordafrika in Lampedusa und an den spanischen Küsten, wo jüngt auf Flüchtlinge geschossen worden sein soll. Die, die diese Reise aus der Ferne überleben und Asyl bekommen, landen als schlechtestbezahlte Arbeitskräfte auf den Obst- und Gemüseplantagen in Spanien und Italien.

    In unserem Interview sprach der europäische Zeitzeuge Erhard Busek vom erfolgreichen Friedensprojekt Europa, 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Er mahnte auch, dass dieser Frieden nicht selbstverständlich ist, sondern täglich neu gesichert werden muss. Damals wie heute ist sozialer Frieden – und damit Gerechtigkeit – eines der effizientesten Mittel der Friedenssicherung – mitten in, um und auch fern von Europa.

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    Katharina Klee, Chefredakteurin Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1384551633021 Katharina Klee, Chefredakteurin http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808924 Von Lampedusa auf die Obstplantagen Kalabriens Die Stadt Rosarno in Kalabrien liegt umgeben von einem undurchdringlichen Labyrinth aus Feldwegen zwischen eingezäunten Orangenhainen. In der Stadt stehen die Erntearbeiter – die meisten von ihnen Afrikaner aus Ländern südlich der Sahara – allein oder in kleinen Gruppen an der Straße und hoffen darauf, dass ein Lieferwagen anhält und der Fahrer sie anheuert. Der Dezemberwind in der Bucht ist schneidend kalt und bis auf die wartenden Afrikaner sind die Straßen wie leergefegt. Auch wenn sie keine Arbeit finden, harren sie aus, denn sie haben keinen Ort, an dem sie sich vor der Kälte schützen können.

    An guten Tagen 25 Euro

    Die Gemeinde Rosarno und der Nachbarort San Ferdinando haben zwar eine Notschlafstelle in Containern und Zeltunterkünften errichtet, in der es Gemeinschaftstoiletten gibt. Aber die Kapazitäten reichen bei Weitem nicht aus. Um hier einen Platz zu bekommen, müssen die Wanderarbeiter schon mindestens einen Monat vor Beginn der Ernte eintreffen. Das aber erfordert Rücklagen, denn in der Wartezeit bis zum Saisonbeginn müssen sie sich ohne Verdienst über Wasser halten. Hinter dem offiziellen Notlager ist auf dem schlammigen Boden ein fast ebenso großer Slum aus notdürftig mit Karton, Plastik und Müll errichteten Hütten entstanden. Die Bewohner kriechen durch ein Loch im Zaun, um Wasser zu holen und das WC zu benutzen. In der Nähe der Autobahn hat ein knappes Dutzend Flüchtlinge aus Darfur in einem Waldstück selbst ein Zeltlager errichtet. Als wir uns nähern, begrüßt uns ein junger Mann, der sich gerade vor einem zerbrochenen Spiegel rasiert hat. Abit erzählt uns in ausgezeichnetem Italienisch, dass er seit vier Jahren im Land sei. Er kam als Bootsflüchtling aus Libyen, aber nicht wie die meisten anderen über Lampedusa, sondern er wurde von der Küstenwache aus einem kleinen Boot gerettet und direkt nach Sizilien gebracht. Die Reise beschreibt er als hart. Acht Tage waren sie auf See. Von den fünfzig Leuten an Bord starben zwei unterwegs. Die Überlebenden haben Asyl bekommen.

    Er lädt uns ein, ihre Siedlung zu besichtigen. Aufgebockt auf Ziegelsteinen und Autoreifen stehen kleine Igluzelte, die mit Karton zusätzlich umwickelt und verstärkt und mit vielen Schichten Plastikfolie überzogen sind, um weiter zu isolieren und abzudichten. Die Küche ist auf dem bloßen Erdboden gebaut und besteht nur aus einem alten Gaskocher. Wasser holen die Männer mit Kanistern in einer nahe gelegenen Fabrikanlage. Neben dem Feuer unter freiem Himmel stehen ein alter Hocker und ein kaputter Bürostuhl. Es sind die einzigen beiden Sitzgelegenheiten.1 Seit 25 Tagen ist Abit in Rosarno. Bis jetzt hat er nur an fünf Tagen Arbeit gefunden. An guten Tagen kann er bis zu 25 Euro verdienen, aber er muss dem Fahrer des Lieferwagens drei Euro für die Fahrt zum Feld zahlen. Manchmal wird er nach Kisten bezahlt. Das bringt 50 Cent pro 22-Kilo-Kiste, etwa zwei Cent pro Kilo. „Oft hängen die Orangen sehr hoch, dann ist die Arbeit beschwerlich. Man darf aber keine übersehen oder eine unreife Frucht pflücken, denn dann zieht der ‚capo‘ eine ganze Kiste vom Lohn ab.“ Oft werden die Löhne am Ende des Tages unter fadenscheinigen Vorwänden auch gar nicht ausbezahlt. Während unseres Gesprächs kommen die anderen Männer nach Hause. Sie sind völlig durchnässt und halten ihre Pullover, Socken und Mützen in die Flammen des Feuers, immer gerade so lange, dass sie nicht in Brand geraten. Richtig trocken werden die Kleider nie, sagen sie uns.

    Bürger und Entrechtete

    Die Obst- und Gemüsewirtschaft in Südeuropa hat einen hohen Bedarf an irregulären Saisonarbeitskräften, und die Rechtlosigkeit der Illegalisierten und ihre existenzielle Notlage machen sie besonders ausbeutbar. Viele haben jahrelange Migrationsgeschichten durch mehrere Länder hinter sich, weil sie um Leib und Leben fürchteten und fliehen mussten. Die Flucht nach Europa erweist sich dabei als Sackgasse. An keinem Punkt seiner Reise habe er unter solchen Bedingungen leben müssen, beschreibt Hassan. Libyen klingt in der Erzählung vieler Flüchtlinge wie ein Paradies. Dort hatten sie Arbeit und ein Dach über dem Kopf, konnten Geld nach Hause zu ihren Kindern schicken. Bis die NATO-Bomben kamen und sie keine andere Wahl hatten, als sich auf den Weg nach Italien zu machen. Von Europa geträumt haben sie nie.

    Aber es gibt kein Zurück. Wer durch die restriktive Migrationspolitik der EU-Länder weder als Flüchtling anerkannt wird, noch einen Aufenthaltsstatus aus humanitären Gründen erhält, wird illegalisiert. In Italien erhalten abgewiesene Asylwerber zumeist einen Ausweisungsbescheid, nach dem sie binnen 15 Tagen das Land verlassen müssen. Doch ohne Papiere, Visum und Geld können sie nicht ausreisen. Den so Festgesetzten bleibt gar nichts anderes übrig, als sich auf den Plantagen oder in ähnlich prekären Verhältnissen zu verdingen. Doch auch anerkannte Flüchtlinge wie Abit trifft das gleiche Schicksal. In der Theorie haben Flüchtlinge in Italien Anspruch auf soziale Betreuung und medizinische Versorgung. Aber in der Praxis fehlen staatliche Hilfsstrukturen, und auch Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus sind darauf angewiesen, jegliche Arbeit anzunehmen, um zu überleben.

    Der Soziologe Georg Simmel hatte bereits 1908 darauf hingewiesen, dass die Struktur einer Gesellschaft daran zu erkennen sei, wie sie mit ihren Armen umgeht. Die Kämpfe um die soziale Frage haben nach 1945 in Europa zu einer weitreichenden Integration und Absicherung geführt, die an zwei Bedingungen gebunden war: an Lohnarbeit (und die damit verbundenen Ansprüche an das Sozialsystem) und, vorrangiger noch, die Staatsbürgerschaft bzw. einen legalen Aufenthaltsstatus. Beide Bedingungen haben sich seit den 1980er-Jahren stark verändert. Die neoliberale Erosion gesicherter Arbeitsverhältnisse führte zu einer neuen Ausbreitung von Prekarität und Armut, die die nie verschwundenen, aber zumindest materiell gedämpften Klassengegensätze wieder stärker hervortreten lässt. Die Frage der Staatsbürgerschaft zeigt eine ebenso ambivalente Rhetorik: Während im Inneren der EU die Freizügigkeit der EU-BürgerInnen erweitert wird, schotten sich die Mitgliedsstaaten zunehmend nach außen ab. So wie sich am Rande der Arbeitsgesellschaft eine Zone der Prekären ausbildet, denen die Teilhabe an existenzsichernder Erwerbsarbeit versagt bleibt, wird auch in der Frage des Zugangs zu den Bürgerrechten eine Zone geschaffen, in der sich die Illegalisierten ebenso wiederfinden wie die „aus humanitären Gründen“ Geduldeten: Beide Gruppen bleiben ohne Recht auf Arbeit und Existenzsicherung.

    Vogelfreie und Taglöhner

    Die Migrantinnen und Migranten in Kalabrien sind im Inneren der Festung Europa gefangen, sie können ihre Mauern nicht mehr verlassen. Doch als Nicht-BürgerInnen fallen sie in eine Kategorie, die an die Vogelfreien und Tagelöhner des Mittelalters erinnert. In der Ökonomie Europas werden sie gebraucht als willfährige Sklavinnen und Sklaven, die nicht aufbegehren können.

    Die andere Seite der Medaille

    Unser Entsetzen, in Europa die Verhältnisse der „Dritten Welt“ anzutreffen, zeigt, dass der europäische Kapitalismus noch eine weitere Bresche geschlagen hat. Nicht nur sind das Elend und die Diktaturen, die der europäische Kolonialismus in den Ländern des globalen Südens hinterlassen hat, Ursache für die Flucht so vieler Menschen. Innerhalb Europas reproduziert sich außerdem eine Ausbeutung, in der die schwarzen Sklaven zu Hungerlöhnen den Wohlstand der EuropäerInnen erarbeiten: das Einkommen der LandbesitzerInnen, die Gewinne des Agrargroßhandels, der Lebensmittelindustrie, des Transportsektors und des Einzelhandels, aber auch den selbstverständlichen Luxus billiger Südfrüchte für jeden Konsumenten und jede Konsumentin. Die Ausbeutung der Sklaven von Kalabrien ist keine Funktionsstörung der ökonomisierten Gesellschaft, sie ist Ausdruck des Funktionierens des Kapitalismus: die andere Seite der gleichen Medaille.

    1 Einer der Männer bat uns, ein Handyvideo zu veröffentlichen, das er selbst gedreht hat, um auf die desaströsen Existenzbedingungen hinzuweisen. Siehe www.bitter-oranges.com

    Info&News
    Gilles Reckinger, Diana Reiners, Carole Reckinger erforschen seit 2009 die Lebensbedingungen von Migrantinnen und Migranten in Lampedusa und Kalabrien. Siehe www.bitter-oranges.com und Gilles Reckinger: Lampedusa. Begegnungen am Rande Europas, Wuppertal 2013.

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor gilles.reckinger@gmail.com  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Carole Reckinger, Politikwissenschafterin und Fotografin (Luxemburg) | Gilles Reckinger, Univ.-Prof. für Interkulturelle Kommunikations- und Risikoforschung (Innsbruck) | Diana Reiners, Ethnologin (Luxemburg) Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808931 Hinter dem offiziellen Notlager ist auf dem schlammigen Boden ein fast ebenso großer Slum aus notdürftig mit Karton, Plastik und Müll errichteten Hütten entstanden. Die Bewohner kriechen durch ein Loch im Zaun, um Wasser zu holen und das WC zu benutzen. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808898 Bitte warten! Seit der Gründung der Europäischen Union im Jahr 1957 kamen 22 Staaten zu den Gründungsmitgliedern Frankreich, Italien, Deutschland, Luxemburg, Belgien und den Niederlanden hinzu. Jeder europäische Staat kann eine Mitgliedschaft in der Union beantragen – unter der Voraussetzung, dass Grundsätze der Freiheit und Demokratie, die Menschenrechte sowie die Rechtsstaatlichkeit geachtet werden.

    Kriterien von Kopenhagen

    Wird ein Beitrittsgesuch eingereicht, setzt dies eine Reihe von EU-Beurteilungsverfahren im Gang. Dabei richten die Verfahren sich nach den sogenannten Kriterien von Kopenhagen: Festgelegte politische und wirtschaftliche Voraussetzungen sowie das Acquis-Kriterium – die Fähigkeit, aus der Mitgliedschaft entstehende Verpflichtungen zu übernehmen und die Ziele der politischen Union sowie der Wirtschafts- und Währungsunion anzunehmen – müssen erfüllt werden. Außerdem muss die EU in der Lage sein, ein zusätzliches Mitglied aufzunehmen. Erst dann erhält das ansuchende Land einen Kandidatenstatus und kann mit den Beitrittsverhandlungen beginnen. Im Zuge dessen müssen die Kandidaten die Rechtsvorschriften der EU in nationales Recht umsetzen. Die letzte Hürde stellt die Unterzeichnung des sogenannten Beitrittsvertrages von allen gegenwärtigen EU-Mitgliedsstaaten sowie durch das Kandidatenland dar, unter der Voraussetzung, dass dieser Vertrag im Vorfeld vom EU-Parlament formal gebilligt wurde. Derzeit haben acht Länder den Status eines Beitrittskandidaten oder potenziellen Kandidaten mit Aussicht auf EU-Mitgliedschaft. Wie sieht jedoch aktuell der Status quo im Wartezimmer der EU aus?

    Warten und warten lassen

    In Island sind die Beitrittsverhandlungen momentan sprichwörtlich auf Eis gelegt. Grund dafür ist die im Mai 2013 neu gewählte Mitte-rechts-Regierung, die die Bevölkerung über einen EU-Beitritt abstimmen lassen möchte. Erst nach einem positiven Referendum sollen die seit 2009 laufenden Beitrittsgespräche wieder aufgenommen werden. Der nördlichste Staat Europas ist ein gebranntes Kind der Finanzkrise 2008, die die Wirtschaft des Landes aus den Angeln hob und den isländischen Staatshaushalt ins Wanken geraten ließ. Mehrere Banken wurden durch Verstaatlichungen vor einem Kollaps gerettet.

    Obwohl die sozialdemokratische Regierung unter Jóhanna Sigurðardóttir durch eine erfolgreiche Wirtschaftssanierung und Stabilisierung des Staatshaushaltes Island wieder auf EU-Kurs bringen konnte, wandte sich der Großteil der öffentlichen Meinung gegen die EU. Sogar ein Beitritt zur Eurozone erscheint den Isländerinnen und Isländern laut aktuellen Umfragen immer weniger attraktiv. Die zusätzliche Furcht der InselbewohnerInnen vor dem Einziehen großer EU-Fangflotten in Islands Gewässer erscheint angesichts der wachsenden Skepsis fast noch als Randbemerkung. Ein baldiger EU-Beitritt ist daher nicht absehbar.

    Warten auf Erdogan

    Die Türkei ist das Sorgenkind des tschechischen EU-Erweiterungskommissars Štefan Füle – das Land am Bosporus sitzt seit seinem Beitrittsantrag am 1. April 1987 im EU-Wartezimmer, obwohl es bereits seit 1999 den Kandidatenstatus innehat. Dass die Verhandlungen immer wieder ins Stocken geraten oder teilweise gar zum Erliegen kommen, liegt am permanenten Widerstand der Türkei, das Zusatzprotokoll von Ankara zu ratifizieren, das für den Abschluss derzeit offener Verhandlungskapitel von wesentlicher Bedeutung ist. Das Zusatzprotokoll regelt die Erweiterung der Zollunion mit der Türkei auf die im Mai 2004 beigetretenen neuen EU-Mitglieder, darunter auch Zypern. Die Türkei, die seit 1974 den nördlichen Teil der Insel besetzt hält, weigert sich, Zypern als Staat anzuerkennen. Die Ratifizierung des Zusatzabkommens würde einer Anerkennung Zyperns gleichkommen, und die derzeitige Regierung unter Recep Tayyip Erdoğan scheint diese Haltung vorläufig nicht zu ändern – auch wenn Erdoğan in letzter Zeit deutlich mildere Töne in der Zypern-Problematik anschlägt. Zudem verliert die Türkei momentan in puncto Demokratie und Rechtsstaat zunehmend an Glaubwürdigkeit. „Die Türkei ist ein wichtiger Partner für die EU, auch wenn sie derzeit weit von der Beitrittsreife entfernt ist“, sagt Oliver Röpke vom ÖGB-Europabüro in Brüssel. „Ein Beitritt würde aber auf absehbare Zeit auch die Aufnahmefähigkeit der EU sprengen. Dazu kommen massive Verletzungen von grundlegenden Gewerkschaftsrechten, die für die europäischen Gewerkschaften völlig inakzeptabel sind. Leider wurden in den letzten Jahren aber auch in einigen EU-Mitgliedsstaaten grundlegende soziale Rechte der ArbeitnehmerInnen verletzt. Die europäische Grundrechtecharta muss in jedem Land der Maßstab sein, an dem es gemessen wird, egal ob EU-Mitglied oder nicht.“

    Vom ehemaligen Jugoslawien in die EU

    Slowenien und Kroatien sind bereits Mitglieder – nun drängen auch die restlichen Staaten des ehemaligen Jugoslawien in die EU: Montenegro, Mazedonien und Serbien. Während Montenegro bereits 2010 Kandidatenstatus erlangte und die Verhandlungen seit 2012 im Gange sind, muss Mazedonien vorerst noch den seit 20 Jahren schwelenden Namenskonflikt mit Griechenland lösen. Athen ist es nach wie vor ein Dorn im Auge, dass Mazedonien einen ähnlichen Namen wie die nördliche griechische Provinz Makedonien beansprucht, und es blockiert daher eine Aufnahme der Beitrittsverhandlungen.

    Für Serbien hingegen fiel Ende Jänner 2014 der Startschuss für die Beitrittsverhandlungen. Der serbische Premier Ivica Dacic hofft, dass sein Land im Jahr 2020 der EU beitreten kann. Laut EU-Kommission ist der Staat jedoch noch weit davon entfernt, die EU-Standards in puncto Rechtsstaatlichkeit sowie Bekämpfung von Korruption und organisiertem Verbrechen zu erfüllen. Denn Politik und organisierte Kriminalität sind weiterhin miteinander verflochten, der Kampf gegen die Korruption geht schleppend voran. Die wichtigste Bedingung der EU ist jedoch die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo, der von den Serben nach wie vor nicht offiziell anerkannt wird.

    Bosnien-Herzegowina und der Kosovo haben hingegen noch keine Mitgliedschaft beantragt. Während es in Bosnien und Herzegowina noch keine einheitliche Linie der Regierung zur EU-Politik gibt, hat der Kosovo mit schwerwiegenderen Problemen zu kämpfen: Er wird von Griechenland, Rumänien, der Slowakei, Spanien und Zypern noch nicht als eigener Staat anerkannt und muss zunächst diese Hürde überstehen, bis ein Beitrittsantrag eingereicht werden kann.

    Albanien beantragte 2009 die Mitgliedschaft. Trotz Empfehlung der EU-Kommission im Oktober 2012, Albanien den Kandidatenstatus zu gewähren und die Beitrittsverhandlungen aufzunehmen, muss Albanien aufgrund des Widerstands einiger EU-Länder in Warteposition verharren. Die EU lobte zwar die Fortschritte bei der Reformierung der Justiz und der öffentlichen Verwaltung, fordert allerdings verschärfte Vorgehensweisen gegen Korruption und organisierte Kriminalität.

    Soziales Europa in weiter Ferne

    Nicht nur Albanien, sondern alle – potenziellen – EU-Anwärter haben noch einen langen Weg vor sich. Jedes Land hat stark zu kämpfen – hauptsächlich mit sich selbst. Das EU-Wartezimmer wird daher noch einige Jahre besetzt sein. Aber auch die Union wäre durchaus gut beraten, die Erweiterungsprozesse zu entschleunigen. „Die EU befindet sich nicht nur wirtschaftlich und sozial in einer tiefen Krise, sondern auch politisch“, sagt Röpke. „Das Niveau der sozialen Standards und Löhne ist innerhalb der EU extrem unterschiedlich. Deshalb wird es immer schwieriger, in der EU hohe soziale Mindeststandards zu vereinbaren, die für alle ArbeitnehmerInnen einen Fortschritt bedeuten. Die rasche Aufnahme neuer Kandidaten würde bei den derzeitigen Strukturen noch mehr Stillstand bedeuten, das soziale Europa rückt in immer weitere Ferne.“

    Homepage der EU-Kommission zur EU-Erweiterung:
    ec.europa.eu/enlargement

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin maja.nizamov@gmx.net  oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Maja Nizamov, Freie Journalistin Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808910 Nicht nur Albanien, sondern alle - potenziellen - EU-Anwärter haben noch einen langen Weg vor sich. Jedes Land hat stark zu kämpfen - hauptsächlich mit sich selbst. Das EU-Wartezimmer wird daher noch einige Jahre besetzt sein. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808905 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808878 Keine Panikmache "Sozialtourismus" – mit diesem Schlagwort haben in den vergangenen Monaten Boulevardmedien und sehr „heimatverbundene“ Parteien versucht, politisch zu punkten. Gewarnt wurde vor Scharen von Auswanderinnen und Auswanderern aus Osteuropa, die sich in Österreich und anderen wohlhabenden Staaten angeblich auf die „soziale Hängematte“ drängen wollen.

    Von Schockwelle keine Rede

    Ursache für die Aufregung: Seit 1. Jänner 2014 haben auch ArbeitnehmerInnen aus Rumänien und Bulgarien das Recht auf uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt der EU. Bekanntlich erfolgte die Arbeitsmarktöffnung in homöopathischen Dosen: Bereits am 1. Mai 2011 sind die, von Österreich und Deutschland initiierten, siebenjährigen Übergangsbestimmungen für Tschechien, die Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen ausgelaufen. Seither dürfen Personen aus diesen EU-8 auch in Österreich und Deutschland ohne Einschränkungen arbeiten. Schon damals war die Angst vor einer Überflutung durch Billigarbeitskräfte groß – die tatsächlichen Auswirkungen blieben allerdings bescheiden. Laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO war ein Jahr nach der ersten Öffnungsrunde die Zahl der aus den EU-8-Ländern stammenden unselbstständig Beschäftigten um 21.736 Personen angestiegen. Insgesamt betrug die Nettozuwanderung (also auch aus Nicht-EU-Ländern) 2011 rund 31.000 Personen, 2012 waren es knapp 44.000. Im Vergleich zu 2010 mit zirka 29.000 Personen sehen wir eine steigende Tendenz, von einer Schockwelle kann aber keine Rede sein.

    Auch bei der aktuellen Öffnungsrunde sind Heulen und Zähneklappern fehl am Platz, wie eine Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und des IHS belegt. Die im Auftrag des Sozial- und des Wirtschaftsministeriums erstellte Analyse geht davon aus, dass 2014 eine Zuwanderung von 7.173 Personen aus Bulgarien und Rumänien (EU-2) zu erwarten ist. 2015 sollen es 12.518 Zuwanderinnen und Zuwanderer sein. Ohne Liberalisierung des Arbeitsmarktes wäre der Zuzug laut Modellrechung der Studie etwas geringer ausgefallen: Somit werden 2014 und 2015 pro Jahr rund 5.500 Menschen aus Bulgarien und Rumänien mehr auf Arbeitssuche in Österreich gehen, als das ohne der Öffnung der Fall gewesen wäre.

    Experten wie AMS-Vorstandsmitglied Herbert Buchinger glauben, dass die genannten Zahlen bereits den „oberen Rand des Spektrums“ darstellen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass bei einer Arbeitsmarktöffnung in etwa mit einer Verdoppelung des Arbeitskräftezuzugs aus dem Vorjahr zu rechnen ist. Da 2013 zirka 2.000 zusätzliche Arbeitssuchende aus Bulgarien und Rumänien nach Österreich gekommen sind, erwarte ich heuer etwa 4.000 Personen extra aus diesen Ländern.“

    Das erscheint nicht gerade viel. Allerdings ist auch Österreich keine Insel der Seeligen mehr und mit der höchsten Arbeitslosenzahl seit 1946 konfrontiert. Das aus der Öffnung entstehende Arbeitskräfteangebot aus Rumänien und Bulgarien hat darauf aber kaum dauerhaften Einfluss. Laut der Studie von wiiw und IHS wird dadurch nämlich nur eine Steigerung der Arbeitslosenquote um 0,03 Prozentpunkte 2014 und 2015 zu bemerken sein. Ab 2016 soll dieser Effekt auf rund 0,02 Prozentpunkte zurückgehen. Auch die Gefahr des Lohndumpings durch jobsuchende Bulgarinnen und Bulgaren sowie Rumäninnen und Rumänen ist laut der Studie praktisch zu vernachlässigen: Die Löhne werden um rund zwei Zehntel Prozentpunkte weniger steigen als ohne den Liberalisierungsschritt.

    Positiver Effekt Legalisierung

    Natürlich sind Wirtschaftsprognosen im Promillebereich schwierig, entscheidend ist aber die deutliche Grundtendenz, die Hermann Deutsch, Arbeitsrechtsexperte im BMASK, so zusammenfasst: „Die Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt werden marginal sein. Das ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sehr viele Zuwanderungswillige aus Osteuropa, meistens handelt es sich dabei um Fachkräfte, bereits in Österreich arbeiten.“ Ein positiver Effekt sei, dass es jetzt zu einer zusätzlichen Legalisierung des bereits bestehenden Arbeitskräftepotenzials in Österreich kommen sollte. Sprich: Menschen, die bisher schwarzgearbeitet haben, könnten sich durch Wegfall der Restriktionen bei der Sozialversicherung anmelden und in geregelte Arbeitsverhältnisse eintreten. Das hat zum einen den erfreulichen volkswirtschaftlichen Effekt, dass mehr Steuern eingenommen werden können. Zum anderen verbessert sich die Situation für die betroffenen ArbeitnehmerInnen selbst. Denn in der Vergangenheit war immer wieder von ausbeuterischen Bedingungen für Menschen aus Osteuropa zu hören – in illegalen und regulären Arbeitsverhältnissen.

    Lohndumping und Sozialbetrug

    Für Aufsehen sorgte Ende vergangenen Jahres zum Beispiel ein Fall in Tirol. Rund 50 ErntehelferInnen aus Rumänien und Serbien schufteten mehr als 70 Stunden pro Woche, sechs Tage, angeblich bis zu 15 Stunden pro Tag. Dafür erhielten sie einen Monatslohn von nicht einmal 1.000 Euro; auf die Vergütung der Überstunden, Weihnachts- und Urlaubsgeld wurde dabei „vergessen“. Erst als die ErntearbeiterInnen kollektiv die Arbeit niederlegten, erhielten sie letztendlich die gesetzlich zuständige Entlohnung ausbezahlt. Kein Einzelfall. Auch im privaten Pflegebereich kommt es immer wieder zu Missständen. Man hört von Lohndumping und Knebelverträgen für die betroffenen Frauen, die zu einem Großteil aus Slowenien und Rumänien stammen. Die Caritas empfiehlt einen Tagsatz von rund 60 Euro für die Altenpflege, diverse Vermittlungsagenturen legen aber bereits Angebote ab zirka 30 Euro pro Tag vor. Die „Wiener Zeitung“ berichtete auch, dass manche Agenturen die Reisedokumente der Pflegerinnen einbehalten und horrende Vermittlungsgebühren von den Frauen verlangen. Auch am Bausektor kommt es immer wieder zu Verstößen, bestätigt Rainer Grießl, Direktor der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). Allerdings haben der Gesetzgeber und Arbeitnehmervertretungen reagiert: „Es wurden bereits sehr viele Schritte gegen Sozialbetrug gesetzt, ein entscheidender davon war der Beschluss des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes“, so Grießl.

    Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G) ist am 1. Mai 2011, also zeitgleich mit der ersten Ost-Arbeitsmarktliberalisierung, in Kraft getreten. Ziel des LSDB-G ist es, gleiche Arbeitsmarkt- und Lohnbedingungen für in- und ausländische ArbeitnehmerInnen zu erreichen. Außerdem soll der faire Wettbewerb für die am Markt agierenden Betriebe sowie die korrekte Entrichtung von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen sichergestellt werden. Grießl zur konkreten Umsetzung: „Das Gesetz ermöglicht es uns vor Ort, Kontrollen an Baustellen und in Lohnbüros durchzuführen. Stellen wir Unregelmäßigkeiten wie eine Unterentlohnung fest, wird Anzeige gegen die betreffende Firma erstattet.“

    Abeitsmarkt gut gerüstet

    Die BUAK fungiert aber nicht nur als Kontrollorgan, sondern auch als Informationsstelle: „ArbeitnehmerInnen können bei uns nachfragen, ob sie auch tatsächlich angemeldet sind, wie sie offiziell beschäftigt sind, welcher Lohn ihnen laut Kollektivvertrag zusteht etc. Wir schicken den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch quartalsweise entsprechende Informationen zu ihrem persönlichen Arbeitsverhältnis zu“, erklärt Grießl. Auch BMASK-Experte Deutsch sieht den heimischen Arbeitsmarkt mit Maßnahmen wie dem Sozialdumpinggesetz für die neue Liberalisierungsrunde gut gerüstet und spricht von einer „generell präventiven Wirkung der Kontrollen und möglichen Bestrafungen“.

    Die Befürchtung, dass das heimische Sozialsystem von „Sozialtouristinnen und -touristen“ ausgenützt werden könnte, teilt der Experte nicht. Denn um Mindestsicherung und andere Sozialleistungen beantragen zu können, müssen EU-BürgerInnen erst um eine Anmeldebescheinigung ansuchen. Diese erhält man wiederum nur unter bestimmten Bedingungen wie einem umfassenden Krankenversicherungsschutz und ausreichenden Mitteln zur Existenzsicherung. „Sozialtourismus“ ist also eine Mär, ebenso wie die angebliche Flut von Menschen aus Bulgarien und Rumänien, die den heimischen Arbeitsmarkt zu überschwemmen drohen.

    Mehr Infos unter:
    www.arbeitsmarktoeffnung.at
    www.buak.at
    www.bmask.gv.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor harald.kolerus@gmx.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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    Harald Kolerus, Freier Journalist Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808885 Schon damals war die Angst vor einer Überflutung durch Billigarbeitskräfte groß - die tatsächlichen Auswirkungen blieben allerdings bescheiden. http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
    Sat, 15 Feb 2014 00:00:00 +0100 1390820808856 Die soziale Frage ist die Herausforderung Zur Person - Dr. Erhard Busek

    Geb. am 25. März 1941 in Wien, verheiratet
    1959–1963 Studium an der Universität Wien, Juridische Fakultät, Abschluss mit Doktorat, gleichzeitig Werkstudent
    1966–1969 Vorsitzender des Österr. Bundesjugendringes
    1964–1968 Parlamentssekretär im Nationalrat
    1972–1976 Generalsekretär des Österr. Wirtschaftsbundes
    1975–1976 Generalsekretär der ÖVP
    1976–1978 Stadtrat in Wien
    1976–1989 Landesparteiobmann der Wiener Volkspartei
    1978–1987 Landeshauptmann-Stellvertreter und Vizebürgermeister von Wien
    1989–1994 Minister für Wissenschaft und Forschung
    1994–1995 Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten
    1991–1995 Vizekanzler der Republik Österreich und ÖVP-Bundesparteiobmann
    Seit 1995 Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)
    Seit November 1996 Koordinator der Southeast European Cooperative Initiative (SECI)
    2000–2001 Regierungsbeauftragter der österreichischen Bundesregierung für EU-Erweiterungsfragen
    Seit April 2000 Präsident des Europäischen Forums Alpbach
    Seit 1. Jänner 2002 Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa

    Arbeit&Wirtschaft: Dr. Erhard Busek, Sie sind seit fast 20 Jahren Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM). Sie sind überzeugter Europäer, Sie haben unsere Geschichte miterlebt und mitgeprägt.

    Erhard Busek: An dieser Stelle muss ich ein Geständnis ablegen: In meiner Schulzeit war für unsere Lehrer diese Integration von Europa bereits eine Perspektive. Damals war ich unter den Skeptikern. Ich kann mich an eine interessante Diskussion mit meiner Deutschprofessorin erinnern, die phantastisch für Europa Stellung bezogen hat. Ich habe ihr damals erklärt: „Das wird nie funktionieren.“ Von ihr kam dann die Frage: „Na, wenn du so gescheit bist, was würdest du anders machen?“ Meine Antwort war: „Typisch österreichisch weiterwursteln.“ Ich erwähne das deswegen, weil ich heute wirklich ein überzeugter Europäer bin. Europa ist für uns ohne Alternative. Wenn die Europäer als Gesamtes im Rahmen des Global Village, des  Weltdorfs, irgendeine Rolle spielen wollen, dann müssen sie das  gemeinsam tun, denn wir sind nur mehr sieben Prozent der Weltbevölkerung. Noch geht es uns wirtschaftlich ganz gut, aber Sie können sich ausrechnen, wann uns China, Indien und andere überholen werden. Daher müssen wir unsere Rolle als Europäer definieren. Denn wir sind nicht mehr der Kontinent, auf dem Kolonialmächte zuhause sind. Es ist die offene Frage, ob wir die starke intellektuelle Rolle und die Position in der Forschung aufrechterhalten können – auf Seite der Innovation. Das verlangt gemeinsame Anstrengungen.

    Seit 1. Jänner haben wir die Arbeitsmarktöffnung für Rumänien und Bulgarien. Hätten Sie sich diese Entwicklung wirklich damals vorstellen können?

    Klare Antwort: Nein. Ich habe mich sehr engagiert, um auf der anderen Seite des eisernen Vorhanges Gruppen zu unterstützen, die in Richtung Demokratie wollten. Ich habe aber eigentlich nicht mehr damit gerechnet, dass all das zu meinen Lebzeiten Wirklichkeit wird. 1989 war nicht nur ein „Annus mirabilis“ – ein wunderbares Jahr –, sondern hat den Kontinent verändert. Vor allem auch die Position Österreichs. Wir sind aus einer Randlage vom östlichen Rand der westlichen Welt in die Mitte des Kontinents gewandert. Das allein bedeutet schon eine gewisse europäische Verantwortung. Im Wirtschaftsbereich ist diese Verantwortung meines Erachtens wahrgenommen worden. Bei der Politik bin ich etwas kritischer. 

    Woran mangelt es bei der Politik? 

    An Konzepten. Es wäre dringend notwendig, dass wir in der regionalen Kooperation innerhalb der EU stärker agieren. Dass wir z. B. nicht bei der Visegrád-Gruppe mit Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Ungarn sind, halte ich für einen großen Fehler. Wir sind hier gemeinsam zuhause. Ich hoffe, dass uns die Donauregionalinitiative EUSDR zusammenführt. Da sind wir zum Teil ganz gute Spieler, weniger politisch als in den Sachbereichen. Das geht von der Schifffahrt über Fragen der Wirtschaft, des Verkehrs, der Ökologie und vieles mehr. Aber das lässt sich politisch noch ausbauen. 

    Werden wir dieses Potenzial nutzen können, mit einem sehr jungen Außenminister Kurz?

    Ich würde sagen, Sebastian Kurz hat Chancen, weil sich niemand von ihm etwas erwartet. Da kann er nur noch angenehm überraschen. In einem Telefonat hat er mir gegenüber betont, wie wichtig die Rolle Österreichs gegenüber dem Westbalkan und Donauraum ist. Das kann natürlich auch Marketing gewesen sein, das weiß ich nicht. Hoffentlich unternimmt er auch etwas. Allein die Feststellungen – und im Moment macht er ein bisschen viele Feststellungen – genügen nicht, sondern man muss dazu auch Konzepte haben.

    Derzeit geistert anlässlich der Arbeitsmarktöffnung für Rumänen und Bulgaren der Begriff „Sozialtourismus“ durch die Medien. Ängste werden geschürt.

    Das ist immer wieder der Fall. Das liegt daran, dass die Politik teilweise von der Artikulation von Befürchtungen lebt. Sie versucht, ihre Bedeutung dadurch zu unterstreichen, dass sie den Mitbürgerinnen und Mitbürgern Angst macht. Das ist eigentlich falsch. Sie müsste sagen, wie sie das Problem selber bewältigt. Mit der Wiedereinführung der Visapflicht etwa, wie die Frau Innenministerin sich hie und da vernehmen lässt, können wir in Wirklichkeit gar nichts lösen. Zum Argument, dass das der Bekämpfung der Kriminalität dienen würde, kann ich nur sagen: Jeder Kriminelle beschafft sich immer noch ein Visum. Die einschlägigen Gerichtsverfahren sind bekannt. Ich glaube, dass wir einiges dazu tun müssen, dass die wirtschaftliche und soziale Situation in diesen Ländern besser wird, so dass die Sehnsucht auszuwandern nicht mehr existiert. Diese entscheidende Frage ist verschärft worden durch die Situation in Südeuropa – also Griechenland, Italien, Portugal, Spanien. Und das, was in Lampedusa und bei den spanischen Enklaven wie in Marokko passiert, sollte klar machen, dass wir dringend ein Konzept brauchen.

    Wir haben im aktuellen Heft auch eine Geschichte über Lampedusa. Wie bekommt man das alles in Griff?

    In Griff kriegt man das nur, indem wir uns in Afrika oder im Nahen Osten, wo die meisten dieser armen Menschen herkommen, engagieren. Die Chinesen tun das. Ich höre manchmal kritische Töne, dass sie sich wie Kolonialherren aufführen, kann das aber selbst nicht beurteilen, weil mir hier die Kenntnisse fehlen. Wir müssen uns in diesen Ländern engagieren, um zur Stabilität beizutragen. Die berühmten Militärinterventionen unserer französischen Freunde sind dabei nicht das Engagement, das ich meine.

    Viele Menschen kommen ja nicht mit dem Ziel Europa, sondern sind auf der Flucht.

    Ja, sind auf der Flucht, suchen Arbeit oder überhaupt ein menschenwürdiges Leben. Diese Verantwortung existiert. Wir können als Europäer nicht ständig predigen, dass wir für die Menschenrechte sind und die Menschenwürde und dann entsprechende Maßnahmen unterlassen. Ich sage gleich dazu, da geht es nicht um Finanzierung. Das wird dann immer gleich so ausgelegt. Mit den Mitteln für die Entwicklungshilfe, die natürlich aufgestellt gehören, ist es allein nicht getan. Man braucht hier Bildungsmaßnahmen, die richtigen Bahnen für Investitionen, Infrastruktur, Entwicklungen usw. Der Katalog ist hinreichend bekannt.

    In dem Zusammenhang möchte ich auch dafür plädieren, dass die EU mehr Talent in der Krisenintervention entwickelt. Es ist so wichtig, Instrumente dafür zu haben. Ich habe ja die Krisenintervention der Europäer am Balkan erlebt – und ich muss sagen, die Erinnerungen sind gemischt: Einerseits gab es richtige Hilfe, andererseits musste ich feststellen, dass Regierungen Leute dorthin entsandt haben, die einfach irgendeine schöne Funktion haben wollten, gut bezahlt sein, aber von der Gegend, in die sie gegangen sind, nicht die leiseste Ahnung hatten. Das heißt, wer dorthin geht, muss auch entsprechend ausgebildet werden. Ich habe mit meinem Institut hier die Konsequenzen gezogen. Wir haben einen Balkan-Lehrgang, der von den Unternehmen, die dorthin gehen, gerne genutzt wird.

    Wünschen Sie sich, dass dieser gesamte mitteleuropäische Donauraum, mit dem sich ihr Institut befasst, Teil der EU wird?

    Selbstverständlich. Das hat ja auch die EU schon beschlossen und zwar 2003 im Vertrag von Thessaloniki – nur manchmal vergessen wir das. Natürlich müssen wir einiges dazu tun, dass Probleme gelöst werden. Bosnien-Herzegowina ist da z. B. ein schwarzer Fleck auf der Landkarte.

    Die wollen ja auch nicht, oder?

    Ach, die wollen, die wollen. Das wirkliche Problem stellen natürlich Blödheiten europäischer Regierungen dar, wie z. B. die Frage des Staatsnamens von Mazedonien. Griechenland blockiert daher alles. Aber auch die Kosovo-Frage, den fünf Mitgliedsstaaten der EU noch immer nicht anerkannt haben. Aber nicht wegen dem Kosovo, sondern wegen ihrer eigenen internen Probleme. Etwa, dass Katalonien selbständig werden will oder was mit der ungarischen Minderheit in Slowenien und der Slowakei passiert.

    Aber wie soll das weitergehen? Gleichzeitig muss man ja auch die Situation in Griechenland und Spanien bewältigen. 

    Eine berechtigte Frage. Ich glaube, dass das Entsenden von Troikas allein nicht genügt. Hier muss man Assistenzen entwickeln, die im Bildungsbereich, auch in der Strukturentwicklung, liegen. Ich wiederhole: Nicht mit Geld, sondern in einer entsprechenden Ausbildung. Die Bildungsfrage halte ich überhaupt für die Schlüsselfrage in allen diesen Entwicklungen.

    Vor allem auf die Jugend angewendet oder unter dem Aspekt des lebenslangen Lernens? 

    Auf jeden Fall lebenslanges Lernen. Aber es ist empfehlenswert, mit der Jugend zu beginnen. Wir haben mit der dualen Berufsausbildung in Österreich ein sehr praktikables Modell. Ich erlebe immer wieder sehr großes Interesse daran, das zu übertragen.

    Länder wie Rumänien und Bulgarien leiden unter einem so genannten Braindrain, also darunter, dass viele gut ausgebildete, vor allem jüngere Menschen ihr Glück im Ausland suchen – z. B. aus dem Gesundheitswesen.

    Nicht nur – auch aus der Wissenschaft. Ich bin Vorsitzender des Universitätsrates der Medizinuni Wien und wir profitieren bei den Oberärztinnen und -ärzten – also auch im akademischen Bereich, nicht nur beim Pflegepersonal – sehr stark von den jungen Menschen, die aus diesen Ländern kommen, bei uns die Ausbildung bekommen und dann hierbleiben. Das kann man ihnen nicht verübeln, aber wir entziehen diesen Ländern ein bisschen die Substanz. Dafür gibt es aber keine koordinierte Strategie.

    Sie sprechen gerne von „Europa als Friedensprojekt mit ungeheurem Erfolg“. Vor 100 Jahren ist der 1. Weltkrieg ausgebrochen – kann so ein Krieg nicht mehr ausbrechen?

    In der gegenwärtigen Situation kann man wohl sagen: Nein. Wir haben ja 1991 erlebt, dass es wie beim Zerfall von Jugoslawien natürlich wieder Krieg geben kann. Das muss man immer im Gedächtnis behalten. Der Frieden kommt nicht von allein, sondern gehört täglich gesichert.

    Dazu bedarf es entsprechender Maßnahmen im Sozialbereich, im wirtschaftlichen Bereich. Die Migrationsfrage hat Sprengkraft. Ich weise immer darauf hin, verzeihen Sie den historischen Vergleich, dass der Zerfall des Imperium Romanum durch die Völkerwanderung geschehen ist. Die Völkerwanderung, die wir heute haben, ist mindestens damit vergleichbar. Ich kann aber auch ein Beispiel aus der näheren Geschichte wählen. Wien war um 1900 die zweitgrößte tschechische Stadt. Wien ist heute, 2014, die zweitgrößte serbische Stadt.

    Große Unterschiede?

    Eigentlich nein. Im Klima der Stadt hört man natürlich in der Straßenbahn, der U-Bahn, wo auch immer man hinkommt, alle möglichen Sprachen, aber bislang sind eigentlich nur minimale Konflikte entstanden. Das ist, glaube ich, eine sehr positive Entwicklung. Mag sein, dass wir durch die Vergangenheit und die Durchmischung im Donauraum es ein bisschen in den Genen haben, leichter damit umzugehen.

    Sie glauben also, dass wir mit dem „Fremden“ besser umgehen können?

    Ich glaube, dass wir geschickter sind, wenn ich an die Kopftuchfrage in Frankreich denke und die Art und Weise, wie sie bei uns gelöst wurde – indem sie eigentlich kein Problem darstellt – ist das ein sehr gutes Zeichen. Auch die Deutschen leisten sich sozusagen bewusste Konflikte vor allem mit der türkischen Minderheit, die allerdings erheblich größer ist als bei uns. Wir lösen die Dinge eher pragmatisch.

    Soll die Türkei zu Europa?

    Ich glaube, dass die Türkei derzeit in einem gigantischen Umbruch ist und man noch nicht voraussagen kann, was dabei herauskommt. Nur danach kann die europäische Frage entschieden werden. Ich möchte aber klarstellen: Im Moment sehe ich das nicht, weil wir uns mit der Türkei als EU-Mitglied Grenzen zu den Kaukasusstaaten, zum Irak, Iran, zu Syrien einhandeln würden, die wir als Europäer gar nicht bewältigen können.

    The Soul of Europe beschwören Sie immer wieder – existiert die europäische Seele?

    Im Bereich der Kultur, ja. Wenn Sie die kulturellen Leistungen dieses Kontinents anschauen, sind das gemeinsame. Konzertprogramme, Theaterprogramme sind eine Mischung quer durch die Länder. „A Soul for Europe“ verlangt natürlich auch Übereinstimmung. Man spricht hier gerne vom „narrativen Europa“, das wir brauchen. Ich glaube, wir brauchen diese europäische Erzählung, damit wir wissen, wer wir sind, was wir beitragen. Das ist aber eine Aufgabe von Kunst und Kultur, aber auch der Leistung von Wissenschaft, Forschung, von begabten Menschen, von Medien und jenen, die in der Lage sind, sich überhaupt über Europa zu artikulieren.

    Was für eine Rolle spielen denn die Gewerkschaften in diesem zusammenwachsenden Europa?

    Nach wie vor eine große. Ich bin Anhänger der Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft. Das Modell ist auf europäischer Ebene auch irgendwie übernommen worden, ist aber meines Erachtens in der Artikulation auf beiden Seiten – von ArbeitnehmerInnenvertretung und von der Wirtschaftsseite – nicht so entwickelt. Ich würde mir wünschen, dass sich der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stärker ins Spiel bringt. Das ist meines Erachtens dringend notwendig. Die soziale Frage ist neben der Frage der Bildung die eigentliche Herausforderung für Europa.

    Wir danken für das Gespräch.

    Institut für den Donauraum und Mitteleuropa:
    www.idm.at

    Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion aw@oegb.at

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    Das Interview führte Katharina Klee für Arbeit&Wirtschaft. Arbeit&Wirtschaft 1/14 http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=1390820808868 Erhard Busek: "Ich glaube, wir brauchen diese europäische Erzählung, damit wir wissen, wer wir sind, was wir beitragen." http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere= http://archiv.arbeit-wirtschaft.at/servlet/BlobServer?blobcol=urlmmogross&blobheader=image%2Fjpeg&blobkey=id&root=X03&blobnocache=false&blobtable=MMO&blobwhere=
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