topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Beteiligungsstruktur ÖIAG/PTBG 1999
Beteiligungsstruktur ÖIAG per August 2001

Privatisierung in Österreich | Bleibt die ÖIAG als Kernaktionär für österreichische Schlüsselunternehmen erhalten?

Die Verstaatlichte war über viele Jahre ein Motor der Sozialpartnerschaft. Hier wird im Überblick dargestellt, wie der »Ausverkauf« abläuft bzw. abgelaufen ist, von den Anfängen gleich nach dem Krieg 1945 bis zur Situation im Jahr 2001.

Ende des Zweiten Weltkrieges befanden sich in Österreich rund zwei Drittel der industriell-gewerblichen Produktion und 83 Prozent der Banken in deutschem Eigentum. Um diese zum Teil arisierten oder unter Kriegsbedingungen als Tochterunternehmen deutscher Konzerne errichteten Unternehmen dem Zugriff der Besatzungsmächte zu entziehen und gleichzeitig den Auslandseinfluss auf die österreichischen Schlüsselunternehmen zu minimieren (es fehlte an inländischem Kapital für den Wiederaufbau), einigten sich die damals relevanten politischen Kräfte (ÖVP, SPÖ, KPÖ), den Weg der Verstaatlichung einzuschlagen. Am 26. Juli 1946 wurde daher das 1. Verstaatlichungsgesetz verabschiedet, welches 71 Unternehmen der Bergbau-, Erdöl- und Erdgas-, Stahl- und Grundstoff-, der Maschinen- und Stahlbau-, der Elektroindustrie und der Banken umfasste (der ÖGB hatte ursprünglich die Verstaatlichung von 235 Unternehmen gefordert).

Die »Verstaatlichte«

Erst 1967 entstand die Grundlage des Verstaatlichten-Konzerns im engeren Sinne. Von den ursprünglich 66 verstaatlichten Industrieunternehmen kamen nur noch 21 unter die Treuhandverwaltung der Österreichischen Industrieverwaltungs GmbH (ÖIG). (Die ÖIG wurde schließlich 1970 in eine Aktiengesellschaft, die Österreichische Industrieverwaltungs AG (ÖIAG) umgewandelt und dieser die Aktien der verstaatlichten Industrieunternehmen übertragen.)

Es entstand allerdings ein Konzern, welcher nicht mit rein marktwirtschaftlichen Kriterien messbar und begreifbar war. Abgesehen davon, dass lange Zeit hindurch ein Mitmischen der Verstaatlichten im Bereich der wertschöpfungsintensiveren Finalproduktion politisch verhindert wurde, hatten die verstaatlichten Unternehmen öffentliches Interesse - z. B. über eine entsprechende Preispolitik der Grundstoffindustrie zugunsten von »privaten« Weiterverarbeitungsbetrieben oder Rücksichtnahmen auf regionale Arbeitsmärkte - weit stärker zu berücksichtigen als bei marktwirtschaftlich agierenden Unternehmen üblich. Trotzdem - oder gerade deshalb - wurde die Verstaatlichte zum Motor der österreichischen Industrie und zu einer der wesentlichsten Voraussetzungen für die Institution der österreichischen Sozialpartnerschaft. In Zeiten anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs war sie auch im Bewusstsein vieler Österreicher unumstrittener Bestandteil des wirtschaftlichen Systems Österreichs. Durch die Stärke der Gewerkschaften und Betriebsräte in den großen, gut organisierten Betrieben, aber auch durch die Einflussmöglichkeiten im Wege der Sozialpartnerschaft, kam es im Interesse der dort Beschäftigten zu einer beispielgebenden Lohn-, Gehalts- und Sozialpolitik.

Die Verluste aus defizitären Industrieanlageprojekten und spekulativen Handelsgeschäften im Spätherbst des Jahres 1985 bescherten jedoch der VOEST-ALPINE AG einen Verlust von fast 12 Milliarden Schilling und lösten einschneidende Veränderungen für die künftige Entwicklung der ÖIAG aus. Nach drastischen Managementmaßnahmen in der VOEST selbst (Abberufung des gesamten Vorstandes), wurde auch die ÖIAG auf eine neue gesetzliche Basis gestellt (ÖIAG-Gesetz 1986): Die ÖIAG sollte einen straff organisierten Industriekonzern bilden und wurde mit Weisungsrechten ausgestattet. Auch wurde der Parteienproporz bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrates abgeschafft. Die Aufsichtsratsorgane aller Unternehmen des ÖIAG-Konzerns wurden neu bestellt und das ÖIAG-Gesetz in so gut wie allen Bestimmungen - mit Ausnahme des Entsendungsrechts der Bundesarbeitskammer - dem Aktiengesetz angeglichen.

»Eigenleistungen«

Damit wurde auch für die Arbeitnehmer eine neue Ära eingeleitet. Löhne, Gehälter und Sozialleistungen wurden marktgerecht zurückgeschraubt. Die Einflussmöglichkeiten der Gewerkschaften und Betriebsräte gingen unter anderem auch durch die Zerschlagung großer Unternehmenseinheiten immer mehr zurück.

Anfang 1987 einigten sich die beiden Regierungsparteien über Kapitalzuführungen an die verstaatlichte Industrie. Mit dem ÖIAG-Finanzierungsgesetz vom 2. Juli 1987 wurden der ÖIAG 32,9 Milliarden Schilling zugesagt. Dies sollte der letztmalige Zuschuss der öffentlichen Hand sein; weitere zur Sanierung der Unternehmen erforderliche Mittel sollten durch Eigenleistungen, das heißt Privatisierungen, aufgebracht werden.

Somit wurden erstmals Privatisierungen von verstaatlichten Unternehmen als notwendiger Beitrag zur Finanzkraft der Unternehmen angesehen und im Gesetz auch alle gesetzlichen Hindernisse für die Veräußerung von Unternehmen bzw. Anteilsrechten der verstaatlichten Industrie beseitigt.

Sämtliche Unternehmungen der ÖIAG sollten laut Regierungserklärung auf ihre Kapitalmarktfähigkeit geprüft werden und dem österreichischen Aktienmarkt zur Aufbringung zusätzlichen Kapitals nützen.

Als erste größere Privatisierungsaktion wurden 1987 15 Prozent des Aktienkapitals der OMV an die Börse gebracht - es war die bis dahin größte Aktienplatzierung eines österreichischen Industrieunternehmens. 1989 konnten weitere 10 Prozent des Aktienkapitals verkauft werden. Nach der Platzierung der OMV waren keine weiteren Abgaben von Anteilen an den großen Konzernunternehmungen der ÖIAG (damals in Branchenholdings zusammengefasst) geplant, da zur weiteren Mittelbeschaffung die Idee einer Privatisierung der Konzernholding verfolgt und damals (Ende 1989) auch von der Koalitionsregierung unterstützt wurde. Zur Umsetzung dieser Idee wurde 1990 die Austrian Industries (AI) gegründet.

Österreichische Interessen

Die ÖIAG-Finanzierungsgesetz-Novelle 1991, in welcher erstmals von der Wahrung österreichischer Interessen und der Beibehaltung eines österreichischen Industriekonzerns die Rede ist, konnte ihr Ziel, die mittelfristige Privatisierung der AI über die 50-Prozent-Grenze hinaus, nicht erreichen. Der Grund waren die schlechten Ergebnisse in den Jahren 1992 und 1993, bedingt durch Branchenkrisen bei Stahl und Aluminium und eine die eigene Finanzkraft der Unternehmen bei weitem übersteigende Akquisitionspolitik (vor allem im Fall der AMAG). 1993 scheiterte ein letzter Versuch, mit Hilfe eines Gutachtens einer Investmentbank einen um Problembereiche bereinigten AI-Konzern doch noch an die Börse zu bringen, an der anhaltenden Stahlkrise und den Problemen rund um die AMAG.

Das ÖIAG-Gesetz 1993 brachte schließlich die Wende: Am 11. November 1993 kam es zum Abschluss einer neuerlichen (der dritten) Koalitionsvereinbarung zwischen den Regierungsparteien über die Zukunft der ÖIAG-Gruppe: Diese sah die Aufhebung des ÖIAG-Konzerns, die Auflösung der AI (die mit der ÖIAG verschmolzen wurde) und die mehrheitliche Privatisierung aller ÖIAG-Beteiligungen mit Ausnahme des Bergbaubereiches vor. Mit der ÖIAG-Gesetzesnovelle vom 31. Dezember 1993 wurden die Aufgaben der ÖIAG und deren Privatisierungen auf eine neue Basis gestellt. Es war die erklärte Absicht des Gesetzgebers, die Eigentümerfunktion an den verstaatlichten Industrieunternehmen mehrheitlich bzw. ganz aufzugeben (die zu privatisierenden Unternehmen sind im Gesetz angeführt). Trotzdem lässt das Gesetz sowohl zeitlich (»in angemessener Frist«) als auch inhaltlich (»unter Wahrung österreichischer Interessen, soweit wirtschaftlich vertretbar«) den ÖIAG-Organen genügend Spielraum, um flexibel auf volks- und betriebswirtschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Zur Durchführung der Vorbereitungsmaßnahmen für die Privatisierung gewährte der Bund der ÖIAG ein nachrangiges Darlehen in Höhe von 7,5 Milliarden Schilling.

Letzte Meldung:

Pfandl verscherbelt

In der letzten Aufsichtsratssitzung der ÖIAG am 13. 9. 2001 ging der Verkauf des Wiener Dorotheums über die Bühne
.

Der Zuschlag ging an das österreichische Internet-Auktionshaus »OneTwo Beteiligungs- und Managementberatungs GmbH« (OneTwoSold), welches laut ÖIAG das höchste Offert gelegt hatte.

Eigentümer der Gesellschaft sind Christoph Dichand, Sohn des »Krone«-Eigentümers Hans Dichand, sowie Erwin Soravia junior aus der Kärntner Bauindustriellenfamilie Soravia (»Bau Holding Strabag«). Es wurde eine Garantie bezüglich Weiterführung aller Geschäftsbereiche abgegeben. Der Kaufpreis beträgt rund eine Milliarde Schilling. Weiters wurde bei der Strohal Rotations Druck GmbH der Privatisierungsprozess eingeleitet. Die Holding der Firma Strohal, die Print Media Austria, wurde mit der ÖIAG verschmolzen.

Beteiligungsstruktur ÖIAG per Ende 1993

Gemäß dem Auftrag des ÖIAG-Gesetzes 1993 wurde Anfang 1994 ein erstes Privatisierungskonzept für den Zeitraum 1994-1996 ausgearbeitet und in den Jahren seit 1994 entsprechend den Zielsetzungen diese Konzepts umfangreiche Privatisierungsmaßnahmen durchgeführt. Ziel war vor allem eine Reduzierung der Schulden, damit das verbleibende Beteiligungsvermögen der ÖIAG möglichst durch Eigenmittel finanziert werden konnte.

Dazu nur einige Beispiele: Noch im Mai 1994 wurden 51 Prozent der VA Technologie AG über die Börse privatisiert, wobei etwa zwei Drittel davon an Investmentfonds in Großbritannien und den USA gingen. Eine arabische Investmentgesellschaft kaufte noch im gleichen Jahr 20 Prozent des OMV-Aktienkapitals. Der steirische Leiterplattenproduzent AT&S wurde zu 100 Prozent an das Management und einen Privatinvestor verkauft. Vollständig privatisiert wurden auch der Chiphersteller AMS und der Weichenbauer VAE. Ähnlich wie bei der VA Technologie verlief der Börsegang bei Böhler Uddeholm AG (BUAG), wo im März 1995 und auch im März 1996 insgesamt die Mehrheit der BUAG-Anteile an der Börse platziert wurden. Institutionelle Anleger aus Großbritannien und den USA sicherten sich einen erheblichen Anteil am österreichischen Weltmarktführer. Wie auch bei der VA Stahl AG, wo bis Anfang 1996 die ÖIAG ihren Anteil auf 38,8 Prozent reduziert hat, wobei allerdings der Mehrheitsanteil an der VA Stahl (im Gegensatz zur BUAG) im Inland verblieb (eigentumsmäßige Verschränkung zwischen VA Stahl und VA Tech). Der Verkauf von 100 Prozent der AMAG an die Bietergruppe Hammerer (AMAG-Management) und der österreichischen Constantia-Gruppe im November 1996 war eigentlich nicht Teil des 1. Privatisierungskonzeptes, welches Privatisierungserlöse im Umfang von 22,8 Milliarden Schilling brachte.

Mit dem Bundesgesetz betreffend die Übertragung von Kapitalbeteiligungen des Bundes an die ÖIAG und der Novelle zum ÖIAG-Gesetz 1996 wurden der ÖIAG neue Privatisierungsaufgaben übertragen. Die Anteilsrechte des Bundes an der Austria Tabak AG und an der Österreichischen Salinen AG wurden zum Zweck der Umstrukturierung und Privatisierung in das Eigentum der ÖIAG übergeführt. Im März 1998 wurden der ÖIAG zum Zweck der Privatisierung die Anteilsrechte am Dorotheum übertragen und im Juli 1998 auch die Anteilsrechte an der Österreichischen Staatsdruckerei AG (nunmehr Print Media Austria AG und Österreichische Staatsdruckerei GmbH). Im gleichen Jahr wurden auch die Bundesanteile an der Austrian Airlines (51,94 Prozent) und dem Flughafen Wien (17,38 Prozent) an die ÖIAG übertragen. Aufgrund einer Kapitalerhöhung, bei der die ÖIAG ihre Bezugsrechte nicht nutzte, fiel der ÖIAG-Anteil an der AUA im Mai 1999 auf 39,7 Prozent.

Beteiligungsstruktur ÖIAG per Ende 1996

Als Teil des zweiten Privatisierungskonzeptes für den Zeitraum 1997- 1999 wurde im April 1997 die Privatisierung der Österreichischen Salinen AG durchgeführt. Ebenso veräußerte die ÖIAG einen Anteil von 49,5 Prozent an der Austria Tabak AG (davon gingen 62 Prozent an britische und amerikanische Anleger). Aus beiden Veräußerungen ergaben sich Privatisierungserlöse in Höhe von etwa 8,1 Milliarden Schilling.

Die Privatisierungen der Unternehmen der ehemaligen Verstaatlichten erfolgten bis dato zum Teil zu 100 Prozent und zum Teil hat die ÖIAG Restbeteiligungen behalten, und zwar dort, wo aus wirtschaftspolitischer bzw. industriepolitischer Sicht eine strategische Bedeutung wahrgenommen wurde. In den wesentlichen Industrien des früheren ÖIAG-Konzerns, wie OMV, VA Stahl, VA Tech und Böhler Uddeholm, wurde die ÖIAG zwar zum Minderheitseigentümer, blieb jedoch als Kernaktionär der jeweils wichtigste einzelne Einflussfaktor auf Hauptversammlungs- und Aufsichtsratsebene.

Die Unternehmen des ÖIAG-Portfolios (Austrian Airlines, Austria Tabak, Böhler Uddeholm, OMV, VA Stahl, VA Tech, Wiener Flughafen) und der 100-Prozent-Beteiligungen (Dorotheum, Print Media Austria, Staatsdruckerei, ÖBAG) beschäftigten per Ende 1999 insgesamt 66.428 Mitarbeiter, die einen Umsatz von rund 251 Milliarden Schilling erwirtschafteten. Die Unternehmen des PTBG-Bereichs (Telekom Austria, Post, PSK) beschäftigten 55.874 Mitarbeiter und erzielten einen Umsatz von rund 75,9 Milliarden Schilling (ohne PSK). Der Vorstand der ÖIAG war mit dem Vorstand der Post- und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft (PTBG) identisch. Rechnet man beide Gruppen zusammen, ergab sich ein Umsatzvolumen von etwa 326 Milliarden Schilling bei einer Mitarbeiterzahl von 122.571.

Beteiligungsstruktur ÖIAG/PTBG 1999

Mit dem Antritt der neuen Bundesregierung im Februar 2000 und der Verabschiedung des ÖIAG-Gesetzes 2000 stellen sich für die ÖIAG-Entwicklung, aber auch für die österreichische Wirtschaftspolitik insgesamt neue Weichen. Die Regierung hat sich zwecks Schuldenabbau in ihrem Programm zum Ziel gesetzt, die wichtigsten österreichischen Unternehmen, an denen der Staat noch Anteile hält, zu verkaufen.

Das im April 2000 im Parlament beschlossene ÖIAG-Gesetz 2000 stellt eine Pauschalermächtigung zur Privatisierung dar. Die Privatisierungspolitik der Regierung wird durch das Ziel des Schuldenabbaus dominiert, wirtschafts- bzw. industriepolitische Erwägungen treten in den Hintergrund. Angesichts des innerhalb eines kurzen Zeitraums zu tilgenden Schuldenbestandes besteht grundsätzlich die Gefahr des Ausverkaufs unter Zeitdruck und damit des Verschleuderns von Staatsvermögen (wie noch dargestellt wird, hat sich diese Befürchtung bewahrheitet).

Auf Grundlage des ÖIAG-Gesetzes 2000 wurde die ÖIAG mit der Postholding PTBG (rückwirkend) per 31. 12. 1999 zusammengeführt, wodurch die ÖIAG auch die Finanzverbindlichkeiten der PTBG übernommen hat.

Bereits in der Sitzung des Ministerrats vom 29. Februar 2000 wurde festgelegt, dass neben der Österreichischen Staatsdruckerei, dem Dorotheum und der Print Media Austria, der Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom Austria und die Austria Tabak zu 100 Prozent privatisiert werden sollen. Bis zum Jahr 2003 soll diese erste Privatisierungsphase bereits abgeschlossen sein. In einer zweiten Privatisierungsphase wird seitens der Regierung auch die vollständige Privatisierung folgender Unternehmen in Erwägung gezogen: VA STAHL, OMV, BÖHLER UDDEHOLM, VA Technologie, Austrian Airlines und die Österreichische Post AG.

Für das Jahr 2000 war vor allem die Privatisierung der PSK (zu 100 Prozent) in Höhe von budgetierten 11,9 Milliarden Schilling und der Telekom Austria (1. Tranche 25 Prozent) in Höhe von budgetierten 25,9 Milliarden Schilling vorgesehen. Der Verkauf der PSK an die BAWAG hat mit 17,8 Milliarden Schilling den geplanten Erlös weit übertroffen.

Erwarteter Flop ...

Die erste Tranche der geplanten Totalprivatisierung der Telekom Austria ging am 21. November 2000 über die Bühne und wurde hingegen (erwartungsgemäß) ein Flop. Eine Privatisierung, die unter großem politischem Druck innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden muss, führt notgedrungen zu einer Verschleuderung von Vermögenswerten. Nur wenige Monate zuvor war von einem hochrangigen Vertreter der Regierung Folgendes zu hören: »Eine Verzögerung der Telekom-Privatisierung würde nichts bringen. Man muss sich einfach getrauen, die Unternehmen endlich zu verkaufen und nicht immer diskutieren, wie hoch der Preis sein könnte« (»Wirtschaftsblatt« vom 10. 5. 2000). Es war tatsächlich der denkbar schlechteste Zeitpunkt für den Telekom-Börsegang. Im Oktober und November 2000 gaben die Börsen weltweit nach. Telekommunikations-Werte waren zu jener Zeit wenig gefragt. Der Absturz der Head-Aktie an der Wiener Börse veranlasste damals Andritz und auch die zur VA Tech-Gruppe gehörende AI-Informatics, ihre Börsegänge auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das ursprünglich von der ÖIAG geplante Emissionsvolumen von 28 Prozent der TA wurde auf 25,8 Prozent reduziert. Der zum Zeitpunkt des Börseganges erwartete Verkaufserlös (exklusive Sonderrabatte für Privatanleger und Mitarbeiter) lag bei 15,9 Milliarden Schilling. Da der Emissionspreis unter der Mindestpreis-Vereinbarung von 11,87 Euro je Aktie lag, die mit der Telecom Italia bei deren Einstieg in die TA getroffen wurde, musste die ÖIAG den Italienern Gratisaktien im Ausmaß von 4,8 Prozent an der TA überlassen. Telecom Italia hatte knapp zwei Jahre zuvor für ihr Sperrminoritätspaket rund 27,5 Milliarden Schilling zu bezahlen. Der Anteil der ÖIAG an der TA wäre damit von 75 Prozent minus einer Aktie auf 44,4 Prozent gesunken und der Anteil der Telecom Italia von 25 Prozent plus einer Aktie auf 29,8 Prozent gestiegen (bei 25,8 Prozent Streubesitz). Im Endeffekt fiel der Börsegang aber noch schlechter aus: Da nur 22,4 Prozent der Aktien im Wert von 13,8 Milliarden Schilling verkauft werden konnten, hat sich der ÖIAG-Anteil auf 47,8 Prozent reduziert (Telecom Italia: 29,8 Prozent).

Vollprivatisierung

Die ÖIAG zog die Vollprivatisierung der börsennotierten Austria Tabak zeitlich etwas vor. Die Austria Tabak war seit ihrer Gründung als Österreichische Tabakregie im Jahr 1748 im Staatseigentum und wurde in zwei Schritten (1997 und 1999) mehrheitlich privatisiert. Die ÖIAG hält derzeit noch 41,1 Prozent des Aktienkapitals von AT, hat aber am 21. 6. 2001 einen Kaufvertrag mit der britischen Gallaher Group Plc abgeschlossen. Demnach übernimmt Gallaher das gesamte ÖIAG-Paket zu einem Preis von 10,6 Milliarden Schilling (85 Euro pro Aktie). Das Closing wird voraussichtlich im Herbst über die Bühne gehen. 58,9 Prozent befinden sich im Streubesitz. Rund die Hälfte des Streubesitzes entfällt auf österreichische Aktionäre. Der Rest wird von internationalen institutionellen Investoren, ein Großteil davon aus dem angloamerikanischen Raum, gehalten. Neben der ÖIAG existiert noch ein weiterer Aktionär, der einen Anteil von mehr als 5 Prozent hat, nämlich die Crédit Industriel d'Alsace et de Lorraine, die mit Stand Ende Juni 2001 6,4 Prozent an AT halten. Grundsätzlich besteht die Gefahr, dass durch den möglichen Wegfall des Lizenzgeschäftes (wenn einer der Lizenzgeber mehr als 15 Prozent der Anteile erwirbt, haben die anderen das Recht, ihren Lizenzvertrag zu kündigen) ein erheblicher Teil des Umsatzes wegbrechen könnte und dies daher für die Beschäftigten sehr negative Folgen hätte (Betriebsschließungen). Im Zuge des Erwerbs haben jedoch die Lizenzgeber zugesagt, die Verträge nicht zu kündigen, und seitens Gallaher wurde eine dreijährige Standortgarantie abgegeben. Galaher beabsichtigt, noch im Herbst 2001 den übrigen Aktionären ein Angebot zu unterbreiten, was dazu führen kann, dass Gallaher sämtliche Aktien der AT erwirbt.

Feindliche Übernahmen?

Bei Böhler Uddeholm und der VA Stahl gibt es vor dem Hintergrund der Debatten rund um die Privatisierungspolitik der ÖIAG Initiativen, um die Unternehmen vor feindlichen Übernahmen zu sichern. Während bei Böhler - zumindest nach Medienberichten - die Übernahme des ÖIAG-Anteils durch die Unternehmensleitung gemeinsam mit Finanzinvestoren im Gespräch ist, setzt der VA Stahl-Konzern auf eine Kombination aus Mitarbeiter- und Managementbeteiligung. Seitens der ÖIAG wird jedoch immer wieder beteuert, dass die ÖIAG-Anteile an den beiden Stahlkonzernen VA Stahl und Böhler Uddeholm (Anmerkung: in dieser Legislaturperiode) nicht zur Disposition stünden. Die ursprünglich geplante Abgabe von 8 Prozent VA Stahl-Aktien wurde aufgrund der schlechten Börsesituation im Jahr 2000 gestoppt. Im Rahmen des Verkaufs von 9 Prozent der VA Stahl-Aktien seitens der VA Tech (VA Tech war mit 19,93 Prozent an der VA Stahl AG beteiligt) wurden im Juli 2000 - im Rahmen eines Aktienrückkaufprogramms - eigene Aktien im Ausmaß von 4,01 Prozent gekauft. Gemeinsam mit dem bereits im April 2000 erfolgten Erwerbs von 1 Prozent ihres Grundkapitals an der ÖIAG (ÖIAG-Anteil an VA Stahl reduzierte sich damit auf 37,8 Prozent), konnte die VA Stahl letztlich 5,01 Prozent eigene Aktien für ein Mitarbeiterbeteiligungsmodell verwenden, das noch vor dem Sommer 2001 beschlossen wurde (»VA STAHL-Arbeitnehmer-Privatstiftung«). Der restliche VA Stahl-Anteil von 4,99 Prozent wurde von der VA Tech an einen institutionellen Finanzinvestor abgegeben. Die sich daraus ergebende VA Tech-Beteiligung an der VA Stahl von 10,93 Prozent wurde durch weitere Anteilsverkäufe an die Oberbank zunächst auf 5,94 Prozent reduziert - letztlich will sich die VA Tech ganz zurückziehen. Auch die VA Stahl beabsichtigt, ihre Beteiligung an der VA Tech abzustoßen.

Die ÖIAG, ursprünglich ebenso wie Wien und Niederösterreich mit 17,38 Prozent am Flughafen Wien beteiligt, zog sich nach und nach zurück. Durch den Verkauf von jeweils 2,62 Prozent durch die ÖIAG im Oktober 2000 hat sich ursprünglich der Anteil dieser beiden Bundesländer auf je 20 Prozent erhöht. Mittels Aktienrückkauf (10 Prozent) wurde eine Mitarbeiterstiftung eingerichtet. Bis März 2001 hat die ÖIAG die restlichen Flughafen-Anteile an institutionelle Investoren im In- und Ausland verkauft. Der Bund hält somit keine Anteile mehr am Flughafen Wien.

Neben dem großen Brocken Austria Tabak sollen im laufenden Jahr 2001 noch das Dorotheum (siehe Kasten) und die Print Media Austria mit deren 100-Prozent-Tochter Strohal-Druck privatisiert werden. Der Bereich Postbus wurde per Gesetz von der Post AG zu 100 Prozent der ÖIAG übertragen (»Österreichische Post Bus AG«).

Beteiligungsstruktur ÖIAG per August 2001

Wertschöpfungsintensive Unternehmensbereiche von international tätigen Konzernen, also jene mit hoher Entscheidungs- und Investitionsverantwortung (z. B. Spitzenmanagement, Planung, Forschung und Entwicklung, qualitativ hochwertige Fertigung), haben in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ihren Standort im Land der Muttergesellschaft. Darüber hinaus ist die Konzernspitze überdurchschnittlich häufig im Land der dominierenden Eigentümer angesiedelt. Das bedeutet, dass bei der Übernahme eines bisher im inländischen Besitz stehenden selbständigen Unternehmens durch ausländische Eigentümer das Risiko des Verlustes an »strategischer« Wertschöpfung an die Muttergesellschaft besteht. Davon betroffen sind im Regelfall nicht nur die höher qualifizierten Arbeitsplätze im Unternehmen selbst, sondern auch in den Zulieferbereichen, insbesondere in jenem der industrienahen Dienstleistungen. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Standort auch insgesamt an Attraktivität verliert.

Die Unternehmen eines strategisch bedeutenden Sektors sind nahezu in allen Industrieländern mehrheitlich in inländischem Besitz. Sie sind zumeist auch keine Publikumsgesellschaften bzw. Unternehmen mit ausschließlichem Streubesitz, sondern Unternehmen im Kernbesitz weniger Großaktionäre. Die Erhaltung starker Industriekerne ist wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Land nicht zum Globalisierungsverlierer wird.

Die strategische Eigentümerfunktion haben bisher in Österreich wie auch in vielen anderen europäischen Staaten die öffentlichen Hände auf verschiedenen Ebenen ausgeübt. Teilweise wird durch ein ausgeklügeltes System an wechselseitigen Beteiligungen die Beherrschung eines Konzerns durch inländische Banken, Versicherungen, Unternehmerfamilien, Bundesländer und Kommunen (Beispiele: Deutschland, Schweden) sichergestellt. Dies gibt es in Österreich jedoch kaum (auch die eigentumsmäßige Verflechtung von VA Tech und VA Stahl ist bald Vergangenheit). Im Falle des Rückzugs der öffentlichen Hand als Kernaktionär besteht gerade in Österreich die Gefahr von feindlichen Übernahmen aus dem Ausland, womit ein Ausverkauf von österreichischen Schlüsselunternehmen ans Ausland - mit negativen Folgewirkungen für die Beschäftigten der betroffenen Unternehmen, ihren Zulieferern und damit auch ganzer Regionen - kaum zu verhindern wäre.

Umdenkungsprozess?

Es geht letztlich nicht nur um strategisch wichtige Unternehmen, z. B. im Sinne der nationalen oder kommunalen Versorgungssicherheit, sondern um die Erhaltung von Konzernzentralen in Österreich, und damit um Standortabsicherung guter Unternehmen, die die Entscheidungskompetenz haben und mit qualitativ hochwertigen Produkten hochwertige Arbeitsplätze mit hohen Qualifikationen und hohem Einkommen schaffen.

Die ÖIAG müsste daher von einer reinen Privatisierungsholding in eine Beteiligungsgesellschaft zur langfristigen Wahrnehmung der Interessen des Staates umgewandelt werden - im Sinne von gesetzlich klar definierten Zielsetzungen. Nur wenn die strategische Eigentümerfunktion des Staates in Form einer Verpflichtung zum Halten von zumindest 25 Prozent + 1 Aktie des stimmberechtigten Kapitals bei wichtigen österreichischen Schlüsselunternehmen festgeschrieben ist, können langfristig wichtige Unternehmensentscheidungen beeinflusst und ein Ausverkauf verhindert werden. Die ÖIAG kann jedoch, wenn in den wachstumsorientierten Unternehmensbeteiligungen Kapitalerhöhungen stattfinden, nicht mitziehen. Damit würde ihr Anteil - auch ohne weitere Privatisierungsmaßnahmen - automatisch verdünnt und mitunter auch unter 25 Prozent absinken. Zwecks Absicherung des Einflusses müsste die ÖIAG daher eine ausreichende Eigenmittelausstattung erhalten.

Dazu bedarf es allerdings eines politischen Umdenkprozesses. Die derzeitige Regierung hat sich von Anfang an zu anderen Prioritäten wie Schuldenabbau um jeden Preis und Privatisierung um der Privatisierung willen als zu einer langfristig verantwortungsvollen Industrie- bzw. Wirtschaftspolitik bekannt.

Artikel weiterempfehlen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum